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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 264. Köln, Donnerstag, den 5. April 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Heute Morgen wurde ein Extra-Blatt zu Nro. 263 ausgegeben.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Lohnarbeit und Kapital. -- Zur schlesischen Milliarde. [Die "Rezesse"]. -- Mobilisirung des 8. Armeekorps). Barmen. (Die Lage der Fabrikarbeiter). Berlin. (Geschichtsfabrikation im "Pr. St.-A." -- Kommissionsberathung über die Reichskaiser Adresse). Magdeburg. (Preußische Rechtspflege). Erfurt. (Dr. Stockmann. -- Graf Keller). Grottau. (Behandlung polnischer Emigranten). Schmaleningken. (Die Russen an der Gränze).

Polen. Von der russischen Gränze. (Die russischen Truppen). Von der galizisch-schlesischen Gränze. (Honved-Transporte).

Französische Republik. Paris. (Thiers-Barrot. -- Ledra-Rollin. -- Die Milliarde. -- Der verpfändete Napoleon. -- Wahlagitation der Rue de Poitiers. -- Journalschau. -- Neue Krankheit in Spanien. -- National-Versammlung. -- Vermischtes). Bourges. (Prozeß der Maigefangenen).

Italien. (Aufklärungen).

Ungarn. (Die Südslawen und die östreichische Monarchie)

Ostindien. London (Die Niederlage der Sikhs).

Deutschland.
* Köln, 4. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 4. April.

Napoleon bearbeitete 1806 - 1807 das übermüthige Preußen mit gewaltigen Keulenschlägen. Er demüthigte es so tief, daß der damalige preußische König sich gezwungen sah, an der verrosteten Staatsmaschinerie einige Reparaturen -- Reformen genannt -- vornehmen zu lassen. In Folge jener Keulenschläge verblichen u. A. "Erbunterthänigkeit" und "Zunftzwang" eines gewaltsamen Todes. Für den Zunftzwang erhielten wir Gewerbefreiheit. Sehr bald wußte die preußische Raubritterschaft, ihr voran die schlesische, doppelten Vortheil zu ziehen, mit andern Worten, einzelne Klassen des Landvolks auf zweifache Art, modern-bürgerlich und feudal-ritterlich, auszusaugen.

Zum Verständniß einige kurze Bemerkungen.

Die "Erbunterthänigkeit", diese wenig gemilderte, in der Praxis oft noch härtere Form der eigentlichen "Leibeigenschaft" fiel, von einem Nachhauch der französischen Revolution angeblasen, zu Boden. Was aber nach wie vor aufrecht stehen blieb: das waren die Frohnden oder "Hofetage" und die Geld- und Naturalleistungen an den "gnädigen" Patrimonialherrn. Durch Abschaffung der Erbunterthänigkeit erlangte der Landmann bloß Folgendes: 1) Seine Kinder durften nicht mehr zwangsweise und für ein bestimmtes Hundegeld und ungemachten Fraß so und so viel Jahre dem Gutsherrn als Ochsen-, Pferde- und Schweine-Jungen oder als dito Knechte und Mägde dienen; 2) seine Kinder durften, ohne daß es der Erlaubniß des gnädigen Gutsherrn und der dafür zu entrichtenden Abgabe von 5 bis 15 und mehr Thalern bedurfte, ein Handwerk oder eine freie Kunst lernen, sich überhaupt einen Lebensberuf wählen, ohne die gottbegnadeten Räuber von so und so viel Ahnen dafür zu bezahlen; 3) der Landmann durfte heirathen, ohne vorgängige Erlaubniß und Bezahlung des Gutsherrn; 4) er durfte ohne vorgängige Erlaubniß und ohne so und so viel Thaler Abzugsgelder zu entrichten, sich aus einem Dorf in's andere, sogar in einen andern Kreis und noch weiter, wenn's ihm beliebte, übersiedeln. Dies waren die Haupt- "Errungenschaften", die in Folge des Einrückens der französischen Armee 1806 und ihrer glänzenden Siege über das preußische Krautjunkerthum, dem Landmann zu Theil wurden.

