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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849.

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lich sind: haben wir zum Glück an vielen Orten so schlagende Beweise von der gewerblichen Eigenschaft jener Mühlenabgaben vor Augen, daß die Herren Ritter es stets für's Klügste gehalten, solche kitzliche Dinge mit dem unverbrüchlichsten Stillschweigen zu behandeln.

Zum Beispiel. Es giebt eine große Zahl schlesischer Mühlen, die entweder gar keinen Acker besitzen oder so wenig, daß man noch schaamloser sein müßte im Behaupten, als die schlesische Ritterschaft im Rauben, wenn man die jährlichen Mühlzinsen in Geld, Getraide, Mehl und Hofediensten auch nur zu einem Theil für Grundzinsen ausgeben wollte. Uns ist eine Wassermühle von zwei Gängen bekannt, ohne allen Acker, die aber dennoch dem Gutsherrn jährlich circa 40 Thlr. -- Getraide und Mehl mit in Geld berechnet -- zu entrichten hat. Vor 1810 konnte der Müller diese Abgabe sehr wohl aufbringen. Der Dominialherr durfte damals keinen Scheffel Getraide anderswo, als in dieser ihm zinsenden Mühle vermahlen lassen, der gleiche Mahlzwang erstreckte sich auf das ganze Dorf und auf andere Dörfer bis dahin, wo das von den Gutsherren geschützte Monopol eines anderen zinsenden Müllers anfing. Der Müller entschädigte sich für seine Abgaben an's Dominium schon an dem herrschaftlichen Getraide. Für das Hofegesinde wurde das Mehl möglichst schlecht geliefert und von herrschaftlichem wie bäuerlichen Mahlgut doppelt "gemetzt."

Trotzdem, daß dies Alles aufgehört, daß der Dominialherr eine eigene Mühle gebaut und der ihm zinsenden durch wohlfeilere Produktion die Kunden entrissen hat, ist ihm seit 1810 alljährlich der frühere Geld- und Naturalzins von circa 40 Thlr. fort und fort entrichtet und so ein Besitzer der Mühle nach dem andern bankrott gemacht worden. Das Zugrundegehen der verschiedenen Besitzer war stets eine neue Einnahmequelle für den gnädigen Herrn Baron. Wie bekannt, muß bei jedem Verkauf einer bäuerlichen Besitzung dem Gutsherrn unter dem Titel Laudemium eine Abgabe von 10 pCt. entrichtet werden. Je mehr Subhastationen und Verkäufe, desto mehr Laudemien, desto erfreulicher für den gutsherrlichen Geldsack.

Ferner: Ein Müller im Schweidnitzer Kreise, der seine Wehr und was zum Wasserlauf und zur Mühle gehört, selbst zu bauen hat und dem die Gutsherrschaft zu keiner Gegenleistung verpflichtet ist, zahlt jährlich über 80 Thlr. Zins an den gnädigen Herrn, d. h. die nämliche Summe, wie vor Einführung der Gewerbefreiheit. Daß es kein Grundzins ist, ergiebt sich aus Vergleichung mit andern Besitzungen in jenem Dorfe, die bei einer gleichen Morgenzahl an Grundzins 6 1/2 Thlr. jährlich zu zahlen haben. Bleiben 73 1/2 Thlr., die blos dieser Eine Müller jährlich oder seit 1810 insgesammt circa 2940 Thlr., für den Zunftzwang, der nicht mehr besteht, dem Gutsherrn, der freilich fort und fort und sehr wohl dabei besteht, in den Rachen geworfen hat und mit vollstem Recht auf Zurückzahlung des Raubes dringen wird, sobald der Tag der Abrechnung und einer modernen Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse angebrochen ist.

Ferner: Bei Windmühlen kommt die Raubrittergier, die ihre Beute gern aus einem Rechtstitel herleitet, am Meisten ins Gedränge. Wehr- und Wasserbauten lassen sich hier doch nicht gut als Grund für den Mühlenzins anführen. Ist nun die Windmühle zugleich ohne Acker: so löst sich auch der angebliche Grundzins -- der übrigens auch weiter nichts als eine raubritterliche Erpressung ist -- in Rauch auf. Frägt man in solchen Fällen die Herren Ritter nach dem Grunde der Abgabe: so stehen die Ochsen am Berge und schweigen. Der gedachten Fälle sind nicht wenige. Wir erinnern uns einer Windmühle, bei der außer dem Fleck, auf welchem sie steht und herumgedreht wird, sich auch nicht eine Quadratruthe Acker befindet. Dennoch muß sie dem Gutsherrn den enormen Zins von circa 53 Thlrn. entrichten, wie unter dem Zunftzwange, der ihr das Monopol und damit das Wiederheraus des Zinses an den Gutsherrn sicherte.

Wie den Müllern, so ging's den übrigen Handwerkern und Gewerbtreibenden.

Der Schmied mußte unter dem Zunftzwange für ein festgesetztes Lohn alle sein Fach betreffenden Arbeiten für's Dominium liefern. Bei ihm allein durfte der Gutsherr die Pferde und die Wagen- und Pflugräder beschlagen, die Pflugschaare und Seche, die Eggen, Ketten etc. anfertigen lassen. Auch die Bauernschaft war an den monopolisirten Schmied gewiesen. Dafür zahlte er dem Gutsherrn jährlich so und so viel Zins und leistete ihm so und so viel Hofedienste.

Mit der Gewerbefreiheit mußte diese Abgabe sofort wegfallen. Sie ist aber durch die im preußischen Staate übermächtige Raubrittergewalt aufrecht erhalten und forterhoben worden. Während die gnädigen Herren solchergestalt ihre Beutel mit Abgaben, die aus dem Zunftzwang herrührten, bis auf den heutigen Tag zu spicken wußten: benutzten sie die Gewerbefreiheit, um, wie dem Müllerherrschaftliche Mühlen, so dem Schmiede herrschaftliche Schmieden zum eignen Bedarf wie zur Konkurrenz entgegenzustellen. So vereinigte sich das raubritterliche Talent mit dem bürgerlich-industriellen Genie und die Krone "von Gottes Gnaden" sprach ihren Segen dazu.

Wäre das Gesetz "zur Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse" nicht durch und durch blos auf den Vortheil der Raubritterschaft berechnet gewesen: so durfte es wenigstens das Aufhören des Zunftzwanges nicht ignoriren. Auf Grund dieses Gesetzes haben in den letzten 30 Jahren die sogenannten "Ablösungen" stattgefunden. Vielleicht ein Drittel des schlesischen Landvolks hat sich "abgelöst," mit andern Worten, hat seine Roboten und Zinsen an die gnädigen Gutsherrn in die für letztere weit bequemere und einträglichere Form von Renten verwandeln lassen oder den Ablösungsbetrag sofort baar, zum Theil auch durch Abtretung von Aeckern entrichtet. Die Schlußakte eines jeden Ablösungsverfahrens heißt "Rezeß." Wie diese Rezesse zu Stande gekommen, haben wir in einer frühern Nummer auseinandergesetzt. Was speziell jene aus dem Zunftzwang herrührenden gewerblichen Abgaben an die Gutsherrschaft, wie die Zinsen der Müller, Schmiede, Bäcker, Kretschmer, Fleischer etc. anlangt: so sind diese, so laut auch das Unrecht zum Himmel aufschrie, mit abgelöst und in den "Rezessen" vermerkt worden. Zwar sind über diese Abgaben während der letzten 30 Jahre eine Menge Prozesse, insbesondere wegen der Mühlenzinsen, anhängig gemacht worden. Doch die Ritterschaft verlor selten und aus leicht begreiflichen Gründen, deren Wiederholung überflüssig. Genug, die Meisten der sogenannten "Verpflichteten" zahlen diese Abgaben noch fort, oder haben, wo die "Ablösung" vor sich gegangen, enorme Summen dafür aufbringen und die "Rezesse" nolens volens unterschreiben müssen.

Betrug und Gewalt auf der einen, und theilweise Unwissenheit und Schafsgeduld des schlesischen Landvolks auf der andern Seite sind die Grundlagen, auf denen die Ablösungs-"Rezesse" beruhen. Nicht zufrieden, solche Sächelchen, wie Mühlen-, Schmiede-, Kretscham- und andere Zinsen ablösen und in die "Rezesse" aufnehmen zu lassen, mußte die noble Ritterschaft noch andere Dinge für sich hineinzuschmuggeln, und unter der Form des bürgerlichen Vertrages, des "Rezesses," durch die Unterschrift der Bauern und das Siegel der Generalkommission festzustellen. Von tausend Beispielen nur Eins. In Pitschen, Striegauer Kreises, hatte der Herr Graf Matuschka, Besitzer dieser Herrschaft, kein Urbarium, also keine Urkunde, in der irgend etwas von der Verpflichtung der Bauern zur Zahlung von Laudemien gestanden hätte. Gleichwohl hatten die Bauern fortwährend Laudemien zahlen müssen. Als nun das Dorf die Ablösung beantragt hatte, und die Sache bis zum Abschluß des "Rezesses" gediehen war: da weiß der Dominialherr oder sein Vertreter geschickt eine Stelle von den Laudemien anzubringen, durch welche die Bauern zur Zahlung verpflichtet werden. Der "Rezeß" ward unterschrieben, wie gewöhnlich, und nun hatten die Bauern ihre Laudemienpflicht schwarz auf weiß und mit ihrer Unterschrift bekräftigt. Mehrere Jahre später klagte aber ein Bauer, dem der edle Graf Laudemien abforderte, vor Gericht. Der Graf berief sich auf den "Rezeß." Doch das Oberlandesgericht zu Breslau fand diesmal die Sache doch zu arg. In seinem Erkenntniß erklärte es jene eingeschmuggelte Klausel für null und nichtig, und sprach den Bauer von der Laudemien-Zahlung frei.

In Oelse bei Striegau kam auch ein "Rezeß" zu Stande. Die Bauern freuten sich anfangs; sie dachten, bei der Ablösung noch gut weggekommen zu sein. Bald wurden sie aber eines Andern belehrt. Es waren in dem Rezeß die beiden Wörter "exclusive" und "inclusive" wiederholt vorgekommen. Das Aktenstück war den Leuten, ehe sie unterschrieben, vorgelesen worden. Was sie nach ihrem Verständniß für "exclusive" gehalten, das hatte der "Rezeß" und der dominialvergnügte Amtsrath inclusive gemeint und umgekehrt. Als den Bauern die beiden Worte sehr bald thatsächlich durch die an sie ergehenden Forderungen aufgeklärt wurden,da kratzten sie sich hinter den Ohren und sagten mit trauriger Miene: "Hatta mer og die verpflichta beda Wörtla verstanda, sie hatta uns nich a su bscheißa sulln!" (Hätten wir nur jene verdammten beiden Wörter verstanden, die hätten uns nicht so beschummeln sollen!)

Es genügt durchaus nicht, die bisher vorgekommenen Ablösungen oder die "Rezesse" einer Revision zu unterwerfen, und sie, so weit sie auf Urbarien sich stützen, gelten zu lassen. Die Urabarien selbst sind im vorigen Jahrhundert mit noch größerer Gewalt und noch ärgerem Betruge Betruge theils aufgestellt, theils konfirmirt worden, als die "Rezesse" in diesem.

Was das schlesisches Landvolk mit allem Recht zu fordern hat, das ist: Rückgabe des ritterschaftlichen Raubes, insoweit er durch die "Rezesse" legalisirt worden, Rückgabe aller an die Gutsherrn seit 1810 entrichteten Zinsen und Naturalleistungen, die im Zunftzwange ihren Ursprung hatten, unentgeldliche Aufhebung sammtlicher Feudallasten und vollständige Entschädigung für die circa 300 Millionen Thaler, um welche der schlesische Landmann blos in den letzten 30 Jahren von seiner gottbegnadeten Raubritterschaft direkt geprellt worden ist.

* Köln, 4. April.

Gestern theilte der kommiss. Oberbürgermeister Hr. Gräff im Stadtrath mit, daß von Berlin der Befehl eingetroffen sei, das 8. Armeekorps mobil zu machen und alle dazu gehörigen Landwehren der Rheinprovinz unter die Waffen zu rufen. Wir kommen darauf zurück.

103 Barmen, 2. April.

Wie fast an allen Orten, so stocken auch in unserer Stadt in Folge der contrerevolutionären Influenzen die Geschäfte der Handwerker und kleinen Gewerbtreibenden in immer steigendem Maße, was uns einen neuen Beweis von der Wahrheit der betreffenden Stelle in der Manteuffel'schen Thronrede liefert und die Excellenz A. v. d. Heydt vielleicht in dem Glauben bestärken mag, als seien Dero Verordnungen, die Gewerbeverhältnisse betreffend, von ungemein günstiger Wirkung. Unsere reichen Fabrikbesitzer machen den armen ausgehungerten Arbeitern heutzutage entweder solche enorme Abzüge, daß dieselben nur mit genauer Noth ihrer Familie das nothdürftigste Brod und Kartoffeln verschaffen können, oder sie geben ihnen nur während der Hälfte der Tageszeit Beschäftigung und halbes Lohn. Es kann natürlich nicht ausbleiben, daß die gedrückten Fabriksklaven die ihnen auferlegten Steuern nicht zahlen können.

