Neue Rheinische Zeitung. Nr. 212. Köln, 3. Februar 1849.Der Colonel Fourestier, der berühmtc Maler, der ungeachtet des ausdrücklichen Befehls Changarnier's, an seinem Posten zu verweilen, der Kammer sagen ließ, daß er zu ihrer Verfügung stände. Auch er ist verhaftet worden. Der Staatsstreich, den man von Seiten des Ministeriums auszuführen gedachte, sollte weiter nichts als eine Reaktion zur Folge haben. Welche Form diese Restauration annehmen konnte, war noch zweifelhaft; aber um sie zu Wege zu bringen, mußten der republikanische Theil der Kammer, so wie die Clubs und Assoziationen mit einem Schlage geschlagen werden. Changarnier hatte, wie gesagt, die Mission, militärische Exekution; hinter Changarnier stand Leon Faucher, der Minister des Innern, der Mann, der bei der Assoziations- und Clubsfrage bereits geschlagen, der Mann, der am meisten in seiner Ministerehre gekränkt worden und zu Allem bereit war, um sich zum "praktischen" Minister hinaufzuschwingen. Dem Leon Faucher zur Seite stand Odilon Barrot, der verschwiegene Biedermann, der dem Leon Faucher es überließ, eine Proklamation an die Pariser zu richten, um sie auf eine Juni-Schlacht gefaßt zu machen und eine andere an die Departements, worin er den Sieg über die Juni-Insurgenten zur Beruhigung der Provinzen anzeigte. Hinter Leon Faucher und Barrot kommen alle die monarchisch-rothen Nüancen, welche den Sieg Changarnier's auszubeuten, sich vorbehielten. Die Exekution scheiterte, weil die Kammer sich selbst exekutirte. Da wo man auf Widerstand zu stoßen hoffte, fand man die größte Bereitwilligkeit. Die Partei des Nationals hatte mehr Furcht vor einer Juni-Schlacht als das Ministerium, als die Legitimisten und Orleanisten. Ein Theil der Nationalgarde, die Kleinbürger, die Mobilgarde und die wohlorganisirten Assoziationen mit Männern, wie Alton Shee und Forestier, waren die Juni-Insurgenten geworden. Und die Partei, die Tages vorher noch gegen die Kammer gedonnert, wie das Journal des Debats, als sie am folgenden Tage den furchtbaren Widerstand sah, da, wo sie Beistand erwartet, und das feige Nachgeben da, wo sie auf Widerstand zu stoßen glaubte, lenkte plötzlich ein. Sie erschrickt vor der raschen Auflösung der Kammer und das Journal des Debats ist das erste, welches ermahnt, doch ja langsam zu Werke zu gehen und noch solange zusammenzubleiben, bis Alles geregelt ist. Cavaignac oder Changarnier ist das nicht ganz dasselbe? War Cavaignac nicht der von allen Parteien der Reaktion gepriesene Mann, und wenn das Land ihn hätte gewähren lassen, wäre er es nicht gewesen, der selbst ohne König die Franzosen zur Ruhe gebracht hätte? Freilich wären Leon Faucher und Barrot und die Boneparte und die Thiers und Mole in zweiter Linie nicht aufgekommen. Aber wenn die hohe Bourgeoisie andere Ideologen gefunden, die eben so gut, mit Hülfe Cavaignac's ihre Interessen moralisch und physisch verwalten konnten, wäre sie nicht gerne den Kontrakt eingegangen? Und hatte nicht Cavaignac bereits einen Lobredner im J. des Deb. gefunden? Ein Odilon-Barrot mag allerdings glauben, daß er seiner selbst wegen da sei, aber die Bourgeoisie duldet ihn nur deßhalb, weil er das Beschönigungsblättchen von Leon Faucher, und weil Leon Faucher selbst wieder das Aushängeschild Changarnier's, und Changarnier wieder das, was Cavaignac ist, sein soll: Pulver und Blei gegen das Proletariat, ob es in Form von Clubs oder von Juni-Insurgenten erscheint. Was die Bourgeoisie verdrießt, das ist eben, daß Changarnier noch nicht geworden, was er sein soll, daß Changarnier an seinen Füßen eine Last wie Barrot und Napoleon, und vor sich ein Stück "Berg" wie die Kammer hat. Gestern sollte Changarnier sich zu Cavaignac hinaufarbeiten, und der Streich mißglückte; aber Changarnier ist geblieben, das ist die Hauptsache. Man lese nur, welche Lobreden das "Debats" dem Changarnier ertheilt, wie es mit Achtung von seinen hohen militärischen Eigenschaften spricht, und weiter unten sogar mit tiefem Bedauern von dem Unwohlsein der "Königin Maria Amalia", während der König Louis Philipp früher immer der Exkönig hieß. Wenn nun aber faktisch Changarnier durch seine hohen militärischen Eigenschaften, durch die strategische Entwickelung seiner Truppen in der Kammer gesiegt hat, so hat er moralisch unterlegen außerhalb der Kammer, vor dem vereinigten Proletariate.. Die Kammer nimmt ihre Revanche, indem sie eine enquete über die Vorfälle verlangt. "Wir alten Republikaner", sagt Guinard, "die seit 30 Jahren über die Republik wachten, wir werden doch einem Leon Faucher zur Seite noch ferner darüber wachen dürfen." Das vereinigte Proletariat aber hat die Juni-Niederlage zu rächen, und es hat in diesem Augenblick seine schlimmsten Feinde, die Mobilgarde zu Freunden, denn auch sie sind zu Proletariern herabgesunken. Paris, 31. Jan. Der Moniteur widerlegt die Behauptung, daß man dem Präsidenten vorgestern zugerufen habe: Nieder mit den Ministern! und daß er geantwortet: Ihr sollt Andere haben etc.! "Sie können auf uns zählen, rief man vielmehr von allen Seiten; Muth! wir wollen Sie unterstützen!" Solchergestalt seien die Gefühle jener Volksmenge gewesen, welche sich herbeidrängte, ihm die Hände drückte (!!) und ihm die lebhafteste und wahrste Ergebung zu erkennen gab. Der National, heute gegen das Barrotkabinet ganz besonders aufgebracht, behauptet dagegen, man habe dem Hrn. Bonaparte nicht nur: Nieder mit dem Ministerium! sondern auch: Nieder