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Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 4. Prag, 1834.

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Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] der Trunkenheit so vorherrschend, als in den vereinig-
ten Staaten von Nord=Amerika, und die Bemühungen
der Sitten= und Rechtslehrer wie der Priester schei-
terten an der Liebe zum Brandweine, bis endlich im
letzten Jahrzehend eine kräftige Gegenwirkung eintrat.
Die erste Mäßigkeitsgesellschaft ( ein Verein von Per-
sonen, welche dem Genuß aller gebrannten Wässer
förmlich entsagt ) bildete sich ungefähr im Jahre 1827, und
schon im vorigen Jahre zählte man über 3000 ähnliche
Vereine von mehr als 300,000 Mitgliedern, die von Tage
zu Tage sich vermehren, und die Hoffnung geben, daß
in jenem Staate diese Leidenschaft zuerst ausgerottet,
oder doch im höchsten Grade vermindert werden
dürfte.



Die Syrischen Christen in Dekan.

Die syrischen Christen von Travancore bilden
13,000 Familien, die aus ungefähr 70,000 Seelen
bestehen, während die ganze Bevölkerung des Landes
150,000 Einwohner zählt. Sie besitzen noch 55 Kir-
chen; die römischen Katholiken haben sich deren mehrere
zugeeignet, und im Allgemeinen gleichen diese Gottes-
häuser unsern Landkirchen, obschon sie an Größe unter-
einander sehr verschieden sind, und von den unsern im
Styl ihrer Architektnr sehr abweichen. Manche der-
selben sind schöne und großartige Gebäude; doch haben
sie alle im Jnnern keine abgeschlossenen Bänke. An
der Ostseite erhebt sich eine Art von Altar, zu dem
einige Stufen hinaufführen, und auf welchem ein Kreuz
und Wachskerzen stehen, die man während des Gottes-
dienstes anzündet. Dieser letztere gleicht großentheils
jenem der Armenischen Kirche, und nähert sich, sonder-
bar genug, in verschiedenen Ceremonien dem der römi-
schen Kirche. Obschon Kreuze in den Kirchen aufge-
richtet sind, sieht man doch darin keine Abbildung oder
irgend ein anderes Denkmahl der Bildhauerkunst. Der
Gottesdienst wird in syrischer Sprache abgehalten,
welche das Volk nicht versteht, und welche nur wenige
Catenars oder Priester inne haben. Man hält keine
Predigten, und die Gläubigen können durch nichts
erbaut werden, als durch die Vorlesung einiger kurzen
Auszüge aus dem Evangelium, die im Malayalim,
der Sprache dieser Christen, abgehalten wird, welche
bei diesen Religionsgebräuchen in der tiefsten Unwissen-
heit versunken bleiben. Die Absicht der christlichen
Missionäre in diesen Gegenden ist, unter diese von
Finsterniß umgebenen Christen das reine Evangelium
einzuführen. Hr. Bailey beschäftigt sich damit, die
heilige Schrift in den Malayalim zu übersetzen, und
drucken zu lassen, und seine Arbeit ist schon weit vor-
gerückt. Hr. Doran steht an der Spitze des Kolle-
giums, welches 50 Schüler zählt, von welchen 28
bestimmt sind, Catenars zu werden. Die Zöglinge
lernen Lateinisch, Griechisch, Englisch, die Mathematik
u. s. w., und viele derselben machen bedeutende Fort-
schritte. Das Gebäude des Kollegiums ist groß und
bequem, und enthält eine kostbare Bibliothek, dann eine
Schule für die Sprachlehre mit etwa 60 Kindern, aus
welchen die Schüler des Kollegiums gewählt werden.
Uebrigens gibt es in verschiedenen Theilen des Landes
55 andere Schulen, die von ungefähr 1000 Kindern
des syrisch = christlichen Glaubens besucht werden.



Eine türkische Mittagstafel.