Die sich Weigernden sind nach den Ansichten unserer Geldsäcke jedenfalls von den geheimen Wühlern irre geleitet und zu diesem unerhört schrecklichen Betragen aufgefordert worden. -- Da hat denn nun unser Exlandtags-Deputirter und der Feind der Einkommensteuer, Bourgeois W. v. Eynern in einer der letzten Sitzungen unseres Gemeinderaths den philantropischen Vorschlag gemacht, man möge den Fabrikanten derjenigen Arbeiter, welche Verdienst haben (d. h. so viel Lohn, daß sie gerade nicht verhungern), die Steuerzettel zustellen, auf daß Jene den Arbeitern wöchentlich für die Steuern Abzüge machen!! Dieser Exlandtags-Deputirte, der vielleicht ein Vermögen von einigen hundert-tausend Thalern, und ein enormes jährliches Einkommen hat, er, der nie den Besuch des Gottesdienstes unterläßt, vielmehr sonntäglich die biblischen Sprüche und Gleichnisse vernimmt: dieser Mann wagte einen solchen Vorschlag zu machen und dabei zu äußern: "Es hat sogar ein Arbeiter die Steuern zu zahlen verweigert, der wöchentlich 2 Thlr. 20 Sgr. baares Geld verdient!!"

X Berlin, 2. April.

Aus gut unterrichteter Quelle erfahren wir, daß von Seiten des Finanzministeriums und der Seehandlung in der letzten Woche alles Mögliche angewendet wurde, um den Kours der Stsatsschuldscheine und der freiwilligen Anleihe zu halten. Die Rüstungen zum dänischen Krieg und der Bau der Ostbahn werden bald eine Anleihe nöthig machen. Um günstige Bedingungen zu erlangen, sucht man die Kourse jetzt künstlich in der Höhe zu halten. Der Staatsschatz ist leer, und in den Staatskassen befindet sich kaum noch so viel, um die laufenden Ausgaben zu decken.

In "London Hotel" ist gestern Abend eine sehr stürmische Parteisitzung gewesen. Es galt die Adresse in Betreff der deutschen Frage. Die beiden Entwürfe Vinke's und Arnim's wurden lebhaft diskutirt, und die tiefe Kluft, welche sogar zwischen diesen beiden Männern herrscht, sobald nicht gegen die "Anarchie" opponirt werden muß, zeigte sich deutlich genug.

In der Kommission, welche zur Berathung über die Dringlichkeit des bekannten Vinke'schen Antrages zusammentrat, wurde von v. Unruh eine Adresse vorgeschlagen, welche später auch, mehrfach amendirt, angenommen wurde. Die Mitglieder der Linken widersetzten sich zwar dem Erlasse einer Adresse, wurden jedoch überstimmt, und so hielten sie es für ihre Pflicht, um die drei andern Adreßentwürfe der Herren Auerswald, Arnim und Vinke zu beseitigen, sich der Abstimmung nicht zu enthalten. Die Vinke-Urlich'sche Adresse vertrat das spezifische Preußenthum, während die des Herrn Arnim das diplomatische Verdienst hatte, gar keinen Gedanken zu enthalten. Herr Auerswald erging sich in poetischen Versuchen.

Aus der Debatte heben wir nur hervor, daß sich Herr Vinke wacker auf seinem Rechtsboden herumtummelte. Nach seiner Meinung ist es nothwendig, daß Deutschland dem Auslande gegenüber eine starke Centralgewalt besitze. Jedoch sei wohl zu beachten, daß außer den 28 Regierungen sich gerade die bedeutendsten, Sachsen, Baiern und Oestreich gegen ein preußisch-deutsches Kaiserthum erklärt hätten. Es sei anzunehmen, daß Würtemberg und Hannover, gedrängt von den Kammern, ihre Zustimmung geben würden, jedenfalls aber würden die diffentirenden Regierungen, mit der Zeit noch zur Besinnung kommen, und darum sei es staatsklug, zu warten bis dies geschehe. Moral: er hält den König für moralisch verpflichtet, den ihm von der deutschen Nationalversammlung zugedachten Beruf nicht abzulehnen, würde jedoch einer Adresse nicht zustimmen, welche unbedingt erklärte, der König solle jenen Beschluß ausführen, weil dann die Gefahren des Krieges zu besorgen sein.

Herr Arnim erklärte, es sei formell richtig gewesen die Krone zuerst sprechen zu lassen und ihrer Entscheidung nicht durch eine Adresse vorzugreifen. Da dies nun nicht der Fall sei, so verkenne er nicht, daß jetzt die Kammer nicht schweigen könne. Da nun vorausgesetzt werden müsse, daß ihre Worte Einfluß auf die Geschicke Deutschland's und Preußen's haben werden, so müsse sie auch den Konsequenzen entgegengehen, und dies könne mit großer Gefahr verbunden sein, weil vorübergehend, statt der Einheit ein großer Zwiespalt entstehen dürfte.

Gegen das Verlangen Ziegler's, daß die Adresse die Voraussetzung aussprechen müsse, der König werde das Verfassungswerk und die einzelnen Bestimmungen ohne Bedingung annehmen, äußerte Arnim, daß gerade die fraglichen Bestimmungen zuletzt blos im Wege der Transaktion getroffen worden sein und der innern Majorität der Nationalversammlung nicht entsprächen.

Zuletzt fand noch ein kleiner Etiquettenstreit Statt, ob es heißen solle: "verfassungsgebende" oder "deutsche Nationalversammlung". Herr v. Vinke erklärte das erstere zwar für einen nichtssagenden Titel, jedoch auch dabei beruhigte sich die Rechte nicht, sondern beharrte auf dem Ausdrucke: "deutsche Nationalversammlung".

* Berlin, 2 April.

Der "Preußische Staats-Anzeiger" weiß vortrefflich offizielle Geschichte zu machen. Ueber den Empfang der reichskaiserlichen Deputation in Köln entnimmt er unter Zitirung den von der "Kölnischen" darüber erstatteten Wollustbericht, der bekanntlich gegen Ende in rein "verthierte" Schmerzenslaute übergeht. Sei's ästhetische Scheu, sei's Besorgniß, den Potsdamer Gottbegnadeten mit dem letzten Theil des Berichts in allzugroße Mitleidenschaft mit den in Köln schwergeprüften Froschteichlern zu versetzen: genug, der "Preußische Staats-Anzeiger" druckt die "Kölnische" eben nur bis dahin ab, wo die katzenmusikalische Demonstration anhebt, durch welche Köln seine Ansicht von der Frankfurter Kaiserfabrikation einem Soiron und Konsorten kundgeben wollte. Für den "Preußischen Staats-Anzeiger" ist nur die 18 Mann hohe sogenannte Bürgerdeputation, d. h. die "Abordnung" des aus c. 90 Mitgliedern bestehenden Heuler- oder "Bürgervereins" vorhanden; die große "Abordnung" des Volkes vor dem Hotel Disch und die von ihr der nach Berlin eilenden Deputation improvisirte Huldigung und die zur Auseinandersprengung aufgebotene Militärmacht, werden mit dem rührendsten Stillschweigen übergangen.

121 Magdeburg, 2. April.

Der Rheinische Kreisausschuß der Demokraten in Köln wurde wegen Aufforderung zum Widerstande gegen die Obrigkeit zur Kriminaluntersuchung gezogen, jedoch bekanntlich von der Jury freigesprochen.

Das Oberlandesgericht in Halberstadt hat in einer ähnlichen Untersuchung ebenfalls ein freisprechendes Erkenntniß erlassen.

In demselben Sinne hat sich das Kammergericht ausgesprochen, indem es den Staatsanwalt mit seiner Anklage gegen mehrere Mitglieder der Nationalversammlung, welche zugleich zur Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses beigetragen hatten, zurückgewiesen hat. Sämmtliche Gerichte nahmen an, daß weder nach dem rheinischen Strafgesetzbuche, noch nach dem allgemeinen Landrechte die Verweigerung der Steuern aus politischen Gründen und die Aufforderung dazu mit Strafe bedroht sei.

Der Kriminalsenat des Oberlandesgerichts in Magdeburg hat endlich sich das Verdienst erworben, die Gesetzesstellen zu ermitteln, nach welchen dergleichen Handlungen zu bestrafen sind.

In der wider den Land- und Stadtgerichtsassessor Lindenberg und den Kaufmann Mewes in Genthin geführten Untersuchung nimmt dieses Gericht, bestehend aus dem Vicepräsidenten Martens und den Oberlandesgerichtsräthen Sombart, Hundrich, Elsholz, Schelb und Kniese, in dem am 17. März abgefaßten Erkenntnisse an, es sei gegen die Angeschuldigten nachgewiesen, daß sie am 17. November vorigen Jahres in einem Gasthofe in Genthin gesagt haben: "wir brauchen keine Steuern mehr zu bezahlen, die Nationalversammlung hat es beschlossen; wer Steuern zahlt läuft Gefahr, sie später noch einmal zu bezahlen."

Dies geschah im Gespräche mit mehreren Personen, unter welchen auch Steuererheber, und in einer der beiden Gaststuben, in welchen sich etwa 40 Personen befanden. Das Gericht findet hierin eine Aufforderung und Anreizung zur Steuerverweigerung.

Bei Einleitung der Untersuchung erklärte der Oberlandesgerichtsrath Sombart als Inquirent auf Befragen, daß der Kriminalsenat selbst noch nicht klar darüber sei, nach welchem Gesetze die inculpirte Handlung beurtheilt werden müsse. Entweder sei der § 151, Theil II, Titel 20 des allgemeinen Landrechts: Wer durch frechen, unehrerbietigen Tadel, u. s. w. oder §. 242 daselbst: Wer dem Staate die schuldigen Abgaben und Gefälle betrüglicher Weise vorenthält, u. s. w. oder §. 92 daselbst vom Hochverrathe anzuwenden.

Am Schlusse der Untersuchung hielt der Kommissarius dem Inkulpaten zu Protoll vor, daß § 233 daselbst, betreffend die Anmaßung eines Hoheitsrechtes, nebst Vergehen wider die Verfassung des Staates, Platz greife. Gegen diese Strafbestimmungen richtete sich demgemäß die Vertheidigung.

In dem Erkenntnisse vom 17. März führt der Kriminalsenat ebenfalls aus, daß die bezeichneten Strafgesetze nicht anwendbar seien. Die inkriminirte Handlung sei vielmehr als ein Versuch zum Aufruhr nach § 167 und § 168 zu beurtheilen, worin es heißt:

§ 167. Wer eine Klasse des Volkes, oder die Mitglieder einer Stadt- und Dorfgemeinde, ganz oder zum Theil, zusammenbringt, um sich der Ausführung obrigkeitlicher Verfügungen mit vereinigter Gewalt zu widersetzen, oder Etwas von der Obrigkeit zu erzwingen: der macht sich eines Aufruhrs schuldig.

§ 168. Wer einen Aufruhr erregt, der hat, wenn auch noch keine wirkliche Gewalt verübt worden, und noch kein Schaden geschehen ist, dennoch ein- bis vierjährige Zuchthaus- oder Feststungsstrafe verwirkt.

Ueber die Bedenken, daß nicht ein Zusammenbringen der Gesellschaft durch die Inkulpaten bewirkt, noch eine Gewalt beabsichtigt sei, kommt der Gerichtshof dadurch hinweg, daß er deducirt:

"Es sei ganz gleichgültig, ob ein eigentliches Zusammenbringen des Volkes zum Zwecke des Aufruhrs geschehen, oder ob eine zufällig versammelte Menge aufgerührt sei. Auch habe das Gesetz keineswegs eine wirkliche, eigentliche Gewalt (!!!) gemeint, wie schon daraus hervorgehe, daß es sich des Ausdrucks "vereinigte Gewalt" bediene. In einer Vereinigung Vieler liege aber immer eine Gewalt."

Nun seien aber die bei dem Vorfalle mitanwesend gewesenen drei Schützen, zu welchen die Inkulpaten gesprochen, der Aufforderung derselben sofort entgegengetreten. Es sei mithin jene Aufforderung nur als ein Versuch zum (passiven!) Aufruhr zu betrachten. Unter Berücksichtigung dieses mildernden Umstandes erkannte der Kriminalsenat

gegen den Assessor Lindenberg auf Kassation, Unfähigkeit zu allen öffentlichen Aemtern und neunmonatliche Festungsstrafe; gegen den Kaufmann Mewes auf sechsmonatliche Festungsstrafe und gegen Beide, da sie durch ihr Benehmen ihre "unpatriotische Gesinnung" (!!!) kundgegeben haben, auf Verlust der Nationalkokarde.

Interessante Enthüllungen über das Treiben der siegestrunkenen contrerevolutionären Partei bieten folgende zu den Untersuchungsakten gekommene in preußischer Sprache stylisirte und ortographirte Schrei-

lich sind: haben wir zum Glück an vielen Orten so schlagende Beweise von der gewerblichen Eigenschaft jener Mühlenabgaben vor Augen, daß die Herren Ritter es stets für's Klügste gehalten, solche kitzliche Dinge mit dem unverbrüchlichsten Stillschweigen zu behandeln.