mit Thiers! Es lebe die Republik! zugerufen. Einer seiner Redaktoren könne dies bezeugen. -- Die Scenen der letzten Tage (sagt Cavaignac's Organ Le Credit) haben dem von allem liberalem Einflusse gänzlich abgesperrten Präsidenten Bonaparte die Augen geöffnet. Wie wir hören, ist folgender Plan im Werke: Die Nationalversammlung wird bei der zweiten Deliberation den Rateauschen Antrag verwerfen, dagegen aber im Laufe der Amendementsdebatten die Zahl der organischen Gesetze herabsetzen. Dufaure tritt demnächst an Leon Faucher's und Vivien an Lacrosse's Stelle. Lamoriciere würde den alten General Rullieres im Kriegsministerium ersetzen. -- "An den Redakteur des Moniteur. Gestern (29.) war ich bereits aus der Sitzung gegangen, als man zum Votum über den Rateauschen Antrag schritt. Ich glaubte, das Votum würde erst am nächsten Tage stattfinden. Es bedarf wohl keiner Erklärung, daß ich für die Conklusionen gestimmt haben würde, die Grevy im Namen der Commission stellte, deren Mitglied und Schreiber zu sein ich die Ehre hatte. Paris, 30. Jan. 1849. (gez.) Peter Napoleon Bonaparte." -- Armand Lefebre, bisher in Karlsruhe, ist nach München versetzt. -- Die Bergpartei hat sich nicht begnügt, das Ministerium in Anklagestand zu setzen, sondern sie hat gestern noch die Einleitung einer parlamentarischen Untersuchung (wofür die Nationalversammlung so eben, Mittags, im Begriff ist, 15 Commissionsglieder zu ernennen) durchgesetzt. Das wird wieder einen schönen Skandal absetzen. -- Die Abbaye ist mit Gefangenen aller Gattungen überfüllt; ebenso die Conciergerie. Selbst Alton Shee, Stadtgardiens und Mobilgardenoffiziere wurden neuerdings verhaftet. Die Soldaten kampiren unter Holzschuppen. in dem Invalidenviertel und legen kaum beim Essen das Gewehr aus den Händen. Aus Orleans, Blois etc. führen uns die Eisenbahnen immer neue Truppen zu. Hr. v. Bugeaud verließ Paris und eilte zur Alpenarmee, um im Falle des Gelingens des Staatsstreichs mit zwei Divisionen die neue Ordnung der Dinge zu schützen und uns den lahmen Heinrich einzukartätschen! Da nun der Streich mißlungen, so herrscht große Bestürzung in allen Sälen des Faubourgs St. Germain. Nachschrift. So eben nimmt die Polizei beim Maler Perigon die Porträts des Frohsdorfer Königspaares weg. Entsetzlich! -- Die Pariser Arbeiter machen sich bereits über die Januarposse lustig. Sie singen schon die Carmagnole wie folgt: "Leon Faucher s'etait promis De faire egorger tout Paris! Mais son coup a manque, Grace a nos canoniers! (Anspielung auf Guinard, den braven Chef der Stadtartillerie.) General *** sagte zu seinen Soldaten und Mobilgardisten in der Kaserne Rue de Reuilly (Fauburg St. Antoine), als er die Patronen austheilen ließ: "Kinder! denkt an den Juni und macht keine Gefangene!" Mit andern Worten: schießt Alles nieder. -- Gourgaud, der neue Oberst der 1. Legion, erläßt an seine Löwen eine Proklamation, in welcher das Wort "Republik" nicht vorkommt und von der Nothwendigkeit einer starken Regierung mit weiser Freiheit (Lieblingsausdruck Louis Philipps) die Rede ist. Hr. Gourgaud könnte leicht wieder nach St. Helena zurückkehren. -- Je aufmerksamer man die Journale und Verhandlungen der Nationalversammlung liest, desto klarer stellt sich die Ueberzeugung heraus, daß sich Faucher und Barrot von den Royalisten auf die tölpelhafteste Weise ins Bockshorn jagen ließen. Man höre den "Courrier de la Gironde" vom 27. Jan. (Bordeaux): "Hört, hört, ihr Departements! Man konspirirt in Paris gegen die Republik. Man will Alles vernichten: die Volkswahl vom 10. Decbr., den (Pairs)gerichtshof in Bourges und Eure Petitionen gegen die Nationalversammlung. In den Klubs werden die Regimenter abgetheilt, bei den Banketten Revuen abgenommen, Pulver und Blei aufgekauft und unter der Angabe, damit zu handeln, große Magazine mit dem Aushängeschilde Association fraternelle angelegt. Schon bereitet der lange dürre Menschenschlächter mit dem Galeerensklavengesicht die zweirädrigen Karren, auf welche seine Opfer zur Richtstätte gefahren werden. Da er aber seine Henkersknechte noch nicht zahlreich genug sieht, so schreit er in der Nationalversammlung fortwährend nach Amnestie, um durch die Juniräuber seine Armee zu vermehren. (Armer Lagrang!) Aus der Präfektur sind Reisepässe gestohlen worden, welche die Ausflüge gewisser Clubisten genügend bemänteln sollen. Hoffentlich wir das Ministerium die Explosion dieser Conspiratinon nicht abwarten, sondern die Glieder ergreifen, sobald es die Fäden in der Hand hat. Unsere Generäle kennen die Geometrie dieser Conspirationswähler; man entsinnt sich ihrer Prozession zu Gunsten Polens, Italiens oder der Junigefangenen mit weißen Frauenzimmern; ihre Bankette mit Klingelbeuteln und Gotteskasten zum Ankauf von Pulver und Blei ... Keine Sommationen und Feuer! So lautet die Antwort der Staatsgesellschaft. Die Kanone ist jetzt ratio ultima legum." Ein zweites Pröbchen aus dem Courrier de la Somme (Amiens) lautet: ".... Die Bluthunde wollen sich zuerst auf die Bank stürzen und in kleinen Abtheilungen sofort gegen alle Bankierhäuser losrücken. Alle Kassen sollen geraubt, Alles niedergemetzelt werden, was sich ihnen in den Weg stellt. Das Loosungsgeschrei soll heißen: "Tod allen Reichen!" Jedes Haus, aus dem ein Schuß fällt, wird angezündet; kein Erbarmen darf stattfinden; die Todesstrafe sei permanent. Wer sein Haus nicht durchsuchen lasse, werde in den Hof geschleppt und füselirt." Man wird