Neue Rheinische Zeitung. Nr. 287. Köln, 2. Mai 1849. 61 Breslau, 28. April. Die heute eingetroffenen Nachrichten aus Berlin verdrängen für den Augenblick die sonst fast ausschließlich magyarische Unterhaltung der Stadt. Die Jäger sind in den Kasernen konsignirt, das 11. Infanterie-Regiment marschirt morgen, wie es heißt, an die oberschlesische Gränze. Auch Truppen aus Neisse und von anderwärts sind dahin bereits aufgebrochen. Kaiser-Homunkulus will im brüderlichen Verein mit den Russen, die von Krakau aus in Galizien bereits eingerückt sein sollen, der Bestienhöhle von Olmütz, die indessen schon beginnt geräumt zu werden, zu Hülfe eilen. Kaiser-Homunkulus, der die Frankfurter Kaiserfabrikanten ihres schlechten Fabrikats wegen mit Füßen getreten und Deutschland in's Antlitz gespuckt hat, will nun die ihm verliehene Kaiser- und Deutschthumqualität gleichwohl dazu benutzen, um wider das Heldenvolk der Magyaren zu Felde zu ziehen. Sobald die Magyaren, so heißt es, die östreichisch-deutsche Gränze überschreiten, um auf Wien loszurücken, wird Kaiser-Homunkulus als Retter Deutschland's auftreten und die Feinde vertreiben. Die Don Quirotte's sind unvertilgbar. - Ich habe Ihnen bereits im verflossenen Sommer geschrieben, daß der deutsche Reichsrindviehstall sich zu Allem gebrauchen läßt; er läßt sich in Schleswig-Holstein auf eine republikanische Schlachtbank führen, kämpft in Italien wider die Freiheit und marschirt nun auch wider die Magyaren. Indessen gibt es auch Ausnahmen, und obwohl sich unter den ersten magyarischen Heerführern kein Deutscher von Belang befindet, so sind doch von hier bereits 80 militärisch-gebildete Kämpfer zu den Magyaren gestoßen und werden binnen Kurzem noch andere nachfolgen. Gestern und heute kamen östreichische Offiziere hier an, die sehr zerstört aussahen, aber nicht das Geringste zu wissen vorgaben. Einer von ihnen schien sein sämmtliches kaiserliches Mobilar auf den Schlachtfeldern eingebüßt und mit einem interessanten Allerlei vertauscht zu haben. Er trug einen Honvedhut statt des Tschakko, slovakische Beinkleider und Jacke, sein Mantel war von differenten Bivouak's äußerst stark berücksichtigt. Er behauptete, aus Galizien zu kommen und meinte, Welden konzentrire ruhig die Armee und würde dann operiren. Natürlich werden die Magyaren ihm, Gewehr im Arm, ebenso östreichisch-bornirt zuschauen, bis der Herr Metzger fertig ist. Die heute angelangten Offiziere waren derselben gescheiten Meinung, sahen indessen unter der Hand sehr verdrossen aus. Sie geben vor, mit Aufträgen nach Berlin zu gehen. Der Minister Bach soll der Raserei nahe sein und überall nur Galgen erblicken, ebenso Stadion. Windischgrätz will sich in Ihre Nähe aus dem Staube machen und sei hiermit dringendst empfohlen. In der gestrigen Versammlung der Bürgerwehrklubs wurde die Ungesetzlichkeit der Bürgerwehrsuspension besprochen und die Reorganisation in Aussicht gestellt. Auch wurde beschlossen, in der deutschen Frage (!!) morgen eine Volksversammlung auf dem Schießwärter abzuhalten. Aus Ungarn sollen heute wichtige Nachrichten eingegangen sein. Der Apfel wird täglich reifer, selbst der Apfel der deutschen Bornirtheit. * Breslau, 28. April. Während eine russische Armee den östreichischen Standrechtsbestien gegen die Magyaren zu Hülfe eilt: ist auch, wie sich von selbst versteht, der russische Oberknäs in Deutschland, der hier Se. christlich-germanische Majestät genannt wird, nicht säumig, als dritter im Bunde sein Kontingent zur Durchführung der heiligen Allianz - Pläne an der östreichischen Gränze aufzustellen. Von hier aus sollen nach eben eingetroffenen Befehlen 3 Bataillone und eine Batterie reitender Artillerie nach Oberschlesien abgehen. Aus Ohlau wird eben dahin das Husarenregiment ausrücken. Posen, 27. April. Die Zeitung des Osten schreibt: "Gestern bei der Parole theilte der kommandirende General v. Brünneck dem Offizierkorps eine Ministerialverfügung mit, nach welcher die Offiziere nicht mehr wegen politischer Sachen vor das Ehrengericht gestellt werden dürfen." Ob das anderswo auch verkündigt sein mag ? Wien, 27. April. Wer die Briefe lies't, die aus der Moldau und Walachei hier anlangen, wer da weiß, was für seltsame Anstrengungen die Pforte macht, der wird uns Recht geben, wenn wir sagen: nicht nur Oestreich, das ganze dynastische Deutschland ist in Gefahr. Die Furcht vor einem magyarischen Einfalle nach Niederöstreich und Mähren vergrößert sich mit jeder Sekunde. Die haute volee schnüret ihre Bündel und zieht westwärts. Das Proletariat jauchzt den Kossuthianern nicht mehr im Stillen, an allen öffentlichen Orten laut entgegen. Pesth ist zur Hälfte in Wien, und wenn es noch acht Tage so dauert, dürfte halb Wien, wenigstens der vermöglichere Theil, bald in Ischl und Linz sein. Aus Ungarn berichtet man Unglaubliches, sämmtliche Comitate, die bereits unterworfen waren, sind in vollem Aufstande und schließen sich den Magyaren an, selbst der Weg nach Ofen ist nicht mehr frei, da die Post sehr unregelmäßig eintrifft. Wie man behauptet, sind einige deutsche Postbeamte gestern Abend aus Ofen flüchtig hier angekommen. Die Remorqueurs und Dampfschiffe schleppen all' das Belagerungsgeschütz stromaufwärts nach Linz, also hält man auch Wien nicht mehr für sicher. Wohin das noch führen soll, ahnt Niemand noch. - Ein Schlag, und Oestreich ist gewesen. * Wien, 27. April. Der "Lloyd" enthält einen Artikel über die Herbeirufung der Russen, dem wir blos nachstehende Worte entnehmen: "Wir sind also gern bereit, russische Hülfe anzunehmen, jedoch auf Bedingungen. Die erste ist, daß sie uns schnell, daß sie uns gleich zu Theil werde; die zweite, daß sie uns in ausreichender Zahl, massenweise zukomme. Unsere Leiden können nicht durch eine homöopathische Kur gehoben werden; wir bedürfen starrer, allopathischer Mittel, um uns die verlorenen Kräfte wieder zu ersetzen." Der leidende Zustand des Grafen Stadion ist so erheblicher Art, daß man die Hoffnung aufgeben muß, ihn bald die Leitung der Geschäfte übernehmen zu sehen Die Aerzte sollen sogar eine mehrmonatliche Erholung für nöthig finden, und dadurch gewinnt das Gerücht mehr Bedeutung, daß Justizminister Bach definitiv das Portefeuille des Ministeriums des Innern übernehmen soll, und an seine Stelle Hr. v. Schmerling tritt. Aus Ollmütz schreibt man, daß das Militär sichtlich aus der Stadt schwindet, die Ausfälle sind schon ohne Wachen und selbst die Hauptwache zählt kaum 15 Mann! - doch sind einige neue Kanonen auf den Wällen aufgepflanzt. Vorgestern hieß es allgemein, die Magyaren seien schon an der mährischen Gränze. Der Kassier aus Hradisch wurde zurückberufen, um die Kasse sicher zu stellen, als er sich zufällig in Ollmütz befand. Später bewies sich dies als ein leerer Schrecken. Es sind bereits sämmtliche Kassen aus Kremnitz, Schemnitz und Neusobl mit allen Baarvorräthen, an Gold, Silber und Banknoten nach Wien gebracht worden. Einige Oberbeamte begleiteten diese Transporte. Der Empfang Bem's in Debreczin war glänzend. Kossuth hat ihm ein Ordenskreuz verliehen, in welchem sich ein großer aus der ungarischen Krone genommener Diamant befindet. An der Stelle des Diamants wurde aber in die Krone ein Goldblättchen gesetzt mit Bem's Namen und dessen Siegestagen von Siebenbürgen. Prag, 25. April Die Narodni nowiny eröffnen das heutige Blatt mit folgenden Worten: "Die Blicke des ganzen Landes sind auf Prag gerichtet und auf Böhmen blicken andere Länder. Jedermann fühlt, daß jetzt in der Politik ein entscheidender Schritt geschehen müsse; allein die Zeiten sind so unsicher, alle Tage können sich die Verhältnisse ändern, so daß es ungemein schwer ist, sich über ein bestimmtes Ziel der politischen Thätigkeit klar zu werden. Wir selbst getrauen uns bisher nicht, irgend ein wichtigeres Unternehmen zu beginnen, indem wir besorgen müßten, unserer eigenen Sache zu schaden, wenn der Lauf der ungarischen und der europäischen Begebenheiten überhaupt gegen unsere Erwartung einen Umschwung erleiden sollte. Fast aber scheint es uns, daß bald eine andere Richtung der politischen Thätigkeit beginnen werde; morgen oder übermorgen wird der Stadtrath in Erwägung ziehen, ob man von Seite der Stadt Prag an Se. Majestät die Bitte um baldige Berufung des böhmischen Landtags richten solle. Wir hoffen, dies werde einstimmig beschlossen - dann wird es nothwendig sein, daß alle Landgemeinden in aller Schnelligkeit das Beispiel Prags befolgen, damit wir wenigstens im Juni unseren ersten eigenen Landtag in Prag erblicken." Die Drucker fangen wieder an, sich zu regen. Gestern waren viele derselben auf dem Ringe vor dem Magistratsgebäude den ganzen Tag versammelt, Arbeit und Brod verlangend. Frankfurt, 28. April. In Baiern sollen die Truppen Befehl erhalten haben, an die österreichische Gränze vorzurücken, um sogleich im Falle der Noth gegen die Ungarn operiren zu können. - Man spricht von der Zusammenziehung eines preußischen Heeres bei Kreuznach und Koblenz, welches Frankfurt bei einer Verfassungs-Octroyirung im Auge behalten soll! Auch nach der Festung Mainz sollen schon preußische Truppen auf dem Marsche sein. (Sicher ist, daß von Koblenz nach Kreuznach bereits Truppen im Marsche begriffen sind.) Die neuesten Nachrichten aus Berlin nach Frankfurt werden dem Reichsministerium erst durch die Mittheilung der Gesandten bekannt; Die Gesandten ausländischer Höfe, z. B. Rußlands und Englands erfahren eher, was in Berlin geschieht, als die Centralgewalt. Selbst die baierische Regierung übergeht das Reichsministerium, denn ihre letzte Note wurde der Redaktion der schwarz-gelben "Frankfurter Ztg." eher mitgetheilt, als dem Herrn von Gagern. (Fr. J.)Mannheim, 28. April. Gegen Karl Blind ist ein neuer politischer Prozeß eingeleitet. Die Anklage betrifft zwei in der Mannh. Abdz. über badische Kerkerzustände erschienene Artikel, für deren sachgetreuen Inhalt Hr. Blind die Redaktion ersucht hat, die volle gerichtliche Verantwortlichkeit übernehmen zu dürfen. Das von dem Staatsanwalt verfolgte Verbrechen ist "Herabwürdigung der großherzoglichen Regierung." Ohne Zweifel wird auch Struve (als Zeuge) in dieser Sache auftreten. Da Blind in Erwartung des jetzt eingeleiteten Prozesses den fraglichen Gegenstand vor den Freiburger Geschwornen nicht berührt hat, so verspricht man sich von der öffentlichen Verhandlung weitere, sehr interessante Enthüllungen über die großherzogliche Gefängnißpflege. (M. A.