Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 234. Köln, 1. März 1849.

Bild:
erste Seite
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No. 234. Köln, Donnerstag, den 1. März.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Wir haben gestern Abend in einem Extrablatte unsern Lesern die Thronrede mitgetheilt. So viel als möglich ist es auch an die auswärtigen Abonnenten versandt worden.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Thronrede.) Berlin. (Verschiedene Berichte über die Haupt-Staatsaktion. - Vermischtes.) Barmen. (Die Gewerberäthe.) Ruhrort. (Gründung eines demokratischen Vereins.) Wien. (Eindrücke der russischen Intervention auf die Börse) Kremsier. (Ein slavischer Ausschuß. - Zusicherung des Ministeriums in Betreff der Slaven.) München. (Arbeiterbankett zur Feier des 24. Februar.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Mainz (Das demokratische Bankett vom 24.) Dresden. (Adresse der Deputirten an's Volk. - Programm des neuen Ministeriums.)

Italien. Rom. (Ernennung von Gesandten. - Sitzung der Constituante. - Telegraphische Linie.) Livorno. (Proklamationen des Gouverneurs.) Turin. (Neues Ministerium. - Oestreicher über den Po. - Ministerkrise. - Sardinische Intervention in Toskana.)

Französische Republik. Paris. (Pius und seine Pariser Partei. - Vermischtes. - National-Versammlung).

Portugal. Lissabon. (Das Anlehen bei der Bank von Portugal. - Die Differenz zwischen England und Marokko).

Großbritannien. Dublin. (Duffy. - Ausgabe für Zeugen).

Deutschland.
* Köln, 28. Februar.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
121 Berlin, 26. Febr.

Die Eröffnung der Kammern hat nun stattgefunden. Als der König von der Domkirche nach dem Schlosse fuhr, ward er mit sehr schwachem Hurrahruf empfangen, dagegen begleitete das Volk die Abgeordneten der Linken der frühern Nationalversammlung mit großem unaufhörlichem Jubel. Der ganze Akt ward diesmal mit weit mehr Pomp vollzogen, als im Mai. Das Schloß war bespickt mit eleganten Uniformen. Der König erschien in Uniform, den Helm mit dem Adler auf dem Kopfe. Er schien anfangs ängstlich, erst die Stelle von dem "Heere" gab ihm wieder Muth, er sprach dann mit erhobener Stimme. Die vornehmen Herren erster und zweiter Kammer strengten sich zu einem "Lebehoch" an, die übrigen schwiegen, und die Thronrede selbst ward ohne alle Begeisterung vernommen. Erst nachdem Brandenburg seine diesmal gut auswendig gelernte Rede gehalten hatte, ward das offizielle Hoch gebracht.

Das Berliner Volk war noch das alte, mit Enthusiasmus wurden die zu Fuß aus dem Schlosse gehenden Abgeordneten der Linken empfangen, während die geputzten Staatskarossen unbeachtet vorbeifuhren und der edle Hr. v. Vincke großartig ausgezischt wurde. Lindenmüller hat sofort wieder Lindenklub gehalten und an der Ecke von Kanzler die Thronrede verlesen. Die Stadt hat das Ansehen, als wenn sie vom Galgen geholt worden wäre. Das Volk hofft ungeachtet der Versicherung der Thronrede, daß "Handel und Gewerbe anfangen sich von der Lähmung zu erholen, welcher sie zu erliegen droheten," erst durch die Kammer sich erholen werden würden. Armes Volk, das sich einbildet, unter diesen Verhältnissen könnte auf parlamentarischem Wege seine Wohlfahrt herbeigeführt werden.

121 Berlin, 26. Febr.

Heute Morgen, als die Abgeordneten den weißen Saal verließen, versammelten sich mehrere Mitglieder der frühern Linken um den ehemaligen Unterstaatssekretär im Kriegsministerium, Hrn. v. Brandt, jetzigem Mitgliede der ersten Kammer. Sie begrüßten ihn freundlich, während einer bemerkte, das könne ihm als höherm Offizier im aktiven Dienst eine ehrengerichtliche Untersuchung zuziehen, daß er so freundlich mit anerkannten Demokraten verhandle. Ein in der Nähe stehender Lieutenant bemerkte zu seinen Kameraden: "Man solle diese Kerls doch wirklich aufhängen." Er hielt es wahrscheinlich für ein Verbrechen, daß ein Stabsoffizier mit Steuerverweigerern sich unterhalte.

121 Berlin, 26. Febr.

Als der König aus der Domkirche ins Schloß fuhr, erhoben sich einige royalistischen Stimmen, aber donnernd wurde ihnen von den Massen Ruhe geboten; beim Herausfahren aus dem Schlosse geruhte der König von der zahlreichen Menge ein sehr deutliches Zischen entgegenzunehmen, während alle Steuerverweigerer, die erkannt wurden, sich mit schallenden Hoch's und Vivat's begnügen mußten. Die Parteifraktionen versammeln sich seit gestern in folgenden Lokalen: Linke (alle Meinungsschattirungen vermischt) bei Mielenz, Rechte in der Stadt London, und ein sich bildendes Centrum, dessen Bestandtheile solche Leute sind, die von der Regierung für rechts gehalten wurden, bei Kranzler unter den Linden.