Zum Beispiel. Es giebt eine große Zahl schlesischer Mühlen, die entweder gar keinen Acker besitzen oder so wenig, daß man noch schaamloser sein müßte im Behaupten, als die schlesische Ritterschaft im Rauben, wenn man die jährlichen Mühlzinsen in Geld, Getraide, Mehl und Hofediensten auch nur zu einem Theil für Grundzinsen ausgeben wollte. Uns ist eine Wassermühle von zwei Gängen bekannt, ohne allen Acker, die aber dennoch dem Gutsherrn jährlich circa 40 Thlr. — Getraide und Mehl mit in Geld berechnet — zu entrichten hat. Vor 1810 konnte der Müller diese Abgabe sehr wohl aufbringen. Der Dominialherr durfte damals keinen Scheffel Getraide anderswo, als in dieser ihm zinsenden Mühle vermahlen lassen, der gleiche Mahlzwang erstreckte sich auf das ganze Dorf und auf andere Dörfer bis dahin, wo das von den Gutsherren geschützte Monopol eines anderen zinsenden Müllers anfing. Der Müller entschädigte sich für seine Abgaben an's Dominium schon an dem herrschaftlichen Getraide. Für das Hofegesinde wurde das Mehl möglichst schlecht geliefert und von herrschaftlichem wie bäuerlichen Mahlgut doppelt „gemetzt.“

Trotzdem, daß dies Alles aufgehört, daß der Dominialherr eine eigene Mühle gebaut und der ihm zinsenden durch wohlfeilere Produktion die Kunden entrissen hat, ist ihm seit 1810 alljährlich der frühere Geld- und Naturalzins von circa 40 Thlr. fort und fort entrichtet und so ein Besitzer der Mühle nach dem andern bankrott gemacht worden. Das Zugrundegehen der verschiedenen Besitzer war stets eine neue Einnahmequelle für den gnädigen Herrn Baron. Wie bekannt, muß bei jedem Verkauf einer bäuerlichen Besitzung dem Gutsherrn unter dem Titel Laudemium eine Abgabe von 10 pCt. entrichtet werden. Je mehr Subhastationen und Verkäufe, desto mehr Laudemien, desto erfreulicher für den gutsherrlichen Geldsack.

Ferner: Ein Müller im Schweidnitzer Kreise, der seine Wehr und was zum Wasserlauf und zur Mühle gehört, selbst zu bauen hat und dem die Gutsherrschaft zu keiner Gegenleistung verpflichtet ist, zahlt jährlich über 80 Thlr. Zins an den gnädigen Herrn, d. h. die nämliche Summe, wie vor Einführung der Gewerbefreiheit. Daß es kein Grundzins ist, ergiebt sich aus Vergleichung mit andern Besitzungen in jenem Dorfe, die bei einer gleichen Morgenzahl an Grundzins 6 ½ Thlr. jährlich zu zahlen haben. Bleiben 73 ½ Thlr., die blos dieser Eine Müller jährlich oder seit 1810 insgesammt circa 2940 Thlr., für den Zunftzwang, der nicht mehr besteht, dem Gutsherrn, der freilich fort und fort und sehr wohl dabei besteht, in den Rachen geworfen hat und mit vollstem Recht auf Zurückzahlung des Raubes dringen wird, sobald der Tag der Abrechnung und einer modernen Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse angebrochen ist.

Ferner: Bei Windmühlen kommt die Raubrittergier, die ihre Beute gern aus einem Rechtstitel herleitet, am Meisten ins Gedränge. Wehr- und Wasserbauten lassen sich hier doch nicht gut als Grund für den Mühlenzins anführen. Ist nun die Windmühle zugleich ohne Acker: so löst sich auch der angebliche Grundzins — der übrigens auch weiter nichts als eine raubritterliche Erpressung ist — in Rauch auf. Frägt man in solchen Fällen die Herren Ritter nach dem Grunde der Abgabe: so stehen die Ochsen am Berge und schweigen. Der gedachten Fälle sind nicht wenige. Wir erinnern uns einer Windmühle, bei der außer dem Fleck, auf welchem sie steht und herumgedreht wird, sich auch nicht eine Quadratruthe Acker befindet. Dennoch muß sie dem Gutsherrn den enormen Zins von circa 53 Thlrn. entrichten, wie unter dem Zunftzwange, der ihr das Monopol und damit das Wiederheraus des Zinses an den Gutsherrn sicherte.

Wie den Müllern, so ging's den übrigen Handwerkern und Gewerbtreibenden.

Der Schmied mußte unter dem Zunftzwange für ein festgesetztes Lohn alle sein Fach betreffenden Arbeiten für's Dominium liefern. Bei ihm allein durfte der Gutsherr die Pferde und die Wagen- und Pflugräder beschlagen, die Pflugschaare und Seche, die Eggen, Ketten etc. anfertigen lassen. Auch die Bauernschaft war an den monopolisirten Schmied gewiesen. Dafür zahlte er dem Gutsherrn jährlich so und so viel Zins und leistete ihm so und so viel Hofedienste.

Mit der Gewerbefreiheit mußte diese Abgabe sofort wegfallen. Sie ist aber durch die im preußischen Staate übermächtige Raubrittergewalt aufrecht erhalten und forterhoben worden. Während die gnädigen Herren solchergestalt ihre Beutel mit Abgaben, die aus dem Zunftzwang herrührten, bis auf den heutigen Tag zu spicken wußten: benutzten sie die Gewerbefreiheit, um, wie dem Müllerherrschaftliche Mühlen, so dem Schmiede herrschaftliche Schmieden zum eignen Bedarf wie zur Konkurrenz entgegenzustellen. So vereinigte sich das raubritterliche Talent mit dem bürgerlich-industriellen Genie und die Krone „von Gottes Gnaden“ sprach ihren Segen dazu.

Wäre das Gesetz „zur Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse“ nicht durch und durch blos auf den Vortheil der Raubritterschaft berechnet gewesen: so durfte es wenigstens das Aufhören des Zunftzwanges nicht ignoriren. Auf Grund dieses Gesetzes haben in den letzten 30 Jahren die sogenannten „Ablösungen“ stattgefunden. Vielleicht ein Drittel des schlesischen Landvolks hat sich „abgelöst,“ mit andern Worten, hat seine Roboten und Zinsen an die gnädigen Gutsherrn in die für letztere weit bequemere und einträglichere Form von Renten verwandeln lassen oder den Ablösungsbetrag sofort baar, zum Theil auch durch Abtretung von Aeckern entrichtet. Die Schlußakte eines jeden Ablösungsverfahrens heißt „Rezeß.“ Wie diese Rezesse zu Stande gekommen, haben wir in einer frühern Nummer auseinandergesetzt. Was speziell jene aus dem Zunftzwang herrührenden gewerblichen Abgaben an die Gutsherrschaft, wie die Zinsen der Müller, Schmiede, Bäcker, Kretschmer, Fleischer etc. anlangt: so sind diese, so laut auch das Unrecht zum Himmel aufschrie, mit abgelöst und in den „Rezessen“ vermerkt worden. Zwar sind über diese Abgaben während der letzten 30 Jahre eine Menge Prozesse, insbesondere wegen der Mühlenzinsen, anhängig gemacht worden. Doch die Ritterschaft verlor selten und aus leicht begreiflichen Gründen, deren Wiederholung überflüssig. Genug, die Meisten der sogenannten „Verpflichteten“ zahlen diese Abgaben noch fort, oder haben, wo die „Ablösung“ vor sich gegangen, enorme Summen dafür aufbringen und die „Rezesse“ nolens volens unterschreiben müssen.

Betrug und Gewalt auf der einen, und theilweise Unwissenheit und Schafsgeduld des schlesischen Landvolks auf der andern Seite sind die Grundlagen, auf denen die Ablösungs-„Rezesse“ beruhen. Nicht zufrieden, solche Sächelchen, wie Mühlen-, Schmiede-, Kretscham- und andere Zinsen ablösen und in die „Rezesse“ aufnehmen zu lassen, mußte die noble Ritterschaft noch andere Dinge für sich hineinzuschmuggeln, und unter der Form des bürgerlichen Vertrages, des „Rezesses,“ durch die Unterschrift der Bauern und das Siegel der Generalkommission festzustellen. Von tausend Beispielen nur Eins. In Pitschen, Striegauer Kreises, hatte der Herr Graf Matuschka, Besitzer dieser Herrschaft, kein Urbarium, also keine Urkunde, in der irgend etwas von der Verpflichtung der Bauern zur Zahlung von Laudemien gestanden hätte. Gleichwohl hatten die Bauern fortwährend Laudemien zahlen müssen. Als nun das Dorf die Ablösung beantragt hatte, und die Sache bis zum Abschluß des „Rezesses“ gediehen war: da weiß der Dominialherr oder sein Vertreter geschickt eine Stelle von den Laudemien anzubringen, durch welche die Bauern zur Zahlung verpflichtet werden. Der „Rezeß“ ward unterschrieben, wie gewöhnlich, und nun hatten die Bauern ihre Laudemienpflicht schwarz auf weiß und mit ihrer Unterschrift bekräftigt. Mehrere Jahre später klagte aber ein Bauer, dem der edle Graf Laudemien abforderte, vor Gericht. Der Graf berief sich auf den „Rezeß.“ Doch das Oberlandesgericht zu Breslau fand diesmal die Sache doch zu arg. In seinem Erkenntniß erklärte es jene eingeschmuggelte Klausel für null und nichtig, und sprach den Bauer von der Laudemien-Zahlung frei.

In Oelse bei Striegau kam auch ein „Rezeß“ zu Stande. Die Bauern freuten sich anfangs; sie dachten, bei der Ablösung noch gut weggekommen zu sein. Bald wurden sie aber eines Andern belehrt. Es waren in dem Rezeß die beiden Wörter „exclusive“ und „inclusive“ wiederholt vorgekommen. Das Aktenstück war den Leuten, ehe sie unterschrieben, vorgelesen worden. Was sie nach ihrem Verständniß für „exclusive“ gehalten, das hatte der „Rezeß“ und der dominialvergnügte Amtsrath inclusive gemeint und umgekehrt. Als den Bauern die beiden Worte sehr bald thatsächlich durch die an sie ergehenden Forderungen aufgeklärt wurden,da kratzten sie sich hinter den Ohren und sagten mit trauriger Miene: „Hatta mer og die verpflichta beda Wörtla verstanda, sie hatta uns nich a su bscheißa sulln!“ (Hätten wir nur jene verdammten beiden Wörter verstanden, die hätten uns nicht so beschummeln sollen!)

Es genügt durchaus nicht, die bisher vorgekommenen Ablösungen oder die „Rezesse“ einer Revision zu unterwerfen, und sie, so weit sie auf Urbarien sich stützen, gelten zu lassen. Die Urabarien selbst sind im vorigen Jahrhundert mit noch größerer Gewalt und noch ärgerem Betruge Betruge theils aufgestellt, theils konfirmirt worden, als die „Rezesse“ in diesem.

Was das schlesisches Landvolk mit allem Recht zu fordern hat, das ist: Rückgabe des ritterschaftlichen Raubes, insoweit er durch die „Rezesse“ legalisirt worden, Rückgabe aller an die Gutsherrn seit 1810 entrichteten Zinsen und Naturalleistungen, die im Zunftzwange ihren Ursprung hatten, unentgeldliche Aufhebung sammtlicher Feudallasten und vollständige Entschädigung für die circa 300 Millionen Thaler, um welche der schlesische Landmann blos in den letzten 30 Jahren von seiner gottbegnadeten Raubritterschaft direkt geprellt worden ist.

* Köln, 4. April.

Gestern theilte der kommiss. Oberbürgermeister Hr. Gräff im Stadtrath mit, daß von Berlin der Befehl eingetroffen sei, das 8. Armeekorps mobil zu machen und alle dazu gehörigen Landwehren der Rheinprovinz unter die Waffen zu rufen. Wir kommen darauf zurück.

103 Barmen, 2. April.

Wie fast an allen Orten, so stocken auch in unserer Stadt in Folge der contrerevolutionären Influenzen die Geschäfte der Handwerker und kleinen Gewerbtreibenden in immer steigendem Maße, was uns einen neuen Beweis von der Wahrheit der betreffenden Stelle in der Manteuffel'schen Thronrede liefert und die Excellenz A. v. d. Heydt vielleicht in dem Glauben bestärken mag, als seien Dero Verordnungen, die Gewerbeverhältnisse betreffend, von ungemein günstiger Wirkung. Unsere reichen Fabrikbesitzer machen den armen ausgehungerten Arbeitern heutzutage entweder solche enorme Abzüge, daß dieselben nur mit genauer Noth ihrer Familie das nothdürftigste Brod und Kartoffeln verschaffen können, oder sie geben ihnen nur während der Hälfte der Tageszeit Beschäftigung und halbes Lohn. Es kann natürlich nicht ausbleiben, daß die gedrückten Fabriksklaven die ihnen auferlegten Steuern nicht zahlen können.

