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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 228. Köln, 22. Februar 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
Nr. 228. Köln, Donnerstag den 22. Februar 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr.

71/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine- Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte, Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Hageh. - "R. Pr. Z ") Berlin. (Vermischtes.) Greifswald. (Assessor Böhmer.) Wien. (Welden. - Sereschaner.) Frankfurt. (Zwei Sitzungen der Nationalversammlung.) Jena. (Gerichtliches.) Schleswig- Holstein. (Die Reichstruppen. - Bewaffnungsanstalten.)

Ungarn. (Windischgrätz. - Juden und Sudslaven.) Agram. (Ursache des Belagerungszustandes von Karlowitz) Von der östreichischen Gränze. (Effek angeblich von den Kroaten genommen)

Schweiz. Wallis. (Auflösung der römischen Schweizerregimenter.)

Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. - Zwei Sitzungen der National- Versammlung.)

Belgien. Brüssel. (Neueste Nachrichten aus dem Musterstaate.)

Großbritannien. London. (Parlamentssitzung. - Der Umweg um das Cap Horn.)

Italien. (Die Proklamation der Republik in Rom - Die provisorische Regierung in Toskana und Leopold. - Schreiben des ungarischen Gesandten an die Turiner Deputirtenkammer) Civita- Becchia. (Neapolitanische Pläne gegen Rom.) Rom. (Die Einsetzung der Republik.) Florenz. (Richtung der Flucht des Großherzogs.) Turin. (Chanowski.)

Deutschland.
* Köln, 20. Febr.

Im Wahlkreis Bonn- Siegburg wird übermorgen ein Abgeordneter für die zweite Kammer gewählt. Wir empfehlen den betreffenden Wahlmännern den Advokat- Anwalt Dr. Hagen in Köln.

Köln, 20. Febr.

Herr Zabel meldet sich bei der Doppelwahl von Gierse in Westphalen. - Die National- Zeitung erwartet, daß ein jeder Westphälinger seine Schuldigkeit thut!

(N. Pr. Z.)
X Berlin, 18. Febr.

Seit einiger Zeit sind hier ungewöhnlich viel Personen in türkischer Kleidung und mit türkischen Pässen eingetroffen, was natürlich namentlich bei der Polizei Aufsehen und allerhand Vermuthungen erregte. Man glaubte nämlich, es seien verkleidete Ungarn und hat daher die Regierung an die Grenzbehörden in Schlesien den Befehl abgehen lassen, Inhaber solcher Pässe nicht mehr so ohne Weiteres einpassiren zu lassen. -

Mit der Epurirung des Königlichen Hof- und Diener- Personals von allen irgendwie demokratischer Gesinnung verdächtigen Subjekten wird aufs eifrigste fortgefahren. So hat unter Andern gestern der Kastellan des Schlosses in Potsdam, trotz seiner vieljährigen Dienste, seinen Posten räumen müssen. -

Berlin, 19. Febr.

Aus Münster geht die traurige Nachricht ein, daß Se. Königl. Hoheit der Prinz Waldemar von Preußen daselbst am 17. d. M. Nachmittags 4 Uhr an einem Herzleiden verstorben ist.

Berlin.

Herr Heramer hat Aussicht, eine reiche Partie zu machen, die Liebschaft ist wenigstens angeknüpft.

Die Demokratie darf sich aber nicht einbilden, von einer reichen Frau pekuniäre Vortheile zu ziehen. Herr Ruge hat bereits gezeigt, welche Ansichten von Communismus man in diesem Punkt hegt. Der Einzige, welcher närrisch genug gewesen, sein Geld für Parteizwecke zu opfern, ist Assessor Jung. (R. Pr. Ztg.)

103 Greifswald, 17. Febr.

Unser Großinquisitor, Assessor Böhmer, hat sich durch seine zahlreichen Blamagen bei Gelegenheit von Verhaftungen hier schon einen nicht unbedeutenden Namen gemacht. Charakteristisch für ihn ist die neuliche Verhaftung eines Chirurgen Herrn Pfalzgraf. Diesen Herrn hat sein Eifer, Excesse zu verhüten, in das Gefängniß gebracht. Am 5. Abends nämlich wurden einem seiner politischen Gesinnungslosigkeit wegen verhaßten Manne die Fenster eingeworfen. Obgleich sich deswegen nur etwa 60 Menschen versammelten, konsignirte man dennoch augenblicklich die Bürgerwehr. Zur Verhütung von Exzessen nun ermahnte der [unleserliches Material] Pfalzgraf die versammelte Menge, auseinanderzugehen. In dem Augenblick jedoch erscheint ein Theil der Bürgerwehr, circa 60 bis 70 Mann, die ohne irgend welche Veranlassung noch vorheriger Aufforderung die Gewehre fällen, sich zerstreuen und so vereinzelt auf die Einzelnen loshauen und stechen. Vor solcher Brutalität jener ehrenwerthen Ordnungsbestien rettete sich unter anderen durch die Flucht [unleserliches Material]auch [unleserliches Material]Herr Pf. Doch der Scylla entflohen, ereilte ihn die entsetzliche Charybdis: Hr. Böhmer Wohlgeboren forderte ihn vor sein unfehlbares Forum und läßt ihn seine strenge und furchtbare Logik fühlen. Ehe noch der Beklagte sich an den Anblick der gestrengen Herren Richter hat gewöhnen können, donnert ihn Herr B. wie folgt, an:

"Ihre Theilnahme an der Emeute vom 5. ist durch ihre Flucht bewiesen; Sie haben aber auch, leugnen Sie es nicht, die versammelte Menge in befehlendem Tone aufgefordert, sich zu zerstreuen; daß Sie befehlend sprachen, legt unumstößlich dar, daß Sie befehlen durften; daraus wieder folgt, daß Sie Anstifter oder Anführer jener Rotte gewesen sind, und müssen deshalb die Strafgesetze gegen Sie angewendet werden. Haben Sie darauf etwas zu erwidern? Ihre Aussage soll auch zu Protokoll genommen werden, Sie sehen, daß wir unparteiisch sind."

Zu seinem Glück wußte gegen eine so starke Logik der Angeklagte nichts zu sagen und murmelte nur noch: O Allmächtiger, beschütze mich - nicht vor Wahnsinn - nur vor dem Untersuchungsrichter, Assessor Böhmer.

61 Wien, 14. Febr.

Oestreich hat nur zwei Möglichkeiten: die eine Möglichkeit heißt Metternich, und mit dieser ist's formel vorüber; die andere Möglichkeit heißt Standrecht, aber auch mit dieser ist's aus. Der Uebergang aus dem Standrecht zum Metternich ist unmöglich. Oestreich tritt in die dritte Phase, diese Phase heißt "Untergang". Mit dem ungeheuersten Donnergetöse verkündet sich schon Oestreichs jüngster Tag; der Tag ist nahe. Melden will diesen Tag beschleunigen. Die letzte Ohnmacht des Olmützer Banditen-Regimentes soll durch das Verröcheln von Tausenden noch einmal konstatirt werden. 10,000 Sereschauer werden binnen Kurzem hier ein einrücken, um den Abgang der Garnison zu ergänzen. Welden hat sich gerade diese Banditen ausersehen, weil er von unersättlichen Tigergelüsten gequält wird, von dem Gelüste, die Bevölkerung Wiens mit den Messern der Sereschaner hekatombenweise abermals zu schlachten. Die Wiener rühren sich nicht, Jedermann weiß, daß die sogenannten Attentate auf das Militär, all die der Bevölkerung gemachten Beschuldigungen, welche die fabelhaft bornirten deutschen Blätter als baare Münze hinnehmen, nichts sind, als absichtliche Erfindungen, die Welden durch seine eigenen Kreaturen zur Ausführung bringen läßt, um Gründe zu haben, wider eine Bevölkerung zu wüthen, die sich am Ende zwar in Masse erheben wird, indessen viel zu klug geworden ist, sich in einzelnen, fruchtlosen Emeuten aufzureiben. Keines der Welden'schen Manöver hat die Bevölkerung zur Nachahmung zu verführen vermocht, wie er gewünscht. Der Banditen- Esel hat geglaubt, ein offizieller Schuß in den Straßen würde das Volk zum Aufstand reizen und ihm selbst Gelegenheit geben, seine Mordwuth zu befriedigen. Darum die Schüsse aus Häusern, auf der Straße u. s. w.; aber noch keinen Thäter hat man ertappt. Kennten Sie die Infernalität unserer Polizeibande, Sie würden die Entdeckung der Thäter für eine Kleinigkeit halten müssen. Doch diese Thäter dürfen nicht entdeckt werden, es sind Welden'sche Banditen- Söldlinge.

Um nun aber die Bevölkerung Wiens jedenfalls zum Aeußersten zu bringen, hat er sich 10,000 Sereschaner, Oguliner, Likkaner und Ottochaner, die auserlesensten Mordknechte der Erde, bestellt, und wird seinen Zweck mit ihnen erreichen. Denn diese Schaar wird durch ihre grausenhaften Unmenschlichkeiten die Bevölkerung Wiens so aufzustacheln wissen, daß sie sich vergessen muß. Die deutschen Hunde, die uns schon im Oktober den slavischen Mordgesellen preisgegeben, so sehr sie von deutschem Patriotismus faseln, werden dann nicht verfehlen, sich auf Seite der Krooten zu stellen, oder in hohes Bedenken und schweres Erwägen über die Seite, wo sich das Recht befindet, zu gerathen. O, es gibt nichts schauerlicheres auf Erden, als dies deutsche zähnebohrende Gesindel.

Die Einleitung zu den künftigen Mordscenen Welden's macht eine Kundmachung in der Wienerin. Er setzt einen Preis von 100 Dukaten aus, wenn ihm ein Thäter eingebracht werde. Es wird genug Buben geben, die Welden'sche Polizei wird sie schon haben, welche den ersten besten Mißliebigen der That bezüchtigen, vor dem Kriegsgerichte die nöthigen Eide leisten und so dem Zweck entsprechen werden. Auf diese Weise erhält Welden für 100 Dukaten eine Urkunde darüber, daß Attentate stattfinden; er kann diese Urkunde dann überall vorlegen, Niemand darf mehr zweifeln.

Die Rakete, welche am hellen Tage des 12ten zwischen dem Schotten- und Franzensthor aufstieg, ist von den Leuten Welden's losgelassen worden; die am Schenzel gefundene mit Granaten gefüllte Bombe ist von Welden's Leuten dort vergraben worden. Im hiesigen Publikum sind das keine Geheimnisse; was fragt aber Welden nach einem Publikum, das er gerade ermorden lassen will? Er will ja durch die selbstgemachten Attentate nur das Militär zur Wuth entflammen, und damit sie die rechte Manier des Mordens sehen und lernen, sollen Sereschaner die Avantgarde bilden.

P. S. Die Sereschaner sind bereits eingetroffen; an ihren rothen Mänteln und Banditen- Physiognomien können wir uns nach Belieben ergötzen. Mit ihnen kamen auch 2 Bataillons Kroaten.

!!! Frankfurt, 17. Februar.

Simson präsidirt. - Tagesordnung, Entwurf des Reichswahlgesetzes. Vorher kommt nichts vor. - Mehrere neue Anträge werden verlesen. - Die Anzahl derselben zu diesem Gesetz ist wie sich voraussehen ließ Legion.