Am Freitag finden die hiesigen Nachwahlen statt. Man hat absichtlich lange gezögert, weil dem Magistrat die Kandidaten noch immer nicht recht gefielen. Dies Zögern hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die Leute sind müde geworden und machen Konzessionen.

X Berlin, 26. Febr.

Die Kammern sind so eben, Mittags 12 Uhr, von dem Könige in Person eröffnet worden. Die Eröffnung geschah im weißen Saal, äußerlich in derselben Weise, wie die Eröffnung der Nationalversammlung. Auf der Tribüne hatte, soweit es der beschränkte Raum zuließ, ein kleines Publikum aus allen Ständen Platz gefunden; für das diplomatische Korps war eine besondere Loge abgegränzt. Wir bemerkten den hannöver'schen, den belgischen, den englischen, den würtembergischen, den niederländischen, sardinischen, brasilianischen und einige andere Gesandte. Der russische Gesandte fehlte; statt seiner erblickte man einen Attache, und in gleicher Weise waren die französische und türkische Gesandtschaft vertreten, da die Chefs dieser Beiden zur Zeit abwesend sind. Die Gesandten trugen zum Theil große Uniformen und waren glänzend mit Orden dekorirt. Die Abgeordneten waren sehr zahlreich versammelt und namentlich auch alle Mitglieder der Linken anwesend, insbesondere Waldeck, Jacoby, Temme, D'Ester, Stein u. A. Neben ihnen sah man die Herren v. Vincke, Griesheim, Bodelschwingh, Brunneck, Graf Arnim-Boitzenburg, von Bonin, von Alvensleben, Schaper u. s. w. Man erblickte weiße Halsbinden neben den schwarzen, viele Orden und selbst große Bänder, die unter den Röcken getragen wurden; Uniformen trugen nur die Militärs. Im Ganzen war indeß der äußere Eindruck ein mehr aristokratischer, als im Mai, wozu wesentlich das diesmalige Fehlen der Bauerntrachten und die statt dessen bemerkbaren glänzenden Livreen, Equipagen u. s. w. das Ihrige beitrugen. Die Deputirten bewegten sich ungezwungen durcheinander, oder nahmen auf den im Halbkreise um den Thronsessel gestellten Stühlen einen Sitz ein. Einige Minuten nach 11 Uhr wurde gerufen: "Se. Majestät der König!" und derselbe schritt unter Vortritt der großen Hofchargen, insbesondere der Herren v. Mafsow, Arnim, Stillfried, Pachelbl, v. Redern und Meyring in den Saal. "Derselbe" trug die Interims-Uniform der Garde-du-Corps und den schwarzen Adler-Orden, das Haupt war mit dem Helm bedeckt. Sein äußeres Ansehen war gealtert und mager. "Derselbe" nahm auf dem Thronsessel seinen Sitz ein. Ihm zur Linken standen die Minister in folgender Reihe: Graf v. Brandenburg, Manteuffel, Rintelen, Strotha, Ladenberg, v. d. Heydt, Rabe, alle in großer Uniform, der Ministerpräsident mit dem rothen Adlerorden mit Schwertern dekorirt. Rechts vom König stellten sich die mit ihm eingetretenen Prinzen v. Preußen, Karl, Albrecht und die Söhne der beiden ersteren. Der König nahm hierauf die Rede aus den Händen des Ministers von Brandenburg und verlas sie mit fester Stimme. Im Ganzen schien sie keinen günstigen Eindruck zu machen, wenngleich sie sich hinsichtlich der Vergangenheit sehr allgemein hält. Besonders betonte der König die Stelle, in welchem er dem Heere *) seinen Dank ausspricht, indem er zugleich wie zur Betheuerung, die Hand, welche bisher auf dem Sessel geruht hatte, erhob. Ebenso wurde auch der Schluß lebhafter vorgetragen, in welchem der König die Abgeordneten an ihre Pflicht erinnert. Der König verließ hierauf schwankend den Saal, und die Eröffnungs-Sitzung war geschlossen.

Dem Gottesdienst im Dom wohnten der König und die Königin, die Prinzen und zahlreiche Abgeordnete bei. Nach der Beendi

*) Siehe den Neujahrsgruß an "Mein Heer" und den Commentar der "Neuen Rh. Ztg."   A. d. Red.
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No. 234. Köln, Donnerstag, den 1. März.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Wir haben gestern Abend in einem Extrablatte unsern Lesern die Thronrede mitgetheilt. So viel als möglich ist es auch an die auswärtigen Abonnenten versandt worden.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Thronrede.) Berlin. (Verschiedene Berichte über die Haupt-Staatsaktion. ‒ Vermischtes.) Barmen. (Die Gewerberäthe.) Ruhrort. (Gründung eines demokratischen Vereins.) Wien. (Eindrücke der russischen Intervention auf die Börse) Kremsier. (Ein slavischer Ausschuß. ‒ Zusicherung des Ministeriums in Betreff der Slaven.) München. (Arbeiterbankett zur Feier des 24. Februar.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Mainz (Das demokratische Bankett vom 24.) Dresden. (Adresse der Deputirten an's Volk. ‒ Programm des neuen Ministeriums.)