-Z) 213 Neustadt a. d. Hardt, 27. April. Eine unbeschreibliche Aufregung herrscht unter der ganzen Bevölkerung der baierischen Rheinpfalz. Das Treiben am Hofe in München hat die Pfälzer gröblich vor den Kopf gestoßen. Jetzt gilt es, sich von Baiern loszusagen und als freier Staat unter innigem Anschluß an Deutschland zu erklären, weil, wenn auch Fürsten von der Wucht des Augenblicks gedrungen nachgeben, ihnen doch nie mehr getraut werden darf, von ihnen nie etwas Gutes zu erwarten steht: das ist das Lösungswort der Pfälzer. In diesem Sinne fand gestern Abend, auf eine Vorberathung der Ausschüsse aller Vereine hin, in dem Hofe des Rathhauses eine Bürgerversammlung statt, die von wenigstes 3 bis 4000 Menschen besucht, zum Resultat hatte, daß auf Mittwoch, den 2 Maji eine großartige Volksversammlung für ganz Süddeutschland, ähnlich der auf dem Hambacher Schlosse im Jahre 1832, festgesetzt und zu gehöriger Vorbereitung derselben ein Ausschuß ernannt wurde. Auf dieser Volksversammlung sollen entscheidende Beschlüsse gefaßt werden. Alle waffenfähige Männer sind eingeladen. Mögen alle Demokraten bedenken, daß die Zeit des Handels gekommen ist und zahlreich auf dem Platze erscheinen Stuttgart, 27. April. Unter diesem Datum theilt das "Fr. J." Folgendes mit: Die Abgeordneten-Kammer verfolgt ihren Sieg; Stockmayer stellte heute den Antrag, das Armeecorpscommando, das noch in den Händen des Prinzen Friedrich befindlich ist, wieder mit dem verantwortlichen Kriegsministerium zu vereinigen, und dieser Antrag ward fast einstimmig angenommen, so daß die Regierung alsbald wird entsprechen müssen. Alsdann geht es an die Kammer der Standesherren, welche bis jetzt weder die Grundrechte, noch die Reichsverfassung anerkannt, sondern sich für das Vereinbarungsprinzip ausgesprochen hat. Diese muß jetzt auch zu einer solchen Anerkennung genöthigt werden. Der König soll geäußert haben, nie mehr nach Stuttgart zurückkehren zu wollen. Man spricht von einer Reise desselben nach dem Haag. Der Landesausschuß hielt gestern Mittag eine Sitzung, in welcher auch die Mitglieder der von Frankfurt hierher gekommenen Deputation erschienen. Es wurde eine Petition an das Reichsministerium beschlossen, daß die gegen den Prinzen von Würtemberg wegen seines den würtembergischen Reichstruppen gegenüber beobachteten Verhaltens vorliegen Verdachtsgründe genau geprüft, eine Untersuchung eingeleitet und der Prinz, falls seine Schuld sich herausstellt, zur verdienten Strafe gezogen werde. Aus Ludwigsburg wird dem "Schw. M." unterm 25. April geschrieben, daß der Schwabenkönig zur städtischen Deputation, die ihm für seine Abends zuvor gefaßte Entschließung Dank sagte, geäußert: "Sie sind mir keinen Dank schuldig; ich habe nur dem Drang der Umstände nachgegeben; Gott gebe, daß es zum Segen für Würtemberg gereichen möge." Italien. * Die östreichischen Truppen, im Einverständniß mit dem königlichen Verräther Victor Emanuel, haben endlich Allessandria besetzt. Dieser Kriegsakt mitten im "offiziellen" Waffenstillstand fand am 24. statt. Nachmittags vier Uhr wurde den Einwohnern durch Maueranschlag das baldige Einziehen der östreichischen Truppen angekündigt. Zwei Stunden darauf zogen bereits 3000 Mann ein, von denen 1500 in der Stadt, 1500 in der Festung einquartirt wurden. Die Wuth der Bevölkerung ist in Allessandria auf den Gipfel gestiegen; in Turin erhoben sich selbst die "honetten" Journale: Nazion e, Resorgimento und der dem "modernen Jesuiten" angehörigen Saggiatore voll Entrüstung gegen diesen Gioberti elenden Verrath. Der Standrechtshund Radetzky hält übrigens nicht allein an der Bedingung der Uebergabe von Allessandria fest. Nach dem "Sagiatore" sind die 2 piemontesischen Abgeordneten am 24. nochmals unverrichteter Sachen aus Mailand zurückgekommen, und die östreichische Unverschämtheit läßt jede Hoffnung auf ein friedliches (?) Arrangement verschwinden. Gerüchte aus Sizilien melden, daß, nachdem bloß noch die polnisch-französischen Freicorps zum weiteren Kampfe sich bereit erklärten, Palermo sich ergeben habe. * Rom, 20. April. Der hiesige Moniteur zeigt an, daß Sizilien die Römische Republik offiziell anerkannt, und den Pater Ventura zu seinem Vertreter bei hiesiger Republik ernannt habe. Morgen (21. April) hält der neue Kriegsminister Avezzana eine große Musterung aller hiesigen Militär Kräfte-ab. Livorno, 20. April. Ein revolutionärer Regierungsausschuß ist niedergesetzt, welcher mit Florenz Unterhandlungen zur Ausgleichung angeknüpft hat. Die Hauptbedingungen sind: vollständige Amnestie, Befreiung Guerrazzi's und Uebergabe eines Theils des Wachtdienstes an ein Corps ausschließlich aus Livornesen bestehend u. s. w. Lugano, 26. April. Der "Republicano" giebt den vollständigen Text der Radetzky'schen Note, in welcher geradezu von der "Schlechtigkeit oder Dummheit der tessinischen Regierung" gesprochen wird. Eine solche Unverschämtheit darf nicht ungeahndet bleiben; die Schweiz müßte sich denn vor den Augen der Welt ihrer Nationalehre begeben wollen. Mailand, 25. April. Nach der "Basl. Ztg." sollen die Friedensunterhandlungen wegen der hohen Forderungen Oestreichs sich zerschlagen haben. Oestreich verlange nämlich: 1) Vergütung aller Kriegkosten. 2) Offensive und defensive Allianz. 3) 40,000 Piemontesen sollen nach Ungarn marschiren. (?) 4) Aufhebung des Salzvertrags mit der Schweiz. 5) Occupation Alessandria's bis zur Erfüllung des Vertrags durch die Oesterreicher. 6) Einen Handelsvertrag mit Oesterreich. Neapel, 15. April. Außer Syrakus und Augusta, zwei befestigten Plätzen, haben noch 16 Orte theils schriftlich, theils durch Deputationen dem Fürsten von Satriano ihre Unterwerfung erklärt. Französische Republik. 12 Paris, 29. April. Die Franzosen müssen büßen für ihren Glauben an ein heiliges Recht, ein ewiges Recht und an die Unverletzlichkeit des Richters. Mit einem einzigen Rechte, das für ewig erklärt wird, mit einem einzigen Richter, der unabsetzbar dasteht, ist es ein Leichtes, die ganze Revolution umzustoßen und die Republik abzusetzen. Der Kassationshof steht jetzt mächtiger da, als der ganze monarchische Hof Louis Philipp's. Dafür haben auch die Franzosen die Könige für absetzbar und die Richter für unabsetzbar erklärt. Mag die politische Form noch so sehr sich ändern, mögen die Gesetze noch so verschiedenen Ursprungs sein, wähnten die Franzosen, Gesetz bleibt Gesetz, und der Richter hat weiter nichts zu thun, als das Gesetz zu repräsentiren; erklären wir ihn daher als unabänderlich, unwandelbar und unwechselbar, in der wechselnden Form der Gesetze. So ward der Richter der unabsetzbare Vater aller unehelichen Kinder, die von fremden Vätern, fremden Mächten gezeugt wurden. So hat das Gesetz von 1790 über die Versammlungen in den Richtern des Kassationshofes Vertheidiger gefunden, die im Stande sind, die ganze Revolution über Haufen zu werfen, um das Gesetz zu wahren: pereat mundus, fiat lex, heißt in ihrem Munde weiter nichts als der Kassationshof steht über der Revolution, über der Konstitution, über Allem. Und will man wissen, was das Gesetz von 1790 ist? Weiter nichts als eine reine Polizei-Verordnung Ein Polizeikommissär trat in einen Wahlklub; der Präsident, sich stützend auf die Konstitution, widersetzt sich seinem Eintritte. Protokoll wird aufgenommen, und das einfache Polizeigericht entscheidet in einem ausführlich motivirten Urtheile, daß der Polizei-Kommissär keineswegs das Recht hatte in die Wahlversammlung zu dringen, und daß das Gesetz von 1790 auf die Wahlreunionen nicht anwendbar ist. Auf Anwendbarkeit für bestimmte Fälle kömmt es aber gar nicht an; das Gesetz von 1790 ist von der provisorischen Regierung aufgehoben, und weder auf die Wahlreunionen noch auf andere Versammlungen anwendbar. Die Sache kömmt nach allerlei Zwischeninstanzen vor den Kassationshof mit seinen unabsetzbaren Richtern, die schon unter Louis Philippe wegen ihrer frühern parlamentarischen Laufbahn zu dieser hohen, unabsetzbaren Stellung befördert worden waren. Der Cassationshof ist die Invaliden-Anstalt für alle ehemaligen Justizminister und Generalprokuratoren aus der Zeit der Monarchie, und steht dieser der jetzigen Regierung weit näher als jeder andere Gerichtshof. Der Cassationshof also mit Barrot und Faucher in schönster Seelenharmonie cassirt das Urtheil des einfachen Polizeigerichts und die Sache kömmt vor einen andern Richter. Nimmt man nun auch die alte bürgerliche Gesetzgebung als maßgebend, als rechtskräftig an, so ist es immerhin erlaubt zu sagen: die Jurisprudenz ist über den fraglichen Punkt noch nicht fixirt. Aber Hr. Barrot nimmt davon keine Notiz: er bemächtigt sich des Urtheils des Kassationshofes und läßt allenthalben Polizeikommissare in die Wahlversammlungen dringen und hinter den Polizeikommissaren die bewaffnete Macht aufstellen. Was zu thun? Die Absicht der Regierung ist offenbar eine Kollision hervorzurufen. Nichts provozirt mehr als die Anwesenheit der Polizeikommissäre in diesen Vereinen, und dennoch hat sich das Volk bis heute nicht zu Gewaltthätigkeiten hinreißen lassen, wozu es doch das größte Recht hätte. Aber das Volk bleibt ruhig und seine Haltung ist wirklich bewunderungswürdig. Das Volk hat unendlich gelernt. Paris, 29. April. Der Moniteur veröffentlicht folgende zwei Telegraphische Depeschen: Erste Depesche aus Toulon 28. April Morgens 5 Uhr. In Paris eingetroffen an demselben Tage Nachmittags 3 1/2 Uhr. Civita-Vecchia, 26. April, Mittags 11 Uhr. (Der Contreadmiral Tresouart an den Marineminister) die Eskadrille, welche unter meinem Befehl steht, warf gestern um zehn Uhr vor Civita-Vecchia Anker. Um Mittag war diese Stadt von 1800 Mann Expeditionstruppen besetzt. Diese Besetzung fand mit Einwilligung der städtischen Behörden und ohne Schwertstreich statt. Heute früh wurden die übrigen Truppen ausgeschifft und ich betreibe so eben die Ausschiffung des Materials mit Eile." Zweite Depesche aus Marseille und 28 April 2 Uhr. In Paris eingetroffen an demselben Tage Nachmittags 5 1/2 Uhr. "Civita Vecchia, 25. April 1849. (Der General Oudinot an den Kriegsminister) Wir sind Herren von Civita-Vecchia ohne Schwertstreich. Die Behörden haben keinen Widerstand geleistet. Einwohner und Bürgerwehr haben uns mit Beifall empfangen (Les habitants et la garde nationale nous ont accueillis avec acclamation.) - Die gewöhnlichen Fahrpostbriefe aus Rom reichen nur bis zum 20. April. - Die Volksmasse auf den mittleren Boulevards (um die Porte St. Denis) waren gestern Abend wieder eben so zahlreich wie an den letzten Tagen. - Causfidiere protestirt von London aus gegen die elende Lüge der Zeitungen und Correspondenzschmiere, als gedenke er sich vor dem exquisiten Gerichtshof zu stellen. Causfidiere erklärt, wenn er vor dem Prozeß nicht daran gedacht habe, sich diesem Mörderhofe su überliefern, so könne es ihm noch weniger nach dem hundsföttischen Urtheile in Bourges einfallen. - Das 9., 48., 52. und 74. Linien-Regiment haben Paris verlassen müssen und sind durch das 3., 14., 30. und 42. Linien-Regiment ersetzt worden. Die "Revolution" sagt: Möge Hr. Changarnier unsern Dank erhalten. Die abziehende Regimenter hatten schon die Taufe des Sozialism us erhalten; Die Bekehrung der neu angekommenen wird so lange nicht dauern. Die ministerielle "Gazette des Tribunaux" meldet darüber: "....Um 6 Uhr waren die Porte St. Denis nebst Umgegend wieder sehr stark besucht. Einige Gamins riefen: Es lebe Barbes! Es lebe die demokratisch-soziale Republik! Viele Läden schlossen sich wieder, was für die Besitzer derselben um so empfindlicher, als der Samstagabend gerade der ergiebigste Verkaufsmoment für sie ist. Um 9 1/4 Uhr erschien die bewaffnete Macht auf dem Platze; 61 Breslau, 28. April. Die heute eingetroffenen Nachrichten aus Berlin verdrängen für den Augenblick die sonst fast ausschließlich magyarische Unterhaltung der Stadt. Die Jäger sind in den Kasernen konsignirt, das 11. Infanterie-Regiment marschirt morgen, wie es heißt, an die oberschlesische Gränze. Auch Truppen aus Neisse und von anderwärts sind dahin bereits aufgebrochen. Kaiser-Homunkulus will im brüderlichen Verein mit den Russen, die von Krakau aus in Galizien bereits eingerückt sein sollen, der Bestienhöhle von Olmütz, die indessen schon beginnt geräumt zu werden, zu Hülfe eilen. Kaiser-Homunkulus, der die Frankfurter Kaiserfabrikanten ihres schlechten Fabrikats wegen mit Füßen getreten und Deutschland in's Antlitz gespuckt hat, will nun die ihm verliehene Kaiser- und Deutschthumqualität gleichwohl dazu benutzen, um wider das Heldenvolk der Magyaren zu Felde zu ziehen. Sobald die Magyaren, so heißt es, die östreichisch-deutsche Gränze überschreiten, um auf Wien loszurücken, wird Kaiser-Homunkulus als Retter Deutschland's auftreten und die Feinde vertreiben. Die Don Quirotte's sind unvertilgbar. ‒ Ich habe Ihnen bereits im verflossenen Sommer geschrieben, daß