sich hieraus die Angst erklären, mit der man dem 29. Januar entgegen sah. -- Girardins "Presse" nennt diesen Tag mit Recht: eine Insurrektion ohne Insurgenten. -- National-Versammlung. Sitzung vom 31. Januar. Anfang 1 1/4 Uhr. Präsident Marrast. Viele Deputirte verlassen eben erst die Abtheilungssäle, in denen die Kommissionswahl für die Parlamentsuntersuchung der Montagskomödie zu heftigen Debatten Veranlassung gab. Taschereau, der Intrigant, beschwert sich, daß man beim gestrigen Antrage auf Verordnung einer parlamentarischen Untersuchung nicht die vorgeschriebenen Reglementsförmlichkeiten beobachtet hätte. In dem Dringlichkeitsantrage müsse eine Darstellung der Begründungen vorangehen. Dies sei nicht geschehen. Solchen Formfehlern müsse in Zukunft vorgebeugt werden. Nun beginnt die gewöhnliche Petitionsprozession. Denjoy, St. Gaudens und ein Dutzend Andere uberreichen eine Menge Bittschriften für und gegen die Auflösung. Es kommt dabei wie üblich zu beißenden Aeußerungen über die mehr oder weniger große Zahl der Unterschriften. Inmittels zieht Marrast die monatlichen Abstimmungen durchs Loos. Nach Vollendung dieser Operation verlangt Vivien das Wort. Vivien: Im 13. Bureau erhob sich ein Protest gegen die Commissariatswahl für die Parlamentsuntersuchung, weil die Formlichkeiten nicht beobachtet wor[d]en seien. Jeder Dringlichkeitsvorschlag müsse zunächst an den betreffenden Ausschuß verwiesen werden. Dies sei nicht geschehen, mithin das Reglement verletzt worden. Darum werde protestirt. Marrast (mit sichtlicher Genugthuung): Die Form sei in der That nicht beobachtet worden. (Marrast präsidirte gestern nicht, sondern Billault). Perree, Stourm, Deslongrais und Gent streiten sich eine Weile, ob Dringlichkeit überhaupt verlangt worden? Marrast liest den Tarrasschen Antrag vor, in welchem die Dringlichkeitserklärung ausdrücklich verlangt wird. Billault erklärt, daß er dieses übersehen habe und entschuldigt sich. Deslongrais (der ewige Schreier) schwingt sich auf die Bühne und beantragt, alle Wahlen (von denen, beiläufig gesagt, über die Hälfte im Sinne des Berges ausfielen) zu vernichten. (Tumult). Heckeren, Denjoy, v. Lasteyrie folgen sich rasch auf der Bühne und halten heftige Vorträge, um das Reglement zu retten. Die Versammlung läßt jedoch die Beschwerden fallen und schreitet, die vorgenommenen Kommissionswahlen anerkennend, zur Tagesordnung. Vesin (dicht vom Berge) verlangt, ehe man zur Tagesordnung schreitet, vom Präsident zu wissen, warum der Antrag Ledru-Rollins und Consorten, auf Criminalisirung des Ministeriums, noch nicht auf der Tagesordnung stehe? Ist etwa der Antrag zurückgezogen? Warum keine Dringlichkeit? Ledru-Rollin: Die Anklage ist keineswegs zurückgezogen; die Antragsteller werden vielmehr morgen neue Klagepunkte gegen das Ministerium richten. (Oh! Oh! zur Rechten.) Wir bestehen darauf, und drucken unser Erstaunen aus, daß der Präsident den Antrag noch nicht den Büreaus vorlegte. Marrast (bitter): Ich kann dies ohne die Versammlung zu befragen nicht thun. Stimmen: So thun Sie dies jetzt! Marrast (tiefe Stille): Ich bringe hiermit die Frage zur Abstimmung: ob der Antrag Ledru-Rollins und Consorten auf Vdrsetzung der Minister in Anklagezustand in die Büreaus verwiesen werden soll oder nicht? Mögen alle diejenigen, die dafür sind, aufstehen! (Es erhebt sich fast die ganze Linke.) Und die dagegen sind. (Es erhebt sich die Rechte und ein Theil des Centrums). Marrast (mit den Schreibern berathend): Das Votum ist zweifelhaft. (Ah! Ah! Sensation.) Stimmen rechts: Abstimmung durch Stimmzettel! Dies geschieht. Es stimmen 708. Davon 250 für die Ueberweisung und 458 gegen dieselbe. Marrast: In Folge dessen überweist die Versammlung den Antrag nicht an die Büreaus. (Agitation links. Triumph rechts). Martin Bernard (vom Berge) eilt auf die Bühne, schlägt mit der Faust wüthend auf die Brustwehr und erzwingt sich Gehör. Er erzählt die Verhaftung des Beamtenpersonals der Solidarite republicaine, bei der auch 25 Deputirte betheiligt seien und will die Gründe dieses Verfahrens wissen. Ledru-Rollin unterstützt ihn. Barrot und Baroche erwidern, daß die Maßregel rein gerichtlicher Natur sei und man die Untersuchung abwarten müsse. Die Versammlung geht zur Tagesordnung (zum Billaultschen Büdgetantrage) über. Billaults Antrag lautet: Artikel 1. "Der National-Versammlung ist zuförderlichst ein Bericht über das vom Finanzministerium zu entwerfende Büdget der Staatseinnahmen vorzulegen, welches demnächst durch ein Spezialdekret zu regeln." Artikel 2. "Einen Monat nach Veröffentlichung dieses Spezialdekrets hat das Finanzministerium einen Entwurf des Büdgets der Staatsausgaben vorzulegen, welches mit der Ziffer der Einnahme im Einklange stehe." Passy, Finanzminister, bekämpft den Antrag eine Stunde lang. Goudchaux's Büdget stellt ein Defizit von 5[unleserliches Material]5 Millionen heraus. Das meinige wird dasselbe um 200 Millionen vermindern, so daß es nur 355 Millionen betrage. Die HH. Deseimeries und Billault glauben durch Gehaltsabzüge und sonstige Ersparnisse das Defizit um 339 Millionen zu vermindern. Dies hieße den ganzen Statsdienst desorganisiren. Darum bekämpfe er den Antrag. Billault vertheidigt ihn. Seine Gründe sind folgende: a. das System der innern Staatsverwaltung sei zu komplizirt; b. das System unserer Politik nach Außen sei zu abscheulich, und c. das System der Regierung in Bezug auf Staatsbauten sei schlecht. Stourm unterstützt seinen Freund Billault. Verwerfe man seine Vorschläge, so breche der Bankerott herein. Die Versammlung schreitet zur Abstimmung und verwirft Billaults Antrag mit 397 gegen 390 Stimmen. (Agitation). Roucher frägt Billault, ob er den Minister des Aeußern nicht interpelliren wolle? Billault ist aber schon abwesend und die Versammlung geht um 6 1/4 Uhr ziemlich aufgeregt aufgeregt auseinander. Schweiz. Neuenburg. Unterm 25. d. hat der Staatsrath eine Proklamation an das Volk erlassen. Heute theilen wir daraus mit, daß die letzten tumultuarischen Vorgänge als das Resultat eines früher verabredeten Planes bezeichnet werden, daß die Gemeinde Verrieres militärisch besetzt wurde und daß der Gr. Rath auf den 29. d. einberufen ist. Polen. 