Neue Rheinische Zeitung. Nr. 217. Köln, 9. Februar 1849.schon gestern Abend offiziell durch das Intelligenzblatt veröffentlichen ließ. In dem gestern von uns erwähnten Injurienprozeß des Literaten Schweizer gegen den Buchdrucker Sittenfeld, wozu heute Vormittag Termin stattfand, bestritt zunächst der Verklagte die Identität des Klägers mit dem in den "Enthüllungen" genannten Schweizer. Sodann lehnte er jede Verantwortlichkeit ab, da der Kläger ihn nicht vorher nach dem Namen des Verfassers gefragt; und endlich wies er jede Wissenschaft über den Inhalt der "Enthüllungen" von sich. Aufgefordert den Verfasser zu nennen, gab er den Namen eines gewissen Wilhelm Piersig, Privatsekretär, wohnhaft: Chaussestraße 76, an. Es ist dies ein ganz unbekannter Mensch, der offenbar nur als Strohmann vorgeschoben ist. Schweizer zog hierauf die Anklage gegen den Drucker zurück, hielt aber die gegen den Verbreiter aufrecht. Sittenfeld gestand zu, daß die "Enthüllungen" in seinem Hause verkauft worden seien, es sei dies aber auf Rechnung des Verfassers geschehen und er wisse eben nichts vom Inhalt. Schweizer nahm hierauf seine Klage zurück und behielt sich vor, gegen den als Verfasser bezeichneten Piersig klagbar zu werden. Sittenfeld wird bei diesem zweiten Prozeß als Zeuge figuriren. Der Herausgeber des "Publicisten," Krim.-G.-Act. Thiele, hatte letzthin in einem Aufsatze auf die in mehreren politischen Prozessen der neuern Zeit vorgekommene Erscheinung aufmerksam gemacht, daß die Zeugen sehr häufig in der öffentlichen Sitzung ganz anders aussagten, als in der Voruntersuchung ihnen in den Mund gelegt worden. Der Verfasser hatte dabei ziemlich scharf auf die Mängel unserer Untersuchungsrichter hingewiesen, indem er diese Widersprüche zum Theil dadurch zu erklären suchte, daß es den Untersuchungsrichtern oft an der nöthigen Präzision des Ausdruckes fehle. Auf Anlaß dieses Artikels und auf höheren Befehl ist nun Thiele dieser Tage zur Untersuchung gezogen worden, weil jener Artikel eine Schmähung des Standes der Untersuchungsrichter enthalte. Zugleich aber ist ihm auch privatim die Weisung geworden, zukünftig seinem Blatte eine andere Haltung zu geben, wenn sein Amt ihm lieb sei. Man sieht hieraus, wie im Justizministerium die Preß- und Meinungsfreiheit verstanden wird. * Berlin, 6. Febr. Der hauptsächlich wegen seiner demokratischen Bestrebungen verhaftet gewesene und jetzt wieder freigelassene Justizkommissar Streber hat folgende Erklärung abgegeben: "Die Presse hat mir neuerdings die Ehre angethan, sich mit meiner Verhaftung mehrfach und zum Theil auf die gehässigste Weise zu beschäftigen. Es kann nicht meine Absicht sein, mich über die Lage der Untersuchung vor dem Urtel, dem ich in kürzester Frist und ruhig entgegensehen darf, auszusprechen. Schon jetzt aber kann ich die voreilige Behauptung Natürlich ist auch die Hauptsache, "meine demokratischen Wühlereien" nicht vergessen worden. Gilt es diesen zu begegnen, so gibt es eine sichere und jedenfalls ehrenhaftere Waffe als rohe Gewalt, -- die Ueberzeugung! So lange ich aber mit dieser nicht besiegt bin, werde ich unbeirrt den politischen Grundsätzen treu bleiben, für die ich seit zwanzig Jahren, oft unter schweren Opfern und allein im Dienste der Wahrheit, gekämpft habe. Daß ich nicht ohne Erfolg gekämpft, dafür bürgt mir die Bosheit meiner Feinde. F. L. Streber." * Berlin, 6. Feb. Ueber die hiesigen Wahlen drückt sich die "Galgenzeitung" an der Spree folgendermaßen aus: "Wir haben bereits gesagt, daß wir ein anderes Resultat nicht erwartet haben und nicht erwarten konnten. Die Masse der demokratischen Wahlmänner, unter denen sich viele ehemalige Sträflinge, Banquerottiers und Subjekte befanden, deren sich die eigene Partei schämte, war überwiegend und mußte erklärte Republikaner, Aufwiegler und Landesverräther wählen! Wir beklagen uns nicht darüber. Aber über Eines wollen wir uns beklagen, das ist über die Schwäche der konservativen Partei, die einen Grabow, ja einen Gneist, der Revolutionspartei als Gegenkandidaten stellt und so schmachvoll selbst im Prinzip sich besiegen läßt. In dem Wahn, daß, wenn man solche Zugeständnisse mache, ein großer Theil der gut organisirten und dressirten Radikalen aus Höflichkeit und Gefälligkeit übertreten und beistimmen werde, stellt man einen durch sein Schwanken und Laviren bekannt gewordenen Mann, stellt man einen rein Oppositionellen, nur weil er nicht gerade zu den direkten Todtschlägern gehört! auf, ficht für diese Schattenbilder, statt wenigstens den moralischen Eindruck einer Demonstration durch das Stimmen für einen der aufgetretenen Kandidaten -- und es waren deren genug vorhanden von gutem und tüchtigem Klang im Lande! -- von fester konservativer Haltung zu retten. Wenn die Herren Wahlmänner der konservativen Partei meinen, daß ihre konservativen Urwähler ihnen das Mandat zu einem solchen linken Seiltänzersprunge gegeben, dann haben sie ihre Wahl herzlich schlecht verstanden, uns aber muß das weggeworfene Vertrauen reuen, und wir finden in der Niederlage der konservativen Wahlmänner nur eine gerechte und wohlverdiente Strafe ihrer zweizüngigen und taktlosen Haltung! Sand darüber, denn Gott sei Dank, Berlin war nie die Hauptstadt Preußens, jetzt aber ist längst das wahre Preußen außerhalb Berlins." Berlin, 6. Febr. Der "Preuß. St.-A." bringt folgende Wahlresultate: Provinz Brandenburg. Regierungsbezirk Frankfurt. Im 2. Wahlbezirk: 1) Kammergerichts-Assessor Schröck zu Landberg a. d. W., 2) Rittergutsbesitzer Bremel auf Rehnitz. Im 4. Wahlbezirk: 1) Graf Görtz-Wriesberg, Lieutenant a. D., 2) Assessor v. Schirnding. Im 8. Wahlbezirk: 1) Geh. Reg.-Rath a. D. v. Werdeck, 2) Bürgermeister Peschke in Spremberg. Im 9. Wahlbezirk: 1) Staatsminister v. Manteuffel, 2) Prediger Schellenberg. Regierungsbezirk Potsdam. Im 1. Wahlbezirk: 1) Schulze Heuer aus Sedenbeck, 2) Justizrath Breithaupt aus Havelberg. Im 3. Wahlbezirk: 1) Krahn, Justizrath in Kremmen, 2) v. Patow, wirkl. Geh. Legationsrath in Potsdam. Im 4. Wahlbezirk: v. Bodelschwingh, Geh. Staatsminister a. D., 2) Frhr. v. Vincke, Landrath a. D. in Hagen. Im 5. Wahlbezirk: 1) Landrath v. Arnim in Angermünde, 2) Prof. Keller in Berlin, 3) Geh. Archivrath Riedel in Berlin, 4) Reg.-Rath Elwanger in Breslau. Im 6. Wahlbezirk: 1) Oberbürgermeister Grabow in Prenzlau, 2) Staatsminister a. D. Graf v. Arnim. Im 7. Wahlbezirk: 1) v. Bismark-Schönhausen, 2) Amtmann Winterfeldt zu Keltzniel. Im 8. Wahlbezirk: 1) Oberregierungsrath v. Fock in Potsdam, 2) Geh. Jommerzienrath Carl in Luckenwalde. Provinz Pommern. Regierungsbezirk Stettin. Im 3. Wahlbezirk: 1) Justizkommissar Krause, 2) Amtsrath Kögel auf Gorden. Im 4. Wahlbezirk: 1) Landrath a. D. v. Wedell, 2) Landrathamts-Verweser Rittmeister Asch. Provinz Sachsen. Regierungsbezirk Magdeburg. Im 1. Wahlbezirk: 1) Regierungsrath v. Unruh, 2) Prof. Pax. Regierungsbezirk Merseburg. Im 4. Wahlbezirk: 1) Fabrikant Jakob in Halle, 2) Pastor Fubel in Domnitz. Im 7. Wahlbezirk: 1) Justizkommissar Etzdorf in Neumarkt, 2) Bürgermeister Seffner in Merseburg. Provinz Schlesien. Regierungsbezirk Breslau. Im 1. Wahlbezirk: 1) Dr. Stein, 2) Stadtgerichtsrath Pflücker. Im 2. Wahlbezirk: 1) Graf von Ziethen, 2) Stadtrath Ludewig. Regierungsbezirk Liegnitz. Im 5. Wahlbezirk: 1) Regierungsrath v. Merckel in Liegnitz, 2) Bauergutsbesitzer Willenberg in Groß-Wandris. Im 7. Wahlbezirk: 1) Fürstenthumsgerichts-Sekretär Merres in Sagan, 2) Gerichtsscholz Eckardt in Märzdorf. 140 Aus dem Kreise Liegnitz, 5. Februar. Sieg der Demokratie! In der heutigen Wahl zweier Abgeordneten für die zweite Kammer wurden beide Kandidaten der demokratischen Partei, jeder sogleich im ersten Scrutinium mit Majorität durchgesetzt. Der erste Bürgerwehroberst v. Merckel, als Regierungsrath suspendirt und in Disziplinaruntersuchung befindlich, weil er im November auf die Seite der Nationalversammlung getreten und an den hierauf bezüglichen Schritten am hiesigen Orte Theil genommen, erhielt von 298 gegen 171 Stimmen, der Zweite Bauergutsbesitzer Willenberg aus Groß-Wandris hies. Kreis, Mitglied der Linken der aufgehobenen Nationalversammlung, der für die Steuerverweigerung gestimmt, erhielt 151 Stimmen. Der konstitutionelle Gegenkandidat, Gerichtsdirektor Hoffmann-Schetz von hier erhielt bei der ersten Abstimmung 125, bei der zweiten 133 Stimmen. So sind alle Geldopfer und Umtriebe der Gegenpartei vergeblich gewesen. Der Jubel einer-, die Wuth andrerseits ist groß. 19 Oels (in Schlesien), 5. Februar. Als erster Aggeordneter wurde heute der Rektor Mätze, Steuerverweigerer, zum Abgeordneten ernannt. Die beiden anderen Abgeordneten werden wohl erst morgen bekannt werden. 141 Brieg, 5. Februar. Stadtgerichtsrath Schmidt (Steuerverweigerer); Lehrer Zimbal (Demokrat); der dritte noch unbekannt. Aus der Grafschaft Glatz, im Febr. Der Wunsch, bei den Wahlen am 22. vorigen Mts. berücksichtigt zu werden, hatte einen Bauergutsbesitzer im Habelschwerter Kreise, veranlaßt, bei einem seiner Nachbarn, einem sehr beliebten, ihm aber abholden Manne, die Rolle des leibhaftigen Teufels zu spielen. In der Nacht vor dem verhängnißvollen Wahltage findet er sich, mit Hörnern, langem Schwanze und andern teuflichen Abzeichen versehen, in der Schlafstube seines Nachbars ein, weckt ihn durch dumpfes Gebrüll und befiehlt ihm, seinen ganzen Einfluß in der Gemeinde darauf zu verwenden, daß jener Bauergutsbesitzer (nämlich er selbst) gewählt würde, andererseits ihm und der Gemeinde Pestilenz und andere Uebel bevorständen. Der erschrockene Nachbar, vielleicht ein wenig abergläubisch, verspricht den Befehlen des Teufels nachzukommen, worauf sich derselbe entfernt. Zu seinem Unglück werden ihn einige Kettenhunde gewahr, von denen sich der eine losreißt und auf den armen Teufel losspringt. Dieser flüchtet sich in seiner Angst auf die an den Kuhstall angelegte Brandleiter und bleibt auf dem Dache desselben sitzen. Durch das wüthende Gebell der Hunde aufgeweckt, erscheinen mehrere und immer mehrere Leute, welche dem auf dem Dache zusammengekauerten Teufel durch fleißiges Bewerfen mit Schneebällen dermaßen zusetzen, daß derselbe endlich um Pardon bitten und beschämt den Grund zu seiner Verkappung angeben muß. -- Buchstäblich wahr! (A. Od.-Z.) 068 Posen, 1. Febr. In der Generalversammlung der Liga Polska zu Kornik hielt Dr. Maetzig aus Lissa, als Vertreter der Deutschen, folgende Anrede an die Polen: "Meine Herren! Erlauben Sie mir einige Worte an Sie zu richten in einer Sprache, welche mir die geläufigere ist; wo eins meiner Worte unverstanden bleiben sollte, da werden sich unsere Herzen verstehen. -- Wie einzelne große höher begabte Männer, so meine Herren, giebt es ganze Völker, welchen die Vorsehung, in ihrer wunderbaren Führung des Menschengeschlechts zu einer hohern Vervollkommnung besondere Aufgaben gestellt hat. -- Zu diesen Auserkornen gehört das edle Volk der Polen. -- Die erste Aufgabe, welche dieses Volk bei seinem Eintritt in die Weltgeschichte zu lösen hatte, war die Beschirmung der Civilisation des Westen gegen die Barbarei des Osten, des Christenthums gegen den gewaltsam vordrägenden Mohamedanismus. -- Polens ganzes Leben bis über das Mittelalter hinaus war ein langer großer und siegreicher Kreuzzug der Vertheidigung. Die glänzendste That in diesem Jahrhunderte langen Kampfe war der Sieg vor Wien. -- Der Glanz des Halbmondes erbleichte für immer und Europa war gerettet. -- Die zweite Aufgabe war die Führung des Beweises, daß die Völker das heilige unveräußerliche und unverjährbare Recht haben, sich ihre Gesetze selbst zu geben, es war die Einführung des wahren Christenthums in das Leben des Staates, das von allen zuerst die Gleichheit der Menschen als Grundsatz anerkannte und aussprach. -- In seiner Constitution vom 3. Mai warf Polen dem Absolutismus den Fehdehandschuh hin; der Absolutismus nahm ihn auf und es entbrannte der gegenseitige verzweifelte Vernichtungskampf. Polen wurde zerrissen, zertreten, gemißhandelt und gebrandmarkt; die Edelsten des Volkes starben den Märtyrertod, oder kehrten siech und für's Leben gebrochen aus den Kerkern zurück. Unter den Pyramiden Egyptens, in den Eisfeldern des Nordens, unter Spaniens, Italiens, Griechenlands schönem Himmel, auf den Fluren Deutschlands und Frankreichs, ja selbst jenseits des Weltmeeres strömte das vergossene Heldenblut. -- In den Grabeshöhlen des Ural, auf Sibiriens Schneesteppen erstarben die letzten Seufzer der unglücklichen