der deutsche Reichsrindviehstall sich zu Allem gebrauchen läßt; er läßt sich in Schleswig-Holstein auf eine republikanische Schlachtbank führen, kämpft in Italien wider die Freiheit und marschirt nun auch wider die Magyaren. Indessen gibt es auch Ausnahmen, und obwohl sich unter den ersten magyarischen Heerführern kein Deutscher von Belang befindet, so sind doch von hier bereits 80 militärisch-gebildete Kämpfer zu den Magyaren gestoßen und werden binnen Kurzem noch andere nachfolgen. Gestern und heute kamen östreichische Offiziere hier an, die sehr zerstört aussahen, aber nicht das Geringste zu wissen vorgaben. Einer von ihnen schien sein sämmtliches kaiserliches Mobilar auf den Schlachtfeldern eingebüßt und mit einem interessanten Allerlei vertauscht zu haben. Er trug einen Honvedhut statt des Tschakko, slovakische Beinkleider und Jacke, sein Mantel war von differenten Bivouak's äußerst stark berücksichtigt. Er behauptete, aus Galizien zu kommen und meinte, Welden konzentrire ruhig die Armee und würde dann operiren. Natürlich werden die Magyaren ihm, Gewehr im Arm, ebenso östreichisch-bornirt zuschauen, bis der Herr Metzger fertig ist. Die heute angelangten Offiziere waren derselben gescheiten Meinung, sahen indessen unter der Hand sehr verdrossen aus. Sie geben vor, mit Aufträgen nach Berlin zu gehen. Der Minister Bach soll der Raserei nahe sein und überall nur Galgen erblicken, ebenso Stadion. Windischgrätz will sich in Ihre Nähe aus dem Staube machen und sei hiermit dringendst empfohlen. In der gestrigen Versammlung der Bürgerwehrklubs wurde die Ungesetzlichkeit der Bürgerwehrsuspension besprochen und die Reorganisation in Aussicht gestellt. Auch wurde beschlossen, in der deutschen Frage (!!) morgen eine Volksversammlung auf dem Schießwärter abzuhalten. Aus Ungarn sollen heute wichtige Nachrichten eingegangen sein. Der Apfel wird täglich reifer, selbst der Apfel der deutschen Bornirtheit. * Breslau, 28. April. Während eine russische Armee den östreichischen Standrechtsbestien gegen die Magyaren zu Hülfe eilt: ist auch, wie sich von selbst versteht, der russische Oberknäs in Deutschland, der hier Se. christlich-germanische Majestät genannt wird, nicht säumig, als dritter im Bunde sein Kontingent zur Durchführung der heiligen Allianz - Pläne an der östreichischen Gränze aufzustellen. Von hier aus sollen nach eben eingetroffenen Befehlen 3 Bataillone und eine Batterie reitender Artillerie nach Oberschlesien abgehen. Aus Ohlau wird eben dahin das Husarenregiment ausrücken. Posen, 27. April. Die Zeitung des Osten schreibt: „Gestern bei der Parole theilte der kommandirende General v. Brünneck dem Offizierkorps eine Ministerialverfügung mit, nach welcher die Offiziere nicht mehr wegen politischer Sachen vor das Ehrengericht gestellt werden dürfen.“ Ob das anderswo auch verkündigt sein mag ? Wien, 27. April. Wer die Briefe lies't, die aus der Moldau und Walachei hier anlangen, wer da weiß, was für seltsame Anstrengungen die Pforte macht, der wird uns Recht geben, wenn wir sagen: nicht nur Oestreich, das ganze dynastische Deutschland ist in Gefahr. Die Furcht vor einem magyarischen Einfalle nach Niederöstreich und Mähren vergrößert sich mit jeder Sekunde. Die haute volée schnüret ihre Bündel und zieht westwärts. Das Proletariat jauchzt den Kossuthianern nicht mehr im Stillen, an allen öffentlichen Orten laut entgegen. Pesth ist zur Hälfte in Wien, und wenn es noch acht Tage so dauert, dürfte halb Wien, wenigstens der vermöglichere Theil, bald in Ischl und Linz sein. Aus Ungarn berichtet man Unglaubliches, sämmtliche Comitate, die bereits unterworfen waren, sind in vollem Aufstande und schließen sich den Magyaren an, selbst der Weg nach Ofen ist nicht mehr frei, da die Post sehr unregelmäßig eintrifft. Wie man behauptet, sind einige deutsche Postbeamte gestern Abend aus Ofen flüchtig hier angekommen. Die Remorqueurs und Dampfschiffe schleppen all' das Belagerungsgeschütz stromaufwärts nach Linz, also hält man auch Wien nicht mehr für sicher. Wohin das noch führen soll, ahnt Niemand noch. ‒ Ein Schlag, und Oestreich ist gewesen. * Wien, 27. April. Der „Lloyd“ enthält einen Artikel über die Herbeirufung der Russen, dem wir blos nachstehende Worte entnehmen: „Wir sind also gern bereit, russische Hülfe anzunehmen, jedoch auf Bedingungen. Die erste ist, daß sie uns schnell, daß sie uns gleich zu Theil werde; die zweite, daß sie uns in ausreichender Zahl, massenweise zukomme. Unsere Leiden können nicht durch eine homöopathische Kur gehoben werden; wir bedürfen starrer, allopathischer Mittel, um uns die verlorenen Kräfte wieder zu ersetzen.“ Der leidende Zustand des Grafen Stadion ist so erheblicher Art, daß man die Hoffnung aufgeben muß, ihn bald die Leitung der Geschäfte übernehmen zu sehen Die Aerzte sollen sogar eine mehrmonatliche Erholung für nöthig finden, und dadurch gewinnt das Gerücht mehr Bedeutung, daß Justizminister Bach definitiv das Portefeuille des Ministeriums des Innern übernehmen soll, und an seine Stelle Hr. v. Schmerling tritt. Aus Ollmütz schreibt man, daß das Militär sichtlich aus der Stadt schwindet, die Ausfälle sind schon ohne Wachen und selbst die Hauptwache zählt kaum 15 Mann! ‒ doch sind einige neue Kanonen auf den Wällen aufgepflanzt. Vorgestern hieß es allgemein, die Magyaren seien schon an der mährischen Gränze. Der Kassier aus Hradisch wurde zurückberufen, um die Kasse sicher zu stellen, als er sich zufällig in Ollmütz befand. Später bewies sich dies als ein leerer Schrecken. Es sind bereits sämmtliche Kassen aus Kremnitz, Schemnitz und Neusobl mit allen Baarvorräthen, an Gold, Silber und Banknoten nach Wien gebracht worden. Einige Oberbeamte begleiteten diese Transporte. Der Empfang Bem's in Debreczin war glänzend. Kossuth hat ihm ein Ordenskreuz verliehen, in welchem sich ein großer aus der ungarischen Krone genommener Diamant befindet. An der Stelle des Diamants wurde aber in die Krone ein Goldblättchen gesetzt mit Bem's Namen und dessen Siegestagen von Siebenbürgen. Prag, 25. April Die Narodni nowiny eröffnen das heutige Blatt mit folgenden Worten: „Die Blicke des ganzen Landes sind auf Prag gerichtet und auf Böhmen blicken andere Länder. Jedermann fühlt, daß jetzt in der Politik ein entscheidender Schritt geschehen müsse; allein die Zeiten sind so unsicher, alle Tage können sich die Verhältnisse ändern, so daß es ungemein schwer ist, sich über ein bestimmtes Ziel der politischen Thätigkeit klar zu werden. Wir selbst getrauen uns bisher nicht, irgend ein wichtigeres Unternehmen zu beginnen, indem wir besorgen müßten, unserer eigenen Sache zu schaden, wenn der Lauf der ungarischen und der europäischen Begebenheiten überhaupt gegen unsere Erwartung einen Umschwung erleiden sollte. Fast aber scheint es uns, daß bald eine andere Richtung der politischen Thätigkeit beginnen werde; morgen oder übermorgen wird der Stadtrath in Erwägung ziehen, ob man von Seite der Stadt Prag an Se. Majestät die Bitte um baldige Berufung des böhmischen Landtags richten solle. Wir hoffen, dies werde einstimmig beschlossen ‒ dann wird es nothwendig sein, daß alle Landgemeinden in aller Schnelligkeit das Beispiel Prags befolgen, damit wir wenigstens im Juni unseren ersten eigenen Landtag in Prag erblicken.“ Die Drucker fangen wieder an, sich zu regen. Gestern waren viele derselben auf dem Ringe vor dem Magistratsgebäude den ganzen Tag versammelt, Arbeit und Brod verlangend. Frankfurt, 28. April. In Baiern sollen die Truppen Befehl erhalten haben, an die österreichische Gränze vorzurücken, um sogleich im Falle der Noth gegen die Ungarn operiren zu können. ‒ Man spricht von der Zusammenziehung eines preußischen Heeres bei Kreuznach und Koblenz, welches Frankfurt bei einer Verfassungs-Octroyirung im Auge behalten soll! Auch nach der Festung Mainz sollen schon preußische Truppen auf dem Marsche sein. (Sicher ist, daß von Koblenz nach Kreuznach bereits Truppen im Marsche begriffen sind.) Die neuesten Nachrichten aus Berlin nach Frankfurt werden dem Reichsministerium erst durch die Mittheilung der Gesandten bekannt; Die Gesandten ausländischer Höfe, z. B. Rußlands und Englands erfahren eher, was in Berlin geschieht, als die Centralgewalt. Selbst die baierische Regierung übergeht das Reichsministerium, denn ihre letzte Note wurde der Redaktion der schwarz-gelben „Frankfurter Ztg.“ eher mitgetheilt, als dem Herrn von Gagern. (Fr. J.)Mannheim, 28. April. Gegen Karl Blind ist ein neuer politischer Prozeß eingeleitet. Die Anklage betrifft zwei in der Mannh. Abdz. über badische Kerkerzustände erschienene Artikel, für deren sachgetreuen Inhalt Hr. Blind die Redaktion ersucht hat, die volle gerichtliche Verantwortlichkeit übernehmen zu dürfen. Das von dem Staatsanwalt verfolgte Verbrechen ist „Herabwürdigung der großherzoglichen Regierung.“ Ohne Zweifel wird auch Struve (als Zeuge) in dieser Sache auftreten. Da Blind in Erwartung des jetzt eingeleiteten Prozesses den fraglichen Gegenstand vor den Freiburger Geschwornen nicht berührt hat, so verspricht man sich von der öffentlichen Verhandlung weitere, sehr interessante Enthüllungen über die großherzogliche Gefängnißpflege. (M. A.-Z) 213 Neustadt a. d. Hardt, 27. April. Eine unbeschreibliche Aufregung herrscht unter der ganzen Bevölkerung der baierischen Rheinpfalz. Das Treiben am Hofe in München hat die Pfälzer gröblich vor den Kopf gestoßen. Jetzt gilt es, sich von Baiern loszusagen und als freier Staat unter innigem Anschluß an Deutschland zu erklären, weil, wenn auch Fürsten von der Wucht des Augenblicks gedrungen nachgeben, ihnen doch nie mehr getraut werden darf, von ihnen nie etwas Gutes zu erwarten steht: das ist das Lösungswort der Pfälzer. In diesem Sinne fand gestern Abend, auf eine Vorberathung der Ausschüsse aller Vereine hin, in dem Hofe des Rathhauses eine Bürgerversammlung statt, die von wenigstes 3 bis 4000 Menschen besucht, zum Resultat hatte, daß auf Mittwoch, den 2 Maji eine großartige Volksversammlung für ganz Süddeutschland, ähnlich der auf dem Hambacher Schlosse im Jahre 1832, festgesetzt und zu gehöriger Vorbereitung derselben ein Ausschuß ernannt wurde. Auf dieser Volksversammlung sollen entscheidende Beschlüsse gefaßt werden. Alle waffenfähige Männer sind eingeladen. Mögen alle Demokraten bedenken, daß die Zeit des Handels gekommen ist und zahlreich auf dem Platze erscheinen Stuttgart, 27. April. Unter diesem Datum theilt das „Fr. J.“ Folgendes mit: Die Abgeordneten-Kammer verfolgt ihren Sieg; Stockmayer stellte heute den Antrag, das Armeecorpscommando, das noch in den Händen des Prinzen Friedrich befindlich ist, wieder mit dem verantwortlichen Kriegsministerium zu vereinigen, und dieser Antrag ward fast einstimmig angenommen, so daß die Regierung alsbald wird entsprechen müssen. Alsdann geht es an die Kammer der Standesherren, welche bis jetzt weder die Grundrechte, noch die Reichsverfassung anerkannt, sondern sich für das Vereinbarungsprinzip ausgesprochen hat. Diese muß jetzt auch zu einer solchen Anerkennung genöthigt werden. Der König soll geäußert haben, nie mehr nach Stuttgart zurückkehren zu wollen. Man spricht von einer Reise desselben nach dem Haag. Der Landesausschuß hielt gestern Mittag eine Sitzung, in welcher auch die Mitglieder der von Frankfurt hierher gekommenen Deputation erschienen. Es wurde eine Petition an das Reichsministerium beschlossen, daß die gegen den Prinzen von Würtemberg wegen seines den würtembergischen Reichstruppen gegenüber beobachteten Verhaltens vorliegen Verdachtsgründe genau geprüft, eine Untersuchung eingeleitet und der Prinz, falls seine Schuld sich herausstellt, zur verdienten Strafe gezogen werde. Aus Ludwigsburg wird dem „Schw. M.