Neue Rheinische Zeitung. Nr. 241. Köln, 9. März 1849.mit ihren feisten Mönchen, denen ich in stiller Zelle gern Gesellschaft leistete. Das Christenthum brachte mich damals auch nach Deutschland, wo ich in den langen Lehrgedichten der ausgezeichnetsten Poeten die deutlichsten Spuren zurück ließ. Das Mittelalter halte ich überhaupt für die Glanzperiode meines Daseins und ich habe nur zu bedauern, daß es von so kurzer Dauer war, denn mit der Erfindung des Pulvers ging die Welt leider einer Epoche entgegen, die bis auf die jüngsten Tage hin, immer kurzweiliger geworden ist. Blasirt über das Familienleben mischte ich mich damals in die öffentlichen Angelegenheiten der Völker. Vor allen Dingen suchte ich aber stets meinen Einfluß in der Literatur geltend zu machen und ich muß selbst gestehen, daß ich auf dem Felde der Theologie das Unerhörte geleistet habe. Aergerlich war es wir, daß ich fast nie bei den Franzosen Glück machte. Aber wir scheinen nicht für einander geschaffen zu sein. Sie behandelten mich stets mit Geringschätzung und da ich vor ihrer eingewurzelten Frivolität den tiefsten Abscheu habe, so gab ich mir auch zuletzt keine Mühe mehr, sie durch das Wohlthuende meines Einflusses auf die Bahn der Tugend hinüberzuleiten." Als die langweilige Göttin so weit gesprochen hatte, mußte ich entsetzlich gähnen und wollte mich eben dieses Verstoßes wegen entschuldigen, als ich noch zur rechten Zeit bemerkte, daß mir unwillkürlich die größte Artigkeit passirt war. Das Antlitz der langen Göttin überflog nemlich ein Zug der ungetheiltesten Befriedigung, als sie mich gähnen sah und mit wahrer Begeisterung setzte sie, namentlich mir zugewandt, ihre Rede fort: "Sie können hieraus abnehmen, daß ich schon seit geraumer Zeit auf der Erde wirksam umhergespukt habe. O, theuerster Freund, ich versichere Ihnen, Deutschland gehörte zu den Ländern, in denen ich mich immer am heimischsten fühlte. Gelebt und geliebet habe ich mit dem edlen Volke der Deutschen und herrlich hat sich mein Geist offenbart in Germaniens denkwürdigsten Kunstschöpfungen. Wie begeisterte ich nicht den unerreichten Klopstock! Wie hat nicht Platen mich in die weichsten Formen zu bannen gewußt! Aber auch den neueren Autoren wandte ich mich gerne zu. Sind nicht die Gutzkow'schen Dramen wahre Meisterwerke der langen Weile? Wer ist nicht schon einmal bei den lyrischen Ergüssen der jüngeren rheinischen Dichter selig zusammengeschlummert! Doch auch in der Journalistik bin ich vertreten. Die Kölnische Zeitung wurde mein Central-Organ. Ueberall zeigt sich mein stilles Walten und auch Sie, theuerster Freund, werden vielleicht meinen heilsamen Einfluß spüren, wenn Sie nach Ihrer Rückkehr aus England, wiederum der Krankheit schriftstellerischer Versuche anheimfallen." Trotz der großen Bonhomie, mit der die Göttin diese Worte sprach, hätte ich die letzte Bemerkung doch beinah sehr anzüglich gefunden. Aber die Holde ließ mir keine Zeit, irgend etwas zu erwidern. "Zwar entfernt von Deutschland - fuhr sie fort - nehme ich doch an der Entwicklung Ihres Vaterlandes den wärmsten Antheil. Auf eine erfreuliche Weise zieht sich bei Ihnen wiederum Alles in die Länge. Aber das kommt, weil ich mit den besten Rednern der Paulskirche auf ein und derselben Bank saß. - - Wie umsäuselte ich nicht den früher so berühmten Soiron! Wie leitete ich nicht die Beredsamkeit eines Venedey! O, nur ein einziges Mal ist man in Frankfurt aus der Rolle der Langenweile gefallen: als man den Verfasser des Schnapphahnski gerichtlich verfolgen ließ! Ja, wahrlich, wenn es nicht ein England in der Welt gäbe, so möchte ich in Deutschland wohnen! Aber die Revolutionen des Kontinents haben mich vertrieben und auf diesem konstitutionellen Kreidefelsen, auf diesem Hort der Ruhe und der gesetzlichen Ordnung will ich Hütten bauen, eine für mich, eine für dich, o theurer Spleen, und die letzte für dich, du liebenswürdigste und interessanteste aller Krankheiten, ja für dich, o Seekrankheit!" Hier schwieg die holde Göttin und der Spleen, der bisher so steif und unbeweglich wie eine Eule auf seinem Stuhl da gesessen hatte, suchte plötzlich aus lauter Begeisterung über den herrlichen "Speech" die Füße in die Hosentaschen zu stecken, indem er entsetzlich dabei nießte und ein schnarrendes "hear, hear!" ausstieß. Auch die Seekrankheit erwachte aus ihrer Lethargie und machte einige unheimliche Bewegungen. Ihr fahles Angesicht verzog sich zu einer jener unbeschreiblichen Grimassen, die man bei stürmischem Wetter an seinen Seegefährten zu studiren pflegt, und hätte ich nicht rasch meine Augen verhüllt, ich glaube wahrhaftig, das Schrecklichste wäre mir passirt. Aber meine Gäste kehrten sich wenig an meine tiefen Empfindungen. Sie schauten mit dem süßen Einverständniß verwandter Seelen lächelnd einander an und ein Bund wurde zwischen ihnen geschlossen, der noch manches Zeitliche überdauern wird. Ich muß gestehen, ich spielte eine sehr traurige Rolle in diesem Augenblick. Die Portweinflasche machte aber bald von Neuem die Runde und die Langeweile, der Spleen, die Seekrankheit und ich selbst füllten die Gläser bis zum Rande. Jetzt erhoben wir das schimmernde Krystall, und jetzt uns messend mit stierem Blick, neigten wir die Köpfe, kaum bemerkbar und möglichst steif, um endlich mit todternsten Gesichtern a tempo den großen Moment des Trinkens zu vollenden - und lautlos wurde es in dem weiten Gemache und nur die Themse schlug murmelnd an die Quadern unseres Hauses und fernher klang durch die Nacht das Brausen London's, verhallend wie der Donnerfall des Niagara. [Fortsetzung] (Fortsetzung folgt.) [Deutschland] ferner noch die Pflichten, welche der Staat, welche mein Gewissen mir auferlegen, treu zu erfüllen, der lohnenden Anerkennung gewiß." Mengershausen wird hier vom 1. April c. ab die Functionen des Staats-Anwalts versehen. Da wird es für ihn auch prächtige Gelegenheit geben, bei etwaigen politischen Prozessen seine Maxime geltend zu machen- - "wenn es darauf ankommt, - schonungslose Criminalrechtspflege"! und "darauf an" kommt es ihm immer!! 216 Berlin, 6. März. Grabow ist mit 5 Stimmen Majorität zum Präsidenten der II. Kammer gewählt. Nachdem Grabow im vorigen Jahre aus verletzter Eitelkeit ausgeschieden war, trat der Conflikt ein. Darauf bezüglich schrieb damals Grabow, daß er die Vertagung und Verlegung der National-Versammlung nicht für gerechtfertigt halte; er gehört folglich auch zu den Antiministeriellen. Doch was kann das helfen. Die Wahl Grabow's, wie schwach die Majorität auch war, stellt die II. Kammer auf den gehörigen Werth. Sie ist keine wahre Repräsentantin des Volks, welches zur Zeit zermalmend über sie wegschreiten wird. Das läßt sich voraussehen. Man braucht deßhalb kein Prophet zu sein. - Der Adreßentwurf der I. Kammer liegt vor. Dieses erbärmliche Schriftstück elender Speichelleckerei trägt auch die Namen Leue und Walter zur Schande der Rheinprovinz. 9 Berlin, 6. März. Die Börse war gestern ungemein flau. Die Nachrichten aus Wien und Ungarn waren sehr unbestimmter Natur, so daß selbst die ersten hiesigen Banquierhäuser sich äußerst vorsichtig gerirten. Es ist jetzt nichts Seltenes, Züge von Arbeitern über die Straßen ziehen zu sehen, ein Anblick, der an den Anfang des Märzes 1848 erinnert. Die armen Leute waren im Winter zu enttäuscht über den passiven Widerstand der Vereinbarer und begnügten sich in ihrer Erstarrung mit den Wohlthätigkeitssuppen. Jetzt aber tritt der Saft in die Bäume und auch das Blut in den Adern der Menschen rollt wieder rascher. Unter uns gesagt, ich glaube, es gibt hier keine freien Menschen außer den allerärmsten, und diese werden, wenn ich mich nicht sehr täusche, erster Tage wieder für ihr Freiheitsgefühl mit Kugeln und Blei in den Rippen belohnt werden. Die Polizei ist sehr wachsam in Bezug auf die Arbeiter. Man kann wohl sagen, daß auf jede Bassermann'sche Gestalt eine Kühlwetter'sche kommt. Es beliebte gestern einem hiesigen demokratischen Herrn einem Arbeiter ohne Arbeit etwas zu schenken. Dies bemerkt ein Konstabler und nahm den Herrn "wegen Bestechung der Arbeiter" mit zur Wache, wo er seinen Namen angeben mußte. Die Herren Aristokraten betrachten die Bestechung der Arbeiter als ihr Monopol. Die Goldschmidt'sche Fabrik ist noch immer durch Militär geschützt. Wie man hört, haben die Besitzer dieser Fabrik den Ruf, die Arbeiter besonders geschunden zu haben. Außer den Kattundruckern feiern noch mehrere Handwerker, die sich mit Jenen verbunden haben. Die Bemühungen der Regierung, die Leute nach der Ostbahn zu spediren, haben trotz der angebotenen Prämie von 2 1/2 Thlr. pro Halbjahr wenig Erfolg, und die strengen Gesetze, welche über die unglücklichen Erdarbeiter bei den Kanalbauten in der Nähe von den wohlweisen Herren verhängt sind, halten viele zurück. In der That ist auch der Arbeitslohn von 12 1/2-11 Sgr. pr. Tag (von Morgens 6 bis Abends 7 Uhr) nicht sehr verlockend für einen Berliner; und die Bestimmung, daß es den Arbeitern bei strenger Strafe verboten ist, beim Ministerium en masse zu petitioniren, empört besonders das souveräne Volk, welches gewohnt war, den Herrn Arbeitsministern Patow, Milde etc. zu imponiren. Die Excellenz aus dem Wupperthale mag übrigens nicht auf Rosen gebettet sein - die barbarischen provisorischen Gewerbegesetze haben den Dank des Landes nicht hergeführt, wie man erwartet hatte, im Gegentheil ist Niemand damit zufrieden. Mit der Nationalzeitung soll mit dem neuen Quartal eine Aenderung vorgehen. Ob man Hrn. Paalzow (zur Zeit sehr einflußreich) beseitigen, oder ob derselbe Andere beseitigen wird, können wir nicht bestimmt sagen. An konstitutionellen Zeitungen hätten wir nachgerade allerdings genug: eine verständig langweilige, eine yerfid alberne (Deutsche Reform, welche mit dem Quartal aufhört) und eine antediluvianisch-überflüssige (die konstitutionelle Hansemann). Letztere ist fast unsichtbar, und Hr. Louis Philipp Weyl wird trotz der 80,000 Thlr. und des schönen Formats große Mühe haben, sich bemerklich zu machen, und noch schwieriger dürfte es sein, vermöge solcher abgedroschenen Mittel "die Heiligkeit des Besitzes, des Erwerbs (in Woll- und Eisenbahngeschäften), die persönliche Berechtigung des Staatsbürgers (durch indirekte Wahlen und Census), der Familie (Bourgeois u. Komp.), der Civilisation (Belagerungszustand, große Polizei etc.)" zu schützen. Die Heiligkeit der Civilisation zeigt sich in neuerer Zeit sehr glänzend durch Verurtheilung der sogenannten Majestätsverbrecher. Neulich wurde ein 20jähriger Babiergeselle zu zwei Jahren Strafarbeit verurtheilt, weil er am 10. November (dem Tage nach Wrangels Beruhigungseinzug) einige Teltower Bauern rasirt und sich ihnen gegenüber mißliebig über die Gottesgnade geäußert hatte. Alles vergebens, daß der junge Sünder behauptet, an jenem Tage wären sieben Achtel von Berlin seiner Meinung gewesen. O Heiligkeit der Civilisation! 302 Berlin, 6. März. Der Untersuchungsrichter beim hiesigen Kammergericht, v. Bülow, hat die Abgeordneten Advokat Messerich aus Trier, Kaufmann und Stadtverordneter-Vorsteher Krackrügge aus Erfurt, Stadtgerichts-Direktor Dörk aus Eisleben und Justizkommissar und Stadtverordneter-Vorsteher Moritz aus Torgau, wegen des Steuerverweigerungs-Beschlusses zur gerichtlichen Voruntersuchung vorladen lassen und im Falle des Entbleibens als Strafe die Bezahlung der Terminskosten, sowie die "gesetzlichen Zwangsmaßregeln" angedroht. Die Vorgeladenen sind nicht erschienen. Welche "gesetzlichen Zwangsmaßregeln" nun der Untersuchungsrichter nach §. 83 der oktroyirten sogen. Verfassung ohne Genehmigung der Kammer oktroyiren wird, steht zu erwarten. "Der Schutz der konstitutionellen Freiheiten - diese Grundbedingungen der öffentlichen Wohlfahrt - wird stets der Gegenstand meiner gewissenhaftesten Fürsorge sein" - läßt Herr Manteuffel seinen König sagen. 