Opfer des Absolutismus, Tausende unsere Brüder trauern im Auslande um die verlorene Heimath. -- Tief, tief drangen die Spitzen der Dornenkrone in die blutende Schläfe und mancher bebenden Lippe entwanden sich die verzagenden Worte: Gott! Gott! warum hast Du mich verlassen? -- In allen diesen Kämpfen war, o wunderbare Fügung des Himmels! wiederum Wien der Ort, wo die glänzendste That gethan wurde. So lange es eine Geschichte Polens giebt, ist Polen noch nie so hoch gefeiert worden, als mit den Worten, welche der Freiherr v. Vinke von der Tribüne des Frankfurter Parlaments herabrief: "in der Aula sind nur Polen." Ja Polen haben gekämpft in Wien für die Freiheit, für die deutsche Freiheit, sie haben gekämpft für die deutsche Freiheit gegen die Genossen ihres Stammes. -- Sie sind gefallen, und haben, wie so viele ihrer Väter und Brüder, mit dem Tode besiegelt, was sie als Wahrheit erkannt hatten. -- Und was ist der endliche Erfolg von dem Allen, welcher Lohn soll alle diese Opfer aufwiegen? Dem ganzen Westen Europas, meine Herren, ist die gesetzliche Freiheit errungen, die Macht des Absolutismus ist gebrochen für immer, er ist moralisch vernichtet, möge er auch in einzelnen Staaten noch ankämpfen gegen dieses Loos der Vernichtung; für die Dauer kann er nimmer und nirgends mehr Wurzeln treiben. -- Die scheinbaren, ephemeren Siege der Reaction auf so vielen Punkten, können den mit dem Entwickelungsgange der Völkergeschichte Vertrauten nur mit den schmerzlichsten Besorgnissen erfüllen, nicht für die Sache der Freiheit, sondern darum, daß die Uebergriffe der freiheitsfeindlichen Partei jede friedliche Vermittelung unmöglich machen und neue blutige Stürme über die Völker heraufbeschwören. -- Für die Dauer muß der endliche Sieg dem Rechte werden und der Freiheit. Polen hat zum zweitenmale dem Westen Europa's das Heil erwirkt. Noch aber, meine Herren, bleibt Großes zu thun übrig. -- Die Segnungen der Neuzeit müssen für das ganze Europa ein Gemeingut werden, und wir, die wir als Grenzwächter der beiden großen Hälften unseres Erdtheils stehen, wir haben die Pflicht, diese Aufgabe, die dritte von der Vorsehung Polen gestellte, zu lösen. -- Dadurch, daß unser Land zu einem Musterstaate herangebildet, dadurch allein kann jene Aufgabe gelöst, kann Europa vor einer asiatischen Ueberfluthung gesichert werden. Gelingt es, unser Aller redlichem Bemühen zu erwirken, daß die jetzt gesetzlich freien polnischen Provinzen diesen Grad der Entwickegung erreichen, so werden wir dem Osten ein Spiegelbild entgegenhalten, vor welchem der nachbarliche Koloß in sich selbst zusammenbrechen muß, denn der Herrschaft des Geistes entzieht sich und widersteht heut Nichts mehr auf Erden. Zu diesem großen herrlichen Werke, meine Herren, bieten wir Deutschredenden, die wir mit Ihnen dieses Land als unser Vaterland ansehen und lieben, die helfende Hand, und das mit fühlendem Herzen, wir sind nicht Ihre Freunde, wir sind Ihre Brüder, und wollen Hand in Hand mit Ihnen dem schönen glorreichen Ziele entgegenwirken. Die Zeit des Wahns und der Verführung der Meinung ist vorüber, und was während derselben nur Einzelne erkannten, es wird mit jedem Tage immer Mehreren klar; jeder Tag bringt immer Mehreren zur Anschauung, daß Glück und Wohlergehen nur dann im Lande blühen und bestehen können, wenn alle seine Bewohner in brüderlicher Eintracht mit und bei einander leben. -- Die Liga, meine Herren! ist die Schöpfung, an deren Wiege wir heute stehen, sie soll die Siegespreise bringen, um welche so lange -- so blutig e[r]kämpft worden, sie soll im Leben verwirklichen, was wir Alle im Herzen tragen. -- Sie wird als Vorbild den Völkern leuchten und sie werden von dieser Leuchte geführt, den Weg finden zur Verbrüderung aller Nationen, zur Gründung eines wahren dauernden Weltfriedens. -- Fragen Sie nicht, meine Herren! wie viele Opfer der heiligen Sache gefallen, wie viele Herzen das tiefe Wehe gebrochen? Christus ist am Kreuze gestorben für die Menschheit, aber seine Lehre hat den Erdkreis besiegt. -- Polen ist der Völker-Christus, es hat seinen Kreuzestod vollbracht; wir aber, die Erben und Apostel der gesetzlichen Freiheit, wir sollen vor der Welt und der Zeit durch unser Beispiel Zeugniß geben für die Gültigkeit dessen, was die Vorsehung in der Geschichte unseres Landes geoffenbaret hat. -- Dazu wolle uns Gott seinen Beistand und Segen verleihen. -- Was mit ihm und in ihm begonnen, das wird auch vor ihm bestehen." "Allerdings haben sich in den Wirren der jüngsten Zeit nur wenige auf diesen Standpunkt zu stellen und das Gift, was die Reaction unter die hiesige Bevölkerung gestreut, von sich entfernt zu halten vermocht; aber immer mehr tritt die eigene Ueberlegung wieder hervor und ruft von dem betretenen Irrwege zurück, und so hoffen wir denn, daß der neue Bund, den Deutsche und Polen in der Liga geschlossen, Friede und Eintracht unter die Bewohner unseres Landes zurückführen werde, die eine hinterlistige R[e]aktion uns zu unser aller Schaden gestört hatte. -- So lange es den finste[r]en Ränken der Reaktion gelingt, die Zwietracht unter uns zu erhalten, so lange wir auch unter dem Joch des Absolutismus schmachten. Deshalb wollen wir einig sein, um mit einander frei zu sein!" X Oldenburg, 5. Febr. In der heutigen Sitzung des Landtags ist die Frage über Civilliste oder Dotation entschieden worden. Der Vermittelungs-Vorschlag des Ministeriums, nach welchem halb das Eine, halb das Andere stattfinden soll, ist heute von dem Landtage bei namentlicher Abstimmung mit 26 gegen 5 Stimmen angenommen worden. * Kremsier, 1. Februar. In der heutigen Sitzung des Reichstags wurde unter andern folgende Interpellation Gayer's an das Ministerium des Innern verlesen: Er (Gayer) habe in seinem Wahlbezirke (Neudegg in Steyermark) die Wahlmänner versammeln wollen, um ihnen Rechenschaft von seinem und des ganzen Reichstages bisheriger Thätigkeit zu geben. Diese Versammlung habe der Bezirksrichter für gesetzwidrig erklärt und strengstens verboten; sowohl Kreisamt als Gubernium haben dies angeordnet und sogar noch beigefügt, mich bei meinem Erscheinen zu arretiren. Gayer fragt das Ministerium des Innern, ob es hierüber eine Untersuchung einleiten und die Beamten strafen werde? !!! Frankfurt, 6. Februar. National-Versammlung. Simson präsidirt. Tagesordnung: Die posensche Demarkationslinie. Franz Schmidt aus Löwenberg beantragt Vertagung der Berathung. Die Demarkationslinie sei nur nach militärischen Rücksichten gezogen, der Bericht unvollkommen und eine genaue Karte des Großherzogthums liege den Mitgliedern des Hauses nicht vor. Schubert aus Königsberg (der Berichterstatter des völkerrechtlichen Ausschusses in dieser Frage) erwidert und verlangt die sofortige Berathung. Er hält über diese präjudizielle Frage ein en stundenlangen Geschichtsvortrag. Schmidt wiederholt kurz seine Motive. (Die Rechte lacht ihn und die Polen aus.) Schmidt spricht seine Verwunderung aus, daß die Rechte ein so schmählich geschändetes Volk noch auslachen könne. (Vinke macht verächtliche Handbewegungen.) Sollte der Bericht dennoch zur Berathung kommen, meint Schmidt, so werde ich meinen Namen von der Rednerliste streichen lassen, um ihn nicht herzugeben zu einem miserablen Marionettenspiele. (Beifall. Rechts Gelächter.) Man stimmt ab. Der Schmidtsche Antrag wird verworfen. Nur die Linke stand auf. Ein präjudizieller Antrag von Rösler aus Oels ist hiermit gleichzeitig verworfen. Man geht auf die Diskussion des Berichts ein. Döllingen (ein Ultramontaner) spricht aus katholischen Rücksichten gegen den Ausschußantrag. (Vergl. Nro. 216.) Unter dem Namen einer Demarkationslinie handle es sich um nichts Anderes als um mögliche Schwächung der polnischen Nationalität. (Hiermit ist eigentlich alles Nöthige zur Diskussion gesagt.) Eine Wiederherstellung der polnischen Nation hält er für unmöglich, aber wir sind den in unsern Staat aufgenommenen Polen, denen schon so manches feierliche Wort gebrochen, schuldig, ihre Sprache und Nationalität zu wahren, wie es ihnen gelobt worden. Endlich schließt sich Döllingen dem Osterrathschen Antrag an, welcher dahin geht: "Die Demarkationslinie nicht zu genehmigen, sondern mit der preußischen Regierung über die Einverleibung des ganzen Großherzogthums in den deutschen Bund zu verhandeln." Döllingen predigte 1 1/2 Stunden. Nach ihm hielt Pöden, ein Arzt aus Protoszyn, eine auswendig gelernte Rede voll Salbung zu Gunsten der deutschen Juden im Großherzogthum. Er emp[f]ahl natürlich den Ausschußantrag. Venedey spricht für die Polen und vom Schamgefühl der deutschen Nation. Er donnert dabei die rechte Seite an. (Diese erhebt Tumult. Der Präsident Kirchgessner beruhigt sie). Die Gründe des Ausschußberichts nennt er erbärmlich. Die große Schande, die wir in der polnischen Angelegenheit über uns gebracht haben, hat der Ausschuß aufs Neue, aber kleinlich und erbärmlich, aufgefrischt. (Rechts Hohngelächter.) Radowitz (mit preußischer Unteroffiz[i]erstimme. Die Versammlung lauscht lautlos): Die polnische Frage sei gar nicht mehr in die heutige Erörterung zu ziehen. Radowitz giebt eine geographisch-strategische Rechtfertigung der gezogenen Demarkationslinie. Die ganze Versammlung nimmt die Karten vor und folgt dem Redner Wort für Wort. Haben Sie jemals eine militärische Instruktionsstunde mit angehört? Rösler aus Oels meint, die Ausschußvorarbeiten seien so dürftig, und die vorgelegte Karte so schlecht, daß er auf Grund dieser Materialien nicht einmal einem Primaner dies Thema zu einer Ausarbeitung zumuthen möchte, viel weniger aber würde auf Grund dieses Berichtes er es unternehmen, abzustimmen in einer so wichtigen Angelegenheit. Rösler stellt den Antrag auf motivirte Tagesordnung wegen unzureichenden Ausschußberichtes. Wurm giebt zu, daß eine solche Demarkationslinie ziehen, den Polen Gewalt anthun heißt -- aber diese Gewalt sei unter den gegenwärtigen Umständen zu rechtfertigen. Wiesner (so viel man unter dem Tumult der Rechten und Centren verstehen kann): Während die Polen in Paris ein Manifest an alle europäischen Brüder erlassen, die Banden des Absolutismus zu brechen, beschäftigt sich die National-Versammlung mit einer neuen Theilung und Zerfetzung Polens. Schauen Sie über ihre Häupter, und sehen Sie, welches Motto Sie der Germania in diesem Saale gegeben haben: O walle hin du Opferbrand Hin über Land und Meer, Und schling' ein einig Liebesband Um alle Völker her! -- Möge doch einer von Ihnen (nach Rechts) den Antrag stellen, dieses Motto zu streichen! (Rechts Gelächter. Links und Gallerien Beifall.) Wiesners Rede, welche das Beste ist, was seit langer Z[e]it in diesem Froschteiche gehört wurde, erweckt rechts bissige Unterbrechungen. Wiesner weist hin auf die scheußliche schacherische Art und Weise, wie die Deutschen im Großherzogthum zu ihren Gütern gekommen sind. Auf wahrhaft wunderbare Art -- um Spottpreise! es war eine Sinekure fur die deutschen Juden. Nun will man noch obendrein diesem Unrecht die Schmach der Zerschmetterung der Nationalität zufügen. Thun Sie dies, so wird man sich vor Kolonisten und Vertretern des deutschen Volkes hüten wie vor -- -- -- ! Ein Fünftel ungefähr von dem Großherzogthum wird durch die Demarkationslinie den Polen hingeworfen und dies eine Fünftel schon gestern Abend offiziell durch das Intelligenzblatt veröffentlichen ließ. In dem gestern von uns erwähnten Injurienprozeß des Literaten Schweizer gegen den Buchdrucker Sittenfeld, wozu heute Vormittag Termin stattfand, bestritt zunächst der Verklagte die Identität des Klägers mit dem in den „Enthüllungen“ genannten Schweizer. Sodann lehnte er jede Verantwortlichkeit ab, da der Kläger ihn nicht vorher nach dem Namen des Verfassers gefragt; und endlich wies er jede Wissenschaft über den Inhalt der „Enthüllungen“ von sich. Aufgefordert den Verfasser zu nennen, gab er den Namen eines gewissen Wilhelm Piersig, Privatsekretär, wohnhaft: Chaussestraße 76, an. Es ist dies ein ganz unbekannter Mensch, der offenbar nur als Strohmann vorgeschoben ist. Schweizer zog hierauf die Anklage gegen den Drucker zurück, hielt aber die gegen den Verbreiter aufrecht. Sittenfeld gestand zu, daß die „Enthüllungen“ in seinem Hause verkauft worden seien, es sei dies aber auf Rechnung des Verfassers geschehen und er wisse eben nichts vom Inhalt. Schweizer nahm hierauf seine Klage zurück und behielt sich vor, gegen den als Verfasser bezeichneten Piersig klagbar zu werden. Sittenfeld wird bei diesem zweiten Prozeß als Zeuge figuriren. Der Herausgeber des „Publicisten,“ Krim.