“ unterm 25. April geschrieben, daß der Schwabenkönig zur städtischen Deputation, die ihm für seine Abends zuvor gefaßte Entschließung Dank sagte, geäußert: „Sie sind mir keinen Dank schuldig; ich habe nur dem Drang der Umstände nachgegeben; Gott gebe, daß es zum Segen für Würtemberg gereichen möge.“ Italien. * Die östreichischen Truppen, im Einverständniß mit dem königlichen Verräther Victor Emanuel, haben endlich Allessandria besetzt. Dieser Kriegsakt mitten im „offiziellen“ Waffenstillstand fand am 24. statt. Nachmittags vier Uhr wurde den Einwohnern durch Maueranschlag das baldige Einziehen der östreichischen Truppen angekündigt. Zwei Stunden darauf zogen bereits 3000 Mann ein, von denen 1500 in der Stadt, 1500 in der Festung einquartirt wurden. Die Wuth der Bevölkerung ist in Allessandria auf den Gipfel gestiegen; in Turin erhoben sich selbst die „honetten“ Journale: Nazion e, Resorgimento und der dem „modernen Jesuiten“ angehörigen Saggiatore voll Entrüstung gegen diesen Gioberti elenden Verrath. Der Standrechtshund Radetzky hält übrigens nicht allein an der Bedingung der Uebergabe von Allessandria fest. Nach dem „Sagiatore“ sind die 2 piemontesischen Abgeordneten am 24. nochmals unverrichteter Sachen aus Mailand zurückgekommen, und die östreichische Unverschämtheit läßt jede Hoffnung auf ein friedliches (?) Arrangement verschwinden. Gerüchte aus Sizilien melden, daß, nachdem bloß noch die polnisch-französischen Freicorps zum weiteren Kampfe sich bereit erklärten, Palermo sich ergeben habe. * Rom, 20. April. Der hiesige Moniteur zeigt an, daß Sizilien die Römische Republik offiziell anerkannt, und den Pater Ventura zu seinem Vertreter bei hiesiger Republik ernannt habe. Morgen (21. April) hält der neue Kriegsminister Avezzana eine große Musterung aller hiesigen Militär Kräfte-ab. Livorno, 20. April. Ein revolutionärer Regierungsausschuß ist niedergesetzt, welcher mit Florenz Unterhandlungen zur Ausgleichung angeknüpft hat. Die Hauptbedingungen sind: vollständige Amnestie, Befreiung Guerrazzi's und Uebergabe eines Theils des Wachtdienstes an ein Corps ausschließlich aus Livornesen bestehend u. s. w. Lugano, 26. April. Der „Republicano“ giebt den vollständigen Text der Radetzky'schen Note, in welcher geradezu von der „Schlechtigkeit oder Dummheit der tessinischen Regierung“ gesprochen wird. Eine solche Unverschämtheit darf nicht ungeahndet bleiben; die Schweiz müßte sich denn vor den Augen der Welt ihrer Nationalehre begeben wollen. Mailand, 25. April. Nach der „Basl. Ztg.“ sollen die Friedensunterhandlungen wegen der hohen Forderungen Oestreichs sich zerschlagen haben. Oestreich verlange nämlich: 1) Vergütung aller Kriegkosten. 2) Offensive und defensive Allianz. 3) 40,000 Piemontesen sollen nach Ungarn marschiren. (?) 4) Aufhebung des Salzvertrags mit der Schweiz. 5) Occupation Alessandria's bis zur Erfüllung des Vertrags durch die Oesterreicher. 6) Einen Handelsvertrag mit Oesterreich. Neapel, 15. April. Außer Syrakus und Augusta, zwei befestigten Plätzen, haben noch 16 Orte theils schriftlich, theils durch Deputationen dem Fürsten von Satriano ihre Unterwerfung erklärt. Französische Republik. 12 Paris, 29. April. Die Franzosen müssen büßen für ihren Glauben an ein heiliges Recht, ein ewiges Recht und an die Unverletzlichkeit des Richters. Mit einem einzigen Rechte, das für ewig erklärt wird, mit einem einzigen Richter, der unabsetzbar dasteht, ist es ein Leichtes, die ganze Revolution umzustoßen und die Republik abzusetzen. Der Kassationshof steht jetzt mächtiger da, als der ganze monarchische Hof Louis Philipp's. Dafür haben auch die Franzosen die Könige für absetzbar und die Richter für unabsetzbar erklärt. Mag die politische Form noch so sehr sich ändern, mögen die Gesetze noch so verschiedenen Ursprungs sein, wähnten die Franzosen, Gesetz bleibt Gesetz, und der Richter hat weiter nichts zu thun, als das Gesetz zu repräsentiren; erklären wir ihn daher als unabänderlich, unwandelbar und unwechselbar, in der wechselnden Form der Gesetze. So ward der Richter der unabsetzbare Vater aller unehelichen Kinder, die von fremden Vätern, fremden Mächten gezeugt wurden. So hat das Gesetz von 1790 über die Versammlungen in den Richtern des Kassationshofes Vertheidiger gefunden, die im Stande sind, die ganze Revolution über Haufen zu werfen, um das Gesetz zu wahren: pereat mundus, fiat lex, heißt in ihrem Munde weiter nichts als der Kassationshof steht über der Revolution, über der Konstitution, über Allem. Und will man wissen, was das Gesetz von 1790 ist? Weiter nichts als eine reine Polizei-Verordnung Ein Polizeikommissär trat in einen Wahlklub; der Präsident, sich stützend auf die Konstitution, widersetzt sich seinem Eintritte. Protokoll wird aufgenommen, und das einfache Polizeigericht entscheidet in einem ausführlich motivirten Urtheile, daß der Polizei-Kommissär keineswegs das Recht hatte in die Wahlversammlung zu dringen, und daß das Gesetz von 1790 auf die Wahlreunionen nicht anwendbar ist. Auf Anwendbarkeit für bestimmte Fälle kömmt es aber gar nicht an; das Gesetz von 1790 ist von der provisorischen Regierung aufgehoben, und weder auf die Wahlreunionen noch auf andere Versammlungen anwendbar. Die Sache kömmt nach allerlei Zwischeninstanzen vor den Kassationshof mit seinen unabsetzbaren Richtern, die schon unter Louis Philippe wegen ihrer frühern parlamentarischen Laufbahn zu dieser hohen, unabsetzbaren Stellung befördert worden waren. Der Cassationshof ist die Invaliden-Anstalt für alle ehemaligen Justizminister und Generalprokuratoren aus der Zeit der Monarchie, und steht dieser der jetzigen Regierung weit näher als jeder andere Gerichtshof. Der Cassationshof also mit Barrot und Faucher in schönster Seelenharmonie cassirt das Urtheil des einfachen Polizeigerichts und die Sache kömmt vor einen andern Richter. Nimmt man nun auch die alte bürgerliche Gesetzgebung als maßgebend, als rechtskräftig an, so ist es immerhin erlaubt zu sagen: die Jurisprudenz ist über den fraglichen Punkt noch nicht fixirt. Aber Hr. Barrot nimmt davon keine Notiz: er bemächtigt sich des Urtheils des Kassationshofes und läßt allenthalben Polizeikommissáre in die Wahlversammlungen dringen und hinter den Polizeikommissaren die bewaffnete Macht aufstellen. Was zu thun? Die Absicht der Regierung ist offenbar eine Kollision hervorzurufen. Nichts provozirt mehr als die Anwesenheit der Polizeikommissäre in diesen Vereinen, und dennoch hat sich das Volk bis heute nicht zu Gewaltthätigkeiten hinreißen lassen, wozu es doch das größte Recht hätte. Aber das Volk bleibt ruhig und seine Haltung ist wirklich bewunderungswürdig. Das Volk hat unendlich gelernt. Paris, 29. April. Der Moniteur veröffentlicht folgende zwei Telegraphische Depeschen: Erste Depesche aus Toulon 28. April Morgens 5 Uhr. In Paris eingetroffen an demselben Tage Nachmittags 3 1/2 Uhr. Civita-Vecchia, 26. April, Mittags 11 Uhr. (Der Contreadmiral Tresouart an den Marineminister) die Eskadrille, welche unter meinem Befehl steht, warf gestern um zehn Uhr vor Civita-Vecchia Anker. Um Mittag war diese Stadt von 1800 Mann Expeditionstruppen besetzt. Diese Besetzung fand mit Einwilligung der städtischen Behörden und ohne Schwertstreich statt. Heute früh wurden die übrigen Truppen ausgeschifft und ich betreibe so eben die Ausschiffung des Materials mit Eile.“ Zweite Depesche aus Marseille und 28 April 2 Uhr. In Paris eingetroffen an demselben Tage Nachmittags 5 1/2 Uhr. „Civita Vecchia, 25. April 1849. (Der General Oudinot an den Kriegsminister) Wir sind Herren von Civita-Vecchia ohne Schwertstreich. Die Behörden haben keinen Widerstand geleistet. Einwohner und Bürgerwehr haben uns mit Beifall empfangen (Les habitants et la garde nationale nous ont accueillis avec acclamation.) ‒ Die gewöhnlichen Fahrpostbriefe aus Rom reichen nur bis zum 20. April. ‒ Die Volksmasse auf den mittleren Boulevards (um die Porte St. Denis) waren gestern Abend wieder eben so zahlreich wie an den letzten Tagen. ‒ Causfidiere protestirt von London aus gegen die elende Lüge der Zeitungen und Correspondenzschmiere, als gedenke er sich vor dem exquisiten Gerichtshof zu stellen. Causfidiere erklärt, wenn er vor dem Prozeß nicht daran gedacht habe, sich diesem Mörderhofe su überliefern, so könne es ihm noch weniger nach dem hundsföttischen Urtheile in Bourges einfallen. ‒ Das 9., 48., 52. und 74. Linien-Regiment haben Paris verlassen müssen und sind durch das 3., 14., 30. und 42. Linien-Regiment ersetzt worden. Die „Revolution“ sagt: Möge Hr. Changarnier unsern Dank erhalten. Die abziehende Regimenter hatten schon die Taufe des Sozialism us erhalten; Die Bekehrung der neu angekommenen wird so lange nicht dauern. Die ministerielle „Gazette des Tribunaux“ meldet darüber: „‥‥Um 6 Uhr waren die Porte St. Denis nebst Umgegend wieder sehr stark besucht. Einige Gamins riefen: Es lebe Barbes! Es lebe die demokratisch-soziale Republik! Viele Läden schlossen sich wieder, was für die Besitzer derselben um so empfindlicher, als der Samstagabend gerade der ergiebigste Verkaufsmoment für sie ist. Um 9 1/4 Uhr erschien die bewaffnete Macht auf dem Platze; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="1625"/> <div xml:id="ar287_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Breslau, 28. April.</head> <p> Die heute eingetroffenen Nachrichten aus Berlin verdrängen für den Augenblick die sonst fast ausschließlich magyarische Unterhaltung der Stadt. Die Jäger sind in den Kasernen konsignirt, das 11. Infanterie-Regiment marschirt morgen, wie es heißt, an die oberschlesische Gränze. Auch Truppen aus Neisse und von anderwärts sind dahin bereits aufgebrochen. Kaiser-Homunkulus will im brüderlichen Verein mit den Russen, die von Krakau aus in Galizien bereits eingerückt sein sollen, der Bestienhöhle von Olmütz, die indessen schon beginnt geräumt zu werden, zu Hülfe eilen. Kaiser-Homunkulus, der die Frankfurter Kaiserfabrikanten ihres schlechten Fabrikats wegen mit Füßen getreten und Deutschland in's Antlitz gespuckt hat, will nun die ihm verliehene Kaiser- und Deutschthumqualität gleichwohl dazu benutzen, um wider das Heldenvolk der Magyaren zu Felde zu ziehen. Sobald die Magyaren, so heißt es, die östreichisch-deutsche Gränze überschreiten, um auf Wien loszurücken, wird Kaiser-Homunkulus als Retter Deutschland's auftreten und die Feinde vertreiben. Die Don Quirotte's sind unvertilgbar. ‒ Ich habe Ihnen bereits im verflossenen Sommer geschrieben, daß der deutsche Reichsrindviehstall sich zu Allem gebrauchen läßt; er läßt sich in Schleswig-Holstein auf eine republikanische Schlachtbank führen, kämpft in Italien wider die Freiheit und marschirt nun auch wider die Magyaren. Indessen gibt es auch Ausnahmen, und obwohl sich unter den ersten magyarischen Heerführern kein Deutscher von Belang befindet, so sind doch von hier bereits 80 militärisch-gebildete Kämpfer zu den Magyaren gestoßen und werden binnen Kurzem noch andere nachfolgen.</p> <p>Gestern und heute kamen östreichische Offiziere hier an, die sehr zerstört aussahen, aber nicht das Geringste zu wissen vorgaben. Einer von ihnen schien sein sämmtliches kaiserliches Mobilar auf den Schlachtfeldern eingebüßt und mit einem interessanten Allerlei vertauscht zu haben. Er trug einen Honvedhut statt des Tschakko, slovakische Beinkleider und Jacke, sein Mantel war von differenten Bivouak's äußerst stark berücksichtigt. Er behauptete, aus Galizien zu kommen und meinte, Welden konzentrire ruhig die Armee und würde dann operiren. Natürlich werden die Magyaren ihm, Gewehr im Arm, ebenso östreichisch-bornirt zuschauen, bis der Herr Metzger fertig ist. Die heute angelangten Offiziere waren derselben gescheiten Meinung, sahen indessen unter der Hand sehr verdrossen aus. Sie geben vor, mit Aufträgen nach Berlin zu gehen. Der Minister Bach soll der Raserei nahe sein und überall nur Galgen erblicken, ebenso Stadion. Windischgrätz will sich in Ihre Nähe aus dem Staube machen und sei hiermit dringendst empfohlen.