074 Warschau, im Januar. Die hermetische Abschließung des russischen Polens von dem übrigen civilisirten Europa und die schmutzige und bezahlte Parteilichkeit der meisten deutschen Preßorgane gegen Polen, sind von den in Polen sich befindenden Russen ganz klüglich ausgebeutet worden. Nicht die politische Emancipation, nicht das National-Interesse sind es jetzt, an deren Durchsetzung wir denken können; nur die Befreiung von der ausgelassensten Administrativ-Willkür -- Bestechlichkeit und Erpressung -- ist unser nächstes Bedürfniß. Vor den Gewaltthaten unserer Beamten verschwindet der Ruhm der Paschas und Satrapen, und tritt weit, weit in den Hintergrund. Ueberall Beutelschneiderei, namenlose Korruption und als Folge davon allgemeines Elend. Alles wird verkauft und erkauft was irgend von der Verwaltung und Justiz nur abhängig ist. Und diese Verdorbenheit nimmt zu, je höher man auf die hierarchische Stufenleiter steigt, oder von der höchsten Spitze geht der Strom der Korruption aus und ergießt sich über alle untere Regionen der Verwaltung. In einem Worte: Der blutdürstige Paskewitsch, Vice-König des Landes, stillt seinen Durst jetzt nicht nur mit Blut, sondern noch mehr mit Gold. Alles hängt von seinem Willen ab, jede Streitigkeit über Privatinteressen kommt vor seinen Ausspruch und dieser Ausspruch wird nur mit Geld abgewogen. Wer sich nicht darin fügt, ist ein politischer Aufrührer und wird als solcher grimmig verfolgt. Alle Stege und Seitentreppen führen zu Paskewitsch's Vorhalle -- aber auf Allen tritt Einem das: la bourse ou la vie! Seitens der untergeordneten Beamten entgegen. Aber unter Allen der gefährlichste ist der Weg durch jene Hinterthür, wo auf den Supplikanten die erlauchte Familie des Vice-Königs lauert. Die Fürstin Gemahlin, Tochter, Schwiegersohn bieten ihre hohe Protektion feil, aber um welchen Zentner schweren Preis. Es scheint, daß das gesammte Personal, von Oben nach Unten, alle Augenblicke erwartet, daß ihre letzte Stunde schlagen wird, und nur daran denkt, sich mit so viel Beute als möglich zu versorgen. Daß bei dem Allen auf keine Abhülfe von Petersburg zu denken ist, versteht sich von selbst. Denn wäre in Petersburg auch der gute Wille dazu da, so dringt doch keine Klage durch, da alle Wege belauert, und durch die Räuberbande dicht bis zum Fuße des Thrones besetzt sind. Aber hoffen wir, daß dieser unerträgliche Zustand nicht lange mehr anhalten wird. Die Völker Europa's werden sich abermals erheben, ihre eigenen Ketten brechen und zugleich dem niedergetretenen Polen seine Freiheit erringen helfen, denn kein freies Europa ohne ein freies Polen! Großbritannien. 068 London, 29. Jan. (Schluß von Harney's Brief.) Die Times ist kürzlich auf einen Kreuzzug gegen Bettler und bettelnde Betrüger ausgezogen. Niemand zweifelt, daß die auf das öffentliche Mitleid spekulirenden Scheinarmen und Scheinkrüppel in den Straßen Londons eine zahlreiche Klasse ausmachen, aber deswegen alle zu verdammen, die den Vorübergehenden um eine Gabe ansprechen, würde eine krasse Ungerechtigkeit sein. Viele Betrüger sind nicht zu verkennen, namentlich die predigenden und psalmensingenden Vagabunden, die unsre Straßen seit einigen Jahren überschwemmen. Aber unleugbare Fakten bezeugen, daß nur zu viele ehrliche Männer zum Betteln ihre letzte Zuflucht nehmen müssen. Vor wenig Tagen wurde in einer Versammlung der Steuerzahlenden von St. Andreas, Holborn, die traurige Wahrheit ausgesprochen, daß 50,000 Londoner Handwerker ohne Beschäftigung sind. Wird die Times zu behaupten wagen, daß diese 50,000 Männer, oder irgend ein Theil von ihnen, Betrüger sind, wenn sie bettelnd auf die Straße treten? Ein Korrespondent des "Builder" (eine Wochenschrift für Architekten) schlug kürzlich vor, die Schwibbögen der südwestlichen Eisenbahn zu Lambeth auf den Seiten zu bedielen, um sie so zu nächtlichen Zufluchtsstätten für die hauslosen Armen umzuschaffen, wozu das "Athenäum" bemerkt: "Wenige der Söhne und Töchter des Luxus in Englands Metropolis haben einen Begriff davon, wie viele ihrer Mitbürger heimathlos in ihr herumirren, ohne einen andern Ort, um ihr Haupt vor dem schneidenden Winterwinde zu schirmen, als Thorwege, Bänke in den Parks, Eisenbahnbögen, kalte steinerne Treppen und -- die Gosse! Diese Haus- und Heimathlosen sind bei Tausenden zu zählen! Es befinden sich unter ihnen Weiber und Kinder -- Kinder vom zartesten Alter --, die den Sinn der Worte: Haus, Heimath, nie gekannt haben, nie kennen werden!" Und sind diese heimathlosen Tausende Betrüger? Und wie, wenn das Bettlergewerbe so einträglich ist, wie die Times versichert -- wie kommt es, daß diese unglücklichen Straßenbewohner nicht so viel