Italien. Rom. (Ernennung von Gesandten. ‒ Sitzung der Constituante. ‒ Telegraphische Linie.) Livorno. (Proklamationen des Gouverneurs.) Turin. (Neues Ministerium. ‒ Oestreicher über den Po. ‒ Ministerkrise. ‒ Sardinische Intervention in Toskana.)

Französische Republik. Paris. (Pius und seine Pariser Partei. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung).

Portugal. Lissabon. (Das Anlehen bei der Bank von Portugal. ‒ Die Differenz zwischen England und Marokko).

Großbritannien. Dublin. (Duffy. ‒ Ausgabe für Zeugen).

Deutschland.
* Köln, 28. Februar.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
121 Berlin, 26. Febr.

Die Eröffnung der Kammern hat nun stattgefunden. Als der König von der Domkirche nach dem Schlosse fuhr, ward er mit sehr schwachem Hurrahruf empfangen, dagegen begleitete das Volk die Abgeordneten der Linken der frühern Nationalversammlung mit großem unaufhörlichem Jubel. Der ganze Akt ward diesmal mit weit mehr Pomp vollzogen, als im Mai. Das Schloß war bespickt mit eleganten Uniformen. Der König erschien in Uniform, den Helm mit dem Adler auf dem Kopfe. Er schien anfangs ängstlich, erst die Stelle von dem „Heere“ gab ihm wieder Muth, er sprach dann mit erhobener Stimme. Die vornehmen Herren erster und zweiter Kammer strengten sich zu einem „Lebehoch“ an, die übrigen schwiegen, und die Thronrede selbst ward ohne alle Begeisterung vernommen. Erst nachdem Brandenburg seine diesmal gut auswendig gelernte Rede gehalten hatte, ward das offizielle Hoch gebracht.

Das Berliner Volk war noch das alte, mit Enthusiasmus wurden die zu Fuß aus dem Schlosse gehenden Abgeordneten der Linken empfangen, während die geputzten Staatskarossen unbeachtet vorbeifuhren und der edle Hr. v. Vincke großartig ausgezischt wurde. Lindenmüller hat sofort wieder Lindenklub gehalten und an der Ecke von Kanzler die Thronrede verlesen. Die Stadt hat das Ansehen, als wenn sie vom Galgen geholt worden wäre. Das Volk hofft ungeachtet der Versicherung der Thronrede, daß „Handel und Gewerbe anfangen sich von der Lähmung zu erholen, welcher sie zu erliegen droheten,“ erst durch die Kammer sich erholen werden würden. Armes Volk, das sich einbildet, unter diesen Verhältnissen könnte auf parlamentarischem Wege seine Wohlfahrt herbeigeführt werden.

121 Berlin, 26. Febr.

Heute Morgen, als die Abgeordneten den weißen Saal verließen, versammelten sich mehrere Mitglieder der frühern Linken um den ehemaligen Unterstaatssekretär im Kriegsministerium, Hrn. v. Brandt, jetzigem Mitgliede der ersten Kammer. Sie begrüßten ihn freundlich, während einer bemerkte, das könne ihm als höherm Offizier im aktiven Dienst eine ehrengerichtliche Untersuchung zuziehen, daß er so freundlich mit anerkannten Demokraten verhandle. Ein in der Nähe stehender Lieutenant bemerkte zu seinen Kameraden: „Man solle diese Kerls doch wirklich aufhängen.“ Er hielt es wahrscheinlich für ein Verbrechen, daß ein Stabsoffizier mit Steuerverweigerern sich unterhalte.

121 Berlin, 26. Febr.

Als der König aus der Domkirche ins Schloß fuhr, erhoben sich einige royalistischen Stimmen, aber donnernd wurde ihnen von den Massen Ruhe geboten; beim Herausfahren aus dem Schlosse geruhte der König von der zahlreichen Menge ein sehr deutliches Zischen entgegenzunehmen, während alle Steuerverweigerer, die erkannt wurden, sich mit schallenden Hoch's und Vivat's begnügen mußten. Die Parteifraktionen versammeln sich seit gestern in folgenden Lokalen: Linke (alle Meinungsschattirungen vermischt) bei Mielenz, Rechte in der Stadt London, und ein sich bildendes Centrum, dessen Bestandtheile solche Leute sind, die von der Regierung für rechts gehalten wurden, bei Kranzler unter den Linden.