</p> <p>In der gestrigen Versammlung der Bürgerwehrklubs wurde die Ungesetzlichkeit der Bürgerwehrsuspension besprochen und die Reorganisation in Aussicht gestellt. Auch wurde beschlossen, in der deutschen Frage (!!) morgen eine Volksversammlung auf dem Schießwärter abzuhalten.</p> <p>Aus Ungarn sollen heute wichtige Nachrichten eingegangen sein. Der Apfel wird täglich reifer, selbst der Apfel der deutschen Bornirtheit.</p> </div> <div xml:id="ar287_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Breslau, 28. April.</head> <p>Während eine russische Armee den östreichischen Standrechtsbestien gegen die Magyaren zu Hülfe eilt: ist auch, wie sich von selbst versteht, der russische Oberknäs in Deutschland, der hier Se. christlich-germanische Majestät genannt wird, nicht säumig, als dritter im Bunde sein Kontingent zur Durchführung der heiligen Allianz - Pläne an der östreichischen Gränze aufzustellen. Von hier aus sollen nach eben eingetroffenen Befehlen 3 Bataillone und eine Batterie reitender Artillerie nach Oberschlesien abgehen. Aus Ohlau wird eben dahin das Husarenregiment ausrücken.</p> </div> <div xml:id="ar287_011" type="jArticle"> <head>Posen, 27. April.</head> <p>Die Zeitung des Osten schreibt:</p> <p>„Gestern bei der Parole theilte der kommandirende General v. Brünneck dem Offizierkorps eine Ministerialverfügung mit, nach welcher die Offiziere nicht mehr wegen politischer Sachen vor das Ehrengericht gestellt werden dürfen.“</p> <p>Ob das anderswo auch verkündigt sein mag ?</p> </div> <div xml:id="ar287_012" type="jArticle"> <head>Wien, 27. April.</head> <p>Wer die Briefe lies't, die aus der Moldau und Walachei hier anlangen, wer da weiß, was für seltsame Anstrengungen die Pforte macht, der wird uns Recht geben, wenn wir sagen: <hi rendition="#g">nicht nur Oestreich, das ganze dynastische Deutschland ist in Gefahr.</hi> Die Furcht vor einem magyarischen Einfalle nach Niederöstreich und Mähren vergrößert sich mit jeder Sekunde. Die haute volée schnüret ihre Bündel und zieht westwärts. <hi rendition="#g">Das Proletariat jauchzt den Kossuthianern nicht mehr im Stillen, an allen öffentlichen Orten laut entgegen.</hi> Pesth ist zur Hälfte in Wien, und wenn es noch acht Tage so dauert, dürfte halb Wien, wenigstens der vermöglichere Theil, bald in Ischl und Linz sein. Aus <hi rendition="#g">Ungarn</hi> berichtet man Unglaubliches, sämmtliche Comitate, die bereits unterworfen waren, sind in vollem Aufstande und schließen sich den Magyaren an, selbst der Weg nach Ofen ist nicht mehr frei, da die Post sehr unregelmäßig eintrifft. Wie man behauptet, sind einige deutsche Postbeamte gestern Abend aus Ofen flüchtig hier angekommen. Die Remorqueurs und Dampfschiffe schleppen all' das Belagerungsgeschütz stromaufwärts nach Linz, also hält man auch Wien nicht mehr für sicher. Wohin das noch führen soll, ahnt Niemand noch. ‒ Ein Schlag, und Oestreich ist <hi rendition="#g">gewesen.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar287_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 27. April.</head> <p>Der „Lloyd“ enthält einen Artikel über die Herbeirufung der Russen, dem wir blos nachstehende Worte entnehmen:</p> <p>„Wir sind also gern bereit, russische Hülfe anzunehmen, jedoch auf Bedingungen. Die erste ist, daß sie uns schnell, daß sie uns gleich zu Theil werde; die zweite, daß sie uns in ausreichender Zahl, massenweise zukomme. Unsere Leiden können nicht durch eine homöopathische Kur gehoben werden; wir bedürfen starrer, allopathischer Mittel, um uns die verlorenen Kräfte wieder zu ersetzen.“</p> <p>Der leidende Zustand des Grafen Stadion ist so erheblicher Art, daß man die Hoffnung aufgeben muß, ihn bald die Leitung der Geschäfte übernehmen zu sehen Die Aerzte sollen sogar eine mehrmonatliche Erholung für nöthig finden, und dadurch gewinnt das Gerücht mehr Bedeutung, daß Justizminister Bach definitiv das Portefeuille des Ministeriums des Innern übernehmen soll, und an seine Stelle Hr. v. Schmerling tritt.</p> <p>Aus Ollmütz schreibt man, daß das Militär sichtlich aus der Stadt schwindet, die Ausfälle sind schon ohne Wachen und selbst die Hauptwache zählt kaum 15 Mann! ‒ doch sind einige neue Kanonen auf den Wällen aufgepflanzt. Vorgestern hieß es allgemein, die Magyaren seien schon an der mährischen Gränze. Der Kassier aus Hradisch wurde zurückberufen, um die Kasse sicher zu stellen, als er sich zufällig in Ollmütz befand. Später bewies sich dies als ein leerer Schrecken.</p> <p>Es sind bereits sämmtliche Kassen aus Kremnitz, Schemnitz und Neusobl mit allen Baarvorräthen, an Gold, Silber und Banknoten nach Wien gebracht worden. Einige Oberbeamte begleiteten diese Transporte.</p> <p>Der Empfang Bem's in Debreczin war glänzend. Kossuth hat ihm ein Ordenskreuz verliehen, in welchem sich ein großer aus der ungarischen Krone genommener Diamant befindet. An der Stelle des Diamants wurde aber in die Krone ein Goldblättchen gesetzt mit Bem's Namen und dessen Siegestagen von Siebenbürgen.</p> </div> <div xml:id="ar287_014" type="jArticle"> <head>Prag, 25. April</head> <p>Die Narodni nowiny eröffnen das heutige Blatt mit folgenden Worten: „Die Blicke des ganzen Landes sind auf Prag gerichtet und auf Böhmen blicken andere Länder. Jedermann fühlt, daß jetzt in der Politik ein entscheidender Schritt geschehen müsse; allein die Zeiten sind so unsicher, alle Tage können sich die Verhältnisse ändern, so daß es ungemein schwer ist, sich über ein bestimmtes Ziel der politischen Thätigkeit klar zu werden. Wir selbst getrauen uns bisher nicht, irgend ein wichtigeres Unternehmen zu beginnen, indem wir besorgen müßten, unserer eigenen Sache zu schaden, wenn der Lauf der ungarischen und der europäischen Begebenheiten überhaupt gegen unsere Erwartung einen Umschwung erleiden sollte.</p> <p>Fast aber scheint es uns, daß bald eine andere Richtung der politischen Thätigkeit beginnen werde; morgen oder übermorgen wird der Stadtrath in Erwägung ziehen, ob man von Seite der Stadt Prag an Se. Majestät die Bitte um baldige Berufung des böhmischen Landtags richten solle. Wir hoffen, dies werde einstimmig beschlossen ‒ dann wird es nothwendig sein, daß alle Landgemeinden in aller Schnelligkeit das Beispiel Prags befolgen, damit wir wenigstens im Juni unseren ersten eigenen Landtag in Prag erblicken.“</p> <p>Die <hi rendition="#g">Drucker</hi> fangen wieder an, sich zu regen. Gestern waren viele derselben auf dem Ringe vor dem Magistratsgebäude den ganzen Tag versammelt, Arbeit und Brod verlangend.</p> </div> <div xml:id="ar287_015" type="jArticle"> <head>Frankfurt, 28. April.</head> <p>In Baiern sollen die Truppen Befehl erhalten haben, an die österreichische Gränze vorzurücken, um sogleich im Falle der Noth gegen die Ungarn operiren zu können. ‒ Man spricht von der Zusammenziehung eines preußischen Heeres bei Kreuznach und Koblenz, welches Frankfurt bei einer Verfassungs-Octroyirung im Auge behalten soll! Auch nach der Festung Mainz sollen schon preußische Truppen auf dem Marsche sein. (Sicher ist, daß von Koblenz nach Kreuznach bereits Truppen im Marsche begriffen sind.)</p> <p>Die neuesten Nachrichten aus Berlin nach Frankfurt werden dem Reichsministerium erst durch die Mittheilung der Gesandten bekannt; Die Gesandten ausländischer Höfe, z. B. Rußlands und Englands erfahren eher, was in Berlin geschieht, als die Centralgewalt. Selbst die baierische Regierung übergeht das Reichsministerium, denn ihre letzte Note wurde der Redaktion der schwarz-gelben „Frankfurter Ztg.“ eher mitgetheilt, als dem Herrn von Gagern.</p> <bibl>(Fr. J.)</bibl> </div> <div xml:id="ar287_016" type="jArticle"> <head>Mannheim, 28. April.</head> <p>Gegen Karl Blind ist ein neuer politischer Prozeß eingeleitet. Die Anklage betrifft zwei in der Mannh. Abdz. über badische Kerkerzustände erschienene Artikel, für deren sachgetreuen Inhalt Hr. Blind die Redaktion ersucht hat, die volle gerichtliche Verantwortlichkeit übernehmen zu dürfen. Das von dem Staatsanwalt verfolgte Verbrechen ist „Herabwürdigung der großherzoglichen Regierung.“ Ohne Zweifel wird auch Struve (als Zeuge) in dieser Sache auftreten. Da Blind in Erwartung des jetzt eingeleiteten Prozesses den fraglichen Gegenstand vor den Freiburger Geschwornen nicht berührt hat, so verspricht man sich von der öffentlichen Verhandlung weitere, sehr interessante Enthüllungen über die großherzogliche Gefängnißpflege.</p> <bibl>(M. A.-Z)</bibl> </div> <div xml:id="ar287_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>213</author></bibl> Neustadt a. d. Hardt, 27. April.</head> <p>Eine unbeschreibliche Aufregung herrscht unter der ganzen Bevölkerung der baierischen Rheinpfalz. Das Treiben am Hofe in München hat die Pfälzer gröblich vor den Kopf gestoßen. Jetzt gilt es, sich von Baiern loszusagen und als freier Staat unter innigem Anschluß an Deutschland zu erklären, weil, wenn auch Fürsten von der Wucht des Augenblicks gedrungen nachgeben, ihnen doch nie mehr getraut werden darf, von ihnen nie etwas Gutes zu erwarten steht: das ist das Lösungswort der Pfälzer.</p> <p>In diesem Sinne fand gestern Abend, auf eine Vorberathung der Ausschüsse aller Vereine hin, in dem Hofe des Rathhauses eine Bürgerversammlung statt, die von wenigstes 3 bis 4000 Menschen besucht, zum Resultat hatte, daß auf <hi rendition="#g">Mittwoch, den 2 Maji eine großartige Volksversammlung für ganz Süddeutschland,</hi> ähnlich der auf dem Hambacher Schlosse im Jahre 1832, festgesetzt und zu gehöriger Vorbereitung derselben ein Ausschuß ernannt wurde. Auf dieser Volksversammlung sollen entscheidende Beschlüsse gefaßt werden. Alle waffenfähige Männer sind eingeladen. Mögen alle Demokraten bedenken, daß die Zeit des Handels gekommen ist und zahlreich auf dem Platze erscheinen</p> </div> <div xml:id="ar287_018" type="jArticle"> <head>Stuttgart, 27. April.</head> <p>Unter diesem Datum theilt das „Fr. J.“ Folgendes mit:</p> <p>Die Abgeordneten-Kammer verfolgt ihren Sieg; Stockmayer stellte heute den Antrag, das Armeecorpscommando, das noch in den Händen des Prinzen Friedrich befindlich ist, wieder mit dem verantwortlichen Kriegsministerium zu vereinigen, und dieser Antrag ward fast einstimmig angenommen, so daß die Regierung alsbald wird entsprechen müssen. Alsdann geht es an die Kammer der Standesherren, welche bis jetzt weder die Grundrechte, noch die Reichsverfassung anerkannt, sondern sich für das Vereinbarungsprinzip ausgesprochen hat. Diese muß jetzt auch zu einer solchen Anerkennung genöthigt werden.</p> <p>Der König soll geäußert haben, nie mehr nach Stuttgart zurückkehren zu wollen. Man spricht von einer Reise desselben nach dem Haag.</p> <p>Der Landesausschuß hielt gestern Mittag eine Sitzung, in welcher auch die Mitglieder der von Frankfurt hierher gekommenen Deputation erschienen. Es wurde eine Petition an das Reichsministerium beschlossen, daß die gegen den Prinzen von Würtemberg wegen seines den würtembergischen Reichstruppen gegenüber beobachteten Verhaltens vorliegen Verdachtsgründe genau geprüft, eine Untersuchung eingeleitet und der Prinz, falls seine Schuld sich herausstellt, zur verdienten Strafe gezogen werde.</p> <p>Aus Ludwigsburg wird dem „Schw. M.