Ein deutscher Reisender erzählt folgendermaßen,
wie er mit einigen Freunden zu Bender in einem
[Spaltenumbruch] Gasthause bedient worden ist: "Wir erfuhren, daß ein
Koch des Sultans sich hier niedergelassen habe, und
ein Speisehaus halte. Man machte viel Aufhebens
von seiner Kunst. Das Mittagsmahl wurde auf den
andern Tag bestellt, und kein Preis festgesetzt. Unsrer
sieben fanden sich zur bestimmten Stunde ein, und
wurden in ein besonderes Zimmer geführt, dessen ganzes
Geräth in einem mit rothem Tuche belegten Divan
aus Töpfererde bestand. Die Art zu sitzen, war uns
sehr beschwerlich. Jetzt erschien der Wirth von sechs
andern Türken begleitet, von denen jeder ein mit vier
kleinen Füßen an den Ecken versehenes hölzernes Brett
trug. Diese Tischchen wurden vor uns hingestellt, und
waren nur ungefähr vier Zoll über der Erde erhaben.
Zuerst wurden uns geräucherte Würste, welche von
Knoblauch und indischem Pfeffer strotzten, vorgesetzt,
und dann kam: 1 ) Ein Gericht Reis mit Schafsfett,
Safran, Rosinen und Korinthen reichlich versehen;
2 ) ein getrocknetes Huhn mit einer säuerlichen gepfef-
ferten Brühe; 3 ) der berühmte Plaw oder Pilau,
abermals Reis mit gehacktem Schaffleische und Ro-
sinen; 4 ) Fische in altem Oehle gesotten; 5 ) Bohnen
mit Pfeffer; ein verbrannter Schafsbraten. -- Wir
wurden hierauf gefragt, ob wir Kuchen verlangten,
und als wir es bejahten, trat ein äußerst schmutziger
Kerl mit einem bedeckten Korbe ins Zimmer, und legte
uns eine Art Fladen oder Pfannkuchen vor, die
mit Kaneel bestreut waren; diese mußten wir beson-
ders bezahlen. Das Auffallendste aber war, daß
man uns weder Wein noch Tscherbet zu trinken geben
wollte, und da wir uns nach der Ursache erkundigten,
sagte man uns: Jeder muß leben, so will es der
Prophet. Das Räthsel wurde uns gelöst, da wir
erfuhren, daß nach den türkischen Gesetzen ein Speise-
wirth keine Getränke halten darf. Allein man kann sie
hohlen lassen; da wir dieses jedoch nicht wußten, so
waren wir genöthigt, uns mit Wasser zu begnügen,
obgleich nur wenige Schritte von dem Wirthshause ein
Grieche sehr guten Wein aus seinem Keller verkaufte.
Für diese köstliche Mahlzeit bezahlten wir vierzehn
Rubel ( ungefähr 18 fl. )



Volks=Aberglauben.

Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, daß selbst
ein gut unterrichtetes Volk ein Ereigniß als Folge eines
andern betrachtet, weil das eine im Lauf der Dinge un-
mittelbar dem andern voranging. Ein drolliges Beispiel
solchen Jrrthums ereignete sich im vorigen Jahrhundert.
Der Fisch, durch den ein großer Theil der Bewohner
Norwegens seinen Unterhalt gewinnt, verschwand
plötzlich von ihren Küsten; der Gebrauch der Pocken-
Jmpfung war zu dieser Zeit bei ihnen eingeführt
worden und wurde augenblicklich als Grund jenes Un-
gemachs angesehen; da nun die Gefahr jener Krank-
heit von dem Volke im Vergleich mit der Hungersnoth
als Kleinigkeit betrachtet wurde, so konnte nichts ihren
lebhaften Unwillen gegen alle diejenigen hemmen, welche
vor dem Ergreifen der Pocken sich zu schützen suchten.



Sätze aus der Lebensweisheit.

Die Erde läßt uns ein ganzes Jahr auf die
Gaben harren, die unser Fleiß ihr abgewinnt, wäh-
rend wir die Früchte einer edlen That schon in dem
Augenblicke ihrer Ausübung ernten.

Viele Menschen verachten das Geld, aber wenige
wissen, wozu es gut ist, und wozu man es anwenden soll.



[Ende Spaltensatz]

Panorama des Universums.
[Beginn Spaltensatz] der Trunkenheit so vorherrschend, als in den vereinig-
ten Staaten von Nord=Amerika, und die Bemühungen
der Sitten= und Rechtslehrer wie der Priester schei-
terten an der Liebe zum Brandweine, bis endlich im
letzten Jahrzehend eine kräftige Gegenwirkung eintrat.
Die erste Mäßigkeitsgesellschaft ( ein Verein von Per-
sonen, welche dem Genuß aller gebrannten Wässer
förmlich entsagt ) bildete sich ungefähr im Jahre 1827, und
schon im vorigen Jahre zählte man über 3000 ähnliche
Vereine von mehr als 300,000 Mitgliedern, die von Tage
zu Tage sich vermehren, und die Hoffnung geben, daß
in jenem Staate diese Leidenschaft zuerst ausgerottet,
oder doch im höchsten Grade vermindert werden
dürfte.



Die Syrischen Christen in Dekan.