Am Freitag finden die hiesigen Nachwahlen statt. Man hat absichtlich lange gezögert, weil dem Magistrat die Kandidaten noch immer nicht recht gefielen. Dies Zögern hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die Leute sind müde geworden und machen Konzessionen.

X Berlin, 26. Febr.

Die Kammern sind so eben, Mittags 12 Uhr, von dem Könige in Person eröffnet worden. Die Eröffnung geschah im weißen Saal, äußerlich in derselben Weise, wie die Eröffnung der Nationalversammlung. Auf der Tribüne hatte, soweit es der beschränkte Raum zuließ, ein kleines Publikum aus allen Ständen Platz gefunden; für das diplomatische Korps war eine besondere Loge abgegränzt. Wir bemerkten den hannöver'schen, den belgischen, den englischen, den würtembergischen, den niederländischen, sardinischen, brasilianischen und einige andere Gesandte. Der russische Gesandte fehlte; statt seiner erblickte man einen Attaché, und in gleicher Weise waren die französische und türkische Gesandtschaft vertreten, da die Chefs dieser Beiden zur Zeit abwesend sind. Die Gesandten trugen zum Theil große Uniformen und waren glänzend mit Orden dekorirt. Die Abgeordneten waren sehr zahlreich versammelt und namentlich auch alle Mitglieder der Linken anwesend, insbesondere Waldeck, Jacoby, Temme, D'Ester, Stein u. A. Neben ihnen sah man die Herren v. Vincke, Griesheim, Bodelschwingh, Brunneck, Graf Arnim-Boitzenburg, von Bonin, von Alvensleben, Schaper u. s. w. Man erblickte weiße Halsbinden neben den schwarzen, viele Orden und selbst große Bänder, die unter den Röcken getragen wurden; Uniformen trugen nur die Militärs. Im Ganzen war indeß der äußere Eindruck ein mehr aristokratischer, als im Mai, wozu wesentlich das diesmalige Fehlen der Bauerntrachten und die statt dessen bemerkbaren glänzenden Livréen, Equipagen u. s. w. das Ihrige beitrugen. Die Deputirten bewegten sich ungezwungen durcheinander, oder nahmen auf den im Halbkreise um den Thronsessel gestellten Stühlen einen Sitz ein. Einige Minuten nach 11 Uhr wurde gerufen: „Se. Majestät der König!“ und derselbe schritt unter Vortritt der großen Hofchargen, insbesondere der Herren v. Mafsow, Arnim, Stillfried, Pachelbl, v. Redern und Meyring in den Saal. „Derselbe“ trug die Interims-Uniform der Garde-du-Corps und den schwarzen Adler-Orden, das Haupt war mit dem Helm bedeckt. Sein äußeres Ansehen war gealtert und mager. „Derselbe“ nahm auf dem Thronsessel seinen Sitz ein. Ihm zur Linken standen die Minister in folgender Reihe: Graf v. Brandenburg, Manteuffel, Rintelen, Strotha, Ladenberg, v. d. Heydt, Rabe, alle in großer Uniform, der Ministerpräsident mit dem rothen Adlerorden mit Schwertern dekorirt. Rechts vom König stellten sich die mit ihm eingetretenen Prinzen v. Preußen, Karl, Albrecht und die Söhne der beiden ersteren. Der König nahm hierauf die Rede aus den Händen des Ministers von Brandenburg und verlas sie mit fester Stimme. Im Ganzen schien sie keinen günstigen Eindruck zu machen, wenngleich sie sich hinsichtlich der Vergangenheit sehr allgemein hält. Besonders betonte der König die Stelle, in welchem er dem Heere *) seinen Dank ausspricht, indem er zugleich wie zur Betheuerung, die Hand, welche bisher auf dem Sessel geruht hatte, erhob. Ebenso wurde auch der Schluß lebhafter vorgetragen, in welchem der König die Abgeordneten an ihre Pflicht erinnert. Der König verließ hierauf schwankend den Saal, und die Eröffnungs-Sitzung war geschlossen.

Dem Gottesdienst im Dom wohnten der König und die Königin, die Prinzen und zahlreiche Abgeordnete bei. Nach der Beendi