222 Berlin, 6. März. Von den Berliner Deputirten zur 2. Kammer ist ein schleuniger Antrag wegen Aufhebung des Belagerungszustandes eingebracht. Morgen um 9 Uhr ist deshalb Abtheilungssitzung und wenn drei Abtheilungen für die Verlesung sind, so erfolgt diese bereits morgen in öffentlicher Sitzung. Wird der Antrag dann unterstützt, so geht er zur Berathung in die Abtheilungen zurück. Heute spielte endlich der letzte gerichtliche Akt des Zeughaussturmes. Der frühere Abgeordnete zur Nationalversammlung, Rittmeister Kuhr, stand vor den Schranken unter der Anklage des gewaltsamen Diebstahls, weil er im Besitze eines aus dem Zeughause fortgenommenen Zündnadelgewehres gewesen war. Die Sache ist ihrer Zeit weitläufig in den Zeitungen besprochen. Der Gerichtshof hat den Angeklagten von der Anklage entbunden. Daß die bevorstehende Justizorganisation keinen Aufschub erleiden werde, findet heute durch eine halboffizielle Notiz im Staats-Anzeiger völlige Bestätigung. Für die hiesige Provinz werden Kreisgerichte errichtet werden in Berlin (hier entweder 2 oder beide in eins kombinirt); ferner in Potsdam, Beeskow, Wriezen, Prenzlau, Brandenburg, Spandow, Jüterbogk, Wittstock, Perleburg, Neu-Ruppin, Templin, Angermünde. Außerdem hat sich das Kammergericht für exklusive Advokaturen bei dem Appellhofe und den andern hiesigen Gerichten ausgesprochen. Im Justizministerium ist man jedoch mehr Willens, auf den Vorschlag der Justizkommissarien einzugehen, wonach die hier beim Kammergericht und den andern Gerichten mit Ausschluß des Tribunals angestellten Justizkommissarien bei allen hiesigen Gerichten in erster und zweiter Instanz zur Praxis befugt sein sollten. Es sollen gewichtige Gründe für das Eine wie für das Andere sprechen. Die Kündigung des Malmoer Waffenstillstandes Seitens der Krone Dänemark ist bemerkenswerther Weise ohne allen Effekt auf die Kurse der Fonds geblieben, wirkt aber höchst lähmend auf den Bezug von Kolonialwaaren über Hamburg. Dieses hat einen sehr bestimmten Grund und derselbe kann zugleich zeigen, wie fressend in politischen Dingen, vor allem in unserer Zeit, ein einmal entstandener Argwohn sich fortzusetzen pflegt. Kein Börsenmann glaubt an neuen Krieg mit Dänemark, indem Jeder lächelnd auf die Wildenbrug'sche Note verweist, und darum bleiben die Fonds unberührt; aber auf Kolonialwaaren wird den hiesigen Agenten der englischen und holländischen Häuser jede Bestellung versagt, weil man fürchtet, daß Dänemark, wenn auch nur auf kurze Zeit, die deutschen Ostseehäfen blokiren werde - lediglich damit Deutschland Veranlassung habe, Truppen nach Schleswig-Holstein zu werfen. Unsere Konstablermannschaft soll zum Theil bereits wieder neu eingekleidet werden. Das Polizei-Präsidium hat zu dem Ende die Tuchhändler zu Submissionen auf Lieferungen von 4500 Ellen blauem Tuch und 2700 Ellen grauem Tuch aufgefordert. Hierauf bezog sich auch die jüngst gemeldete Forderung des Schneider-Gewerks, daß ihm die Arbeit nicht entzogen werde. Die Erfindung des Hrn. Ministers Kühlwetter dürfte wenigstens keine wohlfeile zu nennen sein! Hr. Ehrenreich Eichholz, bisher Mitarbeiter an der Nationalzeitung, für welche er die Berliner Zeitungsschau bearbeitete, hat nach Stettin zur Uebernahme der Redaktion einer neuen demokratischen Zeitung einen Ruf erhalten und wird denselben annehmen. Es wird uns als sicher mitgetheilt, daß die Majorität der ersten Kammer sich in der Vorberathung gegen den Fortbestand des Belagerungszustandes ausgesprochen habe, - sobald ein Gesetz über die Presse und Tumulte emanirt worden. X Berlin, 6. März. Die Arbeiterbewegung wird immer bedenklicher und greift weiter und weiter um sich. Der tiefe Riß in unsern socialen Zuständen, offenbart sich nur zu deutlich. Schon haben die Maurer, Zimmerleute und Steinmetzen ihre Arbeit niedergelegt und andere Gewerke werden folgen. Die Maurermeister behaupten dagegen, daß bei den jetzigen niedrigen Miethen, Niemand daran denken werde, ein Haus bauen zu lassen, wenn die Forderungen der Gesellen erfüllt würden, weil dadurch das Mauerwerk eines Hauses um 20 Proz. theurer käme. Die Maurergesellen haben Jemand beauftragt, ihnen ein Memoir über ihre Forderungen und Verhältnisse aufzusetzen. Die Folgen des octroyirten Gewerbegesetzes zeigen sich schon jetzt in ihrem ganzen segensreichen Umfange. Wir geben nur ein Beispiel von den vielen, die uns erzählt wurden. In Danzig besteht unter der Firma Söhrmann und Comp. ein großartiges Exportgeschäft von gesalzenem Fleisch. Es werden etwa 200 Fleischergesellen und Meister beschäftigt. Jetzt verlangen die übrigen Fleischer, welche natürlich sogleich eine Innung gebildet haben, dieses Haus könne zwar das Geschäft fortführen, müsse aber von ihnen das Fleisch entnehmen. Sie wollten aber nicht darauf eingehen, es ihm zu dem Preise zu liefern, welcher ein Aequivalent für seine bisherigen Unkosten geworden wäre. In der Parteiversammlung der Linken ist der Antrag der Entschiedenen durchgedrungen, gar keine Adresse zu erlassen und es wird von Allen bis zu Unruh herunter in diesem Sinne gestimmt werden. Das Programm des Herrn Rodbertus, von dem so viel gefabelt wird, und welches von 132 Mitgliedern unterschrieben sein sollte, ist natürlich eine Erfindung. Es ist der Vorschlag gemacht worden, sich über ein Programm zu vereinigen, da man aber einsah, daß eine so bunt zusammengesetzte Partei sich unmöglich über Prinzipien von irgend einer Wichtigkeit, einigen könne, wurde der Vorschlag zurückgewiesen. Die Kammern tagen hier ziemlich unberücksichtigt. Sie würden auch ohne Belagerungszustand, ohne Constabler vor dem Volke gesichert sein, da es nicht das geringste Interesse für diese octroyirte Schöpfung empfindet. Den radikalen Abgeordneten selbst ist die ganze Geschichte zum Ekel. Die Adreßkommission der ersten Kammer hat sich den bekannten Herrn Gruppe hinzugesellt, um die Adresse zu stylisiren. Die Vertrauten des Herrn Hinkeldey, welcher die gewöhnlichen Polizeikommissarien sehr selten empfängt, sind jetzt der Polizeikommissar Maaß, der bekannte Spion Goldstein und der weggejagte Briefträger Hartmann. In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde das Bureau gewählt. Das Ergebniß der Präsidentenwahl ist folgendes: Zahl der Stimmen 330. Grabow erhält 171 Stimmen, v. Unruh 158 und v. Auerswald 1 Stimme. Zum ersten Vicepräsidenten wird v. Auerswald mit 170 Stimmen gewählt, während Waldeck 154 Stimmen hatte, und die andern sich zersplitterten. Zweiter Vicepräsident wird Lensing mit 168 St. Phillips hatte nur 156 Stimmen. Die Stylübung des Hrn. Gruppe führt den Titel: Adresse der ersten Kammer und lautet: Königliche Majestät! Die Mitglieder der ersten Kammer haben in Ehrfurcht die Worte vernommen, welche Ew. Majestät am 26. Februar vom Throne herab an die zu den beiden Kammern versammelten Vertreter des Volkes gerichtet haben. Berufen und gewählt auf den Grund der Verfassung vom 5. Decbr. v. J., welche wir als die zu Recht bestehende Grundlage unseres Staatsrechts freudig anerkennen, erblicken wir in der mit dieser neuen Verfassung eingetretenen ruhigeren Stimmung des Landes und Hebung des Verkehrs den Ausdruck des Dankes und der Hoffnungen, welche sich an dieselbe für die Gestaltung unseres öffentlichen Lebens, für die Wiederbelebung des Handels und der Gewerbe und für alle Zweige der öffentlichen Wohlfahrt knüpfen. Die von Ew. Majestät den Kammern vorbehaltene Revision der verliehenen Verfassung fordert uns auf, dieselbe nach den Wünschen und Bedürfnissen des Volkes und im Geiste der ihm gegebenen Verheißungen sorgfältig zu prüfen. Unsere Zuversicht, bei dieser Aufgabe zur baldigen Verständigung mit der zweiten Kammer und mit Ew. Majestät Regierung zu gelangen, ist um so größer, je wichtiger es uns allen erscheinen muß, das Land so schnell als möglich der vollen Befriedigung und Sicherheit theilhaftig zu machen, welche an die Vollendung dieser Revision geknüpft sind. Hinsichtlich des über die Hauptstadt und ihre nächste Umgebung verhängten Belagerungszustandes sind uns von Ew. Majestät nähere Vorlagen angekündigt. Wir werden uns durch deren gewissenhafte Prüfung in Stand setzen, über diese außerordentliche Maßregel unser Urtheil auszusprechen. In den theils schon vorläufig ergangenen, theils angekündigten Verordnungen erkennen wir die Thätigkeit, welche Ew. Majestät Regierung der durch den Geist der Neuzeit bedingten Umgestaltung vieler wichtigen bürgerlichen Verhältnisse widmet. Wir werden diesen Vorlagen die größte Sorgfalt zuwenden. Die durch die Verfassungs-Urkunde den verschiedenen Religionsgesellschaften zugesicherte Selbstständigkeit hat ein dringendes Bedürfniß befriedigt und bereits zur Heilung tief gehender Zerwürfnisse beigetragen. Die in Aussicht gestellte baldige Verwirklichung jener Zusicherung, unter geeigneter Mitwirkung der betreffenden Religionsgesellschaften vollzogen, wird noch mehr den Gewinn darthun, der daraus sowohl für das religiöse als für das bürgerliche Leben entspringt. Der finanzielle Zustand des Landes nach so außerordentlichen Anstrengungen und die Bereitwilligkeit, womit die freiwillige Anleihe beschafft worden, sind redende Zeugnisse für die in diesem Verwaltungszweige herrschende Ordnung und das darauf beruhende öffentliche Vertrauen. Dieses Vertrauen wird, so hoffen wir, durch die genaue Prüfung der zu erwartenden Vorlagen über den Staatshaushalt, einschließlich des Staatsschatzes, befestigt, und durch dasselbe die Kraft des Staates zu noch größeren Anstrengungen, wenn solche nöthig würden, gestärkt werden. Zu unserer großen Beruhigung vernehmen wir aus dem Munde Ew. Majestät die Versicherung, daß den Vertheidigungsmitteln des Landes ununterbrochen die nöthige Sorgfalt zugewendet werden konnte. Es erfüllt uns mit Stolz, ein Heer zu besitzen, welches mit der Stärke, die ihm seine musterhafte Organisation verleiht, den noch höheren Ruhm einer unter den schwierigsten Verhältnissen unerschüttert gebliebenen Disciplin und Pflichttreue verbindet Die von Ew. Majestät gehegten Wünsche für die innigere Vereinigung der deutschen Staaten zu einem Bundesstaate leben mit gleicher Stärke in den Herzen aller derjenigen, welche in der Herstellung einer kräftigen deutschen Einheit die längst ersehnte Befriedigung des nationalen Bewußtseins und das einzige Mittel erkennen, die deutsche Nation im Innern wie nach Außen zu der Größe und Herrlichkeit wieder aufzurichten, wozu sie nach ihren geistigen und materiellen Kräften und nach ihrer Lage im Herzen Europas befähigt ist. Je mehr der Augenblick zur Verwirklichung dieses Gedankens drängt, um desto stärker tritt für Preußen der Beruf dazu mitzuwirken, hervor. Das Volk, als Preußen wie als Deutsche, wird Ew. Majestät Regierung bei allen Schritten, die jenen hohen Zweck verfolgen, mit seiner vollen Kraftentwicklung unterstützen, und dabei Opfer nicht scheuen. Das Ziel seiner Wünsche wird um so vollständiger erreicht werden, je mehr alle deutschen Fürsten in die Verständigung mit der deutschen National-Versammlung zu Frankfurt eingehen. Wir, seine Vertreter, erkennen es als unsere besondere Pflicht, durch Stärkung der innern Eintracht, Ordnung und Freiheit, auch nach Außen hin das Vertrauen und das Ansehen, dessen mit ihren feisten Mönchen, denen ich in stiller Zelle gern Gesellschaft leistete. Das Christenthum brachte mich damals auch nach Deutschland, wo ich in den langen Lehrgedichten der ausgezeichnetsten Poeten die deutlichsten Spuren zurück ließ. Das Mittelalter halte ich überhaupt für die Glanzperiode meines Daseins und ich habe nur zu bedauern, daß es von so kurzer Dauer war, denn mit der Erfindung des Pulvers ging die Welt leider einer Epoche entgegen, die bis auf die jüngsten Tage hin, immer kurzweiliger geworden ist. Blasirt über das Familienleben mischte ich mich damals in die öffentlichen Angelegenheiten der Völker. Vor allen Dingen suchte ich aber stets meinen Einfluß in der Literatur geltend zu machen und ich muß selbst gestehen, daß ich auf dem Felde der Theologie das Unerhörte geleistet habe. Aergerlich war es wir, daß ich fast nie bei den Franzosen Glück machte. Aber wir scheinen nicht für einander geschaffen zu sein. Sie behandelten mich stets mit Geringschätzung und da ich vor ihrer eingewurzelten Frivolität den tiefsten Abscheu habe, so gab ich mir auch zuletzt keine Mühe mehr, sie durch das Wohlthuende meines Einflusses auf die Bahn der Tugend hinüberzuleiten.