Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite

der Geschichte schreibt, so empfehlen wir das Kapitel des heutigen Tages, dem er den Titel geben kann: ""Mein Schandpfahl!""

"Nun wohlan, sagt an, Bürger Thiers, warum habt Ihr 800 Millionen im Jahre 1840 vergeudet, als Ihr die Sturmglocke in vollem Schwung läuten ließet? Ist Frankreich weniger betheiligt bei der Sache der Italiener als es bei der des Pascha von Egypten betheiligt war? Antwortet, Bürger Thiers! Ihr sagt, daß die Sympathien der Völker nichts seien, daß sie nicht ein Sandkorn Schwere in der Wagschale des Kampfes wiegen - freilich, was wißt Ihr davon, Bürger Thiers; wart Ihr nicht damals nach dem Februar so tief in Eurer Furcht und Feigheit verborgen, daß Ihr nicht hörtet, wie die Monarchien krachten unter der Erhebung der Völker, welche der Klang unserer Marseillaise emporgerüttelt hatte!"

"Ja, mit den Traktaten von 1815 ist es aus; Ledrü-Rollin hat sie von der Höhe der Barrikaden durchschossen." (Temps.) Aber auch Cavaignac ist mit Thiers und den Traktaten vor der Rede Ledrü-Rollin's gefallen; nachdem ihn Thiers auf's Haupt geschlagen, indem er die Uebereinstimmung ihrer beiderseitigen Politik darlegte, vernichtete Ledrü-Rollin mit Thiers auch den Juni-Retter des europäischen Friedens und Helden des contrerevolutionären Bürgerkriegs, und selbst der "National" muß diesmal seine Freunde verlassen, um sich zu Ledrü-Rollin zu schlagen.

Wie rächen sich die reaktionären Journale für diese Schlappe? Der "Courrier de la Gironde" sagt: "Man muß ein Ende mit dieser Partei machen; nichts von Konzessionen, nichts von Verträgen, nichts von Mäßigung! Gibt es Frieden mit diesen Sozialdemokraten? Der Krieg ist erklärt, ein Krieg auf Tod und Leben; einer von uns Beiden muß fallen, um sich nie wieder zu erheben! Der Feind erhebt sein Haupt, laßt uns denn mit Kraft und ohne Zagen zuschlagen!" So der Courrier. Der "Feind" aber ist heute ein vielköpfiges Ungeheuer; es handelt sich nicht mehr um eine Pariser Junischlacht, wo man der "Hyder" mit einem Schlage das Haupt abhauen kann. Die "Milliarde" ist es, welche in den Departements eine Agitation hervorruft, welche den "Kampf auf Leben und Tod" für die Sache der Sozialdemokratie entscheiden wird.

Paris, 3. April.

Der Moniteur enthält außer einem halben Schock neuer Maires und Adjoints politisch gar nichts. Er deckt diese Blöße mit einer langen Rede über die Kleinkinderbewahranstalten, die, wie er sich ausdrückt, gleich dem Moseskistlein glücklich über die Februargewässer hinwegschwammen. Die Herren Dufaure und Cavaignac sind die Schutzheiligen, dieser Anstalten.

- Im Loirethale, namentlich in Rive de Gier, dauern die Arbeitseinstellungen fort. Laut dem vor uns liegenden "Courrier de Lyon" vom 1. April stehen noch 9 Schachte leer und es liegen 40 Chefs der Arbeiter, oder Aufwiegler, im Gefängniß. Arbeiterzüge durchziehen die Gegend mit Gesänge: "Brod oder Blei!"

Dasselbe Blatt meldet, daß ihm aus Marseille vom 30. März geschrieben wird: Im dortigen Gasthofe "Hotel d'Orient" habe der Graf Barge (Karl Albert) übernachtet.

Wir kennen bereits die weitere Marschroute dieses Exkönigs.

- Heilsame Notiz für Auswanderer. In Havre liegen laut der dortigen Journale im jetzigen Augenblicke einige Hundert deutscher Auswanderer auf dem Pflaster. Daher der Befehl, keine arme Auswanderer mehr über die Gränze zu lassen. Wir haben Paupers genug im eigenen Lande, heißt es in den ministeriellen Kreisen.

- Heute (2. April) führt die Polizei das ministerielle Verbot den Journal-Detailverkaufs an den Straßenecken aus.

- Die "Opinion publique" tritt als öffentliche Anklägerin gegen Thore's neues Blatt auf, weil es den Untergang der "Race des Capitalistes" prophezeit habe.

- In Spanien soll in den Gebirgen von Quipusoa eine Krankheit ausgebrochen sein, viel schrecklicher als die Cholera. Diese Krankheit, welche in Bezug auf ihre außerordentliche Giftigkeit und Ansteckungsfähigkeit die Cholera, das gelbe Fieber und selbst die Pest übertrifft, heißt clignotte (clignotte) mit den Augen blinzeln), weil der davon befallene Kranke augenblicklich zum Teufel fährt.

Der Eintritt der Krankheit zeigt sich durch enorme gelbgrünliche Pusteln, welche gleichzeitig an der Kniekehle, dem Vorderarm und Nacken zum Vorschein kommen. In einigen Stunden schon verwandeln sie sich in breite Geschwüre, welche wie mit Staub übersäet erscheinen und aus denen sich unter fürchterlichem Geruch Myriaden von kleinen, microscopisch-belebten Körperchen herausdrängen und gleich glühender Lava über den ganzen Körper ergießen, wo sie sich unter die Oberhaut einbohren.

Nach drei Stunden der fürchterlichsten Schmerzen, - denn die Thiere besitzen eine beißende Schärfe wie glühende Kohlen, nimmt der Körper des Patienten, mit vollständig aufgezogener Oberhaut, das Ansehen einer einzigen mit Flüssigkeit gefüllten Blase an, und mit Beihülfe des Fiebers, zögert der Arme nicht länger und fährt ab.

Zwei Stunden nachher ist der Kadaver vollständig verfault, und man beeilt sich so rasch wie möglich mit der Beerdigung, denn im andern Falle beginnt die Masse von Insekten, mit denen der Körper buchstäblich überzogen ist, denselben zu verschlingen.

In zwei Dörfern, welche jedes 4-500 Einwohner zählen sind in Zeit von drei Tagen, seit dem Auftauchen der Krankheit, 122 Personen jedes Alters, Geschlechts und Standes gestorben.

- National-Versammlung. Sitzung vom 2. April. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast.

Das Protokoll wird verlesen.

Brunel beschwert sich, daß einer seiner Kollegen einen blauen Zettel in die Urne geworfen und somit gegen die Bixio'sche Tagesordnung gestimmt habe.

Marrast dringt darauf, daß künftig die Vertreter des Volks selbst und nicht mehr per procura stimmen (man lacht), dann würden dergleichen Fehler wegfallen.

Bastide zeigt sich auf der Bühne. Ich bitte um das Wort, beginnt er mit brustkranker Stimme, um einige Rektifikationen in der Debatte über Italien zu machen. (Oh! Oh!)

Links: Sprechen Sie! Sprechen Sie!

Baraguay d'Hilliers: Ich weiß, wen Sie rektifiziren wollen. Der Betreffende ist noch nicht anwesend; es wäre wohl angemessen, daß Sie seine Ankunft abwarten. (Ja! Ja!)

Bastide steigt von der Bühne.

Die Versammlung geht nach Erledigung eines Credits für die berüchtigte Republikanische Garde zu Fuß und zu Pferd, zu ihrer eigentlichen Tagesordnung und zum Büdget über.

Sie ist bis zum Büdget des Ministeriums des Innern vorgerückt.

Eine allgemeine Diskussion fand streng genommen nicht statt, und von den einzelnen Kapiteln gab nur ein Posten (Pensionen für ehemalige Präfekten) zu einer ziemlich leidenschaftlichen Debatte Veranlassung.

Perree, Charras, Favre - besonders Favre - griffen den Minister Faucher beißend an.

Der Herr Minister Faucher, rief Favre mit schlagender Ironie, rühmt sich, die Republik zu retten. Was thut er hiefür? Er stellt Beamte an, welche diese Regierungsform achtzehn Jahre lang bekämpften und verfluchten. (Sensation).

Der Redner greift das System Faucher's heftig an und erntet lauten Beifall. Vor der Raison politique stehe die Raison morale, aber Herr Faucher thue das Gegentheil.

Charras trägt auf eine Enquete an. Bemerken müssen wir, daß es sich vorzüglich um drei höhere Beamte (um den Schwager Barrots und einige andere Schwäger) handelt, denen man falsche Zeugnisse ausstellte, um die Präfektenpension von 6000 Fr. zu erhalten.

Odilon-Barrot bittet, die Sache zur Untersuchung der Finanzkommission zu überweisen, was den Finanzpunkt betreffe. Was die politische Raison anlange, so begreift er nicht, warum man nicht einem Pensionär, der nur Halbinvalide sei, Gelegenheit geben solle, den Rest seiner Kräfte dem Dienste seines Landes zu widmen. (Ah! Ah!)

Stimme: Aber die Moral!

Odilon-Barrot: Ja die Moral; das erste Gesetz der Moral ist die Zügelung der Leidenschaft. (Ja! Ja! rechts. Gelächter links.) Ich bin der Erste, der die Unmoral ächten will, aber erst lassen Sie untersuchen. (Häufige Unterbrechung)

Die häufigen Unterbrechungen hindern den Conseilpräsidenten, seinen Vortrag gehörig zu vollenden. Es ist 6 1/2 Uhr und er steht noch auf der Bühne.

Die Versammlung wird vor 3/4 Stunden schwerlich auseinander gehen. Die Aufregung ist ziemlich groß.

* Bourges, 29. März.

(Prozeßverhandlung). Die Tribünen sind gedrängt voll. Es verlautet, daß in Folge der Vertheidigung Raspails Hr. Armand Marrast abermals vor den Gerichtshof geladen werden soll. Unter den Zuhörern befindet sich diesmal die Mutter Blanqui's.

Advokat Riviere, Vertheidiger Larger's erhält das Wort.

Larger, sagt die Vertheidigung, ist ein alter, ehrenhafter Soldat, der unter Augereau, Lecourbe und Massena in der untadelhaftesten Weise gedient hat.

Im Sitzungssaal hat Larger, wie zahlreiche Zeugen bewiesen, sich der Erhebung Blanqui's auf die Tribüne widersetzt und mehrere Repräsentanten beschützt; er hat L. Blanc gerufen, damit er zum Volk spreche und den Aufruhr besänftige; sein Eintritt in die Versammlung geschah wie der vieler Anderer aus Neugierde, und um Excesse zu verhüten.

Auf die einzelnen Zeugenaussagen eingehend, greift die Vertheidigung dann die Deposition des einzigen Belastungszeugen Quessard an, Quessard's, der den Angeklagten bei seiner Rückkehr nach Passy Listen der neuen provisorischen Regierung vertheilen läßt, während die Nationalgarden von Passy, welche Larger bei seiner Rückkehr umringten, sämmtlich nichts davon wissen. Der Vertheidiger schließt damit, daß er auf die persönliche Feindschaft zwischen dem Zeugen und dem Angeklagten, wie auf den zweideutigen Charakter Quessard's aufmerksam macht, welcher nach dem 24. Febr. die Robespierre'schen Menschenrechte proklamiren wollte, dann zu der Partei des National, und später unter Bonaparte noch weiter desertirte, gerade wie es die Verhältnisse mit sich brachten.

Advokat Decoux-Lapeyriere, amtlicher Vertheidiger für Thomas.

Die Vertheidigung resumirt die allgemein bekannten Ereignisse. Thomas war nicht an der Assemblee; er fand sich, durchaus in keiner revolutionären Haltung, aus Neugierde am Hotel-de-Ville, wo er sich von einer der aus den Fenstern fliegenden Listen die Namen der neuen provisorischen Regierung abschrieb. Die Anklage hat 10 Monate die kleinlichsten und sorgsamsten Nachforschungen nach den Gefangenen angestellt, und doch gegen Thomas nichts vorbringen können; der Vertheidiger trägt daher auf Freisprechung an.

Präsident. Der Vertheidiger Villains hat das Wort.

Advokat Riviere, der bereits für Larger plaidirt hat, zeigt an, daß Herr Leclanche, Beistand Villain's, einige allgemeine Gesichtspunkte aufstellen wolle.

Leclanche beginnt mit der Bemerkung, daß die Anklage die politischen Doctrinen in den Prozeß gezogen, daß also hier keine ordentliche gerichtliche Verhandlung, sondern ein Konflikt, ein Kampf zwischen zwei feindlichen Antagonisten der Gesellschaft stattfinde, welche sich stets verfolgten und verfolgen müßten. Der Präsident fordert den Vertheidiger auf, diese Sprache zu ändern.

Leclanche. Wenn man unsere Doctrinen angreift, haben wir auch das Recht, sie zu vertheidigen; der Präsident hat dem öffentlichen Ministerium dies Verfahren gestattet.

Präsident. Sprechen Sie über die Thatsachen, und nicht über Doctrinen.

Leclanche. Wahrhaftig, die Pairskammer war toleranter.