*) Siehe den Neujahrsgruß an „Mein Heer“ und den Commentar der „Neuen Rh. Ztg.“   A. d. Red.
<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001" n="1289"/>
    <front>
      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>No. 234. Köln, Donnerstag, den 1. März.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div type="jExpedition">
        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2012; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p>
        <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p>
        <p>Nur frankirte Briefe werden angenommen.</p>
        <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
      </div>
      <div n="1">
        <p>Wir haben gestern Abend in einem Extrablatte unsern Lesern die Thronrede mitgetheilt. So viel als möglich ist es auch an die auswärtigen Abonnenten versandt worden.</p>
      </div>
      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Die Thronrede.) Berlin. (Verschiedene Berichte über die Haupt-Staatsaktion. &#x2012; Vermischtes.) Barmen. (Die Gewerberäthe.) Ruhrort. (Gründung eines demokratischen Vereins.) Wien. (Eindrücke der russischen Intervention auf die Börse) Kremsier. (Ein slavischer Ausschuß. &#x2012; Zusicherung des Ministeriums in Betreff der Slaven.) München. (Arbeiterbankett zur Feier des 24. Februar.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Mainz (Das demokratische Bankett vom 24.) Dresden. (Adresse der Deputirten an's Volk. &#x2012; Programm des neuen Ministeriums.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Rom. (Ernennung von Gesandten. &#x2012; Sitzung der Constituante. &#x2012; Telegraphische Linie.) Livorno. (Proklamationen des Gouverneurs.) Turin. (Neues Ministerium. &#x2012; Oestreicher über den Po. &#x2012; Ministerkrise. &#x2012; Sardinische Intervention in Toskana.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Pius und seine Pariser Partei. &#x2012; Vermischtes. &#x2012; National-Versammlung).</p>
        <p><hi rendition="#g">Portugal.</hi> Lissabon. (Das Anlehen bei der Bank von Portugal. &#x2012; Die Differenz zwischen England und Marokko).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> Dublin. (Duffy. &#x2012; Ausgabe für Zeugen).</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar234_001_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx/Friedrich Engels: Die Thronrede, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8.         </bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 28. Februar.</head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
        <div xml:id="ar234_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>121</author></bibl> Berlin, 26. Febr.</head>
          <p>Die Eröffnung der Kammern hat nun stattgefunden. Als der König von der Domkirche nach dem Schlosse fuhr, ward er mit sehr schwachem Hurrahruf empfangen, dagegen begleitete das Volk die Abgeordneten der Linken der frühern Nationalversammlung mit großem unaufhörlichem Jubel. Der ganze Akt ward diesmal mit weit mehr Pomp vollzogen, als im Mai. Das Schloß war bespickt mit eleganten Uniformen. Der König erschien in Uniform, den Helm mit dem Adler auf dem Kopfe. Er schien anfangs ängstlich, erst die Stelle von dem &#x201E;Heere&#x201C; gab ihm wieder Muth, er sprach dann mit erhobener Stimme. Die vornehmen Herren erster und zweiter Kammer strengten sich zu einem &#x201E;Lebehoch&#x201C; an, die übrigen schwiegen, und die Thronrede selbst ward ohne alle Begeisterung vernommen. Erst nachdem Brandenburg seine diesmal gut auswendig gelernte Rede gehalten hatte, ward das offizielle Hoch gebracht.</p>
          <p>Das Berliner Volk war noch das alte, mit Enthusiasmus wurden die zu Fuß aus dem Schlosse gehenden Abgeordneten der Linken empfangen, während die geputzten Staatskarossen unbeachtet vorbeifuhren und der edle Hr. v. Vincke großartig ausgezischt wurde. Lindenmüller hat sofort wieder Lindenklub gehalten und an der Ecke von Kanzler die Thronrede verlesen. Die Stadt hat das Ansehen, als wenn sie vom Galgen geholt worden wäre. Das Volk hofft ungeachtet der Versicherung der Thronrede, daß &#x201E;Handel und Gewerbe anfangen sich von der Lähmung zu erholen, welcher sie zu erliegen droheten,&#x201C; erst durch die Kammer sich erholen werden würden. Armes Volk, das sich einbildet, unter diesen Verhältnissen könnte auf parlamentarischem Wege seine Wohlfahrt herbeigeführt werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar234_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>121</author></bibl> Berlin, 26. Febr.</head>