Ich gebe die wichtigsten am geeigneten Ort. - Vor der speziellen Diskussion über 1. wird ein Antrag von Rösler von Oels des Inhalts: "nach Abstimmung über die einzelnen §§. des Wahlgesetzes ist noch über Annahme oder Verwerfung des ganzen Gesetzes schließlich abzustimmen." - angenommen. Wernher von Nierstein spricht über Titel und Eingang des Gesetzes. Er ist gegen das allgemeine Wahlrecht und sucht geschichtlich zu beweisen, daß dasselbe nur für Völker die sich noch im Naturzustande befinden, passend ist - "Ich liebe mein Volk!" ruft er pathetisch aus (homerisches Gelächter!) und eben deshalb will ich es vor den Gefahren behüten, an Dingen Theil zu nehmen, die es nicht versteht, wie an dem Wahlrecht! (Erneutes Gelächter der Gallerie. Simson verbietet der Gallerie das Lachen.) Dieser Ehrenmann (Wernher) schlägt vor, gar kein Wahlgesetz zu machen, sondern dies (hört! hört!) dem Staatenhause zu überlassen! - Moritz Mohl und Eisenmann bekämpfen diesen noblen Vorschlag lebhaft. - Folgt Debatte über §. 1 - (31 Redner sind eingeschrieben.) von Linde beantragt die §§. 1 2 und 3 zusammen zu diskutiren. Auf der Rednerliste für den Entwurf stehen Beckerath und der edle Gagern. Mit 202 Stimmen gegen 171 wird beschlossen, die §§. 1 2 und 3 nicht zusammen zu fassen. Dagegen beschließt man mit 199 Stimmen gegen 182 die ersten beiden §§. zusammen zu diskutiren und zu votiren, wie der bemißtrauensvotete Biedermann vorschlug. - Diese beiden fruchtlosen Abstimmungen kosteten eine volle Stunde. - Zu biden §§. zusammen sind 91 Redner eingeschrieben. -

Jahn spricht zuerst zur Unterhaltung des Hauses gegen (!) den Entwurf. Unsinn und Sinn folgt so blitzschnell aufeinander in seiner Rede, daß man kaum folgen kann. Zuerst verbittet er sich allen Beifall und Mißfallsbezeugungen, gestattet dagegen der Presse in jeder Art über ihn herzufahren. Er verliest das preußische Wahlgesetz, wonach damals zur Nationalversammlung gewählt wurde, und scheint dies als Norm aufzustellen. Den vorliegenden Entwurf nennt er ein Mißtrauensvotum an's deutsche Volk. Er erinnert daran daß Deutschlands Sprache, Künste, Litteratur und jedes Attribut seiner Größe vom Volk, nicht von wenigen Erimirten erhalten worden. - Die Fürsten hätten den ersten deutschen Volksbefreier Herrmann getödtet. Hier im Hause, sagt J., sehe ich viele die aus den Ständen hervorgegangen die man ausschließen will. - Gegen den Begriff "selbstständig" (S. unten §. 1) erklärt er sich durchaus, als gegen einen vagen und unbegrenzten Begriff. - Die Wahlberechtigung müsse bestehen in Tüchtigkeit und Tugend allein. - Der Entwurf würde das Vaterland in zwei feindliche Lager theilen. - Man solle sich hüten, nicht durch seinen Beschluß im vorliegenden Fall das Berliner Witzwort zu bewahrheiten: "Die Stände seien aufgehoben, aber drei Stände seien übrig geblieben, der Belagerungszustand, der passive Widerstand und der Unverstand!" - (Gelächter und Beifall von allen Seiten des Hauses.) Professor von Raumer aus Berlin für den Entwurf mit einigen Aenderungen; aber für direkte Wahlen. (Beifall Centrum.) Hildebrand (von der Linken) Prof. aus Marbung, gegen den Ausschußentwurf. - Seine Rede ist kurz und gut, bietet aber nichts Neues. Mölling (aus Oldenburg) für den Entwurf eingeschrieben spricht er fast gegen alle Bestimmungen desselben, für Zulassung der Dienstboten, Handwerker und Arbeiter, überhaupt ein volksthümliches Wahlgesetz. (Vicepräs.: Beseler präsidirt, und läßt einen solchen Lärm zu, daß man sein eigen Wort nicht, geschweige den Redner versteht.)

Venedey. Jede Ausschließung vom Wahlrecht schafft zwei gegenüberstehende Klassen, berechtigte und nichtberechtigte Bürger. - Ich bin deshalb gegen jede prinzipielle Beschränkung. - Die Begriffe von Selbstständigkeit und Unbescholtenheit sind nicht zu fixiren. - Der Geldcensus ist das Elendste was sie als Prinzip aufstellen können. - Die Beispiele anderer Länder passen eben so wenig für Deutschland, wie die verschiedenen Röcke den verschiedenen Personen. Der Unterschied, den man in Frankreich zwischen Bourgeoisie und Pöbel macht, findet sich in Deutschland nicht, dies beweist schon, daß man sich bei einem ähnlichen Vergleich des fremden Wortes Bourgeoisie bedient. Nur durch die Theilnahme des Volkes an den Regierungsgeschäften des künftigen Deutschlands werden Sie im Stande sein ein einiges Deutschland zu bilden.

Mathies (Professor aus Greifswald) neueingetretenes reaktionäres Mitglied, a la Beseler: "Man solle sich ja hüten ein Wahlgesetz zu machen, was mit den angenommenen Bestimmungen der Verfassung disharmonirt, (kann man naiver sein?) und wohl gar dem Socialismus und Kommunismus die Thür öffnet. - Ein Census scheine ihm noch am zweckmäßigsten zu sein. - Wer möchte behaupten, daß das Wahlrecht, das Recht in das deutsche Volkshaus zu wählen, zu den allgemeinen Menschenrechten gehört? (Einige Reichstruppen auf der Gallerie lachen.) Hr. M. erklärt sich gegen das allgemeine Stimmrecht, es sei weder vernunftgemäß noch praktisch. (Rechts: sehr richtig! links: Hohngelächter!) Hr. M. ist sehr wüthend und perorirt die Linke. Wird von der Gallerie ausgelacht und vom Präsidenten zurechtgewiesen. - Mit 21 Jahren könne man noch nicht verständig genug zum Wahlgeschäft sein! (Auch noch nicht mit 50-60 Jahren, wenn man ein Professor Mathies ist.) Der Art spricht der Ehrenmann bis zu Ende. Nach ihm wird um 1 1/2 Uhr vertagt. - Montag Fortsetzung.

!!! Frankfurt, 19. Febr.

National- Versammlung. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Debatte über den "Reichswahlgesetzentwurf." Die Zahl der Amendements zu den beiden ersten Paragraphen beläuft sich bis jetzt beinahe auf 70. Der Präsident der würtembergischen Kammer ersucht die National- Versammlung in der Gründung des Baues der deutschen Einheit unbeirrt (soll heißen unbeirrt durch alle Noten) fortzufahren, und äußert die Hoffnung, dieser Bau werde doch noch begründet werden.

Fuchs aus Breslau äußert sich in sittlicher Entrüstung darüber, daß die Versammlung statt um 9 Uhr, sich immer erst gegen 10 Uhr einfindet, und erklärt, er werde von jetzt an jeden Tag Punkt 9 Uhr auf Zählung der Mitglieder antragen. (Bravo der Centren.)

Die Tagesordnung führt hierauf Herrn von Rappard auf die Tribüne, der gegen den Entwurf und für die unbeschränkteste Wahlfreiheit spricht.

Mathy (Unterstaatssekretär). Das Wahlrecht sei kein Staatsbürgerrecht, weil - es in den Grundrechten nicht aufgenommen worden ist! In Frankreich habe dies allgemeine Wahlrecht den Legitimisten gedient, diese seien Anhänger desselben, während die Republikaner sich vor der zweiten Anwendung dieses Rechtes fürchten würden. (Und deshalb spricht Mathy dagegen??) Hierauf vertheidigt der ehrenwerthe Reichspolizist die indirekten Wahlen. (Bravo rechts, Zischen links.)

Wiesner (Unruhe rechts). Charakterisch für das Wahlgesetz sei es, daß dies vom Ausschuß einstimmig angenommene Wahlgesetz, jetzt sogar von einzelnen Ausschußmitgliedern bekämpft werde. Wiesner beantragt:

"Jeder 21jährige Deutsche ist wahlfähig."

Die Ehre und den Schutz des Vaterlandes vertraue man ganz jungen Leuten, indem das Heer aus der Jugend gebildet werde, und zum Wahlgeschäft sollten sie nicht taugen? (Gallerien ließen W's Rede Bravo folgen, worüber die Rechte ein höhnisches Gelächter aufschlug.)

Odilon- Gagern (Reichsministerpräsident). Er erklärt sich für einen Anhänger der Partei, welche das allgemeine Stimmrecht für unvereinbar mit dem Volkswohl hält. Er erbost sich sehr darüber, daß Vogt den Constitutionalismus eine Lüge genannt. Dann wäre auch die Republik eine Lüge, denn sie sei auch auf eine Constitution und auf Repräsentativverfassung gegründet. - Ueber diese tiefe "staatsmännische" Hypothese erhebt sich links Zischen und Gelächter. Gagern meint, man möchte nachher lachen. Dieser Mann würde selbst das Zwergfell despotisiren, wenn es anginge. - In der hessischen Kammer sei er für indirekte Wahlen gewesen, auch heute möchte er unter Umständen sich noch dafür erklären. Direkte Wahlen ohne Ausnahme in allen Wahlbezirken seien ein schreckliches Ding. Er wolle aber doch auf die indirekten Wahlen verzichten, und direkte zulassen, wenn das Stimmrecht kein allgemeines ist. Edler Mann, Du verzichtest auf die Peitsche, wenn Du die Knute gebrauchen darfst. - Uebrigens, sagt G., sei es unwahr zu behaupten, der Ausschuß habe die Arbeiter durch den Ausschluß von den Wahlen schänden wollen. Kein Land in der Welt, ehre die Ackerbauer so sehr, nirgends seien die Fabrikarbeiter so gebildet und wohlgehalten, wie in Deutschland. - (Und wäre dies so wahr als es unwahr ist, - ist es dann ein Beweis dagegen, daß der Ausschuß mit seinem "noblen Entwurf" die Arbeit und die Arbeiter schmäht?!) Nach einigen Theatercoups und der Erklärung für das Beseler'sche Census- Amendement (es folgt später) verläßt der große Mann die Tribüne unter Beifall der Rechten und der Centren und Zischen links und Gallerien)

Tellkampf gegen den Entwurf. Man läuft ehrerbietig frühstücken, nachdem man den Edlen gehört hat.

Eisenstuck. Er erklärt sich insoweit einverstanden mit dem Ausschuß, als ein gewisses Alter für die Wahlberechtigung festzustellen sei, und die Wahlen selbst direkte seien müssen. In allem Uebrigen haben ihm die Vorschläge des Ausschusses eine bittere Stunde bereitet. - Indem der Ausschuß von vorneherein die Selbstständigkeit als Bedingung aufstellt, und hinterdrein die Arbeiter ausschließt, erklärt er daß in der Arbeit die Unselbstständigkeit liegt. - Als er diese Bestimmungen über die Ausschließung des Volks gelesen, habe er unwillkührlich ausgerufen "Herr vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun!" Nie würden sich die Bestimmungen des Entwurfs realisiren lassen. - Haben Sie bei Ausschließung der Dienstboten auch an jene Dienstboten gedacht, die man ausschließlich Hofgesindel nennt, und welche sich von den anderen Dienstboten nur dadurch unterscheiden, daß sie das Geld aus den Taschen derer beziehen, denen sie keine Dienste leisten. - (Jubel auf den Gallerieen. Bravo links.) Ein Census sei in Deutschland bei der Ungleichheit des Werthes des Besitzthums ganz unmöglich durchzuführen. - Mehrere von den gestellten Amendements macht Eisenstuck in sehr schlagender Weise lächerlich. - Der Census- Antrag von Beseler (ich gebe ihn später) sei noch scheußlicher, er schließe 70 Procent der Bevölkerung aus (links: sehr wahr! sehr gut!) - Endlich empfiehlt er Betheiligung aller großjährigen Deutschen an den Wahlen, ohne alle weitere Bedingung!" (langanhaltender Beifall!!) Zugleich erfahren wir daß der

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
Nr. 228. Köln, Donnerstag den 22. Februar 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr.

71/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine- Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.

Nur frankirte, Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Hageh. ‒ „R. Pr. Z “) Berlin. (Vermischtes.) Greifswald. (Assessor Böhmer.) Wien. (Welden. ‒ Sereschaner.) Frankfurt. (Zwei Sitzungen der Nationalversammlung.) Jena. (Gerichtliches.) Schleswig- Holstein. (Die Reichstruppen. ‒ Bewaffnungsanstalten.)

Ungarn. (Windischgrätz. ‒ Juden und Sudslaven.) Agram. (Ursache des Belagerungszustandes von Karlowitz) Von der östreichischen Gränze. (Effek angeblich von den Kroaten genommen)

Schweiz. Wallis. (Auflösung der römischen Schweizerregimenter.)

Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ Zwei Sitzungen der National- Versammlung.)

Belgien. Brüssel. (Neueste Nachrichten aus dem Musterstaate.)

Großbritannien. London. (Parlamentssitzung. ‒ Der Umweg um das Cap Horn.)

Italien. (Die Proklamation der Republik in Rom ‒ Die provisorische Regierung in Toskana und Leopold. ‒ Schreiben des ungarischen Gesandten an die Turiner Deputirtenkammer) Civita- Becchia. (Neapolitanische Pläne gegen Rom.) Rom. (Die Einsetzung der Republik.) Florenz. (Richtung der Flucht des Großherzogs.) Turin. (Chanowski.)

Deutschland.
* Köln, 20. Febr.

Im Wahlkreis Bonn- Siegburg wird übermorgen ein Abgeordneter für die zweite Kammer gewählt. Wir empfehlen den betreffenden Wahlmännern den Advokat- Anwalt Dr. Hagen in Köln.

Köln, 20. Febr.

Herr Zabel meldet sich bei der Doppelwahl von Gierse in Westphalen. ‒ Die National- Zeitung erwartet, daß ein jeder Westphälinger seine Schuldigkeit thut!

(N. Pr. Z.)
X Berlin, 18. Febr.

Seit einiger Zeit sind hier ungewöhnlich viel Personen in türkischer Kleidung und mit türkischen Pässen eingetroffen, was natürlich namentlich bei der Polizei Aufsehen und allerhand Vermuthungen erregte. Man glaubte nämlich, es seien verkleidete Ungarn und hat daher die Regierung an die Grenzbehörden in Schlesien den Befehl abgehen lassen, Inhaber solcher Pässe nicht mehr so ohne Weiteres einpassiren zu lassen. ‒

Mit der Epurirung des Königlichen Hof- und Diener- Personals von allen irgendwie demokratischer Gesinnung verdächtigen Subjekten wird aufs eifrigste fortgefahren. So hat unter Andern gestern der Kastellan des Schlosses in Potsdam, trotz seiner vieljährigen Dienste, seinen Posten räumen müssen. ‒

Berlin, 19. Febr.

Aus Münster geht die traurige Nachricht ein, daß Se. Königl. Hoheit der Prinz Waldemar von Preußen daselbst am 17. d. M. Nachmittags 4 Uhr an einem Herzleiden verstorben ist.

Berlin.

Herr Heramer hat Aussicht, eine reiche Partie zu machen, die Liebschaft ist wenigstens angeknüpft.

Die Demokratie darf sich aber nicht einbilden, von einer reichen Frau pekuniäre Vortheile zu ziehen. Herr Ruge hat bereits gezeigt, welche Ansichten von Communismus man in diesem Punkt hegt. Der Einzige, welcher närrisch genug gewesen, sein Geld für Parteizwecke zu opfern, ist Assessor Jung. (R. Pr. Ztg.)

103 Greifswald, 17. Febr.

Unser Großinquisitor, Assessor Böhmer, hat sich durch seine zahlreichen Blamagen bei Gelegenheit von Verhaftungen hier schon einen nicht unbedeutenden Namen gemacht. Charakteristisch für ihn ist die neuliche Verhaftung eines Chirurgen Herrn Pfalzgraf. Diesen Herrn hat sein Eifer, Excesse zu verhüten, in das Gefängniß gebracht. Am 5. Abends nämlich wurden einem seiner politischen Gesinnungslosigkeit wegen verhaßten Manne die Fenster eingeworfen. Obgleich sich deswegen nur etwa 60 Menschen versammelten, konsignirte man dennoch augenblicklich die Bürgerwehr. Zur Verhütung von Exzessen nun ermahnte der [unleserliches Material] Pfalzgraf die versammelte Menge, auseinanderzugehen. In dem Augenblick jedoch erscheint ein Theil der Bürgerwehr, circa 60 bis 70 Mann, die ohne irgend welche Veranlassung noch vorheriger Aufforderung die Gewehre fällen, sich zerstreuen und so vereinzelt auf die Einzelnen loshauen und stechen. Vor solcher Brutalität jener ehrenwerthen Ordnungsbestien rettete sich unter anderen durch die Flucht [unleserliches Material]auch [unleserliches Material]Herr Pf. Doch der Scylla entflohen, ereilte ihn die entsetzliche Charybdis: Hr. Böhmer Wohlgeboren forderte ihn vor sein unfehlbares Forum und läßt ihn seine strenge und furchtbare Logik fühlen. Ehe noch der Beklagte sich an den Anblick der gestrengen Herren Richter hat gewöhnen können, donnert ihn Herr B. wie folgt, an:

„Ihre Theilnahme an der Emeute vom 5. ist durch ihre Flucht bewiesen; Sie haben aber auch, leugnen Sie es nicht, die versammelte Menge in befehlendem Tone aufgefordert, sich zu zerstreuen; daß Sie befehlend sprachen, legt unumstößlich dar, daß Sie befehlen durften; daraus wieder folgt, daß Sie Anstifter oder Anführer jener Rotte gewesen sind, und müssen deshalb die Strafgesetze gegen Sie angewendet werden. Haben Sie darauf etwas zu erwidern? Ihre Aussage soll auch zu Protokoll genommen werden, Sie sehen, daß wir unparteiisch sind.“

Zu seinem Glück wußte gegen eine so starke Logik der Angeklagte nichts zu sagen und murmelte nur noch: O Allmächtiger, beschütze mich ‒ nicht vor Wahnsinn ‒ nur vor dem Untersuchungsrichter, Assessor Böhmer.

61 Wien, 14. Febr.

Oestreich hat nur zwei Möglichkeiten: die eine Möglichkeit heißt Metternich, und mit dieser ist's formel vorüber; die andere Möglichkeit heißt Standrecht, aber auch mit dieser ist's aus. Der Uebergang aus dem Standrecht zum Metternich ist unmöglich. Oestreich tritt in die dritte Phase, diese Phase heißt „Untergang“. Mit dem ungeheuersten Donnergetöse verkündet sich schon Oestreichs jüngster Tag; der Tag ist nahe. Melden will diesen Tag beschleunigen. Die letzte Ohnmacht des Olmützer Banditen-Regimentes soll durch das Verröcheln von Tausenden noch einmal konstatirt werden. 10,000 Sereschauer werden binnen Kurzem hier ein einrücken, um den Abgang der Garnison zu ergänzen. Welden hat sich gerade diese Banditen ausersehen, weil er von unersättlichen Tigergelüsten gequält wird, von dem Gelüste, die Bevölkerung Wiens mit den Messern der Sereschaner hekatombenweise abermals zu schlachten. Die Wiener rühren sich nicht, Jedermann weiß, daß die sogenannten Attentate auf das Militär, all die der Bevölkerung gemachten Beschuldigungen, welche die fabelhaft bornirten deutschen Blätter als baare Münze hinnehmen, nichts sind, als absichtliche Erfindungen, die Welden durch seine eigenen Kreaturen zur Ausführung bringen läßt, um Gründe zu haben, wider eine Bevölkerung zu wüthen, die sich am Ende zwar in Masse erheben wird, indessen viel zu klug geworden ist, sich in einzelnen, fruchtlosen Emeuten aufzureiben. Keines der Welden'schen Manöver hat die Bevölkerung zur Nachahmung zu verführen vermocht, wie er gewünscht. Der Banditen- Esel hat geglaubt, ein offizieller Schuß in den Straßen würde das Volk zum Aufstand reizen und ihm selbst Gelegenheit geben, seine Mordwuth zu befriedigen. Darum die Schüsse aus Häusern, auf der Straße u. s. w.; aber noch keinen Thäter hat man ertappt. Kennten Sie die Infernalität unserer Polizeibande, Sie würden die Entdeckung der Thäter für eine Kleinigkeit halten müssen. Doch diese Thäter dürfen nicht entdeckt werden, es sind Welden'sche Banditen- Söldlinge.

Um nun aber die Bevölkerung Wiens jedenfalls zum Aeußersten zu bringen, hat er sich 10,000 Sereschaner, Oguliner, Likkaner und Ottochaner, die auserlesensten Mordknechte der Erde, bestellt, und wird seinen Zweck mit ihnen erreichen. Denn diese Schaar wird durch ihre grausenhaften Unmenschlichkeiten die Bevölkerung Wiens so aufzustacheln wissen, daß sie sich vergessen muß. Die deutschen Hunde, die uns schon im Oktober den slavischen Mordgesellen preisgegeben, so sehr sie von deutschem Patriotismus faseln, werden dann nicht verfehlen, sich auf Seite der Krooten zu stellen, oder in hohes Bedenken und schweres Erwägen über die Seite, wo sich das Recht befindet, zu gerathen. O, es gibt nichts schauerlicheres auf Erden, als dies deutsche zähnebohrende Gesindel.

Die Einleitung zu den künftigen Mordscenen Welden's macht eine Kundmachung in der Wienerin. Er setzt einen Preis von 100 Dukaten aus, wenn ihm ein Thäter eingebracht werde. Es wird genug Buben geben, die Welden'sche Polizei wird sie schon haben, welche den ersten besten Mißliebigen der That bezüchtigen, vor dem Kriegsgerichte die nöthigen Eide leisten und so dem Zweck entsprechen werden. Auf diese Weise erhält Welden für 100 Dukaten eine Urkunde darüber, daß Attentate stattfinden; er kann diese Urkunde dann überall vorlegen, Niemand darf mehr zweifeln.

Die Rakete, welche am hellen Tage des 12ten zwischen dem Schotten- und Franzensthor aufstieg, ist von den Leuten Welden's losgelassen worden; die am Schenzel gefundene mit Granaten gefüllte Bombe ist von Welden's Leuten dort vergraben worden. Im hiesigen Publikum sind das keine Geheimnisse; was fragt aber Welden nach einem Publikum, das er gerade ermorden lassen will? Er will ja durch die selbstgemachten Attentate nur das Militär zur Wuth entflammen, und damit sie die rechte Manier des Mordens sehen und lernen, sollen Sereschaner die Avantgarde bilden.

P. S. Die Sereschaner sind bereits eingetroffen; an ihren rothen Mänteln und Banditen- Physiognomien können wir uns nach Belieben ergötzen. Mit ihnen kamen auch 2 Bataillons Kroaten.

!!! Frankfurt, 17. Februar.

Simson präsidirt. ‒ Tagesordnung, Entwurf des Reichswahlgesetzes. Vorher kommt nichts vor. ‒ Mehrere neue Anträge werden verlesen. ‒ Die Anzahl derselben zu diesem Gesetz ist wie sich voraussehen ließ Legion.