Die sich Weigernden sind nach den Ansichten unserer Geldsäcke jedenfalls von den geheimen Wühlern irre geleitet und zu diesem unerhört schrecklichen Betragen aufgefordert worden. — Da hat denn nun unser Exlandtags-Deputirter und der Feind der Einkommensteuer, Bourgeois W. v. Eynern in einer der letzten Sitzungen unseres Gemeinderaths den philantropischen Vorschlag gemacht, man möge den Fabrikanten derjenigen Arbeiter, welche Verdienst haben (d. h. so viel Lohn, daß sie gerade nicht verhungern), die Steuerzettel zustellen, auf daß Jene den Arbeitern wöchentlich für die Steuern Abzüge machen!! Dieser Exlandtags-Deputirte, der vielleicht ein Vermögen von einigen hundert-tausend Thalern, und ein enormes jährliches Einkommen hat, er, der nie den Besuch des Gottesdienstes unterläßt, vielmehr sonntäglich die biblischen Sprüche und Gleichnisse vernimmt: dieser Mann wagte einen solchen Vorschlag zu machen und dabei zu äußern: „Es hat sogar ein Arbeiter die Steuern zu zahlen verweigert, der wöchentlich 2 Thlr. 20 Sgr. baares Geld verdient!!“

X Berlin, 2. April.

Aus gut unterrichteter Quelle erfahren wir, daß von Seiten des Finanzministeriums und der Seehandlung in der letzten Woche alles Mögliche angewendet wurde, um den Kours der Stsatsschuldscheine und der freiwilligen Anleihe zu halten. Die Rüstungen zum dänischen Krieg und der Bau der Ostbahn werden bald eine Anleihe nöthig machen. Um günstige Bedingungen zu erlangen, sucht man die Kourse jetzt künstlich in der Höhe zu halten. Der Staatsschatz ist leer, und in den Staatskassen befindet sich kaum noch so viel, um die laufenden Ausgaben zu decken.

In „London Hotel“ ist gestern Abend eine sehr stürmische Parteisitzung gewesen. Es galt die Adresse in Betreff der deutschen Frage. Die beiden Entwürfe Vinke's und Arnim's wurden lebhaft diskutirt, und die tiefe Kluft, welche sogar zwischen diesen beiden Männern herrscht, sobald nicht gegen die „Anarchie“ opponirt werden muß, zeigte sich deutlich genug.

In der Kommission, welche zur Berathung über die Dringlichkeit des bekannten Vinke'schen Antrages zusammentrat, wurde von v. Unruh eine Adresse vorgeschlagen, welche später auch, mehrfach amendirt, angenommen wurde. Die Mitglieder der Linken widersetzten sich zwar dem Erlasse einer Adresse, wurden jedoch überstimmt, und so hielten sie es für ihre Pflicht, um die drei andern Adreßentwürfe der Herren Auerswald, Arnim und Vinke zu beseitigen, sich der Abstimmung nicht zu enthalten. Die Vinke-Urlich'sche Adresse vertrat das spezifische Preußenthum, während die des Herrn Arnim das diplomatische Verdienst hatte, gar keinen Gedanken zu enthalten. Herr Auerswald erging sich in poetischen Versuchen.

Aus der Debatte heben wir nur hervor, daß sich Herr Vinke wacker auf seinem Rechtsboden herumtummelte. Nach seiner Meinung ist es nothwendig, daß Deutschland dem Auslande gegenüber eine starke Centralgewalt besitze. Jedoch sei wohl zu beachten, daß außer den 28 Regierungen sich gerade die bedeutendsten, Sachsen, Baiern und Oestreich gegen ein preußisch-deutsches Kaiserthum erklärt hätten. Es sei anzunehmen, daß Würtemberg und Hannover, gedrängt von den Kammern, ihre Zustimmung geben würden, jedenfalls aber würden die diffentirenden Regierungen, mit der Zeit noch zur Besinnung kommen, und darum sei es staatsklug, zu warten bis dies geschehe. Moral: er hält den König für moralisch verpflichtet, den ihm von der deutschen Nationalversammlung zugedachten Beruf nicht abzulehnen, würde jedoch einer Adresse nicht zustimmen, welche unbedingt erklärte, der König solle jenen Beschluß ausführen, weil dann die Gefahren des Krieges zu besorgen sein.

Herr Arnim erklärte, es sei formell richtig gewesen die Krone zuerst sprechen zu lassen und ihrer Entscheidung nicht durch eine Adresse vorzugreifen. Da dies nun nicht der Fall sei, so verkenne er nicht, daß jetzt die Kammer nicht schweigen könne. Da nun vorausgesetzt werden müsse, daß ihre Worte Einfluß auf die Geschicke Deutschland's und Preußen's haben werden, so müsse sie auch den Konsequenzen entgegengehen, und dies könne mit großer Gefahr verbunden sein, weil vorübergehend, statt der Einheit ein großer Zwiespalt entstehen dürfte.

Gegen das Verlangen Ziegler's, daß die Adresse die Voraussetzung aussprechen müsse, der König werde das Verfassungswerk und die einzelnen Bestimmungen ohne Bedingung annehmen, äußerte Arnim, daß gerade die fraglichen Bestimmungen zuletzt blos im Wege der Transaktion getroffen worden sein und der innern Majorität der Nationalversammlung nicht entsprächen.

Zuletzt fand noch ein kleiner Etiquettenstreit Statt, ob es heißen solle: „verfassungsgebende“ oder „deutsche Nationalversammlung“. Herr v. Vinke erklärte das erstere zwar für einen nichtssagenden Titel, jedoch auch dabei beruhigte sich die Rechte nicht, sondern beharrte auf dem Ausdrucke: „deutsche Nationalversammlung“.

* Berlin, 2 April.

Der „Preußische Staats-Anzeiger“ weiß vortrefflich offizielle Geschichte zu machen. Ueber den Empfang der reichskaiserlichen Deputation in Köln entnimmt er unter Zitirung den von der „Kölnischen“ darüber erstatteten Wollustbericht, der bekanntlich gegen Ende in rein „verthierte“ Schmerzenslaute übergeht. Sei's ästhetische Scheu, sei's Besorgniß, den Potsdamer Gottbegnadeten mit dem letzten Theil des Berichts in allzugroße Mitleidenschaft mit den in Köln schwergeprüften Froschteichlern zu versetzen: genug, der „Preußische Staats-Anzeiger“ druckt die „Kölnische“ eben nur bis dahin ab, wo die katzenmusikalische Demonstration anhebt, durch welche Köln seine Ansicht von der Frankfurter Kaiserfabrikation einem Soiron und Konsorten kundgeben wollte. Für den „Preußischen Staats-Anzeiger“ ist nur die 18 Mann hohe sogenannte Bürgerdeputation, d. h. die „Abordnung“ des aus c. 90 Mitgliedern bestehenden Heuler- oder „Bürgervereins“ vorhanden; die große „Abordnung“ des Volkes vor dem Hotel Disch und die von ihr der nach Berlin eilenden Deputation improvisirte Huldigung und die zur Auseinandersprengung aufgebotene Militärmacht, werden mit dem rührendsten Stillschweigen übergangen.

121 Magdeburg, 2. April.

Der Rheinische Kreisausschuß der Demokraten in Köln wurde wegen Aufforderung zum Widerstande gegen die Obrigkeit zur Kriminaluntersuchung gezogen, jedoch bekanntlich von der Jury freigesprochen.

Das Oberlandesgericht in Halberstadt hat in einer ähnlichen Untersuchung ebenfalls ein freisprechendes Erkenntniß erlassen.

In demselben Sinne hat sich das Kammergericht ausgesprochen, indem es den Staatsanwalt mit seiner Anklage gegen mehrere Mitglieder der Nationalversammlung, welche zugleich zur Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses beigetragen hatten, zurückgewiesen hat. Sämmtliche Gerichte nahmen an, daß weder nach dem rheinischen Strafgesetzbuche, noch nach dem allgemeinen Landrechte die Verweigerung der Steuern aus politischen Gründen und die Aufforderung dazu mit Strafe bedroht sei.

Der Kriminalsenat des Oberlandesgerichts in Magdeburg hat endlich sich das Verdienst erworben, die Gesetzesstellen zu ermitteln, nach welchen dergleichen Handlungen zu bestrafen sind.

In der wider den Land- und Stadtgerichtsassessor Lindenberg und den Kaufmann Mewes in Genthin geführten Untersuchung nimmt dieses Gericht, bestehend aus dem Vicepräsidenten Martens und den Oberlandesgerichtsräthen Sombart, Hundrich, Elsholz, Schelb und Kniese, in dem am 17. März abgefaßten Erkenntnisse an, es sei gegen die Angeschuldigten nachgewiesen, daß sie am 17. November vorigen Jahres in einem Gasthofe in Genthin gesagt haben: „wir brauchen keine Steuern mehr zu bezahlen, die Nationalversammlung hat es beschlossen; wer Steuern zahlt läuft Gefahr, sie später noch einmal zu bezahlen.“

Dies geschah im Gespräche mit mehreren Personen, unter welchen auch Steuererheber, und in einer der beiden Gaststuben, in welchen sich etwa 40 Personen befanden. Das Gericht findet hierin eine Aufforderung und Anreizung zur Steuerverweigerung.

Bei Einleitung der Untersuchung erklärte der Oberlandesgerichtsrath Sombart als Inquirent auf Befragen, daß der Kriminalsenat selbst noch nicht klar darüber sei, nach welchem Gesetze die inculpirte Handlung beurtheilt werden müsse. Entweder sei der § 151, Theil II, Titel 20 des allgemeinen Landrechts: Wer durch frechen, unehrerbietigen Tadel, u. s. w. oder §. 242 daselbst: Wer dem Staate die schuldigen Abgaben und Gefälle betrüglicher Weise vorenthält, u. s. w. oder §. 92 daselbst vom Hochverrathe anzuwenden.

Am Schlusse der Untersuchung hielt der Kommissarius dem Inkulpaten zu Protoll vor, daß § 233 daselbst, betreffend die Anmaßung eines Hoheitsrechtes, nebst Vergehen wider die Verfassung des Staates, Platz greife. Gegen diese Strafbestimmungen richtete sich demgemäß die Vertheidigung.

In dem Erkenntnisse vom 17. März führt der Kriminalsenat ebenfalls aus, daß die bezeichneten Strafgesetze nicht anwendbar seien. Die inkriminirte Handlung sei vielmehr als ein Versuch zum Aufruhr nach § 167 und § 168 zu beurtheilen, worin es heißt:

§ 167. Wer eine Klasse des Volkes, oder die Mitglieder einer Stadt- und Dorfgemeinde, ganz oder zum Theil, zusammenbringt, um sich der Ausführung obrigkeitlicher Verfügungen mit vereinigter Gewalt zu widersetzen, oder Etwas von der Obrigkeit zu erzwingen: der macht sich eines Aufruhrs schuldig.

§ 168. Wer einen Aufruhr erregt, der hat, wenn auch noch keine wirkliche Gewalt verübt worden, und noch kein Schaden geschehen ist, dennoch ein- bis vierjährige Zuchthaus- oder Feststungsstrafe verwirkt.

Ueber die Bedenken, daß nicht ein Zusammenbringen der Gesellschaft durch die Inkulpaten bewirkt, noch eine Gewalt beabsichtigt sei, kommt der Gerichtshof dadurch hinweg, daß er deducirt:

„Es sei ganz gleichgültig, ob ein eigentliches Zusammenbringen des Volkes zum Zwecke des Aufruhrs geschehen, oder ob eine zufällig versammelte Menge aufgerührt sei. Auch habe das Gesetz keineswegs eine wirkliche, eigentliche Gewalt (!!!) gemeint, wie schon daraus hervorgehe, daß es sich des Ausdrucks „vereinigte Gewalt“ bediene. In einer Vereinigung Vieler liege aber immer eine Gewalt.“

Nun seien aber die bei dem Vorfalle mitanwesend gewesenen drei Schützen, zu welchen die Inkulpaten gesprochen, der Aufforderung derselben sofort entgegengetreten. Es sei mithin jene Aufforderung nur als ein Versuch zum (passiven!) Aufruhr zu betrachten. Unter Berücksichtigung dieses mildernden Umstandes erkannte der Kriminalsenat

gegen den Assessor Lindenberg auf Kassation, Unfähigkeit zu allen öffentlichen Aemtern und neunmonatliche Festungsstrafe; gegen den Kaufmann Mewes auf sechsmonatliche Festungsstrafe und gegen Beide, da sie durch ihr Benehmen ihre „unpatriotische Gesinnung“ (!!!) kundgegeben haben, auf Verlust der Nationalkokarde.