          <p>Heute Morgen, als die Abgeordneten den weißen Saal verließen, versammelten sich mehrere Mitglieder der frühern Linken um den ehemaligen Unterstaatssekretär im Kriegsministerium, Hrn. v. Brandt, jetzigem Mitgliede der ersten Kammer. Sie begrüßten ihn freundlich, während einer bemerkte, das könne ihm als höherm Offizier im aktiven Dienst eine ehrengerichtliche Untersuchung zuziehen, daß er so freundlich mit anerkannten Demokraten verhandle. Ein in der Nähe stehender Lieutenant bemerkte zu seinen Kameraden: &#x201E;Man solle diese Kerls doch wirklich aufhängen.&#x201C; Er hielt es wahrscheinlich für ein Verbrechen, daß ein Stabsoffizier mit Steuerverweigerern sich unterhalte.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar234_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>121</author></bibl>Berlin, 26. Febr.</head>
          <p>Als der König aus der Domkirche ins Schloß fuhr, erhoben sich einige royalistischen Stimmen, aber donnernd wurde ihnen von den Massen <hi rendition="#g">Ruhe</hi> geboten; beim Herausfahren aus dem Schlosse geruhte der König von der zahlreichen Menge ein sehr deutliches <hi rendition="#g">Zischen</hi> entgegenzunehmen, während alle Steuerverweigerer, die erkannt wurden, sich mit schallenden Hoch's und Vivat's begnügen mußten. Die Parteifraktionen versammeln sich seit gestern in folgenden Lokalen: Linke (alle Meinungsschattirungen vermischt) bei Mielenz, Rechte in der Stadt London, und ein sich bildendes Centrum, dessen Bestandtheile solche Leute sind, die von der Regierung für rechts gehalten wurden, bei Kranzler unter den Linden.</p>
          <p>Am Freitag finden die hiesigen Nachwahlen statt. Man hat absichtlich lange gezögert, weil dem Magistrat die Kandidaten noch immer nicht recht gefielen. Dies Zögern hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die Leute sind müde geworden und machen Konzessionen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar234_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 26. Febr.</head>
          <p>Die Kammern sind so eben, Mittags 12 Uhr, von dem Könige in Person eröffnet worden. Die Eröffnung geschah im weißen Saal, äußerlich in derselben Weise, wie die Eröffnung der Nationalversammlung. Auf der Tribüne hatte, soweit es der beschränkte Raum zuließ, ein kleines Publikum aus allen Ständen Platz gefunden; für das diplomatische Korps war eine besondere Loge abgegränzt. Wir bemerkten den hannöver'schen, den belgischen, den englischen, den würtembergischen, den niederländischen, sardinischen, brasilianischen und einige andere Gesandte. Der russische Gesandte fehlte; statt seiner erblickte man einen Attaché, und in gleicher Weise waren die französische und türkische Gesandtschaft vertreten, da die Chefs dieser Beiden zur Zeit abwesend sind. Die Gesandten trugen zum Theil große Uniformen und waren glänzend mit Orden dekorirt. Die Abgeordneten waren sehr zahlreich versammelt und namentlich auch alle Mitglieder der Linken anwesend, insbesondere Waldeck, Jacoby, Temme, D'Ester, Stein u. A. Neben ihnen sah man die Herren v. Vincke, Griesheim, Bodelschwingh, Brunneck, Graf Arnim-Boitzenburg, von Bonin, von Alvensleben, Schaper u. s. w. Man erblickte weiße Halsbinden neben den schwarzen, viele Orden und selbst große Bänder, die unter den Röcken getragen wurden; Uniformen trugen nur die Militärs. Im Ganzen war indeß der äußere Eindruck ein mehr aristokratischer, als im Mai, wozu wesentlich das diesmalige Fehlen der Bauerntrachten und die statt dessen bemerkbaren glänzenden Livréen, Equipagen u. s. w. das Ihrige beitrugen. Die Deputirten bewegten sich ungezwungen durcheinander, oder nahmen auf den im Halbkreise um den Thronsessel gestellten Stühlen einen Sitz ein. Einige Minuten nach 11 Uhr wurde gerufen: &#x201E;Se. Majestät der König!&#x201C; und derselbe schritt unter Vortritt der großen Hofchargen, insbesondere der Herren v. Mafsow, Arnim, Stillfried, Pachelbl, v. Redern und Meyring in den Saal. <hi rendition="#g">&#x201E;Derselbe&#x201C;</hi> trug die Interims-Uniform der Garde-du-Corps und den schwarzen Adler-Orden, das Haupt war mit dem Helm bedeckt. Sein äußeres Ansehen war gealtert und mager. &#x201E;Derselbe&#x201C; nahm auf dem Thronsessel seinen Sitz ein. Ihm zur Linken standen die Minister in folgender Reihe: Graf v. Brandenburg, Manteuffel, Rintelen, Strotha, Ladenberg, v. d. Heydt, Rabe, alle in großer Uniform, der Ministerpräsident mit dem rothen Adlerorden mit Schwertern dekorirt. Rechts vom König stellten sich die mit ihm eingetretenen Prinzen v. Preußen, Karl, Albrecht und die Söhne der beiden ersteren. Der König nahm hierauf die Rede aus den Händen des Ministers von Brandenburg und verlas sie mit fester Stimme. Im Ganzen schien sie keinen günstigen Eindruck zu machen, wenngleich sie sich hinsichtlich der Vergangenheit sehr <hi rendition="#g">allgemein</hi> hält. Besonders betonte der König die Stelle, in welchem er dem <hi rendition="#g">Heere</hi> <note place="foot" n="*)">Siehe den Neujahrsgruß an &#x201E;Mein Heer&#x201C; und den Commentar der &#x201E;Neuen Rh. Ztg.&#x201C;<space dim="horizontal"/>A. d. Red.</note> seinen Dank ausspricht, indem er zugleich wie zur Betheuerung, die Hand, welche bisher auf dem Sessel geruht hatte, erhob. Ebenso wurde auch der Schluß lebhafter vorgetragen, in welchem der König die Abgeordneten an ihre Pflicht erinnert. Der König verließ hierauf schwankend den Saal, und die Eröffnungs-Sitzung war geschlossen.</p>