Im Uebrigen fuhr die edle Ritterschaft fort, unter dem Titel von Robotdiensten, Grundzinsen, Laudemien, Marktgroschen, Zehnten und der vielen andern feudalen Abgaben und Leistungen, das Landvolk nach Kräften auszusaugen und von dem Schweiß des sich von früh bis in die tiefe Nacht abplackenden kleinen Mannes herrlich und in Freuden zu leben.

Es blieb indeß nicht einmal beim Alten, sondern die Herren Ritter schnitten von nun ab sogar doppelte Riemen aus dem Leder des Bauern.

Die Gelegenheit dazu ergab sich aus der Einführung der Gewerbefreiheit.

So lange der Zunftzwang andauerte, zahlte der ländliche Handwerker und Gewerbetreibende für sein Handwerk oder Geschäft eine jährliche -- der Regel nach ziemlich hohe -- Abgabe an den gnädigen Gutsherrn. Dafür genoß er den Vortheil, daß ihn der Gutsherr gegen die Konkurrenz Anderer durch Versagung der Betriebserlaubniß schützte, und daß der Gutsherr außerdem bei ihm arbeiten lassen mußte. So verhielt sich's namentlich bei den Müllern, Brauern, Fleischern, Schmieden, Bäckern, Kretscham- (Wirthshaus-) Besitzern, Krämern etc.

Zwar haben die Herren Ritter die Frechheit gehabt, bis auf die neueste Zeit herab, durch ihre eigenen und durch erkaufte Federn den Nachweis führen zu wollen, daß die von jenen Handwerkern und Gewerbetreibenden zu zahlenden Abgaben auf Grund und Boden hafteten und nichts weiter als ein Grund- oder Erbzins seien. Sie konnten aber höchstens nur denjenigen Leuten Sand in die Augen streuen, die von den ländlichen Verhältnissen in Schlesien so viel wußten, wie der Blinde von der Farbe. Aus einigen wenigen Fällen, die zu Gunsten der raubritterlichen Ansicht sprachen, suchten die Herren schlauer Weise einen allgemeinen Grundsatz zu fabriziren und da sie im innigsten Bunde standen mit jenem Scheusal, altpreußischer Richterstand genannt, einem Scheusal, das namentlich auf dem Landvolk schlimmer gelastet hat und noch lastet, als alle ägyptischen Landplagen zusammengenommen: so gelang es ihnen, den profitreichen Grundsatz auf die ungeheure Mehrheit der Fälle, auf die er nicht paßte, fortwährend anzuwenden.

Während der "gnädige" Herr seit Einführung der Gewerbefreiheit sich immer mehr in industrielle Spekulationen einließ und z. B. Wasser- und Windmühlen, später amerikanische Dampfmühlen anlegte und nicht bloß sein eigenes Getreide, das sonst der Dorfmüller zum Vermahlen erhalten mußte, in die eigene Mühle schickte, sondern auch als übermächtiger Konkurrent seinen eigenen Dorfmüller und die Müller weit und breit mehr oder weniger ruinirte: schämte er sich gleichwohl nicht, von dem betreffenden Müller nach wie vor dieselben Abgaben zu erheben, als zur Zeit, da der Zunftzwang bestand und das herrschaftliche Getreide dem zinsenden Müller Beschäftigung und Verdienst gewährte.