Interessante Enthüllungen über das Treiben der siegestrunkenen contrerevolutionären Partei bieten folgende zu den Untersuchungsakten gekommene in preußischer Sprache stylisirte und ortographirte Schrei-

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          <p><pb facs="#f0002" n="1486"/>
lich sind: haben wir zum Glück an vielen Orten so schlagende Beweise von der gewerblichen Eigenschaft jener Mühlenabgaben vor Augen, daß die Herren Ritter es stets für's Klügste gehalten, solche kitzliche Dinge mit dem unverbrüchlichsten Stillschweigen zu behandeln.</p>
          <p>Zum Beispiel. Es giebt eine große Zahl schlesischer Mühlen, die entweder gar keinen Acker besitzen oder so wenig, daß man noch schaamloser sein müßte im Behaupten, als die schlesische Ritterschaft im Rauben, wenn man die jährlichen Mühlzinsen in Geld, Getraide, Mehl und Hofediensten auch nur zu einem Theil für Grundzinsen ausgeben wollte. Uns ist eine Wassermühle von zwei Gängen bekannt, ohne allen Acker, die aber dennoch dem Gutsherrn jährlich circa 40 Thlr. &#x2014; Getraide und Mehl mit in Geld berechnet &#x2014; zu entrichten hat. Vor 1810 konnte der Müller diese Abgabe sehr wohl aufbringen. Der Dominialherr durfte damals keinen Scheffel Getraide anderswo, als in dieser ihm zinsenden Mühle vermahlen lassen, der gleiche Mahlzwang erstreckte sich auf das ganze Dorf und auf andere Dörfer bis dahin, wo das von den Gutsherren geschützte Monopol eines anderen zinsenden Müllers anfing. Der Müller entschädigte sich für seine Abgaben an's Dominium schon an dem herrschaftlichen Getraide. Für das Hofegesinde wurde das Mehl möglichst schlecht geliefert und von herrschaftlichem wie bäuerlichen Mahlgut doppelt &#x201E;gemetzt.&#x201C;</p>
          <p>Trotzdem, daß dies Alles aufgehört, daß der Dominialherr eine eigene Mühle gebaut und der ihm zinsenden durch wohlfeilere Produktion die Kunden entrissen hat, ist ihm seit 1810 alljährlich der frühere Geld- und Naturalzins von circa 40 Thlr. fort und fort entrichtet und so ein Besitzer der Mühle nach dem andern bankrott gemacht worden. Das Zugrundegehen der verschiedenen Besitzer war stets eine neue Einnahmequelle für den gnädigen Herrn Baron. Wie bekannt, muß bei jedem Verkauf einer bäuerlichen Besitzung dem Gutsherrn unter dem Titel Laudemium eine Abgabe von 10 pCt. entrichtet werden. Je mehr Subhastationen und Verkäufe, desto mehr Laudemien, desto erfreulicher für den gutsherrlichen Geldsack.</p>
          <p>Ferner: Ein Müller im Schweidnitzer Kreise, der seine Wehr und was zum Wasserlauf und zur Mühle gehört, selbst zu bauen hat und dem die Gutsherrschaft zu keiner Gegenleistung verpflichtet ist, zahlt jährlich über 80 Thlr. Zins an den gnädigen Herrn, d. h. die nämliche Summe, wie vor Einführung der Gewerbefreiheit. Daß es kein Grundzins ist, ergiebt sich aus Vergleichung mit andern Besitzungen in jenem Dorfe, die bei einer gleichen Morgenzahl an Grundzins 6 ½ Thlr. jährlich zu zahlen haben. Bleiben 73 ½ Thlr., die blos dieser Eine Müller jährlich oder seit 1810 insgesammt circa 2940 Thlr., für den Zunftzwang, der nicht mehr besteht, dem Gutsherrn, der freilich fort und fort und sehr wohl dabei besteht, in den Rachen geworfen hat und mit vollstem Recht auf Zurückzahlung des Raubes dringen wird, sobald der Tag der Abrechnung und einer modernen Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse angebrochen ist.</p>
          <p>Ferner: Bei Windmühlen kommt die Raubrittergier, die ihre Beute gern aus einem Rechtstitel herleitet, am Meisten ins Gedränge. Wehr- und Wasserbauten lassen sich hier doch nicht gut als Grund für den Mühlenzins anführen. Ist nun die Windmühle zugleich ohne Acker: so löst sich auch der angebliche Grundzins &#x2014; der übrigens auch weiter nichts als eine raubritterliche Erpressung ist &#x2014; in Rauch auf. Frägt man in solchen Fällen die Herren Ritter nach dem Grunde der Abgabe: so stehen die Ochsen am Berge und schweigen. Der gedachten Fälle sind nicht wenige. Wir erinnern uns einer Windmühle, bei der außer dem Fleck, auf welchem sie steht und herumgedreht wird, sich auch nicht eine Quadratruthe Acker befindet. Dennoch muß sie dem Gutsherrn den enormen Zins von circa 53 Thlrn. entrichten, wie unter dem Zunftzwange, der ihr das Monopol und damit das Wiederheraus des Zinses an den Gutsherrn sicherte.</p>
          <p>Wie den Müllern, so ging's den übrigen Handwerkern und Gewerbtreibenden.</p>
          <p>Der Schmied mußte unter dem Zunftzwange für ein festgesetztes Lohn alle sein Fach betreffenden Arbeiten für's Dominium liefern. Bei ihm allein durfte der Gutsherr die Pferde und die Wagen- und Pflugräder beschlagen, die Pflugschaare und Seche, die Eggen, Ketten etc. anfertigen lassen. Auch die Bauernschaft war an den monopolisirten Schmied gewiesen. Dafür zahlte er dem Gutsherrn jährlich so und so viel Zins und leistete ihm so und so viel Hofedienste.</p>
          <p>Mit der <hi rendition="#g">Gewerbefreiheit</hi> mußte diese Abgabe sofort wegfallen. Sie ist aber durch die im preußischen Staate übermächtige Raubrittergewalt aufrecht erhalten und forterhoben worden. Während die gnädigen Herren solchergestalt ihre Beutel mit Abgaben, die aus dem Zunftzwang herrührten, bis auf den heutigen Tag zu spicken wußten: benutzten sie die Gewerbefreiheit, um, wie dem Müllerherrschaftliche Mühlen, so dem Schmiede herrschaftliche Schmieden zum eignen Bedarf wie zur Konkurrenz entgegenzustellen. So vereinigte sich das raubritterliche Talent mit dem bürgerlich-industriellen Genie und die Krone &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; sprach ihren Segen dazu.</p>
          <p>Wäre das Gesetz &#x201E;zur Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse&#x201C; nicht durch und durch blos auf den Vortheil der Raubritterschaft berechnet gewesen: so durfte es wenigstens das Aufhören des Zunftzwanges nicht ignoriren. Auf Grund dieses Gesetzes haben in den letzten 30 Jahren die sogenannten &#x201E;Ablösungen&#x201C; stattgefunden. Vielleicht ein Drittel des schlesischen Landvolks hat sich &#x201E;abgelöst,&#x201C; mit andern Worten, hat seine Roboten und Zinsen an die gnädigen Gutsherrn in die für letztere weit bequemere und einträglichere Form von Renten verwandeln lassen oder den Ablösungsbetrag sofort baar, zum Theil auch durch Abtretung von Aeckern entrichtet. Die Schlußakte eines jeden Ablösungsverfahrens heißt &#x201E;Rezeß.&#x201C; Wie diese Rezesse zu Stande gekommen, haben wir in einer frühern Nummer auseinandergesetzt. Was speziell jene aus dem Zunftzwang herrührenden gewerblichen Abgaben an die Gutsherrschaft, wie die Zinsen der Müller, Schmiede, Bäcker, Kretschmer, Fleischer etc. anlangt: so sind diese, so laut auch das Unrecht zum Himmel aufschrie, mit abgelöst und in den &#x201E;Rezessen&#x201C; vermerkt worden. Zwar sind über diese Abgaben während der letzten 30 Jahre eine Menge Prozesse, insbesondere wegen der Mühlenzinsen, anhängig gemacht worden. Doch die Ritterschaft verlor selten und aus leicht begreiflichen Gründen, deren Wiederholung überflüssig. Genug, die Meisten der sogenannten &#x201E;Verpflichteten&#x201C; zahlen diese Abgaben noch fort, oder haben, wo die &#x201E;Ablösung&#x201C; vor sich gegangen, enorme Summen dafür aufbringen und die &#x201E;Rezesse&#x201C; nolens volens unterschreiben müssen.</p>
          <p>Betrug und Gewalt auf der einen, und theilweise Unwissenheit und Schafsgeduld des schlesischen Landvolks auf der andern Seite sind die Grundlagen, auf denen die Ablösungs-&#x201E;Rezesse&#x201C; beruhen. Nicht zufrieden, solche Sächelchen, wie Mühlen-, Schmiede-, Kretscham- und andere Zinsen ablösen und in die &#x201E;Rezesse&#x201C; aufnehmen zu lassen, mußte die noble Ritterschaft noch andere Dinge für sich hineinzuschmuggeln, und unter der Form des bürgerlichen Vertrages, des &#x201E;Rezesses,&#x201C; durch die Unterschrift der Bauern und das Siegel der Generalkommission festzustellen. Von tausend Beispielen nur Eins. In Pitschen, Striegauer Kreises, hatte der Herr Graf Matuschka, Besitzer dieser Herrschaft, kein Urbarium, also keine Urkunde, in der irgend etwas von der Verpflichtung der Bauern zur Zahlung von Laudemien gestanden hätte. Gleichwohl hatten die Bauern fortwährend Laudemien zahlen müssen. Als nun das Dorf die Ablösung beantragt hatte, und die Sache bis zum Abschluß des &#x201E;Rezesses&#x201C; gediehen war: da weiß der Dominialherr oder sein Vertreter geschickt eine Stelle von den Laudemien anzubringen, durch welche die Bauern zur Zahlung verpflichtet werden. Der &#x201E;Rezeß&#x201C; ward unterschrieben, wie gewöhnlich, und nun hatten die Bauern ihre Laudemienpflicht schwarz auf weiß und mit ihrer Unterschrift bekräftigt. Mehrere Jahre später klagte aber ein Bauer, dem der edle Graf Laudemien abforderte, vor Gericht. Der Graf berief sich auf den &#x201E;Rezeß.&#x201C; Doch das Oberlandesgericht zu Breslau fand diesmal die Sache doch zu arg. In seinem Erkenntniß erklärte es jene eingeschmuggelte Klausel für null und nichtig, und sprach den Bauer von der Laudemien-Zahlung frei.</p>
          <p>In Oelse bei Striegau kam auch ein &#x201E;Rezeß&#x201C; zu Stande. Die Bauern freuten sich anfangs; sie dachten, bei der Ablösung noch gut weggekommen zu sein. Bald wurden sie aber eines Andern belehrt. Es waren in dem Rezeß die beiden Wörter &#x201E;exclusive&#x201C; und &#x201E;inclusive&#x201C; wiederholt vorgekommen. Das Aktenstück war den Leuten, ehe sie unterschrieben, vorgelesen worden. Was sie nach <hi rendition="#g">ihrem</hi> Verständniß für &#x201E;exclusive&#x201C; gehalten, das hatte der &#x201E;Rezeß&#x201C; und der dominialvergnügte Amtsrath inclusive gemeint und umgekehrt. Als den Bauern die beiden Worte sehr bald thatsächlich durch die an sie ergehenden Forderungen aufgeklärt wurden,da kratzten sie sich hinter den Ohren und sagten mit trauriger Miene: &#x201E;Hatta mer og die verpflichta beda Wörtla verstanda, sie hatta uns nich a su bscheißa sulln!&#x201C; (Hätten wir nur jene verdammten beiden Wörter verstanden, die hätten uns nicht so beschummeln sollen!)</p>
          <p>Es genügt durchaus nicht, die bisher vorgekommenen Ablösungen oder die &#x201E;Rezesse&#x201C; einer Revision zu unterwerfen, und sie, so weit sie auf Urbarien sich stützen, gelten zu lassen. Die Urabarien selbst sind im vorigen Jahrhundert mit noch größerer Gewalt und noch ärgerem Betruge Betruge theils aufgestellt, theils konfirmirt worden, als die &#x201E;Rezesse&#x201C; in diesem.</p>
          <p>Was das schlesisches Landvolk mit allem Recht zu fordern hat, das ist: Rückgabe des ritterschaftlichen Raubes, insoweit er durch die &#x201E;Rezesse&#x201C; legalisirt worden, Rückgabe aller an die Gutsherrn seit 1810 entrichteten Zinsen und Naturalleistungen, die im Zunftzwange ihren Ursprung hatten, unentgeldliche Aufhebung sammtlicher Feudallasten und vollständige Entschädigung für die circa 300 Millionen Thaler, um welche der schlesische Landmann blos in den letzten 30 Jahren von seiner gottbegnadeten Raubritterschaft <hi rendition="#b">direkt</hi> geprellt worden ist.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 4. April.</head>
          <p>Gestern theilte der kommiss. Oberbürgermeister Hr. Gräff im Stadtrath mit, daß von Berlin der Befehl eingetroffen sei, das 8. Armeekorps mobil zu machen und alle dazu gehörigen Landwehren der Rheinprovinz unter die Waffen zu rufen. Wir kommen darauf zurück.</p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Barmen, 2. April.</head>