Die syrischen Christen von Travancore bilden
13,000 Familien, die aus ungefähr 70,000 Seelen
bestehen, während die ganze Bevölkerung des Landes
150,000 Einwohner zählt. Sie besitzen noch 55 Kir-
chen; die römischen Katholiken haben sich deren mehrere
zugeeignet, und im Allgemeinen gleichen diese Gottes-
häuser unsern Landkirchen, obschon sie an Größe unter-
einander sehr verschieden sind, und von den unsern im
Styl ihrer Architektnr sehr abweichen. Manche der-
selben sind schöne und großartige Gebäude; doch haben
sie alle im Jnnern keine abgeschlossenen Bänke. An
der Ostseite erhebt sich eine Art von Altar, zu dem
einige Stufen hinaufführen, und auf welchem ein Kreuz
und Wachskerzen stehen, die man während des Gottes-
dienstes anzündet. Dieser letztere gleicht großentheils
jenem der Armenischen Kirche, und nähert sich, sonder-
bar genug, in verschiedenen Ceremonien dem der römi-
schen Kirche. Obschon Kreuze in den Kirchen aufge-
richtet sind, sieht man doch darin keine Abbildung oder
irgend ein anderes Denkmahl der Bildhauerkunst. Der
Gottesdienst wird in syrischer Sprache abgehalten,
welche das Volk nicht versteht, und welche nur wenige
Catenars oder Priester inne haben. Man hält keine
Predigten, und die Gläubigen können durch nichts
erbaut werden, als durch die Vorlesung einiger kurzen
Auszüge aus dem Evangelium, die im Malayalim,
der Sprache dieser Christen, abgehalten wird, welche
bei diesen Religionsgebräuchen in der tiefsten Unwissen-
heit versunken bleiben. Die Absicht der christlichen
Missionäre in diesen Gegenden ist, unter diese von
Finsterniß umgebenen Christen das reine Evangelium
einzuführen. Hr. Bailey beschäftigt sich damit, die
heilige Schrift in den Malayalim zu übersetzen, und
drucken zu lassen, und seine Arbeit ist schon weit vor-
gerückt. Hr. Doran steht an der Spitze des Kolle-
giums, welches 50 Schüler zählt, von welchen 28
bestimmt sind, Catenars zu werden. Die Zöglinge
lernen Lateinisch, Griechisch, Englisch, die Mathematik
u. s. w., und viele derselben machen bedeutende Fort-
schritte. Das Gebäude des Kollegiums ist groß und
bequem, und enthält eine kostbare Bibliothek, dann eine
Schule für die Sprachlehre mit etwa 60 Kindern, aus
welchen die Schüler des Kollegiums gewählt werden.
Uebrigens gibt es in verschiedenen Theilen des Landes
55 andere Schulen, die von ungefähr 1000 Kindern
des syrisch = christlichen Glaubens besucht werden.



Eine türkische Mittagstafel.

Ein deutscher Reisender erzählt folgendermaßen,
wie er mit einigen Freunden zu Bender in einem
[Spaltenumbruch] Gasthause bedient worden ist: „Wir erfuhren, daß ein
Koch des Sultans sich hier niedergelassen habe, und
ein Speisehaus halte. Man machte viel Aufhebens
von seiner Kunst. Das Mittagsmahl wurde auf den
andern Tag bestellt, und kein Preis festgesetzt. Unsrer
sieben fanden sich zur bestimmten Stunde ein, und
wurden in ein besonderes Zimmer geführt, dessen ganzes
Geräth in einem mit rothem Tuche belegten Divan
aus Töpfererde bestand. Die Art zu sitzen, war uns
sehr beschwerlich. Jetzt erschien der Wirth von sechs
andern Türken begleitet, von denen jeder ein mit vier
kleinen Füßen an den Ecken versehenes hölzernes Brett
trug. Diese Tischchen wurden vor uns hingestellt, und
waren nur ungefähr vier Zoll über der Erde erhaben.
Zuerst wurden uns geräucherte Würste, welche von
Knoblauch und indischem Pfeffer strotzten, vorgesetzt,
und dann kam: 1 ) Ein Gericht Reis mit Schafsfett,
Safran, Rosinen und Korinthen reichlich versehen;
2 ) ein getrocknetes Huhn mit einer säuerlichen gepfef-
ferten Brühe; 3 ) der berühmte Plaw oder Pilau,
abermals Reis mit gehacktem Schaffleische und Ro-
sinen; 4 ) Fische in altem Oehle gesotten; 5 ) Bohnen
mit Pfeffer; ein verbrannter Schafsbraten. — Wir
wurden hierauf gefragt, ob wir Kuchen verlangten,
und als wir es bejahten, trat ein äußerst schmutziger
Kerl mit einem bedeckten Korbe ins Zimmer, und legte
uns eine Art Fladen oder Pfannkuchen vor, die
mit Kaneel bestreut waren; diese mußten wir beson-
ders bezahlen. Das Auffallendste aber war, daß
man uns weder Wein noch Tscherbet zu trinken geben
wollte, und da wir uns nach der Ursache erkundigten,
sagte man uns: Jeder muß leben, so will es der
Prophet. Das Räthsel wurde uns gelöst, da wir
erfuhren, daß nach den türkischen Gesetzen ein Speise-
wirth keine Getränke halten darf. Allein man kann sie
hohlen lassen; da wir dieses jedoch nicht wußten, so
waren wir genöthigt, uns mit Wasser zu begnügen,
obgleich nur wenige Schritte von dem Wirthshause ein
Grieche sehr guten Wein aus seinem Keller verkaufte.
Für diese köstliche Mahlzeit bezahlten wir vierzehn
Rubel ( ungefähr 18 fl. )