Ich gebe die wichtigsten am geeigneten Ort. ‒ Vor der speziellen Diskussion über 1. wird ein Antrag von Rösler von Oels des Inhalts: „nach Abstimmung über die einzelnen §§. des Wahlgesetzes ist noch über Annahme oder Verwerfung des ganzen Gesetzes schließlich abzustimmen.“ ‒ angenommen. Wernher von Nierstein spricht über Titel und Eingang des Gesetzes. Er ist gegen das allgemeine Wahlrecht und sucht geschichtlich zu beweisen, daß dasselbe nur für Völker die sich noch im Naturzustande befinden, passend ist ‒ „Ich liebe mein Volk!“ ruft er pathetisch aus (homerisches Gelächter!) und eben deshalb will ich es vor den Gefahren behüten, an Dingen Theil zu nehmen, die es nicht versteht, wie an dem Wahlrecht! (Erneutes Gelächter der Gallerie. Simson verbietet der Gallerie das Lachen.) Dieser Ehrenmann (Wernher) schlägt vor, gar kein Wahlgesetz zu machen, sondern dies (hört! hört!) dem Staatenhause zu überlassen! ‒ Moritz Mohl und Eisenmann bekämpfen diesen noblen Vorschlag lebhaft. ‒ Folgt Debatte über §. 1 ‒ (31 Redner sind eingeschrieben.) von Linde beantragt die §§. 1 2 und 3 zusammen zu diskutiren. Auf der Rednerliste für den Entwurf stehen Beckerath und der edle Gagern. Mit 202 Stimmen gegen 171 wird beschlossen, die §§. 1 2 und 3 nicht zusammen zu fassen. Dagegen beschließt man mit 199 Stimmen gegen 182 die ersten beiden §§. zusammen zu diskutiren und zu votiren, wie der bemißtrauensvotete Biedermann vorschlug. ‒ Diese beiden fruchtlosen Abstimmungen kosteten eine volle Stunde. ‒ Zu biden §§. zusammen sind 91 Redner eingeschrieben. ‒

Jahn spricht zuerst zur Unterhaltung des Hauses gegen (!) den Entwurf. Unsinn und Sinn folgt so blitzschnell aufeinander in seiner Rede, daß man kaum folgen kann. Zuerst verbittet er sich allen Beifall und Mißfallsbezeugungen, gestattet dagegen der Presse in jeder Art über ihn herzufahren. Er verliest das preußische Wahlgesetz, wonach damals zur Nationalversammlung gewählt wurde, und scheint dies als Norm aufzustellen. Den vorliegenden Entwurf nennt er ein Mißtrauensvotum an's deutsche Volk. Er erinnert daran daß Deutschlands Sprache, Künste, Litteratur und jedes Attribut seiner Größe vom Volk, nicht von wenigen Erimirten erhalten worden. ‒ Die Fürsten hätten den ersten deutschen Volksbefreier Herrmann getödtet. Hier im Hause, sagt J., sehe ich viele die aus den Ständen hervorgegangen die man ausschließen will. ‒ Gegen den Begriff „selbstständig“ (S. unten §. 1) erklärt er sich durchaus, als gegen einen vagen und unbegrenzten Begriff. ‒ Die Wahlberechtigung müsse bestehen in Tüchtigkeit und Tugend allein. ‒ Der Entwurf würde das Vaterland in zwei feindliche Lager theilen. ‒ Man solle sich hüten, nicht durch seinen Beschluß im vorliegenden Fall das Berliner Witzwort zu bewahrheiten: „Die Stände seien aufgehoben, aber drei Stände seien übrig geblieben, der Belagerungszustand, der passive Widerstand und der Unverstand!“ ‒ (Gelächter und Beifall von allen Seiten des Hauses.) Professor von Raumer aus Berlin für den Entwurf mit einigen Aenderungen; aber für direkte Wahlen. (Beifall Centrum.) Hildebrand (von der Linken) Prof. aus Marbung, gegen den Ausschußentwurf. ‒ Seine Rede ist kurz und gut, bietet aber nichts Neues. Mölling (aus Oldenburg) für den Entwurf eingeschrieben spricht er fast gegen alle Bestimmungen desselben, für Zulassung der Dienstboten, Handwerker und Arbeiter, überhaupt ein volksthümliches Wahlgesetz. (Vicepräs.: Beseler präsidirt, und läßt einen solchen Lärm zu, daß man sein eigen Wort nicht, geschweige den Redner versteht.)

Venedey. Jede Ausschließung vom Wahlrecht schafft zwei gegenüberstehende Klassen, berechtigte und nichtberechtigte Bürger. ‒ Ich bin deshalb gegen jede prinzipielle Beschränkung. ‒ Die Begriffe von Selbstständigkeit und Unbescholtenheit sind nicht zu fixiren. ‒ Der Geldcensus ist das Elendste was sie als Prinzip aufstellen können. ‒ Die Beispiele anderer Länder passen eben so wenig für Deutschland, wie die verschiedenen Röcke den verschiedenen Personen. Der Unterschied, den man in Frankreich zwischen Bourgeoisie und Pöbel macht, findet sich in Deutschland nicht, dies beweist schon, daß man sich bei einem ähnlichen Vergleich des fremden Wortes Bourgeoisie bedient. Nur durch die Theilnahme des Volkes an den Regierungsgeschäften des künftigen Deutschlands werden Sie im Stande sein ein einiges Deutschland zu bilden.

Mathies (Professor aus Greifswald) neueingetretenes reaktionäres Mitglied, à la Beseler: „Man solle sich ja hüten ein Wahlgesetz zu machen, was mit den angenommenen Bestimmungen der Verfassung disharmonirt, (kann man naiver sein?) und wohl gar dem Socialismus und Kommunismus die Thür öffnet. ‒ Ein Census scheine ihm noch am zweckmäßigsten zu sein. ‒ Wer möchte behaupten, daß das Wahlrecht, das Recht in das deutsche Volkshaus zu wählen, zu den allgemeinen Menschenrechten gehört? (Einige Reichstruppen auf der Gallerie lachen.) Hr. M. erklärt sich gegen das allgemeine Stimmrecht, es sei weder vernunftgemäß noch praktisch. (Rechts: sehr richtig! links: Hohngelächter!) Hr. M. ist sehr wüthend und perorirt die Linke. Wird von der Gallerie ausgelacht und vom Präsidenten zurechtgewiesen. ‒ Mit 21 Jahren könne man noch nicht verständig genug zum Wahlgeschäft sein! (Auch noch nicht mit 50-60 Jahren, wenn man ein Professor Mathies ist.) Der Art spricht der Ehrenmann bis zu Ende. Nach ihm wird um 1 1/2 Uhr vertagt. ‒ Montag Fortsetzung.

!!! Frankfurt, 19. Febr.

National- Versammlung. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Debatte über den „Reichswahlgesetzentwurf.“ Die Zahl der Amendements zu den beiden ersten Paragraphen beläuft sich bis jetzt beinahe auf 70. Der Präsident der würtembergischen Kammer ersucht die National- Versammlung in der Gründung des Baues der deutschen Einheit unbeirrt (soll heißen unbeirrt durch alle Noten) fortzufahren, und äußert die Hoffnung, dieser Bau werde doch noch begründet werden.

Fuchs aus Breslau äußert sich in sittlicher Entrüstung darüber, daß die Versammlung statt um 9 Uhr, sich immer erst gegen 10 Uhr einfindet, und erklärt, er werde von jetzt an jeden Tag Punkt 9 Uhr auf Zählung der Mitglieder antragen. (Bravo der Centren.)

Die Tagesordnung führt hierauf Herrn von Rappard auf die Tribüne, der gegen den Entwurf und für die unbeschränkteste Wahlfreiheit spricht.

Mathy (Unterstaatssekretär). Das Wahlrecht sei kein Staatsbürgerrecht, weil ‒ es in den Grundrechten nicht aufgenommen worden ist! In Frankreich habe dies allgemeine Wahlrecht den Legitimisten gedient, diese seien Anhänger desselben, während die Republikaner sich vor der zweiten Anwendung dieses Rechtes fürchten würden. (Und deshalb spricht Mathy dagegen??) Hierauf vertheidigt der ehrenwerthe Reichspolizist die indirekten Wahlen. (Bravo rechts, Zischen links.)

Wiesner (Unruhe rechts). Charakterisch für das Wahlgesetz sei es, daß dies vom Ausschuß einstimmig angenommene Wahlgesetz, jetzt sogar von einzelnen Ausschußmitgliedern bekämpft werde. Wiesner beantragt:

„Jeder 21jährige Deutsche ist wahlfähig.“

Die Ehre und den Schutz des Vaterlandes vertraue man ganz jungen Leuten, indem das Heer aus der Jugend gebildet werde, und zum Wahlgeschäft sollten sie nicht taugen? (Gallerien ließen W's Rede Bravo folgen, worüber die Rechte ein höhnisches Gelächter aufschlug.)

Odilon- Gagern (Reichsministerpräsident). Er erklärt sich für einen Anhänger der Partei, welche das allgemeine Stimmrecht für unvereinbar mit dem Volkswohl hält. Er erbost sich sehr darüber, daß Vogt den Constitutionalismus eine Lüge genannt. Dann wäre auch die Republik eine Lüge, denn sie sei auch auf eine Constitution und auf Repräsentativverfassung gegründet. ‒ Ueber diese tiefe „staatsmännische“ Hypothese erhebt sich links Zischen und Gelächter. Gagern meint, man möchte nachher lachen. Dieser Mann würde selbst das Zwergfell despotisiren, wenn es anginge. ‒ In der hessischen Kammer sei er für indirekte Wahlen gewesen, auch heute möchte er unter Umständen sich noch dafür erklären. Direkte Wahlen ohne Ausnahme in allen Wahlbezirken seien ein schreckliches Ding. Er wolle aber doch auf die indirekten Wahlen verzichten, und direkte zulassen, wenn das Stimmrecht kein allgemeines ist. Edler Mann, Du verzichtest auf die Peitsche, wenn Du die Knute gebrauchen darfst. ‒ Uebrigens, sagt G., sei es unwahr zu behaupten, der Ausschuß habe die Arbeiter durch den Ausschluß von den Wahlen schänden wollen. Kein Land in der Welt, ehre die Ackerbauer so sehr, nirgends seien die Fabrikarbeiter so gebildet und wohlgehalten, wie in Deutschland. ‒ (Und wäre dies so wahr als es unwahr ist, ‒ ist es dann ein Beweis dagegen, daß der Ausschuß mit seinem „noblen Entwurf“ die Arbeit und die Arbeiter schmäht?!) Nach einigen Theatercoups und der Erklärung für das Beseler'sche Census- Amendement (es folgt später) verläßt der große Mann die Tribüne unter Beifall der Rechten und der Centren und Zischen links und Gallerien)

Tellkampf gegen den Entwurf. Man läuft ehrerbietig frühstücken, nachdem man den Edlen gehört hat.

Eisenstuck. Er erklärt sich insoweit einverstanden mit dem Ausschuß, als ein gewisses Alter für die Wahlberechtigung festzustellen sei, und die Wahlen selbst direkte seien müssen. In allem Uebrigen haben ihm die Vorschläge des Ausschusses eine bittere Stunde bereitet. ‒ Indem der Ausschuß von vorneherein die Selbstständigkeit als Bedingung aufstellt, und hinterdrein die Arbeiter ausschließt, erklärt er daß in der Arbeit die Unselbstständigkeit liegt. ‒ Als er diese Bestimmungen über die Ausschließung des Volks gelesen, habe er unwillkührlich ausgerufen „Herr vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun!“ Nie würden sich die Bestimmungen des Entwurfs realisiren lassen. ‒ Haben Sie bei Ausschließung der Dienstboten auch an jene Dienstboten gedacht, die man ausschließlich Hofgesindel nennt, und welche sich von den anderen Dienstboten nur dadurch unterscheiden, daß sie das Geld aus den Taschen derer beziehen, denen sie keine Dienste leisten. ‒ (Jubel auf den Gallerieen. Bravo links.) Ein Census sei in Deutschland bei der Ungleichheit des Werthes des Besitzthums ganz unmöglich durchzuführen. ‒ Mehrere von den gestellten Amendements macht Eisenstuck in sehr schlagender Weise lächerlich. ‒ Der Census- Antrag von Beseler (ich gebe ihn später) sei noch scheußlicher, er schließe 70 Procent der Bevölkerung aus (links: sehr wahr! sehr gut!) ‒ Endlich empfiehlt er Betheiligung aller großjährigen Deutschen an den Wahlen, ohne alle weitere Bedingung!“ (langanhaltender Beifall!!) Zugleich erfahren wir daß der