-G.-Act. Thiele, hatte letzthin in einem Aufsatze auf die in mehreren politischen Prozessen der neuern Zeit vorgekommene Erscheinung aufmerksam gemacht, daß die Zeugen sehr häufig in der öffentlichen Sitzung ganz anders aussagten, als in der Voruntersuchung ihnen in den Mund gelegt worden. Der Verfasser hatte dabei ziemlich scharf auf die Mängel unserer Untersuchungsrichter hingewiesen, indem er diese Widersprüche zum Theil dadurch zu erklären suchte, daß es den Untersuchungsrichtern oft an der nöthigen Präzision des Ausdruckes fehle. Auf Anlaß dieses Artikels und auf höheren Befehl ist nun Thiele dieser Tage zur Untersuchung gezogen worden, weil jener Artikel eine Schmähung des Standes der Untersuchungsrichter enthalte. Zugleich aber ist ihm auch privatim die Weisung geworden, zukünftig seinem Blatte eine andere Haltung zu geben, wenn sein Amt ihm lieb sei. Man sieht hieraus, wie im Justizministerium die Preß- und Meinungsfreiheit verstanden wird. * Berlin, 6. Febr. Der hauptsächlich wegen seiner demokratischen Bestrebungen verhaftet gewesene und jetzt wieder freigelassene Justizkommissar Streber hat folgende Erklärung abgegeben: „Die Presse hat mir neuerdings die Ehre angethan, sich mit meiner Verhaftung mehrfach und zum Theil auf die gehässigste Weise zu beschäftigen. Es kann nicht meine Absicht sein, mich über die Lage der Untersuchung vor dem Urtel, dem ich in kürzester Frist und ruhig entgegensehen darf, auszusprechen. Schon jetzt aber kann ich die voreilige Behauptung Natürlich ist auch die Hauptsache, „meine demokratischen Wühlereien“ nicht vergessen worden. Gilt es diesen zu begegnen, so gibt es eine sichere und jedenfalls ehrenhaftere Waffe als rohe Gewalt, — die Ueberzeugung! So lange ich aber mit dieser nicht besiegt bin, werde ich unbeirrt den politischen Grundsätzen treu bleiben, für die ich seit zwanzig Jahren, oft unter schweren Opfern und allein im Dienste der Wahrheit, gekämpft habe. Daß ich nicht ohne Erfolg gekämpft, dafür bürgt mir die Bosheit meiner Feinde. F. L. Streber.“ * Berlin, 6. Feb. Ueber die hiesigen Wahlen drückt sich die „Galgenzeitung“ an der Spree folgendermaßen aus: „Wir haben bereits gesagt, daß wir ein anderes Resultat nicht erwartet haben und nicht erwarten konnten. Die Masse der demokratischen Wahlmänner, unter denen sich viele ehemalige Sträflinge, Banquerottiers und Subjekte befanden, deren sich die eigene Partei schämte, war überwiegend und mußte erklärte Republikaner, Aufwiegler und Landesverräther wählen! Wir beklagen uns nicht darüber. Aber über Eines wollen wir uns beklagen, das ist über die Schwäche der konservativen Partei, die einen Grabow, ja einen Gneist, der Revolutionspartei als Gegenkandidaten stellt und so schmachvoll selbst im Prinzip sich besiegen läßt. In dem Wahn, daß, wenn man solche Zugeständnisse mache, ein großer Theil der gut organisirten und dressirten Radikalen aus Höflichkeit und Gefälligkeit übertreten und beistimmen werde, stellt man einen durch sein Schwanken und Laviren bekannt gewordenen Mann, stellt man einen rein Oppositionellen, nur weil er nicht gerade zu den direkten Todtschlägern gehört! auf, ficht für diese Schattenbilder, statt wenigstens den moralischen Eindruck einer Demonstration durch das Stimmen für einen der aufgetretenen Kandidaten — und es waren deren genug vorhanden von gutem und tüchtigem Klang im Lande! — von fester konservativer Haltung zu retten. Wenn die Herren Wahlmänner der konservativen Partei meinen, daß ihre konservativen Urwähler ihnen das Mandat zu einem solchen linken Seiltänzersprunge gegeben, dann haben sie ihre Wahl herzlich schlecht verstanden, uns aber muß das weggeworfene Vertrauen reuen, und wir finden in der Niederlage der konservativen Wahlmänner nur eine gerechte und wohlverdiente Strafe ihrer zweizüngigen und taktlosen Haltung! Sand darüber, denn Gott sei Dank, Berlin war nie die Hauptstadt Preußens, jetzt aber ist längst das wahre Preußen außerhalb Berlins.“ Berlin, 6. Febr. Der „Preuß. St.-A.“ bringt folgende Wahlresultate: Provinz Brandenburg. Regierungsbezirk Frankfurt. Im 2. Wahlbezirk: 1) Kammergerichts-Assessor Schröck zu Landberg a. d. W., 2) Rittergutsbesitzer Bremel auf Rehnitz. Im 4. Wahlbezirk: 1) Graf Görtz-Wriesberg, Lieutenant a. D., 2) Assessor v. Schirnding. Im 8. Wahlbezirk: 1) Geh. Reg.-Rath a. D. v. Werdeck, 2) Bürgermeister Peschke in Spremberg. Im 9. Wahlbezirk: 1) Staatsminister v. Manteuffel, 2) Prediger Schellenberg. Regierungsbezirk Potsdam. Im 1. Wahlbezirk: 1) Schulze Heuer aus Sedenbeck, 2) Justizrath Breithaupt aus Havelberg. Im 3. Wahlbezirk: 1) Krahn, Justizrath in Kremmen, 2) v. Patow, wirkl. Geh. Legationsrath in Potsdam. Im 4. Wahlbezirk: v. Bodelschwingh, Geh. Staatsminister a. D., 2) Frhr. v. Vincke, Landrath a. D. in Hagen. Im 5. Wahlbezirk: 1) Landrath v. Arnim in Angermünde, 2) Prof. Keller in Berlin, 3) Geh. Archivrath Riedel in Berlin, 4) Reg.-Rath Elwanger in Breslau. Im 6. Wahlbezirk: 1) Oberbürgermeister Grabow in Prenzlau, 2) Staatsminister a. D. Graf v. Arnim. Im 7. Wahlbezirk: 1) v. Bismark-Schönhausen, 2) Amtmann Winterfeldt zu Keltzniel. Im 8. Wahlbezirk: 1) Oberregierungsrath v. Fock in Potsdam, 2) Geh. Jommerzienrath Carl in Luckenwalde. Provinz Pommern. Regierungsbezirk Stettin. Im 3. Wahlbezirk: 1) Justizkommissar Krause, 2) Amtsrath Kögel auf Gorden. Im 4. Wahlbezirk: 1) Landrath a. D. v. Wedell, 2) Landrathamts-Verweser Rittmeister Asch. Provinz Sachsen. Regierungsbezirk Magdeburg. Im 1. Wahlbezirk: 1) Regierungsrath v. Unruh, 2) Prof. Pax. Regierungsbezirk Merseburg. Im 4. Wahlbezirk: 1) Fabrikant Jakob in Halle, 2) Pastor Fubel in Domnitz. Im 7. Wahlbezirk: 1) Justizkommissar Etzdorf in Neumarkt, 2) Bürgermeister Seffner in Merseburg. Provinz Schlesien. Regierungsbezirk Breslau. Im 1. Wahlbezirk: 1) Dr. Stein, 2) Stadtgerichtsrath Pflücker. Im 2. Wahlbezirk: 1) Graf von Ziethen, 2) Stadtrath Ludewig. Regierungsbezirk Liegnitz. Im 5. Wahlbezirk: 1) Regierungsrath v. Merckel in Liegnitz, 2) Bauergutsbesitzer Willenberg in Groß-Wandris. Im 7. Wahlbezirk: 1) Fürstenthumsgerichts-Sekretär Merres in Sagan, 2) Gerichtsscholz Eckardt in Märzdorf. 140 Aus dem Kreise Liegnitz, 5. Februar. Sieg der Demokratie! In der heutigen Wahl zweier Abgeordneten für die zweite Kammer wurden beide Kandidaten der demokratischen Partei, jeder sogleich im ersten Scrutinium mit Majorität durchgesetzt. Der erste Bürgerwehroberst v. Merckel, als Regierungsrath suspendirt und in Disziplinaruntersuchung befindlich, weil er im November auf die Seite der Nationalversammlung getreten und an den hierauf bezüglichen Schritten am hiesigen Orte Theil genommen, erhielt von 298 gegen 171 Stimmen, der Zweite Bauergutsbesitzer Willenberg aus Groß-Wandris hies. Kreis, Mitglied der Linken der aufgehobenen Nationalversammlung, der für die Steuerverweigerung gestimmt, erhielt 151 Stimmen. Der konstitutionelle Gegenkandidat, Gerichtsdirektor Hoffmann-Schetz von hier erhielt bei der ersten Abstimmung 125, bei der zweiten 133 Stimmen. So sind alle Geldopfer und Umtriebe der Gegenpartei vergeblich gewesen. Der Jubel einer-, die Wuth andrerseits ist groß. 19 Oels (in Schlesien), 5. Februar. Als erster Aggeordneter wurde heute der Rektor Mätze, Steuerverweigerer, zum Abgeordneten ernannt. Die beiden anderen Abgeordneten werden wohl erst morgen bekannt werden. 141 Brieg, 5. Februar. Stadtgerichtsrath Schmidt (Steuerverweigerer); Lehrer Zimbal (Demokrat); der dritte noch unbekannt. Aus der Grafschaft Glatz, im Febr. Der Wunsch, bei den Wahlen am 22. vorigen Mts. berücksichtigt zu werden, hatte einen Bauergutsbesitzer im Habelschwerter Kreise, veranlaßt, bei einem seiner Nachbarn, einem sehr beliebten, ihm aber abholden Manne, die Rolle des leibhaftigen Teufels zu spielen. In der Nacht vor dem verhängnißvollen Wahltage findet er sich, mit Hörnern, langem Schwanze und andern teuflichen Abzeichen versehen, in der Schlafstube seines Nachbars ein, weckt ihn durch dumpfes Gebrüll und befiehlt ihm, seinen ganzen Einfluß in der Gemeinde darauf zu verwenden, daß jener Bauergutsbesitzer (nämlich er selbst) gewählt würde, andererseits ihm und der Gemeinde Pestilenz und andere Uebel bevorständen. Der erschrockene Nachbar, vielleicht ein wenig abergläubisch, verspricht den Befehlen des Teufels nachzukommen, worauf sich derselbe entfernt. Zu seinem Unglück werden ihn einige Kettenhunde gewahr, von denen sich der eine losreißt und auf den armen Teufel losspringt. Dieser flüchtet sich in seiner Angst auf die an den Kuhstall angelegte Brandleiter und bleibt auf dem Dache desselben sitzen. Durch das wüthende Gebell der Hunde aufgeweckt, erscheinen mehrere und immer mehrere Leute, welche dem auf dem Dache zusammengekauerten Teufel durch fleißiges Bewerfen mit Schneebällen dermaßen zusetzen, daß derselbe endlich um Pardon bitten und beschämt den Grund zu seiner Verkappung angeben muß. — Buchstäblich wahr! (A. Od.-Z.) 068 Posen, 1. Febr. In der Generalversammlung der Liga Polska zu Kornik hielt Dr. Maetzig aus Lissa, als Vertreter der Deutschen, folgende Anrede an die Polen: „Meine Herren! Erlauben Sie mir einige Worte an Sie zu richten in einer Sprache, welche mir die geläufigere ist; wo eins meiner Worte unverstanden bleiben sollte, da werden sich unsere Herzen verstehen. — Wie einzelne große höher begabte Männer, so meine Herren, giebt es ganze Völker, welchen die Vorsehung, in ihrer wunderbaren Führung des Menschengeschlechts zu einer hohern Vervollkommnung besondere Aufgaben gestellt hat. — Zu diesen Auserkornen gehört das edle Volk der Polen. — Die erste Aufgabe, welche dieses Volk bei seinem Eintritt in die Weltgeschichte zu lösen hatte, war die Beschirmung der Civilisation des Westen gegen die Barbarei des Osten, des Christenthums gegen den gewaltsam vordrägenden Mohamedanismus. — Polens ganzes Leben bis über das Mittelalter hinaus war ein langer großer und siegreicher Kreuzzug der Vertheidigung. Die glänzendste That in diesem Jahrhunderte langen Kampfe war der Sieg vor Wien. — Der Glanz des Halbmondes erbleichte für immer und Europa war gerettet. — Die zweite Aufgabe war die Führung des Beweises, daß die Völker das heilige unveräußerliche und unverjährbare Recht haben, sich ihre Gesetze selbst zu geben, es war die Einführung des wahren Christenthums in das Leben des Staates, das von allen zuerst die Gleichheit der Menschen als Grundsatz anerkannte und aussprach. — In seiner Constitution vom 3. Mai warf Polen dem Absolutismus den Fehdehandschuh hin; der Absolutismus nahm ihn auf und es entbrannte der gegenseitige verzweifelte Vernichtungskampf. Polen wurde zerrissen, zertreten, gemißhandelt und gebrandmarkt; die Edelsten des Volkes starben den Märtyrertod, oder kehrten siech und für's Leben gebrochen aus den Kerkern zurück. Unter den Pyramiden Egyptens, in den Eisfeldern des Nordens, unter Spaniens, Italiens, Griechenlands schönem Himmel, auf den Fluren Deutschlands und Frankreichs, ja selbst jenseits des Weltmeeres strömte das vergossene Heldenblut. — In den Grabeshöhlen des Ural, auf Sibiriens Schneesteppen erstarben die letzten Seufzer der unglücklichen Opfer des Absolutismus, Tausende unsere Brüder trauern im Auslande um die verlorene Heimath. — Tief, tief drangen die Spitzen der Dornenkrone in die blutende Schläfe und mancher bebenden Lippe entwanden sich die verzagenden Worte: Gott! Gott! warum hast Du mich verlassen? — In allen diesen Kämpfen war, o wunderbare Fügung des Himmels! wiederum Wien der Ort, wo die glänzendste That gethan wurde. So lange es eine Geschichte Polens giebt, ist Polen noch nie so hoch gefeiert worden, als mit den Worten, welche der Freiherr v. Vinke von der Tribüne des Frankfurter Parlaments herabrief: „in der Aula sind nur Polen.