“ unterm 25. April geschrieben, daß der Schwabenkönig zur städtischen Deputation, die ihm für seine Abends zuvor gefaßte Entschließung Dank sagte, geäußert: „Sie sind mir keinen Dank schuldig; ich habe nur dem Drang der Umstände nachgegeben; Gott gebe, daß es zum Segen für Würtemberg gereichen möge.“</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar287_019" type="jArticle"> <p><bibl><author>*</author></bibl> Die östreichischen Truppen, im Einverständniß mit dem königlichen Verräther Victor Emanuel, haben endlich Allessandria besetzt. Dieser Kriegsakt mitten im „offiziellen“ Waffenstillstand fand am 24. statt. Nachmittags vier Uhr wurde den Einwohnern durch Maueranschlag das baldige Einziehen der östreichischen Truppen angekündigt. Zwei Stunden darauf zogen bereits 3000 Mann ein, von denen 1500 in der Stadt, 1500 in der Festung einquartirt wurden. Die Wuth der Bevölkerung ist in Allessandria auf den Gipfel gestiegen; in Turin erhoben sich selbst die „honetten“ Journale: Nazion e, Resorgimento und der dem „modernen Jesuiten“ angehörigen Saggiatore voll Entrüstung gegen diesen Gioberti elenden Verrath.</p> <p>Der Standrechtshund Radetzky hält übrigens nicht allein an der Bedingung der Uebergabe von Allessandria fest. Nach dem „Sagiatore“ sind die 2 piemontesischen Abgeordneten am 24. nochmals unverrichteter Sachen aus Mailand zurückgekommen, und die östreichische Unverschämtheit läßt jede Hoffnung auf ein friedliches (?) Arrangement verschwinden.</p> <p>Gerüchte aus Sizilien melden, daß, nachdem bloß noch die polnisch-französischen Freicorps zum weiteren Kampfe sich bereit erklärten, Palermo sich ergeben habe.</p> </div> <div xml:id="ar287_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Rom, 20. April.</head> <p>Der hiesige Moniteur zeigt an, daß Sizilien die Römische Republik offiziell anerkannt, und den Pater Ventura zu seinem Vertreter bei hiesiger Republik ernannt habe.</p> <p>Morgen (21. April) hält der neue Kriegsminister Avezzana eine große Musterung aller hiesigen Militär Kräfte-ab.</p> </div> <div xml:id="ar287_021" type="jArticle"> <head>Livorno, 20. April.</head> <p>Ein revolutionärer Regierungsausschuß ist niedergesetzt, welcher mit Florenz Unterhandlungen zur Ausgleichung angeknüpft hat.</p> <p>Die Hauptbedingungen sind: vollständige Amnestie, Befreiung Guerrazzi's und Uebergabe eines Theils des Wachtdienstes an ein Corps ausschließlich aus Livornesen bestehend u. s. w.</p> </div> <div xml:id="ar287_022" type="jArticle"> <head>Lugano, 26. April.</head> <p>Der „Republicano“ giebt den vollständigen Text der Radetzky'schen Note, in welcher geradezu von der „Schlechtigkeit oder Dummheit der tessinischen Regierung“ gesprochen wird. Eine solche Unverschämtheit darf nicht ungeahndet bleiben; die Schweiz müßte sich denn vor den Augen der Welt ihrer Nationalehre begeben wollen.</p> </div> <div xml:id="ar287_023" type="jArticle"> <head>Mailand, 25. April.</head> <p>Nach der „Basl. Ztg.“ sollen die Friedensunterhandlungen wegen der hohen Forderungen Oestreichs sich zerschlagen haben. Oestreich verlange nämlich:</p> <p>1) Vergütung aller Kriegkosten. 2) Offensive und defensive Allianz. 3) 40,000 Piemontesen sollen nach Ungarn marschiren. (?) 4) Aufhebung des Salzvertrags mit der Schweiz. 5) Occupation Alessandria's bis zur Erfüllung des Vertrags durch die Oesterreicher. 6) Einen Handelsvertrag mit Oesterreich.</p> </div> <div xml:id="ar287_024" type="jArticle"> <head>Neapel, 15. April.</head> <p>Außer Syrakus und Augusta, zwei befestigten Plätzen, haben noch 16 Orte theils schriftlich, theils durch Deputationen dem Fürsten von Satriano ihre Unterwerfung erklärt.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar287_025" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 29. April.</head> <p>Die Franzosen müssen büßen für ihren Glauben an ein heiliges Recht, ein ewiges Recht und an die Unverletzlichkeit des Richters. Mit einem einzigen Rechte, das für ewig erklärt wird, mit einem einzigen Richter, der unabsetzbar dasteht, ist es ein Leichtes, die ganze Revolution umzustoßen und die Republik abzusetzen. Der Kassationshof steht jetzt mächtiger da, als der ganze monarchische Hof Louis Philipp's. Dafür haben auch die Franzosen die Könige für absetzbar und die Richter für unabsetzbar erklärt. Mag die politische Form noch so sehr sich ändern, mögen die Gesetze noch so verschiedenen Ursprungs sein, wähnten die Franzosen, Gesetz bleibt Gesetz, und der Richter hat weiter nichts zu thun, als das Gesetz zu repräsentiren; erklären wir ihn daher als unabänderlich, unwandelbar und unwechselbar, in der wechselnden Form der Gesetze. So ward der Richter der unabsetzbare Vater aller unehelichen Kinder, die von fremden Vätern, fremden Mächten gezeugt wurden. So hat das Gesetz von 1790 über die Versammlungen in den Richtern des Kassationshofes Vertheidiger gefunden, die im Stande sind, die ganze Revolution über Haufen zu werfen, um das Gesetz zu wahren: pereat mundus, fiat lex, heißt in ihrem Munde weiter nichts als der Kassationshof steht über der Revolution, über der Konstitution, über Allem.</p> <p>Und will man wissen, was das Gesetz von 1790 ist? Weiter nichts als eine reine Polizei-Verordnung Ein Polizeikommissär trat in einen Wahlklub; der Präsident, sich stützend auf die Konstitution, widersetzt sich seinem Eintritte. Protokoll wird aufgenommen, und das einfache Polizeigericht entscheidet in einem ausführlich motivirten Urtheile, daß der Polizei-Kommissär keineswegs das Recht hatte in die Wahlversammlung zu dringen, und daß das Gesetz von 1790 auf die Wahlreunionen nicht anwendbar ist. Auf Anwendbarkeit für bestimmte Fälle kömmt es aber gar nicht an; das Gesetz von 1790 ist von der provisorischen Regierung aufgehoben, und weder auf die Wahlreunionen noch auf andere Versammlungen anwendbar. Die Sache kömmt nach allerlei Zwischeninstanzen vor den Kassationshof mit seinen unabsetzbaren Richtern, die schon unter Louis Philippe wegen ihrer frühern parlamentarischen Laufbahn zu dieser hohen, unabsetzbaren Stellung befördert worden waren. Der Cassationshof ist die Invaliden-Anstalt für alle ehemaligen Justizminister und Generalprokuratoren aus der Zeit der Monarchie, und steht dieser der jetzigen Regierung weit näher als jeder andere Gerichtshof. Der Cassationshof also mit Barrot und Faucher in schönster Seelenharmonie cassirt das Urtheil des einfachen Polizeigerichts und die Sache kömmt vor einen andern Richter. Nimmt man nun auch die alte bürgerliche Gesetzgebung als maßgebend, als rechtskräftig an, so ist es immerhin erlaubt zu sagen: die Jurisprudenz ist über den fraglichen Punkt noch nicht fixirt. Aber Hr. Barrot nimmt davon keine Notiz: er bemächtigt sich des Urtheils des Kassationshofes und läßt allenthalben Polizeikommissáre in die Wahlversammlungen dringen und hinter den Polizeikommissaren die bewaffnete Macht aufstellen. Was zu thun? Die Absicht der Regierung ist offenbar eine Kollision hervorzurufen. Nichts provozirt mehr als die Anwesenheit der Polizeikommissäre in diesen Vereinen, und dennoch hat sich das Volk bis heute nicht zu Gewaltthätigkeiten hinreißen lassen, wozu es doch das größte Recht hätte. Aber das Volk bleibt ruhig und seine Haltung ist wirklich bewunderungswürdig. Das Volk hat unendlich gelernt.</p> </div> <div xml:id="ar287_026" type="jArticle"> <head>Paris, 29. April.</head> <p>Der Moniteur veröffentlicht folgende zwei Telegraphische Depeschen:</p> <p>Erste Depesche aus Toulon 28. April Morgens 5 Uhr. In Paris eingetroffen an demselben Tage Nachmittags 3 1/2 Uhr.</p> <p>Civita-Vecchia, 26. April, Mittags 11 Uhr.</p> <p>(Der Contreadmiral Tresouart an den Marineminister) die Eskadrille, welche unter meinem Befehl steht, warf gestern um zehn Uhr vor Civita-Vecchia Anker. Um Mittag war diese Stadt von 1800 Mann Expeditionstruppen besetzt. Diese Besetzung fand mit Einwilligung der städtischen Behörden und ohne Schwertstreich statt. Heute früh wurden die übrigen Truppen ausgeschifft und ich betreibe so eben die Ausschiffung des Materials mit Eile.“</p> <p>Zweite Depesche aus Marseille und 28 April 2 Uhr. In Paris eingetroffen an demselben Tage Nachmittags 5 1/2 Uhr.</p> <p>„Civita Vecchia, 25. April 1849.</p> <p>(Der General Oudinot an den Kriegsminister) Wir sind Herren von Civita-Vecchia ohne Schwertstreich. Die Behörden haben keinen Widerstand geleistet. Einwohner und Bürgerwehr haben uns mit Beifall empfangen (Les habitants et la garde nationale nous ont accueillis avec acclamation.)</p> <p>‒ Die gewöhnlichen Fahrpostbriefe aus Rom reichen nur bis zum 20. April.</p> <p>‒ Die Volksmasse auf den mittleren Boulevards (um die Porte St. Denis) waren gestern Abend wieder eben so zahlreich wie an den letzten Tagen.</p> <p>‒ Causfidiere protestirt von London aus gegen die elende Lüge der Zeitungen und Correspondenzschmiere, als gedenke er sich vor dem exquisiten Gerichtshof zu stellen. Causfidiere erklärt, wenn er vor dem Prozeß nicht daran gedacht habe, sich diesem Mörderhofe su überliefern, so könne es ihm noch weniger nach dem hundsföttischen Urtheile in Bourges einfallen.</p> <p>‒ Das 9., 48., 52. und 74. Linien-Regiment haben Paris verlassen müssen und sind durch das 3., 14., 30. und 42. Linien-Regiment ersetzt worden. Die „Revolution“ sagt: Möge Hr. Changarnier unsern Dank erhalten. Die abziehende Regimenter hatten schon die Taufe des Sozialism us erhalten; Die Bekehrung der neu angekommenen wird so lange nicht dauern.</p> <p>Die ministerielle „Gazette des Tribunaux“ meldet darüber:</p> <p>„‥‥Um 6 Uhr waren die Porte St. Denis nebst Umgegend wieder sehr stark besucht. Einige Gamins riefen: Es lebe Barbes! Es lebe die demokratisch-soziale Republik! Viele Läden schlossen sich wieder, was für die Besitzer derselben um so empfindlicher, als der Samstagabend gerade der ergiebigste Verkaufsmoment für sie ist. Um 9 1/4 Uhr erschien die bewaffnete Macht auf dem Platze; </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1625/0003]
61 Breslau, 28. April. Die heute eingetroffenen Nachrichten aus Berlin verdrängen für den Augenblick die sonst fast ausschließlich magyarische Unterhaltung der Stadt. Die Jäger sind in den Kasernen konsignirt, das 11. Infanterie-Regiment marschirt morgen, wie es heißt, an die oberschlesische Gränze. Auch Truppen aus Neisse und von anderwärts sind dahin bereits aufgebrochen. Kaiser-Homunkulus will im brüderlichen Verein mit den Russen, die von Krakau aus in Galizien bereits eingerückt sein sollen, der Bestienhöhle von Olmütz, die indessen schon beginnt geräumt zu werden, zu Hülfe eilen. Kaiser-Homunkulus, der die Frankfurter Kaiserfabrikanten ihres schlechten Fabrikats wegen mit Füßen getreten und Deutschland in's Antlitz gespuckt hat, will nun die ihm verliehene Kaiser- und Deutschthumqualität gleichwohl dazu benutzen, um wider das Heldenvolk der Magyaren zu Felde zu ziehen. Sobald die Magyaren, so heißt es, die östreichisch-deutsche Gränze überschreiten, um auf Wien loszurücken, wird Kaiser-Homunkulus als Retter Deutschland's auftreten und die Feinde vertreiben. Die Don Quirotte's sind unvertilgbar. ‒ Ich habe Ihnen bereits im verflossenen Sommer geschrieben, daß der deutsche Reichsrindviehstall sich zu Allem gebrauchen läßt; er läßt sich in Schleswig-Holstein auf eine republikanische Schlachtbank führen, kämpft in Italien wider die Freiheit und marschirt nun auch wider die Magyaren. Indessen gibt es auch Ausnahmen, und obwohl sich unter den ersten magyarischen Heerführern kein Deutscher von Belang befindet, so sind doch von hier bereits 80 militärisch-gebildete Kämpfer zu den Magyaren gestoßen und werden binnen Kurzem noch andere nachfolgen.
