Neue Rheinische Zeitung. Nr. 238. Köln, 6. März 1849.Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 3. März. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Berlin, 3. März. In der heutigen (4.) Sitzung der zweiten Kammer werden nach Verlesung des Protokolls einige Neuwahlen (Jung, Reuter etc.) angezeigt. Czieskowski überreicht einen Protest der polnischen Wahlmänner gegen die von der Regierung ausgegangene Abgränzung der Wahlbezirke im Posenschen. Hr. Vincke dringt darauf, den Protest unbeachtet zu lassen, da noch keine Petitionskommission vorhanden. Hr. Manteufel findet in dem Protest mehrfache Angriffe gegen das Ministerium, wird aber schweigen bis zur Konstituirung der Kammer. Es handelt sich im weitern Verlauf der Debatte lediglich um mehrere beanstandete Wahlen, von denen die meisten für gültig, eine kleine Zahl für ungültig erklärt werden. Berlin, 3. März. Der Kalkulator Praetsch wird steckbrieflich verfolgt, weil derselbe aus der von ihm verwalteten Kasse der Hofkammer des verstorbenen Prinzen August von Preußen eine bedeutende Geldsumme entwendet hat. Gegenwärtig soll sich der Verdacht herausgestellt haben, daß der Entflohene dieses Geld größtentheils verwendet hat, um in den Novembertagen eine Gewehrfabrik für die Anhänger der demokratischen Partei zu begründen und sollen die Behörden eifrig beschäftigt sein, die betreffenden Verdachtsgründe zu verfolgen. Großes Aufsehen erregt übrigens die ganz ungewöhnliche Persons- Beschreibung, welche der vom Criminalgericht hinter dem Praetsch erlassene Steckbrief enthält. Es heißt dort nämlich wörtlich: Der Entflohene zeichnet sich durch große klotzige Augen, ein grinsendes Lachen und wüthend demokratische Gesinnung aus! X Königsberg, im Febr. Es lebt hier seit mehreren Jahren ein Lieutenant a. D., Naturdichter von Talent, anspruchslos und gemüthvoll -- -- bon enfant durch und durch, man könnte mit ihm Betteln gehn. Dieser Mann hat lange Zeit auf dem Ehrenbreitenstein geschmachtet, weil er seinen Soldaten eine Beschwerdeschrift gegen einen höhern Offizier verfaßt, und ernährte sich später hier durch seine Geistesproducte und seiner Freunde Unterstützungen äußerst spärlich und erhielt endlich einen Posten bei der hiesigen Regierung, der ihm aber wegen "seiner politischen Ansichten" bald wieder genommen wurde. Andere zwar geben als Grund seiner Entlassung an, er habe "den Erwartungen nicht entsprochen" und führen ganz ernsthaft als Argument bei, er solle das Versehen eines Kopisten, der statt Einer Verehrlichen, "Einer Verächtlichen Finanz-Abtheilung" geschrieben, ungerügt gelassen haben; doch selbst dieser Vorwurf der Nachlässigkeit wäre nur Prätext gewesen, denn kurz vor seiner Entlassung noch empfing unser Lieutnant eine anständige Extrarenumeration nebst Belobigung. Hätte er jetzt nur für sich allein zu sorgen gehabt, so wäre die einstweilige Brotlosigkeit schon zu verschmerzen gewesen, doch noch vor wenig Wochen hatte er den Neffen einer Verwandten zu sich genommen, und so war ihm dieser Schlag doppelt schmerzhaft. Sein Pflegling aber litt unter den Nahrungssorgen, die nun wieder auf dem Oheim lasteten, durchaus nicht, denn die gute Haut dachte immer erst zuletzt an sich, speiste und kleidete den Knaben anständig, schickte ihn in die Schule und Kirche und empfing dagegen auch von diesem täglich neue Beweise der aufrichtigsten Liebe. Da findet der Onkel eines Sonntags unter den Büchern seines Neffen versteckt, einen angefangenen Brief, der lautet: "Meine liebe Tante J..., leider ergreife ich diesmal die Feder um Dich zu betrüben, aber es muß geschehen, denn meine ganze Zukunft steht auf dem Spiel. Der Onkel Lieutenant ist ein schrecklicher Republikaner und ich fürchte von seinen Ideen angesteckt zu werden etc. etc. -- Nimm mich von ihm und gieb mich zum Onkel Doctor!" -- "Wer hat dir diesen Brief dictirt, mein Junge," fragt der Lieutenant den aus der Kirche kommenden Knaben. Dieser bricht in Thränen aus und gesteht unter Schluchzen: "Liebster Onkel verzeih' mir, ich bin gezwungen, Dich zu betrügen, der Onkel Doctor hat mir befohlen so zu schreiben und verboten Dir davon zu sagen: denn Du würdest sehr böse sein, wenn Du es erführest." -- Und wer ist dieser Onkel Doctor? Es ist ein anständiger, honetter Mann, ein Politiker (Gesinnungsgenosse aller Brügge,-Basser,-Bieder- und Eisenmänner,) ein großer Redner, denn er spricht stets und -- schön, es ist -- der Leithammel unserer Demokratisch-Constitutionellen!! Schon wenn der unvermeidliche Schönschwätzer auf der Bühne steht und schauspielert und zum tausendstenmal seine schwulstigen Phrasen wiederkäut, überkommt jeden Verständigen ein Ekel, wie erst muß man dieses Wesen lieb gewinnen, wenn man so liebliche Geschichten von ihm hört. -- "Lassen Sie sich nicht irre führen, meine Herren, vertrauen Sie uns, meine Herren, (und der Pulcinello paukt mit der Rechten auf seine Elephantenbrust) glauben Sie einzig uns Männern, die wir schon vor der glorreichen Märzrevolution für die Freiheit gelitten (haben euch in den Dreck geritten, möchten euch noch weiter drinn herumtummeln!), geben sie nicht Gehör den Einflüsterungen der Umsturzpartei, der nichts heilig, aber arbeiten sie auch offen und ehrlich mit allen ihren Kräften der Reaktion entgegen etc. etc." -- So und nie anders das Ideal unserer Democratisch-Constitutionellen! Was man von einer Partei zu halten, deren Ausdruck dieser ihr Leithammel ist, die sich täglich durch sich und ihre Führer auf jegliche Weise compromittirt, lehrt recht deutlich diese kleine Historie, ein neuer Beitrag zur Charakteristik des "offenen Biedersinnes" aller für die "Constitutionelle Monarchie Begeisterten." Carnassiers de Malthus, je vous reconnais la! Posen, 1. März. Der Oberst Breansui, Chef des Generalstabs, fordert im Namen des Generals Chrzanowski alle polnische Offiziere auf, ihm ihre Patente einzuschicken, wenn sie in der polnischen Legion der sardinischen Armee angestellt zu werden wünschen. Die polnische Legion soll so lange bestehen, so lange der Krieg mit Oestreich währt. Wird die Legion aufgelöst, so steht es jedem frei in demselben Range ins sardinische Heer einzutreten, oder er erhält Entlassung nebst 6monatlichem Solde. Junge Leute mit gehöriger Bildung treten in die Kadettenabtheilung, in welcher sie gründlichen Unterricht in den Militärwissenschaften erhalten, um dann als Offizier in die Legion zu treten. Liegnitz, 2. März. In dieser Woche haben wieder verschiedene Schlägereien zwischen Soldaten unter