Nach einigem Wortwechsel entzieht der Präsident dem Vertheidiger das Wort.

Leclanche. Da man sogar die freie Vertheidigung nicht mehr gestattet, werde ich an das Land appelliren.

Präsident. Das ist dem Hof gleichgültig. Der Vertheidiger Courtais' hat das Wort.

Advokat Bethmont. Man kann Courtais nicht ernstlich als Complicen des Attentates des 15. Mai anklagen. Mit Ausnahme zweier, die er nach den Nationalgardenwahlen als seine Collegen kennen lernte, waren ihm die sämmtlichen Angeklagten, deren Complice er gewesen sein soll, unbekannt. In Betreff der Vorfälle am Gitter verweis't die Vertheidigung auf die Rede Raspails und die zahlreichen Zeugenaussagen, welche beweisen, welche Mühe sich Courtais gegeben, dem Eindringen des Volkes zu steuern. Ueber seine Absichten können keine Zweifel sein. Hat er aber Fehler begangen? Er hat im schlimmsten Fall nichts anderes gethan, als der Präsident der Nationalversammlung, Hr. Buchez selbst, welcher etwa zwanzig gleichlautende Ordres schrieb, daß zur Vermeidung von Blutvergießen kein Generalmarsch geschlagen werden solle. Wenn man das bei Hrn. Buchez Klugheit nenne, warum soll es bei Courtais Verrath und Feigheit sein? (Bewegung.)

Der Anwalt geht dann in die einzelnen Zeugenaussagen ein, um aus ihnen das loyale Benehmen des Angeklagten zu beweisen.

Schluß der Sitzung 6 Uhr.

* Bourges, 30. März.

(Prozeßverhandlung.) Nach Eröffnung der Sitzung wird dem Advokaten Bethmont das Wort ertheilt, um sein Plaidoyer für Courtais zu vollenden.

Der Vertheidiger resumirt den Inhalt seines gestrigen Vortrags und fährt dann in der Kritik der einzelnen Zeugenaussagen fort. Dieser Theil des Plaidoyer füllt in der Sitzung über 2 1/2 Stunden. Dann geht er in den öffentlichen Charakter Courtais' und die Verfolgungen ein, deren Gegenstand derselbe nach seiner Verhaftung wurde.

Die Nationalversammlung war für die Partei, zu welcher Courtais und auch der Vertheidiger gehört, eine "ungeduldig erwartete Gewalt". Man habe Sehnsucht und Eile gehabt, aus dem provisorischen Zustand zu einer geordneten Lage der Dinge zu kommen. Courtais trat in Folge einer Erwählung von 72,000 Stimmen in die Versammlung ein, Niemand hielt ihn eines Verrathes oder eines Mangels an Ergebenheit fähig. Am 10. Mai fand sich Courtais ohne sein Verschulden am Gitter dem Volke gegenüber; der General Negrier war es (hier verlies't der Vertheidiger eine Stelle aus dem Anklageakt selbst), welcher die Linientruppen von der Brücke zurückzog, in Folge einer Ordre des Präsidenten Buchez, welcher die Rückkehr der Truppen in die Militärschule anordnete. Erst als die Brücke frei war, konnte der Zug gegen das Gitter vordringen; hier aber vermochte Courtais nichts mehr, und alle Zeugen beweisen, daß er vergebens allen nur möglichen Widerstand versuchte.

Der Anwalt schließt, daß nach zehnmonatlichen Kerkerleiden des Angeklagten und Erduldung aller erdenklichen Verfolgungen und Verläumdungen nicht Gnade, sondern volle Gerechtigkeit ist, welche er von den Geschworenen erwartet.

Die Sitzung wird um 2 Uhr auf eine Stunde ausgesetzt.

Präsident. Der Angeklagte Blanqui hat das Wort.

Blanqui erklärt, sprechen zu wollen, wenn der Generalprokurator auf die Reden seiner Vertheidiger replicirt hat; der Generalprokurator antwortet, daß er nicht replicire, wenn Blanqui nicht vorher gesprochen habe.

Präsident. Das ist ein leeres Wortgefecht. Angeklagter, warum wollen Sie nicht vor dem Generalprokurator sprechen?

Blanqui. Weil ich ermüdet bin, und mich hier in dem Lärm nicht vorbereiten kann.

Der Generalprokurator erklärt sich darauf einverstanden, die Debatten bis auf den folgenden Tag auszusetzen und die Sitzung wird um 3 1/2 Uhr aufgehoben.

* Bourges, 31. März.

(Prozeßverhandlung.) Die Sitzung wird um 10 Uhr eröffnet. Die Menge, welche um Blanquis Vertheidigung zu hören, zahllos herbeiströmt, findet zum übergroßen Theil keinen Platz mehr im Auditorium; große Massen treiben sich draußen in der Nähe des Gerichtshofes umher; die Militärposten sind verdoppelt und die Truppen in den Kasernen konsignirt.

Präsident. Der Angeklagte Blanqui hat das Wort.

Blanqui. Meine Herren, ich spreche zwar vor Ihren Bänken, aber ich spreche nicht für Ihre Ohren; ganz Frankreich ist es, das französische Volk, dieser einzige "hohe Gerichtshof" den ich anerkenne, ist es, an welches ich mich heute wende. Bereits tönt der Schrei dieses Tribunals im Widerhall aus allen Winkeln des Landes zu uns zurück: Rufe der Entrüstung gegen die willkührlichen, wüthenden Verfolgungen, Rufe des Mitgefühls und der Theilnahme für die Unglücklichen, die hier auf den Bänken sitzen. Mögt Ihr beschließen was Ihr wollt, Ihr werdet euch dieser Stimme des Volkes nicht wiedersetzen können, ohne eine ungeheure Verantwortlichkeit auf Euch zu nehmen, eine Verantwortlichkeit, der die Strafe auf dem Fuße nachfolgen wird. Vor einem ordentlichen Gericht von uns gleichen Geschworenen würde man diese elende Anklage unter Hohn und Zischen verfolgt haben...

Präsident. Ich kann Ihnen nicht gestatten, in dieser Weise fortzufahren.

Blanqui. Hr. Präsident, ich habe das Recht, mich in voller Entrüstung gegen eine Anklage zu heben, die wie die gegenwärtige auch des leisesten Scheins irgend einer Begründung entbehrt.

Ah, in der That, vielleicht thäten wir besser, uns durch Demüthigung vor einer in Geschworene verwandelten Beamten-Kommission bessere Aussichten zu schaffen. Aber wo die Leidenschaft spricht, mag auch die Leidenschaft antworten. Alle Rechtsprinzipien sind hier vor diesem Tribunale verletzt; die Anklage selbst gesteht es, daß sie keine Verurtheilung aus Gerechtigkeitsgründen, nein, eine Verurtheilung aus Nützlichkeitsgründen, eine Verurtheilung zur "Beruhigung des Landes," zur Beruhigung der Bourgeois verlangt.

Präsident. Angeklagter, ich kann Ihnen diese Sprache nicht gestatten, Sie compromittiren selbst Ihre Sache, Sie reden gegen Ihr eignes Interesse.

Blanqui. Herr Präsident, ich selbst bin der einzig competente Richter über meine Interessen, und es beunruhigt mich nicht, meine Sache zu compromittiren. Wenn Sie mir nur gestatten wollen, die Anschuldigungen gegen mich in Betreff des 15. Mai zu bekämpfen, so habe ich nichts zu sagen, denn diese Anschuldigungen halte ich nicht für Redens werth. Meine Advokaten haben in Betreff des 15. Mai geantwortet; ich selbst habe meinen politischen Charakter zu vertheidigen, den man hier angegriffen hat. Wenn Sie das nicht gestatten, will ich schweigen.

Präsident. Wir gestatten Ihnen nicht, das Dekret der Nationalversammlung und die Kompetenz des Gerichtshofes anzugreifen.

Blanqui. Das Dekret der Nationalversammlung kann in meinen Augen nichts in der Sache ändern. Was ich in meiner Vertheidigung untersuchen will, ist erstens die Art und Weise, in welcher die Anklage hier gegen uns auftritt, und die Begünstigung, die man ihr zu Theil werden läßt...

Präsident. Ist die Vertheidigung nicht frei?

Blanqui. Nein. Man geht systematisch darauf aus, uns das Wort zu entziehen. Raspail wurde u. A. auf die brutalste Weise unterbrochen, als er sich mit der größten Mäßigung ausdrückte.

Präsident. Wir gehen allerdings systematisch darauf aus, den Angeklagten die Exposition ihrer Doktrinen zu verwehren, für die hier nicht der Ort ist.

Blanqui. Die Anklage hat also allein hier das Recht, unsere Doktrinen zu entstellen und in das Gespinst ihrer Beschuldigungen zu verweben. Hat man nicht hier Utopien und subversive Theorien uns untergebreitet?

Präsident. Wenn Sie ausführen wollen, daß Ihre Theorien nicht antisozial sind, gebe ich Ihnen das Wort nicht. Zeigen Sie, daß dieselben nicht strafbar sind.

Blanqui. Das ist grade das, was ich thun wollte.

Auf diesen Zwischenfall folgt eine kurze Unterbrechung. Der Präsident ertheilt nach einander Hrn. Leclancher, dem Rechtsbeistand, und Hrn. Riviere, dem offiziellen Advokaten Villains das Wort, um dessen Vertheidigung zu führen, während sich Blanqui mit seinen Beiständen besprechen könne. Leclancher erklärt, daß er es unter seiner Würde halte, das Wort noch zu ergreifen, nachdem man ihm vorgestern in so wohlwollender Weise die Vertheidigung abgeschnitten habe; Riviere behauptet, nur der zweite Anwalt Villains zu sein und nicht nöthig zu haben, vor der Replik des Generalprokurators zu sprechen.

Blanqui erhält wieder das Wort. (Seine Rede wird fast bei jedem Satz von dem Präsidenten oder dem Generalprokurator unterbrochen; wir lassen dieselbe des Zusammenhangs wegen in ihrem Hauptinhalt unverkürzt hier folgen.)

Blanqui. Ich sagte, vor einem ordentlichen Gericht von uns glei[unleserliches Material]en Geschworenen würde diese elende Anklage den großen Sitzungstag nicht erlebt haben, ohne auch sogleich unter Gelächter und Zischen zusammenzufallen. Es bedurfte also einiger besseren Chancen, eines dieser Areopagen von hohem Geschmack, welche es unter ihrer Würde halten, auch nur die allerschlechteste Posse auszuzischen; ein Prevotalgericht, Retroaktivät, als Geschworene verkleidete Beamte, ausgesuchte Richter, die nicht aus der allgemeinen Wahl hervorgehen, eine Raritätensammlung mit einem Wort, vor der man alle Rechtsprinzipien ungestraft mit Füßen zu treten hoffte, von der man eine Verurtheilung nicht aus Gerechtigkeits- sondern aus Nützlichkeits-Gründen verlangen konnte. Sie, meine Herren, sind es, die man zu diesem trefflichen Werk für geeignet hielt; danken Sie das Compliment denen, die es Ihnen gemacht haben.

Was mich und alle diejenigen betrifft, welche dies Gaukelspiel einer Gerichtsverhandlung zurückgewiesen haben, so gleiten alle Dekrete der Welt an unserer Haltung ab, ohne sie zu ändern. Wir bleiben was wir waren, politische Antagonisten die man außer den gewöhnlichen Gesetzen erklärt und als Brandopfer den Staatsinteressen hingeworfen hat.

Wenn ich daher hier dies Terrain Fuß für Fuß vertheidige, so geschieht dies nicht in Besorgniß vor einem Gericht, das in meinen Augen verschwindet. Meine Worte sind kein Plaidoyer, denn es giebt hier keine Richter für mich; sie sind ein Ruf an meine Nation, um der Verläumdung die Maske abzureißen und die Ungleichheit eines Prozeßkampfes zu enthüllen, der den kläglichsten Prozessen der englischen Restauration würdig zur Seite steht.

.... Seit drei Wochen haben wir hier den Haß gegen das Tageslicht und die Oeffentlichkeit sich offen erheben sehen, die scheue Vorliebe für das Dunkel und die Geheimnisse, welche den Rachedurst einer schrankenlosen Gewalt bekundet. Ich glaubte, ich weiß nicht welchen finstern Geruch des Chatelet zu athmen, der den schrecklichen Austausch von Seufzern der Gefangenen und mörderischen Fragen der Inquisition wieder vor die Seele führte, von denen die Gewölbe der Bastille widerhallten.