“ Ja Polen haben gekämpft in Wien für die Freiheit, für die deutsche Freiheit, sie haben gekämpft für die deutsche Freiheit gegen die Genossen ihres Stammes. — Sie sind gefallen, und haben, wie so viele ihrer Väter und Brüder, mit dem Tode besiegelt, was sie als Wahrheit erkannt hatten. — Und was ist der endliche Erfolg von dem Allen, welcher Lohn soll alle diese Opfer aufwiegen? Dem ganzen Westen Europas, meine Herren, ist die gesetzliche Freiheit errungen, die Macht des Absolutismus ist gebrochen für immer, er ist moralisch vernichtet, möge er auch in einzelnen Staaten noch ankämpfen gegen dieses Loos der Vernichtung; für die Dauer kann er nimmer und nirgends mehr Wurzeln treiben. — Die scheinbaren, ephemeren Siege der Reaction auf so vielen Punkten, können den mit dem Entwickelungsgange der Völkergeschichte Vertrauten nur mit den schmerzlichsten Besorgnissen erfüllen, nicht für die Sache der Freiheit, sondern darum, daß die Uebergriffe der freiheitsfeindlichen Partei jede friedliche Vermittelung unmöglich machen und neue blutige Stürme über die Völker heraufbeschwören. — Für die Dauer muß der endliche Sieg dem Rechte werden und der Freiheit. Polen hat zum zweitenmale dem Westen Europa's das Heil erwirkt. Noch aber, meine Herren, bleibt Großes zu thun übrig. — Die Segnungen der Neuzeit müssen für das ganze Europa ein Gemeingut werden, und wir, die wir als Grenzwächter der beiden großen Hälften unseres Erdtheils stehen, wir haben die Pflicht, diese Aufgabe, die dritte von der Vorsehung Polen gestellte, zu lösen. — Dadurch, daß unser Land zu einem Musterstaate herangebildet, dadurch allein kann jene Aufgabe gelöst, kann Europa vor einer asiatischen Ueberfluthung gesichert werden. Gelingt es, unser Aller redlichem Bemühen zu erwirken, daß die jetzt gesetzlich freien polnischen Provinzen diesen Grad der Entwickegung erreichen, so werden wir dem Osten ein Spiegelbild entgegenhalten, vor welchem der nachbarliche Koloß in sich selbst zusammenbrechen muß, denn der Herrschaft des Geistes entzieht sich und widersteht heut Nichts mehr auf Erden. Zu diesem großen herrlichen Werke, meine Herren, bieten wir Deutschredenden, die wir mit Ihnen dieses Land als unser Vaterland ansehen und lieben, die helfende Hand, und das mit fühlendem Herzen, wir sind nicht Ihre Freunde, wir sind Ihre Brüder, und wollen Hand in Hand mit Ihnen dem schönen glorreichen Ziele entgegenwirken. Die Zeit des Wahns und der Verführung der Meinung ist vorüber, und was während derselben nur Einzelne erkannten, es wird mit jedem Tage immer Mehreren klar; jeder Tag bringt immer Mehreren zur Anschauung, daß Glück und Wohlergehen nur dann im Lande blühen und bestehen können, wenn alle seine Bewohner in brüderlicher Eintracht mit und bei einander leben. — Die Liga, meine Herren! ist die Schöpfung, an deren Wiege wir heute stehen, sie soll die Siegespreise bringen, um welche so lange — so blutig e[r]kämpft worden, sie soll im Leben verwirklichen, was wir Alle im Herzen tragen. — Sie wird als Vorbild den Völkern leuchten und sie werden von dieser Leuchte geführt, den Weg finden zur Verbrüderung aller Nationen, zur Gründung eines wahren dauernden Weltfriedens. — Fragen Sie nicht, meine Herren! wie viele Opfer der heiligen Sache gefallen, wie viele Herzen das tiefe Wehe gebrochen? Christus ist am Kreuze gestorben für die Menschheit, aber seine Lehre hat den Erdkreis besiegt. — Polen ist der Völker-Christus, es hat seinen Kreuzestod vollbracht; wir aber, die Erben und Apostel der gesetzlichen Freiheit, wir sollen vor der Welt und der Zeit durch unser Beispiel Zeugniß geben für die Gültigkeit dessen, was die Vorsehung in der Geschichte unseres Landes geoffenbaret hat. — Dazu wolle uns Gott seinen Beistand und Segen verleihen. — Was mit ihm und in ihm begonnen, das wird auch vor ihm bestehen.“ „Allerdings haben sich in den Wirren der jüngsten Zeit nur wenige auf diesen Standpunkt zu stellen und das Gift, was die Reaction unter die hiesige Bevölkerung gestreut, von sich entfernt zu halten vermocht; aber immer mehr tritt die eigene Ueberlegung wieder hervor und ruft von dem betretenen Irrwege zurück, und so hoffen wir denn, daß der neue Bund, den Deutsche und Polen in der Liga geschlossen, Friede und Eintracht unter die Bewohner unseres Landes zurückführen werde, die eine hinterlistige R[e]aktion uns zu unser aller Schaden gestört hatte. — So lange es den finste[r]en Ränken der Reaktion gelingt, die Zwietracht unter uns zu erhalten, so lange wir auch unter dem Joch des Absolutismus schmachten. Deshalb wollen wir einig sein, um mit einander frei zu sein!“ X Oldenburg, 5. Febr. In der heutigen Sitzung des Landtags ist die Frage über Civilliste oder Dotation entschieden worden. Der Vermittelungs-Vorschlag des Ministeriums, nach welchem halb das Eine, halb das Andere stattfinden soll, ist heute von dem Landtage bei namentlicher Abstimmung mit 26 gegen 5 Stimmen angenommen worden. * Kremsier, 1. Februar. In der heutigen Sitzung des Reichstags wurde unter andern folgende Interpellation Gayer's an das Ministerium des Innern verlesen: Er (Gayer) habe in seinem Wahlbezirke (Neudegg in Steyermark) die Wahlmänner versammeln wollen, um ihnen Rechenschaft von seinem und des ganzen Reichstages bisheriger Thätigkeit zu geben. Diese Versammlung habe der Bezirksrichter für gesetzwidrig erklärt und strengstens verboten; sowohl Kreisamt als Gubernium haben dies angeordnet und sogar noch beigefügt, mich bei meinem Erscheinen zu arretiren. Gayer fragt das Ministerium des Innern, ob es hierüber eine Untersuchung einleiten und die Beamten strafen werde? !!! Frankfurt, 6. Februar. National-Versammlung. Simson präsidirt. Tagesordnung: Die posensche Demarkationslinie. Franz Schmidt aus Löwenberg beantragt Vertagung der Berathung. Die Demarkationslinie sei nur nach militärischen Rücksichten gezogen, der Bericht unvollkommen und eine genaue Karte des Großherzogthums liege den Mitgliedern des Hauses nicht vor. Schubert aus Königsberg (der Berichterstatter des völkerrechtlichen Ausschusses in dieser Frage) erwidert und verlangt die sofortige Berathung. Er hält über diese präjudizielle Frage ein en stundenlangen Geschichtsvortrag. Schmidt wiederholt kurz seine Motive. (Die Rechte lacht ihn und die Polen aus.) Schmidt spricht seine Verwunderung aus, daß die Rechte ein so schmählich geschändetes Volk noch auslachen könne. (Vinke macht verächtliche Handbewegungen.) Sollte der Bericht dennoch zur Berathung kommen, meint Schmidt, so werde ich meinen Namen von der Rednerliste streichen lassen, um ihn nicht herzugeben zu einem miserablen Marionettenspiele. (Beifall. Rechts Gelächter.) Man stimmt ab. Der Schmidtsche Antrag wird verworfen. Nur die Linke stand auf. Ein präjudizieller Antrag von Rösler aus Oels ist hiermit gleichzeitig verworfen. Man geht auf die Diskussion des Berichts ein. Döllingen (ein Ultramontaner) spricht aus katholischen Rücksichten gegen den Ausschußantrag. (Vergl. Nro. 216.) Unter dem Namen einer Demarkationslinie handle es sich um nichts Anderes als um mögliche Schwächung der polnischen Nationalität. (Hiermit ist eigentlich alles Nöthige zur Diskussion gesagt.) Eine Wiederherstellung der polnischen Nation hält er für unmöglich, aber wir sind den in unsern Staat aufgenommenen Polen, denen schon so manches feierliche Wort gebrochen, schuldig, ihre Sprache und Nationalität zu wahren, wie es ihnen gelobt worden. Endlich schließt sich Döllingen dem Osterrathschen Antrag an, welcher dahin geht: „Die Demarkationslinie nicht zu genehmigen, sondern mit der preußischen Regierung über die Einverleibung des ganzen Großherzogthums in den deutschen Bund zu verhandeln.“ Döllingen predigte 1 1/2 Stunden. Nach ihm hielt Pöden, ein Arzt aus Protoszyn, eine auswendig gelernte Rede voll Salbung zu Gunsten der deutschen Juden im Großherzogthum. Er emp[f]ahl natürlich den Ausschußantrag. Venedey spricht für die Polen und vom Schamgefühl der deutschen Nation. Er donnert dabei die rechte Seite an. (Diese erhebt Tumult. Der Präsident Kirchgessner beruhigt sie). Die Gründe des Ausschußberichts nennt er erbärmlich. Die große Schande, die wir in der polnischen Angelegenheit über uns gebracht haben, hat der Ausschuß aufs Neue, aber kleinlich und erbärmlich, aufgefrischt. (Rechts Hohngelächter.) Radowitz (mit preußischer Unteroffiz[i]erstimme. Die Versammlung lauscht lautlos): Die polnische Frage sei gar nicht mehr in die heutige Erörterung zu ziehen. Radowitz giebt eine geographisch-strategische Rechtfertigung der gezogenen Demarkationslinie. Die ganze Versammlung nimmt die Karten vor und folgt dem Redner Wort für Wort. Haben Sie jemals eine militärische Instruktionsstunde mit angehört? Rösler aus Oels meint, die Ausschußvorarbeiten seien so dürftig, und die vorgelegte Karte so schlecht, daß er auf Grund dieser Materialien nicht einmal einem Primaner dies Thema zu einer Ausarbeitung zumuthen möchte, viel weniger aber würde auf Grund dieses Berichtes er es unternehmen, abzustimmen in einer so wichtigen Angelegenheit. Rösler stellt den Antrag auf motivirte Tagesordnung wegen unzureichenden Ausschußberichtes. Wurm giebt zu, daß eine solche Demarkationslinie ziehen, den Polen Gewalt anthun heißt — aber diese Gewalt sei unter den gegenwärtigen Umständen zu rechtfertigen. Wiesner (so viel man unter dem Tumult der Rechten und Centren verstehen kann): Während die Polen in Paris ein Manifest an alle europäischen Brüder erlassen, die Banden des Absolutismus zu brechen, beschäftigt sich die National-Versammlung mit einer neuen Theilung und Zerfetzung Polens. Schauen Sie über ihre Häupter, und sehen Sie, welches Motto Sie der Germania in diesem Saale gegeben haben: O walle hin du Opferbrand Hin über Land und Meer, Und schling' ein einig Liebesband Um alle Völker her! — Möge doch einer von Ihnen (nach Rechts) den Antrag stellen, dieses Motto zu streichen! (Rechts Gelächter. Links und Gallerien Beifall.) Wiesners Rede, welche das Beste ist, was seit langer Z[e]it in diesem Froschteiche gehört wurde, erweckt rechts bissige Unterbrechungen. Wiesner weist hin auf die scheußliche schacherische Art und Weise, wie die Deutschen im Großherzogthum zu ihren Gütern gekommen sind. Auf wahrhaft wunderbare Art — um Spottpreise! es war eine Sinekure fur die deutschen Juden. Nun will man noch obendrein diesem Unrecht die Schmach der Zerschmetterung der Nationalität zufügen. Thun Sie dies, so wird man sich vor Kolonisten und Vertretern des deutschen Volkes hüten wie vor — — — ! Ein Fünftel ungefähr von dem Großherzogthum wird durch die Demarkationslinie den Polen hingeworfen und dies eine Fünftel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar217_010" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1188"/> schon gestern Abend offiziell durch das Intelligenzblatt veröffentlichen ließ.</p> <p>In dem gestern von uns erwähnten Injurienprozeß des Literaten Schweizer gegen den Buchdrucker Sittenfeld, wozu heute Vormittag Termin stattfand, bestritt zunächst der Verklagte die Identität des Klägers mit dem in den „Enthüllungen“ genannten Schweizer. Sodann lehnte er jede Verantwortlichkeit ab, da der Kläger ihn nicht vorher nach dem Namen des Verfassers gefragt; und endlich wies er jede Wissenschaft über den Inhalt der „Enthüllungen“ von sich. Aufgefordert den Verfasser zu nennen, gab er den Namen eines gewissen Wilhelm Piersig, Privatsekretär, wohnhaft: Chaussestraße 76, an. Es ist dies ein ganz unbekannter Mensch, der offenbar nur als Strohmann vorgeschoben ist. Schweizer zog hierauf die Anklage gegen den Drucker zurück, hielt aber die gegen den Verbreiter aufrecht. Sittenfeld gestand zu, daß die „Enthüllungen“ in seinem Hause verkauft worden seien, es sei dies aber auf Rechnung des Verfassers geschehen und er wisse eben nichts vom Inhalt. Schweizer nahm hierauf seine Klage zurück und behielt sich vor, gegen den als Verfasser bezeichneten Piersig klagbar zu werden. Sittenfeld wird bei diesem zweiten Prozeß als Zeuge figuriren.</p> <p>Der Herausgeber des „Publicisten,“ Krim.-G.-Act. <hi rendition="#g">Thiele</hi>, hatte letzthin in einem Aufsatze auf die in mehreren politischen Prozessen der neuern Zeit vorgekommene Erscheinung aufmerksam gemacht, daß die Zeugen sehr häufig in der öffentlichen Sitzung ganz anders aussagten, als in der Voruntersuchung ihnen in den Mund gelegt worden. Der Verfasser hatte dabei ziemlich scharf auf die Mängel unserer Untersuchungsrichter hingewiesen, indem er diese Widersprüche zum Theil dadurch zu erklären suchte, daß es den Untersuchungsrichtern oft an der nöthigen Präzision des Ausdruckes fehle. Auf Anlaß dieses Artikels und auf höheren Befehl ist nun Thiele dieser Tage zur Untersuchung gezogen worden, weil jener Artikel eine Schmähung des Standes der Untersuchungsrichter enthalte. Zugleich aber ist ihm auch privatim die Weisung geworden, zukünftig seinem Blatte eine andere Haltung zu geben, wenn sein Amt ihm lieb sei. Man sieht hieraus, wie im Justizministerium die Preß- und Meinungsfreiheit verstanden wird.</p> </div> <div xml:id="ar217_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 6. Febr.