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>Nr. 228. Köln, Donnerstag den 22. Februar 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr.</p>
        <p>71/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2012; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine- Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p>
        <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis.</p>
        <p>Nur frankirte, Briefe werden angenommen.</p>
        <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Hageh. &#x2012; &#x201E;R. Pr. Z &#x201C;) Berlin. (Vermischtes.) Greifswald. (Assessor Böhmer.) Wien. (Welden. &#x2012; Sereschaner.) Frankfurt. (Zwei Sitzungen der Nationalversammlung.) Jena. (Gerichtliches.) Schleswig- Holstein. (Die Reichstruppen. &#x2012; Bewaffnungsanstalten.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> (Windischgrätz. &#x2012; Juden und Sudslaven.) Agram. (Ursache des Belagerungszustandes von Karlowitz) Von der östreichischen Gränze. (Effek angeblich von den Kroaten genommen)</p>
        <p><hi rendition="#g">Schweiz.</hi> Wallis. (Auflösung der römischen Schweizerregimenter.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Vermischtes. &#x2012; Zwei Sitzungen der National- Versammlung.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Brüssel. (Neueste Nachrichten aus dem Musterstaate.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Parlamentssitzung. &#x2012; Der Umweg um das Cap Horn.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> (Die Proklamation der Republik in Rom &#x2012; Die provisorische Regierung in Toskana und Leopold. &#x2012; Schreiben des ungarischen Gesandten an die Turiner     Deputirtenkammer) Civita- Becchia. (Neapolitanische Pläne gegen Rom.) Rom. (Die Einsetzung der Republik.) Florenz. (Richtung der Flucht des Großherzogs.) Turin. (Chanowski.)</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 20. Febr.</head>
          <p>Im Wahlkreis Bonn- Siegburg wird übermorgen ein Abgeordneter für die zweite Kammer gewählt. Wir empfehlen den betreffenden Wahlmännern den Advokat- Anwalt Dr. <hi rendition="#g">Hagen</hi> in Köln.</p>
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          <head>Köln, 20. Febr.</head>
          <p>Herr <hi rendition="#g">Zabel</hi> meldet sich bei der Doppelwahl von Gierse in Westphalen. &#x2012; Die <hi rendition="#g">National- Zeitung</hi> erwartet, daß ein jeder Westphälinger seine Schuldigkeit thut!</p>
          <bibl>(N. Pr. Z.)</bibl>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 18. Febr.</head>
          <p>Seit einiger Zeit sind hier ungewöhnlich viel Personen in türkischer Kleidung und mit türkischen Pässen eingetroffen, was natürlich namentlich bei der Polizei Aufsehen und allerhand Vermuthungen erregte. Man glaubte nämlich, es seien verkleidete Ungarn und hat daher die Regierung an die Grenzbehörden in Schlesien den Befehl abgehen lassen, Inhaber solcher Pässe nicht mehr so ohne Weiteres einpassiren zu lassen. &#x2012;</p>
          <p>Mit der Epurirung des Königlichen Hof- und Diener- Personals von allen irgendwie demokratischer Gesinnung verdächtigen Subjekten wird aufs eifrigste fortgefahren. So hat unter Andern gestern der Kastellan des Schlosses in Potsdam, trotz seiner vieljährigen Dienste, seinen Posten räumen müssen. &#x2012; </p>
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          <head>Berlin, 19. Febr.</head>
          <p>Aus Münster geht die traurige Nachricht ein, daß Se. Königl. Hoheit der Prinz Waldemar von Preußen daselbst am 17. d. M. Nachmittags 4 Uhr an einem Herzleiden verstorben ist.</p>
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          <head>Berlin.</head>
          <p>Herr Heramer hat Aussicht, eine reiche Partie zu machen, die Liebschaft ist wenigstens angeknüpft.</p>
          <p>Die Demokratie darf sich aber nicht einbilden, von einer reichen Frau pekuniäre Vortheile zu ziehen. Herr Ruge hat bereits gezeigt, welche Ansichten von Communismus man in diesem Punkt hegt. Der Einzige, welcher närrisch genug gewesen, sein Geld für Parteizwecke zu opfern, ist Assessor Jung. <bibl>(R. Pr. Ztg.)</bibl>                </p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Greifswald, 17. Febr.</head>
          <p>Unser Großinquisitor, Assessor Böhmer, hat sich durch seine zahlreichen Blamagen bei Gelegenheit von Verhaftungen hier schon einen nicht unbedeutenden Namen gemacht. Charakteristisch für ihn ist die neuliche Verhaftung eines Chirurgen Herrn Pfalzgraf. Diesen Herrn hat sein Eifer, Excesse zu <hi rendition="#g">verhüten,</hi> in das Gefängniß gebracht. Am 5. Abends nämlich wurden einem seiner politischen Gesinnungslosigkeit wegen verhaßten Manne die Fenster eingeworfen. Obgleich sich deswegen nur etwa 60 Menschen versammelten, konsignirte man dennoch augenblicklich die Bürgerwehr. Zur Verhütung von Exzessen nun ermahnte der <gap reason="illegible"/> Pfalzgraf die versammelte Menge, auseinanderzugehen. In dem Augenblick jedoch erscheint ein Theil der Bürgerwehr, circa 60 bis 70 Mann, die ohne irgend welche Veranlassung noch vorheriger Aufforderung die Gewehre fällen, sich zerstreuen und so vereinzelt auf die Einzelnen loshauen und stechen. Vor solcher Brutalität jener ehrenwerthen Ordnungsbestien rettete sich unter anderen durch die Flucht <gap reason="illegible"/>auch <gap reason="illegible"/>Herr Pf. Doch der Scylla entflohen, ereilte ihn die entsetzliche Charybdis: Hr. Böhmer Wohlgeboren forderte ihn vor sein unfehlbares Forum und läßt ihn seine strenge und furchtbare Logik fühlen. Ehe noch der Beklagte sich an den Anblick der gestrengen Herren Richter hat gewöhnen können, donnert ihn Herr B. wie folgt, an:</p>
          <p>&#x201E;Ihre Theilnahme an der Emeute vom 5. ist durch ihre Flucht bewiesen; Sie haben aber auch, leugnen Sie es nicht, die versammelte Menge in <hi rendition="#g">befehlendem</hi> Tone aufgefordert, sich zu zerstreuen; daß Sie befehlend sprachen, legt unumstößlich dar, daß Sie befehlen durften; daraus wieder folgt, daß Sie Anstifter oder Anführer jener Rotte gewesen sind, und müssen deshalb die Strafgesetze gegen Sie angewendet werden. Haben Sie darauf etwas zu erwidern? Ihre Aussage soll auch zu Protokoll genommen werden, Sie sehen, daß wir unparteiisch sind.&#x201C;</p>
          <p>Zu seinem Glück wußte gegen eine so starke Logik der Angeklagte nichts zu sagen und murmelte nur noch: O Allmächtiger, beschütze mich &#x2012; nicht vor Wahnsinn &#x2012; nur vor dem Untersuchungsrichter, Assessor Böhmer.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 14. Febr.</head>
          <p>Oestreich hat nur zwei Möglichkeiten: die eine Möglichkeit heißt <hi rendition="#g">Metternich,</hi> und mit dieser ist's formel vorüber; die andere Möglichkeit heißt Standrecht, aber auch mit dieser ist's aus. Der Uebergang aus dem Standrecht zum Metternich ist unmöglich. Oestreich tritt in die dritte Phase, diese Phase heißt &#x201E;Untergang&#x201C;. Mit dem ungeheuersten Donnergetöse verkündet sich schon Oestreichs jüngster Tag; der Tag ist nahe. Melden will diesen Tag beschleunigen. Die letzte Ohnmacht des Olmützer Banditen-Regimentes soll durch das Verröcheln von Tausenden noch einmal konstatirt werden. 10,000 Sereschauer werden binnen Kurzem hier ein einrücken, um den Abgang der Garnison zu ergänzen. Welden hat sich gerade diese Banditen ausersehen, weil er von unersättlichen Tigergelüsten gequält wird, von dem Gelüste, die Bevölkerung Wiens mit den Messern der Sereschaner hekatombenweise abermals zu schlachten. Die Wiener rühren sich nicht, Jedermann weiß, daß die sogenannten Attentate auf das Militär, all die der Bevölkerung gemachten Beschuldigungen, welche die fabelhaft bornirten deutschen Blätter als baare Münze hinnehmen, nichts sind, als absichtliche Erfindungen, die Welden durch seine eigenen Kreaturen zur Ausführung bringen läßt, um Gründe zu haben, wider eine Bevölkerung zu wüthen, die sich am Ende zwar in Masse erheben wird, indessen viel zu klug geworden ist, sich in einzelnen, fruchtlosen Emeuten aufzureiben. Keines der Welden'schen Manöver hat die Bevölkerung zur Nachahmung zu verführen vermocht, wie er gewünscht. Der Banditen- Esel hat geglaubt, ein offizieller Schuß in den Straßen würde das Volk zum Aufstand reizen und ihm selbst Gelegenheit geben, seine Mordwuth zu befriedigen. Darum die Schüsse aus Häusern, auf der Straße u. s. w.; aber noch keinen Thäter hat man ertappt. Kennten Sie die Infernalität unserer Polizeibande, Sie würden die Entdeckung der Thäter für eine Kleinigkeit halten <hi rendition="#g">müssen.</hi> Doch diese Thäter <hi rendition="#g">dürfen</hi> nicht entdeckt werden, es sind Welden'sche Banditen- Söldlinge.</p>
          <p>Um nun aber die Bevölkerung Wiens jedenfalls zum Aeußersten zu bringen, hat er sich 10,000 Sereschaner, Oguliner, Likkaner und Ottochaner, die auserlesensten Mordknechte der Erde, bestellt, und wird seinen Zweck mit ihnen erreichen. Denn diese Schaar wird durch ihre grausenhaften Unmenschlichkeiten die Bevölkerung Wiens so aufzustacheln wissen, daß sie sich vergessen muß. Die deutschen Hunde, die uns schon im Oktober den slavischen Mordgesellen preisgegeben, so sehr sie von deutschem Patriotismus faseln, werden dann nicht verfehlen, sich auf Seite der Krooten zu stellen, oder in hohes Bedenken und schweres Erwägen über die Seite, wo sich das Recht befindet, zu gerathen. O, es gibt nichts schauerlicheres auf Erden, als dies deutsche zähnebohrende Gesindel.</p>
          <p>Die Einleitung zu den künftigen Mordscenen Welden's macht eine Kundmachung in der Wienerin. Er setzt einen Preis von 100 Dukaten aus, wenn ihm ein Thäter eingebracht werde. Es wird genug Buben geben, die Welden'sche Polizei wird sie schon haben, welche den ersten besten Mißliebigen der That bezüchtigen, vor dem Kriegsgerichte die nöthigen Eide leisten und so dem Zweck entsprechen werden. Auf diese Weise erhält Welden für 100 Dukaten eine Urkunde darüber, daß Attentate stattfinden; er kann diese Urkunde dann überall vorlegen, Niemand darf mehr zweifeln.</p>
          <p>Die Rakete, welche am hellen Tage des 12ten zwischen dem Schotten- und Franzensthor aufstieg, ist von den Leuten Welden's losgelassen worden; die am Schenzel gefundene mit Granaten gefüllte Bombe ist von Welden's Leuten dort vergraben worden. Im hiesigen Publikum sind das keine Geheimnisse; was fragt aber Welden nach einem Publikum, das er gerade ermorden lassen will? Er will ja durch die selbstgemachten Attentate nur das Militär zur Wuth entflammen, und damit sie die rechte Manier des Mordens sehen und lernen, sollen Sereschaner die Avantgarde bilden.</p>
          <p>P. S. Die Sereschaner sind bereits eingetroffen; an ihren rothen Mänteln und Banditen- Physiognomien können wir uns nach Belieben ergötzen. Mit ihnen kamen auch 2 Bataillons Kroaten.</p>