Gestern und heute kamen östreichische Offiziere hier an, die sehr zerstört aussahen, aber nicht das Geringste zu wissen vorgaben. Einer von ihnen schien sein sämmtliches kaiserliches Mobilar auf den Schlachtfeldern eingebüßt und mit einem interessanten Allerlei vertauscht zu haben. Er trug einen Honvedhut statt des Tschakko, slovakische Beinkleider und Jacke, sein Mantel war von differenten Bivouak's äußerst stark berücksichtigt. Er behauptete, aus Galizien zu kommen und meinte, Welden konzentrire ruhig die Armee und würde dann operiren. Natürlich werden die Magyaren ihm, Gewehr im Arm, ebenso östreichisch-bornirt zuschauen, bis der Herr Metzger fertig ist. Die heute angelangten Offiziere waren derselben gescheiten Meinung, sahen indessen unter der Hand sehr verdrossen aus. Sie geben vor, mit Aufträgen nach Berlin zu gehen. Der Minister Bach soll der Raserei nahe sein und überall nur Galgen erblicken, ebenso Stadion. Windischgrätz will sich in Ihre Nähe aus dem Staube machen und sei hiermit dringendst empfohlen.
In der gestrigen Versammlung der Bürgerwehrklubs wurde die Ungesetzlichkeit der Bürgerwehrsuspension besprochen und die Reorganisation in Aussicht gestellt. Auch wurde beschlossen, in der deutschen Frage (!!) morgen eine Volksversammlung auf dem Schießwärter abzuhalten.
Aus Ungarn sollen heute wichtige Nachrichten eingegangen sein. Der Apfel wird täglich reifer, selbst der Apfel der deutschen Bornirtheit.
* Breslau, 28. April. Während eine russische Armee den östreichischen Standrechtsbestien gegen die Magyaren zu Hülfe eilt: ist auch, wie sich von selbst versteht, der russische Oberknäs in Deutschland, der hier Se. christlich-germanische Majestät genannt wird, nicht säumig, als dritter im Bunde sein Kontingent zur Durchführung der heiligen Allianz - Pläne an der östreichischen Gränze aufzustellen. Von hier aus sollen nach eben eingetroffenen Befehlen 3 Bataillone und eine Batterie reitender Artillerie nach Oberschlesien abgehen. Aus Ohlau wird eben dahin das Husarenregiment ausrücken.
Posen, 27. April. Die Zeitung des Osten schreibt:
„Gestern bei der Parole theilte der kommandirende General v. Brünneck dem Offizierkorps eine Ministerialverfügung mit, nach welcher die Offiziere nicht mehr wegen politischer Sachen vor das Ehrengericht gestellt werden dürfen.“
Ob das anderswo auch verkündigt sein mag ?
Wien, 27. April. Wer die Briefe lies't, die aus der Moldau und Walachei hier anlangen, wer da weiß, was für seltsame Anstrengungen die Pforte macht, der wird uns Recht geben, wenn wir sagen: nicht nur Oestreich, das ganze dynastische Deutschland ist in Gefahr. Die Furcht vor einem magyarischen Einfalle nach Niederöstreich und Mähren vergrößert sich mit jeder Sekunde. Die haute volée schnüret ihre Bündel und zieht westwärts. Das Proletariat jauchzt den Kossuthianern nicht mehr im Stillen, an allen öffentlichen Orten laut entgegen. Pesth ist zur Hälfte in Wien, und wenn es noch acht Tage so dauert, dürfte halb Wien, wenigstens der vermöglichere Theil, bald in Ischl und Linz sein. Aus Ungarn berichtet man Unglaubliches, sämmtliche Comitate, die bereits unterworfen waren, sind in vollem Aufstande und schließen sich den Magyaren an, selbst der Weg nach Ofen ist nicht mehr frei, da die Post sehr unregelmäßig eintrifft. Wie man behauptet, sind einige deutsche Postbeamte gestern Abend aus Ofen flüchtig hier angekommen. Die Remorqueurs und Dampfschiffe schleppen all' das Belagerungsgeschütz stromaufwärts nach Linz, also hält man auch Wien nicht mehr für sicher. Wohin das noch führen soll, ahnt Niemand noch. ‒ Ein Schlag, und Oestreich ist gewesen.
* Wien, 27. April. Der „Lloyd“ enthält einen Artikel über die Herbeirufung der Russen, dem wir blos nachstehende Worte entnehmen:
„Wir sind also gern bereit, russische Hülfe anzunehmen, jedoch auf Bedingungen. Die erste ist, daß sie uns schnell, daß sie uns gleich zu Theil werde; die zweite, daß sie uns in ausreichender Zahl, massenweise zukomme. Unsere Leiden können nicht durch eine homöopathische Kur gehoben werden; wir bedürfen starrer, allopathischer Mittel, um uns die verlorenen Kräfte wieder zu ersetzen.“
Der leidende Zustand des Grafen Stadion ist so erheblicher Art, daß man die Hoffnung aufgeben muß, ihn bald die Leitung der Geschäfte übernehmen zu sehen Die Aerzte sollen sogar eine mehrmonatliche Erholung für nöthig finden, und dadurch gewinnt das Gerücht mehr Bedeutung, daß Justizminister Bach definitiv das Portefeuille des Ministeriums des Innern übernehmen soll, und an seine Stelle Hr. v. Schmerling tritt.
Aus Ollmütz schreibt man, daß das Militär sichtlich aus der Stadt schwindet, die Ausfälle sind schon ohne Wachen und selbst die Hauptwache zählt kaum 15 Mann! ‒ doch sind einige neue Kanonen auf den Wällen aufgepflanzt. Vorgestern hieß es allgemein, die Magyaren seien schon an der mährischen Gränze. Der Kassier aus Hradisch wurde zurückberufen, um die Kasse sicher zu stellen, als er sich zufällig in Ollmütz befand. Später bewies sich dies als ein leerer Schrecken.
Es sind bereits sämmtliche Kassen aus Kremnitz, Schemnitz und Neusobl mit allen Baarvorräthen, an Gold, Silber und Banknoten nach Wien gebracht worden. Einige Oberbeamte begleiteten diese Transporte.
Der Empfang Bem's in Debreczin war glänzend. Kossuth hat ihm ein Ordenskreuz verliehen, in welchem sich ein großer aus der ungarischen Krone genommener Diamant befindet. An der Stelle des Diamants wurde aber in die Krone ein Goldblättchen gesetzt mit Bem's Namen und dessen Siegestagen von Siebenbürgen.
Prag, 25. April Die Narodni nowiny eröffnen das heutige Blatt mit folgenden Worten: „Die Blicke des ganzen Landes sind auf Prag gerichtet und auf Böhmen blicken andere Länder. Jedermann fühlt, daß jetzt in der Politik ein entscheidender Schritt geschehen müsse; allein die Zeiten sind so unsicher, alle Tage können sich die Verhältnisse ändern, so daß es ungemein schwer ist, sich über ein bestimmtes Ziel der politischen Thätigkeit klar zu werden. Wir selbst getrauen uns bisher nicht, irgend ein wichtigeres Unternehmen zu beginnen, indem wir besorgen müßten, unserer eigenen Sache zu schaden, wenn der Lauf der ungarischen und der europäischen Begebenheiten überhaupt gegen unsere Erwartung einen Umschwung erleiden sollte.
Fast aber scheint es uns, daß bald eine andere Richtung der politischen Thätigkeit beginnen werde; morgen oder übermorgen wird der Stadtrath in Erwägung ziehen, ob man von Seite der Stadt Prag an Se. Majestät die Bitte um baldige Berufung des böhmischen Landtags richten solle. Wir hoffen, dies werde einstimmig beschlossen ‒ dann wird es nothwendig sein, daß alle Landgemeinden in aller Schnelligkeit das Beispiel Prags befolgen, damit wir wenigstens im Juni unseren ersten eigenen Landtag in Prag erblicken.“
Die Drucker fangen wieder an, sich zu regen. Gestern waren viele derselben auf dem Ringe vor dem Magistratsgebäude den ganzen Tag versammelt, Arbeit und Brod verlangend.
Frankfurt, 28. April. In Baiern sollen die Truppen Befehl erhalten haben, an die österreichische Gränze vorzurücken, um sogleich im Falle der Noth gegen die Ungarn operiren zu können. ‒ Man spricht von der Zusammenziehung eines preußischen Heeres bei Kreuznach und Koblenz, welches Frankfurt bei einer Verfassungs-Octroyirung im Auge behalten soll! Auch nach der Festung Mainz sollen schon preußische Truppen auf dem Marsche sein. (Sicher ist, daß von Koblenz nach Kreuznach bereits Truppen im Marsche begriffen sind.)
Die neuesten Nachrichten aus Berlin nach Frankfurt werden dem Reichsministerium erst durch die Mittheilung der Gesandten bekannt; Die Gesandten ausländischer Höfe, z. B. Rußlands und Englands erfahren eher, was in Berlin geschieht, als die Centralgewalt. Selbst die baierische Regierung übergeht das Reichsministerium, denn ihre letzte Note wurde der Redaktion der schwarz-gelben „Frankfurter Ztg.“ eher mitgetheilt, als dem Herrn von Gagern.
(Fr. J.) Mannheim, 28. April. Gegen Karl Blind ist ein neuer politischer Prozeß eingeleitet. Die Anklage betrifft zwei in der Mannh. Abdz. über badische Kerkerzustände erschienene Artikel, für deren sachgetreuen Inhalt Hr. Blind die Redaktion ersucht hat, die volle gerichtliche Verantwortlichkeit übernehmen zu dürfen. Das von dem Staatsanwalt verfolgte Verbrechen ist „Herabwürdigung der großherzoglichen Regierung.“ Ohne Zweifel wird auch Struve (als Zeuge) in dieser Sache auftreten. Da Blind in Erwartung des jetzt eingeleiteten Prozesses den fraglichen Gegenstand vor den Freiburger Geschwornen nicht berührt hat, so verspricht man sich von der öffentlichen Verhandlung weitere, sehr interessante Enthüllungen über die großherzogliche Gefängnißpflege.
(M. A.-Z) 213 Neustadt a. d. Hardt, 27. April. Eine unbeschreibliche Aufregung herrscht unter der ganzen Bevölkerung der baierischen Rheinpfalz. Das Treiben am Hofe in München hat die Pfälzer gröblich vor den Kopf gestoßen. Jetzt gilt es, sich von Baiern loszusagen und als freier Staat unter innigem Anschluß an Deutschland zu erklären, weil, wenn auch Fürsten von der Wucht des Augenblicks gedrungen nachgeben, ihnen doch nie mehr getraut werden darf, von ihnen nie etwas Gutes zu erwarten steht: das ist das Lösungswort der Pfälzer.