Hierzu eine Beilage.

der Geschichte schreibt, so empfehlen wir das Kapitel des heutigen Tages, dem er den Titel geben kann: „„Mein Schandpfahl!““

„Nun wohlan, sagt an, Bürger Thiers, warum habt Ihr 800 Millionen im Jahre 1840 vergeudet, als Ihr die Sturmglocke in vollem Schwung läuten ließet? Ist Frankreich weniger betheiligt bei der Sache der Italiener als es bei der des Pascha von Egypten betheiligt war? Antwortet, Bürger Thiers! Ihr sagt, daß die Sympathien der Völker nichts seien, daß sie nicht ein Sandkorn Schwere in der Wagschale des Kampfes wiegen ‒ freilich, was wißt Ihr davon, Bürger Thiers; wart Ihr nicht damals nach dem Februar so tief in Eurer Furcht und Feigheit verborgen, daß Ihr nicht hörtet, wie die Monarchien krachten unter der Erhebung der Völker, welche der Klang unserer Marseillaise emporgerüttelt hatte!“

„Ja, mit den Traktaten von 1815 ist es aus; Ledrü-Rollin hat sie von der Höhe der Barrikaden durchschossen.“ (Temps.) Aber auch Cavaignac ist mit Thiers und den Traktaten vor der Rede Ledrü-Rollin's gefallen; nachdem ihn Thiers auf's Haupt geschlagen, indem er die Uebereinstimmung ihrer beiderseitigen Politik darlegte, vernichtete Ledrü-Rollin mit Thiers auch den Juni-Retter des europäischen Friedens und Helden des contrerevolutionären Bürgerkriegs, und selbst der „National“ muß diesmal seine Freunde verlassen, um sich zu Ledrü-Rollin zu schlagen.

Wie rächen sich die reaktionären Journale für diese Schlappe? Der „Courrier de la Gironde“ sagt: „Man muß ein Ende mit dieser Partei machen; nichts von Konzessionen, nichts von Verträgen, nichts von Mäßigung! Gibt es Frieden mit diesen Sozialdemokraten? Der Krieg ist erklärt, ein Krieg auf Tod und Leben; einer von uns Beiden muß fallen, um sich nie wieder zu erheben! Der Feind erhebt sein Haupt, laßt uns denn mit Kraft und ohne Zagen zuschlagen!“ So der Courrier. Der „Feind“ aber ist heute ein vielköpfiges Ungeheuer; es handelt sich nicht mehr um eine Pariser Junischlacht, wo man der „Hyder“ mit einem Schlage das Haupt abhauen kann. Die „Milliarde“ ist es, welche in den Departements eine Agitation hervorruft, welche den „Kampf auf Leben und Tod“ für die Sache der Sozialdemokratie entscheiden wird.

Paris, 3. April.

Der Moniteur enthält außer einem halben Schock neuer Maires und Adjoints politisch gar nichts. Er deckt diese Blöße mit einer langen Rede über die Kleinkinderbewahranstalten, die, wie er sich ausdrückt, gleich dem Moseskistlein glücklich über die Februargewässer hinwegschwammen. Die Herren Dufaure und Cavaignac sind die Schutzheiligen, dieser Anstalten.

‒ Im Loirethale, namentlich in Rive de Gier, dauern die Arbeitseinstellungen fort. Laut dem vor uns liegenden „Courrier de Lyon“ vom 1. April stehen noch 9 Schachte leer und es liegen 40 Chefs der Arbeiter, oder Aufwiegler, im Gefängniß. Arbeiterzüge durchziehen die Gegend mit Gesänge: „Brod oder Blei!“

Dasselbe Blatt meldet, daß ihm aus Marseille vom 30. März geschrieben wird: Im dortigen Gasthofe „Hotel d'Orient“ habe der Graf Barge (Karl Albert) übernachtet.

Wir kennen bereits die weitere Marschroute dieses Exkönigs.

Heilsame Notiz für Auswanderer. In Havre liegen laut der dortigen Journale im jetzigen Augenblicke einige Hundert deutscher Auswanderer auf dem Pflaster. Daher der Befehl, keine arme Auswanderer mehr über die Gränze zu lassen. Wir haben Paupers genug im eigenen Lande, heißt es in den ministeriellen Kreisen.

‒ Heute (2. April) führt die Polizei das ministerielle Verbot den Journal-Detailverkaufs an den Straßenecken aus.

‒ Die „Opinion publique“ tritt als öffentliche Anklägerin gegen Thoré's neues Blatt auf, weil es den Untergang der «Race des Capitalistes» prophezeit habe.

‒ In Spanien soll in den Gebirgen von Quipusoa eine Krankheit ausgebrochen sein, viel schrecklicher als die Cholera. Diese Krankheit, welche in Bezug auf ihre außerordentliche Giftigkeit und Ansteckungsfähigkeit die Cholera, das gelbe Fieber und selbst die Pest übertrifft, heißt clignotte (clignotte) mit den Augen blinzeln), weil der davon befallene Kranke augenblicklich zum Teufel fährt.

Der Eintritt der Krankheit zeigt sich durch enorme gelbgrünliche Pusteln, welche gleichzeitig an der Kniekehle, dem Vorderarm und Nacken zum Vorschein kommen. In einigen Stunden schon verwandeln sie sich in breite Geschwüre, welche wie mit Staub übersäet erscheinen und aus denen sich unter fürchterlichem Geruch Myriaden von kleinen, microscopisch-belebten Körperchen herausdrängen und gleich glühender Lava über den ganzen Körper ergießen, wo sie sich unter die Oberhaut einbohren.

Nach drei Stunden der fürchterlichsten Schmerzen, ‒ denn die Thiere besitzen eine beißende Schärfe wie glühende Kohlen, nimmt der Körper des Patienten, mit vollständig aufgezogener Oberhaut, das Ansehen einer einzigen mit Flüssigkeit gefüllten Blase an, und mit Beihülfe des Fiebers, zögert der Arme nicht länger und fährt ab.

Zwei Stunden nachher ist der Kadaver vollständig verfault, und man beeilt sich so rasch wie möglich mit der Beerdigung, denn im andern Falle beginnt die Masse von Insekten, mit denen der Körper buchstäblich überzogen ist, denselben zu verschlingen.

In zwei Dörfern, welche jedes 4-500 Einwohner zählen sind in Zeit von drei Tagen, seit dem Auftauchen der Krankheit, 122 Personen jedes Alters, Geschlechts und Standes gestorben.

National-Versammlung. Sitzung vom 2. April. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast.

Das Protokoll wird verlesen.

Brunel beschwert sich, daß einer seiner Kollegen einen blauen Zettel in die Urne geworfen und somit gegen die Bixio'sche Tagesordnung gestimmt habe.

Marrast dringt darauf, daß künftig die Vertreter des Volks selbst und nicht mehr per procura stimmen (man lacht), dann würden dergleichen Fehler wegfallen.

Bastide zeigt sich auf der Bühne. Ich bitte um das Wort, beginnt er mit brustkranker Stimme, um einige Rektifikationen in der Debatte über Italien zu machen. (Oh! Oh!)

Links: Sprechen Sie! Sprechen Sie!

Baraguay d'Hilliers: Ich weiß, wen Sie rektifiziren wollen. Der Betreffende ist noch nicht anwesend; es wäre wohl angemessen, daß Sie seine Ankunft abwarten. (Ja! Ja!)

Bastide steigt von der Bühne.

Die Versammlung geht nach Erledigung eines Credits für die berüchtigte Republikanische Garde zu Fuß und zu Pferd, zu ihrer eigentlichen Tagesordnung und zum Büdget über.

Sie ist bis zum Büdget des Ministeriums des Innern vorgerückt.

Eine allgemeine Diskussion fand streng genommen nicht statt, und von den einzelnen Kapiteln gab nur ein Posten (Pensionen für ehemalige Präfekten) zu einer ziemlich leidenschaftlichen Debatte Veranlassung.

Perree, Charras, Favre ‒ besonders Favre ‒ griffen den Minister Faucher beißend an.

Der Herr Minister Faucher, rief Favre mit schlagender Ironie, rühmt sich, die Republik zu retten. Was thut er hiefür? Er stellt Beamte an, welche diese Regierungsform achtzehn Jahre lang bekämpften und verfluchten. (Sensation).

Der Redner greift das System Faucher's heftig an und erntet lauten Beifall. Vor der Raison politique stehe die Raison morale, aber Herr Faucher thue das Gegentheil.

Charras trägt auf eine Enquete an. Bemerken müssen wir, daß es sich vorzüglich um drei höhere Beamte (um den Schwager Barrots und einige andere Schwäger) handelt, denen man falsche Zeugnisse ausstellte, um die Präfektenpension von 6000 Fr. zu erhalten.

Odilon-Barrot bittet, die Sache zur Untersuchung der Finanzkommission zu überweisen, was den Finanzpunkt betreffe. Was die politische Raison anlange, so begreift er nicht, warum man nicht einem Pensionär, der nur Halbinvalide sei, Gelegenheit geben solle, den Rest seiner Kräfte dem Dienste seines Landes zu widmen. (Ah! Ah!)

Stimme: Aber die Moral!

Odilon-Barrot: Ja die Moral; das erste Gesetz der Moral ist die Zügelung der Leidenschaft. (Ja! Ja! rechts. Gelächter links.) Ich bin der Erste, der die Unmoral ächten will, aber erst lassen Sie untersuchen. (Häufige Unterbrechung)

Die häufigen Unterbrechungen hindern den Conseilpräsidenten, seinen Vortrag gehörig zu vollenden. Es ist 6 1/2 Uhr und er steht noch auf der Bühne.

Die Versammlung wird vor 3/4 Stunden schwerlich auseinander gehen. Die Aufregung ist ziemlich groß.

* Bourges, 29. März.

(Prozeßverhandlung). Die Tribünen sind gedrängt voll. Es verlautet, daß in Folge der Vertheidigung Raspails Hr. Armand Marrast abermals vor den Gerichtshof geladen werden soll. Unter den Zuhörern befindet sich diesmal die Mutter Blanqui's.

Advokat Rivière, Vertheidiger Larger's erhält das Wort.

Larger, sagt die Vertheidigung, ist ein alter, ehrenhafter Soldat, der unter Augereau, Lecourbe und Massena in der untadelhaftesten Weise gedient hat.

Im Sitzungssaal hat Larger, wie zahlreiche Zeugen bewiesen, sich der Erhebung Blanqui's auf die Tribüne widersetzt und mehrere Repräsentanten beschützt; er hat L. Blanc gerufen, damit er zum Volk spreche und den Aufruhr besänftige; sein Eintritt in die Versammlung geschah wie der vieler Anderer aus Neugierde, und um Excesse zu verhüten.

Auf die einzelnen Zeugenaussagen eingehend, greift die Vertheidigung dann die Deposition des einzigen Belastungszeugen Quessard an, Quessard's, der den Angeklagten bei seiner Rückkehr nach Passy Listen der neuen provisorischen Regierung vertheilen läßt, während die Nationalgarden von Passy, welche Larger bei seiner Rückkehr umringten, sämmtlich nichts davon wissen. Der Vertheidiger schließt damit, daß er auf die persönliche Feindschaft zwischen dem Zeugen und dem Angeklagten, wie auf den zweideutigen Charakter Quessard's aufmerksam macht, welcher nach dem 24. Febr. die Robespierre'schen Menschenrechte proklamiren wollte, dann zu der Partei des National, und später unter Bonaparte noch weiter desertirte, gerade wie es die Verhältnisse mit sich brachten.

Advokat Decoux-Lapeyrière, amtlicher Vertheidiger für Thomas.

Die Vertheidigung resumirt die allgemein bekannten Ereignisse. Thomas war nicht an der Assemblée; er fand sich, durchaus in keiner revolutionären Haltung, aus Neugierde am Hotel-de-Ville, wo er sich von einer der aus den Fenstern fliegenden Listen die Namen der neuen provisorischen Regierung abschrieb. Die Anklage hat 10 Monate die kleinlichsten und sorgsamsten Nachforschungen nach den Gefangenen angestellt, und doch gegen Thomas nichts vorbringen können; der Vertheidiger trägt daher auf Freisprechung an.

Präsident. Der Vertheidiger Villains hat das Wort.

Advokat Rivière, der bereits für Larger plaidirt hat, zeigt an, daß Herr Leclanché, Beistand Villain's, einige allgemeine Gesichtspunkte aufstellen wolle.

Leclanché beginnt mit der Bemerkung, daß die Anklage die politischen Doctrinen in den Prozeß gezogen, daß also hier keine ordentliche gerichtliche Verhandlung, sondern ein Konflikt, ein Kampf zwischen zwei feindlichen Antagonisten der Gesellschaft stattfinde, welche sich stets verfolgten und verfolgen müßten. Der Präsident fordert den Vertheidiger auf, diese Sprache zu ändern.

Leclanché. Wenn man unsere Doctrinen angreift, haben wir auch das Recht, sie zu vertheidigen; der Präsident hat dem öffentlichen Ministerium dies Verfahren gestattet.

Präsident. Sprechen Sie über die Thatsachen, und nicht über Doctrinen.

Leclanché. Wahrhaftig, die Pairskammer war toleranter.

Nach einigem Wortwechsel entzieht der Präsident dem Vertheidiger das Wort.

Leclanché. Da man sogar die freie Vertheidigung nicht mehr gestattet, werde ich an das Land appelliren.

Präsident. Das ist dem Hof gleichgültig. Der Vertheidiger Courtais' hat das Wort.