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          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 17. Februar.</head>
          <p>Simson präsidirt. &#x2012; Tagesordnung, Entwurf des Reichswahlgesetzes. Vorher kommt nichts vor. &#x2012; Mehrere neue Anträge werden verlesen. &#x2012; Die Anzahl derselben zu diesem Gesetz ist wie sich voraussehen ließ Legion.</p>
          <p>Ich gebe die wichtigsten am geeigneten Ort. &#x2012; Vor der speziellen Diskussion über 1. wird ein Antrag von Rösler von Oels des Inhalts: &#x201E;nach Abstimmung über die einzelnen §§. des Wahlgesetzes ist noch über Annahme oder Verwerfung des ganzen Gesetzes schließlich abzustimmen.&#x201C; &#x2012; <hi rendition="#g">angenommen. Wernher von Nierstein</hi> spricht über Titel und Eingang des Gesetzes. Er ist gegen das allgemeine Wahlrecht und sucht geschichtlich zu beweisen, daß dasselbe nur für Völker die sich noch im Naturzustande befinden, passend ist &#x2012; &#x201E;Ich liebe mein Volk!&#x201C; ruft er pathetisch aus (homerisches Gelächter!) und eben deshalb will ich es vor den Gefahren behüten, an Dingen Theil zu nehmen, die es nicht versteht, wie an dem Wahlrecht! (Erneutes Gelächter der Gallerie. Simson verbietet der Gallerie das Lachen.) Dieser Ehrenmann (Wernher) schlägt vor, gar kein Wahlgesetz zu machen, sondern dies (hört! hört!) dem Staatenhause zu überlassen! &#x2012; Moritz Mohl und Eisenmann bekämpfen diesen noblen Vorschlag lebhaft. &#x2012; Folgt Debatte über §. 1 &#x2012; (31 Redner sind eingeschrieben.) von Linde beantragt die §§. 1 2 und 3 zusammen zu diskutiren. Auf der Rednerliste für den Entwurf stehen Beckerath und der edle Gagern. Mit 202 Stimmen gegen 171 wird beschlossen, die §§. 1 2 und 3 nicht zusammen zu fassen. Dagegen beschließt man mit 199 Stimmen gegen 182 die ersten beiden §§. zusammen zu diskutiren und zu votiren, wie der bemißtrauensvotete Biedermann vorschlug. &#x2012; Diese beiden fruchtlosen Abstimmungen kosteten eine volle Stunde. &#x2012; Zu biden §§. zusammen sind 91 Redner eingeschrieben. &#x2012;</p>
          <p>Jahn spricht zuerst zur Unterhaltung des Hauses gegen (!) den Entwurf. Unsinn und Sinn folgt so blitzschnell aufeinander in seiner Rede, daß man kaum folgen kann. Zuerst verbittet er sich allen Beifall und Mißfallsbezeugungen, gestattet dagegen der Presse in jeder Art über ihn herzufahren. Er verliest das preußische Wahlgesetz, wonach damals zur Nationalversammlung gewählt wurde, und scheint dies als Norm aufzustellen. Den vorliegenden Entwurf nennt er ein Mißtrauensvotum an's deutsche Volk. Er erinnert daran daß Deutschlands Sprache, Künste, Litteratur und jedes Attribut seiner Größe vom Volk, nicht von wenigen Erimirten erhalten worden. &#x2012; Die Fürsten hätten den ersten deutschen Volksbefreier Herrmann getödtet. Hier im Hause, sagt J., sehe ich viele die aus den Ständen hervorgegangen die man ausschließen will. &#x2012; Gegen den Begriff &#x201E;selbstständig&#x201C; (S. unten §. 1) erklärt er sich durchaus, als gegen einen vagen und unbegrenzten Begriff. &#x2012; Die Wahlberechtigung müsse bestehen in Tüchtigkeit und Tugend allein. &#x2012; Der Entwurf würde das Vaterland in zwei feindliche Lager theilen. &#x2012; Man solle sich hüten, nicht durch seinen Beschluß im vorliegenden Fall das Berliner Witzwort zu bewahrheiten: &#x201E;Die Stände seien aufgehoben, aber drei Stände seien übrig geblieben, der Belagerungszustand, der passive Widerstand und der Unverstand!&#x201C; &#x2012; (Gelächter und Beifall von allen Seiten des Hauses.) Professor von Raumer aus Berlin für den Entwurf mit einigen Aenderungen; aber für direkte Wahlen. (Beifall Centrum.) Hildebrand (von der Linken) Prof. aus Marbung, gegen den Ausschußentwurf. &#x2012; Seine Rede ist kurz und gut, bietet aber nichts Neues. Mölling (aus Oldenburg) für den Entwurf eingeschrieben spricht er fast gegen alle Bestimmungen desselben, für Zulassung der Dienstboten, Handwerker und Arbeiter, überhaupt ein volksthümliches Wahlgesetz. (Vicepräs.: Beseler präsidirt, und läßt einen solchen Lärm zu, daß man sein eigen Wort nicht, geschweige den Redner versteht.)</p>
          <p>Venedey. Jede Ausschließung vom Wahlrecht schafft zwei gegenüberstehende Klassen, berechtigte und nichtberechtigte Bürger. &#x2012; Ich bin deshalb gegen jede prinzipielle Beschränkung. &#x2012; Die Begriffe von Selbstständigkeit und Unbescholtenheit sind nicht zu fixiren. &#x2012; Der Geldcensus ist das Elendste was sie als Prinzip aufstellen können. &#x2012; Die Beispiele anderer Länder passen eben so wenig für Deutschland, wie die verschiedenen Röcke den verschiedenen Personen. Der Unterschied, den man in Frankreich zwischen Bourgeoisie und Pöbel macht, findet sich in Deutschland nicht, dies beweist schon, daß man sich bei einem ähnlichen Vergleich des fremden Wortes Bourgeoisie bedient. Nur durch die Theilnahme des Volkes an den Regierungsgeschäften des künftigen Deutschlands werden Sie im Stande sein ein einiges Deutschland zu bilden.</p>
          <p>Mathies (Professor aus Greifswald) neueingetretenes reaktionäres Mitglied, à la Beseler: &#x201E;Man solle sich ja hüten ein Wahlgesetz zu machen, was mit den angenommenen Bestimmungen der Verfassung disharmonirt, (kann man naiver sein?) und wohl gar dem Socialismus und Kommunismus die Thür öffnet. &#x2012; Ein Census scheine ihm noch am zweckmäßigsten zu sein. &#x2012; Wer möchte behaupten, daß das Wahlrecht, das Recht in das deutsche Volkshaus zu wählen, zu den allgemeinen Menschenrechten gehört? (Einige Reichstruppen auf der Gallerie lachen.) Hr. M. erklärt sich gegen das allgemeine Stimmrecht, es sei weder vernunftgemäß noch praktisch. (Rechts: sehr richtig! links: Hohngelächter!) Hr. M. ist sehr wüthend und perorirt die Linke. Wird von der Gallerie ausgelacht und vom Präsidenten zurechtgewiesen. &#x2012; Mit 21 Jahren könne man noch nicht verständig genug zum Wahlgeschäft sein! (Auch noch nicht mit 50-60 Jahren, wenn man ein Professor Mathies ist.) Der Art spricht der Ehrenmann bis zu Ende. Nach ihm wird um 1 1/2 Uhr vertagt. &#x2012; Montag Fortsetzung.</p>
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          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 19. Febr.</head>
          <p>National- Versammlung. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Debatte über den &#x201E;Reichswahlgesetzentwurf.&#x201C; Die Zahl der Amendements zu den beiden ersten Paragraphen beläuft sich bis jetzt beinahe auf 70. Der Präsident der würtembergischen Kammer ersucht die National- Versammlung in der Gründung des Baues der deutschen Einheit unbeirrt (soll heißen unbeirrt durch alle Noten) fortzufahren, und äußert die Hoffnung, dieser Bau werde doch noch begründet werden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Fuchs</hi> aus Breslau äußert sich in sittlicher Entrüstung darüber, daß die Versammlung statt um 9 Uhr, sich immer erst gegen 10 Uhr einfindet, und erklärt, er werde von jetzt an jeden Tag Punkt 9 Uhr auf Zählung der Mitglieder antragen. (Bravo der Centren.)</p>
          <p>Die Tagesordnung führt hierauf Herrn <hi rendition="#g">von Rappard</hi> auf die Tribüne, der gegen den Entwurf und für die unbeschränkteste Wahlfreiheit spricht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Mathy</hi> (Unterstaatssekretär). Das Wahlrecht sei kein Staatsbürgerrecht, weil &#x2012; es in den Grundrechten nicht aufgenommen worden ist! In Frankreich habe dies allgemeine Wahlrecht den Legitimisten gedient, diese seien Anhänger desselben, während die Republikaner sich vor der zweiten Anwendung dieses Rechtes fürchten würden. (Und deshalb spricht Mathy dagegen??) Hierauf vertheidigt der ehrenwerthe Reichspolizist die indirekten Wahlen. (Bravo rechts, Zischen links.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Wiesner</hi> (Unruhe rechts). Charakterisch für das Wahlgesetz sei es, daß dies vom Ausschuß einstimmig angenommene Wahlgesetz, jetzt sogar von einzelnen Ausschußmitgliedern bekämpft werde. Wiesner beantragt:</p>
          <p>&#x201E;Jeder 21jährige Deutsche ist wahlfähig.&#x201C;</p>
          <p>Die Ehre und den Schutz des Vaterlandes vertraue man ganz jungen Leuten, indem das Heer aus der Jugend gebildet werde, und zum Wahlgeschäft sollten sie nicht taugen? (Gallerien ließen W's Rede Bravo folgen, worüber die Rechte ein höhnisches Gelächter aufschlug.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Odilon- Gagern</hi> (Reichsministerpräsident). Er erklärt sich für einen Anhänger der Partei, welche das allgemeine Stimmrecht für unvereinbar mit dem Volkswohl hält. Er erbost sich sehr darüber, daß Vogt den Constitutionalismus eine Lüge genannt. Dann wäre auch die Republik eine Lüge, denn sie sei auch auf eine Constitution und auf Repräsentativverfassung gegründet. &#x2012; Ueber diese tiefe &#x201E;staatsmännische&#x201C; Hypothese erhebt sich links Zischen und Gelächter. Gagern meint, man möchte nachher lachen. Dieser Mann würde selbst das Zwergfell despotisiren, wenn es anginge. &#x2012; In der hessischen Kammer sei er für indirekte Wahlen gewesen, auch heute möchte er unter Umständen sich noch dafür erklären. Direkte Wahlen ohne Ausnahme in allen Wahlbezirken seien ein schreckliches Ding. Er wolle aber doch auf die indirekten Wahlen verzichten, und direkte zulassen, wenn das Stimmrecht kein allgemeines ist. Edler Mann, Du verzichtest auf die Peitsche, wenn Du die Knute gebrauchen darfst. &#x2012; Uebrigens, sagt G., sei es unwahr zu behaupten, der Ausschuß habe die Arbeiter durch den Ausschluß von den Wahlen schänden wollen. Kein Land in der Welt, ehre die Ackerbauer so sehr, nirgends seien die Fabrikarbeiter so gebildet und wohlgehalten, wie in Deutschland. &#x2012; (Und wäre dies so wahr als es unwahr ist, &#x2012; ist es dann ein Beweis dagegen, daß der Ausschuß mit seinem &#x201E;noblen Entwurf&#x201C; die Arbeit und die Arbeiter schmäht?!) Nach einigen Theatercoups und der Erklärung für das Beseler'sche Census- Amendement (es folgt später) verläßt der große Mann die Tribüne unter Beifall der Rechten und der Centren und Zischen links und Gallerien)</p>
          <p><hi rendition="#g">Tellkampf</hi> gegen den Entwurf. Man läuft ehrerbietig frühstücken, nachdem man den Edlen gehört hat.</p>