sich und zwischen Soldaten und Civil stattgefunden. Besonders hart angegangen haben sich in einer Kneipe die Zwanziger und Artilleristen. Man ist gegenseitig mit Knüppeln und Säbeln auf einander eingedrungen, so daß es diverse blutige Köpfe gesetzt hat. Dem einen Soldaten soll ein Auge ausgestochen worden sein. 61 Wien, 1. März. Die Ostd. Post möchte sich über den Einmarsch der Russen gerne entrüsten, bringt indessen zur eigenen Bezähmung nur einen historischen Artikel über das russische Bündniß. Der Deutsche bleibt ewig ein Blockhead; selbst wenn er schon verschlungen wird, spricht er noch von einem Bündniß mit dem Wolfe. Ich meine damit nicht nur die Ostd. Post, sondern fast alle deutschen Blätter. Ich kann heute dies Verzeichniß durch die Leipziger Allgemeine Brockhaus-Zeitung vernehmen, die für russisches Geld schreibt, das sie aus dritter Hand erhält. Das Elend der unteren Klassen nimmt hier so zu, daß selbst der germanisch-hündische Gemeinderath den Muth bekommen, Welden zu ersuchen, die Armeearbeiten den armen Gewerbtreibenden zuzuwenden. Auch haben sich bürgerliche Vertrauensmänner um ihn geschaart, zu denen diese Standrechtsbestie gesprochen hat: "Was der Gouverneur proklamirt, muß der Gouverneur halten. erst als er mitten zwischen den Flammen des Kamins und den Gaslichtern stand, erkannte ich meinen alten Bekannten und fiel ihm grüßend um den Hals; ganz gegen alle englische Sitte und Gewohnheit. Die längliche Dame und der graue Herr gehörten zu meinen besten Freunden, als ich früher das Glück hatte, drei Jahre in England verweilen zu müssen. Die Dame füllte manche meiner müßigen Stunden aus. Doch noch häufiger besuchte mich der graue Herr. Nächte lang saßen wir miteinander stumm am Kamine, Grog trinkend und Cigarren rauchend. Steif starrten wir in's Feuer, und hatten wir sechs Stunden lang so gesessen, da erhob sich mein alter Freund, drückte mir die Hand und versicherte mir, daß er sich ungeheuer amüsirt habe. Trotz seiner unangenehmen Angewohnheiten liebte ich meinen grauen Freund von ganzem Herzen. Ich verzieh es ihm z. B., daß er stets seine Nasenspitze besah, daß er manchmal die Füße statt der Hände in die Hosentaschen zu stecken suchte und daß er nie zu Bette ging, ohne gegen allenfallsige Raubmörder einen großen Korkzieher in der Tasche seiner Unterhose mit sich zu führen. Meiner Begrüßung folgten die Komplimente, die Herr und Dame einander schuldig zu sein glaubten. Beide waren sich keineswegs fremd. Sie sahen sich häufig in jenen interessanten englischen Gesellschaften, in denen man wenig spricht. Der böse Leumund wollte sogar wissen, Herr und Dame seien einst in eine so lebendige Unterhaltung gerathen, daß sie plötzlich beide einschlafend, nickend mit den Nasen an einander gerannt wären und unter seltsamen Grimassen den Schwur gethan hätten, sich nie wieder dergestalt von dem Feuer der Unterredung fortreißen zu lassen. Wie dem auch sei: meine beiden Gäste waren hoch erfreut, sich wieder zu sehen. Lang und feierlich erhob sich die Dame und blickte verschämt zu Boden, was meinen grauen Freund so ungemein rührte, daß er für einen Augenblick all Geistesgegenwart verlor und mitten in seiner besten Verbeugung wie ein schiefer Meilenzeiger regungslos stehen blieb. Ich benutzte diese Erstarrung der gegenseitigen Komplimente, um mich der Thür zuzuwenden, die eben zum dritten Male geöffnet wurde. Es war der letzte meiner Gäste, den man hineinführte und wahrhaftig, er erschien in sonderbarer Begleitung. Wenn nämlich die lange, weißatlassene Dame zu Wagen herankam und mein grauer Freund zu Pferde herbeisprengte, so fuhr der dritte Besuch zu Schiff bis an mein Hotel, und ließ sich von zwei Matrosen, in blauen Hemden und rothen Jacken, bis in mein Zimmer tragen. Meine Leser werden sich wundern, in dem hereingetragenen Wesen abermals etwas Weibliches zu finden. Aber schon der Symetrie wegen hatte ich die Sache so einrichten müssen, denn, wollte ich der langen Dame bei Tisch gegenübersitzen, so mußte ich auch für meinen grauen Freund ein erbauliches vis-a-vis einladen, eine Aufgabe, die bei meiner strengen Auswahl für eine so feierliche Gelegenheit wirklich schwer zu lösen war. Nach langem Hin- und Hersinnen gerieth ich endlich auf die höchst ausgezeichnete Person, welche eben im Begriff war, meiner Einladung nachzukommen. Wir finden in ihr eine Dame, deren Alter beim besten Willen nicht nachzuweisen ist. Sie trägt grüne Kleider, gelößte Locken und duftet nach Theer und Seewasser. Man könnte sie hübsch nennen und würde sie ihres nymphenhaften Wuchses wegen vielleicht schön finden, wenn nicht der erdfahle Teint ihres Gesichtes unwillkührlich zurückstieße. Feucht glänzt ihr Auge durch die langen Wimpern. Ihr Gang hat etwas sehr eigenthümliches; man merkt, daß sie mehr auf der See als auf dem Lande lebt. Ich stellte die Neuhereingetretene meinen beiden andern Gästen ohne Weiteres vor. Sie hatten sich gerade von ihrer Erstarrung erholt und es war wirklich eine Genugthuung für mich, als ich alle drei nach den ersten Artigkeitsbezeugungen sofort in der Erinnerung längst gemachter und endlich erneuerter Bekanntschaft schwelgen sah. Unser Diner war indeß aufgetragen, und ich lud meine Gäste ein, sich zu setzen. Die ganze Geschichte hatte etwas sehr feierliches. Der weite, teppichbedeckte Raum, die schweren, seidnen Vorhänge der Fenster, der riesige Kamin mit seiner Kohlenglut, der kleine Tisch in der Mitte des Zimmers, umringt von vier großen Fauteuils, das blendendweiße Tischtuch, das fast bis auf die Erde hinabhing, das Silbergeschirr, die Krystallflaschen und die kolossalen verdeckten Schüsseln -- -- Alles harmonirte mit einander und versprach einen Naturgenuß, der dem Wirthe keine Schande machen konnte. Der Naturgenuß des Essens und des Trinkens bleibt trotz der häufigen Wiederkehr, ein außerordentlich wichtiger Akt im menschlichen Leben. Ich finde es daher passend, daß man ihn jedesmal mit einem kurzen Spruch, mit einem Gebet oder mit einer heiteren Anrede eröffnet, sei es in biblischen Rythmen, in Hexametern oder in einfacher Prosa. Essend und trinkend nähert sich der Mensch mehr als je dem Ursprünglichen. Er schwelgt am Busen der Natur, deren Schätze uns die Kochkunst erst recht eigentlich zugänglich machte. Essen und Trinken ist Kunst- und Naturgenuß zu gleicher Zeit. Da liegen die Austern der unerforschlichen See; da fluthet die Schildkrötensuppe, die herzerfreuende. Da prangt das Rippenstück eines schwerwandelnden friesischen Ochsen und hier ragt die Keule eines schottischen Widders. Die Schnepfe und das Birkhuhn Alt-England's, der französische Fasan und die deutsche Lerche. Transatlantische Aepfel, die Orangen Italien's und spanische Trauben. In dem Krystall der Flaschen der gelbe Xeres, der tiefrothe Portwein, der wilde Champagner und das Gold der rheinischen Hügel -- -- o stelle dich auf den Gipfel des Chimborazzo und du hast keine schönere Aussicht; vor allen Dingen erhebe du aber deine Hand und danke der Mutter Natur, denn sie hat Alles weise geordnet und die Welt ist voll ihrer Güte. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 3. März. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Berlin, 3. März. In der heutigen (4.) Sitzung der zweiten Kammer werden nach Verlesung des Protokolls einige Neuwahlen (Jung, Reuter etc.) angezeigt. Czieskowski überreicht einen Protest der polnischen Wahlmänner gegen die von der Regierung ausgegangene Abgränzung der Wahlbezirke im Posenschen. Hr. Vincke dringt darauf, den Protest unbeachtet zu lassen, da noch keine Petitionskommission vorhanden. Hr. Manteufel findet in dem Protest mehrfache Angriffe gegen das Ministerium, wird aber schweigen bis zur Konstituirung der Kammer. Es handelt sich im weitern Verlauf der Debatte lediglich um mehrere beanstandete Wahlen, von denen die meisten für gültig, eine kleine Zahl für ungültig erklärt werden. Berlin, 3. März. Der Kalkulator Praetsch wird steckbrieflich verfolgt, weil derselbe aus der von ihm verwalteten Kasse der Hofkammer des verstorbenen Prinzen August von Preußen eine bedeutende Geldsumme entwendet hat. Gegenwärtig soll sich der Verdacht herausgestellt haben, daß der Entflohene dieses Geld größtentheils verwendet hat, um in den Novembertagen eine Gewehrfabrik für die Anhänger der demokratischen Partei zu begründen und sollen die Behörden eifrig beschäftigt sein, die betreffenden Verdachtsgründe zu verfolgen. Großes Aufsehen erregt übrigens die ganz ungewöhnliche Persons- Beschreibung, welche der vom Criminalgericht hinter dem Praetsch erlassene Steckbrief enthält. Es heißt dort nämlich wörtlich: Der Entflohene zeichnet sich durch große klotzige Augen, ein grinsendes Lachen und wüthend demokratische Gesinnung aus! X Königsberg, im Febr. Es lebt hier seit mehreren Jahren ein Lieutenant a. D., Naturdichter von Talent, anspruchslos und gemüthvoll — — bon enfant durch und durch, man könnte mit ihm Betteln gehn. Dieser Mann hat lange Zeit auf dem Ehrenbreitenstein geschmachtet, weil er seinen Soldaten eine Beschwerdeschrift gegen einen höhern Offizier verfaßt, und ernährte sich später hier durch seine Geistesproducte und seiner Freunde Unterstützungen äußerst spärlich und erhielt endlich einen Posten bei der hiesigen Regierung, der ihm aber wegen „seiner politischen Ansichten“ bald wieder genommen wurde. Andere zwar geben als Grund seiner Entlassung an, er habe „den Erwartungen nicht entsprochen“ und führen ganz ernsthaft als Argument bei, er solle das Versehen eines Kopisten, der statt Einer Verehrlichen, „Einer Verächtlichen Finanz-Abtheilung“ geschrieben, ungerügt gelassen haben; doch selbst dieser Vorwurf der Nachlässigkeit wäre nur Prätext gewesen, denn kurz vor seiner Entlassung noch empfing unser Lieutnant eine anständige Extrarenumeration nebst Belobigung. Hätte er jetzt nur für sich allein zu sorgen gehabt, so wäre die einstweilige Brotlosigkeit schon zu verschmerzen gewesen, doch noch vor wenig Wochen hatte er den Neffen einer Verwandten zu sich genommen, und so war ihm dieser Schlag doppelt schmerzhaft. Sein Pflegling aber litt unter den Nahrungssorgen, die nun wieder auf dem Oheim lasteten, durchaus nicht, denn die gute Haut dachte immer erst zuletzt an sich, speiste und kleidete den Knaben anständig, schickte ihn in die Schule und Kirche und empfing dagegen auch von diesem täglich neue Beweise der aufrichtigsten Liebe. Da findet der Onkel eines Sonntags unter den Büchern seines Neffen versteckt, einen angefangenen Brief, der lautet: „Meine liebe Tante J..., leider ergreife ich diesmal die Feder um Dich zu betrüben, aber es muß geschehen, denn meine ganze Zukunft steht auf dem Spiel. Der Onkel Lieutenant ist ein schrecklicher Republikaner und ich fürchte von seinen Ideen angesteckt zu werden etc. etc. — Nimm mich von ihm und gieb mich zum Onkel Doctor!“ — „Wer hat dir diesen Brief dictirt, mein Junge,“ fragt der Lieutenant den aus der Kirche kommenden Knaben. Dieser bricht in Thränen aus und gesteht unter Schluchzen: „Liebster Onkel verzeih' mir, ich bin gezwungen, Dich zu betrügen, der Onkel Doctor hat mir befohlen so zu schreiben und verboten Dir davon zu sagen: denn Du würdest sehr böse sein, wenn Du es erführest.“ — Und wer ist dieser Onkel Doctor? Es ist ein anständiger, honetter Mann, ein Politiker (Gesinnungsgenosse aller Brügge,-Basser,-Bieder- und Eisenmänner,) ein großer Redner, denn er spricht stets und — schön, es ist — der Leithammel unserer Demokratisch-Constitutionellen!! Schon wenn der unvermeidliche Schönschwätzer auf der Bühne steht und schauspielert und zum tausendstenmal seine schwulstigen Phrasen wiederkäut, überkommt jeden Verständigen ein Ekel, wie erst muß man dieses Wesen lieb gewinnen, wenn man so liebliche Geschichten von ihm hört. — „Lassen Sie sich nicht irre führen, meine Herren, vertrauen Sie uns, meine Herren, (und der Pulcinello paukt mit der Rechten auf seine Elephantenbrust) glauben Sie einzig uns Männern, die wir schon vor der glorreichen Märzrevolution für die Freiheit gelitten (haben euch in den Dreck geritten, möchten euch noch weiter drinn herumtummeln!), geben sie nicht Gehör den Einflüsterungen der Umsturzpartei, der nichts heilig, aber arbeiten sie auch offen und ehrlich mit allen ihren Kräften der Reaktion entgegen etc. etc.“ — So und nie anders das Ideal unserer Democratisch-Constitutionellen! Was man von einer Partei zu halten, deren Ausdruck dieser ihr Leithammel ist, die sich täglich durch sich und ihre Führer auf jegliche Weise compromittirt, lehrt recht deutlich diese kleine Historie, ein neuer Beitrag zur Charakteristik des „offenen Biedersinnes“ aller für die „Constitutionelle Monarchie Begeisterten.