“ Als die langweilige Göttin so weit gesprochen hatte, mußte ich entsetzlich gähnen und wollte mich eben dieses Verstoßes wegen entschuldigen, als ich noch zur rechten Zeit bemerkte, daß mir unwillkürlich die größte Artigkeit passirt war. Das Antlitz der langen Göttin überflog nemlich ein Zug der ungetheiltesten Befriedigung, als sie mich gähnen sah und mit wahrer Begeisterung setzte sie, namentlich mir zugewandt, ihre Rede fort: „Sie können hieraus abnehmen, daß ich schon seit geraumer Zeit auf der Erde wirksam umhergespukt habe. O, theuerster Freund, ich versichere Ihnen, Deutschland gehörte zu den Ländern, in denen ich mich immer am heimischsten fühlte. Gelebt und geliebet habe ich mit dem edlen Volke der Deutschen und herrlich hat sich mein Geist offenbart in Germaniens denkwürdigsten Kunstschöpfungen. Wie begeisterte ich nicht den unerreichten Klopstock! Wie hat nicht Platen mich in die weichsten Formen zu bannen gewußt! Aber auch den neueren Autoren wandte ich mich gerne zu. Sind nicht die Gutzkow'schen Dramen wahre Meisterwerke der langen Weile? Wer ist nicht schon einmal bei den lyrischen Ergüssen der jüngeren rheinischen Dichter selig zusammengeschlummert! Doch auch in der Journalistik bin ich vertreten. Die Kölnische Zeitung wurde mein Central-Organ. Ueberall zeigt sich mein stilles Walten und auch Sie, theuerster Freund, werden vielleicht meinen heilsamen Einfluß spüren, wenn Sie nach Ihrer Rückkehr aus England, wiederum der Krankheit schriftstellerischer Versuche anheimfallen.“ Trotz der großen Bonhomie, mit der die Göttin diese Worte sprach, hätte ich die letzte Bemerkung doch beinah sehr anzüglich gefunden. Aber die Holde ließ mir keine Zeit, irgend etwas zu erwidern. „Zwar entfernt von Deutschland ‒ fuhr sie fort ‒ nehme ich doch an der Entwicklung Ihres Vaterlandes den wärmsten Antheil. Auf eine erfreuliche Weise zieht sich bei Ihnen wiederum Alles in die Länge. Aber das kommt, weil ich mit den besten Rednern der Paulskirche auf ein und derselben Bank saß. ‒ ‒ Wie umsäuselte ich nicht den früher so berühmten Soiron! Wie leitete ich nicht die Beredsamkeit eines Venedey! O, nur ein einziges Mal ist man in Frankfurt aus der Rolle der Langenweile gefallen: als man den Verfasser des Schnapphahnski gerichtlich verfolgen ließ! Ja, wahrlich, wenn es nicht ein England in der Welt gäbe, so möchte ich in Deutschland wohnen! Aber die Revolutionen des Kontinents haben mich vertrieben und auf diesem konstitutionellen Kreidefelsen, auf diesem Hort der Ruhe und der gesetzlichen Ordnung will ich Hütten bauen, eine für mich, eine für dich, o theurer Spleen, und die letzte für dich, du liebenswürdigste und interessanteste aller Krankheiten, ja für dich, o Seekrankheit!“ Hier schwieg die holde Göttin und der Spleen, der bisher so steif und unbeweglich wie eine Eule auf seinem Stuhl da gesessen hatte, suchte plötzlich aus lauter Begeisterung über den herrlichen „Speech“ die Füße in die Hosentaschen zu stecken, indem er entsetzlich dabei nießte und ein schnarrendes „hear, hear!“ ausstieß. Auch die Seekrankheit erwachte aus ihrer Lethargie und machte einige unheimliche Bewegungen. Ihr fahles Angesicht verzog sich zu einer jener unbeschreiblichen Grimassen, die man bei stürmischem Wetter an seinen Seegefährten zu studiren pflegt, und hätte ich nicht rasch meine Augen verhüllt, ich glaube wahrhaftig, das Schrecklichste wäre mir passirt. Aber meine Gäste kehrten sich wenig an meine tiefen Empfindungen. Sie schauten mit dem süßen Einverständniß verwandter Seelen lächelnd einander an und ein Bund wurde zwischen ihnen geschlossen, der noch manches Zeitliche überdauern wird. Ich muß gestehen, ich spielte eine sehr traurige Rolle in diesem Augenblick. Die Portweinflasche machte aber bald von Neuem die Runde und die Langeweile, der Spleen, die Seekrankheit und ich selbst füllten die Gläser bis zum Rande. Jetzt erhoben wir das schimmernde Krystall, und jetzt uns messend mit stierem Blick, neigten wir die Köpfe, kaum bemerkbar und möglichst steif, um endlich mit todternsten Gesichtern à tempo den großen Moment des Trinkens zu vollenden ‒ und lautlos wurde es in dem weiten Gemache und nur die Themse schlug murmelnd an die Quadern unseres Hauses und fernher klang durch die Nacht das Brausen London's, verhallend wie der Donnerfall des Niagara. [Fortsetzung] (Fortsetzung folgt.) [Deutschland] ferner noch die Pflichten, welche der Staat, welche mein Gewissen mir auferlegen, treu zu erfüllen, der lohnenden Anerkennung gewiß.“ Mengershausen wird hier vom 1. April c. ab die Functionen des Staats-Anwalts versehen. Da wird es für ihn auch prächtige Gelegenheit geben, bei etwaigen politischen Prozessen seine Maxime geltend zu machen- ‒ „wenn es darauf ankommt, ‒ schonungslose Criminalrechtspflege“! und „darauf an“ kommt es ihm immer!! 216 Berlin, 6. März. Grabow ist mit 5 Stimmen Majorität zum Präsidenten der II. Kammer gewählt. Nachdem Grabow im vorigen Jahre aus verletzter Eitelkeit ausgeschieden war, trat der Conflikt ein. Darauf bezüglich schrieb damals Grabow, daß er die Vertagung und Verlegung der National-Versammlung nicht für gerechtfertigt halte; er gehört folglich auch zu den Antiministeriellen. Doch was kann das helfen. Die Wahl Grabow's, wie schwach die Majorität auch war, stellt die II. Kammer auf den gehörigen Werth. Sie ist keine wahre Repräsentantin des Volks, welches zur Zeit zermalmend über sie wegschreiten wird. Das läßt sich voraussehen. Man braucht deßhalb kein Prophet zu sein. ‒ Der Adreßentwurf der I. Kammer liegt vor. Dieses erbärmliche Schriftstück elender Speichelleckerei trägt auch die Namen Leue und Walter zur Schande der Rheinprovinz. 9 Berlin, 6. März. Die Börse war gestern ungemein flau. Die Nachrichten aus Wien und Ungarn waren sehr unbestimmter Natur, so daß selbst die ersten hiesigen Banquierhäuser sich äußerst vorsichtig gerirten. Es ist jetzt nichts Seltenes, Züge von Arbeitern über die Straßen ziehen zu sehen, ein Anblick, der an den Anfang des Märzes 1848 erinnert. Die armen Leute waren im Winter zu enttäuscht über den passiven Widerstand der Vereinbarer und begnügten sich in ihrer Erstarrung mit den Wohlthätigkeitssuppen. Jetzt aber tritt der Saft in die Bäume und auch das Blut in den Adern der Menschen rollt wieder rascher. Unter uns gesagt, ich glaube, es gibt hier keine freien Menschen außer den allerärmsten, und diese werden, wenn ich mich nicht sehr täusche, erster Tage wieder für ihr Freiheitsgefühl mit Kugeln und Blei in den Rippen belohnt werden. Die Polizei ist sehr wachsam in Bezug auf die Arbeiter. Man kann wohl sagen, daß auf jede Bassermann'sche Gestalt eine Kühlwetter'sche kommt. Es beliebte gestern einem hiesigen demokratischen Herrn einem Arbeiter ohne Arbeit etwas zu schenken. Dies bemerkt ein Konstabler und nahm den Herrn „wegen Bestechung der Arbeiter“ mit zur Wache, wo er seinen Namen angeben mußte. Die Herren Aristokraten betrachten die Bestechung der Arbeiter als ihr Monopol. Die Goldschmidt'sche Fabrik ist noch immer durch Militär geschützt. Wie man hört, haben die Besitzer dieser Fabrik den Ruf, die Arbeiter besonders geschunden zu haben. Außer den Kattundruckern feiern noch mehrere Handwerker, die sich mit Jenen verbunden haben. Die Bemühungen der Regierung, die Leute nach der Ostbahn zu spediren, haben trotz der angebotenen Prämie von 2 1/2 Thlr. pro Halbjahr wenig Erfolg, und die strengen Gesetze, welche über die unglücklichen Erdarbeiter bei den Kanalbauten in der Nähe von den wohlweisen Herren verhängt sind, halten viele zurück. In der That ist auch der Arbeitslohn von 12 1/2-11 Sgr. pr. Tag (von Morgens 6 bis Abends 7 Uhr) nicht sehr verlockend für einen Berliner; und die Bestimmung, daß es den Arbeitern bei strenger Strafe verboten ist, beim Ministerium en masse zu petitioniren, empört besonders das souveräne Volk, welches gewohnt war, den Herrn Arbeitsministern Patow, Milde etc. zu imponiren. Die Excellenz aus dem Wupperthale mag übrigens nicht auf Rosen gebettet sein ‒ die barbarischen provisorischen Gewerbegesetze haben den Dank des Landes nicht hergeführt, wie man erwartet hatte, im Gegentheil ist Niemand damit zufrieden. Mit der Nationalzeitung soll mit dem neuen Quartal eine Aenderung vorgehen. Ob man Hrn. Paalzow (zur Zeit sehr einflußreich) beseitigen, oder ob derselbe Andere beseitigen wird, können wir nicht bestimmt sagen. An konstitutionellen Zeitungen hätten wir nachgerade allerdings genug: eine verständig langweilige, eine yerfid alberne (Deutsche Reform, welche mit dem Quartal aufhört) und eine antediluvianisch-überflüssige (die konstitutionelle Hansemann). Letztere ist fast unsichtbar, und Hr. Louis Philipp Weyl wird trotz der 80,000 Thlr. und des schönen Formats große Mühe haben, sich bemerklich zu machen, und noch schwieriger dürfte es sein, vermöge solcher abgedroschenen Mittel „die Heiligkeit des Besitzes, des Erwerbs (in Woll- und Eisenbahngeschäften), die persönliche Berechtigung des Staatsbürgers (durch indirekte Wahlen und Census), der Familie (Bourgeois u. Komp.), der Civilisation (Belagerungszustand, große Polizei etc.)“ zu schützen. Die Heiligkeit der Civilisation zeigt sich in neuerer Zeit sehr glänzend durch Verurtheilung der sogenannten Majestätsverbrecher. Neulich wurde ein 20jähriger Babiergeselle zu zwei Jahren Strafarbeit verurtheilt, weil er am 10. November (dem Tage nach Wrangels Beruhigungseinzug) einige Teltower Bauern rasirt und sich ihnen gegenüber mißliebig über die Gottesgnade geäußert hatte. Alles vergebens, daß der junge Sünder behauptet, an jenem Tage wären sieben Achtel von Berlin seiner Meinung gewesen. O Heiligkeit der Civilisation! 302 Berlin, 6. März. Der Untersuchungsrichter beim hiesigen Kammergericht, v. Bülow, hat die Abgeordneten Advokat Messerich aus Trier, Kaufmann und Stadtverordneter-Vorsteher Krackrügge aus Erfurt, Stadtgerichts-Direktor Dörk aus Eisleben und Justizkommissar und Stadtverordneter-Vorsteher Moritz aus Torgau, wegen des Steuerverweigerungs-Beschlusses zur gerichtlichen Voruntersuchung vorladen lassen und im Falle des Entbleibens als Strafe die Bezahlung der Terminskosten, sowie die „gesetzlichen Zwangsmaßregeln“ angedroht. Die Vorgeladenen sind nicht erschienen. Welche „gesetzlichen Zwangsmaßregeln“ nun der Untersuchungsrichter nach §. 83 der oktroyirten sogen. Verfassung ohne Genehmigung der Kammer oktroyiren wird, steht zu erwarten. „Der Schutz der konstitutionellen Freiheiten ‒ diese Grundbedingungen der öffentlichen Wohlfahrt ‒ wird stets der Gegenstand meiner gewissenhaftesten Fürsorge sein“ ‒ läßt Herr Manteuffel seinen König sagen. 