Die neuen herrschaftlichen Mühlen hatten keinerlei feudale Abgaben zu entrichten, so daß die Herren Ritter schon um deswillen billiger produziren und verkaufen und damit den zinsenden Müller ruiniren konnten und wirklich ruinirten. Bei Forterhebung dieser Geld- und Naturalleistungen beriefen sich die Dominialvergnügten einerseits auf ihre Gegenleistungen an die Müller, z. B. auf die Verpflichtung, das Wehr und den Wasserlauf im Stande zu erhalten, die Mühlsteine und das nöthige Bauholz unentgeltlich anzufahren, andererseits erklärten sie die Abgaben lediglich für einen Grundzins. Davon abgesehen, daß die Leistungen der Müller mit den Gegenleistungen der Gutsherren im schreiendsten Mißverhältniß stehen, daß sie nur unter dem Zunftzwange einen Sinn hatten und als damalige Gewerbesteuer an den Gutsherrn begreif-

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 264. Köln, Donnerstag, den 5. April 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Heute Morgen wurde ein Extra-Blatt zu Nro. 263 ausgegeben.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Lohnarbeit und Kapital. — Zur schlesischen Milliarde. [Die “Rezesse”]. — Mobilisirung des 8. Armeekorps). Barmen. (Die Lage der Fabrikarbeiter). Berlin. (Geschichtsfabrikation im „Pr. St.-A.“ — Kommissionsberathung über die Reichskaiser Adresse). Magdeburg. (Preußische Rechtspflege). Erfurt. (Dr. Stockmann. — Graf Keller). Grottau. (Behandlung polnischer Emigranten). Schmaleningken. (Die Russen an der Gränze).

Polen. Von der russischen Gränze. (Die russischen Truppen). Von der galizisch-schlesischen Gränze. (Honved-Transporte).

Französische Republik. Paris. (Thiers-Barrot. — Ledra-Rollin. — Die Milliarde. — Der verpfändete Napoleon. — Wahlagitation der Rue de Poitiers. — Journalschau. — Neue Krankheit in Spanien. — National-Versammlung. — Vermischtes). Bourges. (Prozeß der Maigefangenen).

Italien. (Aufklärungen).

Ungarn. (Die Südslawen und die östreichische Monarchie)

Ostindien. London (Die Niederlage der Sikhs).

Deutschland.
* Köln, 4. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 4. April.

Napoleon bearbeitete 1806 - 1807 das übermüthige Preußen mit gewaltigen Keulenschlägen. Er demüthigte es so tief, daß der damalige preußische König sich gezwungen sah, an der verrosteten Staatsmaschinerie einige Reparaturen — Reformen genannt — vornehmen zu lassen. In Folge jener Keulenschläge verblichen u. A. „Erbunterthänigkeit“ und „Zunftzwang“ eines gewaltsamen Todes. Für den Zunftzwang erhielten wir Gewerbefreiheit. Sehr bald wußte die preußische Raubritterschaft, ihr voran die schlesische, doppelten Vortheil zu ziehen, mit andern Worten, einzelne Klassen des Landvolks auf zweifache Art, modern-bürgerlich und feudal-ritterlich, auszusaugen.

Zum Verständniß einige kurze Bemerkungen.

Die „Erbunterthänigkeit“, diese wenig gemilderte, in der Praxis oft noch härtere Form der eigentlichen „Leibeigenschaft“ fiel, von einem Nachhauch der französischen Revolution angeblasen, zu Boden. Was aber nach wie vor aufrecht stehen blieb: das waren die Frohnden oder „Hofetage“ und die Geld- und Naturalleistungen an den „gnädigen“ Patrimonialherrn. Durch Abschaffung der Erbunterthänigkeit erlangte der Landmann bloß Folgendes: 1) Seine Kinder durften nicht mehr zwangsweise und für ein bestimmtes Hundegeld und ungemachten Fraß so und so viel Jahre dem Gutsherrn als Ochsen-, Pferde- und Schweine-Jungen oder als dito Knechte und Mägde dienen; 2) seine Kinder durften, ohne daß es der Erlaubniß des gnädigen Gutsherrn und der dafür zu entrichtenden Abgabe von 5 bis 15 und mehr Thalern bedurfte, ein Handwerk oder eine freie Kunst lernen, sich überhaupt einen Lebensberuf wählen, ohne die gottbegnadeten Räuber von so und so viel Ahnen dafür zu bezahlen; 3) der Landmann durfte heirathen, ohne vorgängige Erlaubniß und Bezahlung des Gutsherrn; 4) er durfte ohne vorgängige Erlaubniß und ohne so und so viel Thaler Abzugsgelder zu entrichten, sich aus einem Dorf in's andere, sogar in einen andern Kreis und noch weiter, wenn's ihm beliebte, übersiedeln. Dies waren die Haupt- „Errungenschaften“, die in Folge des Einrückens der französischen Armee 1806 und ihrer glänzenden Siege über das preußische Krautjunkerthum, dem Landmann zu Theil wurden.