          <p><hi rendition="#g">Eisenstuck.</hi> Er erklärt sich insoweit einverstanden mit dem Ausschuß, als ein gewisses Alter für die Wahlberechtigung festzustellen sei, und die Wahlen selbst direkte seien müssen. In allem Uebrigen haben ihm die Vorschläge des Ausschusses eine bittere Stunde bereitet. &#x2012; Indem der Ausschuß von vorneherein die Selbstständigkeit als Bedingung aufstellt, und hinterdrein die Arbeiter ausschließt, erklärt er daß in der Arbeit die Unselbstständigkeit liegt. &#x2012; Als er diese Bestimmungen über die Ausschließung des Volks gelesen, habe er unwillkührlich ausgerufen &#x201E;Herr vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun!&#x201C; Nie würden sich die Bestimmungen des Entwurfs realisiren lassen. &#x2012; Haben Sie bei Ausschließung der Dienstboten auch an jene Dienstboten gedacht, die man ausschließlich Hofgesindel nennt, und welche sich von den anderen Dienstboten nur dadurch unterscheiden, daß sie das Geld aus den Taschen derer beziehen, denen sie keine Dienste leisten. &#x2012; (Jubel auf den Gallerieen. Bravo links.) Ein Census sei in Deutschland bei der Ungleichheit des Werthes des Besitzthums ganz unmöglich durchzuführen. &#x2012; Mehrere von den gestellten Amendements macht Eisenstuck in sehr schlagender Weise lächerlich. &#x2012; Der Census- Antrag von Beseler (ich gebe ihn später) sei noch scheußlicher, er schließe 70 Procent der Bevölkerung aus (links: sehr wahr! sehr gut!) &#x2012; Endlich empfiehlt er Betheiligung aller großjährigen Deutschen an den Wahlen, ohne alle weitere Bedingung!&#x201C; (langanhaltender Beifall!!) Zugleich erfahren wir daß der
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[1253/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. Nr. 228. Köln, Donnerstag den 22. Februar 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 71/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine- Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. Nur frankirte, Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Hageh. ‒ „R. Pr. Z “) Berlin. (Vermischtes.) Greifswald. (Assessor Böhmer.) Wien. (Welden. ‒ Sereschaner.) Frankfurt. (Zwei Sitzungen der Nationalversammlung.) Jena. (Gerichtliches.) Schleswig- Holstein. (Die Reichstruppen. ‒ Bewaffnungsanstalten.) Ungarn. (Windischgrätz. ‒ Juden und Sudslaven.) Agram. (Ursache des Belagerungszustandes von Karlowitz) Von der östreichischen Gränze. (Effek angeblich von den Kroaten genommen) Schweiz. Wallis. (Auflösung der römischen Schweizerregimenter.) Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ Zwei Sitzungen der National- Versammlung.) Belgien. Brüssel. (Neueste Nachrichten aus dem Musterstaate.) Großbritannien. London. (Parlamentssitzung. ‒ Der Umweg um das Cap Horn.) Italien. (Die Proklamation der Republik in Rom ‒ Die provisorische Regierung in Toskana und Leopold. ‒ Schreiben des ungarischen Gesandten an die Turiner Deputirtenkammer) Civita- Becchia. (Neapolitanische Pläne gegen Rom.) Rom. (Die Einsetzung der Republik.) Florenz. (Richtung der Flucht des Großherzogs.) Turin. (Chanowski.) Deutschland. * Köln, 20. Febr. Im Wahlkreis Bonn- Siegburg wird übermorgen ein Abgeordneter für die zweite Kammer gewählt. Wir empfehlen den betreffenden Wahlmännern den Advokat- Anwalt Dr. Hagen in Köln. Köln, 20. Febr. Herr Zabel meldet sich bei der Doppelwahl von Gierse in Westphalen. ‒ Die National- Zeitung erwartet, daß ein jeder Westphälinger seine Schuldigkeit thut! (N. Pr. Z.) X Berlin, 18. Febr. Seit einiger Zeit sind hier ungewöhnlich viel Personen in türkischer Kleidung und mit türkischen Pässen eingetroffen, was natürlich namentlich bei der Polizei Aufsehen und allerhand Vermuthungen erregte. Man glaubte nämlich, es seien verkleidete Ungarn und hat daher die Regierung an die Grenzbehörden in Schlesien den Befehl abgehen lassen, Inhaber solcher Pässe nicht mehr so ohne Weiteres einpassiren zu lassen. ‒ Mit der Epurirung des Königlichen Hof- und Diener- Personals von allen irgendwie demokratischer Gesinnung verdächtigen Subjekten wird aufs eifrigste fortgefahren. So hat unter Andern gestern der Kastellan des Schlosses in Potsdam, trotz seiner vieljährigen Dienste, seinen Posten räumen müssen. ‒ Berlin, 19. Febr. Aus Münster geht die traurige Nachricht ein, daß Se. Königl. Hoheit der Prinz Waldemar von Preußen daselbst am 17. d. M. Nachmittags 4 Uhr an einem Herzleiden verstorben ist. Berlin. Herr Heramer hat Aussicht, eine reiche Partie zu machen, die Liebschaft ist wenigstens angeknüpft. Die Demokratie darf sich aber nicht einbilden, von einer reichen Frau pekuniäre Vortheile zu ziehen. Herr Ruge hat bereits gezeigt, welche Ansichten von Communismus man in diesem Punkt hegt. Der Einzige, welcher närrisch genug gewesen, sein Geld für Parteizwecke zu opfern, ist Assessor Jung. (R. Pr. Ztg.) 103 Greifswald, 17. Febr. Unser Großinquisitor, Assessor Böhmer, hat sich durch seine zahlreichen Blamagen bei Gelegenheit von Verhaftungen hier schon einen nicht unbedeutenden Namen gemacht. Charakteristisch für ihn ist die neuliche Verhaftung eines Chirurgen Herrn Pfalzgraf. Diesen Herrn hat sein Eifer, Excesse zu verhüten, in das Gefängniß gebracht. Am 5. Abends nämlich wurden einem seiner politischen Gesinnungslosigkeit wegen verhaßten Manne die Fenster eingeworfen. Obgleich sich deswegen nur etwa 60 Menschen versammelten, konsignirte man dennoch augenblicklich die Bürgerwehr. Zur Verhütung von Exzessen nun ermahnte der _ Pfalzgraf die versammelte Menge, auseinanderzugehen. In dem Augenblick jedoch erscheint ein Theil der Bürgerwehr, circa 60 bis 70 Mann, die ohne irgend welche Veranlassung noch vorheriger Aufforderung die Gewehre fällen, sich zerstreuen und so vereinzelt auf die Einzelnen loshauen und stechen. Vor solcher Brutalität jener ehrenwerthen Ordnungsbestien rettete sich unter anderen durch die Flucht _ auch _ Herr Pf. Doch der Scylla entflohen, ereilte ihn die entsetzliche Charybdis: Hr. Böhmer Wohlgeboren forderte ihn vor sein unfehlbares Forum und läßt ihn seine strenge und furchtbare Logik fühlen. Ehe noch der Beklagte sich an den Anblick der gestrengen Herren Richter hat gewöhnen können, donnert ihn Herr B. wie folgt, an: „Ihre Theilnahme an der Emeute vom 5. ist durch ihre Flucht bewiesen; Sie haben aber auch, leugnen Sie es nicht, die versammelte Menge in befehlendem Tone aufgefordert, sich zu zerstreuen; daß Sie befehlend sprachen, legt unumstößlich dar, daß Sie befehlen durften; daraus wieder folgt, daß Sie Anstifter oder Anführer jener Rotte gewesen sind, und müssen deshalb die Strafgesetze gegen Sie angewendet werden. Haben Sie darauf etwas zu erwidern? Ihre Aussage soll auch zu Protokoll genommen werden, Sie sehen, daß wir unparteiisch sind.“ Zu seinem Glück wußte gegen eine so starke Logik der Angeklagte nichts zu sagen und murmelte nur noch: O Allmächtiger, beschütze mich ‒ nicht vor Wahnsinn ‒ nur vor dem Untersuchungsrichter, Assessor Böhmer. 61 Wien, 14. Febr. Oestreich hat nur zwei Möglichkeiten: die eine Möglichkeit heißt Metternich, und mit dieser ist's formel vorüber; die andere Möglichkeit heißt Standrecht, aber auch mit dieser ist's aus. Der Uebergang aus dem Standrecht zum Metternich ist unmöglich. Oestreich tritt in die dritte Phase, diese Phase heißt „Untergang“. Mit dem ungeheuersten Donnergetöse verkündet sich schon Oestreichs jüngster Tag; der Tag ist nahe. Melden will diesen Tag beschleunigen. Die letzte Ohnmacht des Olmützer Banditen-Regimentes soll durch das Verröcheln von Tausenden noch einmal konstatirt werden. 10,000 Sereschauer werden binnen Kurzem hier ein einrücken, um den Abgang der Garnison zu ergänzen. Welden hat sich gerade diese Banditen ausersehen, weil er von unersättlichen Tigergelüsten gequält wird, von dem Gelüste, die Bevölkerung Wiens mit den Messern der Sereschaner hekatombenweise abermals zu schlachten. Die Wiener rühren sich nicht, Jedermann weiß, daß die sogenannten Attentate auf das Militär, all die der Bevölkerung gemachten Beschuldigungen, welche die fabelhaft bornirten deutschen Blätter als baare Münze hinnehmen, nichts sind, als absichtliche Erfindungen, die Welden durch seine eigenen Kreaturen zur Ausführung bringen läßt, um Gründe zu haben, wider eine Bevölkerung zu wüthen, die sich am Ende zwar in Masse erheben wird, indessen viel zu klug geworden ist, sich in einzelnen, fruchtlosen Emeuten aufzureiben. Keines der Welden'schen Manöver hat die Bevölkerung zur Nachahmung zu verführen vermocht, wie er gewünscht. Der Banditen- Esel hat geglaubt, ein offizieller Schuß in den Straßen würde das Volk zum Aufstand reizen und ihm selbst Gelegenheit geben, seine Mordwuth zu befriedigen. Darum die Schüsse aus Häusern, auf der Straße u. s. w.; aber noch keinen Thäter hat man ertappt. Kennten Sie die Infernalität unserer Polizeibande, Sie würden die Entdeckung der Thäter für eine Kleinigkeit halten müssen. Doch diese Thäter dürfen nicht entdeckt werden, es sind Welden'sche Banditen- Söldlinge. Um nun aber die Bevölkerung Wiens jedenfalls zum Aeußersten zu bringen, hat er sich 10,000 Sereschaner, Oguliner, Likkaner und Ottochaner, die auserlesensten Mordknechte der Erde, bestellt, und wird seinen Zweck mit ihnen erreichen. Denn diese Schaar wird durch ihre grausenhaften Unmenschlichkeiten die Bevölkerung Wiens so aufzustacheln wissen, daß sie sich vergessen muß. Die deutschen Hunde, die uns schon im Oktober den slavischen Mordgesellen preisgegeben, so sehr sie von deutschem Patriotismus faseln, werden dann nicht verfehlen, sich auf Seite der Krooten zu stellen, oder in hohes Bedenken und schweres Erwägen über die Seite, wo sich das Recht befindet, zu gerathen. O, es gibt nichts schauerlicheres auf Erden, als dies deutsche zähnebohrende Gesindel. Die Einleitung zu den künftigen Mordscenen Welden's macht eine Kundmachung in der Wienerin. Er setzt einen Preis von 100 Dukaten aus, wenn ihm ein Thäter eingebracht werde. Es wird genug Buben geben, die Welden'sche Polizei wird sie schon haben, welche den ersten besten Mißliebigen der That bezüchtigen, vor dem Kriegsgerichte die nöthigen Eide leisten und so dem Zweck entsprechen werden. Auf diese Weise erhält Welden für 100 Dukaten eine Urkunde darüber, daß Attentate stattfinden; er kann diese Urkunde dann überall vorlegen, Niemand darf mehr zweifeln. Die Rakete, welche am hellen Tage des 12ten zwischen dem Schotten- und Franzensthor aufstieg, ist von den Leuten Welden's losgelassen worden; die am Schenzel gefundene mit Granaten gefüllte Bombe ist von Welden's Leuten dort vergraben worden. Im hiesigen Publikum sind das keine Geheimnisse; was fragt aber Welden nach einem Publikum, das er gerade ermorden lassen will? Er will ja durch die selbstgemachten Attentate nur das Militär zur Wuth entflammen, und damit sie die rechte Manier des Mordens sehen und lernen, sollen Sereschaner die Avantgarde bilden. P. S. Die Sereschaner sind bereits eingetroffen; an ihren rothen Mänteln und Banditen- Physiognomien können wir uns nach Belieben ergötzen. Mit ihnen kamen auch 2 Bataillons Kroaten. !!! Frankfurt, 17. Februar. Simson präsidirt. ‒ Tagesordnung, Entwurf des Reichswahlgesetzes. Vorher kommt nichts vor. ‒ Mehrere neue Anträge werden verlesen. ‒ Die Anzahl derselben zu diesem Gesetz ist wie sich voraussehen ließ Legion. Ich gebe die wichtigsten am geeigneten Ort. ‒ Vor der speziellen Diskussion über 1. wird ein Antrag von Rösler von Oels des Inhalts: „nach Abstimmung über die einzelnen §§. des Wahlgesetzes ist noch über Annahme oder Verwerfung des ganzen Gesetzes schließlich abzustimmen.