          <p>Wie fast an allen Orten, so stocken auch in unserer Stadt in Folge der contrerevolutionären Influenzen die Geschäfte der Handwerker und kleinen Gewerbtreibenden in immer steigendem Maße, was uns einen neuen Beweis von der Wahrheit der betreffenden Stelle in der Manteuffel'schen Thronrede liefert und die Excellenz A. v. d. Heydt vielleicht in dem Glauben bestärken mag, als seien Dero Verordnungen, die Gewerbeverhältnisse betreffend, von ungemein günstiger Wirkung. Unsere reichen Fabrikbesitzer machen den armen ausgehungerten Arbeitern heutzutage entweder solche enorme Abzüge, daß dieselben nur mit genauer Noth ihrer Familie das nothdürftigste Brod und Kartoffeln verschaffen können, oder sie geben ihnen nur während der Hälfte der Tageszeit Beschäftigung und halbes Lohn. Es kann natürlich nicht ausbleiben, daß die gedrückten Fabriksklaven die ihnen auferlegten Steuern nicht zahlen können.</p>
          <p>Die sich Weigernden sind nach den Ansichten unserer Geldsäcke jedenfalls von den geheimen Wühlern irre geleitet und zu diesem unerhört schrecklichen Betragen aufgefordert worden. &#x2014; Da hat denn nun unser Exlandtags-Deputirter und der Feind der Einkommensteuer, Bourgeois W. v. Eynern in einer der letzten Sitzungen unseres Gemeinderaths den philantropischen Vorschlag gemacht, man möge den Fabrikanten derjenigen Arbeiter, welche Verdienst haben (d. h. so viel Lohn, daß sie gerade nicht verhungern), die Steuerzettel zustellen, auf daß Jene den Arbeitern wöchentlich für die Steuern Abzüge machen!! Dieser Exlandtags-Deputirte, der vielleicht ein Vermögen von einigen hundert-tausend Thalern, und ein enormes jährliches Einkommen hat, er, der nie den Besuch des Gottesdienstes unterläßt, vielmehr sonntäglich die biblischen Sprüche und Gleichnisse vernimmt: dieser Mann wagte einen solchen Vorschlag zu machen und dabei zu äußern: &#x201E;Es hat sogar ein Arbeiter die Steuern zu zahlen verweigert, der wöchentlich <hi rendition="#b">2 Thlr. 20 Sgr.</hi> baares Geld verdient!!&#x201C;</p>
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          <p>In &#x201E;London Hotel&#x201C; ist gestern Abend eine sehr stürmische Parteisitzung gewesen. Es galt die Adresse in Betreff der deutschen Frage. Die beiden Entwürfe Vinke's und Arnim's wurden lebhaft diskutirt, und die tiefe Kluft, welche sogar zwischen diesen beiden Männern herrscht, sobald nicht gegen die &#x201E;Anarchie&#x201C; opponirt werden muß, zeigte sich deutlich genug.</p>
          <p>In der Kommission, welche zur Berathung über die Dringlichkeit des bekannten Vinke'schen Antrages zusammentrat, wurde von v. Unruh eine Adresse vorgeschlagen, welche später auch, mehrfach amendirt, angenommen wurde. Die Mitglieder der Linken widersetzten sich zwar dem Erlasse einer Adresse, wurden jedoch überstimmt, und so hielten sie es für ihre Pflicht, um die drei andern Adreßentwürfe der Herren Auerswald, Arnim und Vinke zu beseitigen, sich der Abstimmung nicht zu enthalten. Die Vinke-Urlich'sche Adresse vertrat das spezifische Preußenthum, während die des Herrn Arnim das diplomatische Verdienst hatte, gar keinen Gedanken zu enthalten. Herr Auerswald erging sich in poetischen Versuchen.</p>
          <p>Aus der Debatte heben wir nur hervor, daß sich Herr Vinke wacker auf seinem Rechtsboden herumtummelte. Nach seiner Meinung ist es nothwendig, daß Deutschland dem Auslande gegenüber eine starke Centralgewalt besitze. Jedoch sei wohl zu beachten, daß außer den 28 Regierungen sich gerade die bedeutendsten, Sachsen, Baiern und Oestreich gegen ein preußisch-deutsches Kaiserthum erklärt hätten. Es sei anzunehmen, daß Würtemberg und Hannover, gedrängt von den Kammern, ihre Zustimmung geben würden, jedenfalls aber würden die diffentirenden Regierungen, mit der Zeit noch zur Besinnung kommen, und darum sei es staatsklug, zu warten bis dies geschehe. Moral: er hält den König für moralisch verpflichtet, den ihm von der deutschen Nationalversammlung zugedachten Beruf nicht abzulehnen, würde jedoch einer Adresse nicht zustimmen, welche unbedingt erklärte, der König solle jenen Beschluß ausführen, weil dann die Gefahren des Krieges zu besorgen sein.</p>
          <p>Herr Arnim erklärte, es sei formell richtig gewesen die Krone zuerst sprechen zu lassen und ihrer Entscheidung nicht durch eine Adresse vorzugreifen. Da dies nun nicht der Fall sei, so verkenne er nicht, daß jetzt die Kammer nicht schweigen könne. Da nun vorausgesetzt werden müsse, daß ihre Worte Einfluß auf die Geschicke Deutschland's und Preußen's haben werden, so müsse sie auch den Konsequenzen entgegengehen, und dies könne mit großer Gefahr verbunden sein, weil vorübergehend, statt der Einheit ein großer Zwiespalt entstehen dürfte.</p>
          <p>Gegen das Verlangen Ziegler's, daß die Adresse die Voraussetzung aussprechen müsse, der König werde das Verfassungswerk und die einzelnen Bestimmungen ohne Bedingung annehmen, äußerte Arnim, daß gerade die fraglichen Bestimmungen zuletzt blos im Wege der Transaktion getroffen worden sein und der innern Majorität der Nationalversammlung nicht entsprächen.</p>
          <p>Zuletzt fand noch ein kleiner Etiquettenstreit Statt, ob es heißen solle: &#x201E;verfassungsgebende&#x201C; oder &#x201E;deutsche Nationalversammlung&#x201C;. Herr v. Vinke erklärte das erstere zwar für einen nichtssagenden Titel, jedoch auch dabei beruhigte sich die Rechte nicht, sondern beharrte auf dem Ausdrucke: &#x201E;deutsche Nationalversammlung&#x201C;.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 2 April.</head>
          <p>Der &#x201E;Preußische Staats-Anzeiger&#x201C; weiß vortrefflich offizielle Geschichte zu machen. Ueber den Empfang der reichskaiserlichen Deputation in Köln entnimmt er unter Zitirung den von der &#x201E;Kölnischen&#x201C; darüber erstatteten Wollustbericht, der bekanntlich gegen Ende in rein &#x201E;verthierte&#x201C; Schmerzenslaute übergeht. Sei's ästhetische Scheu, sei's Besorgniß, den Potsdamer Gottbegnadeten mit dem letzten Theil des Berichts in allzugroße Mitleidenschaft mit den in Köln schwergeprüften Froschteichlern zu versetzen: genug, der &#x201E;Preußische Staats-Anzeiger&#x201C; druckt die &#x201E;Kölnische&#x201C; eben nur bis dahin ab, wo die katzenmusikalische Demonstration anhebt, durch welche Köln seine Ansicht von der Frankfurter Kaiserfabrikation einem Soiron und Konsorten kundgeben wollte. Für den &#x201E;Preußischen Staats-Anzeiger&#x201C; ist nur die 18 Mann hohe sogenannte Bürgerdeputation, d. h. die &#x201E;Abordnung&#x201C; des aus c. 90 Mitgliedern bestehenden Heuler- oder &#x201E;Bürgervereins&#x201C; vorhanden; die große &#x201E;Abordnung&#x201C; des Volkes <hi rendition="#g">vor</hi> dem Hotel Disch und die von ihr der nach Berlin eilenden Deputation improvisirte Huldigung und die zur Auseinandersprengung aufgebotene Militärmacht, werden mit dem rührendsten Stillschweigen übergangen.</p>
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          <head><bibl><author>121</author></bibl> Magdeburg, 2. April.</head>
          <p>Der Rheinische Kreisausschuß der Demokraten in Köln wurde wegen Aufforderung zum Widerstande gegen die Obrigkeit zur Kriminaluntersuchung gezogen, jedoch bekanntlich von der Jury freigesprochen.</p>
          <p>Das Oberlandesgericht in Halberstadt hat in einer ähnlichen Untersuchung ebenfalls ein freisprechendes Erkenntniß erlassen.</p>
          <p>In demselben Sinne hat sich das Kammergericht ausgesprochen, indem es den Staatsanwalt mit seiner Anklage gegen mehrere Mitglieder der Nationalversammlung, welche zugleich zur Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses beigetragen hatten, zurückgewiesen hat. Sämmtliche Gerichte nahmen an, daß weder nach dem rheinischen Strafgesetzbuche, noch nach dem allgemeinen Landrechte die Verweigerung der Steuern aus politischen Gründen und die Aufforderung dazu mit Strafe bedroht sei.</p>
          <p>Der Kriminalsenat des Oberlandesgerichts in Magdeburg hat endlich sich das Verdienst erworben, die Gesetzesstellen zu ermitteln, nach welchen dergleichen Handlungen zu bestrafen sind.</p>
          <p>In der wider den Land- und Stadtgerichtsassessor Lindenberg und den Kaufmann Mewes in Genthin geführten Untersuchung nimmt dieses Gericht, bestehend aus dem Vicepräsidenten Martens und den Oberlandesgerichtsräthen Sombart, Hundrich, Elsholz, Schelb und Kniese, in dem am 17. März abgefaßten Erkenntnisse an, es sei gegen die Angeschuldigten nachgewiesen, daß sie am 17. November vorigen Jahres in einem Gasthofe in Genthin gesagt haben: &#x201E;wir brauchen keine Steuern mehr zu bezahlen, die Nationalversammlung hat es beschlossen; wer Steuern zahlt läuft Gefahr, sie später noch einmal zu bezahlen.&#x201C;</p>
          <p>Dies geschah im Gespräche mit mehreren Personen, unter welchen auch Steuererheber, und in einer der beiden Gaststuben, in welchen sich etwa 40 Personen befanden. Das Gericht findet hierin eine Aufforderung und Anreizung zur Steuerverweigerung.</p>
          <p>Bei Einleitung der Untersuchung erklärte der Oberlandesgerichtsrath Sombart als Inquirent auf Befragen, daß der Kriminalsenat selbst noch nicht klar darüber sei, nach welchem Gesetze die inculpirte Handlung beurtheilt werden müsse. Entweder sei der § 151, Theil II, Titel 20 des allgemeinen Landrechts: Wer durch frechen, unehrerbietigen Tadel, u. s. w. oder §. 242 daselbst: Wer dem Staate die schuldigen Abgaben und Gefälle betrüglicher Weise vorenthält, u. s. w. oder §. 92 daselbst vom Hochverrathe anzuwenden.</p>
          <p>Am Schlusse der Untersuchung hielt der Kommissarius dem Inkulpaten zu Protoll vor, daß § 233 daselbst, betreffend die Anmaßung eines Hoheitsrechtes, nebst Vergehen wider die Verfassung des Staates, Platz greife. Gegen diese Strafbestimmungen richtete sich demgemäß die Vertheidigung.</p>
          <p>In dem Erkenntnisse vom 17. März führt der Kriminalsenat ebenfalls aus, daß die bezeichneten Strafgesetze nicht anwendbar seien. Die inkriminirte Handlung sei vielmehr als ein Versuch zum Aufruhr nach § 167 und § 168 zu beurtheilen, worin es heißt:</p>
          <p>§ 167. Wer eine Klasse des Volkes, oder die Mitglieder einer Stadt- und Dorfgemeinde, ganz oder zum Theil, <hi rendition="#g">zusammenbringt,</hi> um sich der Ausführung obrigkeitlicher Verfügungen <hi rendition="#g">mit vereinigter Gewalt</hi> zu widersetzen, oder Etwas von der Obrigkeit zu erzwingen: der macht sich eines Aufruhrs schuldig.</p>
          <p>§ 168. Wer einen Aufruhr erregt, der hat, wenn auch noch keine <hi rendition="#g">wirkliche Gewalt verübt</hi> worden, und noch kein Schaden geschehen ist, dennoch ein- bis vierjährige Zuchthaus- oder Feststungsstrafe verwirkt.</p>
          <p>Ueber die Bedenken, daß nicht ein Zusammenbringen der Gesellschaft durch die Inkulpaten bewirkt, noch eine Gewalt beabsichtigt sei, kommt der Gerichtshof dadurch hinweg, daß er deducirt:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Es sei ganz gleichgültig, ob ein <hi rendition="#g">eigentliches</hi> Zusammenbringen des Volkes zum Zwecke des Aufruhrs geschehen, oder ob eine zufällig versammelte Menge aufgerührt sei. Auch habe das Gesetz keineswegs eine <hi rendition="#g">wirkliche, eigentliche</hi> Gewalt (!!!) gemeint, wie schon daraus hervorgehe, daß es sich des Ausdrucks &#x201E;vereinigte Gewalt&#x201C; bediene. In einer Vereinigung Vieler liege aber immer eine Gewalt.&#x201C;</p>
          <p>Nun seien aber die bei dem Vorfalle mitanwesend gewesenen drei Schützen, zu welchen die Inkulpaten gesprochen, der Aufforderung derselben sofort entgegengetreten. Es sei mithin jene Aufforderung nur als ein Versuch zum (passiven!) Aufruhr zu betrachten. Unter Berücksichtigung dieses mildernden Umstandes erkannte der Kriminalsenat</p>