</head> <p>Der hauptsächlich wegen seiner demokratischen Bestrebungen verhaftet gewesene und jetzt wieder freigelassene Justizkommissar <hi rendition="#g">Streber</hi> hat folgende Erklärung abgegeben:</p> <p>„Die Presse hat mir neuerdings die Ehre angethan, sich mit meiner Verhaftung mehrfach und zum Theil auf die gehässigste Weise zu beschäftigen.</p> <p>Es kann nicht meine Absicht sein, mich über die Lage der Untersuchung vor dem Urtel, dem ich in kürzester Frist und ruhig entgegensehen darf, auszusprechen. Schon jetzt aber kann ich die voreilige Behauptung<lb/><hi rendition="#et">„daß ich mir in meiner frühern richterlichen Stellung Kosten-Vorschüsse in einer Vormundschafts- und zweien Kontraktsachen hätte zahlen lassen, ohne sie zur Kasse abzuführen, daß ich also Kassengelder unterschlagen hätte,“</hi><lb/> als eine grobe Verläumdung bezeichnen, deren verantwortlichen Verbreiter ich zur Rechenschaft gezogen habe.</p> <p>Natürlich ist auch die Hauptsache, „meine demokratischen Wühlereien“ nicht vergessen worden. Gilt es diesen zu begegnen, so gibt es eine sichere und jedenfalls ehrenhaftere Waffe als rohe Gewalt, — die Ueberzeugung! So lange ich aber mit dieser nicht besiegt bin, werde ich unbeirrt den politischen Grundsätzen treu bleiben, für die ich seit zwanzig Jahren, oft unter schweren Opfern und allein im Dienste der Wahrheit, gekämpft habe. Daß ich nicht ohne Erfolg gekämpft, dafür bürgt mir die Bosheit meiner Feinde. F. L. <hi rendition="#g">Streber</hi>.“</p> </div> <div xml:id="ar217_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 6. Feb.</head> <p>Ueber die hiesigen Wahlen drückt sich die „Galgenzeitung“ an der Spree folgendermaßen aus:</p> <p>„Wir haben bereits gesagt, daß wir ein anderes Resultat nicht erwartet haben und nicht erwarten konnten. Die Masse der demokratischen Wahlmänner, unter denen sich viele ehemalige Sträflinge, Banquerottiers und Subjekte befanden, deren sich die eigene Partei schämte, war überwiegend und mußte erklärte Republikaner, Aufwiegler und Landesverräther wählen! Wir beklagen uns nicht darüber. Aber über Eines wollen wir uns beklagen, das ist über die Schwäche der konservativen Partei, die einen Grabow, ja einen Gneist, der Revolutionspartei als Gegenkandidaten stellt und so schmachvoll selbst im Prinzip sich besiegen läßt. In dem Wahn, daß, wenn man solche Zugeständnisse mache, ein großer Theil der gut organisirten und dressirten Radikalen aus Höflichkeit und Gefälligkeit übertreten und beistimmen werde, stellt man einen durch sein Schwanken und Laviren bekannt gewordenen Mann, stellt man einen rein Oppositionellen, nur weil er nicht gerade zu den direkten Todtschlägern gehört! auf, ficht für diese Schattenbilder, statt wenigstens den moralischen Eindruck einer Demonstration durch das Stimmen für einen der aufgetretenen Kandidaten — und es waren deren genug vorhanden von gutem und tüchtigem Klang im Lande! — von fester konservativer Haltung zu retten. Wenn die Herren Wahlmänner der konservativen Partei meinen, daß ihre konservativen Urwähler ihnen das Mandat zu einem solchen linken Seiltänzersprunge gegeben, dann haben sie ihre Wahl herzlich schlecht verstanden, uns aber muß das weggeworfene Vertrauen reuen, und wir finden in der Niederlage der konservativen Wahlmänner nur eine gerechte und wohlverdiente Strafe ihrer zweizüngigen und taktlosen Haltung! Sand darüber, denn Gott sei Dank, Berlin war nie die Hauptstadt Preußens, jetzt aber ist längst das wahre Preußen außerhalb Berlins.“</p> </div> <div xml:id="ar217_013" type="jArticle"> <head>Berlin, 6. Febr.</head> <p>Der „Preuß. St.-A.“ bringt folgende Wahlresultate:</p> <p><hi rendition="#g">Provinz Brandenburg</hi>.</p> <p>Regierungsbezirk Frankfurt.</p> <p>Im 2. Wahlbezirk: 1) Kammergerichts-Assessor <hi rendition="#g">Schröck</hi> zu Landberg a. d. W., 2) Rittergutsbesitzer <hi rendition="#g">Bremel</hi> auf Rehnitz.</p> <p>Im 4. Wahlbezirk: 1) Graf <hi rendition="#g">Görtz-Wriesberg,</hi> Lieutenant a. D., 2) Assessor v. <hi rendition="#g">Schirnding</hi>.</p> <p>Im 8. Wahlbezirk: 1) Geh. Reg.-Rath a. D. v. <hi rendition="#g">Werdeck</hi>, 2) Bürgermeister <hi rendition="#g">Peschke</hi> in Spremberg.</p> <p>Im 9. Wahlbezirk: 1) Staatsminister v. <hi rendition="#g">Manteuffel,</hi> 2) Prediger <hi rendition="#g">Schellenberg</hi>.</p> <p>Regierungsbezirk Potsdam.</p> <p>Im 1. Wahlbezirk: 1) Schulze <hi rendition="#g">Heuer</hi> aus Sedenbeck, 2) Justizrath <hi rendition="#g">Breithaupt</hi> aus Havelberg.</p> <p>Im 3. Wahlbezirk: 1) <hi rendition="#g">Krahn,</hi> Justizrath in Kremmen, 2) v. <hi rendition="#g">Patow,</hi> wirkl. Geh. Legationsrath in Potsdam.</p> <p>Im 4. Wahlbezirk: v. <hi rendition="#g">Bodelschwingh</hi>, Geh. Staatsminister a. D., 2) Frhr. v. <hi rendition="#g">Vincke,</hi> Landrath a. D. in Hagen.</p> <p>Im 5. Wahlbezirk: 1) Landrath v. <hi rendition="#g">Arnim</hi> in Angermünde, 2) Prof. <hi rendition="#g">Keller</hi> in Berlin, 3) Geh. Archivrath <hi rendition="#g">Riedel</hi> in Berlin, 4) Reg.-Rath <hi rendition="#g">Elwanger</hi> in Breslau.</p> <p>Im 6. Wahlbezirk: 1) Oberbürgermeister <hi rendition="#g">Grabow</hi> in Prenzlau, 2) Staatsminister a. D. Graf v. <hi rendition="#g">Arnim</hi>.</p> <p>Im 7. Wahlbezirk: 1) v. <hi rendition="#g">Bismark-Schönhausen,</hi> 2) Amtmann <hi rendition="#g">Winterfeldt</hi> zu Keltzniel.</p> <p>Im 8. Wahlbezirk: 1) Oberregierungsrath v. <hi rendition="#g">Fock</hi> in Potsdam, 2) Geh. Jommerzienrath <hi rendition="#g">Carl</hi> in Luckenwalde.</p> <p><hi rendition="#g">Provinz Pommern</hi>.</p> <p>Regierungsbezirk Stettin.</p> <p>Im 3. Wahlbezirk: 1) Justizkommissar <hi rendition="#g">Krause,</hi> 2) Amtsrath <hi rendition="#g">Kögel</hi> auf Gorden.</p> <p>Im 4. Wahlbezirk: 1) Landrath a. D. v. <hi rendition="#g">Wedell</hi>, 2) Landrathamts-Verweser Rittmeister <hi rendition="#g">Asch</hi>.</p> <p><hi rendition="#g">Provinz Sachsen</hi>.</p> <p>Regierungsbezirk Magdeburg.</p> <p>Im 1. Wahlbezirk: 1) Regierungsrath v. <hi rendition="#g">Unruh,</hi> 2) Prof. <hi rendition="#g">Pax</hi>.</p> <p>Regierungsbezirk Merseburg.</p> <p>Im 4. Wahlbezirk: 1) Fabrikant <hi rendition="#g">Jakob</hi> in Halle, 2) Pastor <hi rendition="#g">Fubel</hi> in Domnitz.</p> <p>Im 7. Wahlbezirk: 1) Justizkommissar <hi rendition="#g">Etzdorf</hi> in Neumarkt, 2) Bürgermeister <hi rendition="#g">Seffner</hi> in Merseburg.</p> <p><hi rendition="#g">Provinz Schlesien</hi>.</p> <p>Regierungsbezirk Breslau.</p> <p>Im 1. Wahlbezirk: 1) Dr. <hi rendition="#g">Stein,</hi> 2) Stadtgerichtsrath <hi rendition="#g">Pflücker</hi>.</p> <p>Im 2. Wahlbezirk: 1) Graf <hi rendition="#g">von Ziethen,</hi> 2) Stadtrath <hi rendition="#g">Ludewig</hi>.</p> <p>Regierungsbezirk Liegnitz.</p> <p>Im 5. Wahlbezirk: 1) Regierungsrath v. <hi rendition="#g">Merckel</hi> in Liegnitz, 2) Bauergutsbesitzer <hi rendition="#g">Willenberg</hi> in Groß-Wandris.</p> <p>Im 7. Wahlbezirk: 1) Fürstenthumsgerichts-Sekretär <hi rendition="#g">Merres</hi> in Sagan, 2) Gerichtsscholz <hi rendition="#g">Eckardt</hi> in Märzdorf.</p> </div> <div xml:id="ar217_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>140</author></bibl> Aus dem Kreise Liegnitz, 5. Februar.</head> <p>Sieg der Demokratie! In der heutigen Wahl zweier Abgeordneten für die zweite Kammer wurden <hi rendition="#g">beide Kandidaten der demokratischen Partei,</hi> jeder sogleich im ersten Scrutinium mit Majorität durchgesetzt. Der erste <hi rendition="#g">Bürgerwehroberst v. Merckel,</hi> als Regierungsrath suspendirt und in Disziplinaruntersuchung befindlich, weil er im November auf die Seite der Nationalversammlung getreten und an den hierauf bezüglichen Schritten am hiesigen Orte Theil genommen, erhielt von 298 gegen 171 Stimmen, der Zweite <hi rendition="#g">Bauergutsbesitzer Willenberg</hi> aus Groß-Wandris hies. Kreis, Mitglied der Linken der aufgehobenen Nationalversammlung, der für die Steuerverweigerung gestimmt, erhielt 151 Stimmen. Der konstitutionelle Gegenkandidat, Gerichtsdirektor <hi rendition="#g">Hoffmann-Schetz</hi> von hier erhielt bei der ersten Abstimmung 125, bei der zweiten 133 Stimmen. So sind alle Geldopfer und Umtriebe der Gegenpartei vergeblich gewesen. Der Jubel einer-, die Wuth andrerseits ist groß.</p> </div> <div xml:id="ar217_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>19</author></bibl> Oels (in Schlesien), 5. Februar.</head> <p>Als erster Aggeordneter wurde heute der Rektor <hi rendition="#g">Mätze,</hi> Steuerverweigerer, zum Abgeordneten ernannt. Die beiden anderen Abgeordneten werden wohl erst morgen bekannt werden.</p> </div> <div xml:id="ar217_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>141</author></bibl> Brieg, 5. Februar.</head> <p>Stadtgerichtsrath Schmidt (Steuerverweigerer); Lehrer Zimbal (Demokrat); der dritte noch unbekannt.</p> </div> <div xml:id="ar217_017" type="jArticle"> <head>Aus der Grafschaft Glatz, im Febr.</head> <p>Der Wunsch, bei den Wahlen am 22. vorigen Mts. berücksichtigt zu werden, hatte einen Bauergutsbesitzer im Habelschwerter Kreise, veranlaßt, bei einem seiner Nachbarn, einem sehr beliebten, ihm aber abholden Manne, die Rolle des leibhaftigen Teufels zu spielen. In der Nacht vor dem verhängnißvollen Wahltage findet er sich, mit Hörnern, langem Schwanze und andern teuflichen Abzeichen versehen, in der Schlafstube seines Nachbars ein, weckt ihn durch dumpfes Gebrüll und befiehlt ihm, seinen ganzen Einfluß in der Gemeinde darauf zu verwenden, daß jener Bauergutsbesitzer (nämlich er selbst) gewählt würde, andererseits ihm und der Gemeinde Pestilenz und andere Uebel bevorständen. Der erschrockene Nachbar, vielleicht ein wenig abergläubisch, verspricht den Befehlen des Teufels nachzukommen, worauf sich derselbe entfernt. Zu seinem Unglück werden ihn einige Kettenhunde gewahr, von denen sich der eine losreißt und auf den armen Teufel losspringt. Dieser flüchtet sich in seiner Angst auf die an den Kuhstall angelegte Brandleiter und bleibt auf dem Dache desselben sitzen. Durch das wüthende Gebell der Hunde aufgeweckt, erscheinen mehrere und immer mehrere Leute, welche dem auf dem Dache zusammengekauerten Teufel durch fleißiges Bewerfen mit Schneebällen dermaßen zusetzen, daß derselbe endlich um Pardon bitten und beschämt den Grund zu seiner Verkappung angeben muß. — Buchstäblich wahr!</p> <bibl>(A. Od.-Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar217_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> Posen, 1. Febr.</head> <p>In der Generalversammlung der Liga Polska zu Kornik hielt Dr. <hi rendition="#g">Maetzig</hi> aus Lissa, als Vertreter der Deutschen, folgende Anrede an die Polen:</p> <p>„Meine Herren! Erlauben Sie mir einige Worte an Sie zu richten in einer Sprache, welche mir die geläufigere ist; wo eins meiner Worte unverstanden bleiben sollte, da werden sich unsere Herzen verstehen. — Wie einzelne große höher begabte Männer, so meine Herren, giebt es ganze Völker, welchen die Vorsehung, in ihrer wunderbaren Führung des Menschengeschlechts zu einer hohern Vervollkommnung besondere Aufgaben gestellt hat. — Zu diesen Auserkornen gehört das edle Volk der Polen. — Die erste Aufgabe, welche dieses Volk bei seinem Eintritt in die Weltgeschichte zu lösen hatte, war die Beschirmung der Civilisation des Westen gegen die Barbarei des Osten, des Christenthums gegen den gewaltsam vordrägenden Mohamedanismus. — Polens ganzes Leben bis über das Mittelalter hinaus war ein langer großer und siegreicher Kreuzzug der Vertheidigung. Die glänzendste That in diesem Jahrhunderte langen Kampfe war der Sieg vor Wien. — Der Glanz des Halbmondes erbleichte für immer und Europa war gerettet. — Die zweite Aufgabe war die Führung des Beweises, daß die Völker das heilige unveräußerliche und unverjährbare Recht haben, sich ihre Gesetze selbst zu geben, es war die Einführung des wahren Christenthums in das Leben des Staates, das von allen zuerst die Gleichheit der Menschen als Grundsatz anerkannte und aussprach. — In seiner Constitution vom 3. Mai warf Polen dem Absolutismus den Fehdehandschuh hin; der Absolutismus nahm ihn auf und es entbrannte der gegenseitige verzweifelte Vernichtungskampf. Polen wurde zerrissen, zertreten, gemißhandelt und gebrandmarkt; die Edelsten des Volkes starben den Märtyrertod, oder kehrten siech und für's Leben gebrochen aus den Kerkern zurück. Unter den Pyramiden Egyptens, in den Eisfeldern des Nordens, unter Spaniens, Italiens, Griechenlands schönem Himmel, auf den Fluren Deutschlands und Frankreichs, ja selbst jenseits des Weltmeeres strömte das vergossene Heldenblut. — In den Grabeshöhlen des Ural, auf Sibiriens Schneesteppen erstarben die letzten Seufzer der unglücklichen Opfer des Absolutismus, Tausende unsere Brüder trauern im Auslande um die verlorene Heimath. — Tief, tief drangen die Spitzen der Dornenkrone in die blutende Schläfe und mancher bebenden Lippe entwanden sich die verzagenden Worte: Gott! Gott! warum hast Du mich verlassen? — In allen diesen Kämpfen war, o wunderbare Fügung des Himmels! wiederum Wien der Ort, wo die glänzendste That gethan wurde. So lange es eine Geschichte Polens giebt, ist Polen noch nie so hoch gefeiert worden, als mit den Worten, welche der Freiherr v. Vinke von der Tribüne des Frankfurter Parlaments herabrief: „in der Aula sind nur Polen.