von der öffentlichen Milde erlangen können, um auch nur ein Nachtlager zu erschwingen? Glaubt mir, Brüder Proletarier, es gibt mehr Betrüger, als die, welche aus St. Giles's herstammen! Es gibt Betrüger in "Purpur und feinem Linnen", in Seide und Tuch, in Perücken und Kastorhüten, und ich glaube, ihr werdet mit mir sagen: "Ein Schuft in Lumpen ist es zwier in Sammet!" Straßenbettler sind noch lange nicht die Einzigen, die von Lügen leben, sonst müßten gewisse Herren in Printing-House-Square (wörtlich: Druckhausplatz, eine Anspielung auf die "vornehmen" Hierzu eine Beilage. Der Colonel Fourestier, der berühmtc Maler, der ungeachtet des ausdrücklichen Befehls Changarnier's, an seinem Posten zu verweilen, der Kammer sagen ließ, daß er zu ihrer Verfügung stände. Auch er ist verhaftet worden. Der Staatsstreich, den man von Seiten des Ministeriums auszuführen gedachte, sollte weiter nichts als eine Reaktion zur Folge haben. Welche Form diese Restauration annehmen konnte, war noch zweifelhaft; aber um sie zu Wege zu bringen, mußten der republikanische Theil der Kammer, so wie die Clubs und Assoziationen mit einem Schlage geschlagen werden. Changarnier hatte, wie gesagt, die Mission, militärische Exekution; hinter Changarnier stand Leon Faucher, der Minister des Innern, der Mann, der bei der Assoziations- und Clubsfrage bereits geschlagen, der Mann, der am meisten in seiner Ministerehre gekränkt worden und zu Allem bereit war, um sich zum „praktischen“ Minister hinaufzuschwingen. Dem Leon Faucher zur Seite stand Odilon Barrot, der verschwiegene Biedermann, der dem Leon Faucher es überließ, eine Proklamation an die Pariser zu richten, um sie auf eine Juni-Schlacht gefaßt zu machen und eine andere an die Departements, worin er den Sieg über die Juni-Insurgenten zur Beruhigung der Provinzen anzeigte. Hinter Leon Faucher und Barrot kommen alle die monarchisch-rothen Nüancen, welche den Sieg Changarnier's auszubeuten, sich vorbehielten. Die Exekution scheiterte, weil die Kammer sich selbst exekutirte. Da wo man auf Widerstand zu stoßen hoffte, fand man die größte Bereitwilligkeit. Die Partei des Nationals hatte mehr Furcht vor einer Juni-Schlacht als das Ministerium, als die Legitimisten und Orleanisten. Ein Theil der Nationalgarde, die Kleinbürger, die Mobilgarde und die wohlorganisirten Assoziationen mit Männern, wie Alton Shee und Forestier, waren die Juni-Insurgenten geworden. Und die Partei, die Tages vorher noch gegen die Kammer gedonnert, wie das Journal des Debats, als sie am folgenden Tage den furchtbaren Widerstand sah, da, wo sie Beistand erwartet, und das feige Nachgeben da, wo sie auf Widerstand zu stoßen glaubte, lenkte plötzlich ein. Sie erschrickt vor der raschen Auflösung der Kammer und das Journal des Debats ist das erste, welches ermahnt, doch ja langsam zu Werke zu gehen und noch solange zusammenzubleiben, bis Alles geregelt ist. Cavaignac oder Changarnier ist das nicht ganz dasselbe? War Cavaignac nicht der von allen Parteien der Reaktion gepriesene Mann, und wenn das Land ihn hätte gewähren lassen, wäre er es nicht gewesen, der selbst ohne König die Franzosen zur Ruhe gebracht hätte? Freilich wären Leon Faucher und Barrot und die Boneparte und die Thiers und Molé in zweiter Linie nicht aufgekommen. Aber wenn die hohe Bourgeoisie andere Ideologen gefunden, die eben so gut, mit Hülfe Cavaignac's ihre Interessen moralisch und physisch verwalten konnten, wäre sie nicht gerne den Kontrakt eingegangen? Und hatte nicht Cavaignac bereits einen Lobredner im J. des Deb. gefunden? Ein Odilon-Barrot mag allerdings glauben, daß er seiner selbst wegen da sei, aber die Bourgeoisie duldet ihn nur deßhalb, weil er das Beschönigungsblättchen von Leon Faucher, und weil Leon Faucher selbst wieder das Aushängeschild Changarnier's, und Changarnier wieder das, was Cavaignac ist, sein soll: Pulver und Blei gegen das Proletariat, ob es in Form von Clubs oder von Juni-Insurgenten erscheint. Was die Bourgeoisie verdrießt, das ist eben, daß Changarnier noch nicht geworden, was er sein soll, daß Changarnier an seinen Füßen eine Last wie Barrot und Napoleon, und vor sich ein Stück „Berg“ wie die Kammer hat. Gestern sollte Changarnier sich zu Cavaignac hinaufarbeiten, und der Streich mißglückte; aber Changarnier ist geblieben, das ist die Hauptsache. Man lese nur, welche Lobreden das „Debats“ dem Changarnier ertheilt, wie es mit Achtung von seinen hohen militärischen Eigenschaften spricht, und weiter unten sogar mit tiefem Bedauern von dem Unwohlsein der „Königin Maria Amalia“, während der König Louis Philipp früher immer der Exkönig hieß. Wenn nun aber faktisch Changarnier durch seine hohen militärischen Eigenschaften, durch die strategische Entwickelung seiner Truppen in der Kammer gesiegt hat, so hat er moralisch unterlegen außerhalb der Kammer, vor dem vereinigten Proletariate‥ Die Kammer nimmt ihre Revanche, indem sie eine enquète über die Vorfälle verlangt. „Wir alten Republikaner“, sagt Guinard, „die seit 30 Jahren über die Republik wachten, wir werden doch einem Leon Faucher zur Seite noch ferner darüber wachen dürfen.“ Das vereinigte Proletariat aber hat die Juni-Niederlage zu rächen, und es hat in diesem Augenblick seine schlimmsten Feinde, die Mobilgarde zu Freunden, denn auch sie sind zu Proletariern herabgesunken. Paris, 31. Jan. Der Moniteur widerlegt die Behauptung, daß man dem Präsidenten vorgestern zugerufen habe: Nieder mit den Ministern! und daß er geantwortet: Ihr sollt Andere haben etc.! „Sie können auf uns zählen, rief man vielmehr von allen Seiten; Muth! wir wollen Sie unterstützen!