Advokat Bethmont. Man kann Courtais nicht ernstlich als Complicen des Attentates des 15. Mai anklagen. Mit Ausnahme zweier, die er nach den Nationalgardenwahlen als seine Collegen kennen lernte, waren ihm die sämmtlichen Angeklagten, deren Complice er gewesen sein soll, unbekannt. In Betreff der Vorfälle am Gitter verweis't die Vertheidigung auf die Rede Raspails und die zahlreichen Zeugenaussagen, welche beweisen, welche Mühe sich Courtais gegeben, dem Eindringen des Volkes zu steuern. Ueber seine Absichten können keine Zweifel sein. Hat er aber Fehler begangen? Er hat im schlimmsten Fall nichts anderes gethan, als der Präsident der Nationalversammlung, Hr. Buchez selbst, welcher etwa zwanzig gleichlautende Ordres schrieb, daß zur Vermeidung von Blutvergießen kein Generalmarsch geschlagen werden solle. Wenn man das bei Hrn. Buchez Klugheit nenne, warum soll es bei Courtais Verrath und Feigheit sein? (Bewegung.)

Der Anwalt geht dann in die einzelnen Zeugenaussagen ein, um aus ihnen das loyale Benehmen des Angeklagten zu beweisen.

Schluß der Sitzung 6 Uhr.

* Bourges, 30. März.

(Prozeßverhandlung.) Nach Eröffnung der Sitzung wird dem Advokaten Bethmont das Wort ertheilt, um sein Plaidoyer für Courtais zu vollenden.

Der Vertheidiger resumirt den Inhalt seines gestrigen Vortrags und fährt dann in der Kritik der einzelnen Zeugenaussagen fort. Dieser Theil des Plaidoyer füllt in der Sitzung über 2 1/2 Stunden. Dann geht er in den öffentlichen Charakter Courtais' und die Verfolgungen ein, deren Gegenstand derselbe nach seiner Verhaftung wurde.

Die Nationalversammlung war für die Partei, zu welcher Courtais und auch der Vertheidiger gehört, eine „ungeduldig erwartete Gewalt“. Man habe Sehnsucht und Eile gehabt, aus dem provisorischen Zustand zu einer geordneten Lage der Dinge zu kommen. Courtais trat in Folge einer Erwählung von 72,000 Stimmen in die Versammlung ein, Niemand hielt ihn eines Verrathes oder eines Mangels an Ergebenheit fähig. Am 10. Mai fand sich Courtais ohne sein Verschulden am Gitter dem Volke gegenüber; der General Negrier war es (hier verlies't der Vertheidiger eine Stelle aus dem Anklageakt selbst), welcher die Linientruppen von der Brücke zurückzog, in Folge einer Ordre des Präsidenten Buchez, welcher die Rückkehr der Truppen in die Militärschule anordnete. Erst als die Brücke frei war, konnte der Zug gegen das Gitter vordringen; hier aber vermochte Courtais nichts mehr, und alle Zeugen beweisen, daß er vergebens allen nur möglichen Widerstand versuchte.

Der Anwalt schließt, daß nach zehnmonatlichen Kerkerleiden des Angeklagten und Erduldung aller erdenklichen Verfolgungen und Verläumdungen nicht Gnade, sondern volle Gerechtigkeit ist, welche er von den Geschworenen erwartet.

Die Sitzung wird um 2 Uhr auf eine Stunde ausgesetzt.

Präsident. Der Angeklagte Blanqui hat das Wort.

Blanqui erklärt, sprechen zu wollen, wenn der Generalprokurator auf die Reden seiner Vertheidiger replicirt hat; der Generalprokurator antwortet, daß er nicht replicire, wenn Blanqui nicht vorher gesprochen habe.

Präsident. Das ist ein leeres Wortgefecht. Angeklagter, warum wollen Sie nicht vor dem Generalprokurator sprechen?

Blanqui. Weil ich ermüdet bin, und mich hier in dem Lärm nicht vorbereiten kann.

Der Generalprokurator erklärt sich darauf einverstanden, die Debatten bis auf den folgenden Tag auszusetzen und die Sitzung wird um 3 1/2 Uhr aufgehoben.

* Bourges, 31. März.

(Prozeßverhandlung.) Die Sitzung wird um 10 Uhr eröffnet. Die Menge, welche um Blanquis Vertheidigung zu hören, zahllos herbeiströmt, findet zum übergroßen Theil keinen Platz mehr im Auditorium; große Massen treiben sich draußen in der Nähe des Gerichtshofes umher; die Militärposten sind verdoppelt und die Truppen in den Kasernen konsignirt.

Präsident. Der Angeklagte Blanqui hat das Wort.

Blanqui. Meine Herren, ich spreche zwar vor Ihren Bänken, aber ich spreche nicht für Ihre Ohren; ganz Frankreich ist es, das französische Volk, dieser einzige „hohe Gerichtshof“ den ich anerkenne, ist es, an welches ich mich heute wende. Bereits tönt der Schrei dieses Tribunals im Widerhall aus allen Winkeln des Landes zu uns zurück: Rufe der Entrüstung gegen die willkührlichen, wüthenden Verfolgungen, Rufe des Mitgefühls und der Theilnahme für die Unglücklichen, die hier auf den Bänken sitzen. Mögt Ihr beschließen was Ihr wollt, Ihr werdet euch dieser Stimme des Volkes nicht wiedersetzen können, ohne eine ungeheure Verantwortlichkeit auf Euch zu nehmen, eine Verantwortlichkeit, der die Strafe auf dem Fuße nachfolgen wird. Vor einem ordentlichen Gericht von uns gleichen Geschworenen würde man diese elende Anklage unter Hohn und Zischen verfolgt haben…

Präsident. Ich kann Ihnen nicht gestatten, in dieser Weise fortzufahren.

Blanqui. Hr. Präsident, ich habe das Recht, mich in voller Entrüstung gegen eine Anklage zu heben, die wie die gegenwärtige auch des leisesten Scheins irgend einer Begründung entbehrt.

Ah, in der That, vielleicht thäten wir besser, uns durch Demüthigung vor einer in Geschworene verwandelten Beamten-Kommission bessere Aussichten zu schaffen. Aber wo die Leidenschaft spricht, mag auch die Leidenschaft antworten. Alle Rechtsprinzipien sind hier vor diesem Tribunale verletzt; die Anklage selbst gesteht es, daß sie keine Verurtheilung aus Gerechtigkeitsgründen, nein, eine Verurtheilung aus Nützlichkeitsgründen, eine Verurtheilung zur „Beruhigung des Landes,“ zur Beruhigung der Bourgeois verlangt.

Präsident. Angeklagter, ich kann Ihnen diese Sprache nicht gestatten, Sie compromittiren selbst Ihre Sache, Sie reden gegen Ihr eignes Interesse.

Blanqui. Herr Präsident, ich selbst bin der einzig competente Richter über meine Interessen, und es beunruhigt mich nicht, meine Sache zu compromittiren. Wenn Sie mir nur gestatten wollen, die Anschuldigungen gegen mich in Betreff des 15. Mai zu bekämpfen, so habe ich nichts zu sagen, denn diese Anschuldigungen halte ich nicht für Redens werth. Meine Advokaten haben in Betreff des 15. Mai geantwortet; ich selbst habe meinen politischen Charakter zu vertheidigen, den man hier angegriffen hat. Wenn Sie das nicht gestatten, will ich schweigen.

Präsident. Wir gestatten Ihnen nicht, das Dekret der Nationalversammlung und die Kompetenz des Gerichtshofes anzugreifen.

Blanqui. Das Dekret der Nationalversammlung kann in meinen Augen nichts in der Sache ändern. Was ich in meiner Vertheidigung untersuchen will, ist erstens die Art und Weise, in welcher die Anklage hier gegen uns auftritt, und die Begünstigung, die man ihr zu Theil werden läßt…

Präsident. Ist die Vertheidigung nicht frei?

Blanqui. Nein. Man geht systematisch darauf aus, uns das Wort zu entziehen. Raspail wurde u. A. auf die brutalste Weise unterbrochen, als er sich mit der größten Mäßigung ausdrückte.

Präsident. Wir gehen allerdings systematisch darauf aus, den Angeklagten die Exposition ihrer Doktrinen zu verwehren, für die hier nicht der Ort ist.

Blanqui. Die Anklage hat also allein hier das Recht, unsere Doktrinen zu entstellen und in das Gespinst ihrer Beschuldigungen zu verweben. Hat man nicht hier Utopien und subversive Theorien uns untergebreitet?

Präsident. Wenn Sie ausführen wollen, daß Ihre Theorien nicht antisozial sind, gebe ich Ihnen das Wort nicht. Zeigen Sie, daß dieselben nicht strafbar sind.

Blanqui. Das ist grade das, was ich thun wollte.

Auf diesen Zwischenfall folgt eine kurze Unterbrechung. Der Präsident ertheilt nach einander Hrn. Léclancher, dem Rechtsbeistand, und Hrn. Rivière, dem offiziellen Advokaten Villains das Wort, um dessen Vertheidigung zu führen, während sich Blanqui mit seinen Beiständen besprechen könne. Léclancher erklärt, daß er es unter seiner Würde halte, das Wort noch zu ergreifen, nachdem man ihm vorgestern in so wohlwollender Weise die Vertheidigung abgeschnitten habe; Rivière behauptet, nur der zweite Anwalt Villains zu sein und nicht nöthig zu haben, vor der Replik des Generalprokurators zu sprechen.

Blanqui erhält wieder das Wort. (Seine Rede wird fast bei jedem Satz von dem Präsidenten oder dem Generalprokurator unterbrochen; wir lassen dieselbe des Zusammenhangs wegen in ihrem Hauptinhalt unverkürzt hier folgen.)

Blanqui. Ich sagte, vor einem ordentlichen Gericht von uns glei[unleserliches Material]en Geschworenen würde diese elende Anklage den großen Sitzungstag nicht erlebt haben, ohne auch sogleich unter Gelächter und Zischen zusammenzufallen. Es bedurfte also einiger besseren Chancen, eines dieser Areopagen von hohem Geschmack, welche es unter ihrer Würde halten, auch nur die allerschlechteste Posse auszuzischen; ein Prevotalgericht, Retroaktivät, als Geschworene verkleidete Beamte, ausgesuchte Richter, die nicht aus der allgemeinen Wahl hervorgehen, eine Raritätensammlung mit einem Wort, vor der man alle Rechtsprinzipien ungestraft mit Füßen zu treten hoffte, von der man eine Verurtheilung nicht aus Gerechtigkeits- sondern aus Nützlichkeits-Gründen verlangen konnte. Sie, meine Herren, sind es, die man zu diesem trefflichen Werk für geeignet hielt; danken Sie das Compliment denen, die es Ihnen gemacht haben.

Was mich und alle diejenigen betrifft, welche dies Gaukelspiel einer Gerichtsverhandlung zurückgewiesen haben, so gleiten alle Dekrete der Welt an unserer Haltung ab, ohne sie zu ändern. Wir bleiben was wir waren, politische Antagonisten die man außer den gewöhnlichen Gesetzen erklärt und als Brandopfer den Staatsinteressen hingeworfen hat.

Wenn ich daher hier dies Terrain Fuß für Fuß vertheidige, so geschieht dies nicht in Besorgniß vor einem Gericht, das in meinen Augen verschwindet. Meine Worte sind kein Plaidoyer, denn es giebt hier keine Richter für mich; sie sind ein Ruf an meine Nation, um der Verläumdung die Maske abzureißen und die Ungleichheit eines Prozeßkampfes zu enthüllen, der den kläglichsten Prozessen der englischen Restauration würdig zur Seite steht.

‥‥ Seit drei Wochen haben wir hier den Haß gegen das Tageslicht und die Oeffentlichkeit sich offen erheben sehen, die scheue Vorliebe für das Dunkel und die Geheimnisse, welche den Rachedurst einer schrankenlosen Gewalt bekundet. Ich glaubte, ich weiß nicht welchen finstern Geruch des Chatelet zu athmen, der den schrecklichen Austausch von Seufzern der Gefangenen und mörderischen Fragen der Inquisition wieder vor die Seele führte, von denen die Gewölbe der Bastille widerhallten.