222 Berlin, 6. März. Von den Berliner Deputirten zur 2. Kammer ist ein schleuniger Antrag wegen Aufhebung des Belagerungszustandes eingebracht. Morgen um 9 Uhr ist deshalb Abtheilungssitzung und wenn drei Abtheilungen für die Verlesung sind, so erfolgt diese bereits morgen in öffentlicher Sitzung. Wird der Antrag dann unterstützt, so geht er zur Berathung in die Abtheilungen zurück. Heute spielte endlich der letzte gerichtliche Akt des Zeughaussturmes. Der frühere Abgeordnete zur Nationalversammlung, Rittmeister Kuhr, stand vor den Schranken unter der Anklage des gewaltsamen Diebstahls, weil er im Besitze eines aus dem Zeughause fortgenommenen Zündnadelgewehres gewesen war. Die Sache ist ihrer Zeit weitläufig in den Zeitungen besprochen. Der Gerichtshof hat den Angeklagten von der Anklage entbunden. Daß die bevorstehende Justizorganisation keinen Aufschub erleiden werde, findet heute durch eine halboffizielle Notiz im Staats-Anzeiger völlige Bestätigung. Für die hiesige Provinz werden Kreisgerichte errichtet werden in Berlin (hier entweder 2 oder beide in eins kombinirt); ferner in Potsdam, Beeskow, Wriezen, Prenzlau, Brandenburg, Spandow, Jüterbogk, Wittstock, Perleburg, Neu-Ruppin, Templin, Angermünde. Außerdem hat sich das Kammergericht für exklusive Advokaturen bei dem Appellhofe und den andern hiesigen Gerichten ausgesprochen. Im Justizministerium ist man jedoch mehr Willens, auf den Vorschlag der Justizkommissarien einzugehen, wonach die hier beim Kammergericht und den andern Gerichten mit Ausschluß des Tribunals angestellten Justizkommissarien bei allen hiesigen Gerichten in erster und zweiter Instanz zur Praxis befugt sein sollten. Es sollen gewichtige Gründe für das Eine wie für das Andere sprechen. Die Kündigung des Malmoer Waffenstillstandes Seitens der Krone Dänemark ist bemerkenswerther Weise ohne allen Effekt auf die Kurse der Fonds geblieben, wirkt aber höchst lähmend auf den Bezug von Kolonialwaaren über Hamburg. Dieses hat einen sehr bestimmten Grund und derselbe kann zugleich zeigen, wie fressend in politischen Dingen, vor allem in unserer Zeit, ein einmal entstandener Argwohn sich fortzusetzen pflegt. Kein Börsenmann glaubt an neuen Krieg mit Dänemark, indem Jeder lächelnd auf die Wildenbrug'sche Note verweist, und darum bleiben die Fonds unberührt; aber auf Kolonialwaaren wird den hiesigen Agenten der englischen und holländischen Häuser jede Bestellung versagt, weil man fürchtet, daß Dänemark, wenn auch nur auf kurze Zeit, die deutschen Ostseehäfen blokiren werde ‒ lediglich damit Deutschland Veranlassung habe, Truppen nach Schleswig-Holstein zu werfen. Unsere Konstablermannschaft soll zum Theil bereits wieder neu eingekleidet werden. Das Polizei-Präsidium hat zu dem Ende die Tuchhändler zu Submissionen auf Lieferungen von 4500 Ellen blauem Tuch und 2700 Ellen grauem Tuch aufgefordert. Hierauf bezog sich auch die jüngst gemeldete Forderung des Schneider-Gewerks, daß ihm die Arbeit nicht entzogen werde. Die Erfindung des Hrn. Ministers Kühlwetter dürfte wenigstens keine wohlfeile zu nennen sein! Hr. Ehrenreich Eichholz, bisher Mitarbeiter an der Nationalzeitung, für welche er die Berliner Zeitungsschau bearbeitete, hat nach Stettin zur Uebernahme der Redaktion einer neuen demokratischen Zeitung einen Ruf erhalten und wird denselben annehmen. Es wird uns als sicher mitgetheilt, daß die Majorität der ersten Kammer sich in der Vorberathung gegen den Fortbestand des Belagerungszustandes ausgesprochen habe, ‒ sobald ein Gesetz über die Presse und Tumulte emanirt worden. X Berlin, 6. März. Die Arbeiterbewegung wird immer bedenklicher und greift weiter und weiter um sich. Der tiefe Riß in unsern socialen Zuständen, offenbart sich nur zu deutlich. Schon haben die Maurer, Zimmerleute und Steinmetzen ihre Arbeit niedergelegt und andere Gewerke werden folgen. Die Maurermeister behaupten dagegen, daß bei den jetzigen niedrigen Miethen, Niemand daran denken werde, ein Haus bauen zu lassen, wenn die Forderungen der Gesellen erfüllt würden, weil dadurch das Mauerwerk eines Hauses um 20 Proz. theurer käme. Die Maurergesellen haben Jemand beauftragt, ihnen ein Memoir über ihre Forderungen und Verhältnisse aufzusetzen. Die Folgen des octroyirten Gewerbegesetzes zeigen sich schon jetzt in ihrem ganzen segensreichen Umfange. Wir geben nur ein Beispiel von den vielen, die uns erzählt wurden. In Danzig besteht unter der Firma Söhrmann und Comp. ein großartiges Exportgeschäft von gesalzenem Fleisch. Es werden etwa 200 Fleischergesellen und Meister beschäftigt. Jetzt verlangen die übrigen Fleischer, welche natürlich sogleich eine Innung gebildet haben, dieses Haus könne zwar das Geschäft fortführen, müsse aber von ihnen das Fleisch entnehmen. Sie wollten aber nicht darauf eingehen, es ihm zu dem Preise zu liefern, welcher ein Aequivalent für seine bisherigen Unkosten geworden wäre. In der Parteiversammlung der Linken ist der Antrag der Entschiedenen durchgedrungen, gar keine Adresse zu erlassen und es wird von Allen bis zu Unruh herunter in diesem Sinne gestimmt werden. Das Programm des Herrn Rodbertus, von dem so viel gefabelt wird, und welches von 132 Mitgliedern unterschrieben sein sollte, ist natürlich eine Erfindung. Es ist der Vorschlag gemacht worden, sich über ein Programm zu vereinigen, da man aber einsah, daß eine so bunt zusammengesetzte Partei sich unmöglich über Prinzipien von irgend einer Wichtigkeit, einigen könne, wurde der Vorschlag zurückgewiesen. Die Kammern tagen hier ziemlich unberücksichtigt. Sie würden auch ohne Belagerungszustand, ohne Constabler vor dem Volke gesichert sein, da es nicht das geringste Interesse für diese octroyirte Schöpfung empfindet. Den radikalen Abgeordneten selbst ist die ganze Geschichte zum Ekel. Die Adreßkommission der ersten Kammer hat sich den bekannten Herrn Gruppe hinzugesellt, um die Adresse zu stylisiren. Die Vertrauten des Herrn Hinkeldey, welcher die gewöhnlichen Polizeikommissarien sehr selten empfängt, sind jetzt der Polizeikommissar Maaß, der bekannte Spion Goldstein und der weggejagte Briefträger Hartmann. In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde das Bureau gewählt. Das Ergebniß der Präsidentenwahl ist folgendes: Zahl der Stimmen 330. Grabow erhält 171 Stimmen, v. Unruh 158 und v. Auerswald 1 Stimme. Zum ersten Vicepräsidenten wird v. Auerswald mit 170 Stimmen gewählt, während Waldeck 154 Stimmen hatte, und die andern sich zersplitterten. Zweiter Vicepräsident wird Lensing mit 168 St. Phillips hatte nur 156 Stimmen. Die Stylübung des Hrn. Gruppe führt den Titel: Adresse der ersten Kammer und lautet: Königliche Majestät! Die Mitglieder der ersten Kammer haben in Ehrfurcht die Worte vernommen, welche Ew. Majestät am 26. Februar vom Throne herab an die zu den beiden Kammern versammelten Vertreter des Volkes gerichtet haben. Berufen und gewählt auf den Grund der Verfassung vom 5. Decbr. v. J., welche wir als die zu Recht bestehende Grundlage unseres Staatsrechts freudig anerkennen, erblicken wir in der mit dieser neuen Verfassung eingetretenen ruhigeren Stimmung des Landes und Hebung des Verkehrs den Ausdruck des Dankes und der Hoffnungen, welche sich an dieselbe für die Gestaltung unseres öffentlichen Lebens, für die Wiederbelebung des Handels und der Gewerbe und für alle Zweige der öffentlichen Wohlfahrt knüpfen. Die von Ew. Majestät den Kammern vorbehaltene Revision der verliehenen Verfassung fordert uns auf, dieselbe nach den Wünschen und Bedürfnissen des Volkes und im Geiste der ihm gegebenen Verheißungen sorgfältig zu prüfen. Unsere Zuversicht, bei dieser Aufgabe zur baldigen Verständigung mit der zweiten Kammer und mit Ew. Majestät Regierung zu gelangen, ist um so größer, je wichtiger es uns allen erscheinen muß, das Land so schnell als möglich der vollen Befriedigung und Sicherheit theilhaftig zu machen, welche an die Vollendung dieser Revision geknüpft sind. Hinsichtlich des über die Hauptstadt und ihre nächste Umgebung verhängten Belagerungszustandes sind uns von Ew. Majestät nähere Vorlagen angekündigt. Wir werden uns durch deren gewissenhafte Prüfung in Stand setzen, über diese außerordentliche Maßregel unser Urtheil auszusprechen. In den theils schon vorläufig ergangenen, theils angekündigten Verordnungen erkennen wir die Thätigkeit, welche Ew. Majestät Regierung der durch den Geist der Neuzeit bedingten Umgestaltung vieler wichtigen bürgerlichen Verhältnisse widmet. Wir werden diesen Vorlagen die größte Sorgfalt zuwenden. Die durch die Verfassungs-Urkunde den verschiedenen Religionsgesellschaften zugesicherte Selbstständigkeit hat ein dringendes Bedürfniß befriedigt und bereits zur Heilung tief gehender Zerwürfnisse beigetragen. Die in Aussicht gestellte baldige Verwirklichung jener Zusicherung, unter geeigneter Mitwirkung der betreffenden Religionsgesellschaften vollzogen, wird noch mehr den Gewinn darthun, der daraus sowohl für das religiöse als für das bürgerliche Leben entspringt. Der finanzielle Zustand des Landes nach so außerordentlichen Anstrengungen und die Bereitwilligkeit, womit die freiwillige Anleihe beschafft worden, sind redende Zeugnisse für die in diesem Verwaltungszweige herrschende Ordnung und das darauf beruhende öffentliche Vertrauen. Dieses Vertrauen wird, so hoffen wir, durch die genaue Prüfung der zu erwartenden Vorlagen über den Staatshaushalt, einschließlich des Staatsschatzes, befestigt, und durch dasselbe die Kraft des Staates zu noch größeren Anstrengungen, wenn solche nöthig würden, gestärkt werden. Zu unserer großen Beruhigung vernehmen wir aus dem Munde Ew. Majestät die Versicherung, daß den Vertheidigungsmitteln des Landes ununterbrochen die nöthige Sorgfalt zugewendet werden konnte. Es erfüllt uns mit Stolz, ein Heer zu besitzen, welches mit der Stärke, die ihm seine musterhafte Organisation verleiht, den noch höheren Ruhm einer unter den schwierigsten Verhältnissen unerschüttert gebliebenen Disciplin und Pflichttreue verbindet Die von Ew. Majestät gehegten Wünsche für die innigere Vereinigung der deutschen Staaten zu einem Bundesstaate leben mit gleicher Stärke in den Herzen aller derjenigen, welche in der Herstellung einer kräftigen deutschen Einheit die längst ersehnte Befriedigung des nationalen Bewußtseins und das einzige Mittel erkennen, die deutsche Nation im Innern wie nach Außen zu der Größe und Herrlichkeit wieder aufzurichten, wozu sie nach ihren geistigen und materiellen Kräften und nach ihrer Lage im Herzen Europas befähigt ist. Je mehr der Augenblick zur Verwirklichung dieses Gedankens drängt, um desto stärker tritt für Preußen der Beruf dazu mitzuwirken, hervor. Das Volk, als Preußen wie als Deutsche, wird Ew. Majestät Regierung bei allen Schritten, die jenen hohen Zweck verfolgen, mit seiner vollen Kraftentwicklung unterstützen, und dabei Opfer nicht scheuen. Das Ziel seiner Wünsche wird um so vollständiger erreicht werden, je mehr alle deutschen Fürsten in die Verständigung mit der deutschen National-Versammlung zu Frankfurt eingehen. Wir, seine Vertreter, erkennen es als unsere besondere Pflicht, durch Stärkung der innern Eintracht, Ordnung und Freiheit, auch nach Außen hin das Vertrauen und das Ansehen, dessen <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar241_003" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1332"/> mit ihren feisten Mönchen, denen ich in stiller Zelle gern Gesellschaft leistete. Das Christenthum brachte mich damals auch nach Deutschland, wo ich in den langen Lehrgedichten der ausgezeichnetsten Poeten die deutlichsten Spuren zurück ließ. Das Mittelalter halte ich überhaupt für die Glanzperiode meines Daseins und ich habe nur zu bedauern, daß es von so kurzer Dauer war, denn mit der Erfindung des Pulvers ging die Welt leider einer Epoche entgegen, die bis auf die jüngsten Tage hin, immer kurzweiliger geworden ist.</p> <p>Blasirt über das Familienleben mischte ich mich damals in die öffentlichen Angelegenheiten der Völker. Vor allen Dingen suchte ich aber stets meinen Einfluß in der Literatur geltend zu machen und ich muß selbst gestehen, daß ich auf dem Felde der Theologie das Unerhörte geleistet habe. Aergerlich war es wir, daß ich fast nie bei den Franzosen Glück machte. Aber wir scheinen nicht für einander geschaffen zu sein. Sie behandelten mich stets mit Geringschätzung und da ich vor ihrer eingewurzelten Frivolität den tiefsten Abscheu habe, so gab ich mir auch zuletzt keine Mühe mehr, sie durch das Wohlthuende meines Einflusses auf die Bahn der Tugend hinüberzuleiten.