Im Uebrigen fuhr die edle Ritterschaft fort, unter dem Titel von Robotdiensten, Grundzinsen, Laudemien, Marktgroschen, Zehnten und der vielen andern feudalen Abgaben und Leistungen, das Landvolk nach Kräften auszusaugen und von dem Schweiß des sich von früh bis in die tiefe Nacht abplackenden kleinen Mannes herrlich und in Freuden zu leben.

Es blieb indeß nicht einmal beim Alten, sondern die Herren Ritter schnitten von nun ab sogar doppelte Riemen aus dem Leder des Bauern.

Die Gelegenheit dazu ergab sich aus der Einführung der Gewerbefreiheit.

So lange der Zunftzwang andauerte, zahlte der ländliche Handwerker und Gewerbetreibende für sein Handwerk oder Geschäft eine jährliche — der Regel nach ziemlich hohe — Abgabe an den gnädigen Gutsherrn. Dafür genoß er den Vortheil, daß ihn der Gutsherr gegen die Konkurrenz Anderer durch Versagung der Betriebserlaubniß schützte, und daß der Gutsherr außerdem bei ihm arbeiten lassen mußte. So verhielt sich's namentlich bei den Müllern, Brauern, Fleischern, Schmieden, Bäckern, Kretscham- (Wirthshaus-) Besitzern, Krämern etc.

Zwar haben die Herren Ritter die Frechheit gehabt, bis auf die neueste Zeit herab, durch ihre eigenen und durch erkaufte Federn den Nachweis führen zu wollen, daß die von jenen Handwerkern und Gewerbetreibenden zu zahlenden Abgaben auf Grund und Boden hafteten und nichts weiter als ein Grund- oder Erbzins seien. Sie konnten aber höchstens nur denjenigen Leuten Sand in die Augen streuen, die von den ländlichen Verhältnissen in Schlesien so viel wußten, wie der Blinde von der Farbe. Aus einigen wenigen Fällen, die zu Gunsten der raubritterlichen Ansicht sprachen, suchten die Herren schlauer Weise einen allgemeinen Grundsatz zu fabriziren und da sie im innigsten Bunde standen mit jenem Scheusal, altpreußischer Richterstand genannt, einem Scheusal, das namentlich auf dem Landvolk schlimmer gelastet hat und noch lastet, als alle ägyptischen Landplagen zusammengenommen: so gelang es ihnen, den profitreichen Grundsatz auf die ungeheure Mehrheit der Fälle, auf die er nicht paßte, fortwährend anzuwenden.

Während der „gnädige“ Herr seit Einführung der Gewerbefreiheit sich immer mehr in industrielle Spekulationen einließ und z. B. Wasser- und Windmühlen, später amerikanische Dampfmühlen anlegte und nicht bloß sein eigenes Getreide, das sonst der Dorfmüller zum Vermahlen erhalten mußte, in die eigene Mühle schickte, sondern auch als übermächtiger Konkurrent seinen eigenen Dorfmüller und die Müller weit und breit mehr oder weniger ruinirte: schämte er sich gleichwohl nicht, von dem betreffenden Müller nach wie vor dieselben Abgaben zu erheben, als zur Zeit, da der Zunftzwang bestand und das herrschaftliche Getreide dem zinsenden Müller Beschäftigung und Verdienst gewährte.