“ Ja Polen haben gekämpft in Wien für die Freiheit, für die <hi rendition="#g">deutsche</hi> Freiheit, sie haben gekämpft für die deutsche Freiheit gegen die Genossen ihres Stammes. — Sie sind gefallen, und haben, wie so viele ihrer Väter und Brüder, mit dem Tode besiegelt, was sie als Wahrheit erkannt hatten. — Und was ist der endliche Erfolg von dem Allen, welcher Lohn soll alle diese Opfer aufwiegen? Dem ganzen Westen Europas, meine Herren, ist die gesetzliche Freiheit errungen, die Macht des Absolutismus ist gebrochen für immer, er ist moralisch vernichtet, möge er auch in einzelnen Staaten noch ankämpfen gegen dieses Loos der Vernichtung; für die Dauer kann er nimmer und nirgends mehr Wurzeln treiben. — Die scheinbaren, ephemeren Siege der Reaction auf so vielen Punkten, können den mit dem Entwickelungsgange der Völkergeschichte Vertrauten nur mit den schmerzlichsten Besorgnissen erfüllen, nicht für die Sache der Freiheit, sondern darum, daß die Uebergriffe der freiheitsfeindlichen Partei jede friedliche Vermittelung unmöglich machen und neue blutige Stürme über die Völker heraufbeschwören. — Für die Dauer muß der endliche Sieg dem Rechte werden und der Freiheit. Polen hat zum zweitenmale dem Westen Europa's das Heil erwirkt. Noch aber, meine Herren, bleibt Großes zu thun übrig. — Die Segnungen der Neuzeit müssen für das ganze Europa ein Gemeingut werden, und wir, die wir als Grenzwächter der beiden großen Hälften unseres Erdtheils stehen, wir haben die Pflicht, diese Aufgabe, die dritte von der Vorsehung Polen gestellte, zu lösen. — Dadurch, daß unser Land zu einem Musterstaate herangebildet, dadurch allein kann jene Aufgabe gelöst, kann Europa vor einer asiatischen Ueberfluthung gesichert werden. Gelingt es, unser Aller redlichem Bemühen zu erwirken, daß die jetzt gesetzlich freien polnischen Provinzen diesen Grad der Entwickegung erreichen, so werden wir dem Osten ein Spiegelbild entgegenhalten, vor welchem der nachbarliche Koloß in sich selbst zusammenbrechen muß, denn der Herrschaft des Geistes entzieht sich und widersteht heut Nichts mehr auf Erden. Zu diesem großen herrlichen Werke, meine Herren, bieten wir Deutschredenden, die wir mit Ihnen dieses Land als unser Vaterland ansehen und lieben, die helfende Hand, und das mit fühlendem Herzen, wir sind nicht Ihre Freunde, wir sind Ihre Brüder, und wollen Hand in Hand mit Ihnen dem schönen glorreichen Ziele entgegenwirken. Die Zeit des Wahns und der Verführung der Meinung ist vorüber, und was während derselben nur Einzelne erkannten, es wird mit jedem Tage immer Mehreren klar; jeder Tag bringt immer Mehreren zur Anschauung, daß Glück und Wohlergehen nur dann im Lande blühen und bestehen können, wenn alle seine Bewohner in brüderlicher Eintracht mit und bei einander leben. — Die Liga, meine Herren! ist die Schöpfung, an deren Wiege wir heute stehen, sie soll die Siegespreise bringen, um welche so lange — so blutig e[r]kämpft worden, sie soll im Leben verwirklichen, was wir Alle im Herzen tragen. — Sie wird als Vorbild den Völkern leuchten und sie werden von dieser Leuchte geführt, den Weg finden zur Verbrüderung aller Nationen, zur Gründung eines wahren dauernden Weltfriedens. — Fragen Sie nicht, meine Herren! wie viele Opfer der heiligen Sache gefallen, wie viele Herzen das tiefe Wehe gebrochen? Christus ist am Kreuze gestorben für die Menschheit, aber seine Lehre hat den Erdkreis besiegt. — Polen ist der Völker-Christus, es hat seinen Kreuzestod vollbracht; wir aber, die Erben und Apostel der gesetzlichen Freiheit, wir sollen vor der Welt und der Zeit durch unser Beispiel Zeugniß geben für die Gültigkeit dessen, was die Vorsehung in der Geschichte unseres Landes geoffenbaret hat. — Dazu wolle uns Gott seinen Beistand und Segen verleihen. — Was mit ihm und in ihm begonnen, das wird auch vor ihm bestehen.“</p> <p>„Allerdings haben sich in den Wirren der jüngsten Zeit nur wenige auf diesen Standpunkt zu stellen und das Gift, was die Reaction unter die hiesige Bevölkerung gestreut, von sich entfernt zu halten vermocht; aber immer mehr tritt die eigene Ueberlegung wieder hervor und ruft von dem betretenen Irrwege zurück, und so hoffen wir denn, daß der neue Bund, den Deutsche und Polen in der Liga geschlossen, Friede und Eintracht unter die Bewohner unseres Landes zurückführen werde, die eine hinterlistige R[e]aktion uns zu unser aller Schaden gestört hatte. — So lange es den finste[r]en Ränken der Reaktion gelingt, die Zwietracht unter uns zu erhalten, so lange wir auch unter dem Joch des Absolutismus schmachten. Deshalb wollen wir einig sein, um mit einander frei zu sein!“</p> </div> <div xml:id="ar217_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Oldenburg, 5. Febr.</head> <p>In der heutigen Sitzung des Landtags ist die Frage über Civilliste oder Dotation entschieden worden. Der Vermittelungs-Vorschlag des Ministeriums, nach welchem halb das Eine, halb das Andere stattfinden soll, ist heute von dem Landtage bei namentlicher Abstimmung mit 26 gegen 5 Stimmen angenommen worden.</p> </div> <div xml:id="ar217_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Kremsier, 1. Februar.</head> <p>In der heutigen Sitzung des Reichstags wurde unter andern folgende Interpellation Gayer's an das Ministerium des Innern verlesen:</p> <p>Er (Gayer) habe in seinem Wahlbezirke (Neudegg in Steyermark) die Wahlmänner versammeln wollen, um ihnen Rechenschaft von seinem und des ganzen Reichstages bisheriger Thätigkeit zu geben. Diese Versammlung habe der Bezirksrichter für gesetzwidrig erklärt und strengstens verboten; sowohl Kreisamt als Gubernium haben dies angeordnet und sogar noch beigefügt, mich bei meinem Erscheinen zu arretiren. Gayer fragt das Ministerium des Innern, ob es hierüber eine Untersuchung einleiten und die Beamten strafen werde?</p> </div> <div xml:id="ar217_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 6. Februar.</head> <p>National-Versammlung.</p> <p>Simson präsidirt.</p> <p>Tagesordnung: Die posensche Demarkationslinie.</p> <p><hi rendition="#g">Franz Schmidt</hi> aus Löwenberg beantragt Vertagung der Berathung. Die Demarkationslinie sei nur nach militärischen Rücksichten gezogen, der Bericht unvollkommen und eine genaue Karte des Großherzogthums liege den Mitgliedern des Hauses nicht vor.</p> <p><hi rendition="#g">Schubert</hi> aus Königsberg (der Berichterstatter des völkerrechtlichen Ausschusses in dieser Frage) erwidert und verlangt die sofortige Berathung. Er hält über diese präjudizielle Frage ein en stundenlangen Geschichtsvortrag.</p> <p><hi rendition="#g">Schmidt</hi> wiederholt kurz seine Motive. (Die Rechte lacht ihn und die Polen aus.) Schmidt spricht seine Verwunderung aus, daß die Rechte ein so schmählich geschändetes Volk noch auslachen könne. (Vinke macht verächtliche Handbewegungen.) Sollte der Bericht dennoch zur Berathung kommen, meint Schmidt, so werde ich meinen Namen von der Rednerliste streichen lassen, um ihn nicht herzugeben zu einem miserablen Marionettenspiele. (Beifall. Rechts Gelächter.)</p> <p>Man stimmt ab. Der Schmidtsche Antrag wird verworfen. Nur die Linke stand auf.</p> <p>Ein präjudizieller Antrag von Rösler aus Oels ist hiermit gleichzeitig verworfen.</p> <p>Man geht auf die Diskussion des Berichts ein.</p> <p><hi rendition="#g">Döllingen</hi> (ein Ultramontaner) spricht aus katholischen Rücksichten gegen den Ausschußantrag. (Vergl. Nro. 216.) Unter dem Namen einer Demarkationslinie handle es sich um nichts Anderes als um mögliche Schwächung der polnischen Nationalität. (Hiermit ist eigentlich alles Nöthige zur Diskussion gesagt.) Eine Wiederherstellung der polnischen Nation hält er für unmöglich, aber wir sind den in unsern Staat aufgenommenen Polen, denen schon so manches feierliche Wort gebrochen, schuldig, ihre Sprache und Nationalität zu wahren, wie es ihnen gelobt worden. Endlich schließt sich Döllingen dem Osterrathschen Antrag an, welcher dahin geht:</p> <p rendition="#et">„Die Demarkationslinie nicht zu genehmigen, sondern mit der preußischen Regierung über die Einverleibung des ganzen Großherzogthums in den deutschen Bund zu verhandeln.“</p> <p>Döllingen predigte 1 1/2 Stunden.</p> <p>Nach ihm hielt <hi rendition="#g">Pöden</hi>, ein Arzt aus Protoszyn, eine auswendig gelernte Rede voll Salbung zu Gunsten der deutschen Juden im Großherzogthum. Er emp[f]ahl natürlich den Ausschußantrag.</p> <p><hi rendition="#g">Venedey</hi> spricht für die Polen und vom Schamgefühl der deutschen Nation. Er donnert dabei die rechte Seite an. (Diese erhebt Tumult. Der Präsident Kirchgessner beruhigt sie). Die Gründe des Ausschußberichts nennt er erbärmlich. Die große Schande, die wir in der polnischen Angelegenheit über uns gebracht haben, hat der Ausschuß aufs Neue, aber kleinlich und erbärmlich, aufgefrischt. (Rechts Hohngelächter.)</p> <p><hi rendition="#g">Radowitz</hi> (mit preußischer Unteroffiz[i]erstimme. Die Versammlung lauscht lautlos): Die polnische Frage sei gar nicht mehr in die heutige Erörterung zu ziehen. Radowitz giebt eine geographisch-strategische Rechtfertigung der gezogenen Demarkationslinie.</p> <p>Die ganze Versammlung nimmt die Karten vor und folgt dem Redner Wort für Wort. Haben Sie jemals eine militärische Instruktionsstunde mit angehört?</p> <p><hi rendition="#g">Rösler</hi> aus Oels meint, die Ausschußvorarbeiten seien so dürftig, und die vorgelegte Karte so schlecht, daß er auf Grund dieser Materialien nicht einmal einem Primaner dies Thema zu einer Ausarbeitung zumuthen möchte, viel weniger aber würde auf Grund dieses Berichtes er es unternehmen, abzustimmen in einer so wichtigen Angelegenheit. Rösler stellt den Antrag auf motivirte Tagesordnung wegen unzureichenden Ausschußberichtes.</p> <p><hi rendition="#g">Wurm</hi> giebt zu, daß eine solche Demarkationslinie ziehen, den Polen Gewalt anthun heißt — aber diese Gewalt sei unter den gegenwärtigen Umständen zu rechtfertigen.</p> <p><hi rendition="#g">Wiesner</hi> (so viel man unter dem Tumult der Rechten und Centren verstehen kann): Während die Polen in Paris ein Manifest an alle europäischen Brüder erlassen, die Banden des Absolutismus zu brechen, beschäftigt sich die National-Versammlung mit einer neuen Theilung und Zerfetzung Polens. Schauen Sie über ihre Häupter, und sehen Sie, welches Motto Sie der Germania in diesem Saale gegeben haben:</p> <lg type="poem"> <l>O walle hin du Opferbrand</l><lb/> <l>Hin über Land und Meer,</l><lb/> <l>Und schling' ein einig Liebesband</l><lb/> <l>Um <hi rendition="#g">alle</hi> Völker her! —</l><lb/> </lg> <p>Möge doch einer von Ihnen (nach Rechts) den Antrag stellen, dieses Motto zu streichen! (Rechts Gelächter. Links und Gallerien Beifall.)</p> <p>Wiesners Rede, welche das Beste ist, was seit langer Z[e]it in diesem Froschteiche gehört wurde, erweckt rechts bissige Unterbrechungen.</p> <p>Wiesner weist hin auf die scheußliche schacherische Art und Weise, wie die Deutschen im Großherzogthum zu ihren Gütern gekommen sind. Auf wahrhaft wunderbare Art — um Spottpreise! es war eine Sinekure fur die deutschen Juden. Nun will man noch obendrein diesem Unrecht die Schmach der Zerschmetterung der Nationalität zufügen. Thun Sie dies, so wird man sich vor Kolonisten und Vertretern des deutschen Volkes hüten wie vor — — — ! Ein Fünftel ungefähr von dem Großherzogthum wird durch die Demarkationslinie den Polen hingeworfen und dies eine Fünftel </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1188/0002]
schon gestern Abend offiziell durch das Intelligenzblatt veröffentlichen ließ.