“ Solchergestalt seien die Gefühle jener Volksmenge gewesen, welche sich herbeidrängte, ihm die Hände drückte (!!) und ihm die lebhafteste und wahrste Ergebung zu erkennen gab. Der National, heute gegen das Barrotkabinet ganz besonders aufgebracht, behauptet dagegen, man habe dem Hrn. Bonaparte nicht nur: Nieder mit dem Ministerium! sondern auch: Nieder mit Thiers! Es lebe die Republik! zugerufen. Einer seiner Redaktoren könne dies bezeugen. — Die Scenen der letzten Tage (sagt Cavaignac's Organ Le Credit) haben dem von allem liberalem Einflusse gänzlich abgesperrten Präsidenten Bonaparte die Augen geöffnet. Wie wir hören, ist folgender Plan im Werke: Die Nationalversammlung wird bei der zweiten Deliberation den Rateauschen Antrag verwerfen, dagegen aber im Laufe der Amendementsdebatten die Zahl der organischen Gesetze herabsetzen. Dufaure tritt demnächst an Leon Faucher's und Vivien an Lacrosse's Stelle. Lamoriciere würde den alten General Rullieres im Kriegsministerium ersetzen. — „An den Redakteur des Moniteur. Gestern (29.) war ich bereits aus der Sitzung gegangen, als man zum Votum über den Rateauschen Antrag schritt. Ich glaubte, das Votum würde erst am nächsten Tage stattfinden. Es bedarf wohl keiner Erklärung, daß ich für die Conklusionen gestimmt haben würde, die Grevy im Namen der Commission stellte, deren Mitglied und Schreiber zu sein ich die Ehre hatte. Paris, 30. Jan. 1849. (gez.) Peter Napoleon Bonaparte.“ — Armand Lefebre, bisher in Karlsruhe, ist nach München versetzt. — Die Bergpartei hat sich nicht begnügt, das Ministerium in Anklagestand zu setzen, sondern sie hat gestern noch die Einleitung einer parlamentarischen Untersuchung (wofür die Nationalversammlung so eben, Mittags, im Begriff ist, 15 Commissionsglieder zu ernennen) durchgesetzt. Das wird wieder einen schönen Skandal absetzen. — Die Abbaye ist mit Gefangenen aller Gattungen überfüllt; ebenso die Conciergerie. Selbst Alton Shee, Stadtgardiens und Mobilgardenoffiziere wurden neuerdings verhaftet. Die Soldaten kampiren unter Holzschuppen. in dem Invalidenviertel und legen kaum beim Essen das Gewehr aus den Händen. Aus Orleans, Blois etc. führen uns die Eisenbahnen immer neue Truppen zu. Hr. v. Bugeaud verließ Paris und eilte zur Alpenarmee, um im Falle des Gelingens des Staatsstreichs mit zwei Divisionen die neue Ordnung der Dinge zu schützen und uns den lahmen Heinrich einzukartätschen! Da nun der Streich mißlungen, so herrscht große Bestürzung in allen Sälen des Faubourgs St. Germain. Nachschrift. So eben nimmt die Polizei beim Maler Perigon die Porträts des Frohsdorfer Königspaares weg. Entsetzlich! — Die Pariser Arbeiter machen sich bereits über die Januarposse lustig. Sie singen schon die Carmagnole wie folgt: „Leon Faucher s'était promis De faire égorger tout Paris! Mais son coup a manqué, Grâce à nos canoniers! (Anspielung auf Guinard, den braven Chef der Stadtartillerie.) General *** sagte zu seinen Soldaten und Mobilgardisten in der Kaserne Rue de Reuilly (Fauburg St. Antoine), als er die Patronen austheilen ließ: „Kinder! denkt an den Juni und macht keine Gefangene!“ Mit andern Worten: schießt Alles nieder. — Gourgaud, der neue Oberst der 1. Legion, erläßt an seine Löwen eine Proklamation, in welcher das Wort „Republik“ nicht vorkommt und von der Nothwendigkeit einer starken Regierung mit weiser Freiheit (Lieblingsausdruck Louis Philipps) die Rede ist. Hr. Gourgaud könnte leicht wieder nach St. Helena zurückkehren. — Je aufmerksamer man die Journale und Verhandlungen der Nationalversammlung liest, desto klarer stellt sich die Ueberzeugung heraus, daß sich Faucher und Barrot von den Royalisten auf die tölpelhafteste Weise ins Bockshorn jagen ließen. Man höre den „Courrier de la Gironde“ vom 27. Jan. (Bordeaux): „Hört, hört, ihr Departements! Man konspirirt in Paris gegen die Republik. Man will Alles vernichten: die Volkswahl vom 10. Decbr., den (Pairs)gerichtshof in Bourges und Eure Petitionen gegen die Nationalversammlung. In den Klubs werden die Regimenter abgetheilt, bei den Banketten Revuen abgenommen, Pulver und Blei aufgekauft und unter der Angabe, damit zu handeln, große Magazine mit dem Aushängeschilde Association fraternelle angelegt. Schon bereitet der lange dürre Menschenschlächter mit dem Galeerensklavengesicht die zweirädrigen Karren, auf welche seine Opfer zur Richtstätte gefahren werden. Da er aber seine Henkersknechte noch nicht zahlreich genug sieht, so schreit er in der Nationalversammlung fortwährend nach Amnestie, um durch die Juniräuber seine Armee zu vermehren. (Armer Lagrang!) Aus der Präfektur sind Reisepässe gestohlen worden, welche die Ausflüge gewisser Clubisten genügend bemänteln sollen. Hoffentlich wir das Ministerium die Explosion dieser Conspiratinon nicht abwarten, sondern die Glieder ergreifen, sobald es die Fäden in der Hand hat. Unsere Generäle kennen die Geometrie dieser Conspirationswähler; man entsinnt sich ihrer Prozession zu Gunsten Polens, Italiens oder der Junigefangenen mit weißen Frauenzimmern; ihre Bankette mit Klingelbeuteln und Gotteskasten zum Ankauf von Pulver und Blei … Keine Sommationen und Feuer! So lautet die Antwort der Staatsgesellschaft. Die Kanone ist jetzt ratio ultima legum.