“</p> <p>Als die langweilige Göttin so weit gesprochen hatte, mußte ich entsetzlich gähnen und wollte mich eben dieses Verstoßes wegen entschuldigen, als ich noch zur rechten Zeit bemerkte, daß mir unwillkürlich die größte Artigkeit passirt war. Das Antlitz der langen Göttin überflog nemlich ein Zug der ungetheiltesten Befriedigung, als sie mich gähnen sah und mit wahrer Begeisterung setzte sie, namentlich mir zugewandt, ihre Rede fort:</p> <p>„Sie können hieraus abnehmen, daß ich schon seit geraumer Zeit auf der Erde wirksam umhergespukt habe. O, theuerster Freund, ich versichere Ihnen, Deutschland gehörte zu den Ländern, in denen ich mich immer am heimischsten fühlte. Gelebt und geliebet habe ich mit dem edlen Volke der Deutschen und herrlich hat sich mein Geist offenbart in Germaniens denkwürdigsten Kunstschöpfungen. Wie begeisterte ich nicht den unerreichten Klopstock! Wie hat nicht Platen mich in die weichsten Formen zu bannen gewußt! Aber auch den neueren Autoren wandte ich mich gerne zu. Sind nicht die Gutzkow'schen Dramen wahre Meisterwerke der langen Weile? Wer ist nicht schon einmal bei den lyrischen Ergüssen der jüngeren rheinischen Dichter selig zusammengeschlummert! Doch auch in der Journalistik bin ich vertreten. Die Kölnische Zeitung wurde mein Central-Organ. Ueberall zeigt sich mein stilles Walten und auch Sie, theuerster Freund, werden vielleicht meinen heilsamen Einfluß spüren, wenn Sie nach Ihrer Rückkehr aus England, wiederum der Krankheit schriftstellerischer Versuche anheimfallen.“</p> <p>Trotz der großen Bonhomie, mit der die Göttin diese Worte sprach, hätte ich die letzte Bemerkung doch beinah sehr anzüglich gefunden. Aber die Holde ließ mir keine Zeit, irgend etwas zu erwidern.</p> <p>„Zwar entfernt von Deutschland ‒ fuhr sie fort ‒ nehme ich doch an der Entwicklung Ihres Vaterlandes den wärmsten Antheil. Auf eine erfreuliche Weise zieht sich bei Ihnen wiederum Alles in die Länge. Aber das kommt, weil ich mit den besten Rednern der Paulskirche auf ein und derselben Bank saß. ‒ ‒ Wie umsäuselte ich nicht den früher so berühmten Soiron! Wie leitete ich nicht die Beredsamkeit eines Venedey! O, nur ein einziges Mal ist man in Frankfurt aus der Rolle der Langenweile gefallen: als man den Verfasser des Schnapphahnski gerichtlich verfolgen ließ!</p> <p>Ja, wahrlich, wenn es nicht ein England in der Welt gäbe, so möchte ich in Deutschland wohnen! Aber die Revolutionen des Kontinents haben mich vertrieben und auf diesem konstitutionellen Kreidefelsen, auf diesem Hort der Ruhe und der gesetzlichen Ordnung will ich Hütten bauen, eine für mich, eine für dich, o theurer Spleen, und die letzte für dich, du liebenswürdigste und interessanteste aller Krankheiten, ja für dich, o Seekrankheit!“</p> <p>Hier schwieg die holde Göttin und der Spleen, der bisher so steif und unbeweglich wie eine Eule auf seinem Stuhl da gesessen hatte, suchte plötzlich aus lauter Begeisterung über den herrlichen „Speech“ die Füße in die Hosentaschen zu stecken, indem er entsetzlich dabei nießte und ein schnarrendes „hear, hear!“ ausstieß. Auch die Seekrankheit erwachte aus ihrer Lethargie und machte einige unheimliche Bewegungen. Ihr fahles Angesicht verzog sich zu einer jener unbeschreiblichen Grimassen, die man bei stürmischem Wetter an seinen Seegefährten zu studiren pflegt, und hätte ich nicht rasch meine Augen verhüllt, ich glaube wahrhaftig, das Schrecklichste wäre mir passirt.</p> <p>Aber meine Gäste kehrten sich wenig an meine tiefen Empfindungen. Sie schauten mit dem süßen Einverständniß verwandter Seelen lächelnd einander an und ein Bund wurde zwischen ihnen geschlossen, der noch manches Zeitliche überdauern wird.</p> <p>Ich muß gestehen, ich spielte eine sehr traurige Rolle in diesem Augenblick.</p> <p>Die Portweinflasche machte aber bald von Neuem die Runde und die Langeweile, der Spleen, die Seekrankheit und ich selbst füllten die Gläser bis zum Rande. Jetzt erhoben wir das schimmernde Krystall, und jetzt uns messend mit stierem Blick, neigten wir die Köpfe, kaum bemerkbar und möglichst steif, um endlich mit todternsten Gesichtern à tempo den großen Moment des Trinkens zu vollenden ‒ und lautlos wurde es in dem weiten Gemache und nur die Themse schlug murmelnd an die Quadern unseres Hauses und fernher klang durch die Nacht das Brausen London's, verhallend wie der Donnerfall des Niagara. <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> <p> <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref> </p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar241_004a" type="jArticle"> <p>ferner noch die Pflichten, welche der Staat, welche mein Gewissen mir auferlegen, treu zu erfüllen, der lohnenden Anerkennung gewiß.“</p> <p>Mengershausen wird hier vom 1. April c. ab die Functionen des Staats-Anwalts versehen. Da wird es für ihn auch prächtige Gelegenheit geben, bei etwaigen politischen Prozessen seine Maxime geltend zu machen- ‒ „<hi rendition="#g">wenn es darauf ankommt, ‒ schonungslose</hi> Criminalrechtspflege“! und „<hi rendition="#g">darauf an</hi>“ kommt es ihm <hi rendition="#g">immer!!</hi> </p> </div> <div xml:id="ar241_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>216</author></bibl> Berlin, 6. März.</head> <p>Grabow ist mit 5 Stimmen Majorität zum Präsidenten der II. Kammer gewählt. Nachdem Grabow im vorigen Jahre aus verletzter Eitelkeit ausgeschieden war, trat der Conflikt ein. Darauf bezüglich schrieb damals Grabow, daß er die Vertagung und Verlegung der National-Versammlung nicht für gerechtfertigt halte; er gehört folglich auch zu den Antiministeriellen. Doch was kann das helfen. Die Wahl Grabow's, wie schwach die Majorität auch war, stellt die II. Kammer auf den gehörigen Werth. Sie ist keine wahre Repräsentantin des Volks, welches zur Zeit zermalmend über sie wegschreiten wird. Das läßt sich voraussehen. Man braucht deßhalb kein Prophet zu sein. ‒ Der Adreßentwurf der I. Kammer liegt vor. Dieses erbärmliche Schriftstück elender Speichelleckerei trägt auch die Namen Leue und Walter zur Schande der Rheinprovinz.</p> </div> <div xml:id="ar241_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>9</author></bibl> Berlin, 6. März.</head> <p>Die Börse war gestern ungemein flau. Die Nachrichten aus Wien und Ungarn waren sehr unbestimmter <hi rendition="#g">Natur,</hi> so daß selbst die ersten hiesigen Banquierhäuser sich äußerst vorsichtig gerirten.</p> <p>Es ist jetzt nichts Seltenes, Züge von Arbeitern über die Straßen ziehen zu sehen, ein Anblick, der an den Anfang des Märzes 1848 erinnert. Die armen Leute waren im Winter zu enttäuscht über den passiven Widerstand der Vereinbarer und begnügten sich in ihrer Erstarrung mit den Wohlthätigkeitssuppen. Jetzt aber tritt der Saft in die Bäume und auch das Blut in den Adern der Menschen rollt wieder rascher. Unter uns gesagt, ich glaube, es gibt hier <hi rendition="#g">keine freien</hi> Menschen außer den <hi rendition="#g">allerärmsten,</hi> und diese werden, wenn ich mich nicht sehr täusche, erster Tage wieder für ihr Freiheitsgefühl mit Kugeln und Blei in den Rippen belohnt werden. Die Polizei ist sehr wachsam in Bezug auf die Arbeiter. Man kann wohl sagen, daß auf jede Bassermann'sche Gestalt eine Kühlwetter'sche kommt. Es beliebte gestern einem hiesigen demokratischen Herrn einem Arbeiter ohne Arbeit etwas zu schenken. Dies bemerkt ein Konstabler und nahm den Herrn „wegen Bestechung der Arbeiter“ mit zur Wache, wo er seinen Namen angeben mußte. Die Herren Aristokraten betrachten die Bestechung der Arbeiter als ihr Monopol. Die Goldschmidt'sche Fabrik ist noch immer durch Militär geschützt. Wie man hört, haben die Besitzer dieser Fabrik den Ruf, die Arbeiter besonders geschunden zu haben. Außer den Kattundruckern feiern noch mehrere Handwerker, die sich mit Jenen verbunden haben. Die Bemühungen der Regierung, die Leute nach der Ostbahn zu spediren, haben trotz der angebotenen Prämie von 2 1/2 Thlr. pro Halbjahr wenig Erfolg, und die strengen Gesetze, welche über die unglücklichen Erdarbeiter bei den Kanalbauten in der Nähe von den wohlweisen Herren verhängt sind, halten viele zurück. In der That ist auch der Arbeitslohn von 12 1/2-11 Sgr. pr. Tag (von Morgens 6 bis Abends 7 Uhr) nicht sehr verlockend für einen Berliner; und die Bestimmung, daß es den Arbeitern bei strenger Strafe verboten ist, beim Ministerium en masse zu petitioniren, empört besonders das souveräne Volk, welches gewohnt war, den Herrn Arbeitsministern Patow, Milde etc. zu <hi rendition="#g">imponiren.</hi> Die Excellenz aus dem Wupperthale mag übrigens nicht auf Rosen gebettet sein ‒ die barbarischen provisorischen Gewerbegesetze haben den Dank des Landes nicht hergeführt, wie man erwartet hatte, im Gegentheil ist Niemand damit zufrieden.</p> <p>Mit der Nationalzeitung soll mit dem neuen Quartal eine Aenderung vorgehen. Ob man Hrn. Paalzow (zur Zeit sehr einflußreich) beseitigen, oder ob derselbe Andere beseitigen wird, können wir nicht bestimmt sagen. An konstitutionellen Zeitungen hätten wir nachgerade allerdings genug: eine verständig langweilige, eine yerfid alberne (Deutsche Reform, welche mit dem Quartal aufhört) und eine antediluvianisch-überflüssige (die konstitutionelle Hansemann). Letztere ist fast unsichtbar, und Hr. Louis Philipp Weyl wird trotz der 80,000 Thlr. und des schönen Formats große Mühe haben, sich bemerklich zu machen, und noch schwieriger dürfte es sein, vermöge solcher abgedroschenen Mittel „die Heiligkeit des Besitzes, des Erwerbs (in Woll- und Eisenbahngeschäften), die persönliche Berechtigung des Staatsbürgers (durch indirekte Wahlen und Census), der Familie (Bourgeois u. Komp.), der Civilisation (Belagerungszustand, große Polizei etc.)“ zu schützen.</p> <p>Die Heiligkeit der Civilisation zeigt sich in neuerer Zeit sehr glänzend durch Verurtheilung der sogenannten Majestätsverbrecher. Neulich wurde ein 20jähriger Babiergeselle zu <hi rendition="#g">zwei</hi> Jahren Strafarbeit verurtheilt, weil er am 10. November (dem Tage nach Wrangels Beruhigungseinzug) einige Teltower Bauern rasirt und sich ihnen gegenüber mißliebig über die Gottesgnade geäußert hatte. Alles vergebens, daß der junge Sünder behauptet, an jenem Tage wären sieben Achtel von Berlin seiner Meinung gewesen. O Heiligkeit der Civilisation!</p> </div> <div xml:id="ar241_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>302</author></bibl> Berlin, 6. März.</head> <p>Der Untersuchungsrichter beim hiesigen Kammergericht, v. Bülow, hat die Abgeordneten Advokat Messerich aus Trier, Kaufmann und Stadtverordneter-Vorsteher Krackrügge aus Erfurt, Stadtgerichts-Direktor Dörk aus Eisleben und Justizkommissar und Stadtverordneter-Vorsteher Moritz aus Torgau, wegen des Steuerverweigerungs-Beschlusses zur gerichtlichen Voruntersuchung vorladen lassen und im Falle des Entbleibens als Strafe die Bezahlung der Terminskosten, sowie die „gesetzlichen Zwangsmaßregeln“ angedroht. Die Vorgeladenen sind nicht erschienen. Welche „gesetzlichen Zwangsmaßregeln“ nun der Untersuchungsrichter nach §. 83 der oktroyirten sogen. Verfassung ohne Genehmigung der Kammer oktroyiren wird, steht zu erwarten. „Der Schutz der konstitutionellen Freiheiten ‒ diese Grundbedingungen der öffentlichen Wohlfahrt ‒ wird stets der Gegenstand meiner gewissenhaftesten Fürsorge sein“ ‒ läßt Herr Manteuffel seinen König sagen.</p> </div> <div xml:id="ar241_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>222</author></bibl> Berlin, 6. März.</head> <p>Von den Berliner Deputirten zur 2. Kammer ist ein schleuniger Antrag wegen Aufhebung des Belagerungszustandes eingebracht. Morgen um 9 Uhr ist deshalb Abtheilungssitzung und wenn drei Abtheilungen für die Verlesung sind, so erfolgt diese bereits morgen in öffentlicher Sitzung. Wird der Antrag dann unterstützt, so geht er zur Berathung in die Abtheilungen zurück.