“ ‒ angenommen. Wernher von Nierstein spricht über Titel und Eingang des Gesetzes. Er ist gegen das allgemeine Wahlrecht und sucht geschichtlich zu beweisen, daß dasselbe nur für Völker die sich noch im Naturzustande befinden, passend ist ‒ „Ich liebe mein Volk!“ ruft er pathetisch aus (homerisches Gelächter!) und eben deshalb will ich es vor den Gefahren behüten, an Dingen Theil zu nehmen, die es nicht versteht, wie an dem Wahlrecht! (Erneutes Gelächter der Gallerie. Simson verbietet der Gallerie das Lachen.) Dieser Ehrenmann (Wernher) schlägt vor, gar kein Wahlgesetz zu machen, sondern dies (hört! hört!) dem Staatenhause zu überlassen! ‒ Moritz Mohl und Eisenmann bekämpfen diesen noblen Vorschlag lebhaft. ‒ Folgt Debatte über §. 1 ‒ (31 Redner sind eingeschrieben.) von Linde beantragt die §§. 1 2 und 3 zusammen zu diskutiren. Auf der Rednerliste für den Entwurf stehen Beckerath und der edle Gagern. Mit 202 Stimmen gegen 171 wird beschlossen, die §§. 1 2 und 3 nicht zusammen zu fassen. Dagegen beschließt man mit 199 Stimmen gegen 182 die ersten beiden §§. zusammen zu diskutiren und zu votiren, wie der bemißtrauensvotete Biedermann vorschlug. ‒ Diese beiden fruchtlosen Abstimmungen kosteten eine volle Stunde. ‒ Zu biden §§. zusammen sind 91 Redner eingeschrieben. ‒ Jahn spricht zuerst zur Unterhaltung des Hauses gegen (!) den Entwurf. Unsinn und Sinn folgt so blitzschnell aufeinander in seiner Rede, daß man kaum folgen kann. Zuerst verbittet er sich allen Beifall und Mißfallsbezeugungen, gestattet dagegen der Presse in jeder Art über ihn herzufahren. Er verliest das preußische Wahlgesetz, wonach damals zur Nationalversammlung gewählt wurde, und scheint dies als Norm aufzustellen. Den vorliegenden Entwurf nennt er ein Mißtrauensvotum an's deutsche Volk. Er erinnert daran daß Deutschlands Sprache, Künste, Litteratur und jedes Attribut seiner Größe vom Volk, nicht von wenigen Erimirten erhalten worden. ‒ Die Fürsten hätten den ersten deutschen Volksbefreier Herrmann getödtet. Hier im Hause, sagt J., sehe ich viele die aus den Ständen hervorgegangen die man ausschließen will. ‒ Gegen den Begriff „selbstständig“ (S. unten §. 1) erklärt er sich durchaus, als gegen einen vagen und unbegrenzten Begriff. ‒ Die Wahlberechtigung müsse bestehen in Tüchtigkeit und Tugend allein. ‒ Der Entwurf würde das Vaterland in zwei feindliche Lager theilen. ‒ Man solle sich hüten, nicht durch seinen Beschluß im vorliegenden Fall das Berliner Witzwort zu bewahrheiten: „Die Stände seien aufgehoben, aber drei Stände seien übrig geblieben, der Belagerungszustand, der passive Widerstand und der Unverstand!“ ‒ (Gelächter und Beifall von allen Seiten des Hauses.) Professor von Raumer aus Berlin für den Entwurf mit einigen Aenderungen; aber für direkte Wahlen. (Beifall Centrum.) Hildebrand (von der Linken) Prof. aus Marbung, gegen den Ausschußentwurf. ‒ Seine Rede ist kurz und gut, bietet aber nichts Neues. Mölling (aus Oldenburg) für den Entwurf eingeschrieben spricht er fast gegen alle Bestimmungen desselben, für Zulassung der Dienstboten, Handwerker und Arbeiter, überhaupt ein volksthümliches Wahlgesetz. (Vicepräs.: Beseler präsidirt, und läßt einen solchen Lärm zu, daß man sein eigen Wort nicht, geschweige den Redner versteht.) Venedey. Jede Ausschließung vom Wahlrecht schafft zwei gegenüberstehende Klassen, berechtigte und nichtberechtigte Bürger. ‒ Ich bin deshalb gegen jede prinzipielle Beschränkung. ‒ Die Begriffe von Selbstständigkeit und Unbescholtenheit sind nicht zu fixiren. ‒ Der Geldcensus ist das Elendste was sie als Prinzip aufstellen können. ‒ Die Beispiele anderer Länder passen eben so wenig für Deutschland, wie die verschiedenen Röcke den verschiedenen Personen. Der Unterschied, den man in Frankreich zwischen Bourgeoisie und Pöbel macht, findet sich in Deutschland nicht, dies beweist schon, daß man sich bei einem ähnlichen Vergleich des fremden Wortes Bourgeoisie bedient. Nur durch die Theilnahme des Volkes an den Regierungsgeschäften des künftigen Deutschlands werden Sie im Stande sein ein einiges Deutschland zu bilden. Mathies (Professor aus Greifswald) neueingetretenes reaktionäres Mitglied, à la Beseler: „Man solle sich ja hüten ein Wahlgesetz zu machen, was mit den angenommenen Bestimmungen der Verfassung disharmonirt, (kann man naiver sein?) und wohl gar dem Socialismus und Kommunismus die Thür öffnet. ‒ Ein Census scheine ihm noch am zweckmäßigsten zu sein. ‒ Wer möchte behaupten, daß das Wahlrecht, das Recht in das deutsche Volkshaus zu wählen, zu den allgemeinen Menschenrechten gehört? (Einige Reichstruppen auf der Gallerie lachen.) Hr. M. erklärt sich gegen das allgemeine Stimmrecht, es sei weder vernunftgemäß noch praktisch. (Rechts: sehr richtig! links: Hohngelächter!) Hr. M. ist sehr wüthend und perorirt die Linke. Wird von der Gallerie ausgelacht und vom Präsidenten zurechtgewiesen. ‒ Mit 21 Jahren könne man noch nicht verständig genug zum Wahlgeschäft sein! (Auch noch nicht mit 50-60 Jahren, wenn man ein Professor Mathies ist.) Der Art spricht der Ehrenmann bis zu Ende. Nach ihm wird um 1 1/2 Uhr vertagt. ‒ Montag Fortsetzung. !!! Frankfurt, 19. Febr. National- Versammlung. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Debatte über den „Reichswahlgesetzentwurf.“ Die Zahl der Amendements zu den beiden ersten Paragraphen beläuft sich bis jetzt beinahe auf 70. Der Präsident der würtembergischen Kammer ersucht die National- Versammlung in der Gründung des Baues der deutschen Einheit unbeirrt (soll heißen unbeirrt durch alle Noten) fortzufahren, und äußert die Hoffnung, dieser Bau werde doch noch begründet werden. Fuchs aus Breslau äußert sich in sittlicher Entrüstung darüber, daß die Versammlung statt um 9 Uhr, sich immer erst gegen 10 Uhr einfindet, und erklärt, er werde von jetzt an jeden Tag Punkt 9 Uhr auf Zählung der Mitglieder antragen. (Bravo der Centren.) Die Tagesordnung führt hierauf Herrn von Rappard auf die Tribüne, der gegen den Entwurf und für die unbeschränkteste Wahlfreiheit spricht. Mathy (Unterstaatssekretär). Das Wahlrecht sei kein Staatsbürgerrecht, weil ‒ es in den Grundrechten nicht aufgenommen worden ist! In Frankreich habe dies allgemeine Wahlrecht den Legitimisten gedient, diese seien Anhänger desselben, während die Republikaner sich vor der zweiten Anwendung dieses Rechtes fürchten würden. (Und deshalb spricht Mathy dagegen??) Hierauf vertheidigt der ehrenwerthe Reichspolizist die indirekten Wahlen. (Bravo rechts, Zischen links.) Wiesner (Unruhe rechts). Charakterisch für das Wahlgesetz sei es, daß dies vom Ausschuß einstimmig angenommene Wahlgesetz, jetzt sogar von einzelnen Ausschußmitgliedern bekämpft werde. Wiesner beantragt: „Jeder 21jährige Deutsche ist wahlfähig.“ Die Ehre und den Schutz des Vaterlandes vertraue man ganz jungen Leuten, indem das Heer aus der Jugend gebildet werde, und zum Wahlgeschäft sollten sie nicht taugen? (Gallerien ließen W's Rede Bravo folgen, worüber die Rechte ein höhnisches Gelächter aufschlug.) Odilon- Gagern (Reichsministerpräsident). Er erklärt sich für einen Anhänger der Partei, welche das allgemeine Stimmrecht für unvereinbar mit dem Volkswohl hält. Er erbost sich sehr darüber, daß Vogt den Constitutionalismus eine Lüge genannt. Dann wäre auch die Republik eine Lüge, denn sie sei auch auf eine Constitution und auf Repräsentativverfassung gegründet. ‒ Ueber diese tiefe „staatsmännische“ Hypothese erhebt sich links Zischen und Gelächter. Gagern meint, man möchte nachher lachen. Dieser Mann würde selbst das Zwergfell despotisiren, wenn es anginge. ‒ In der hessischen Kammer sei er für indirekte Wahlen gewesen, auch heute möchte er unter Umständen sich noch dafür erklären. Direkte Wahlen ohne Ausnahme in allen Wahlbezirken seien ein schreckliches Ding. Er wolle aber doch auf die indirekten Wahlen verzichten, und direkte zulassen, wenn das Stimmrecht kein allgemeines ist. Edler Mann, Du verzichtest auf die Peitsche, wenn Du die Knute gebrauchen darfst. ‒ Uebrigens, sagt G., sei es unwahr zu behaupten, der Ausschuß habe die Arbeiter durch den Ausschluß von den Wahlen schänden wollen. Kein Land in der Welt, ehre die Ackerbauer so sehr, nirgends seien die Fabrikarbeiter so gebildet und wohlgehalten, wie in Deutschland. ‒ (Und wäre dies so wahr als es unwahr ist, ‒ ist es dann ein Beweis dagegen, daß der Ausschuß mit seinem „noblen Entwurf“ die Arbeit und die Arbeiter schmäht?!) Nach einigen Theatercoups und der Erklärung für das Beseler'sche Census- Amendement (es folgt später) verläßt der große Mann die Tribüne unter Beifall der Rechten und der Centren und Zischen links und Gallerien) Tellkampf gegen den Entwurf. Man läuft ehrerbietig frühstücken, nachdem man den Edlen gehört hat. Eisenstuck. Er erklärt sich insoweit einverstanden mit dem Ausschuß, als ein gewisses Alter für die Wahlberechtigung festzustellen sei, und die Wahlen selbst direkte seien müssen. In allem Uebrigen haben ihm die Vorschläge des Ausschusses eine bittere Stunde bereitet. ‒ Indem der Ausschuß von vorneherein die Selbstständigkeit als Bedingung aufstellt, und hinterdrein die Arbeiter ausschließt, erklärt er daß in der Arbeit die Unselbstständigkeit liegt. ‒ Als er diese Bestimmungen über die Ausschließung des Volks gelesen, habe er unwillkührlich ausgerufen „Herr vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun!“ Nie würden sich die Bestimmungen des Entwurfs realisiren lassen. ‒ Haben Sie bei Ausschließung der Dienstboten auch an jene Dienstboten gedacht, die man ausschließlich Hofgesindel nennt, und welche sich von den anderen Dienstboten nur dadurch unterscheiden, daß sie das Geld aus den Taschen derer beziehen, denen sie keine Dienste leisten. ‒ (Jubel auf den Gallerieen. Bravo links.) Ein Census sei in Deutschland bei der Ungleichheit des Werthes des Besitzthums ganz unmöglich durchzuführen. ‒ Mehrere von den gestellten Amendements macht Eisenstuck in sehr schlagender Weise lächerlich. ‒ Der Census- Antrag von Beseler (ich gebe ihn später) sei noch scheußlicher, er schließe 70 Procent der Bevölkerung aus (links: sehr wahr! sehr gut!) ‒ Endlich empfiehlt er Betheiligung aller großjährigen Deutschen an den Wahlen, ohne alle weitere Bedingung!“ (langanhaltender Beifall!!) Zugleich erfahren wir daß der

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 228. Köln, 22. Februar 1849, S. 1253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz228_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.