In diesem Sinne fand gestern Abend, auf eine Vorberathung der Ausschüsse aller Vereine hin, in dem Hofe des Rathhauses eine Bürgerversammlung statt, die von wenigstes 3 bis 4000 Menschen besucht, zum Resultat hatte, daß auf Mittwoch, den 2 Maji eine großartige Volksversammlung für ganz Süddeutschland, ähnlich der auf dem Hambacher Schlosse im Jahre 1832, festgesetzt und zu gehöriger Vorbereitung derselben ein Ausschuß ernannt wurde. Auf dieser Volksversammlung sollen entscheidende Beschlüsse gefaßt werden. Alle waffenfähige Männer sind eingeladen. Mögen alle Demokraten bedenken, daß die Zeit des Handels gekommen ist und zahlreich auf dem Platze erscheinen
Stuttgart, 27. April. Unter diesem Datum theilt das „Fr. J.“ Folgendes mit:
Die Abgeordneten-Kammer verfolgt ihren Sieg; Stockmayer stellte heute den Antrag, das Armeecorpscommando, das noch in den Händen des Prinzen Friedrich befindlich ist, wieder mit dem verantwortlichen Kriegsministerium zu vereinigen, und dieser Antrag ward fast einstimmig angenommen, so daß die Regierung alsbald wird entsprechen müssen. Alsdann geht es an die Kammer der Standesherren, welche bis jetzt weder die Grundrechte, noch die Reichsverfassung anerkannt, sondern sich für das Vereinbarungsprinzip ausgesprochen hat. Diese muß jetzt auch zu einer solchen Anerkennung genöthigt werden.
Der König soll geäußert haben, nie mehr nach Stuttgart zurückkehren zu wollen. Man spricht von einer Reise desselben nach dem Haag.
Der Landesausschuß hielt gestern Mittag eine Sitzung, in welcher auch die Mitglieder der von Frankfurt hierher gekommenen Deputation erschienen. Es wurde eine Petition an das Reichsministerium beschlossen, daß die gegen den Prinzen von Würtemberg wegen seines den würtembergischen Reichstruppen gegenüber beobachteten Verhaltens vorliegen Verdachtsgründe genau geprüft, eine Untersuchung eingeleitet und der Prinz, falls seine Schuld sich herausstellt, zur verdienten Strafe gezogen werde.
Aus Ludwigsburg wird dem „Schw. M.“ unterm 25. April geschrieben, daß der Schwabenkönig zur städtischen Deputation, die ihm für seine Abends zuvor gefaßte Entschließung Dank sagte, geäußert: „Sie sind mir keinen Dank schuldig; ich habe nur dem Drang der Umstände nachgegeben; Gott gebe, daß es zum Segen für Würtemberg gereichen möge.“
Italien. * Die östreichischen Truppen, im Einverständniß mit dem königlichen Verräther Victor Emanuel, haben endlich Allessandria besetzt. Dieser Kriegsakt mitten im „offiziellen“ Waffenstillstand fand am 24. statt. Nachmittags vier Uhr wurde den Einwohnern durch Maueranschlag das baldige Einziehen der östreichischen Truppen angekündigt. Zwei Stunden darauf zogen bereits 3000 Mann ein, von denen 1500 in der Stadt, 1500 in der Festung einquartirt wurden. Die Wuth der Bevölkerung ist in Allessandria auf den Gipfel gestiegen; in Turin erhoben sich selbst die „honetten“ Journale: Nazion e, Resorgimento und der dem „modernen Jesuiten“ angehörigen Saggiatore voll Entrüstung gegen diesen Gioberti elenden Verrath.
Der Standrechtshund Radetzky hält übrigens nicht allein an der Bedingung der Uebergabe von Allessandria fest. Nach dem „Sagiatore“ sind die 2 piemontesischen Abgeordneten am 24. nochmals unverrichteter Sachen aus Mailand zurückgekommen, und die östreichische Unverschämtheit läßt jede Hoffnung auf ein friedliches (?) Arrangement verschwinden.
Gerüchte aus Sizilien melden, daß, nachdem bloß noch die polnisch-französischen Freicorps zum weiteren Kampfe sich bereit erklärten, Palermo sich ergeben habe.
* Rom, 20. April. Der hiesige Moniteur zeigt an, daß Sizilien die Römische Republik offiziell anerkannt, und den Pater Ventura zu seinem Vertreter bei hiesiger Republik ernannt habe.
Morgen (21. April) hält der neue Kriegsminister Avezzana eine große Musterung aller hiesigen Militär Kräfte-ab.
Livorno, 20. April. Ein revolutionärer Regierungsausschuß ist niedergesetzt, welcher mit Florenz Unterhandlungen zur Ausgleichung angeknüpft hat.
Die Hauptbedingungen sind: vollständige Amnestie, Befreiung Guerrazzi's und Uebergabe eines Theils des Wachtdienstes an ein Corps ausschließlich aus Livornesen bestehend u. s. w.
Lugano, 26. April. Der „Republicano“ giebt den vollständigen Text der Radetzky'schen Note, in welcher geradezu von der „Schlechtigkeit oder Dummheit der tessinischen Regierung“ gesprochen wird. Eine solche Unverschämtheit darf nicht ungeahndet bleiben; die Schweiz müßte sich denn vor den Augen der Welt ihrer Nationalehre begeben wollen.
Mailand, 25. April. Nach der „Basl. Ztg.“ sollen die Friedensunterhandlungen wegen der hohen Forderungen Oestreichs sich zerschlagen haben. Oestreich verlange nämlich:
1) Vergütung aller Kriegkosten. 2) Offensive und defensive Allianz. 3) 40,000 Piemontesen sollen nach Ungarn marschiren. (?) 4) Aufhebung des Salzvertrags mit der Schweiz. 5) Occupation Alessandria's bis zur Erfüllung des Vertrags durch die Oesterreicher. 6) Einen Handelsvertrag mit Oesterreich.
Neapel, 15. April. Außer Syrakus und Augusta, zwei befestigten Plätzen, haben noch 16 Orte theils schriftlich, theils durch Deputationen dem Fürsten von Satriano ihre Unterwerfung erklärt.
Französische Republik. 12 Paris, 29. April. Die Franzosen müssen büßen für ihren Glauben an ein heiliges Recht, ein ewiges Recht und an die Unverletzlichkeit des Richters. Mit einem einzigen Rechte, das für ewig erklärt wird, mit einem einzigen Richter, der unabsetzbar dasteht, ist es ein Leichtes, die ganze Revolution umzustoßen und die Republik abzusetzen. Der Kassationshof steht jetzt mächtiger da, als der ganze monarchische Hof Louis Philipp's. Dafür haben auch die Franzosen die Könige für absetzbar und die Richter für unabsetzbar erklärt. Mag die politische Form noch so sehr sich ändern, mögen die Gesetze noch so verschiedenen Ursprungs sein, wähnten die Franzosen, Gesetz bleibt Gesetz, und der Richter hat weiter nichts zu thun, als das Gesetz zu repräsentiren; erklären wir ihn daher als unabänderlich, unwandelbar und unwechselbar, in der wechselnden Form der Gesetze. So ward der Richter der unabsetzbare Vater aller unehelichen Kinder, die von fremden Vätern, fremden Mächten gezeugt wurden. So hat das Gesetz von 1790 über die Versammlungen in den Richtern des Kassationshofes Vertheidiger gefunden, die im Stande sind, die ganze Revolution über Haufen zu werfen, um das Gesetz zu wahren: pereat mundus, fiat lex, heißt in ihrem Munde weiter nichts als der Kassationshof steht über der Revolution, über der Konstitution, über Allem.
Und will man wissen, was das Gesetz von 1790 ist? Weiter nichts als eine reine Polizei-Verordnung Ein Polizeikommissär trat in einen Wahlklub; der Präsident, sich stützend auf die Konstitution, widersetzt sich seinem Eintritte. Protokoll wird aufgenommen, und das einfache Polizeigericht entscheidet in einem ausführlich motivirten Urtheile, daß der Polizei-Kommissär keineswegs das Recht hatte in die Wahlversammlung zu dringen, und daß das Gesetz von 1790 auf die Wahlreunionen nicht anwendbar ist. Auf Anwendbarkeit für bestimmte Fälle kömmt es aber gar nicht an; das Gesetz von 1790 ist von der provisorischen Regierung aufgehoben, und weder auf die Wahlreunionen noch auf andere Versammlungen anwendbar. Die Sache kömmt nach allerlei Zwischeninstanzen vor den Kassationshof mit seinen unabsetzbaren Richtern, die schon unter Louis Philippe wegen ihrer frühern parlamentarischen Laufbahn zu dieser hohen, unabsetzbaren Stellung befördert worden waren. Der Cassationshof ist die Invaliden-Anstalt für alle ehemaligen Justizminister und Generalprokuratoren aus der Zeit der Monarchie, und steht dieser der jetzigen Regierung weit näher als jeder andere Gerichtshof. Der Cassationshof also mit Barrot und Faucher in schönster Seelenharmonie cassirt das Urtheil des einfachen Polizeigerichts und die Sache kömmt vor einen andern Richter. Nimmt man nun auch die alte bürgerliche Gesetzgebung als maßgebend, als rechtskräftig an, so ist es immerhin erlaubt zu sagen: die Jurisprudenz ist über den fraglichen Punkt noch nicht fixirt. Aber Hr. Barrot nimmt davon keine Notiz: er bemächtigt sich des Urtheils des Kassationshofes und läßt allenthalben Polizeikommissáre in die Wahlversammlungen dringen und hinter den Polizeikommissaren die bewaffnete Macht aufstellen. Was zu thun? Die Absicht der Regierung ist offenbar eine Kollision hervorzurufen. Nichts provozirt mehr als die Anwesenheit der Polizeikommissäre in diesen Vereinen, und dennoch hat sich das Volk bis heute nicht zu Gewaltthätigkeiten hinreißen lassen, wozu es doch das größte Recht hätte. Aber das Volk bleibt ruhig und seine Haltung ist wirklich bewunderungswürdig. Das Volk hat unendlich gelernt.
Paris, 29. April. Der Moniteur veröffentlicht folgende zwei Telegraphische Depeschen:
Erste Depesche aus Toulon 28. April Morgens 5 Uhr. In Paris eingetroffen an demselben Tage Nachmittags 3 1/2 Uhr.
Civita-Vecchia, 26. April, Mittags 11 Uhr.
(Der Contreadmiral Tresouart an den Marineminister) die Eskadrille, welche unter meinem Befehl steht, warf gestern um zehn Uhr vor Civita-Vecchia Anker. Um Mittag war diese Stadt von 1800 Mann Expeditionstruppen besetzt. Diese Besetzung fand mit Einwilligung der städtischen Behörden und ohne Schwertstreich statt. Heute früh wurden die übrigen Truppen ausgeschifft und ich betreibe so eben die Ausschiffung des Materials mit Eile.“
Zweite Depesche aus Marseille und 28 April 2 Uhr. In Paris eingetroffen an demselben Tage Nachmittags 5 1/2 Uhr.
„Civita Vecchia, 25. April 1849.
(Der General Oudinot an den Kriegsminister) Wir sind Herren von Civita-Vecchia ohne Schwertstreich. Die Behörden haben keinen Widerstand geleistet. Einwohner und Bürgerwehr haben uns mit Beifall empfangen (Les habitants et la garde nationale nous ont accueillis avec acclamation.)
‒ Die gewöhnlichen Fahrpostbriefe aus Rom reichen nur bis zum 20. April.
‒ Die Volksmasse auf den mittleren Boulevards (um die Porte St. Denis) waren gestern Abend wieder eben so zahlreich wie an den letzten Tagen.
‒ Causfidiere protestirt von London aus gegen die elende Lüge der Zeitungen und Correspondenzschmiere, als gedenke er sich vor dem exquisiten Gerichtshof zu stellen. Causfidiere erklärt, wenn er vor dem Prozeß nicht daran gedacht habe, sich diesem Mörderhofe su überliefern, so könne es ihm noch weniger nach dem hundsföttischen Urtheile in Bourges einfallen.
‒ Das 9., 48., 52. und 74. Linien-Regiment haben Paris verlassen müssen und sind durch das 3., 14., 30. und 42. Linien-Regiment ersetzt worden. Die „Revolution“ sagt: Möge Hr. Changarnier unsern Dank erhalten. Die abziehende Regimenter hatten schon die Taufe des Sozialism us erhalten; Die Bekehrung der neu angekommenen wird so lange nicht dauern.
Die ministerielle „Gazette des Tribunaux“ meldet darüber:
„‥‥Um 6 Uhr waren die Porte St. Denis nebst Umgegend wieder sehr stark besucht. Einige Gamins riefen: Es lebe Barbes! Es lebe die demokratisch-soziale Republik! Viele Läden schlossen sich wieder, was für die Besitzer derselben um so empfindlicher, als der Samstagabend gerade der ergiebigste Verkaufsmoment für sie ist. Um 9 1/4 Uhr erschien die bewaffnete Macht auf dem Platze;
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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