Hierzu eine Beilage.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div xml:id="ar264_015" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0004" n="1488"/>
der Geschichte schreibt, so empfehlen wir das Kapitel des heutigen Tages, dem er den Titel geben kann: &#x201E;&#x201E;Mein Schandpfahl!&#x201C;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Nun wohlan, sagt an, Bürger Thiers, warum habt Ihr 800 Millionen im Jahre 1840 vergeudet, als Ihr die Sturmglocke in vollem Schwung läuten ließet? Ist Frankreich weniger betheiligt bei der Sache der Italiener als es bei der des Pascha von Egypten betheiligt war? Antwortet, Bürger Thiers! Ihr sagt, daß die Sympathien der Völker nichts seien, daß sie nicht ein Sandkorn Schwere in der Wagschale des Kampfes wiegen &#x2012; freilich, was wißt Ihr davon, Bürger Thiers; wart Ihr nicht damals nach dem Februar so tief in Eurer Furcht und Feigheit verborgen, daß Ihr nicht hörtet, wie die Monarchien krachten unter der Erhebung der Völker, welche der Klang unserer Marseillaise emporgerüttelt hatte!&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Ja, mit den Traktaten von 1815 ist es aus; Ledrü-Rollin hat sie von der Höhe der Barrikaden durchschossen.&#x201C; (Temps.) Aber auch Cavaignac ist mit Thiers und den Traktaten vor der Rede Ledrü-Rollin's gefallen; nachdem ihn Thiers auf's Haupt geschlagen, indem er die Uebereinstimmung ihrer beiderseitigen Politik darlegte, vernichtete Ledrü-Rollin mit Thiers auch den Juni-Retter des europäischen Friedens und Helden des contrerevolutionären Bürgerkriegs, und selbst der &#x201E;National&#x201C; muß diesmal seine Freunde verlassen, um sich zu Ledrü-Rollin zu schlagen.</p>
          <p>Wie rächen sich die reaktionären Journale für diese Schlappe? Der &#x201E;Courrier de la Gironde&#x201C; sagt: &#x201E;Man muß ein Ende mit dieser Partei machen; nichts von Konzessionen, nichts von Verträgen, nichts von Mäßigung! Gibt es Frieden mit diesen Sozialdemokraten? Der Krieg ist erklärt, ein Krieg auf Tod und Leben; einer von uns Beiden muß fallen, um sich nie wieder zu erheben! Der Feind erhebt sein Haupt, laßt uns denn mit Kraft und ohne Zagen zuschlagen!&#x201C; So der Courrier. Der &#x201E;Feind&#x201C; aber ist heute ein vielköpfiges Ungeheuer; es handelt sich nicht mehr um eine Pariser Junischlacht, wo man der &#x201E;Hyder&#x201C; mit einem Schlage das Haupt abhauen kann. Die &#x201E;Milliarde&#x201C; ist es, welche in den Departements eine Agitation hervorruft, welche den &#x201E;Kampf auf Leben und Tod&#x201C; für die Sache der Sozialdemokratie entscheiden wird.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar264_016" type="jArticle">
          <head>Paris, 3. April.</head>
          <p>Der Moniteur enthält außer einem halben Schock neuer Maires und Adjoints politisch gar nichts. Er deckt diese Blöße mit einer langen Rede über die Kleinkinderbewahranstalten, die, wie er sich ausdrückt, gleich dem Moseskistlein glücklich über die Februargewässer hinwegschwammen. Die Herren Dufaure und Cavaignac sind die Schutzheiligen, dieser Anstalten.</p>
          <p>&#x2012; Im Loirethale, namentlich in Rive de Gier, dauern die Arbeitseinstellungen fort. Laut dem vor uns liegenden &#x201E;Courrier de Lyon&#x201C; vom 1. April stehen noch 9 Schachte leer und es liegen 40 Chefs der Arbeiter, oder Aufwiegler, im Gefängniß. Arbeiterzüge durchziehen die Gegend mit Gesänge: &#x201E;Brod oder Blei!&#x201C;</p>
          <p>Dasselbe Blatt meldet, daß ihm aus Marseille vom 30. März geschrieben wird: Im dortigen Gasthofe &#x201E;Hotel d'Orient&#x201C; habe der Graf Barge (Karl Albert) übernachtet.</p>
          <p>Wir kennen bereits die weitere Marschroute dieses Exkönigs.</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">Heilsame Notiz für Auswanderer.</hi> In Havre liegen laut der dortigen Journale im jetzigen Augenblicke einige Hundert deutscher Auswanderer auf dem Pflaster. Daher der Befehl, keine arme Auswanderer mehr über die Gränze zu lassen. Wir haben Paupers genug im eigenen Lande, heißt es in den ministeriellen Kreisen.</p>
          <p>&#x2012; Heute (2. April) führt die Polizei das ministerielle Verbot den Journal-Detailverkaufs an den Straßenecken aus.</p>
          <p>&#x2012; Die &#x201E;Opinion publique&#x201C; tritt als öffentliche Anklägerin gegen Thoré's neues Blatt auf, weil es den Untergang der «Race des Capitalistes» prophezeit habe.</p>
          <p>&#x2012; In Spanien soll in den Gebirgen von Quipusoa eine Krankheit ausgebrochen sein, viel schrecklicher als die Cholera. Diese Krankheit, welche in Bezug auf ihre außerordentliche Giftigkeit und Ansteckungsfähigkeit die Cholera, das gelbe Fieber und selbst die Pest übertrifft, heißt clignotte (clignotte) mit den Augen blinzeln), weil der davon befallene Kranke augenblicklich zum Teufel fährt.</p>
          <p>Der Eintritt der Krankheit zeigt sich durch enorme gelbgrünliche Pusteln, welche gleichzeitig an der Kniekehle, dem Vorderarm und Nacken zum Vorschein kommen. In einigen Stunden schon verwandeln sie sich in breite Geschwüre, welche wie mit Staub übersäet erscheinen und aus denen sich unter fürchterlichem Geruch Myriaden von kleinen, microscopisch-belebten Körperchen herausdrängen und gleich glühender Lava über den ganzen Körper ergießen, wo sie sich unter die Oberhaut einbohren.</p>
          <p>Nach drei Stunden der fürchterlichsten Schmerzen, &#x2012; denn die Thiere besitzen eine beißende Schärfe wie glühende Kohlen, nimmt der Körper des Patienten, mit vollständig aufgezogener Oberhaut, das Ansehen einer einzigen mit Flüssigkeit gefüllten Blase an, und mit Beihülfe des Fiebers, zögert der Arme nicht länger und fährt ab.</p>
          <p>Zwei Stunden nachher ist der Kadaver vollständig verfault, und man beeilt sich so rasch wie möglich mit der Beerdigung, denn im andern Falle beginnt die Masse von Insekten, mit denen der Körper buchstäblich überzogen ist, denselben zu verschlingen.</p>
          <p>In zwei Dörfern, welche jedes 4-500 Einwohner zählen sind in Zeit von drei Tagen, seit dem Auftauchen der Krankheit, 122 Personen jedes Alters, Geschlechts und Standes gestorben.</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">National-Versammlung.</hi> Sitzung vom 2. April. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast.</p>
          <p>Das Protokoll wird verlesen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brunel</hi> beschwert sich, daß einer seiner Kollegen einen blauen Zettel in die Urne geworfen und somit gegen die Bixio'sche Tagesordnung gestimmt habe.</p>
          <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> dringt darauf, daß künftig die Vertreter des Volks selbst und nicht mehr per procura stimmen (man lacht), dann würden dergleichen Fehler wegfallen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bastide</hi> zeigt sich auf der Bühne. Ich bitte um das Wort, beginnt er mit brustkranker Stimme, um einige Rektifikationen in der Debatte über Italien zu machen. (Oh! Oh!)</p>
          <p>Links: Sprechen Sie! Sprechen Sie!</p>
          <p><hi rendition="#g">Baraguay d'Hilliers:</hi> Ich weiß, wen Sie rektifiziren wollen. Der Betreffende ist noch nicht anwesend; es wäre wohl angemessen, daß Sie seine Ankunft abwarten. (Ja! Ja!)</p>
          <p>Bastide steigt von der Bühne.</p>
          <p>Die Versammlung geht nach Erledigung eines Credits für die berüchtigte Republikanische Garde zu Fuß und zu Pferd, zu ihrer eigentlichen Tagesordnung und zum Büdget über.</p>
          <p>Sie ist bis zum Büdget des Ministeriums des Innern vorgerückt.</p>
          <p>Eine allgemeine Diskussion fand streng genommen nicht statt, und von den einzelnen Kapiteln gab nur ein Posten (Pensionen für ehemalige Präfekten) zu einer ziemlich leidenschaftlichen Debatte Veranlassung.</p>
          <p>Perree, Charras, Favre &#x2012; besonders Favre &#x2012; griffen den Minister Faucher beißend an.</p>
          <p>Der Herr Minister Faucher, rief <hi rendition="#g">Favre</hi> mit schlagender Ironie, rühmt sich, die Republik zu retten. Was <hi rendition="#g">thut</hi> er hiefür? Er stellt Beamte an, welche diese Regierungsform achtzehn Jahre lang bekämpften und verfluchten. (Sensation).</p>
          <p>Der Redner greift das System Faucher's heftig an und erntet lauten Beifall. Vor der Raison politique stehe die Raison morale, aber Herr Faucher thue das Gegentheil.</p>
          <p><hi rendition="#g">Charras</hi> trägt auf eine Enquete an. Bemerken müssen wir, daß es sich vorzüglich um drei höhere Beamte (um den Schwager Barrots und einige andere Schwäger) handelt, denen man falsche Zeugnisse ausstellte, um die Präfektenpension von 6000 Fr. zu erhalten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Odilon-Barrot</hi> bittet, die Sache zur Untersuchung der Finanzkommission zu überweisen, was den Finanzpunkt betreffe. Was die politische Raison anlange, so begreift er nicht, warum man nicht einem Pensionär, der nur Halbinvalide sei, Gelegenheit geben solle, den Rest seiner Kräfte dem Dienste seines Landes zu widmen. (Ah! Ah!)</p>
          <p>Stimme: Aber die Moral!</p>
          <p>Odilon-Barrot: Ja die Moral; das erste Gesetz der Moral ist die Zügelung der Leidenschaft. (Ja! Ja! rechts. Gelächter links.) Ich bin der Erste, der die Unmoral ächten will, aber erst lassen Sie untersuchen. (Häufige Unterbrechung)</p>
          <p>Die häufigen Unterbrechungen hindern den Conseilpräsidenten, seinen Vortrag gehörig zu vollenden. Es ist 6 1/2 Uhr und er steht noch auf der Bühne.</p>
          <p>Die Versammlung wird vor 3/4 Stunden schwerlich auseinander gehen. Die Aufregung ist ziemlich groß.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar264_017" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Bourges, 29. März.</head>
          <p>(Prozeßverhandlung). Die Tribünen sind gedrängt voll. Es verlautet, daß in Folge der Vertheidigung Raspails Hr. Armand Marrast abermals vor den Gerichtshof geladen werden soll. Unter den Zuhörern befindet sich diesmal die Mutter Blanqui's.</p>
          <p>Advokat Rivière, Vertheidiger Larger's erhält das Wort.</p>
          <p>Larger, sagt die Vertheidigung, ist ein alter, ehrenhafter Soldat, der unter Augereau, Lecourbe und Massena in der untadelhaftesten Weise gedient hat.</p>
          <p>Im Sitzungssaal hat Larger, wie zahlreiche Zeugen bewiesen, sich der Erhebung Blanqui's auf die Tribüne widersetzt und mehrere Repräsentanten beschützt; er hat L. Blanc gerufen, damit er zum Volk spreche und den Aufruhr besänftige; sein Eintritt in die Versammlung geschah wie der vieler Anderer aus Neugierde, und um Excesse zu verhüten.</p>
          <p>Auf die einzelnen Zeugenaussagen eingehend, greift die Vertheidigung dann die Deposition des einzigen Belastungszeugen Quessard an, Quessard's, der den Angeklagten bei seiner Rückkehr nach Passy Listen der neuen provisorischen Regierung vertheilen läßt, während die Nationalgarden von Passy, welche Larger bei seiner Rückkehr umringten, sämmtlich nichts davon wissen. Der Vertheidiger schließt damit, daß er auf die persönliche Feindschaft zwischen dem Zeugen und dem Angeklagten, wie auf den zweideutigen Charakter Quessard's aufmerksam macht, welcher nach dem 24. Febr. die Robespierre'schen Menschenrechte proklamiren wollte, dann zu der Partei des <hi rendition="#g">National,</hi> und später unter Bonaparte noch weiter desertirte, gerade wie es die Verhältnisse mit sich brachten.</p>
          <p>Advokat Decoux-Lapeyrière, amtlicher Vertheidiger für Thomas.</p>