</p> <p>Heute spielte endlich der letzte gerichtliche Akt des Zeughaussturmes. Der frühere Abgeordnete zur Nationalversammlung, Rittmeister Kuhr, stand vor den Schranken unter der Anklage des gewaltsamen Diebstahls, weil er im Besitze eines aus dem Zeughause fortgenommenen Zündnadelgewehres gewesen war. Die Sache ist ihrer Zeit weitläufig in den Zeitungen besprochen. Der Gerichtshof hat den Angeklagten von der Anklage entbunden.</p> <p>Daß die bevorstehende Justizorganisation keinen Aufschub erleiden werde, findet heute durch eine halboffizielle Notiz im Staats-Anzeiger völlige Bestätigung. Für die hiesige Provinz werden Kreisgerichte errichtet werden in Berlin (hier entweder 2 oder beide in eins kombinirt); ferner in Potsdam, Beeskow, Wriezen, Prenzlau, Brandenburg, Spandow, Jüterbogk, Wittstock, Perleburg, Neu-Ruppin, Templin, Angermünde. Außerdem hat sich das Kammergericht für exklusive Advokaturen bei dem Appellhofe und den andern hiesigen Gerichten ausgesprochen. Im Justizministerium ist man jedoch mehr Willens, auf den Vorschlag der Justizkommissarien einzugehen, wonach die hier beim Kammergericht und den andern Gerichten mit Ausschluß des Tribunals angestellten Justizkommissarien bei allen hiesigen Gerichten in erster und zweiter Instanz zur Praxis befugt sein sollten. Es sollen gewichtige Gründe für das Eine wie für das Andere sprechen.</p> <p>Die Kündigung des Malmoer Waffenstillstandes Seitens der Krone Dänemark ist bemerkenswerther Weise ohne allen Effekt auf die Kurse der Fonds geblieben, wirkt aber höchst lähmend auf den Bezug von Kolonialwaaren über Hamburg. Dieses hat einen sehr bestimmten Grund und derselbe kann zugleich zeigen, wie fressend in politischen Dingen, vor allem in unserer Zeit, ein einmal entstandener Argwohn sich fortzusetzen pflegt. Kein Börsenmann glaubt an neuen Krieg mit Dänemark, indem Jeder lächelnd auf die Wildenbrug'sche Note verweist, und darum bleiben die Fonds unberührt; aber auf Kolonialwaaren wird den hiesigen Agenten der englischen und holländischen Häuser jede Bestellung versagt, weil man fürchtet, daß Dänemark, wenn auch nur auf kurze Zeit, die deutschen Ostseehäfen blokiren werde ‒ lediglich damit Deutschland Veranlassung habe, Truppen nach Schleswig-Holstein zu werfen.</p> <p>Unsere Konstablermannschaft soll zum Theil bereits wieder neu eingekleidet werden. Das Polizei-Präsidium hat zu dem Ende die Tuchhändler zu Submissionen auf Lieferungen von 4500 Ellen blauem Tuch und 2700 Ellen grauem Tuch aufgefordert. Hierauf bezog sich auch die jüngst gemeldete Forderung des Schneider-Gewerks, daß ihm die Arbeit nicht entzogen werde. Die Erfindung des Hrn. Ministers Kühlwetter dürfte wenigstens keine wohlfeile zu nennen sein!</p> <p>Hr. Ehrenreich Eichholz, bisher Mitarbeiter an der Nationalzeitung, für welche er die Berliner Zeitungsschau bearbeitete, hat nach Stettin zur Uebernahme der Redaktion einer neuen demokratischen Zeitung einen Ruf erhalten und wird denselben annehmen.</p> <p>Es wird uns als sicher mitgetheilt, daß die Majorität der ersten Kammer sich in der Vorberathung gegen den Fortbestand des Belagerungszustandes ausgesprochen habe, ‒ sobald ein Gesetz über die Presse und Tumulte emanirt worden.</p> </div> <div xml:id="ar241_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 6. März.</head> <p>Die Arbeiterbewegung wird immer bedenklicher und greift weiter und weiter um sich. Der tiefe Riß in unsern socialen Zuständen, offenbart sich nur zu deutlich. Schon haben die Maurer, Zimmerleute und Steinmetzen ihre Arbeit niedergelegt und andere Gewerke werden folgen. Die Maurermeister behaupten dagegen, daß bei den jetzigen niedrigen Miethen, Niemand daran denken werde, ein Haus bauen zu lassen, wenn die Forderungen der Gesellen erfüllt würden, weil dadurch das Mauerwerk eines Hauses um 20 Proz. theurer käme. Die Maurergesellen haben Jemand beauftragt, ihnen ein Memoir über ihre Forderungen und Verhältnisse aufzusetzen.</p> <p>Die Folgen des octroyirten Gewerbegesetzes zeigen sich schon jetzt in ihrem ganzen segensreichen Umfange. Wir geben nur ein Beispiel von den vielen, die uns erzählt wurden. In Danzig besteht unter der Firma Söhrmann und Comp. ein großartiges Exportgeschäft von gesalzenem Fleisch. Es werden etwa 200 Fleischergesellen und Meister beschäftigt. Jetzt verlangen die übrigen Fleischer, welche natürlich sogleich eine Innung gebildet haben, dieses Haus könne zwar das Geschäft fortführen, müsse aber von ihnen das Fleisch entnehmen. Sie wollten aber nicht darauf eingehen, es ihm zu dem Preise zu liefern, welcher ein Aequivalent für seine bisherigen Unkosten geworden wäre.</p> <p>In der Parteiversammlung der Linken ist der Antrag der Entschiedenen durchgedrungen, gar keine Adresse zu erlassen und es wird von Allen bis zu Unruh herunter in diesem Sinne gestimmt werden.</p> <p>Das Programm des Herrn Rodbertus, von dem so viel gefabelt wird, und welches von 132 Mitgliedern unterschrieben sein sollte, ist natürlich eine Erfindung. Es ist der Vorschlag gemacht worden, sich über ein Programm zu vereinigen, da man aber einsah, daß eine so bunt zusammengesetzte Partei sich unmöglich über Prinzipien von irgend einer Wichtigkeit, einigen könne, wurde der Vorschlag zurückgewiesen.</p> <p>Die Kammern tagen hier ziemlich unberücksichtigt. Sie würden auch ohne Belagerungszustand, ohne Constabler vor dem Volke gesichert sein, da es nicht das geringste Interesse für diese octroyirte Schöpfung empfindet. Den radikalen Abgeordneten selbst ist die ganze Geschichte zum Ekel.</p> <p>Die Adreßkommission der ersten Kammer hat sich den bekannten Herrn <hi rendition="#g">Gruppe</hi> hinzugesellt, um die Adresse zu stylisiren.</p> <p>Die Vertrauten des Herrn Hinkeldey, welcher die gewöhnlichen Polizeikommissarien sehr selten empfängt, sind jetzt der Polizeikommissar <hi rendition="#g">Maaß,</hi> der bekannte Spion <hi rendition="#g">Goldstein</hi> und der weggejagte Briefträger <hi rendition="#g">Hartmann.</hi> </p> <p>In der heutigen Sitzung der <hi rendition="#g">zweiten</hi> Kammer wurde das Bureau gewählt. Das Ergebniß der Präsidentenwahl ist folgendes: Zahl der Stimmen 330. Grabow erhält 171 Stimmen, v. Unruh 158 und v. Auerswald 1 Stimme. Zum ersten Vicepräsidenten wird v. <hi rendition="#g">Auerswald</hi> mit 170 Stimmen gewählt, während <hi rendition="#g">Waldeck</hi> 154 Stimmen hatte, und die andern sich zersplitterten.</p> <p>Zweiter Vicepräsident wird <hi rendition="#g">Lensing</hi> mit 168 St. <hi rendition="#g">Phillips</hi> hatte nur 156 Stimmen.</p> <p>Die Stylübung des Hrn. <hi rendition="#g">Gruppe</hi> führt den Titel: Adresse der ersten Kammer und lautet:</p> <p> <hi rendition="#g">Königliche Majestät!</hi> </p> <p>Die Mitglieder der ersten Kammer haben in Ehrfurcht die Worte vernommen, welche Ew. Majestät am 26. Februar vom Throne herab an die zu den beiden Kammern versammelten Vertreter des Volkes gerichtet haben.</p> <p>Berufen und gewählt auf den Grund der Verfassung vom 5. Decbr. v. J., welche wir als die zu Recht bestehende Grundlage unseres Staatsrechts freudig anerkennen, erblicken wir in der mit dieser neuen Verfassung eingetretenen ruhigeren Stimmung des Landes und Hebung des Verkehrs den Ausdruck des Dankes und der Hoffnungen, welche sich an dieselbe für die Gestaltung unseres öffentlichen Lebens, für die Wiederbelebung des Handels und der Gewerbe und für alle Zweige der öffentlichen Wohlfahrt knüpfen.</p> <p>Die von Ew. Majestät den Kammern vorbehaltene Revision der verliehenen Verfassung fordert uns auf, dieselbe nach den Wünschen und Bedürfnissen des Volkes und im Geiste der ihm gegebenen Verheißungen sorgfältig zu prüfen. Unsere Zuversicht, bei dieser Aufgabe zur baldigen Verständigung mit der zweiten Kammer und mit Ew. Majestät Regierung zu gelangen, ist um so größer, je wichtiger es uns allen erscheinen muß, das Land so schnell als möglich der vollen Befriedigung und Sicherheit theilhaftig zu machen, welche an die Vollendung dieser Revision geknüpft sind.</p> <p>Hinsichtlich des über die Hauptstadt und ihre nächste Umgebung verhängten Belagerungszustandes sind uns von Ew. Majestät nähere Vorlagen angekündigt. Wir werden uns durch deren gewissenhafte Prüfung in Stand setzen, über diese außerordentliche Maßregel unser Urtheil auszusprechen.</p> <p>In den theils schon vorläufig ergangenen, theils angekündigten Verordnungen erkennen wir die Thätigkeit, welche Ew. Majestät Regierung der durch den Geist der Neuzeit bedingten Umgestaltung vieler wichtigen bürgerlichen Verhältnisse widmet. Wir werden diesen Vorlagen die größte Sorgfalt zuwenden.</p> <p>Die durch die Verfassungs-Urkunde den verschiedenen Religionsgesellschaften zugesicherte Selbstständigkeit hat ein dringendes Bedürfniß befriedigt und bereits zur Heilung tief gehender Zerwürfnisse beigetragen. Die in Aussicht gestellte baldige Verwirklichung jener Zusicherung, unter geeigneter Mitwirkung der betreffenden Religionsgesellschaften vollzogen, wird noch mehr den Gewinn darthun, der daraus sowohl für das religiöse als für das bürgerliche Leben entspringt.</p> <p>Der finanzielle Zustand des Landes nach so außerordentlichen Anstrengungen und die Bereitwilligkeit, womit die freiwillige Anleihe beschafft worden, sind redende Zeugnisse für die in diesem Verwaltungszweige herrschende Ordnung und das darauf beruhende öffentliche Vertrauen. Dieses Vertrauen wird, so hoffen wir, durch die genaue Prüfung der zu erwartenden Vorlagen über den Staatshaushalt, einschließlich des Staatsschatzes, befestigt, und durch dasselbe die Kraft des Staates zu noch größeren Anstrengungen, wenn solche nöthig würden, gestärkt werden.</p> <p>Zu unserer großen Beruhigung vernehmen wir aus dem Munde Ew. Majestät die Versicherung, daß den Vertheidigungsmitteln des Landes ununterbrochen die nöthige Sorgfalt zugewendet werden konnte. Es erfüllt uns mit Stolz, ein Heer zu besitzen, welches mit der Stärke, die ihm seine musterhafte Organisation verleiht, den noch höheren Ruhm einer unter den schwierigsten Verhältnissen unerschüttert gebliebenen Disciplin und Pflichttreue verbindet</p> <p>Die von Ew. Majestät gehegten Wünsche für die innigere Vereinigung der deutschen Staaten zu einem Bundesstaate leben mit gleicher Stärke in den Herzen aller derjenigen, welche in der Herstellung einer kräftigen deutschen Einheit die längst ersehnte Befriedigung des nationalen Bewußtseins und das einzige Mittel erkennen, die deutsche Nation im Innern wie nach Außen zu der Größe und Herrlichkeit wieder aufzurichten, wozu sie nach ihren geistigen und materiellen Kräften und nach ihrer Lage im Herzen Europas befähigt ist. Je mehr der Augenblick zur Verwirklichung dieses Gedankens drängt, um desto stärker tritt für Preußen der Beruf dazu mitzuwirken, hervor. Das Volk, als Preußen wie als Deutsche, wird Ew. Majestät Regierung bei allen Schritten, die jenen hohen Zweck verfolgen, mit seiner vollen Kraftentwicklung unterstützen, und dabei Opfer nicht scheuen. Das Ziel seiner Wünsche wird um so vollständiger erreicht werden, je mehr alle deutschen Fürsten in die Verständigung mit der deutschen National-Versammlung zu Frankfurt eingehen. Wir, seine Vertreter, erkennen es als unsere besondere Pflicht, durch Stärkung der innern Eintracht, Ordnung und Freiheit, auch nach Außen hin das Vertrauen und das Ansehen, dessen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1332/0002]
mit ihren feisten Mönchen, denen ich in stiller Zelle gern Gesellschaft leistete. Das Christenthum brachte mich damals auch nach Deutschland, wo ich in den langen Lehrgedichten der ausgezeichnetsten Poeten die deutlichsten Spuren zurück ließ. Das Mittelalter halte ich überhaupt für die Glanzperiode meines Daseins und ich habe nur zu bedauern, daß es von so kurzer Dauer war, denn mit der Erfindung des Pulvers ging die Welt leider einer Epoche entgegen, die bis auf die jüngsten Tage hin, immer kurzweiliger geworden ist.