In dem gestern von uns erwähnten Injurienprozeß des Literaten Schweizer gegen den Buchdrucker Sittenfeld, wozu heute Vormittag Termin stattfand, bestritt zunächst der Verklagte die Identität des Klägers mit dem in den „Enthüllungen“ genannten Schweizer. Sodann lehnte er jede Verantwortlichkeit ab, da der Kläger ihn nicht vorher nach dem Namen des Verfassers gefragt; und endlich wies er jede Wissenschaft über den Inhalt der „Enthüllungen“ von sich. Aufgefordert den Verfasser zu nennen, gab er den Namen eines gewissen Wilhelm Piersig, Privatsekretär, wohnhaft: Chaussestraße 76, an. Es ist dies ein ganz unbekannter Mensch, der offenbar nur als Strohmann vorgeschoben ist. Schweizer zog hierauf die Anklage gegen den Drucker zurück, hielt aber die gegen den Verbreiter aufrecht. Sittenfeld gestand zu, daß die „Enthüllungen“ in seinem Hause verkauft worden seien, es sei dies aber auf Rechnung des Verfassers geschehen und er wisse eben nichts vom Inhalt. Schweizer nahm hierauf seine Klage zurück und behielt sich vor, gegen den als Verfasser bezeichneten Piersig klagbar zu werden. Sittenfeld wird bei diesem zweiten Prozeß als Zeuge figuriren.
Der Herausgeber des „Publicisten,“ Krim.-G.-Act. Thiele, hatte letzthin in einem Aufsatze auf die in mehreren politischen Prozessen der neuern Zeit vorgekommene Erscheinung aufmerksam gemacht, daß die Zeugen sehr häufig in der öffentlichen Sitzung ganz anders aussagten, als in der Voruntersuchung ihnen in den Mund gelegt worden. Der Verfasser hatte dabei ziemlich scharf auf die Mängel unserer Untersuchungsrichter hingewiesen, indem er diese Widersprüche zum Theil dadurch zu erklären suchte, daß es den Untersuchungsrichtern oft an der nöthigen Präzision des Ausdruckes fehle. Auf Anlaß dieses Artikels und auf höheren Befehl ist nun Thiele dieser Tage zur Untersuchung gezogen worden, weil jener Artikel eine Schmähung des Standes der Untersuchungsrichter enthalte. Zugleich aber ist ihm auch privatim die Weisung geworden, zukünftig seinem Blatte eine andere Haltung zu geben, wenn sein Amt ihm lieb sei. Man sieht hieraus, wie im Justizministerium die Preß- und Meinungsfreiheit verstanden wird.
* Berlin, 6. Febr. Der hauptsächlich wegen seiner demokratischen Bestrebungen verhaftet gewesene und jetzt wieder freigelassene Justizkommissar Streber hat folgende Erklärung abgegeben:
„Die Presse hat mir neuerdings die Ehre angethan, sich mit meiner Verhaftung mehrfach und zum Theil auf die gehässigste Weise zu beschäftigen.
Es kann nicht meine Absicht sein, mich über die Lage der Untersuchung vor dem Urtel, dem ich in kürzester Frist und ruhig entgegensehen darf, auszusprechen. Schon jetzt aber kann ich die voreilige Behauptung
„daß ich mir in meiner frühern richterlichen Stellung Kosten-Vorschüsse in einer Vormundschafts- und zweien Kontraktsachen hätte zahlen lassen, ohne sie zur Kasse abzuführen, daß ich also Kassengelder unterschlagen hätte,“
als eine grobe Verläumdung bezeichnen, deren verantwortlichen Verbreiter ich zur Rechenschaft gezogen habe.
Natürlich ist auch die Hauptsache, „meine demokratischen Wühlereien“ nicht vergessen worden. Gilt es diesen zu begegnen, so gibt es eine sichere und jedenfalls ehrenhaftere Waffe als rohe Gewalt, — die Ueberzeugung! So lange ich aber mit dieser nicht besiegt bin, werde ich unbeirrt den politischen Grundsätzen treu bleiben, für die ich seit zwanzig Jahren, oft unter schweren Opfern und allein im Dienste der Wahrheit, gekämpft habe. Daß ich nicht ohne Erfolg gekämpft, dafür bürgt mir die Bosheit meiner Feinde. F. L. Streber.“
* Berlin, 6. Feb. Ueber die hiesigen Wahlen drückt sich die „Galgenzeitung“ an der Spree folgendermaßen aus:
„Wir haben bereits gesagt, daß wir ein anderes Resultat nicht erwartet haben und nicht erwarten konnten. Die Masse der demokratischen Wahlmänner, unter denen sich viele ehemalige Sträflinge, Banquerottiers und Subjekte befanden, deren sich die eigene Partei schämte, war überwiegend und mußte erklärte Republikaner, Aufwiegler und Landesverräther wählen! Wir beklagen uns nicht darüber. Aber über Eines wollen wir uns beklagen, das ist über die Schwäche der konservativen Partei, die einen Grabow, ja einen Gneist, der Revolutionspartei als Gegenkandidaten stellt und so schmachvoll selbst im Prinzip sich besiegen läßt. In dem Wahn, daß, wenn man solche Zugeständnisse mache, ein großer Theil der gut organisirten und dressirten Radikalen aus Höflichkeit und Gefälligkeit übertreten und beistimmen werde, stellt man einen durch sein Schwanken und Laviren bekannt gewordenen Mann, stellt man einen rein Oppositionellen, nur weil er nicht gerade zu den direkten Todtschlägern gehört! auf, ficht für diese Schattenbilder, statt wenigstens den moralischen Eindruck einer Demonstration durch das Stimmen für einen der aufgetretenen Kandidaten — und es waren deren genug vorhanden von gutem und tüchtigem Klang im Lande! — von fester konservativer Haltung zu retten. Wenn die Herren Wahlmänner der konservativen Partei meinen, daß ihre konservativen Urwähler ihnen das Mandat zu einem solchen linken Seiltänzersprunge gegeben, dann haben sie ihre Wahl herzlich schlecht verstanden, uns aber muß das weggeworfene Vertrauen reuen, und wir finden in der Niederlage der konservativen Wahlmänner nur eine gerechte und wohlverdiente Strafe ihrer zweizüngigen und taktlosen Haltung! Sand darüber, denn Gott sei Dank, Berlin war nie die Hauptstadt Preußens, jetzt aber ist längst das wahre Preußen außerhalb Berlins.“
Berlin, 6. Febr. Der „Preuß. St.-A.“ bringt folgende Wahlresultate:
Provinz Brandenburg.
Regierungsbezirk Frankfurt.
Im 2. Wahlbezirk: 1) Kammergerichts-Assessor Schröck zu Landberg a. d. W., 2) Rittergutsbesitzer Bremel auf Rehnitz.
Im 4. Wahlbezirk: 1) Graf Görtz-Wriesberg, Lieutenant a. D., 2) Assessor v. Schirnding.
Im 8. Wahlbezirk: 1) Geh. Reg.-Rath a. D. v. Werdeck, 2) Bürgermeister Peschke in Spremberg.
Im 9. Wahlbezirk: 1) Staatsminister v. Manteuffel, 2) Prediger Schellenberg.
Regierungsbezirk Potsdam.
Im 1. Wahlbezirk: 1) Schulze Heuer aus Sedenbeck, 2) Justizrath Breithaupt aus Havelberg.
Im 3. Wahlbezirk: 1) Krahn, Justizrath in Kremmen, 2) v. Patow, wirkl. Geh. Legationsrath in Potsdam.
Im 4. Wahlbezirk: v. Bodelschwingh, Geh. Staatsminister a. D., 2) Frhr. v. Vincke, Landrath a. D. in Hagen.
Im 5. Wahlbezirk: 1) Landrath v. Arnim in Angermünde, 2) Prof. Keller in Berlin, 3) Geh. Archivrath Riedel in Berlin, 4) Reg.-Rath Elwanger in Breslau.
Im 6. Wahlbezirk: 1) Oberbürgermeister Grabow in Prenzlau, 2) Staatsminister a. D. Graf v. Arnim.
Im 7. Wahlbezirk: 1) v. Bismark-Schönhausen, 2) Amtmann Winterfeldt zu Keltzniel.
Im 8. Wahlbezirk: 1) Oberregierungsrath v. Fock in Potsdam, 2) Geh. Jommerzienrath Carl in Luckenwalde.
Provinz Pommern.
Regierungsbezirk Stettin.
Im 3. Wahlbezirk: 1) Justizkommissar Krause, 2) Amtsrath Kögel auf Gorden.
Im 4. Wahlbezirk: 1) Landrath a. D. v. Wedell, 2) Landrathamts-Verweser Rittmeister Asch.
Provinz Sachsen.
Regierungsbezirk Magdeburg.
Im 1. Wahlbezirk: 1) Regierungsrath v. Unruh, 2) Prof. Pax.
Regierungsbezirk Merseburg.
Im 4. Wahlbezirk: 1) Fabrikant Jakob in Halle, 2) Pastor Fubel in Domnitz.
Im 7. Wahlbezirk: 1) Justizkommissar Etzdorf in Neumarkt, 2) Bürgermeister Seffner in Merseburg.
Provinz Schlesien.
Regierungsbezirk Breslau.
Im 1. Wahlbezirk: 1) Dr. Stein, 2) Stadtgerichtsrath Pflücker.
Im 2. Wahlbezirk: 1) Graf von Ziethen, 2) Stadtrath Ludewig.
Regierungsbezirk Liegnitz.
Im 5. Wahlbezirk: 1) Regierungsrath v. Merckel in Liegnitz, 2) Bauergutsbesitzer Willenberg in Groß-Wandris.
Im 7. Wahlbezirk: 1) Fürstenthumsgerichts-Sekretär Merres in Sagan, 2) Gerichtsscholz Eckardt in Märzdorf.
140 Aus dem Kreise Liegnitz, 5. Februar. Sieg der Demokratie! In der heutigen Wahl zweier Abgeordneten für die zweite Kammer wurden beide Kandidaten der demokratischen Partei, jeder sogleich im ersten Scrutinium mit Majorität durchgesetzt. Der erste Bürgerwehroberst v. Merckel, als Regierungsrath suspendirt und in Disziplinaruntersuchung befindlich, weil er im November auf die Seite der Nationalversammlung getreten und an den hierauf bezüglichen Schritten am hiesigen Orte Theil genommen, erhielt von 298 gegen 171 Stimmen, der Zweite Bauergutsbesitzer Willenberg aus Groß-Wandris hies. Kreis, Mitglied der Linken der aufgehobenen Nationalversammlung, der für die Steuerverweigerung gestimmt, erhielt 151 Stimmen. Der konstitutionelle Gegenkandidat, Gerichtsdirektor Hoffmann-Schetz von hier erhielt bei der ersten Abstimmung 125, bei der zweiten 133 Stimmen. So sind alle Geldopfer und Umtriebe der Gegenpartei vergeblich gewesen. Der Jubel einer-, die Wuth andrerseits ist groß.
19 Oels (in Schlesien), 5. Februar. Als erster Aggeordneter wurde heute der Rektor Mätze, Steuerverweigerer, zum Abgeordneten ernannt. Die beiden anderen Abgeordneten werden wohl erst morgen bekannt werden.
141 Brieg, 5. Februar. Stadtgerichtsrath Schmidt (Steuerverweigerer); Lehrer Zimbal (Demokrat); der dritte noch unbekannt.
Aus der Grafschaft Glatz, im Febr. Der Wunsch, bei den Wahlen am 22. vorigen Mts. berücksichtigt zu werden, hatte einen Bauergutsbesitzer im Habelschwerter Kreise, veranlaßt, bei einem seiner Nachbarn, einem sehr beliebten, ihm aber abholden Manne, die Rolle des leibhaftigen Teufels zu spielen. In der Nacht vor dem verhängnißvollen Wahltage findet er sich, mit Hörnern, langem Schwanze und andern teuflichen Abzeichen versehen, in der Schlafstube seines Nachbars ein, weckt ihn durch dumpfes Gebrüll und befiehlt ihm, seinen ganzen Einfluß in der Gemeinde darauf zu verwenden, daß jener Bauergutsbesitzer (nämlich er selbst) gewählt würde, andererseits ihm und der Gemeinde Pestilenz und andere Uebel bevorständen. Der erschrockene Nachbar, vielleicht ein wenig abergläubisch, verspricht den Befehlen des Teufels nachzukommen, worauf sich derselbe entfernt. Zu seinem Unglück werden ihn einige Kettenhunde gewahr, von denen sich der eine losreißt und auf den armen Teufel losspringt. Dieser flüchtet sich in seiner Angst auf die an den Kuhstall angelegte Brandleiter und bleibt auf dem Dache desselben sitzen. Durch das wüthende Gebell der Hunde aufgeweckt, erscheinen mehrere und immer mehrere Leute, welche dem auf dem Dache zusammengekauerten Teufel durch fleißiges Bewerfen mit Schneebällen dermaßen zusetzen, daß derselbe endlich um Pardon bitten und beschämt den Grund zu seiner Verkappung angeben muß. — Buchstäblich wahr!