          <p>Die Vertheidigung resumirt die allgemein bekannten Ereignisse. Thomas war nicht an der Assemblée; er fand sich, durchaus in keiner revolutionären Haltung, aus Neugierde am Hotel-de-Ville, wo er sich von einer der aus den Fenstern fliegenden Listen die Namen der neuen provisorischen Regierung abschrieb. Die Anklage hat 10 Monate die kleinlichsten und sorgsamsten Nachforschungen nach den Gefangenen angestellt, und doch gegen Thomas nichts vorbringen können; der Vertheidiger trägt daher auf Freisprechung an.</p>
          <p>Präsident. Der Vertheidiger Villains hat das Wort.</p>
          <p>Advokat Rivière, der bereits für Larger plaidirt hat, zeigt an, daß Herr Leclanché, Beistand Villain's, einige allgemeine Gesichtspunkte aufstellen wolle.</p>
          <p>Leclanché beginnt mit der Bemerkung, daß die Anklage die politischen Doctrinen in den Prozeß gezogen, daß also hier keine ordentliche gerichtliche Verhandlung, sondern ein Konflikt, ein Kampf zwischen zwei feindlichen Antagonisten der Gesellschaft stattfinde, welche sich stets verfolgten und verfolgen müßten. Der Präsident fordert den Vertheidiger auf, diese Sprache zu ändern.</p>
          <p>Leclanché. Wenn man unsere Doctrinen angreift, haben wir auch das Recht, sie zu vertheidigen; der Präsident hat dem öffentlichen Ministerium dies Verfahren gestattet.</p>
          <p>Präsident. Sprechen Sie über die Thatsachen, und nicht über Doctrinen.</p>
          <p>Leclanché. Wahrhaftig, die Pairskammer war toleranter.</p>
          <p>Nach einigem Wortwechsel entzieht der Präsident dem Vertheidiger das Wort.</p>
          <p>Leclanché. Da man sogar die freie Vertheidigung nicht mehr gestattet, werde ich an das Land appelliren.</p>
          <p>Präsident. Das ist dem Hof gleichgültig. Der Vertheidiger Courtais' hat das Wort.</p>
          <p>Advokat Bethmont. Man kann Courtais nicht ernstlich als Complicen des Attentates des 15. Mai anklagen. Mit Ausnahme zweier, die er nach den Nationalgardenwahlen als seine Collegen kennen lernte, waren ihm die sämmtlichen Angeklagten, deren Complice er gewesen sein soll, unbekannt. In Betreff der Vorfälle am Gitter verweis't die Vertheidigung auf die Rede Raspails und die zahlreichen Zeugenaussagen, welche beweisen, welche Mühe sich Courtais gegeben, dem Eindringen des Volkes zu steuern. Ueber seine Absichten können keine Zweifel sein. Hat er aber Fehler begangen? Er hat im schlimmsten Fall nichts anderes gethan, als der Präsident der Nationalversammlung, Hr. Buchez selbst, welcher etwa zwanzig gleichlautende Ordres schrieb, daß zur Vermeidung von Blutvergießen kein Generalmarsch geschlagen werden solle. Wenn man das bei Hrn. Buchez Klugheit nenne, warum soll es bei Courtais Verrath und Feigheit sein? (Bewegung.)</p>
          <p>Der Anwalt geht dann in die einzelnen Zeugenaussagen ein, um aus ihnen das loyale Benehmen des Angeklagten zu beweisen.</p>
          <p>Schluß der Sitzung 6 Uhr.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar264_018" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Bourges, 30. März.</head>
          <p>(Prozeßverhandlung.) Nach Eröffnung der Sitzung wird dem Advokaten Bethmont das Wort ertheilt, um sein Plaidoyer für Courtais zu vollenden.</p>
          <p>Der Vertheidiger resumirt den Inhalt seines gestrigen Vortrags und fährt dann in der Kritik der einzelnen Zeugenaussagen fort. Dieser Theil des Plaidoyer füllt in der Sitzung über 2 1/2 Stunden. Dann geht er in den öffentlichen Charakter Courtais' und die Verfolgungen ein, deren Gegenstand derselbe nach seiner Verhaftung wurde.</p>
          <p>Die Nationalversammlung war für die Partei, zu welcher Courtais und auch der Vertheidiger gehört, eine &#x201E;ungeduldig erwartete Gewalt&#x201C;. Man habe Sehnsucht und Eile gehabt, aus dem provisorischen Zustand zu einer geordneten Lage der Dinge zu kommen. Courtais trat in Folge einer Erwählung von 72,000 Stimmen in die Versammlung ein, Niemand hielt ihn eines Verrathes oder eines Mangels an Ergebenheit fähig. Am 10. Mai fand sich Courtais ohne sein Verschulden am Gitter dem Volke gegenüber; der General Negrier war es (hier verlies't der Vertheidiger eine Stelle aus dem Anklageakt selbst), welcher die Linientruppen von der Brücke zurückzog, in Folge einer Ordre des Präsidenten Buchez, welcher die Rückkehr der Truppen in die Militärschule anordnete. Erst als die Brücke frei war, konnte der Zug gegen das Gitter vordringen; hier aber vermochte Courtais nichts mehr, und alle Zeugen beweisen, daß er vergebens allen nur möglichen Widerstand versuchte.</p>
          <p>Der Anwalt schließt, daß nach zehnmonatlichen Kerkerleiden des Angeklagten und Erduldung aller erdenklichen Verfolgungen und Verläumdungen nicht Gnade, sondern volle Gerechtigkeit ist, welche er von den Geschworenen erwartet.</p>
          <p>Die Sitzung wird um 2 Uhr auf eine Stunde ausgesetzt.</p>
          <p>Präsident. Der Angeklagte Blanqui hat das Wort.</p>
          <p>Blanqui erklärt, sprechen zu wollen, wenn der Generalprokurator auf die Reden seiner Vertheidiger replicirt hat; der Generalprokurator antwortet, daß er nicht replicire, wenn Blanqui nicht vorher gesprochen habe.</p>
          <p>Präsident. Das ist ein leeres Wortgefecht. Angeklagter, warum wollen Sie nicht vor dem Generalprokurator sprechen?</p>
          <p>Blanqui. Weil ich ermüdet bin, und mich hier in dem Lärm nicht vorbereiten kann.</p>
          <p>Der Generalprokurator erklärt sich darauf einverstanden, die Debatten bis auf den folgenden Tag auszusetzen und die Sitzung wird um 3 1/2 Uhr aufgehoben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar264_019" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Bourges, 31. März.</head>
          <p>(Prozeßverhandlung.) Die Sitzung wird um 10 Uhr eröffnet. Die Menge, welche um Blanquis Vertheidigung zu hören, zahllos herbeiströmt, findet zum übergroßen Theil keinen Platz mehr im Auditorium; große Massen treiben sich draußen in der Nähe des Gerichtshofes umher; die Militärposten sind verdoppelt und die Truppen in den Kasernen konsignirt.</p>
          <p>Präsident. Der Angeklagte Blanqui hat das Wort.</p>
          <p>Blanqui. Meine Herren, ich spreche zwar vor Ihren Bänken, aber ich spreche nicht für Ihre Ohren; ganz Frankreich ist es, das französische Volk, dieser einzige &#x201E;hohe Gerichtshof&#x201C; den ich anerkenne, ist es, an welches ich mich heute wende. Bereits tönt der Schrei dieses Tribunals im Widerhall aus allen Winkeln des Landes zu uns zurück: Rufe der Entrüstung gegen die willkührlichen, wüthenden Verfolgungen, Rufe des Mitgefühls und der Theilnahme für die Unglücklichen, die hier auf den Bänken sitzen. Mögt Ihr beschließen was Ihr wollt, Ihr werdet euch dieser Stimme des Volkes nicht wiedersetzen können, ohne eine ungeheure Verantwortlichkeit auf Euch zu nehmen, eine Verantwortlichkeit, der die Strafe auf dem Fuße nachfolgen wird. Vor einem ordentlichen Gericht von uns gleichen Geschworenen würde man diese elende Anklage unter Hohn und Zischen verfolgt haben&#x2026;</p>
          <p>Präsident. Ich kann Ihnen nicht gestatten, in dieser Weise fortzufahren.</p>
          <p>Blanqui. Hr. Präsident, ich habe das Recht, mich in voller Entrüstung gegen eine Anklage zu heben, die wie die gegenwärtige auch des leisesten Scheins irgend einer Begründung entbehrt.</p>
          <p>Ah, in der That, vielleicht thäten wir besser, uns durch Demüthigung vor einer in Geschworene verwandelten Beamten-Kommission bessere Aussichten zu schaffen. Aber wo die Leidenschaft spricht, mag auch die Leidenschaft antworten. Alle Rechtsprinzipien sind hier vor diesem Tribunale verletzt; die Anklage selbst gesteht es, daß sie keine Verurtheilung aus Gerechtigkeitsgründen, nein, eine Verurtheilung aus Nützlichkeitsgründen, eine Verurtheilung zur &#x201E;Beruhigung des Landes,&#x201C; zur Beruhigung der Bourgeois verlangt.</p>
          <p>Präsident. Angeklagter, ich kann Ihnen diese Sprache nicht gestatten, Sie compromittiren selbst Ihre Sache, Sie reden gegen Ihr eignes Interesse.</p>
          <p>Blanqui. Herr Präsident, ich selbst bin der einzig competente Richter über meine Interessen, und es beunruhigt mich nicht, meine Sache zu compromittiren. Wenn Sie mir nur gestatten wollen, die Anschuldigungen gegen mich in Betreff des 15. Mai zu bekämpfen, so habe ich nichts zu sagen, denn diese Anschuldigungen halte ich nicht für Redens werth. Meine Advokaten haben in Betreff des 15. Mai geantwortet; ich selbst habe meinen politischen Charakter zu vertheidigen, den man hier angegriffen hat. Wenn Sie das nicht gestatten, will ich schweigen.</p>
          <p>Präsident. Wir gestatten Ihnen nicht, das Dekret der Nationalversammlung und die Kompetenz des Gerichtshofes anzugreifen.</p>
          <p>Blanqui. Das Dekret der Nationalversammlung kann in meinen Augen nichts in der Sache ändern. Was ich in meiner Vertheidigung untersuchen will, ist erstens die Art und Weise, in welcher die Anklage hier gegen uns auftritt, und die Begünstigung, die man ihr zu Theil werden läßt&#x2026;</p>
          <p>Präsident. Ist die Vertheidigung nicht frei?</p>
          <p>Blanqui. Nein. Man geht systematisch darauf aus, uns das Wort zu entziehen. Raspail wurde u. A. auf die brutalste Weise unterbrochen, als er sich mit der größten Mäßigung ausdrückte.</p>
          <p>Präsident. Wir gehen allerdings systematisch darauf aus, den Angeklagten die Exposition ihrer Doktrinen zu verwehren, für die hier nicht der Ort ist.</p>
          <p>Blanqui. Die Anklage hat also allein hier das Recht, unsere Doktrinen zu entstellen und in das Gespinst ihrer Beschuldigungen zu verweben. Hat man nicht hier Utopien und subversive Theorien uns untergebreitet?</p>
          <p>Präsident. Wenn Sie ausführen wollen, daß Ihre Theorien nicht antisozial sind, gebe ich Ihnen das Wort nicht. Zeigen Sie, daß dieselben nicht strafbar sind.</p>
          <p>Blanqui. Das ist grade das, was ich thun wollte.</p>
          <p>Auf diesen Zwischenfall folgt eine kurze Unterbrechung. Der Präsident ertheilt nach einander Hrn. Léclancher, dem Rechtsbeistand, und Hrn. Rivière, dem offiziellen Advokaten Villains das Wort, um dessen Vertheidigung zu führen, während sich Blanqui mit seinen Beiständen besprechen könne. Léclancher erklärt, daß er es unter seiner Würde halte, das Wort noch zu ergreifen, nachdem man ihm vorgestern in so wohlwollender Weise die Vertheidigung abgeschnitten habe; Rivière behauptet, nur der zweite Anwalt Villains zu sein und nicht nöthig zu haben, vor der Replik des Generalprokurators zu sprechen.</p>
          <p>Blanqui erhält wieder das Wort. (Seine Rede wird fast bei jedem Satz von dem Präsidenten oder dem Generalprokurator unterbrochen; wir lassen dieselbe des Zusammenhangs wegen in ihrem Hauptinhalt unverkürzt hier folgen.)</p>
          <p>Blanqui. Ich sagte, vor einem ordentlichen Gericht von uns glei<gap reason="illegible"/>en Geschworenen würde diese elende Anklage den großen Sitzungstag nicht erlebt haben, ohne auch sogleich unter Gelächter und Zischen zusammenzufallen. Es bedurfte also einiger besseren Chancen, eines dieser Areopagen von hohem Geschmack, welche es unter ihrer Würde halten, auch nur die allerschlechteste Posse auszuzischen; ein Prevotalgericht, Retroaktivät, als Geschworene verkleidete Beamte, ausgesuchte Richter, die nicht aus der allgemeinen Wahl hervorgehen, eine Raritätensammlung mit einem Wort, vor der man alle Rechtsprinzipien ungestraft mit Füßen zu treten hoffte, von der man eine Verurtheilung nicht aus Gerechtigkeits- sondern aus Nützlichkeits-Gründen verlangen konnte. Sie, meine Herren, sind es, die man zu diesem trefflichen Werk für geeignet hielt; danken Sie das Compliment denen, die es Ihnen gemacht haben.</p>