Die neuen herrschaftlichen Mühlen hatten keinerlei feudale Abgaben zu entrichten, so daß die Herren Ritter schon um deswillen billiger produziren und verkaufen und damit den zinsenden Müller ruiniren konnten und wirklich ruinirten. Bei Forterhebung dieser Geld- und Naturalleistungen beriefen sich die Dominialvergnügten einerseits auf ihre Gegenleistungen an die Müller, z. B. auf die Verpflichtung, das Wehr und den Wasserlauf im Stande zu erhalten, die Mühlsteine und das nöthige Bauholz unentgeltlich anzufahren, andererseits erklärten sie die Abgaben lediglich für einen Grundzins. Davon abgesehen, daß die Leistungen der Müller mit den Gegenleistungen der Gutsherren im schreiendsten Mißverhältniß stehen, daß sie nur unter dem Zunftzwange einen Sinn hatten und als damalige Gewerbesteuer an den Gutsherrn begreif-

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In Folge jener Keulenschläge verblichen u. A. „Erbunterthänigkeit“ und „Zunftzwang“ eines gewaltsamen Todes. Für den Zunftzwang erhielten wir Gewerbefreiheit. Sehr bald wußte die preußische Raubritterschaft, ihr voran die schlesische, doppelten Vortheil zu ziehen, mit andern Worten, einzelne Klassen des Landvolks auf zweifache Art, modern-bürgerlich und feudal-ritterlich, auszusaugen. Zum Verständniß einige kurze Bemerkungen. Die „Erbunterthänigkeit“, diese wenig gemilderte, in der Praxis oft noch härtere Form der eigentlichen „Leibeigenschaft“ fiel, von einem Nachhauch der französischen Revolution angeblasen, zu Boden. Was aber nach wie vor aufrecht stehen blieb: das waren die Frohnden oder „Hofetage“ und die Geld- und Naturalleistungen an den „gnädigen“ Patrimonialherrn. Durch Abschaffung der Erbunterthänigkeit erlangte der Landmann bloß Folgendes: 1) Seine Kinder durften nicht mehr zwangsweise und für ein bestimmtes Hundegeld und ungemachten Fraß so und so viel Jahre dem Gutsherrn als Ochsen-, Pferde- und Schweine-Jungen oder als dito Knechte und Mägde dienen; 2) seine Kinder durften, ohne daß es der Erlaubniß des gnädigen Gutsherrn und der dafür zu entrichtenden Abgabe von 5 bis 15 und mehr Thalern bedurfte, ein Handwerk oder eine freie Kunst lernen, sich überhaupt einen Lebensberuf wählen, ohne die gottbegnadeten Räuber von so und so viel Ahnen dafür zu bezahlen; 3) der Landmann durfte heirathen, ohne vorgängige Erlaubniß und Bezahlung des Gutsherrn; 4) er durfte ohne vorgängige Erlaubniß und ohne so und so viel Thaler Abzugsgelder zu entrichten, sich aus einem Dorf in's andere, sogar in einen andern Kreis und noch weiter, wenn's ihm beliebte, übersiedeln. Dies waren die Haupt- „Errungenschaften“, die in Folge des Einrückens der französischen Armee 1806 und ihrer glänzenden Siege über das preußische Krautjunkerthum, dem Landmann zu Theil wurden. Im Uebrigen fuhr die edle Ritterschaft fort, unter dem Titel von Robotdiensten, Grundzinsen, Laudemien, Marktgroschen, Zehnten und der vielen andern feudalen Abgaben und Leistungen, das Landvolk nach Kräften auszusaugen und von dem Schweiß des sich von früh bis in die tiefe Nacht abplackenden kleinen Mannes herrlich und in Freuden zu leben. Es blieb indeß nicht einmal beim Alten, sondern die Herren Ritter schnitten von nun ab sogar doppelte Riemen aus dem Leder des Bauern. Die Gelegenheit dazu ergab sich aus