Blasirt über das Familienleben mischte ich mich damals in die öffentlichen Angelegenheiten der Völker. Vor allen Dingen suchte ich aber stets meinen Einfluß in der Literatur geltend zu machen und ich muß selbst gestehen, daß ich auf dem Felde der Theologie das Unerhörte geleistet habe. Aergerlich war es wir, daß ich fast nie bei den Franzosen Glück machte. Aber wir scheinen nicht für einander geschaffen zu sein. Sie behandelten mich stets mit Geringschätzung und da ich vor ihrer eingewurzelten Frivolität den tiefsten Abscheu habe, so gab ich mir auch zuletzt keine Mühe mehr, sie durch das Wohlthuende meines Einflusses auf die Bahn der Tugend hinüberzuleiten.“
Als die langweilige Göttin so weit gesprochen hatte, mußte ich entsetzlich gähnen und wollte mich eben dieses Verstoßes wegen entschuldigen, als ich noch zur rechten Zeit bemerkte, daß mir unwillkürlich die größte Artigkeit passirt war. Das Antlitz der langen Göttin überflog nemlich ein Zug der ungetheiltesten Befriedigung, als sie mich gähnen sah und mit wahrer Begeisterung setzte sie, namentlich mir zugewandt, ihre Rede fort:
„Sie können hieraus abnehmen, daß ich schon seit geraumer Zeit auf der Erde wirksam umhergespukt habe. O, theuerster Freund, ich versichere Ihnen, Deutschland gehörte zu den Ländern, in denen ich mich immer am heimischsten fühlte. Gelebt und geliebet habe ich mit dem edlen Volke der Deutschen und herrlich hat sich mein Geist offenbart in Germaniens denkwürdigsten Kunstschöpfungen. Wie begeisterte ich nicht den unerreichten Klopstock! Wie hat nicht Platen mich in die weichsten Formen zu bannen gewußt! Aber auch den neueren Autoren wandte ich mich gerne zu. Sind nicht die Gutzkow'schen Dramen wahre Meisterwerke der langen Weile? Wer ist nicht schon einmal bei den lyrischen Ergüssen der jüngeren rheinischen Dichter selig zusammengeschlummert! Doch auch in der Journalistik bin ich vertreten. Die Kölnische Zeitung wurde mein Central-Organ. Ueberall zeigt sich mein stilles Walten und auch Sie, theuerster Freund, werden vielleicht meinen heilsamen Einfluß spüren, wenn Sie nach Ihrer Rückkehr aus England, wiederum der Krankheit schriftstellerischer Versuche anheimfallen.“
Trotz der großen Bonhomie, mit der die Göttin diese Worte sprach, hätte ich die letzte Bemerkung doch beinah sehr anzüglich gefunden. Aber die Holde ließ mir keine Zeit, irgend etwas zu erwidern.
„Zwar entfernt von Deutschland ‒ fuhr sie fort ‒ nehme ich doch an der Entwicklung Ihres Vaterlandes den wärmsten Antheil. Auf eine erfreuliche Weise zieht sich bei Ihnen wiederum Alles in die Länge. Aber das kommt, weil ich mit den besten Rednern der Paulskirche auf ein und derselben Bank saß. ‒ ‒ Wie umsäuselte ich nicht den früher so berühmten Soiron! Wie leitete ich nicht die Beredsamkeit eines Venedey! O, nur ein einziges Mal ist man in Frankfurt aus der Rolle der Langenweile gefallen: als man den Verfasser des Schnapphahnski gerichtlich verfolgen ließ!
Ja, wahrlich, wenn es nicht ein England in der Welt gäbe, so möchte ich in Deutschland wohnen! Aber die Revolutionen des Kontinents haben mich vertrieben und auf diesem konstitutionellen Kreidefelsen, auf diesem Hort der Ruhe und der gesetzlichen Ordnung will ich Hütten bauen, eine für mich, eine für dich, o theurer Spleen, und die letzte für dich, du liebenswürdigste und interessanteste aller Krankheiten, ja für dich, o Seekrankheit!“
Hier schwieg die holde Göttin und der Spleen, der bisher so steif und unbeweglich wie eine Eule auf seinem Stuhl da gesessen hatte, suchte plötzlich aus lauter Begeisterung über den herrlichen „Speech“ die Füße in die Hosentaschen zu stecken, indem er entsetzlich dabei nießte und ein schnarrendes „hear, hear!“ ausstieß. Auch die Seekrankheit erwachte aus ihrer Lethargie und machte einige unheimliche Bewegungen. Ihr fahles Angesicht verzog sich zu einer jener unbeschreiblichen Grimassen, die man bei stürmischem Wetter an seinen Seegefährten zu studiren pflegt, und hätte ich nicht rasch meine Augen verhüllt, ich glaube wahrhaftig, das Schrecklichste wäre mir passirt.
Aber meine Gäste kehrten sich wenig an meine tiefen Empfindungen. Sie schauten mit dem süßen Einverständniß verwandter Seelen lächelnd einander an und ein Bund wurde zwischen ihnen geschlossen, der noch manches Zeitliche überdauern wird.
Ich muß gestehen, ich spielte eine sehr traurige Rolle in diesem Augenblick.
Die Portweinflasche machte aber bald von Neuem die Runde und die Langeweile, der Spleen, die Seekrankheit und ich selbst füllten die Gläser bis zum Rande. Jetzt erhoben wir das schimmernde Krystall, und jetzt uns messend mit stierem Blick, neigten wir die Köpfe, kaum bemerkbar und möglichst steif, um endlich mit todternsten Gesichtern à tempo den großen Moment des Trinkens zu vollenden ‒ und lautlos wurde es in dem weiten Gemache und nur die Themse schlug murmelnd an die Quadern unseres Hauses und fernher klang durch die Nacht das Brausen London's, verhallend wie der Donnerfall des Niagara. [Fortsetzung]
(Fortsetzung folgt.)
[Deutschland] ferner noch die Pflichten, welche der Staat, welche mein Gewissen mir auferlegen, treu zu erfüllen, der lohnenden Anerkennung gewiß.“
Mengershausen wird hier vom 1. April c. ab die Functionen des Staats-Anwalts versehen. Da wird es für ihn auch prächtige Gelegenheit geben, bei etwaigen politischen Prozessen seine Maxime geltend zu machen- ‒ „wenn es darauf ankommt, ‒ schonungslose Criminalrechtspflege“! und „darauf an“ kommt es ihm immer!!
216 Berlin, 6. März. Grabow ist mit 5 Stimmen Majorität zum Präsidenten der II. Kammer gewählt. Nachdem Grabow im vorigen Jahre aus verletzter Eitelkeit ausgeschieden war, trat der Conflikt ein. Darauf bezüglich schrieb damals Grabow, daß er die Vertagung und Verlegung der National-Versammlung nicht für gerechtfertigt halte; er gehört folglich auch zu den Antiministeriellen. Doch was kann das helfen. Die Wahl Grabow's, wie schwach die Majorität auch war, stellt die II. Kammer auf den gehörigen Werth. Sie ist keine wahre Repräsentantin des Volks, welches zur Zeit zermalmend über sie wegschreiten wird. Das läßt sich voraussehen. Man braucht deßhalb kein Prophet zu sein. ‒ Der Adreßentwurf der I. Kammer liegt vor. Dieses erbärmliche Schriftstück elender Speichelleckerei trägt auch die Namen Leue und Walter zur Schande der Rheinprovinz.
9 Berlin, 6. März. Die Börse war gestern ungemein flau. Die Nachrichten aus Wien und Ungarn waren sehr unbestimmter Natur, so daß selbst die ersten hiesigen Banquierhäuser sich äußerst vorsichtig gerirten.
Es ist jetzt nichts Seltenes, Züge von Arbeitern über die Straßen ziehen zu sehen, ein Anblick, der an den Anfang des Märzes 1848 erinnert. Die armen Leute waren im Winter zu enttäuscht über den passiven Widerstand der Vereinbarer und begnügten sich in ihrer Erstarrung mit den Wohlthätigkeitssuppen. Jetzt aber tritt der Saft in die Bäume und auch das Blut in den Adern der Menschen rollt wieder rascher. Unter uns gesagt, ich glaube, es gibt hier keine freien Menschen außer den allerärmsten, und diese werden, wenn ich mich nicht sehr täusche, erster Tage wieder für ihr Freiheitsgefühl mit Kugeln und Blei in den Rippen belohnt werden. Die Polizei ist sehr wachsam in Bezug auf die Arbeiter. Man kann wohl sagen, daß auf jede Bassermann'sche Gestalt eine Kühlwetter'sche kommt. Es beliebte gestern einem hiesigen demokratischen Herrn einem Arbeiter ohne Arbeit etwas zu schenken. Dies bemerkt ein Konstabler und nahm den Herrn „wegen Bestechung der Arbeiter“ mit zur Wache, wo er seinen Namen angeben mußte. Die Herren Aristokraten betrachten die Bestechung der Arbeiter als ihr Monopol. Die Goldschmidt'sche Fabrik ist noch immer durch Militär geschützt. Wie man hört, haben die Besitzer dieser Fabrik den Ruf, die Arbeiter besonders geschunden zu haben. Außer den Kattundruckern feiern noch mehrere Handwerker, die sich mit Jenen verbunden haben. Die Bemühungen der Regierung, die Leute nach der Ostbahn zu spediren, haben trotz der angebotenen Prämie von 2 1/2 Thlr. pro Halbjahr wenig Erfolg, und die strengen Gesetze, welche über die unglücklichen Erdarbeiter bei den Kanalbauten in der Nähe von den wohlweisen Herren verhängt sind, halten viele zurück. In der That ist auch der Arbeitslohn von 12 1/2-11 Sgr. pr. Tag (von Morgens 6 bis Abends 7 Uhr) nicht sehr verlockend für einen Berliner; und die Bestimmung, daß es den Arbeitern bei strenger Strafe verboten ist, beim Ministerium en masse zu petitioniren, empört besonders das souveräne Volk, welches gewohnt war, den Herrn Arbeitsministern Patow, Milde etc. zu imponiren. Die Excellenz aus dem Wupperthale mag übrigens nicht auf Rosen gebettet sein ‒ die barbarischen provisorischen Gewerbegesetze haben den Dank des Landes nicht hergeführt, wie man erwartet hatte, im Gegentheil ist Niemand damit zufrieden.
Mit der Nationalzeitung soll mit dem neuen Quartal eine Aenderung vorgehen. Ob man Hrn. Paalzow (zur Zeit sehr einflußreich) beseitigen, oder ob derselbe Andere beseitigen wird, können wir nicht bestimmt sagen. An konstitutionellen Zeitungen hätten wir nachgerade allerdings genug: eine verständig langweilige, eine yerfid alberne (Deutsche Reform, welche mit dem Quartal aufhört) und eine antediluvianisch-überflüssige (die konstitutionelle Hansemann). Letztere ist fast unsichtbar, und Hr. Louis Philipp Weyl wird trotz der 80,000 Thlr. und des schönen Formats große Mühe haben, sich bemerklich zu machen, und noch schwieriger dürfte es sein, vermöge solcher abgedroschenen Mittel „die Heiligkeit des Besitzes, des Erwerbs (in Woll- und Eisenbahngeschäften), die persönliche Berechtigung des Staatsbürgers (durch indirekte Wahlen und Census), der Familie (Bourgeois u. Komp.), der Civilisation (Belagerungszustand, große Polizei etc.)“ zu schützen.
Die Heiligkeit der Civilisation zeigt sich in neuerer Zeit sehr glänzend durch Verurtheilung der sogenannten Majestätsverbrecher. Neulich wurde ein 20jähriger Babiergeselle zu zwei Jahren Strafarbeit verurtheilt, weil er am 10. November (dem Tage nach Wrangels Beruhigungseinzug) einige Teltower Bauern rasirt und sich ihnen gegenüber mißliebig über die Gottesgnade geäußert hatte. Alles vergebens, daß der junge Sünder behauptet, an jenem Tage wären sieben Achtel von Berlin seiner Meinung gewesen. O Heiligkeit der Civilisation!