          <p>Was mich und alle diejenigen betrifft, welche dies Gaukelspiel einer Gerichtsverhandlung zurückgewiesen haben, so gleiten alle Dekrete der Welt an unserer Haltung ab, ohne sie zu ändern. Wir bleiben was wir waren, politische Antagonisten die man außer den gewöhnlichen Gesetzen erklärt und als Brandopfer den Staatsinteressen hingeworfen hat.</p>
          <p>Wenn ich daher hier dies Terrain Fuß für Fuß vertheidige, so geschieht dies nicht in Besorgniß vor einem Gericht, das in meinen Augen verschwindet. Meine Worte sind kein Plaidoyer, denn es giebt hier keine Richter für mich; sie sind ein Ruf an meine Nation, um der Verläumdung die Maske abzureißen und die Ungleichheit eines Prozeßkampfes zu enthüllen, der den kläglichsten Prozessen der englischen Restauration würdig zur Seite steht.</p>
          <p>&#x2025;&#x2025; Seit drei Wochen haben wir hier den Haß gegen das Tageslicht und die Oeffentlichkeit sich offen erheben sehen, die scheue Vorliebe für das Dunkel und die Geheimnisse, welche den Rachedurst einer schrankenlosen Gewalt bekundet. Ich glaubte, ich weiß nicht welchen finstern Geruch des Chatelet zu athmen, der den schrecklichen Austausch von Seufzern der Gefangenen und mörderischen Fragen der Inquisition wieder vor die Seele führte, von denen die Gewölbe der Bastille widerhallten.</p>
          <p>
            <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref>
          </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1488/0004] der Geschichte schreibt, so empfehlen wir das Kapitel des heutigen Tages, dem er den Titel geben kann: „„Mein Schandpfahl!““ „Nun wohlan, sagt an, Bürger Thiers, warum habt Ihr 800 Millionen im Jahre 1840 vergeudet, als Ihr die Sturmglocke in vollem Schwung läuten ließet? Ist Frankreich weniger betheiligt bei der Sache der Italiener als es bei der des Pascha von Egypten betheiligt war? Antwortet, Bürger Thiers! Ihr sagt, daß die Sympathien der Völker nichts seien, daß sie nicht ein Sandkorn Schwere in der Wagschale des Kampfes wiegen ‒ freilich, was wißt Ihr davon, Bürger Thiers; wart Ihr nicht damals nach dem Februar so tief in Eurer Furcht und Feigheit verborgen, daß Ihr nicht hörtet, wie die Monarchien krachten unter der Erhebung der Völker, welche der Klang unserer Marseillaise emporgerüttelt hatte!“ „Ja, mit den Traktaten von 1815 ist es aus; Ledrü-Rollin hat sie von der Höhe der Barrikaden durchschossen.“ (Temps.) Aber auch Cavaignac ist mit Thiers und den Traktaten vor der Rede Ledrü-Rollin's gefallen; nachdem ihn Thiers auf's Haupt geschlagen, indem er die Uebereinstimmung ihrer beiderseitigen Politik darlegte, vernichtete Ledrü-Rollin mit Thiers auch den Juni-Retter des europäischen Friedens und Helden des contrerevolutionären Bürgerkriegs, und selbst der „National“ muß diesmal seine Freunde verlassen, um sich zu Ledrü-Rollin zu schlagen. Wie rächen sich die reaktionären Journale für diese Schlappe? Der „Courrier de la Gironde“ sagt: „Man muß ein Ende mit dieser Partei machen; nichts von Konzessionen, nichts von Verträgen, nichts von Mäßigung! Gibt es Frieden mit diesen Sozialdemokraten? Der Krieg ist erklärt, ein Krieg auf Tod und Leben; einer von uns Beiden muß fallen, um sich nie wieder zu erheben! Der Feind erhebt sein Haupt, laßt uns denn mit Kraft und ohne Zagen zuschlagen!“ So der Courrier. Der „Feind“ aber ist heute ein vielköpfiges Ungeheuer; es handelt sich nicht mehr um eine Pariser Junischlacht, wo man der „Hyder“ mit einem Schlage das Haupt abhauen kann. Die „Milliarde“ ist es, welche in den Departements eine Agitation hervorruft, welche den „Kampf auf Leben und Tod“ für die Sache der Sozialdemokratie entscheiden wird. Paris, 3. April. Der Moniteur enthält außer einem halben Schock neuer Maires und Adjoints politisch gar nichts. Er deckt diese Blöße mit einer langen Rede über die Kleinkinderbewahranstalten, die, wie er sich ausdrückt, gleich dem Moseskistlein glücklich über die Februargewässer hinwegschwammen. Die Herren Dufaure und Cavaignac sind die Schutzheiligen, dieser Anstalten. ‒ Im Loirethale, namentlich in Rive de Gier, dauern die Arbeitseinstellungen fort. Laut dem vor uns liegenden „Courrier de Lyon“ vom 1. April stehen noch 9 Schachte leer und es liegen 40 Chefs der Arbeiter, oder Aufwiegler, im Gefängniß. Arbeiterzüge durchziehen die Gegend mit Gesänge: „Brod oder Blei!“ Dasselbe Blatt meldet, daß ihm aus Marseille vom 30. März geschrieben wird: Im dortigen Gasthofe „Hotel d'Orient“ habe der Graf Barge (Karl Albert) übernachtet. Wir kennen bereits die weitere Marschroute dieses Exkönigs. ‒ Heilsame Notiz für Auswanderer. In Havre liegen laut der dortigen Journale im jetzigen Augenblicke einige Hundert deutscher Auswanderer auf dem Pflaster. Daher der Befehl, keine arme Auswanderer mehr über die Gränze zu lassen. Wir haben Paupers genug im eigenen Lande, heißt es in den ministeriellen Kreisen. ‒ Heute (2. April) führt die Polizei das ministerielle Verbot den Journal-Detailverkaufs an den Straßenecken aus. ‒ Die „Opinion publique“ tritt als öffentliche Anklägerin gegen Thoré's neues Blatt auf, weil es den Untergang der «Race des Capitalistes» prophezeit habe. ‒ In Spanien soll in den Gebirgen von Quipusoa eine Krankheit ausgebrochen sein, viel schrecklicher als die Cholera. Diese Krankheit, welche in Bezug auf ihre außerordentliche Giftigkeit und Ansteckungsfähigkeit die Cholera, das gelbe Fieber und selbst die Pest übertrifft, heißt clignotte (clignotte) mit den Augen blinzeln), weil der davon befallene Kranke augenblicklich zum Teufel fährt. Der Eintritt der Krankheit zeigt sich durch enorme gelbgrünliche Pusteln, welche gleichzeitig an der Kniekehle, dem Vorderarm und Nacken zum Vorschein kommen. In einigen Stunden schon verwandeln sie sich in breite Geschwüre, welche wie mit Staub übersäet erscheinen und aus denen sich unter fürchterlichem Geruch Myriaden von kleinen, microscopisch-belebten Körperchen herausdrängen und gleich glühender Lava über den ganzen Körper ergießen, wo sie sich unter die Oberhaut einbohren. Nach drei Stunden der fürchterlichsten Schmerzen, ‒ denn die Thiere besitzen eine beißende Schärfe wie glühende Kohlen, nimmt der Körper des Patienten, mit vollständig aufgezogener Oberhaut, das Ansehen einer einzigen mit Flüssigkeit gefüllten Blase an, und mit Beihülfe des Fiebers, zögert der Arme nicht länger und fährt ab. Zwei Stunden nachher ist der Kadaver vollständig verfault, und man beeilt sich so rasch wie möglich mit der Beerdigung, denn im andern Falle beginnt die Masse von Insekten, mit denen der Körper buchstäblich überzogen ist, denselben zu verschlingen. In zwei Dörfern, welche jedes 4-500 Einwohner zählen sind in Zeit von drei Tagen, seit dem Auftauchen der Krankheit, 122 Personen jedes Alters, Geschlechts und Standes gestorben. ‒ National-Versammlung. Sitzung vom 2. April. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Das Protokoll wird verlesen. Brunel beschwert sich, daß einer seiner Kollegen einen blauen Zettel in die Urne geworfen und somit gegen die Bixio'sche Tagesordnung gestimmt habe. Marrast dringt darauf, daß künftig die Vertreter des Volks selbst und nicht mehr per procura stimmen (man lacht), dann würden dergleichen Fehler wegfallen. Bastide zeigt sich auf der Bühne. Ich bitte um das Wort, beginnt er mit brustkranker Stimme, um einige Rektifikationen in der Debatte über Italien zu machen. (Oh! Oh!) Links: Sprechen Sie! Sprechen Sie! Baraguay d'Hilliers: Ich weiß, wen Sie rektifiziren wollen. Der Betreffende ist noch nicht anwesend; es wäre wohl angemessen, daß Sie seine Ankunft abwarten. (Ja! Ja!) Bastide steigt von der Bühne. Die Versammlung geht nach Erledigung eines Credits für die berüchtigte Republikanische Garde zu Fuß und zu Pferd, zu ihrer eigentlichen Tagesordnung und zum Büdget über. Sie ist bis zum Büdget des Ministeriums des Innern vorgerückt. Eine allgemeine Diskussion fand streng genommen nicht statt, und von den einzelnen Kapiteln gab nur ein Posten (Pensionen für ehemalige Präfekten) zu einer ziemlich leidenschaftlichen Debatte Veranlassung. Perree, Charras, Favre ‒ besonders Favre ‒ griffen den Minister Faucher beißend an. Der Herr Minister Faucher, rief Favre mit schlagender Ironie, rühmt sich, die Republik zu retten. Was thut er hiefür? Er stellt Beamte an, welche diese Regierungsform achtzehn Jahre lang bekämpften und verfluchten. (Sensation). Der Redner greift das System Faucher's heftig an und erntet lauten Beifall. Vor der Raison politique stehe die Raison morale, aber Herr Faucher thue das Gegentheil. Charras trägt auf eine Enquete an. Bemerken müssen wir, daß es sich vorzüglich um drei höhere Beamte (um den Schwager Barrots und einige andere Schwäger) handelt, denen man falsche Zeugnisse ausstellte, um die Präfektenpension von 6000 Fr. zu erhalten. Odilon-Barrot bittet, die Sache zur Untersuchung der Finanzkommission zu überweisen, was den Finanzpunkt betreffe. Was die politische Raison anlange, so begreift er nicht, warum man nicht einem Pensionär, der nur Halbinvalide sei, Gelegenheit geben solle, den Rest seiner Kräfte dem Dienste seines Landes zu widmen. (Ah! Ah!) Stimme: Aber die Moral! Odilon-Barrot: Ja die Moral; das erste Gesetz der Moral ist die Zügelung der Leidenschaft. (Ja! Ja! rechts. Gelächter links.) Ich bin der Erste, der die Unmoral ächten will, aber erst lassen Sie untersuchen. (Häufige Unterbrechung) Die häufigen Unterbrechungen hindern den Conseilpräsidenten, seinen Vortrag gehörig zu vollenden. Es ist 6 1/2 Uhr und er steht noch auf der Bühne. Die Versammlung wird vor 3/4 Stunden schwerlich auseinander gehen. Die Aufregung ist ziemlich groß. * Bourges, 29. März. (Prozeßverhandlung). Die Tribünen sind gedrängt voll. Es verlautet, daß in Folge der Vertheidigung Raspails Hr. Armand Marrast abermals vor den Gerichtshof geladen werden soll. Unter den Zuhörern befindet sich diesmal die Mutter Blanqui's. Advokat Rivière, Vertheidiger Larger's erhält das Wort. Larger, sagt die Vertheidigung, ist ein alter, ehrenhafter Soldat, der unter Augereau, Lecourbe und Massena in der untadelhaftesten Weise gedient hat. Im Sitzungssaal hat Larger, wie zahlreiche Zeugen bewiesen, sich der Erhebung Blanqui's auf die Tribüne widersetzt und mehrere Repräsentanten beschützt; er hat L. Blanc gerufen, damit er zum Volk spreche und den Aufruhr besänftige; sein Eintritt in die Versammlung geschah wie der vieler Anderer aus Neugierde, und um Excesse zu verhüten. Auf die einzelnen Zeugenaussagen eingehend, greift die Vertheidigung dann die Deposition des einzigen Belastungszeugen Quessard an, Quessard's, der den Angeklagten bei seiner Rückkehr nach Passy Listen der neuen provisorischen Regierung vertheilen läßt, während die Nationalgarden von Passy, welche Larger bei seiner Rückkehr umringten, sämmtlich nichts davon wissen. Der Vertheidiger schließt damit, daß er auf die persönliche Feindschaft zwischen dem Zeugen und dem Angeklagten, wie auf den zweideutigen Charakter Quessard's aufmerksam macht, welcher nach dem 24. Febr. die Robespierre'schen Menschenrechte proklamiren wollte, dann zu der Partei des National, und später unter Bonaparte noch weiter desertirte, gerade wie es die Verhältnisse mit sich brachten. Advokat Decoux-Lapeyrière, amtlicher Vertheidiger für Thomas. Die Vertheidigung resumirt die allgemein bekannten Ereignisse. Thomas war nicht an der Assemblée; er fand sich, durchaus in keiner revolutionären Haltung, aus Neugierde am Hotel-de-Ville, wo er sich von einer der aus den Fenstern fliegenden Listen die Namen der neuen provisorischen Regierung abschrieb. Die Anklage hat 10 Monate die kleinlichsten und sorgsamsten Nachforschungen nach den Gefangenen angestellt, und doch gegen Thomas nichts vorbringen können; der Vertheidiger trägt daher auf Freisprechung an. Präsident. Der Vertheidiger Villains hat das Wort. Advokat Rivière, der