          <p rendition="#et">gegen den Assessor Lindenberg auf Kassation, Unfähigkeit zu allen öffentlichen Aemtern und neunmonatliche Festungsstrafe; gegen den Kaufmann Mewes auf sechsmonatliche Festungsstrafe und gegen Beide, da sie durch ihr Benehmen ihre &#x201E;unpatriotische Gesinnung&#x201C; (!!!) kundgegeben haben, auf Verlust der Nationalkokarde.</p>
          <p>Interessante Enthüllungen über das Treiben der siegestrunkenen contrerevolutionären Partei bieten folgende zu den Untersuchungsakten gekommene in preußischer Sprache stylisirte und ortographirte Schrei-
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[1486/0002] lich sind: haben wir zum Glück an vielen Orten so schlagende Beweise von der gewerblichen Eigenschaft jener Mühlenabgaben vor Augen, daß die Herren Ritter es stets für's Klügste gehalten, solche kitzliche Dinge mit dem unverbrüchlichsten Stillschweigen zu behandeln. Zum Beispiel. Es giebt eine große Zahl schlesischer Mühlen, die entweder gar keinen Acker besitzen oder so wenig, daß man noch schaamloser sein müßte im Behaupten, als die schlesische Ritterschaft im Rauben, wenn man die jährlichen Mühlzinsen in Geld, Getraide, Mehl und Hofediensten auch nur zu einem Theil für Grundzinsen ausgeben wollte. Uns ist eine Wassermühle von zwei Gängen bekannt, ohne allen Acker, die aber dennoch dem Gutsherrn jährlich circa 40 Thlr. — Getraide und Mehl mit in Geld berechnet — zu entrichten hat. Vor 1810 konnte der Müller diese Abgabe sehr wohl aufbringen. Der Dominialherr durfte damals keinen Scheffel Getraide anderswo, als in dieser ihm zinsenden Mühle vermahlen lassen, der gleiche Mahlzwang erstreckte sich auf das ganze Dorf und auf andere Dörfer bis dahin, wo das von den Gutsherren geschützte Monopol eines anderen zinsenden Müllers anfing. Der Müller entschädigte sich für seine Abgaben an's Dominium schon an dem herrschaftlichen Getraide. Für das Hofegesinde wurde das Mehl möglichst schlecht geliefert und von herrschaftlichem wie bäuerlichen Mahlgut doppelt „gemetzt.“ Trotzdem, daß dies Alles aufgehört, daß der Dominialherr eine eigene Mühle gebaut und der ihm zinsenden durch wohlfeilere Produktion die Kunden entrissen hat, ist ihm seit 1810 alljährlich der frühere Geld- und Naturalzins von circa 40 Thlr. fort und fort entrichtet und so ein Besitzer der Mühle nach dem andern bankrott gemacht worden. Das Zugrundegehen der verschiedenen Besitzer war stets eine neue Einnahmequelle für den gnädigen Herrn Baron. Wie bekannt, muß bei jedem Verkauf einer bäuerlichen Besitzung dem Gutsherrn unter dem Titel Laudemium eine Abgabe von 10 pCt. entrichtet werden. Je mehr Subhastationen und Verkäufe, desto mehr Laudemien, desto erfreulicher für den gutsherrlichen Geldsack. Ferner: Ein Müller im Schweidnitzer Kreise, der seine Wehr und was zum Wasserlauf und zur Mühle gehört, selbst zu bauen hat und dem die Gutsherrschaft zu keiner Gegenleistung verpflichtet ist, zahlt jährlich über 80 Thlr. Zins an den gnädigen Herrn, d. h. die nämliche Summe, wie vor Einführung der Gewerbefreiheit. Daß es kein Grundzins ist, ergiebt sich aus Vergleichung mit andern Besitzungen in jenem Dorfe, die bei einer gleichen Morgenzahl an Grundzins 6 ½ Thlr. jährlich zu zahlen haben. Bleiben 73 ½ Thlr., die blos dieser Eine Müller jährlich oder seit 1810 insgesammt circa 2940 Thlr., für den Zunftzwang, der nicht mehr besteht, dem Gutsherrn, der freilich fort und fort und sehr wohl dabei besteht, in den Rachen geworfen hat und mit vollstem Recht auf Zurückzahlung des Raubes dringen wird, sobald der Tag der Abrechnung und einer modernen Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse angebrochen ist. Ferner: Bei Windmühlen kommt die Raubrittergier, die ihre Beute gern aus einem Rechtstitel herleitet, am Meisten ins Gedränge. Wehr- und Wasserbauten lassen sich hier doch nicht gut als Grund für den Mühlenzins anführen. Ist nun die Windmühle zugleich ohne Acker: so löst sich auch der angebliche Grundzins — der übrigens auch weiter nichts als eine raubritterliche Erpressung ist — in Rauch auf. Frägt man in solchen Fällen die Herren Ritter nach dem Grunde der Abgabe: so stehen die Ochsen am Berge und schweigen. Der gedachten Fälle sind nicht wenige. Wir erinnern uns einer Windmühle, bei der außer dem Fleck, auf welchem sie steht und herumgedreht wird, sich auch nicht eine Quadratruthe Acker befindet. Dennoch muß sie dem Gutsherrn den enormen Zins von circa 53 Thlrn. entrichten, wie unter dem Zunftzwange, der ihr das Monopol und damit das Wiederheraus des Zinses an den Gutsherrn sicherte. Wie den Müllern, so ging's den übrigen Handwerkern und Gewerbtreibenden. Der Schmied mußte unter dem Zunftzwange für ein festgesetztes Lohn alle sein Fach betreffenden Arbeiten für's Dominium liefern. Bei ihm allein durfte der Gutsherr die Pferde und die Wagen- und Pflugräder beschlagen, die Pflugschaare und Seche, die Eggen, Ketten etc. anfertigen lassen. Auch die Bauernschaft war an den monopolisirten Schmied gewiesen. Dafür zahlte er dem Gutsherrn jährlich so und so viel Zins und leistete ihm so und so viel Hofedienste. Mit der Gewerbefreiheit mußte diese Abgabe sofort wegfallen. Sie ist aber durch die im preußischen Staate übermächtige Raubrittergewalt aufrecht erhalten und forterhoben worden. Während die gnädigen Herren solchergestalt ihre Beutel mit Abgaben, die aus dem Zunftzwang herrührten, bis auf den heutigen Tag zu spicken wußten: benutzten sie die Gewerbefreiheit, um, wie dem Müllerherrschaftliche Mühlen, so dem Schmiede herrschaftliche Schmieden zum eignen Bedarf wie zur Konkurrenz entgegenzustellen. So vereinigte sich das raubritterliche Talent mit dem bürgerlich-industriellen Genie und die Krone „von Gottes Gnaden“ sprach ihren Segen dazu. Wäre das Gesetz „zur Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse“ nicht durch und durch blos auf den Vortheil der Raubritterschaft berechnet gewesen: so durfte es wenigstens das Aufhören des Zunftzwanges nicht ignoriren. Auf Grund dieses Gesetzes haben in den letzten 30 Jahren die sogenannten „Ablösungen“ stattgefunden. Vielleicht ein Drittel des schlesischen Landvolks hat sich „abgelöst,“ mit andern Worten, hat seine Roboten und Zinsen an die gnädigen Gutsherrn in die für letztere weit bequemere und einträglichere Form von Renten verwandeln lassen oder den Ablösungsbetrag sofort baar, zum Theil auch durch Abtretung von Aeckern entrichtet. Die Schlußakte eines jeden Ablösungsverfahrens heißt „Rezeß.“ Wie diese Rezesse zu Stande gekommen, haben wir in einer frühern Nummer auseinandergesetzt. Was speziell jene aus dem Zunftzwang herrührenden gewerblichen Abgaben an die Gutsherrschaft, wie die Zinsen der Müller, Schmiede, Bäcker, Kretschmer, Fleischer etc. anlangt: so sind diese, so laut auch das Unrecht zum Himmel aufschrie, mit abgelöst und in den „Rezessen“ vermerkt worden. Zwar sind über diese Abgaben während der letzten 30 Jahre eine Menge Prozesse, insbesondere wegen der Mühlenzinsen, anhängig gemacht worden. Doch die Ritterschaft verlor selten und aus leicht begreiflichen Gründen, deren Wiederholung überflüssig. Genug, die Meisten der sogenannten „Verpflichteten“ zahlen diese Abgaben noch fort, oder haben, wo die „Ablösung“ vor sich gegangen, enorme Summen dafür aufbringen und die „Rezesse“ nolens volens unterschreiben müssen. Betrug und Gewalt auf der einen, und theilweise Unwissenheit und Schafsgeduld des schlesischen Landvolks auf der andern Seite sind die Grundlagen, auf denen die Ablösungs-„Rezesse“ beruhen. Nicht zufrieden, solche Sächelchen, wie Mühlen-, Schmiede-, Kretscham- und andere Zinsen ablösen und in die „Rezesse“ aufnehmen zu lassen, mußte die noble Ritterschaft noch andere Dinge für sich hineinzuschmuggeln, und unter der Form des bürgerlichen Vertrages, des „Rezesses,“ durch die Unterschrift der Bauern und das Siegel der Generalkommission festzustellen. Von tausend Beispielen nur Eins. In Pitschen, Striegauer Kreises, hatte der Herr Graf Matuschka, Besitzer dieser Herrschaft, kein Urbarium, also keine Urkunde, in der irgend etwas von der Verpflichtung der Bauern zur Zahlung von Laudemien gestanden hätte. Gleichwohl hatten die Bauern fortwährend Laudemien zahlen müssen. Als nun das Dorf die Ablösung beantragt hatte, und die Sache bis zum Abschluß des „Rezesses“ gediehen war: da weiß der Dominialherr oder sein Vertreter geschickt eine Stelle von den Laudemien anzubringen, durch welche die Bauern zur Zahlung verpflichtet werden. Der „Rezeß“ ward unterschrieben, wie gewöhnlich, und nun hatten die Bauern ihre Laudemienpflicht schwarz auf weiß und mit ihrer Unterschrift bekräftigt. Mehrere Jahre später klagte aber ein Bauer, dem der edle Graf Laudemien abforderte, vor Gericht. Der Graf berief sich auf den „Rezeß.“ Doch das Oberlandesgericht zu Breslau fand diesmal die Sache doch zu arg. In seinem Erkenntniß erklärte es jene eingeschmuggelte Klausel für null und nichtig, und sprach den Bauer von der Laudemien-Zahlung frei. In Oelse bei Striegau kam auch ein „Rezeß“ zu Stande. Die Bauern freuten sich anfangs; sie dachten, bei der Ablösung noch gut weggekommen zu sein. Bald wurden sie aber eines Andern belehrt. Es waren in dem Rezeß die beiden Wörter „exclusive“ und „inclusive“ wiederholt vorgekommen. Das Aktenstück war den Leuten, ehe sie unterschrieben, vorgelesen worden. Was sie nach ihrem Verständniß für „exclusive“ gehalten, das hatte der „Rezeß“ und der dominialvergnügte Amtsrath inclusive gemeint und umgekehrt. Als den Bauern die beiden Worte sehr bald thatsächlich durch die an sie ergehenden Forderungen aufgeklärt wurden,da kratzten sie sich hinter den Ohren und sagten mit trauriger Miene: „Hatta mer og die verpflichta beda Wörtla verstanda, sie hatta uns nich a su bscheißa sulln!“ (Hätten wir nur jene verdammten beiden Wörter verstanden, die hätten uns nicht so beschummeln sollen!) Es genügt durchaus nicht, die bisher vorgekommenen Ablösungen oder die „Rezesse“ einer Revision zu unterwerfen, und sie, so weit sie auf Urbarien sich stützen, gelten zu lassen. Die Urabarien selbst sind im vorigen Jahrhundert mit noch größerer Gewalt und noch ärgerem Betruge Betruge theils aufgestellt, theils konfirmirt worden, als die „Rezesse“ in diesem. Was das schlesisches Landvolk mit allem Recht zu fordern hat, das ist: Rückgabe des ritterschaftlichen Raubes, insoweit er durch die „Rezesse“ legalisirt worden, Rückgabe aller an die Gutsherrn seit 1810 entrichteten Zinsen und Naturalleistungen, die im Zunftzwange ihren Ursprung hatten, unentgeldliche Aufhebung sammtlicher Feudallasten und vollständige Entschädigung für die circa 300 Millionen Thaler, um welche der schlesische Landmann blos in den letzten 30 Jahren von seiner gottbegnadeten Raubritterschaft direkt geprellt worden ist. * Köln, 4. April. Gestern theilte der kommiss. Oberbürgermeister Hr. Gräff im Stadtrath mit, daß von Berlin der Befehl eingetroffen sei, das 8. Armeekorps mobil zu machen und alle dazu gehörigen Landwehren der Rheinprovinz unter die Waffen zu rufen. Wir kommen darauf zurück. 