          <p>Dem Gottesdienst im Dom wohnten der König und die Königin, die Prinzen und zahlreiche Abgeordnete bei. Nach der Beendi
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1289/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No. 234. Köln, Donnerstag, den 1. März. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Wir haben gestern Abend in einem Extrablatte unsern Lesern die Thronrede mitgetheilt. So viel als möglich ist es auch an die auswärtigen Abonnenten versandt worden. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Thronrede.) Berlin. (Verschiedene Berichte über die Haupt-Staatsaktion. ‒ Vermischtes.) Barmen. (Die Gewerberäthe.) Ruhrort. (Gründung eines demokratischen Vereins.) Wien. (Eindrücke der russischen Intervention auf die Börse) Kremsier. (Ein slavischer Ausschuß. ‒ Zusicherung des Ministeriums in Betreff der Slaven.) München. (Arbeiterbankett zur Feier des 24. Februar.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Mainz (Das demokratische Bankett vom 24.) Dresden. (Adresse der Deputirten an's Volk. ‒ Programm des neuen Ministeriums.) Italien. Rom. (Ernennung von Gesandten. ‒ Sitzung der Constituante. ‒ Telegraphische Linie.) Livorno. (Proklamationen des Gouverneurs.) Turin. (Neues Ministerium. ‒ Oestreicher über den Po. ‒ Ministerkrise. ‒ Sardinische Intervention in Toskana.) Französische Republik. Paris. (Pius und seine Pariser Partei. ‒ Vermischtes. ‒ National-Versammlung). Portugal. Lissabon. (Das Anlehen bei der Bank von Portugal. ‒ Die Differenz zwischen England und Marokko). Großbritannien. Dublin. (Duffy. ‒ Ausgabe für Zeugen). Deutschland. * Köln, 28. Februar. _ 121 Berlin, 26. Febr. Die Eröffnung der Kammern hat nun stattgefunden. Als der König von der Domkirche nach dem Schlosse fuhr, ward er mit sehr schwachem Hurrahruf empfangen, dagegen begleitete das Volk die Abgeordneten der Linken der frühern Nationalversammlung mit großem unaufhörlichem Jubel. Der ganze Akt ward diesmal mit weit mehr Pomp vollzogen, als im Mai. Das Schloß war bespickt mit eleganten Uniformen. Der König erschien in Uniform, den Helm mit dem Adler auf dem Kopfe. Er schien anfangs ängstlich, erst die Stelle von dem „Heere“ gab ihm wieder Muth, er sprach dann mit erhobener Stimme. Die vornehmen Herren erster und zweiter Kammer strengten sich zu einem „Lebehoch“ an, die übrigen schwiegen, und die Thronrede selbst ward ohne alle Begeisterung vernommen. Erst nachdem Brandenburg seine diesmal gut auswendig gelernte Rede gehalten hatte, ward das offizielle Hoch gebracht. Das Berliner Volk war noch das alte, mit Enthusiasmus wurden die zu Fuß aus dem Schlosse gehenden Abgeordneten der Linken empfangen, während die geputzten Staatskarossen unbeachtet vorbeifuhren und der edle Hr. v. Vincke großartig ausgezischt wurde. Lindenmüller hat sofort wieder Lindenklub gehalten und an der Ecke von Kanzler die Thronrede verlesen. Die Stadt hat das Ansehen, als wenn sie vom Galgen geholt worden wäre. Das Volk hofft ungeachtet der Versicherung der Thronrede, daß „Handel und Gewerbe anfangen sich von der Lähmung zu erholen, welcher sie zu erliegen droheten,“ erst durch die Kammer sich erholen werden würden. Armes Volk, das sich einbildet, unter diesen Verhältnissen könnte auf parlamentarischem Wege seine Wohlfahrt herbeigeführt werden. 121 Berlin, 26. Febr. Heute Morgen, als die Abgeordneten den weißen Saal verließen, versammelten sich mehrere Mitglieder der frühern Linken um den ehemaligen Unterstaatssekretär im Kriegsministerium, Hrn. v. Brandt, jetzigem Mitgliede der ersten Kammer. Sie begrüßten ihn freundlich, während einer bemerkte, das könne ihm als höherm Offizier im aktiven Dienst eine ehrengerichtliche Untersuchung zuziehen, daß er so freundlich mit anerkannten Demokraten verhandle. Ein in der Nähe stehender Lieutenant bemerkte zu seinen Kameraden: „Man solle diese Kerls doch wirklich aufhängen.“ Er hielt es wahrscheinlich für ein Verbrechen, daß ein Stabsoffizier mit Steuerverweigerern sich unterhalte. 