(A. Od.-Z.) 068 Posen, 1. Febr. In der Generalversammlung der Liga Polska zu Kornik hielt Dr. Maetzig aus Lissa, als Vertreter der Deutschen, folgende Anrede an die Polen:
„Meine Herren! Erlauben Sie mir einige Worte an Sie zu richten in einer Sprache, welche mir die geläufigere ist; wo eins meiner Worte unverstanden bleiben sollte, da werden sich unsere Herzen verstehen. — Wie einzelne große höher begabte Männer, so meine Herren, giebt es ganze Völker, welchen die Vorsehung, in ihrer wunderbaren Führung des Menschengeschlechts zu einer hohern Vervollkommnung besondere Aufgaben gestellt hat. — Zu diesen Auserkornen gehört das edle Volk der Polen. — Die erste Aufgabe, welche dieses Volk bei seinem Eintritt in die Weltgeschichte zu lösen hatte, war die Beschirmung der Civilisation des Westen gegen die Barbarei des Osten, des Christenthums gegen den gewaltsam vordrägenden Mohamedanismus. — Polens ganzes Leben bis über das Mittelalter hinaus war ein langer großer und siegreicher Kreuzzug der Vertheidigung. Die glänzendste That in diesem Jahrhunderte langen Kampfe war der Sieg vor Wien. — Der Glanz des Halbmondes erbleichte für immer und Europa war gerettet. — Die zweite Aufgabe war die Führung des Beweises, daß die Völker das heilige unveräußerliche und unverjährbare Recht haben, sich ihre Gesetze selbst zu geben, es war die Einführung des wahren Christenthums in das Leben des Staates, das von allen zuerst die Gleichheit der Menschen als Grundsatz anerkannte und aussprach. — In seiner Constitution vom 3. Mai warf Polen dem Absolutismus den Fehdehandschuh hin; der Absolutismus nahm ihn auf und es entbrannte der gegenseitige verzweifelte Vernichtungskampf. Polen wurde zerrissen, zertreten, gemißhandelt und gebrandmarkt; die Edelsten des Volkes starben den Märtyrertod, oder kehrten siech und für's Leben gebrochen aus den Kerkern zurück. Unter den Pyramiden Egyptens, in den Eisfeldern des Nordens, unter Spaniens, Italiens, Griechenlands schönem Himmel, auf den Fluren Deutschlands und Frankreichs, ja selbst jenseits des Weltmeeres strömte das vergossene Heldenblut. — In den Grabeshöhlen des Ural, auf Sibiriens Schneesteppen erstarben die letzten Seufzer der unglücklichen Opfer des Absolutismus, Tausende unsere Brüder trauern im Auslande um die verlorene Heimath. — Tief, tief drangen die Spitzen der Dornenkrone in die blutende Schläfe und mancher bebenden Lippe entwanden sich die verzagenden Worte: Gott! Gott! warum hast Du mich verlassen? — In allen diesen Kämpfen war, o wunderbare Fügung des Himmels! wiederum Wien der Ort, wo die glänzendste That gethan wurde. So lange es eine Geschichte Polens giebt, ist Polen noch nie so hoch gefeiert worden, als mit den Worten, welche der Freiherr v. Vinke von der Tribüne des Frankfurter Parlaments herabrief: „in der Aula sind nur Polen.“ Ja Polen haben gekämpft in Wien für die Freiheit, für die deutsche Freiheit, sie haben gekämpft für die deutsche Freiheit gegen die Genossen ihres Stammes. — Sie sind gefallen, und haben, wie so viele ihrer Väter und Brüder, mit dem Tode besiegelt, was sie als Wahrheit erkannt hatten. — Und was ist der endliche Erfolg von dem Allen, welcher Lohn soll alle diese Opfer aufwiegen? Dem ganzen Westen Europas, meine Herren, ist die gesetzliche Freiheit errungen, die Macht des Absolutismus ist gebrochen für immer, er ist moralisch vernichtet, möge er auch in einzelnen Staaten noch ankämpfen gegen dieses Loos der Vernichtung; für die Dauer kann er nimmer und nirgends mehr Wurzeln treiben. — Die scheinbaren, ephemeren Siege der Reaction auf so vielen Punkten, können den mit dem Entwickelungsgange der Völkergeschichte Vertrauten nur mit den schmerzlichsten Besorgnissen erfüllen, nicht für die Sache der Freiheit, sondern darum, daß die Uebergriffe der freiheitsfeindlichen Partei jede friedliche Vermittelung unmöglich machen und neue blutige Stürme über die Völker heraufbeschwören. — Für die Dauer muß der endliche Sieg dem Rechte werden und der Freiheit. Polen hat zum zweitenmale dem Westen Europa's das Heil erwirkt. Noch aber, meine Herren, bleibt Großes zu thun übrig. — Die Segnungen der Neuzeit müssen für das ganze Europa ein Gemeingut werden, und wir, die wir als Grenzwächter der beiden großen Hälften unseres Erdtheils stehen, wir haben die Pflicht, diese Aufgabe, die dritte von der Vorsehung Polen gestellte, zu lösen. — Dadurch, daß unser Land zu einem Musterstaate herangebildet, dadurch allein kann jene Aufgabe gelöst, kann Europa vor einer asiatischen Ueberfluthung gesichert werden. Gelingt es, unser Aller redlichem Bemühen zu erwirken, daß die jetzt gesetzlich freien polnischen Provinzen diesen Grad der Entwickegung erreichen, so werden wir dem Osten ein Spiegelbild entgegenhalten, vor welchem der nachbarliche Koloß in sich selbst zusammenbrechen muß, denn der Herrschaft des Geistes entzieht sich und widersteht heut Nichts mehr auf Erden. Zu diesem großen herrlichen Werke, meine Herren, bieten wir Deutschredenden, die wir mit Ihnen dieses Land als unser Vaterland ansehen und lieben, die helfende Hand, und das mit fühlendem Herzen, wir sind nicht Ihre Freunde, wir sind Ihre Brüder, und wollen Hand in Hand mit Ihnen dem schönen glorreichen Ziele entgegenwirken. Die Zeit des Wahns und der Verführung der Meinung ist vorüber, und was während derselben nur Einzelne erkannten, es wird mit jedem Tage immer Mehreren klar; jeder Tag bringt immer Mehreren zur Anschauung, daß Glück und Wohlergehen nur dann im Lande blühen und bestehen können, wenn alle seine Bewohner in brüderlicher Eintracht mit und bei einander leben. — Die Liga, meine Herren! ist die Schöpfung, an deren Wiege wir heute stehen, sie soll die Siegespreise bringen, um welche so lange — so blutig e[r]kämpft worden, sie soll im Leben verwirklichen, was wir Alle im Herzen tragen. — Sie wird als Vorbild den Völkern leuchten und sie werden von dieser Leuchte geführt, den Weg finden zur Verbrüderung aller Nationen, zur Gründung eines wahren dauernden Weltfriedens. — Fragen Sie nicht, meine Herren! wie viele Opfer der heiligen Sache gefallen, wie viele Herzen das tiefe Wehe gebrochen? Christus ist am Kreuze gestorben für die Menschheit, aber seine Lehre hat den Erdkreis besiegt. — Polen ist der Völker-Christus, es hat seinen Kreuzestod vollbracht; wir aber, die Erben und Apostel der gesetzlichen Freiheit, wir sollen vor der Welt und der Zeit durch unser Beispiel Zeugniß geben für die Gültigkeit dessen, was die Vorsehung in der Geschichte unseres Landes geoffenbaret hat. — Dazu wolle uns Gott seinen Beistand und Segen verleihen. — Was mit ihm und in ihm begonnen, das wird auch vor ihm bestehen.“
„Allerdings haben sich in den Wirren der jüngsten Zeit nur wenige auf diesen Standpunkt zu stellen und das Gift, was die Reaction unter die hiesige Bevölkerung gestreut, von sich entfernt zu halten vermocht; aber immer mehr tritt die eigene Ueberlegung wieder hervor und ruft von dem betretenen Irrwege zurück, und so hoffen wir denn, daß der neue Bund, den Deutsche und Polen in der Liga geschlossen, Friede und Eintracht unter die Bewohner unseres Landes zurückführen werde, die eine hinterlistige R[e]aktion uns zu unser aller Schaden gestört hatte. — So lange es den finste[r]en Ränken der Reaktion gelingt, die Zwietracht unter uns zu erhalten, so lange wir auch unter dem Joch des Absolutismus schmachten. Deshalb wollen wir einig sein, um mit einander frei zu sein!“
X Oldenburg, 5. Febr. In der heutigen Sitzung des Landtags ist die Frage über Civilliste oder Dotation entschieden worden. Der Vermittelungs-Vorschlag des Ministeriums, nach welchem halb das Eine, halb das Andere stattfinden soll, ist heute von dem Landtage bei namentlicher Abstimmung mit 26 gegen 5 Stimmen angenommen worden.
* Kremsier, 1. Februar. In der heutigen Sitzung des Reichstags wurde unter andern folgende Interpellation Gayer's an das Ministerium des Innern verlesen:
Er (Gayer) habe in seinem Wahlbezirke (Neudegg in Steyermark) die Wahlmänner versammeln wollen, um ihnen Rechenschaft von seinem und des ganzen Reichstages bisheriger Thätigkeit zu geben. Diese Versammlung habe der Bezirksrichter für gesetzwidrig erklärt und strengstens verboten; sowohl Kreisamt als Gubernium haben dies angeordnet und sogar noch beigefügt, mich bei meinem Erscheinen zu arretiren. Gayer fragt das Ministerium des Innern, ob es hierüber eine Untersuchung einleiten und die Beamten strafen werde?
!!! Frankfurt, 6. Februar. National-Versammlung.
Simson präsidirt.
Tagesordnung: Die posensche Demarkationslinie.
Franz Schmidt aus Löwenberg beantragt Vertagung der Berathung. Die Demarkationslinie sei nur nach militärischen Rücksichten gezogen, der Bericht unvollkommen und eine genaue Karte des Großherzogthums liege den Mitgliedern des Hauses nicht vor.
Schubert aus Königsberg (der Berichterstatter des völkerrechtlichen Ausschusses in dieser Frage) erwidert und verlangt die sofortige Berathung. Er hält über diese präjudizielle Frage ein en stundenlangen Geschichtsvortrag.
Schmidt wiederholt kurz seine Motive. (Die Rechte lacht ihn und die Polen aus.) Schmidt spricht seine Verwunderung aus, daß die Rechte ein so schmählich geschändetes Volk noch auslachen könne. (Vinke macht verächtliche Handbewegungen.) Sollte der Bericht dennoch zur Berathung kommen, meint Schmidt, so werde ich meinen Namen von der Rednerliste streichen lassen, um ihn nicht herzugeben zu einem miserablen Marionettenspiele. (Beifall. Rechts Gelächter.)
Man stimmt ab. Der Schmidtsche Antrag wird verworfen. Nur die Linke stand auf.
Ein präjudizieller Antrag von Rösler aus Oels ist hiermit gleichzeitig verworfen.
Man geht auf die Diskussion des Berichts ein.
Döllingen (ein Ultramontaner) spricht aus katholischen Rücksichten gegen den Ausschußantrag. (Vergl. Nro. 216.) Unter dem Namen einer Demarkationslinie handle es sich um nichts Anderes als um mögliche Schwächung der polnischen Nationalität. (Hiermit ist eigentlich alles Nöthige zur Diskussion gesagt.) Eine Wiederherstellung der polnischen Nation hält er für unmöglich, aber wir sind den in unsern Staat aufgenommenen Polen, denen schon so manches feierliche Wort gebrochen, schuldig, ihre Sprache und Nationalität zu wahren, wie es ihnen gelobt worden. Endlich schließt sich Döllingen dem Osterrathschen Antrag an, welcher dahin geht:
„Die Demarkationslinie nicht zu genehmigen, sondern mit der preußischen Regierung über die Einverleibung des ganzen Großherzogthums in den deutschen Bund zu verhandeln.“
Döllingen predigte 1 1/2 Stunden.
Nach ihm hielt Pöden, ein Arzt aus Protoszyn, eine auswendig gelernte Rede voll Salbung zu Gunsten der deutschen Juden im Großherzogthum. Er emp[f]ahl natürlich den Ausschußantrag.
Venedey spricht für die Polen und vom Schamgefühl der deutschen Nation. Er donnert dabei die rechte Seite an. (Diese erhebt Tumult. Der Präsident Kirchgessner beruhigt sie). Die Gründe des Ausschußberichts nennt er erbärmlich. Die große Schande, die wir in der polnischen Angelegenheit über uns gebracht haben, hat der Ausschuß aufs Neue, aber kleinlich und erbärmlich, aufgefrischt. (Rechts Hohngelächter.)
Radowitz (mit preußischer Unteroffiz[i]erstimme. Die Versammlung lauscht lautlos): Die polnische Frage sei gar nicht mehr in die heutige Erörterung zu ziehen. Radowitz giebt eine geographisch-strategische Rechtfertigung der gezogenen Demarkationslinie.
Die ganze Versammlung nimmt die Karten vor und folgt dem Redner Wort für Wort. Haben Sie jemals eine militärische Instruktionsstunde mit angehört?
Rösler aus Oels meint, die Ausschußvorarbeiten seien so dürftig, und die vorgelegte Karte so schlecht, daß er auf Grund dieser Materialien nicht einmal einem Primaner dies Thema zu einer Ausarbeitung zumuthen möchte, viel weniger aber würde auf Grund dieses Berichtes er es unternehmen, abzustimmen in einer so wichtigen Angelegenheit. Rösler stellt den Antrag auf motivirte Tagesordnung wegen unzureichenden Ausschußberichtes.
Wurm giebt zu, daß eine solche Demarkationslinie ziehen, den Polen Gewalt anthun heißt — aber diese Gewalt sei unter den gegenwärtigen Umständen zu rechtfertigen.
Wiesner (so viel man unter dem Tumult der Rechten und Centren verstehen kann): Während die Polen in Paris ein Manifest an alle europäischen Brüder erlassen, die Banden des Absolutismus zu brechen, beschäftigt sich die National-Versammlung mit einer neuen Theilung und Zerfetzung Polens. Schauen Sie über ihre Häupter, und sehen Sie, welches Motto Sie der Germania in diesem Saale gegeben haben:
O walle hin du Opferbrand
Hin über Land und Meer,
Und schling' ein einig Liebesband
Um alle Völker her! —
Möge doch einer von Ihnen (nach Rechts) den Antrag stellen, dieses Motto zu streichen! (Rechts Gelächter. Links und Gallerien Beifall.)
Wiesners Rede, welche das Beste ist, was seit langer Z[e]it in diesem Froschteiche gehört wurde, erweckt rechts bissige Unterbrechungen.
Wiesner weist hin auf die scheußliche schacherische Art und Weise, wie die Deutschen im Großherzogthum zu ihren Gütern gekommen sind. Auf wahrhaft wunderbare Art — um Spottpreise! es war eine Sinekure fur die deutschen Juden. Nun will man noch obendrein diesem Unrecht die Schmach der Zerschmetterung der Nationalität zufügen. Thun Sie dies, so wird man sich vor Kolonisten und Vertretern des deutschen Volkes hüten wie vor — — — ! Ein Fünftel ungefähr von dem Großherzogthum wird durch die Demarkationslinie den Polen hingeworfen und dies eine Fünftel
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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