103 Barmen, 2. April. Wie fast an allen Orten, so stocken auch in unserer Stadt in Folge der contrerevolutionären Influenzen die Geschäfte der Handwerker und kleinen Gewerbtreibenden in immer steigendem Maße, was uns einen neuen Beweis von der Wahrheit der betreffenden Stelle in der Manteuffel'schen Thronrede liefert und die Excellenz A. v. d. Heydt vielleicht in dem Glauben bestärken mag, als seien Dero Verordnungen, die Gewerbeverhältnisse betreffend, von ungemein günstiger Wirkung. Unsere reichen Fabrikbesitzer machen den armen ausgehungerten Arbeitern heutzutage entweder solche enorme Abzüge, daß dieselben nur mit genauer Noth ihrer Familie das nothdürftigste Brod und Kartoffeln verschaffen können, oder sie geben ihnen nur während der Hälfte der Tageszeit Beschäftigung und halbes Lohn. Es kann natürlich nicht ausbleiben, daß die gedrückten Fabriksklaven die ihnen auferlegten Steuern nicht zahlen können. Die sich Weigernden sind nach den Ansichten unserer Geldsäcke jedenfalls von den geheimen Wühlern irre geleitet und zu diesem unerhört schrecklichen Betragen aufgefordert worden. — Da hat denn nun unser Exlandtags-Deputirter und der Feind der Einkommensteuer, Bourgeois W. v. Eynern in einer der letzten Sitzungen unseres Gemeinderaths den philantropischen Vorschlag gemacht, man möge den Fabrikanten derjenigen Arbeiter, welche Verdienst haben (d. h. so viel Lohn, daß sie gerade nicht verhungern), die Steuerzettel zustellen, auf daß Jene den Arbeitern wöchentlich für die Steuern Abzüge machen!! Dieser Exlandtags-Deputirte, der vielleicht ein Vermögen von einigen hundert-tausend Thalern, und ein enormes jährliches Einkommen hat, er, der nie den Besuch des Gottesdienstes unterläßt, vielmehr sonntäglich die biblischen Sprüche und Gleichnisse vernimmt: dieser Mann wagte einen solchen Vorschlag zu machen und dabei zu äußern: „Es hat sogar ein Arbeiter die Steuern zu zahlen verweigert, der wöchentlich 2 Thlr. 20 Sgr. baares Geld verdient!!“ X Berlin, 2. April. Aus gut unterrichteter Quelle erfahren wir, daß von Seiten des Finanzministeriums und der Seehandlung in der letzten Woche alles Mögliche angewendet wurde, um den Kours der Stsatsschuldscheine und der freiwilligen Anleihe zu halten. Die Rüstungen zum dänischen Krieg und der Bau der Ostbahn werden bald eine Anleihe nöthig machen. Um günstige Bedingungen zu erlangen, sucht man die Kourse jetzt künstlich in der Höhe zu halten. Der Staatsschatz ist leer, und in den Staatskassen befindet sich kaum noch so viel, um die laufenden Ausgaben zu decken. In „London Hotel“ ist gestern Abend eine sehr stürmische Parteisitzung gewesen. Es galt die Adresse in Betreff der deutschen Frage. Die beiden Entwürfe Vinke's und Arnim's wurden lebhaft diskutirt, und die tiefe Kluft, welche sogar zwischen diesen beiden Männern herrscht, sobald nicht gegen die „Anarchie“ opponirt werden muß, zeigte sich deutlich genug. In der Kommission, welche zur Berathung über die Dringlichkeit des bekannten Vinke'schen Antrages zusammentrat, wurde von v. Unruh eine Adresse vorgeschlagen, welche später auch, mehrfach amendirt, angenommen wurde. Die Mitglieder der Linken widersetzten sich zwar dem Erlasse einer Adresse, wurden jedoch überstimmt, und so hielten sie es für ihre Pflicht, um die drei andern Adreßentwürfe der Herren Auerswald, Arnim und Vinke zu beseitigen, sich der Abstimmung nicht zu enthalten. Die Vinke-Urlich'sche Adresse vertrat das spezifische Preußenthum, während die des Herrn Arnim das diplomatische Verdienst hatte, gar keinen Gedanken zu enthalten. Herr Auerswald erging sich in poetischen Versuchen. Aus der Debatte heben wir nur hervor, daß sich Herr Vinke wacker auf seinem Rechtsboden herumtummelte. Nach seiner Meinung ist es nothwendig, daß Deutschland dem Auslande gegenüber eine starke Centralgewalt besitze. Jedoch sei wohl zu beachten, daß außer den 28 Regierungen sich gerade die bedeutendsten, Sachsen, Baiern und Oestreich gegen ein preußisch-deutsches Kaiserthum erklärt hätten. Es sei anzunehmen, daß Würtemberg und Hannover, gedrängt von den Kammern, ihre Zustimmung geben würden, jedenfalls aber würden die diffentirenden Regierungen, mit der Zeit noch zur Besinnung kommen, und darum sei es staatsklug, zu warten bis dies geschehe. Moral: er hält den König für moralisch verpflichtet, den ihm von der deutschen Nationalversammlung zugedachten Beruf nicht abzulehnen, würde jedoch einer Adresse nicht zustimmen, welche unbedingt erklärte, der König solle jenen Beschluß ausführen, weil dann die Gefahren des Krieges zu besorgen sein. Herr Arnim erklärte, es sei formell richtig gewesen die Krone zuerst sprechen zu lassen und ihrer Entscheidung nicht durch eine Adresse vorzugreifen. Da dies nun nicht der Fall sei, so verkenne er nicht, daß jetzt die Kammer nicht schweigen könne. Da nun vorausgesetzt werden müsse, daß ihre Worte Einfluß auf die Geschicke Deutschland's und Preußen's haben werden, so müsse sie auch den Konsequenzen entgegengehen, und dies könne mit großer Gefahr verbunden sein, weil vorübergehend, statt der Einheit ein großer Zwiespalt entstehen dürfte. Gegen das Verlangen Ziegler's, daß die Adresse die Voraussetzung aussprechen müsse, der König werde das Verfassungswerk und die einzelnen Bestimmungen ohne Bedingung annehmen, äußerte Arnim, daß gerade die fraglichen Bestimmungen zuletzt blos im Wege der Transaktion getroffen worden sein und der innern Majorität der Nationalversammlung nicht entsprächen. Zuletzt fand noch ein kleiner Etiquettenstreit Statt, ob es heißen solle: „verfassungsgebende“ oder „deutsche Nationalversammlung“. Herr v. Vinke erklärte das erstere zwar für einen nichtssagenden Titel, jedoch auch dabei beruhigte sich die Rechte nicht, sondern beharrte auf dem Ausdrucke: „deutsche Nationalversammlung“. * Berlin, 2 April. Der „Preußische Staats-Anzeiger“ weiß vortrefflich offizielle Geschichte zu machen. Ueber den Empfang der reichskaiserlichen Deputation in Köln entnimmt er unter Zitirung den von der „Kölnischen“ darüber erstatteten Wollustbericht, der bekanntlich gegen Ende in rein „verthierte“ Schmerzenslaute übergeht. Sei's ästhetische Scheu, sei's Besorgniß, den Potsdamer Gottbegnadeten mit dem letzten Theil des Berichts in allzugroße Mitleidenschaft mit den in Köln schwergeprüften Froschteichlern zu versetzen: genug, der „Preußische Staats-Anzeiger“ druckt die „Kölnische“ eben nur bis dahin ab, wo die katzenmusikalische Demonstration anhebt, durch welche Köln seine Ansicht von der Frankfurter Kaiserfabrikation einem Soiron und Konsorten kundgeben wollte. Für den „Preußischen Staats-Anzeiger“ ist nur die 18 Mann hohe sogenannte Bürgerdeputation, d. h. die „Abordnung“ des aus c. 90 Mitgliedern bestehenden Heuler- oder „Bürgervereins“ vorhanden; die große „Abordnung“ des Volkes vor dem Hotel Disch und die von ihr der nach Berlin eilenden Deputation improvisirte Huldigung und die zur Auseinandersprengung aufgebotene Militärmacht, werden mit dem rührendsten Stillschweigen übergangen. 121 Magdeburg, 2. April. Der Rheinische Kreisausschuß der Demokraten in Köln wurde wegen Aufforderung zum Widerstande gegen die Obrigkeit zur Kriminaluntersuchung gezogen, jedoch bekanntlich von der Jury freigesprochen. Das Oberlandesgericht in Halberstadt hat in einer ähnlichen Untersuchung ebenfalls ein freisprechendes Erkenntniß erlassen. In demselben Sinne hat sich das Kammergericht ausgesprochen, indem es den Staatsanwalt mit seiner Anklage gegen mehrere Mitglieder der Nationalversammlung, welche zugleich zur Ausführung des Steuerverweigerungsbeschlusses beigetragen hatten, zurückgewiesen hat. Sämmtliche Gerichte nahmen an, daß weder nach dem rheinischen Strafgesetzbuche, noch nach dem allgemeinen Landrechte die Verweigerung der Steuern aus politischen Gründen und die Aufforderung dazu mit Strafe bedroht sei. Der Kriminalsenat des Oberlandesgerichts in Magdeburg hat endlich sich das Verdienst erworben, die Gesetzesstellen zu ermitteln, nach welchen dergleichen Handlungen zu bestrafen sind. In der wider den Land- und Stadtgerichtsassessor Lindenberg und den Kaufmann Mewes in Genthin geführten Untersuchung nimmt dieses Gericht, bestehend aus dem Vicepräsidenten Martens und den Oberlandesgerichtsräthen Sombart, Hundrich, Elsholz, Schelb und Kniese, in dem am 17. März abgefaßten Erkenntnisse an, es sei gegen die Angeschuldigten nachgewiesen, daß sie am 17. November vorigen Jahres in einem Gasthofe in Genthin gesagt haben: „wir brauchen keine Steuern mehr zu bezahlen, die Nationalversammlung hat es beschlossen; wer Steuern zahlt läuft Gefahr, sie später noch einmal zu bezahlen.“ Dies geschah im Gespräche mit mehreren Personen, unter welchen auch Steuererheber, und in einer der beiden Gaststuben, in welchen sich etwa 40 Personen befanden. Das Gericht findet hierin eine Aufforderung und Anreizung zur Steuerverweigerung. Bei Einleitung der Untersuchung erklärte der Oberlandesgerichtsrath Sombart als Inquirent auf Befragen, daß der Kriminalsenat selbst noch nicht klar darüber sei, nach welchem Gesetze die inculpirte Handlung beurtheilt werden müsse. Entweder sei der § 151, Theil II, Titel 20 des allgemeinen Landrechts: Wer durch frechen, unehrerbietigen Tadel, u. s. w. oder §. 242 daselbst: Wer dem Staate die schuldigen Abgaben und Gefälle betrüglicher Weise vorenthält, u. s. w. oder §. 92 daselbst vom Hochverrathe anzuwenden. Am Schlusse der Untersuchung hielt der Kommissarius dem Inkulpaten zu Protoll vor, daß § 233 daselbst, betreffend die Anmaßung eines Hoheitsrechtes, nebst Vergehen wider die Verfassung des Staates, Platz greife. Gegen diese Strafbestimmungen richtete sich demgemäß die Vertheidigung. In dem Erkenntnisse vom 17. März führt der Kriminalsenat ebenfalls aus, daß die bezeichneten Strafgesetze nicht anwendbar seien. Die inkriminirte Handlung sei vielmehr als ein Versuch zum Aufruhr nach § 167 und § 168 zu beurtheilen, worin es heißt: § 167. Wer eine Klasse des Volkes, oder die Mitglieder einer Stadt- und Dorfgemeinde, ganz oder zum Theil, zusammenbringt, um sich der Ausführung obrigkeitlicher Verfügungen mit vereinigter Gewalt zu widersetzen, oder Etwas von der Obrigkeit zu erzwingen: der macht sich eines Aufruhrs schuldig. § 168. Wer einen Aufruhr erregt, der hat, wenn auch noch keine wirkliche Gewalt verübt worden, und noch kein Schaden geschehen ist, dennoch ein- bis vierjährige Zuchthaus- oder Feststungsstrafe verwirkt. Ueber die Bedenken, daß nicht ein Zusammenbringen der Gesellschaft durch die Inkulpaten bewirkt, noch eine Gewalt beabsichtigt sei, kommt der Gerichtshof dadurch hinweg, daß er deducirt: „Es sei ganz gleichgültig, ob ein eigentliches Zusammenbringen des Volkes zum Zwecke des Aufruhrs geschehen, oder ob eine zufällig versammelte Menge aufgerührt sei. Auch habe das Gesetz keineswegs eine wirkliche, eigentliche Gewalt (!!!) gemeint, wie schon daraus hervorgehe, daß es sich des Ausdrucks „vereinigte Gewalt“ bediene. In einer Vereinigung Vieler liege aber immer eine Gewalt.“ Nun seien aber die bei dem Vorfalle mitanwesend gewesenen drei Schützen, zu welchen die Inkulpaten gesprochen, der Aufforderung derselben sofort entgegengetreten. Es sei mithin jene Aufforderung nur als ein Versuch zum (passiven!) Aufruhr zu betrachten. Unter Berücksichtigung dieses mildernden Umstandes erkannte der Kriminalsenat gegen den Assessor Lindenberg auf Kassation, Unfähigkeit zu allen öffentlichen Aemtern und neunmonatliche Festungsstrafe; gegen den Kaufmann Mewes auf sechsmonatliche Festungsstrafe und gegen Beide, da sie durch ihr Benehmen ihre „unpatriotische Gesinnung“ (!!!) kundgegeben haben, auf Verlust der Nationalkokarde. Interessante Enthüllungen über das Treiben der siegestrunkenen contrerevolutionären Partei bieten folgende zu den Untersuchungsakten gekommene in preußischer Sprache stylisirte und ortographirte Schrei-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849, S. 1486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz264_1849/2>, abgerufen am 24.11.2024.