“ Carnassiers de Malthus, je vous reconnais là! Posen, 1. März. Der Oberst Breansui, Chef des Generalstabs, fordert im Namen des Generals Chrzanowski alle polnische Offiziere auf, ihm ihre Patente einzuschicken, wenn sie in der polnischen Legion der sardinischen Armee angestellt zu werden wünschen. Die polnische Legion soll so lange bestehen, so lange der Krieg mit Oestreich währt. Wird die Legion aufgelöst, so steht es jedem frei in demselben Range ins sardinische Heer einzutreten, oder er erhält Entlassung nebst 6monatlichem Solde. Junge Leute mit gehöriger Bildung treten in die Kadettenabtheilung, in welcher sie gründlichen Unterricht in den Militärwissenschaften erhalten, um dann als Offizier in die Legion zu treten. Liegnitz, 2. März. In dieser Woche haben wieder verschiedene Schlägereien zwischen Soldaten unter sich und zwischen Soldaten und Civil stattgefunden. Besonders hart angegangen haben sich in einer Kneipe die Zwanziger und Artilleristen. Man ist gegenseitig mit Knüppeln und Säbeln auf einander eingedrungen, so daß es diverse blutige Köpfe gesetzt hat. Dem einen Soldaten soll ein Auge ausgestochen worden sein. 61 Wien, 1. März. Die Ostd. Post möchte sich über den Einmarsch der Russen gerne entrüsten, bringt indessen zur eigenen Bezähmung nur einen historischen Artikel über das russische Bündniß. Der Deutsche bleibt ewig ein Blockhead; selbst wenn er schon verschlungen wird, spricht er noch von einem Bündniß mit dem Wolfe. Ich meine damit nicht nur die Ostd. Post, sondern fast alle deutschen Blätter. Ich kann heute dies Verzeichniß durch die Leipziger Allgemeine Brockhaus-Zeitung vernehmen, die für russisches Geld schreibt, das sie aus dritter Hand erhält. Das Elend der unteren Klassen nimmt hier so zu, daß selbst der germanisch-hündische Gemeinderath den Muth bekommen, Welden zu ersuchen, die Armeearbeiten den armen Gewerbtreibenden zuzuwenden. Auch haben sich bürgerliche Vertrauensmänner um ihn geschaart, zu denen diese Standrechtsbestie gesprochen hat: „Was der Gouverneur proklamirt, muß der Gouverneur halten. erst als er mitten zwischen den Flammen des Kamins und den Gaslichtern stand, erkannte ich meinen alten Bekannten und fiel ihm grüßend um den Hals; ganz gegen alle englische Sitte und Gewohnheit. Die längliche Dame und der graue Herr gehörten zu meinen besten Freunden, als ich früher das Glück hatte, drei Jahre in England verweilen zu müssen. Die Dame füllte manche meiner müßigen Stunden aus. Doch noch häufiger besuchte mich der graue Herr. Nächte lang saßen wir miteinander stumm am Kamine, Grog trinkend und Cigarren rauchend. Steif starrten wir in's Feuer, und hatten wir sechs Stunden lang so gesessen, da erhob sich mein alter Freund, drückte mir die Hand und versicherte mir, daß er sich ungeheuer amüsirt habe. Trotz seiner unangenehmen Angewohnheiten liebte ich meinen grauen Freund von ganzem Herzen. Ich verzieh es ihm z. B., daß er stets seine Nasenspitze besah, daß er manchmal die Füße statt der Hände in die Hosentaschen zu stecken suchte und daß er nie zu Bette ging, ohne gegen allenfallsige Raubmörder einen großen Korkzieher in der Tasche seiner Unterhose mit sich zu führen. Meiner Begrüßung folgten die Komplimente, die Herr und Dame einander schuldig zu sein glaubten. Beide waren sich keineswegs fremd. Sie sahen sich häufig in jenen interessanten englischen Gesellschaften, in denen man wenig spricht. Der böse Leumund wollte sogar wissen, Herr und Dame seien einst in eine so lebendige Unterhaltung gerathen, daß sie plötzlich beide einschlafend, nickend mit den Nasen an einander gerannt wären und unter seltsamen Grimassen den Schwur gethan hätten, sich nie wieder dergestalt von dem Feuer der Unterredung fortreißen zu lassen. Wie dem auch sei: meine beiden Gäste waren hoch erfreut, sich wieder zu sehen. Lang und feierlich erhob sich die Dame und blickte verschämt zu Boden, was meinen grauen Freund so ungemein rührte, daß er für einen Augenblick all Geistesgegenwart verlor und mitten in seiner besten Verbeugung wie ein schiefer Meilenzeiger regungslos stehen blieb. Ich benutzte diese Erstarrung der gegenseitigen Komplimente, um mich der Thür zuzuwenden, die eben zum dritten Male geöffnet wurde. Es war der letzte meiner Gäste, den man hineinführte und wahrhaftig, er erschien in sonderbarer Begleitung. Wenn nämlich die lange, weißatlassene Dame zu Wagen herankam und mein grauer Freund zu Pferde herbeisprengte, so fuhr der dritte Besuch zu Schiff bis an mein Hotel, und ließ sich von zwei Matrosen, in blauen Hemden und rothen Jacken, bis in mein Zimmer tragen. Meine Leser werden sich wundern, in dem hereingetragenen Wesen abermals etwas Weibliches zu finden. Aber schon der Symetrie wegen hatte ich die Sache so einrichten müssen, denn, wollte ich der langen Dame bei Tisch gegenübersitzen, so mußte ich auch für meinen grauen Freund ein erbauliches vis-à-vis einladen, eine Aufgabe, die bei meiner strengen Auswahl für eine so feierliche Gelegenheit wirklich schwer zu lösen war. Nach langem Hin- und Hersinnen gerieth ich endlich auf die höchst ausgezeichnete Person, welche eben im Begriff war, meiner Einladung nachzukommen. Wir finden in ihr eine Dame, deren Alter beim besten Willen nicht nachzuweisen ist. Sie trägt grüne Kleider, gelößte Locken und duftet nach Theer und Seewasser. Man könnte sie hübsch nennen und würde sie ihres nymphenhaften Wuchses wegen vielleicht schön finden, wenn nicht der erdfahle Teint ihres Gesichtes unwillkührlich zurückstieße. Feucht glänzt ihr Auge durch die langen Wimpern. Ihr Gang hat etwas sehr eigenthümliches; man merkt, daß sie mehr auf der See als auf dem Lande lebt. Ich stellte die Neuhereingetretene meinen beiden andern Gästen ohne Weiteres vor. Sie hatten sich gerade von ihrer Erstarrung erholt und es war wirklich eine Genugthuung für mich, als ich alle drei nach den ersten Artigkeitsbezeugungen sofort in der Erinnerung längst gemachter und endlich erneuerter Bekanntschaft schwelgen sah. Unser Diner war indeß aufgetragen, und ich lud meine Gäste ein, sich zu setzen. Die ganze Geschichte hatte etwas sehr feierliches. Der weite, teppichbedeckte Raum, die schweren, seidnen Vorhänge der Fenster, der riesige Kamin mit seiner Kohlenglut, der kleine Tisch in der Mitte des Zimmers, umringt von vier großen Fauteuils, das blendendweiße Tischtuch, das fast bis auf die Erde hinabhing, das Silbergeschirr, die Krystallflaschen und die kolossalen verdeckten Schüsseln — — Alles harmonirte mit einander und versprach einen Naturgenuß, der dem Wirthe keine Schande machen konnte. Der Naturgenuß des Essens und des Trinkens bleibt trotz der häufigen Wiederkehr, ein außerordentlich wichtiger Akt im menschlichen Leben. Ich finde es daher passend, daß man ihn jedesmal mit einem kurzen Spruch, mit einem Gebet oder mit einer heiteren Anrede eröffnet, sei