121 Berlin, 26. Febr. Als der König aus der Domkirche ins Schloß fuhr, erhoben sich einige royalistischen Stimmen, aber donnernd wurde ihnen von den Massen Ruhe geboten; beim Herausfahren aus dem Schlosse geruhte der König von der zahlreichen Menge ein sehr deutliches Zischen entgegenzunehmen, während alle Steuerverweigerer, die erkannt wurden, sich mit schallenden Hoch's und Vivat's begnügen mußten. Die Parteifraktionen versammeln sich seit gestern in folgenden Lokalen: Linke (alle Meinungsschattirungen vermischt) bei Mielenz, Rechte in der Stadt London, und ein sich bildendes Centrum, dessen Bestandtheile solche Leute sind, die von der Regierung für rechts gehalten wurden, bei Kranzler unter den Linden. Am Freitag finden die hiesigen Nachwahlen statt. Man hat absichtlich lange gezögert, weil dem Magistrat die Kandidaten noch immer nicht recht gefielen. Dies Zögern hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die Leute sind müde geworden und machen Konzessionen. X Berlin, 26. Febr. Die Kammern sind so eben, Mittags 12 Uhr, von dem Könige in Person eröffnet worden. Die Eröffnung geschah im weißen Saal, äußerlich in derselben Weise, wie die Eröffnung der Nationalversammlung. Auf der Tribüne hatte, soweit es der beschränkte Raum zuließ, ein kleines Publikum aus allen Ständen Platz gefunden; für das diplomatische Korps war eine besondere Loge abgegränzt. Wir bemerkten den hannöver'schen, den belgischen, den englischen, den würtembergischen, den niederländischen, sardinischen, brasilianischen und einige andere Gesandte. Der russische Gesandte fehlte; statt seiner erblickte man einen Attaché, und in gleicher Weise waren die französische und türkische Gesandtschaft vertreten, da die Chefs dieser Beiden zur Zeit abwesend sind. Die Gesandten trugen zum Theil große Uniformen und waren glänzend mit Orden dekorirt. Die Abgeordneten waren sehr zahlreich versammelt und namentlich auch alle Mitglieder der Linken anwesend, insbesondere Waldeck, Jacoby, Temme, D'Ester, Stein u. A. Neben ihnen sah man die Herren v. Vincke, Griesheim, Bodelschwingh, Brunneck, Graf Arnim-Boitzenburg, von Bonin, von Alvensleben, Schaper u. s. w. Man erblickte weiße Halsbinden neben den schwarzen, viele Orden und selbst große Bänder, die unter den Röcken getragen wurden; Uniformen trugen nur die Militärs. Im Ganzen war indeß der äußere Eindruck ein mehr aristokratischer, als im Mai, wozu wesentlich das diesmalige Fehlen der Bauerntrachten und die statt dessen bemerkbaren glänzenden Livréen, Equipagen u. s. w. das Ihrige beitrugen. Die Deputirten bewegten sich ungezwungen durcheinander, oder nahmen auf den im Halbkreise um den Thronsessel gestellten Stühlen einen Sitz ein. Einige Minuten nach 11 Uhr wurde gerufen: „Se. Majestät der König!“ und derselbe schritt unter Vortritt der großen Hofchargen, insbesondere der Herren v. Mafsow, Arnim, Stillfried, Pachelbl, v. Redern und Meyring in den Saal. „Derselbe“ trug die Interims-Uniform der Garde-du-Corps und den schwarzen Adler-Orden, das Haupt war mit dem Helm bedeckt. Sein äußeres Ansehen war gealtert und mager. „Derselbe“ nahm auf dem Thronsessel seinen Sitz ein. Ihm zur Linken standen die Minister in folgender Reihe: Graf v. Brandenburg, Manteuffel, Rintelen, Strotha, Ladenberg, v. d. Heydt, Rabe, alle in großer Uniform, der Ministerpräsident mit dem rothen Adlerorden mit Schwertern dekorirt. Rechts vom König stellten sich die mit ihm eingetretenen Prinzen v. Preußen, Karl, Albrecht und die Söhne der beiden ersteren. Der König nahm hierauf die Rede aus den Händen des Ministers von Brandenburg und verlas sie mit fester Stimme. Im Ganzen schien sie keinen günstigen Eindruck zu machen, wenngleich sie sich hinsichtlich der Vergangenheit sehr allgemein hält. Besonders betonte der König die Stelle, in welchem er dem Heere *) seinen Dank ausspricht, indem er zugleich wie zur Betheuerung, die Hand, welche bisher auf dem Sessel geruht hatte, erhob. Ebenso wurde auch der Schluß lebhafter vorgetragen, in welchem der König die Abgeordneten an ihre Pflicht erinnert. Der König verließ hierauf schwankend den Saal, und die Eröffnungs-Sitzung war geschlossen. Dem Gottesdienst im Dom wohnten der König und die Königin, die Prinzen und zahlreiche Abgeordnete bei. Nach der Beendi *) Siehe den Neujahrsgruß an „Mein Heer“ und den Commentar der „Neuen Rh. Ztg.“ A. d. Red.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz234_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz234_1849/1
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 234. Köln, 1. März 1849, S. 1289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz234_1849/1>, abgerufen am 03.12.2024.