“ Ein zweites Pröbchen aus dem Courrier de la Somme (Amiens) lautet: „‥‥ Die Bluthunde wollen sich zuerst auf die Bank stürzen und in kleinen Abtheilungen sofort gegen alle Bankierhäuser losrücken. Alle Kassen sollen geraubt, Alles niedergemetzelt werden, was sich ihnen in den Weg stellt. Das Loosungsgeschrei soll heißen: „Tod allen Reichen!“ Jedes Haus, aus dem ein Schuß fällt, wird angezündet; kein Erbarmen darf stattfinden; die Todesstrafe sei permanent. Wer sein Haus nicht durchsuchen lasse, werde in den Hof geschleppt und füselirt.“ Man wird sich hieraus die Angst erklären, mit der man dem 29. Januar entgegen sah. — Girardins „Presse“ nennt diesen Tag mit Recht: eine Insurrektion ohne Insurgenten. — National-Versammlung. Sitzung vom 31. Januar. Anfang 1 1/4 Uhr. Präsident Marrast. Viele Deputirte verlassen eben erst die Abtheilungssäle, in denen die Kommissionswahl für die Parlamentsuntersuchung der Montagskomödie zu heftigen Debatten Veranlassung gab. Taschereau, der Intrigant, beschwert sich, daß man beim gestrigen Antrage auf Verordnung einer parlamentarischen Untersuchung nicht die vorgeschriebenen Reglementsförmlichkeiten beobachtet hätte. In dem Dringlichkeitsantrage müsse eine Darstellung der Begründungen vorangehen. Dies sei nicht geschehen. Solchen Formfehlern müsse in Zukunft vorgebeugt werden. Nun beginnt die gewöhnliche Petitionsprozession. Denjoy, St. Gaudens und ein Dutzend Andere uberreichen eine Menge Bittschriften für und gegen die Auflösung. Es kommt dabei wie üblich zu beißenden Aeußerungen über die mehr oder weniger große Zahl der Unterschriften. Inmittels zieht Marrast die monatlichen Abstimmungen durchs Loos. Nach Vollendung dieser Operation verlangt Vivien das Wort. Vivien: Im 13. Bureau erhob sich ein Protest gegen die Commissariatswahl für die Parlamentsuntersuchung, weil die Formlichkeiten nicht beobachtet wor[d]en seien. Jeder Dringlichkeitsvorschlag müsse zunächst an den betreffenden Ausschuß verwiesen werden. Dies sei nicht geschehen, mithin das Reglement verletzt worden. Darum werde protestirt. Marrast (mit sichtlicher Genugthuung): Die Form sei in der That nicht beobachtet worden. (Marrast präsidirte gestern nicht, sondern Billault). Perree, Stourm, Deslongrais und Gent streiten sich eine Weile, ob Dringlichkeit überhaupt verlangt worden? Marrast liest den Tarrasschen Antrag vor, in welchem die Dringlichkeitserklärung ausdrücklich verlangt wird. Billault erklärt, daß er dieses übersehen habe und entschuldigt sich. Deslongrais (der ewige Schreier) schwingt sich auf die Bühne und beantragt, alle Wahlen (von denen, beiläufig gesagt, über die Hälfte im Sinne des Berges ausfielen) zu vernichten. (Tumult). Heckeren, Denjoy, v. Lasteyrie folgen sich rasch auf der Bühne und halten heftige Vorträge, um das Reglement zu retten. Die Versammlung läßt jedoch die Beschwerden fallen und schreitet, die vorgenommenen Kommissionswahlen anerkennend, zur Tagesordnung. Vesin (dicht vom Berge) verlangt, ehe man zur Tagesordnung schreitet, vom Präsident zu wissen, warum der Antrag Ledru-Rollins und Consorten, auf Criminalisirung des Ministeriums, noch nicht auf der Tagesordnung stehe? Ist etwa der Antrag zurückgezogen? Warum keine Dringlichkeit? Ledru-Rollin: Die Anklage ist keineswegs zurückgezogen; die Antragsteller werden vielmehr morgen neue Klagepunkte gegen das Ministerium richten. (Oh! Oh! zur Rechten.) Wir bestehen darauf, und drucken unser Erstaunen aus, daß der Präsident den Antrag noch nicht den Büreaus vorlegte. Marrast (bitter): Ich kann dies ohne die Versammlung zu befragen nicht thun. Stimmen: So thun Sie dies jetzt! Marrast (tiefe Stille): Ich bringe hiermit die Frage zur Abstimmung: ob der Antrag Ledru-Rollins und Consorten auf Vdrsetzung der Minister in Anklagezustand in die Büreaus verwiesen werden soll oder nicht? Mögen alle diejenigen, die dafür sind, aufstehen! (Es erhebt sich fast die ganze Linke.) Und die dagegen sind. (Es erhebt sich die Rechte und ein Theil des Centrums). Marrast (mit den Schreibern berathend): Das Votum ist zweifelhaft. (Ah! Ah! Sensation.) Stimmen rechts: Abstimmung durch Stimmzettel! Dies geschieht. Es stimmen 708. Davon 250 für die Ueberweisung und 458 gegen dieselbe. Marrast: In Folge dessen überweist die Versammlung den Antrag nicht an die Büreaus. (Agitation links. Triumph rechts). Martin Bernard (vom Berge) eilt auf die Bühne, schlägt mit der Faust wüthend auf die Brustwehr und erzwingt sich Gehör. Er erzählt die Verhaftung des Beamtenpersonals der Solidarité republicaine, bei der auch 25 Deputirte betheiligt seien und will die Gründe dieses Verfahrens wissen. Ledru-Rollin unterstützt ihn. Barrot und Baroche erwidern, daß die Maßregel rein gerichtlicher Natur sei und man die Untersuchung abwarten müsse. Die Versammlung geht zur Tagesordnung (zum Billaultschen Büdgetantrage) über. Billaults Antrag lautet: Artikel 1. „Der National-Versammlung ist zuförderlichst ein Bericht über das vom Finanzministerium zu entwerfende Büdget der Staatseinnahmen vorzulegen, welches demnächst durch ein Spezialdekret zu regeln.“ Artikel 2. „Einen Monat nach Veröffentlichung dieses Spezialdekrets hat das Finanzministerium einen Entwurf des Büdgets der Staatsausgaben vorzulegen, welches mit der Ziffer der Einnahme im Einklange stehe.