es in biblischen Rythmen, in Hexametern oder in einfacher Prosa. Essend und trinkend nähert sich der Mensch mehr als je dem Ursprünglichen. Er schwelgt am Busen der Natur, deren Schätze uns die Kochkunst erst recht eigentlich zugänglich machte. Essen und Trinken ist Kunst- und Naturgenuß zu gleicher Zeit. Da liegen die Austern der unerforschlichen See; da fluthet die Schildkrötensuppe, die herzerfreuende. Da prangt das Rippenstück eines schwerwandelnden friesischen Ochsen und hier ragt die Keule eines schottischen Widders. Die Schnepfe und das Birkhuhn Alt-England's, der französische Fasan und die deutsche Lerche. Transatlantische Aepfel, die Orangen Italien's und spanische Trauben. In dem Krystall der Flaschen der gelbe Xeres, der tiefrothe Portwein, der wilde Champagner und das Gold der rheinischen Hügel — — o stelle dich auf den Gipfel des Chimborazzo und du hast keine schönere Aussicht; vor allen Dingen erhebe du aber deine Hand und danke der Mutter Natur, denn sie hat Alles weise geordnet und die Welt ist voll ihrer Güte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0002" n="1316"/> <div xml:id="ar238_003_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Sieg der Magyaren, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9. </bibl> </note> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar238_004_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Der Prozeß gegen Lassalle, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9. </bibl> </note> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 3. 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Da findet der Onkel eines Sonntags unter den Büchern seines Neffen versteckt, einen angefangenen Brief, der lautet:</p> <p>„Meine liebe Tante J..., leider ergreife ich diesmal die Feder um Dich zu betrüben, aber es muß geschehen, denn meine ganze Zukunft steht auf dem Spiel. Der Onkel Lieutenant ist ein schrecklicher Republikaner und ich fürchte von seinen Ideen angesteckt zu werden etc. etc. — Nimm mich von ihm und gieb mich zum Onkel Doctor!“ — „Wer hat dir diesen Brief dictirt, mein Junge,“ fragt der Lieutenant den aus der Kirche kommenden Knaben. Dieser bricht in Thränen aus und gesteht unter Schluchzen: „Liebster Onkel verzeih' mir, ich bin gezwungen, Dich zu betrügen, der Onkel Doctor hat mir befohlen so zu schreiben und verboten Dir davon zu sagen: denn Du würdest sehr böse sein, wenn Du es erführest.“ —</p> <p>Und wer ist dieser Onkel Doctor? Es ist ein anständiger, honetter Mann, ein Politiker (Gesinnungsgenosse aller Brügge,-Basser,-Bieder- und Eisenmänner,) ein großer Redner, denn er spricht stets und — schön, es ist — der Leithammel unserer Demokratisch-Constitutionellen!!</p> <p>Schon wenn der unvermeidliche Schönschwätzer auf der Bühne steht und schauspielert und zum tausendstenmal seine schwulstigen Phrasen wiederkäut, überkommt jeden Verständigen ein Ekel, wie erst muß man dieses Wesen lieb gewinnen, wenn man so liebliche Geschichten von ihm hört. — „Lassen Sie sich nicht irre führen, meine Herren, vertrauen Sie uns, meine Herren, (und der Pulcinello paukt mit der Rechten auf seine Elephantenbrust) glauben Sie einzig uns Männern, die wir schon vor der glorreichen Märzrevolution für die Freiheit gelitten (haben euch in den Dreck geritten, möchten euch noch weiter drinn herumtummeln!), geben sie nicht Gehör den Einflüsterungen der Umsturzpartei, der nichts heilig, aber arbeiten sie auch offen und ehrlich mit allen ihren Kräften der Reaktion entgegen etc. etc.“ — So und nie anders das Ideal unserer Democratisch-Constitutionellen!</p> <p>Was man von einer Partei zu halten, deren Ausdruck dieser ihr Leithammel ist, die sich täglich durch sich und ihre Führer auf jegliche Weise compromittirt, lehrt recht deutlich diese kleine Historie, ein neuer Beitrag zur Charakteristik des „offenen Biedersinnes“ aller für die „Constitutionelle Monarchie Begeisterten.“ Carnassiers de Malthus, je vous reconnais là!</p> </div> <div xml:id="ar238_008" type="jArticle"> <head>Posen, 1. März.</head> <p>Der Oberst Breansui, Chef des Generalstabs, fordert im Namen des Generals Chrzanowski alle polnische Offiziere auf, ihm ihre Patente einzuschicken, wenn sie in der polnischen Legion der sardinischen Armee angestellt zu werden wünschen. Die polnische Legion soll so lange bestehen, so lange der Krieg mit Oestreich währt. Wird die Legion aufgelöst, so steht es jedem frei in demselben Range ins sardinische Heer einzutreten, oder er erhält Entlassung nebst 6monatlichem Solde. Junge Leute mit gehöriger Bildung treten in die Kadettenabtheilung, in welcher sie gründlichen Unterricht in den Militärwissenschaften erhalten, um dann als Offizier in die Legion zu treten.</p> </div> <div xml:id="ar238_009" type="jArticle"> <head>Liegnitz, 2. März.</head> <p>In dieser Woche haben wieder verschiedene Schlägereien zwischen Soldaten unter sich und zwischen Soldaten und Civil stattgefunden. Besonders hart angegangen haben sich in einer Kneipe die Zwanziger und Artilleristen. Man ist gegenseitig mit Knüppeln und Säbeln auf einander eingedrungen, so daß es diverse blutige Köpfe gesetzt hat. Dem einen Soldaten soll ein Auge ausgestochen worden sein.</p> </div> <div xml:id="ar238_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 1. März.</head> <p>Die Ostd. Post möchte sich über den Einmarsch der Russen gerne entrüsten, bringt indessen zur eigenen Bezähmung nur einen historischen Artikel über das <hi rendition="#g">russische Bündniß.</hi> Der Deutsche bleibt ewig ein Blockhead; selbst wenn er schon verschlungen wird, spricht er noch von einem Bündniß mit dem Wolfe. Ich meine damit nicht nur die Ostd. Post, sondern fast alle deutschen Blätter. Ich kann heute dies Verzeichniß durch die Leipziger Allgemeine Brockhaus-Zeitung vernehmen, die für russisches Geld schreibt, das sie aus dritter Hand erhält.</p> <p>Das Elend der unteren Klassen nimmt hier so zu, daß selbst der germanisch-hündische Gemeinderath den Muth bekommen, Welden zu ersuchen, die Armeearbeiten den armen Gewerbtreibenden zuzuwenden. Auch haben sich bürgerliche Vertrauensmänner um ihn geschaart, zu denen diese Standrechtsbestie gesprochen hat: „Was der Gouverneur proklamirt, muß der Gouverneur halten.</p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar238_010a" type="jArticle"> <p>erst als er mitten zwischen den Flammen des Kamins und den Gaslichtern stand, erkannte ich meinen alten Bekannten und fiel ihm grüßend um den Hals; ganz gegen alle englische Sitte und Gewohnheit.