bereits für Larger plaidirt hat, zeigt an, daß Herr Leclanché, Beistand Villain's, einige allgemeine Gesichtspunkte aufstellen wolle. Leclanché beginnt mit der Bemerkung, daß die Anklage die politischen Doctrinen in den Prozeß gezogen, daß also hier keine ordentliche gerichtliche Verhandlung, sondern ein Konflikt, ein Kampf zwischen zwei feindlichen Antagonisten der Gesellschaft stattfinde, welche sich stets verfolgten und verfolgen müßten. Der Präsident fordert den Vertheidiger auf, diese Sprache zu ändern. Leclanché. Wenn man unsere Doctrinen angreift, haben wir auch das Recht, sie zu vertheidigen; der Präsident hat dem öffentlichen Ministerium dies Verfahren gestattet. Präsident. Sprechen Sie über die Thatsachen, und nicht über Doctrinen. Leclanché. Wahrhaftig, die Pairskammer war toleranter. Nach einigem Wortwechsel entzieht der Präsident dem Vertheidiger das Wort. Leclanché. Da man sogar die freie Vertheidigung nicht mehr gestattet, werde ich an das Land appelliren. Präsident. Das ist dem Hof gleichgültig. Der Vertheidiger Courtais' hat das Wort. Advokat Bethmont. Man kann Courtais nicht ernstlich als Complicen des Attentates des 15. Mai anklagen. Mit Ausnahme zweier, die er nach den Nationalgardenwahlen als seine Collegen kennen lernte, waren ihm die sämmtlichen Angeklagten, deren Complice er gewesen sein soll, unbekannt. In Betreff der Vorfälle am Gitter verweis't die Vertheidigung auf die Rede Raspails und die zahlreichen Zeugenaussagen, welche beweisen, welche Mühe sich Courtais gegeben, dem Eindringen des Volkes zu steuern. Ueber seine Absichten können keine Zweifel sein. Hat er aber Fehler begangen? Er hat im schlimmsten Fall nichts anderes gethan, als der Präsident der Nationalversammlung, Hr. Buchez selbst, welcher etwa zwanzig gleichlautende Ordres schrieb, daß zur Vermeidung von Blutvergießen kein Generalmarsch geschlagen werden solle. Wenn man das bei Hrn. Buchez Klugheit nenne, warum soll es bei Courtais Verrath und Feigheit sein? (Bewegung.) Der Anwalt geht dann in die einzelnen Zeugenaussagen ein, um aus ihnen das loyale Benehmen des Angeklagten zu beweisen. Schluß der Sitzung 6 Uhr. * Bourges, 30. März. (Prozeßverhandlung.) Nach Eröffnung der Sitzung wird dem Advokaten Bethmont das Wort ertheilt, um sein Plaidoyer für Courtais zu vollenden. Der Vertheidiger resumirt den Inhalt seines gestrigen Vortrags und fährt dann in der Kritik der einzelnen Zeugenaussagen fort. Dieser Theil des Plaidoyer füllt in der Sitzung über 2 1/2 Stunden. Dann geht er in den öffentlichen Charakter Courtais' und die Verfolgungen ein, deren Gegenstand derselbe nach seiner Verhaftung wurde. Die Nationalversammlung war für die Partei, zu welcher Courtais und auch der Vertheidiger gehört, eine „ungeduldig erwartete Gewalt“. Man habe Sehnsucht und Eile gehabt, aus dem provisorischen Zustand zu einer geordneten Lage der Dinge zu kommen. Courtais trat in Folge einer Erwählung von 72,000 Stimmen in die Versammlung ein, Niemand hielt ihn eines Verrathes oder eines Mangels an Ergebenheit fähig. Am 10. Mai fand sich Courtais ohne sein Verschulden am Gitter dem Volke gegenüber; der General Negrier war es (hier verlies't der Vertheidiger eine Stelle aus dem Anklageakt selbst), welcher die Linientruppen von der Brücke zurückzog, in Folge einer Ordre des Präsidenten Buchez, welcher die Rückkehr der Truppen in die Militärschule anordnete. Erst als die Brücke frei war, konnte der Zug gegen das Gitter vordringen; hier aber vermochte Courtais nichts mehr, und alle Zeugen beweisen, daß er vergebens allen nur möglichen Widerstand versuchte. Der Anwalt schließt, daß nach zehnmonatlichen Kerkerleiden des Angeklagten und Erduldung aller erdenklichen Verfolgungen und Verläumdungen nicht Gnade, sondern volle Gerechtigkeit ist, welche er von den Geschworenen erwartet. Die Sitzung wird um 2 Uhr auf eine Stunde ausgesetzt. Präsident. Der Angeklagte Blanqui hat das Wort. Blanqui erklärt, sprechen zu wollen, wenn der Generalprokurator auf die Reden seiner Vertheidiger replicirt hat; der Generalprokurator antwortet, daß er nicht replicire, wenn Blanqui nicht vorher gesprochen habe. Präsident. Das ist ein leeres Wortgefecht. Angeklagter, warum wollen Sie nicht vor dem Generalprokurator sprechen? Blanqui. Weil ich ermüdet bin, und mich hier in dem Lärm nicht vorbereiten kann. Der Generalprokurator erklärt sich darauf einverstanden, die Debatten bis auf den folgenden Tag auszusetzen und die Sitzung wird um 3 1/2 Uhr aufgehoben. * Bourges, 31. März. (Prozeßverhandlung.) Die Sitzung wird um 10 Uhr eröffnet. Die Menge, welche um Blanquis Vertheidigung zu hören, zahllos herbeiströmt, findet zum übergroßen Theil keinen Platz mehr im Auditorium; große Massen treiben sich draußen in der Nähe des Gerichtshofes umher; die Militärposten sind verdoppelt und die Truppen in den Kasernen konsignirt. Präsident. Der Angeklagte Blanqui hat das Wort. Blanqui. Meine Herren, ich spreche zwar vor Ihren Bänken, aber ich spreche nicht für Ihre Ohren; ganz Frankreich ist es, das französische Volk, dieser einzige „hohe Gerichtshof“ den ich anerkenne, ist es, an welches ich mich heute wende. Bereits tönt der Schrei dieses Tribunals im Widerhall aus allen Winkeln des Landes zu uns zurück: Rufe der Entrüstung gegen die willkührlichen, wüthenden Verfolgungen, Rufe des Mitgefühls und der Theilnahme für die Unglücklichen, die hier auf den Bänken sitzen. Mögt Ihr beschließen was Ihr wollt, Ihr werdet euch dieser Stimme des Volkes nicht wiedersetzen können, ohne eine ungeheure Verantwortlichkeit auf Euch zu nehmen, eine Verantwortlichkeit, der die Strafe auf dem Fuße nachfolgen wird. Vor einem ordentlichen Gericht von uns gleichen Geschworenen würde man diese elende Anklage unter Hohn und Zischen verfolgt haben… Präsident. Ich kann Ihnen nicht gestatten, in dieser Weise fortzufahren. Blanqui. Hr. Präsident, ich habe das Recht, mich in voller Entrüstung gegen eine Anklage zu heben, die wie die gegenwärtige auch des leisesten Scheins irgend einer Begründung entbehrt. Ah, in der That, vielleicht thäten wir besser, uns durch Demüthigung vor einer in Geschworene verwandelten Beamten-Kommission bessere Aussichten zu schaffen. Aber wo die Leidenschaft spricht, mag auch die Leidenschaft antworten. Alle Rechtsprinzipien sind hier vor diesem Tribunale verletzt; die Anklage selbst gesteht es, daß sie keine Verurtheilung aus Gerechtigkeitsgründen, nein, eine Verurtheilung aus Nützlichkeitsgründen, eine Verurtheilung zur „Beruhigung des Landes,“ zur Beruhigung der Bourgeois verlangt. Präsident. Angeklagter, ich kann Ihnen diese Sprache nicht gestatten, Sie compromittiren selbst Ihre Sache, Sie reden gegen Ihr eignes Interesse. Blanqui. Herr Präsident, ich selbst bin der einzig competente Richter über meine Interessen, und es beunruhigt mich nicht, meine Sache zu compromittiren. Wenn Sie mir nur gestatten wollen, die Anschuldigungen gegen mich in Betreff des 15. Mai zu bekämpfen, so habe ich nichts zu sagen, denn diese Anschuldigungen halte ich nicht für Redens werth. Meine Advokaten haben in Betreff des 15. Mai geantwortet; ich selbst habe meinen politischen Charakter zu vertheidigen, den man hier angegriffen hat. Wenn Sie das nicht gestatten, will ich schweigen. Präsident. Wir gestatten Ihnen nicht, das Dekret der Nationalversammlung und die Kompetenz des Gerichtshofes anzugreifen. Blanqui. Das Dekret der Nationalversammlung kann in meinen Augen nichts in der Sache ändern. Was ich in meiner Vertheidigung untersuchen will, ist erstens die Art und Weise, in welcher die Anklage hier gegen uns auftritt, und die Begünstigung, die man ihr zu Theil werden läßt… Präsident. Ist die Vertheidigung nicht frei? Blanqui. Nein. Man geht systematisch darauf aus, uns das Wort zu entziehen. Raspail wurde u. A. auf die brutalste Weise unterbrochen, als er sich mit der größten Mäßigung ausdrückte. Präsident. Wir gehen allerdings systematisch darauf aus, den Angeklagten die Exposition ihrer Doktrinen zu verwehren, für die hier nicht der Ort ist. Blanqui. Die Anklage hat also allein hier das Recht, unsere Doktrinen zu entstellen und in das Gespinst ihrer Beschuldigungen zu verweben. Hat man nicht hier Utopien und subversive Theorien uns untergebreitet? Präsident. Wenn Sie ausführen wollen, daß Ihre Theorien nicht antisozial sind, gebe ich Ihnen das Wort nicht. Zeigen Sie, daß dieselben nicht strafbar sind. Blanqui. Das ist grade das, was ich thun wollte. Auf diesen Zwischenfall folgt eine kurze Unterbrechung. Der Präsident ertheilt nach einander Hrn. Léclancher, dem Rechtsbeistand, und Hrn. Rivière, dem offiziellen Advokaten Villains das Wort, um dessen Vertheidigung zu führen, während sich Blanqui mit seinen Beiständen besprechen könne. Léclancher erklärt, daß er es unter seiner Würde halte, das Wort noch zu ergreifen, nachdem man ihm vorgestern in so wohlwollender Weise die Vertheidigung abgeschnitten habe; Rivière behauptet, nur der zweite Anwalt Villains zu sein und nicht nöthig zu haben, vor der Replik des Generalprokurators zu sprechen. Blanqui erhält wieder das Wort. (Seine Rede wird fast bei jedem Satz von dem Präsidenten oder dem Generalprokurator unterbrochen; wir lassen dieselbe des Zusammenhangs wegen in ihrem Hauptinhalt unverkürzt hier folgen.) Blanqui. Ich sagte, vor einem ordentlichen Gericht von uns glei_ en Geschworenen würde diese elende Anklage den großen Sitzungstag nicht erlebt haben, ohne auch sogleich unter Gelächter und Zischen zusammenzufallen. Es bedurfte also einiger besseren Chancen, eines dieser Areopagen von hohem Geschmack, welche es unter ihrer Würde halten, auch nur die allerschlechteste Posse auszuzischen; ein Prevotalgericht, Retroaktivät, als Geschworene verkleidete Beamte, ausgesuchte Richter, die nicht aus der allgemeinen Wahl hervorgehen, eine Raritätensammlung mit einem Wort, vor der man alle Rechtsprinzipien ungestraft mit Füßen zu treten hoffte, von der man eine Verurtheilung nicht aus Gerechtigkeits- sondern aus Nützlichkeits-Gründen verlangen konnte. Sie, meine Herren, sind es, die man zu diesem trefflichen Werk für geeignet hielt; danken Sie das Compliment denen, die es Ihnen gemacht haben. Was mich und alle diejenigen betrifft, welche dies Gaukelspiel einer Gerichtsverhandlung zurückgewiesen haben, so gleiten alle Dekrete der Welt an unserer Haltung ab, ohne sie zu ändern. Wir bleiben was wir waren, politische Antagonisten die man außer den gewöhnlichen Gesetzen erklärt und als Brandopfer den Staatsinteressen hingeworfen hat. Wenn ich daher hier dies Terrain Fuß für Fuß vertheidige, so geschieht dies nicht in Besorgniß vor einem Gericht, das in meinen Augen verschwindet. Meine Worte sind kein Plaidoyer, denn es giebt hier keine Richter für mich; sie sind ein Ruf an meine Nation, um der Verläumdung die Maske abzureißen und die Ungleichheit eines Prozeßkampfes zu enthüllen, der den kläglichsten Prozessen der englischen Restauration würdig zur Seite steht. ‥‥ Seit drei Wochen haben wir hier den Haß gegen das Tageslicht und die Oeffentlichkeit sich offen erheben sehen, die scheue Vorliebe für das Dunkel und die Geheimnisse, welche den Rachedurst einer schrankenlosen Gewalt bekundet. Ich glaubte, ich weiß nicht welchen finstern Geruch des Chatelet zu athmen, der den schrecklichen Austausch von Seufzern der Gefangenen und mörderischen Fragen der Inquisition wieder vor die Seele führte, von denen die Gewölbe der Bastille widerhallten. Hierzu eine Beilage.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz264_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz264_1849/4
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849, S. 1488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz264_1849/4>, abgerufen am 21.11.2024.