der Einführung der Gewerbefreiheit. So lange der Zunftzwang andauerte, zahlte der ländliche Handwerker und Gewerbetreibende für sein Handwerk oder Geschäft eine jährliche — der Regel nach ziemlich hohe — Abgabe an den gnädigen Gutsherrn. Dafür genoß er den Vortheil, daß ihn der Gutsherr gegen die Konkurrenz Anderer durch Versagung der Betriebserlaubniß schützte, und daß der Gutsherr außerdem bei ihm arbeiten lassen mußte. So verhielt sich's namentlich bei den Müllern, Brauern, Fleischern, Schmieden, Bäckern, Kretscham- (Wirthshaus-) Besitzern, Krämern etc. Zwar haben die Herren Ritter die Frechheit gehabt, bis auf die neueste Zeit herab, durch ihre eigenen und durch erkaufte Federn den Nachweis führen zu wollen, daß die von jenen Handwerkern und Gewerbetreibenden zu zahlenden Abgaben auf Grund und Boden hafteten und nichts weiter als ein Grund- oder Erbzins seien. Sie konnten aber höchstens nur denjenigen Leuten Sand in die Augen streuen, die von den ländlichen Verhältnissen in Schlesien so viel wußten, wie der Blinde von der Farbe. Aus einigen wenigen Fällen, die zu Gunsten der raubritterlichen Ansicht sprachen, suchten die Herren schlauer Weise einen allgemeinen Grundsatz zu fabriziren und da sie im innigsten Bunde standen mit jenem Scheusal, altpreußischer Richterstand genannt, einem Scheusal, das namentlich auf dem Landvolk schlimmer gelastet hat und noch lastet, als alle ägyptischen Landplagen zusammengenommen: so gelang es ihnen, den profitreichen Grundsatz auf die ungeheure Mehrheit der Fälle, auf die er nicht paßte, fortwährend anzuwenden. Während der „gnädige“ Herr seit Einführung der Gewerbefreiheit sich immer mehr in industrielle Spekulationen einließ und z. B. Wasser- und Windmühlen, später amerikanische Dampfmühlen anlegte und nicht bloß sein eigenes Getreide, das sonst der Dorfmüller zum Vermahlen erhalten mußte, in die eigene Mühle schickte, sondern auch als übermächtiger Konkurrent seinen eigenen Dorfmüller und die Müller weit und breit mehr oder weniger ruinirte: schämte er sich gleichwohl nicht, von dem betreffenden Müller nach wie vor dieselben Abgaben zu erheben, als zur Zeit, da der Zunftzwang bestand und das herrschaftliche Getreide dem zinsenden Müller Beschäftigung und Verdienst gewährte. Die neuen herrschaftlichen Mühlen hatten keinerlei feudale Abgaben zu entrichten, so daß die Herren Ritter schon um deswillen billiger produziren und verkaufen und damit den zinsenden Müller ruiniren konnten und wirklich ruinirten. Bei Forterhebung dieser Geld- und Naturalleistungen beriefen sich die Dominialvergnügten einerseits auf ihre Gegenleistungen an die Müller, z. B. auf die Verpflichtung, das Wehr und den Wasserlauf im Stande zu erhalten, die Mühlsteine und das nöthige Bauholz unentgeltlich anzufahren, andererseits erklärten sie die Abgaben lediglich für einen Grundzins. Davon abgesehen, daß die Leistungen der Müller mit den Gegenleistungen der Gutsherren im schreiendsten Mißverhältniß stehen, daß sie nur unter dem Zunftzwange einen Sinn hatten und als damalige Gewerbesteuer an den Gutsherrn begreif-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 264. Köln, 5. April 1849, S. 1485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz264_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.