</p> <p>Die längliche Dame und der graue Herr gehörten zu meinen besten Freunden, als ich früher das Glück hatte, drei Jahre in England verweilen zu müssen. Die Dame füllte manche meiner müßigen Stunden aus. Doch noch häufiger besuchte mich der graue Herr. Nächte lang saßen wir miteinander stumm am Kamine, Grog trinkend und Cigarren rauchend. Steif starrten wir in's Feuer, und hatten wir sechs Stunden lang so gesessen, da erhob sich mein alter Freund, drückte mir die Hand und versicherte mir, daß er sich ungeheuer amüsirt habe. Trotz seiner unangenehmen Angewohnheiten liebte ich meinen grauen Freund von ganzem Herzen. Ich verzieh es ihm z. B., daß er stets seine Nasenspitze besah, daß er manchmal die Füße statt der Hände in die Hosentaschen zu stecken suchte und daß er nie zu Bette ging, ohne gegen allenfallsige Raubmörder einen großen Korkzieher in der Tasche seiner Unterhose mit sich zu führen.</p> <p>Meiner Begrüßung folgten die Komplimente, die Herr und Dame einander schuldig zu sein glaubten. Beide waren sich keineswegs fremd. Sie sahen sich häufig in jenen interessanten englischen Gesellschaften, in denen man wenig spricht. Der böse Leumund wollte sogar wissen, Herr und Dame seien einst in eine so lebendige Unterhaltung gerathen, daß sie plötzlich beide einschlafend, nickend mit den Nasen an einander gerannt wären und unter seltsamen Grimassen den Schwur gethan hätten, sich nie wieder dergestalt von dem Feuer der Unterredung fortreißen zu lassen. Wie dem auch sei: meine beiden Gäste waren hoch erfreut, sich wieder zu sehen. Lang und feierlich erhob sich die Dame und blickte verschämt zu Boden, was meinen grauen Freund so ungemein rührte, daß er für einen Augenblick all Geistesgegenwart verlor und mitten in seiner besten Verbeugung wie ein schiefer Meilenzeiger regungslos stehen blieb.</p> <p>Ich benutzte diese Erstarrung der gegenseitigen Komplimente, um mich der Thür zuzuwenden, die eben zum dritten Male geöffnet wurde. Es war der letzte meiner Gäste, den man hineinführte und wahrhaftig, er erschien in sonderbarer Begleitung. Wenn nämlich die lange, weißatlassene Dame zu Wagen herankam und mein grauer Freund zu Pferde herbeisprengte, so fuhr der dritte Besuch zu Schiff bis an mein Hotel, und ließ sich von zwei Matrosen, in blauen Hemden und rothen Jacken, bis in mein Zimmer tragen.</p> <p>Meine Leser werden sich wundern, in dem hereingetragenen Wesen abermals etwas Weibliches zu finden. Aber schon der Symetrie wegen hatte ich die Sache so einrichten müssen, denn, wollte ich der langen Dame bei Tisch gegenübersitzen, so mußte ich auch für meinen grauen Freund ein erbauliches vis-à-vis einladen, eine Aufgabe, die bei meiner strengen Auswahl für eine so feierliche Gelegenheit wirklich schwer zu lösen war. Nach langem Hin- und Hersinnen gerieth ich endlich auf die höchst ausgezeichnete Person, welche eben im Begriff war, meiner Einladung nachzukommen. Wir finden in ihr eine Dame, deren Alter beim besten Willen nicht nachzuweisen ist. Sie trägt grüne Kleider, gelößte Locken und duftet nach Theer und Seewasser. Man könnte sie hübsch nennen und würde sie ihres nymphenhaften Wuchses wegen vielleicht schön finden, wenn nicht der erdfahle Teint ihres Gesichtes unwillkührlich zurückstieße. Feucht glänzt ihr Auge durch die langen Wimpern. Ihr Gang hat etwas sehr eigenthümliches; man merkt, daß sie mehr auf der See als auf dem Lande lebt.</p> <p>Ich stellte die Neuhereingetretene meinen beiden andern Gästen ohne Weiteres vor. Sie hatten sich gerade von ihrer Erstarrung erholt und es war wirklich eine Genugthuung für mich, als ich alle drei nach den ersten Artigkeitsbezeugungen sofort in der Erinnerung längst gemachter und endlich erneuerter Bekanntschaft schwelgen sah.</p> <p>Unser Diner war indeß aufgetragen, und ich lud meine Gäste ein, sich zu setzen. Die ganze Geschichte hatte etwas sehr feierliches. Der weite, teppichbedeckte Raum, die schweren, seidnen Vorhänge der Fenster, der riesige Kamin mit seiner Kohlenglut, der kleine Tisch in der Mitte des Zimmers, umringt von vier großen Fauteuils, das blendendweiße Tischtuch, das fast bis auf die Erde hinabhing, das Silbergeschirr, die Krystallflaschen und die kolossalen verdeckten Schüsseln — — Alles harmonirte mit einander und versprach einen Naturgenuß, der dem Wirthe keine Schande machen konnte.</p> <p>Der Naturgenuß des Essens und des Trinkens bleibt trotz der häufigen Wiederkehr, ein außerordentlich wichtiger Akt im menschlichen Leben. Ich finde es daher passend, daß man ihn jedesmal mit einem kurzen Spruch, mit einem Gebet oder mit einer heiteren Anrede eröffnet, sei es in biblischen Rythmen, in Hexametern oder in einfacher Prosa. Essend und trinkend nähert sich der Mensch mehr als je dem Ursprünglichen. Er schwelgt am Busen der Natur, deren Schätze uns die Kochkunst erst recht eigentlich zugänglich machte. Essen und Trinken ist Kunst- und Naturgenuß zu gleicher Zeit. Da liegen die Austern der unerforschlichen See; da fluthet die Schildkrötensuppe, die herzerfreuende. Da prangt das Rippenstück eines schwerwandelnden friesischen Ochsen und hier ragt die Keule eines schottischen Widders. Die Schnepfe und das Birkhuhn Alt-England's, der französische Fasan und die deutsche Lerche. Transatlantische Aepfel, die Orangen Italien's und spanische Trauben. In dem Krystall der Flaschen der gelbe Xeres, der tiefrothe Portwein, der wilde Champagner und das Gold der rheinischen Hügel — — o stelle dich auf den Gipfel des Chimborazzo und du hast keine schönere Aussicht; vor allen Dingen erhebe du aber deine Hand und danke der Mutter Natur, denn sie hat Alles weise geordnet und die Welt ist voll ihrer Güte.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1316/0002]
_ * Köln, 3. März. _ * Berlin, 3. März. In der heutigen (4.) Sitzung der zweiten Kammer werden nach Verlesung des Protokolls einige Neuwahlen (Jung, Reuter etc.) angezeigt.
Czieskowski überreicht einen Protest der polnischen Wahlmänner gegen die von der Regierung ausgegangene Abgränzung der Wahlbezirke im Posenschen.
Hr. Vincke dringt darauf, den Protest unbeachtet zu lassen, da noch keine Petitionskommission vorhanden.
Hr. Manteufel findet in dem Protest mehrfache Angriffe gegen das Ministerium, wird aber schweigen bis zur Konstituirung der Kammer.
Es handelt sich im weitern Verlauf der Debatte lediglich um mehrere beanstandete Wahlen, von denen die meisten für gültig, eine kleine Zahl für ungültig erklärt werden.