Volks=Aberglauben.

Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, daß selbst
ein gut unterrichtetes Volk ein Ereigniß als Folge eines
andern betrachtet, weil das eine im Lauf der Dinge un-
mittelbar dem andern voranging. Ein drolliges Beispiel
solchen Jrrthums ereignete sich im vorigen Jahrhundert.
Der Fisch, durch den ein großer Theil der Bewohner
Norwegens seinen Unterhalt gewinnt, verschwand
plötzlich von ihren Küsten; der Gebrauch der Pocken-
Jmpfung war zu dieser Zeit bei ihnen eingeführt
worden und wurde augenblicklich als Grund jenes Un-
gemachs angesehen; da nun die Gefahr jener Krank-
heit von dem Volke im Vergleich mit der Hungersnoth
als Kleinigkeit betrachtet wurde, so konnte nichts ihren
lebhaften Unwillen gegen alle diejenigen hemmen, welche
vor dem Ergreifen der Pocken sich zu schützen suchten.



Sätze aus der Lebensweisheit.

Die Erde läßt uns ein ganzes Jahr auf die
Gaben harren, die unser Fleiß ihr abgewinnt, wäh-
rend wir die Früchte einer edlen That schon in dem
Augenblicke ihrer Ausübung ernten.

Viele Menschen verachten das Geld, aber wenige
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[Ende Spaltensatz]
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Das Auffallendste aber war, daß man uns weder Wein noch Tscherbet zu trinken geben wollte, und da wir uns nach der Ursache erkundigten, sagte man uns: Jeder muß leben, so will es der Prophet. Das Räthsel wurde uns gelöst, da wir erfuhren, daß nach den türkischen Gesetzen ein Speise- wirth keine Getränke halten darf. Allein man kann sie hohlen lassen; da wir dieses jedoch nicht wußten, so waren wir genöthigt, uns mit Wasser zu begnügen, obgleich nur wenige Schritte von dem Wirthshause ein Grieche sehr guten Wein aus seinem Keller verkaufte. Für diese köstliche Mahlzeit bezahlten wir vierzehn Rubel ( ungefähr 18 fl. ) Volks=Aberglauben. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, daß selbst ein gut unterrichtetes Volk ein Ereigniß als Folge eines andern betrachtet, weil das eine im Lauf der Dinge un- mittelbar dem andern voranging. Ein drolliges Beispiel solchen Jrrthums ereignete sich im vorigen Jahrhundert. Der Fisch, durch den ein großer Theil der Bewohner Norwegens seinen Unterhalt gewinnt, verschwand plötzlich von ihren Küsten; der Gebrauch der Pocken- Jmpfung war zu dieser Zeit bei ihnen eingeführt worden und wurde augenblicklich als Grund jenes Un- gemachs angesehen; da nun die Gefahr jener Krank- heit von dem Volke im Vergleich mit der Hungersnoth als Kleinigkeit betrachtet wurde, so konnte nichts ihren lebhaften Unwillen gegen alle diejenigen hemmen, welche vor dem Ergreifen der Pocken sich zu schützen suchten. Sätze aus der Lebensweisheit. Die Erde läßt uns ein ganzes Jahr auf die Gaben harren, die unser Fleiß ihr abgewinnt, wäh- rend wir die Früchte einer edlen That schon in dem Augenblicke ihrer Ausübung ernten. Viele Menschen verachten das Geld, aber wenige wissen, wozu es gut ist, und wozu man es anwenden soll.

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Das wohlfeilste Panorama des Universums. Nr. 4. Prag, 1834, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_panorama04_1834/6>, abgerufen am 25.11.2024.