302 Berlin, 6. März. Der Untersuchungsrichter beim hiesigen Kammergericht, v. Bülow, hat die Abgeordneten Advokat Messerich aus Trier, Kaufmann und Stadtverordneter-Vorsteher Krackrügge aus Erfurt, Stadtgerichts-Direktor Dörk aus Eisleben und Justizkommissar und Stadtverordneter-Vorsteher Moritz aus Torgau, wegen des Steuerverweigerungs-Beschlusses zur gerichtlichen Voruntersuchung vorladen lassen und im Falle des Entbleibens als Strafe die Bezahlung der Terminskosten, sowie die „gesetzlichen Zwangsmaßregeln“ angedroht. Die Vorgeladenen sind nicht erschienen. Welche „gesetzlichen Zwangsmaßregeln“ nun der Untersuchungsrichter nach §. 83 der oktroyirten sogen. Verfassung ohne Genehmigung der Kammer oktroyiren wird, steht zu erwarten. „Der Schutz der konstitutionellen Freiheiten ‒ diese Grundbedingungen der öffentlichen Wohlfahrt ‒ wird stets der Gegenstand meiner gewissenhaftesten Fürsorge sein“ ‒ läßt Herr Manteuffel seinen König sagen.
222 Berlin, 6. März. Von den Berliner Deputirten zur 2. Kammer ist ein schleuniger Antrag wegen Aufhebung des Belagerungszustandes eingebracht. Morgen um 9 Uhr ist deshalb Abtheilungssitzung und wenn drei Abtheilungen für die Verlesung sind, so erfolgt diese bereits morgen in öffentlicher Sitzung. Wird der Antrag dann unterstützt, so geht er zur Berathung in die Abtheilungen zurück.
Heute spielte endlich der letzte gerichtliche Akt des Zeughaussturmes. Der frühere Abgeordnete zur Nationalversammlung, Rittmeister Kuhr, stand vor den Schranken unter der Anklage des gewaltsamen Diebstahls, weil er im Besitze eines aus dem Zeughause fortgenommenen Zündnadelgewehres gewesen war. Die Sache ist ihrer Zeit weitläufig in den Zeitungen besprochen. Der Gerichtshof hat den Angeklagten von der Anklage entbunden.
Daß die bevorstehende Justizorganisation keinen Aufschub erleiden werde, findet heute durch eine halboffizielle Notiz im Staats-Anzeiger völlige Bestätigung. Für die hiesige Provinz werden Kreisgerichte errichtet werden in Berlin (hier entweder 2 oder beide in eins kombinirt); ferner in Potsdam, Beeskow, Wriezen, Prenzlau, Brandenburg, Spandow, Jüterbogk, Wittstock, Perleburg, Neu-Ruppin, Templin, Angermünde. Außerdem hat sich das Kammergericht für exklusive Advokaturen bei dem Appellhofe und den andern hiesigen Gerichten ausgesprochen. Im Justizministerium ist man jedoch mehr Willens, auf den Vorschlag der Justizkommissarien einzugehen, wonach die hier beim Kammergericht und den andern Gerichten mit Ausschluß des Tribunals angestellten Justizkommissarien bei allen hiesigen Gerichten in erster und zweiter Instanz zur Praxis befugt sein sollten. Es sollen gewichtige Gründe für das Eine wie für das Andere sprechen.
Die Kündigung des Malmoer Waffenstillstandes Seitens der Krone Dänemark ist bemerkenswerther Weise ohne allen Effekt auf die Kurse der Fonds geblieben, wirkt aber höchst lähmend auf den Bezug von Kolonialwaaren über Hamburg. Dieses hat einen sehr bestimmten Grund und derselbe kann zugleich zeigen, wie fressend in politischen Dingen, vor allem in unserer Zeit, ein einmal entstandener Argwohn sich fortzusetzen pflegt. Kein Börsenmann glaubt an neuen Krieg mit Dänemark, indem Jeder lächelnd auf die Wildenbrug'sche Note verweist, und darum bleiben die Fonds unberührt; aber auf Kolonialwaaren wird den hiesigen Agenten der englischen und holländischen Häuser jede Bestellung versagt, weil man fürchtet, daß Dänemark, wenn auch nur auf kurze Zeit, die deutschen Ostseehäfen blokiren werde ‒ lediglich damit Deutschland Veranlassung habe, Truppen nach Schleswig-Holstein zu werfen.
Unsere Konstablermannschaft soll zum Theil bereits wieder neu eingekleidet werden. Das Polizei-Präsidium hat zu dem Ende die Tuchhändler zu Submissionen auf Lieferungen von 4500 Ellen blauem Tuch und 2700 Ellen grauem Tuch aufgefordert. Hierauf bezog sich auch die jüngst gemeldete Forderung des Schneider-Gewerks, daß ihm die Arbeit nicht entzogen werde. Die Erfindung des Hrn. Ministers Kühlwetter dürfte wenigstens keine wohlfeile zu nennen sein!
Hr. Ehrenreich Eichholz, bisher Mitarbeiter an der Nationalzeitung, für welche er die Berliner Zeitungsschau bearbeitete, hat nach Stettin zur Uebernahme der Redaktion einer neuen demokratischen Zeitung einen Ruf erhalten und wird denselben annehmen.
Es wird uns als sicher mitgetheilt, daß die Majorität der ersten Kammer sich in der Vorberathung gegen den Fortbestand des Belagerungszustandes ausgesprochen habe, ‒ sobald ein Gesetz über die Presse und Tumulte emanirt worden.
X Berlin, 6. März. Die Arbeiterbewegung wird immer bedenklicher und greift weiter und weiter um sich. Der tiefe Riß in unsern socialen Zuständen, offenbart sich nur zu deutlich. Schon haben die Maurer, Zimmerleute und Steinmetzen ihre Arbeit niedergelegt und andere Gewerke werden folgen. Die Maurermeister behaupten dagegen, daß bei den jetzigen niedrigen Miethen, Niemand daran denken werde, ein Haus bauen zu lassen, wenn die Forderungen der Gesellen erfüllt würden, weil dadurch das Mauerwerk eines Hauses um 20 Proz. theurer käme. Die Maurergesellen haben Jemand beauftragt, ihnen ein Memoir über ihre Forderungen und Verhältnisse aufzusetzen.
Die Folgen des octroyirten Gewerbegesetzes zeigen sich schon jetzt in ihrem ganzen segensreichen Umfange. Wir geben nur ein Beispiel von den vielen, die uns erzählt wurden. In Danzig besteht unter der Firma Söhrmann und Comp. ein großartiges Exportgeschäft von gesalzenem Fleisch. Es werden etwa 200 Fleischergesellen und Meister beschäftigt. Jetzt verlangen die übrigen Fleischer, welche natürlich sogleich eine Innung gebildet haben, dieses Haus könne zwar das Geschäft fortführen, müsse aber von ihnen das Fleisch entnehmen. Sie wollten aber nicht darauf eingehen, es ihm zu dem Preise zu liefern, welcher ein Aequivalent für seine bisherigen Unkosten geworden wäre.
In der Parteiversammlung der Linken ist der Antrag der Entschiedenen durchgedrungen, gar keine Adresse zu erlassen und es wird von Allen bis zu Unruh herunter in diesem Sinne gestimmt werden.
Das Programm des Herrn Rodbertus, von dem so viel gefabelt wird, und welches von 132 Mitgliedern unterschrieben sein sollte, ist natürlich eine Erfindung. Es ist der Vorschlag gemacht worden, sich über ein Programm zu vereinigen, da man aber einsah, daß eine so bunt zusammengesetzte Partei sich unmöglich über Prinzipien von irgend einer Wichtigkeit, einigen könne, wurde der Vorschlag zurückgewiesen.
Die Kammern tagen hier ziemlich unberücksichtigt. Sie würden auch ohne Belagerungszustand, ohne Constabler vor dem Volke gesichert sein, da es nicht das geringste Interesse für diese octroyirte Schöpfung empfindet. Den radikalen Abgeordneten selbst ist die ganze Geschichte zum Ekel.
Die Adreßkommission der ersten Kammer hat sich den bekannten Herrn Gruppe hinzugesellt, um die Adresse zu stylisiren.
Die Vertrauten des Herrn Hinkeldey, welcher die gewöhnlichen Polizeikommissarien sehr selten empfängt, sind jetzt der Polizeikommissar Maaß, der bekannte Spion Goldstein und der weggejagte Briefträger Hartmann.
In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde das Bureau gewählt. Das Ergebniß der Präsidentenwahl ist folgendes: Zahl der Stimmen 330. Grabow erhält 171 Stimmen, v. Unruh 158 und v. Auerswald 1 Stimme. Zum ersten Vicepräsidenten wird v. Auerswald mit 170 Stimmen gewählt, während Waldeck 154 Stimmen hatte, und die andern sich zersplitterten.
Zweiter Vicepräsident wird Lensing mit 168 St. Phillips hatte nur 156 Stimmen.
Die Stylübung des Hrn. Gruppe führt den Titel: Adresse der ersten Kammer und lautet:
Königliche Majestät!
Die Mitglieder der ersten Kammer haben in Ehrfurcht die Worte vernommen, welche Ew. Majestät am 26. Februar vom Throne herab an die zu den beiden Kammern versammelten Vertreter des Volkes gerichtet haben.
Berufen und gewählt auf den Grund der Verfassung vom 5. Decbr. v. J., welche wir als die zu Recht bestehende Grundlage unseres Staatsrechts freudig anerkennen, erblicken wir in der mit dieser neuen Verfassung eingetretenen ruhigeren Stimmung des Landes und Hebung des Verkehrs den Ausdruck des Dankes und der Hoffnungen, welche sich an dieselbe für die Gestaltung unseres öffentlichen Lebens, für die Wiederbelebung des Handels und der Gewerbe und für alle Zweige der öffentlichen Wohlfahrt knüpfen.
Die von Ew. Majestät den Kammern vorbehaltene Revision der verliehenen Verfassung fordert uns auf, dieselbe nach den Wünschen und Bedürfnissen des Volkes und im Geiste der ihm gegebenen Verheißungen sorgfältig zu prüfen. Unsere Zuversicht, bei dieser Aufgabe zur baldigen Verständigung mit der zweiten Kammer und mit Ew. Majestät Regierung zu gelangen, ist um so größer, je wichtiger es uns allen erscheinen muß, das Land so schnell als möglich der vollen Befriedigung und Sicherheit theilhaftig zu machen, welche an die Vollendung dieser Revision geknüpft sind.
Hinsichtlich des über die Hauptstadt und ihre nächste Umgebung verhängten Belagerungszustandes sind uns von Ew. Majestät nähere Vorlagen angekündigt. Wir werden uns durch deren gewissenhafte Prüfung in Stand setzen, über diese außerordentliche Maßregel unser Urtheil auszusprechen.
In den theils schon vorläufig ergangenen, theils angekündigten Verordnungen erkennen wir die Thätigkeit, welche Ew. Majestät Regierung der durch den Geist der Neuzeit bedingten Umgestaltung vieler wichtigen bürgerlichen Verhältnisse widmet. Wir werden diesen Vorlagen die größte Sorgfalt zuwenden.
Die durch die Verfassungs-Urkunde den verschiedenen Religionsgesellschaften zugesicherte Selbstständigkeit hat ein dringendes Bedürfniß befriedigt und bereits zur Heilung tief gehender Zerwürfnisse beigetragen. Die in Aussicht gestellte baldige Verwirklichung jener Zusicherung, unter geeigneter Mitwirkung der betreffenden Religionsgesellschaften vollzogen, wird noch mehr den Gewinn darthun, der daraus sowohl für das religiöse als für das bürgerliche Leben entspringt.
Der finanzielle Zustand des Landes nach so außerordentlichen Anstrengungen und die Bereitwilligkeit, womit die freiwillige Anleihe beschafft worden, sind redende Zeugnisse für die in diesem Verwaltungszweige herrschende Ordnung und das darauf beruhende öffentliche Vertrauen. Dieses Vertrauen wird, so hoffen wir, durch die genaue Prüfung der zu erwartenden Vorlagen über den Staatshaushalt, einschließlich des Staatsschatzes, befestigt, und durch dasselbe die Kraft des Staates zu noch größeren Anstrengungen, wenn solche nöthig würden, gestärkt werden.
Zu unserer großen Beruhigung vernehmen wir aus dem Munde Ew. Majestät die Versicherung, daß den Vertheidigungsmitteln des Landes ununterbrochen die nöthige Sorgfalt zugewendet werden konnte. Es erfüllt uns mit Stolz, ein Heer zu besitzen, welches mit der Stärke, die ihm seine musterhafte Organisation verleiht, den noch höheren Ruhm einer unter den schwierigsten Verhältnissen unerschüttert gebliebenen Disciplin und Pflichttreue verbindet
Die von Ew. Majestät gehegten Wünsche für die innigere Vereinigung der deutschen Staaten zu einem Bundesstaate leben mit gleicher Stärke in den Herzen aller derjenigen, welche in der Herstellung einer kräftigen deutschen Einheit die längst ersehnte Befriedigung des nationalen Bewußtseins und das einzige Mittel erkennen, die deutsche Nation im Innern wie nach Außen zu der Größe und Herrlichkeit wieder aufzurichten, wozu sie nach ihren geistigen und materiellen Kräften und nach ihrer Lage im Herzen Europas befähigt ist. Je mehr der Augenblick zur Verwirklichung dieses Gedankens drängt, um desto stärker tritt für Preußen der Beruf dazu mitzuwirken, hervor. Das Volk, als Preußen wie als Deutsche, wird Ew. Majestät Regierung bei allen Schritten, die jenen hohen Zweck verfolgen, mit seiner vollen Kraftentwicklung unterstützen, und dabei Opfer nicht scheuen. Das Ziel seiner Wünsche wird um so vollständiger erreicht werden, je mehr alle deutschen Fürsten in die Verständigung mit der deutschen National-Versammlung zu Frankfurt eingehen. Wir, seine Vertreter, erkennen es als unsere besondere Pflicht, durch Stärkung der innern Eintracht, Ordnung und Freiheit, auch nach Außen hin das Vertrauen und das Ansehen, dessen
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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