Berlin, 3. März. Der Kalkulator Praetsch wird steckbrieflich verfolgt, weil derselbe aus der von ihm verwalteten Kasse der Hofkammer des verstorbenen Prinzen August von Preußen eine bedeutende Geldsumme entwendet hat. Gegenwärtig soll sich der Verdacht herausgestellt haben, daß der Entflohene dieses Geld größtentheils verwendet hat, um in den Novembertagen eine Gewehrfabrik für die Anhänger der demokratischen Partei zu begründen und sollen die Behörden eifrig beschäftigt sein, die betreffenden Verdachtsgründe zu verfolgen. Großes Aufsehen erregt übrigens die ganz ungewöhnliche Persons- Beschreibung, welche der vom Criminalgericht hinter dem Praetsch erlassene Steckbrief enthält. Es heißt dort nämlich wörtlich: Der Entflohene zeichnet sich durch große klotzige Augen, ein grinsendes Lachen und wüthend demokratische Gesinnung aus!
X Königsberg, im Febr. Es lebt hier seit mehreren Jahren ein Lieutenant a. D., Naturdichter von Talent, anspruchslos und gemüthvoll — — bon enfant durch und durch, man könnte mit ihm Betteln gehn. Dieser Mann hat lange Zeit auf dem Ehrenbreitenstein geschmachtet, weil er seinen Soldaten eine Beschwerdeschrift gegen einen höhern Offizier verfaßt, und ernährte sich später hier durch seine Geistesproducte und seiner Freunde Unterstützungen äußerst spärlich und erhielt endlich einen Posten bei der hiesigen Regierung, der ihm aber wegen „seiner politischen Ansichten“ bald wieder genommen wurde. Andere zwar geben als Grund seiner Entlassung an, er habe „den Erwartungen nicht entsprochen“ und führen ganz ernsthaft als Argument bei, er solle das Versehen eines Kopisten, der statt Einer Verehrlichen, „Einer Verächtlichen Finanz-Abtheilung“ geschrieben, ungerügt gelassen haben; doch selbst dieser Vorwurf der Nachlässigkeit wäre nur Prätext gewesen, denn kurz vor seiner Entlassung noch empfing unser Lieutnant eine anständige Extrarenumeration nebst Belobigung.
Hätte er jetzt nur für sich allein zu sorgen gehabt, so wäre die einstweilige Brotlosigkeit schon zu verschmerzen gewesen, doch noch vor wenig Wochen hatte er den Neffen einer Verwandten zu sich genommen, und so war ihm dieser Schlag doppelt schmerzhaft.
Sein Pflegling aber litt unter den Nahrungssorgen, die nun wieder auf dem Oheim lasteten, durchaus nicht, denn die gute Haut dachte immer erst zuletzt an sich, speiste und kleidete den Knaben anständig, schickte ihn in die Schule und Kirche und empfing dagegen auch von diesem täglich neue Beweise der aufrichtigsten Liebe. Da findet der Onkel eines Sonntags unter den Büchern seines Neffen versteckt, einen angefangenen Brief, der lautet:
„Meine liebe Tante J..., leider ergreife ich diesmal die Feder um Dich zu betrüben, aber es muß geschehen, denn meine ganze Zukunft steht auf dem Spiel. Der Onkel Lieutenant ist ein schrecklicher Republikaner und ich fürchte von seinen Ideen angesteckt zu werden etc. etc. — Nimm mich von ihm und gieb mich zum Onkel Doctor!“ — „Wer hat dir diesen Brief dictirt, mein Junge,“ fragt der Lieutenant den aus der Kirche kommenden Knaben. Dieser bricht in Thränen aus und gesteht unter Schluchzen: „Liebster Onkel verzeih' mir, ich bin gezwungen, Dich zu betrügen, der Onkel Doctor hat mir befohlen so zu schreiben und verboten Dir davon zu sagen: denn Du würdest sehr böse sein, wenn Du es erführest.“ —
Und wer ist dieser Onkel Doctor? Es ist ein anständiger, honetter Mann, ein Politiker (Gesinnungsgenosse aller Brügge,-Basser,-Bieder- und Eisenmänner,) ein großer Redner, denn er spricht stets und — schön, es ist — der Leithammel unserer Demokratisch-Constitutionellen!!
Schon wenn der unvermeidliche Schönschwätzer auf der Bühne steht und schauspielert und zum tausendstenmal seine schwulstigen Phrasen wiederkäut, überkommt jeden Verständigen ein Ekel, wie erst muß man dieses Wesen lieb gewinnen, wenn man so liebliche Geschichten von ihm hört. — „Lassen Sie sich nicht irre führen, meine Herren, vertrauen Sie uns, meine Herren, (und der Pulcinello paukt mit der Rechten auf seine Elephantenbrust) glauben Sie einzig uns Männern, die wir schon vor der glorreichen Märzrevolution für die Freiheit gelitten (haben euch in den Dreck geritten, möchten euch noch weiter drinn herumtummeln!), geben sie nicht Gehör den Einflüsterungen der Umsturzpartei, der nichts heilig, aber arbeiten sie auch offen und ehrlich mit allen ihren Kräften der Reaktion entgegen etc. etc.“ — So und nie anders das Ideal unserer Democratisch-Constitutionellen!
Was man von einer Partei zu halten, deren Ausdruck dieser ihr Leithammel ist, die sich täglich durch sich und ihre Führer auf jegliche Weise compromittirt, lehrt recht deutlich diese kleine Historie, ein neuer Beitrag zur Charakteristik des „offenen Biedersinnes“ aller für die „Constitutionelle Monarchie Begeisterten.“ Carnassiers de Malthus, je vous reconnais là!
Posen, 1. März. Der Oberst Breansui, Chef des Generalstabs, fordert im Namen des Generals Chrzanowski alle polnische Offiziere auf, ihm ihre Patente einzuschicken, wenn sie in der polnischen Legion der sardinischen Armee angestellt zu werden wünschen. Die polnische Legion soll so lange bestehen, so lange der Krieg mit Oestreich währt. Wird die Legion aufgelöst, so steht es jedem frei in demselben Range ins sardinische Heer einzutreten, oder er erhält Entlassung nebst 6monatlichem Solde. Junge Leute mit gehöriger Bildung treten in die Kadettenabtheilung, in welcher sie gründlichen Unterricht in den Militärwissenschaften erhalten, um dann als Offizier in die Legion zu treten.
Liegnitz, 2. März. In dieser Woche haben wieder verschiedene Schlägereien zwischen Soldaten unter sich und zwischen Soldaten und Civil stattgefunden. Besonders hart angegangen haben sich in einer Kneipe die Zwanziger und Artilleristen. Man ist gegenseitig mit Knüppeln und Säbeln auf einander eingedrungen, so daß es diverse blutige Köpfe gesetzt hat. Dem einen Soldaten soll ein Auge ausgestochen worden sein.
61 Wien, 1. März. Die Ostd. Post möchte sich über den Einmarsch der Russen gerne entrüsten, bringt indessen zur eigenen Bezähmung nur einen historischen Artikel über das russische Bündniß. Der Deutsche bleibt ewig ein Blockhead; selbst wenn er schon verschlungen wird, spricht er noch von einem Bündniß mit dem Wolfe. Ich meine damit nicht nur die Ostd. Post, sondern fast alle deutschen Blätter. Ich kann heute dies Verzeichniß durch die Leipziger Allgemeine Brockhaus-Zeitung vernehmen, die für russisches Geld schreibt, das sie aus dritter Hand erhält.
Das Elend der unteren Klassen nimmt hier so zu, daß selbst der germanisch-hündische Gemeinderath den Muth bekommen, Welden zu ersuchen, die Armeearbeiten den armen Gewerbtreibenden zuzuwenden. Auch haben sich bürgerliche Vertrauensmänner um ihn geschaart, zu denen diese Standrechtsbestie gesprochen hat: „Was der Gouverneur proklamirt, muß der Gouverneur halten.
erst als er mitten zwischen den Flammen des Kamins und den Gaslichtern stand, erkannte ich meinen alten Bekannten und fiel ihm grüßend um den Hals; ganz gegen alle englische Sitte und Gewohnheit.
Die längliche Dame und der graue Herr gehörten zu meinen besten Freunden, als ich früher das Glück hatte, drei Jahre in England verweilen zu müssen. Die Dame füllte manche meiner müßigen Stunden aus. Doch noch häufiger besuchte mich der graue Herr. Nächte lang saßen wir miteinander stumm am Kamine, Grog trinkend und Cigarren rauchend. Steif starrten wir in's Feuer, und hatten wir sechs Stunden lang so gesessen, da erhob sich mein alter Freund, drückte mir die Hand und versicherte mir, daß er sich ungeheuer amüsirt habe. Trotz seiner unangenehmen Angewohnheiten liebte ich meinen grauen Freund von ganzem Herzen. Ich verzieh es ihm z. B., daß er stets seine Nasenspitze besah, daß er manchmal die Füße statt der Hände in die Hosentaschen zu stecken suchte und daß er nie zu Bette ging, ohne gegen allenfallsige Raubmörder einen großen Korkzieher in der Tasche seiner Unterhose mit sich zu führen.
Meiner Begrüßung folgten die Komplimente, die Herr und Dame einander schuldig zu sein glaubten. Beide waren sich keineswegs fremd. Sie sahen sich häufig in jenen interessanten englischen Gesellschaften, in denen man wenig spricht. Der böse Leumund wollte sogar wissen, Herr und Dame seien einst in eine so lebendige Unterhaltung gerathen, daß sie plötzlich beide einschlafend, nickend mit den Nasen an einander gerannt wären und unter seltsamen Grimassen den Schwur gethan hätten, sich nie wieder dergestalt von dem Feuer der Unterredung fortreißen zu lassen. Wie dem auch sei: meine beiden Gäste waren hoch erfreut, sich wieder zu sehen. Lang und feierlich erhob sich die Dame und blickte verschämt zu Boden, was meinen grauen Freund so ungemein rührte, daß er für einen Augenblick all Geistesgegenwart verlor und mitten in seiner besten Verbeugung wie ein schiefer Meilenzeiger regungslos stehen blieb.
Ich benutzte diese Erstarrung der gegenseitigen Komplimente, um mich der Thür zuzuwenden, die eben zum dritten Male geöffnet wurde. Es war der letzte meiner Gäste, den man hineinführte und wahrhaftig, er erschien in sonderbarer Begleitung. Wenn nämlich die lange, weißatlassene Dame zu Wagen herankam und mein grauer Freund zu Pferde herbeisprengte, so fuhr der dritte Besuch zu Schiff bis an mein Hotel, und ließ sich von zwei Matrosen, in blauen Hemden und rothen Jacken, bis in mein Zimmer tragen.
Meine Leser werden sich wundern, in dem hereingetragenen Wesen abermals etwas Weibliches zu finden. Aber schon der Symetrie wegen hatte ich die Sache so einrichten müssen, denn, wollte ich der langen Dame bei Tisch gegenübersitzen, so mußte ich auch für meinen grauen Freund ein erbauliches vis-à-vis einladen, eine Aufgabe, die bei meiner strengen Auswahl für eine so feierliche Gelegenheit wirklich schwer zu lösen war. Nach langem Hin- und Hersinnen gerieth ich endlich auf die höchst ausgezeichnete Person, welche eben im Begriff war, meiner Einladung nachzukommen. Wir finden in ihr eine Dame, deren Alter beim besten Willen nicht nachzuweisen ist. Sie trägt grüne Kleider, gelößte Locken und duftet nach Theer und Seewasser. Man könnte sie hübsch nennen und würde sie ihres nymphenhaften Wuchses wegen vielleicht schön finden, wenn nicht der erdfahle Teint ihres Gesichtes unwillkührlich zurückstieße. Feucht glänzt ihr Auge durch die langen Wimpern. Ihr Gang hat etwas sehr eigenthümliches; man merkt, daß sie mehr auf der See als auf dem Lande lebt.
Ich stellte die Neuhereingetretene meinen beiden andern Gästen ohne Weiteres vor. Sie hatten sich gerade von ihrer Erstarrung erholt und es war wirklich eine Genugthuung für mich, als ich alle drei nach den ersten Artigkeitsbezeugungen sofort in der Erinnerung längst gemachter und endlich erneuerter Bekanntschaft schwelgen sah.
Unser Diner war indeß aufgetragen, und ich lud meine Gäste ein, sich zu setzen. Die ganze Geschichte hatte etwas sehr feierliches. Der weite, teppichbedeckte Raum, die schweren, seidnen Vorhänge der Fenster, der riesige Kamin mit seiner Kohlenglut, der kleine Tisch in der Mitte des Zimmers, umringt von vier großen Fauteuils, das blendendweiße Tischtuch, das fast bis auf die Erde hinabhing, das Silbergeschirr, die Krystallflaschen und die kolossalen verdeckten Schüsseln — — Alles harmonirte mit einander und versprach einen Naturgenuß, der dem Wirthe keine Schande machen konnte.
Der Naturgenuß des Essens und des Trinkens bleibt trotz der häufigen Wiederkehr, ein außerordentlich wichtiger Akt im menschlichen Leben. Ich finde es daher passend, daß man ihn jedesmal mit einem kurzen Spruch, mit einem Gebet oder mit einer heiteren Anrede eröffnet, sei es in biblischen Rythmen, in Hexametern oder in einfacher Prosa. Essend und trinkend nähert sich der Mensch mehr als je dem Ursprünglichen. Er schwelgt am Busen der Natur, deren Schätze uns die Kochkunst erst recht eigentlich zugänglich machte. Essen und Trinken ist Kunst- und Naturgenuß zu gleicher Zeit. Da liegen die Austern der unerforschlichen See; da fluthet die Schildkrötensuppe, die herzerfreuende. Da prangt das Rippenstück eines schwerwandelnden friesischen Ochsen und hier ragt die Keule eines schottischen Widders. Die Schnepfe und das Birkhuhn Alt-England's, der französische Fasan und die deutsche Lerche. Transatlantische Aepfel, die Orangen Italien's und spanische Trauben. In dem Krystall der Flaschen der gelbe Xeres, der tiefrothe Portwein, der wilde Champagner und das Gold der rheinischen Hügel — — o stelle dich auf den Gipfel des Chimborazzo und du hast keine schönere Aussicht; vor allen Dingen erhebe du aber deine Hand und danke der Mutter Natur, denn sie hat Alles weise geordnet und die Welt ist voll ihrer Güte.
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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