“ Passy, Finanzminister, bekämpft den Antrag eine Stunde lang. Goudchaux's Büdget stellt ein Defizit von 5[unleserliches Material]5 Millionen heraus. Das meinige wird dasselbe um 200 Millionen vermindern, so daß es nur 355 Millionen betrage. Die HH. Deseimeries und Billault glauben durch Gehaltsabzüge und sonstige Ersparnisse das Defizit um 339 Millionen zu vermindern. Dies hieße den ganzen Statsdienst desorganisiren. Darum bekämpfe er den Antrag. Billault vertheidigt ihn. Seine Gründe sind folgende: a. das System der innern Staatsverwaltung sei zu komplizirt; b. das System unserer Politik nach Außen sei zu abscheulich, und c. das System der Regierung in Bezug auf Staatsbauten sei schlecht. Stourm unterstützt seinen Freund Billault. Verwerfe man seine Vorschläge, so breche der Bankerott herein. Die Versammlung schreitet zur Abstimmung und verwirft Billaults Antrag mit 397 gegen 390 Stimmen. (Agitation). Roucher frägt Billault, ob er den Minister des Aeußern nicht interpelliren wolle? Billault ist aber schon abwesend und die Versammlung geht um 6 1/4 Uhr ziemlich aufgeregt aufgeregt auseinander. Schweiz. Neuenburg. Unterm 25. d. hat der Staatsrath eine Proklamation an das Volk erlassen. Heute theilen wir daraus mit, daß die letzten tumultuarischen Vorgänge als das Resultat eines früher verabredeten Planes bezeichnet werden, daß die Gemeinde Verrieres militärisch besetzt wurde und daß der Gr. Rath auf den 29. d. einberufen ist. Polen. 074 Warschau, im Januar. Die hermetische Abschließung des russischen Polens von dem übrigen civilisirten Europa und die schmutzige und bezahlte Parteilichkeit der meisten deutschen Preßorgane gegen Polen, sind von den in Polen sich befindenden Russen ganz klüglich ausgebeutet worden. Nicht die politische Emancipation, nicht das National-Interesse sind es jetzt, an deren Durchsetzung wir denken können; nur die Befreiung von der ausgelassensten Administrativ-Willkür — Bestechlichkeit und Erpressung — ist unser nächstes Bedürfniß. Vor den Gewaltthaten unserer Beamten verschwindet der Ruhm der Paschas und Satrapen, und tritt weit, weit in den Hintergrund. Ueberall Beutelschneiderei, namenlose Korruption und als Folge davon allgemeines Elend. Alles wird verkauft und erkauft was irgend von der Verwaltung und Justiz nur abhängig ist. Und diese Verdorbenheit nimmt zu, je höher man auf die hierarchische Stufenleiter steigt, oder von der höchsten Spitze geht der Strom der Korruption aus und ergießt sich über alle untere Regionen der Verwaltung. In einem Worte: Der blutdürstige Paskewitsch, Vice-König des Landes, stillt seinen Durst jetzt nicht nur mit Blut, sondern noch mehr mit Gold. Alles hängt von seinem Willen ab, jede Streitigkeit über Privatinteressen kommt vor seinen Ausspruch und dieser Ausspruch wird nur mit Geld abgewogen. Wer sich nicht darin fügt, ist ein politischer Aufrührer und wird als solcher grimmig verfolgt. Alle Stege und Seitentreppen führen zu Paskewitsch's Vorhalle — aber auf Allen tritt Einem das: la bourse ou la vie! Seitens der untergeordneten Beamten entgegen. Aber unter Allen der gefährlichste ist der Weg durch jene Hinterthür, wo auf den Supplikanten die erlauchte Familie des Vice-Königs lauert. Die Fürstin Gemahlin, Tochter, Schwiegersohn bieten ihre hohe Protektion feil, aber um welchen Zentner schweren Preis. Es scheint, daß das gesammte Personal, von Oben nach Unten, alle Augenblicke erwartet, daß ihre letzte Stunde schlagen wird, und nur daran denkt, sich mit so viel Beute als möglich zu versorgen. Daß bei dem Allen auf keine Abhülfe von Petersburg zu denken ist, versteht sich von selbst. Denn wäre in Petersburg auch der gute Wille dazu da, so dringt doch keine Klage durch, da alle Wege belauert, und durch die Räuberbande dicht bis zum Fuße des Thrones besetzt sind. Aber hoffen wir, daß dieser unerträgliche Zustand nicht lange mehr anhalten wird. Die Völker Europa's werden sich abermals erheben, ihre eigenen Ketten brechen und zugleich dem niedergetretenen Polen seine Freiheit erringen helfen, denn kein freies Europa ohne ein freies Polen! Großbritannien. 068 London, 29. Jan. (Schluß von Harney's Brief.) Die Times ist kürzlich auf einen Kreuzzug gegen Bettler und bettelnde Betrüger ausgezogen. Niemand zweifelt, daß die auf das öffentliche Mitleid spekulirenden Scheinarmen und Scheinkrüppel in den Straßen Londons eine zahlreiche Klasse ausmachen, aber deswegen alle zu verdammen, die den Vorübergehenden um eine Gabe ansprechen, würde eine krasse Ungerechtigkeit sein. Viele Betrüger sind nicht zu verkennen, namentlich die predigenden und psalmensingenden Vagabunden, die unsre Straßen seit einigen Jahren überschwemmen. Aber unleugbare Fakten bezeugen, daß nur zu viele ehrliche Männer zum Betteln ihre letzte Zuflucht nehmen müssen. Vor wenig Tagen wurde in einer Versammlung der Steuerzahlenden von St. Andreas, Holborn, die traurige Wahrheit ausgesprochen, daß 50,000 Londoner Handwerker ohne Beschäftigung sind. Wird die Times zu behaupten wagen, daß diese 50,000 Männer, oder irgend ein Theil von ihnen, Betrüger sind, wenn sie bettelnd auf die Straße treten? Ein Korrespondent des „Builder“ (eine Wochenschrift für Architekten) schlug kürzlich vor, die Schwibbögen der südwestlichen Eisenbahn zu Lambeth auf den Seiten zu bedielen, um sie so zu nächtlichen Zufluchtsstätten für die hauslosen Armen umzuschaffen, wozu das „Athenäum“ bemerkt: „Wenige der Söhne und Töchter des Luxus in Englands Metropolis haben einen Begriff davon, wie viele ihrer Mitbürger heimathlos in ihr herumirren, ohne einen andern Ort, um ihr Haupt vor dem schneidenden Winterwinde zu schirmen, als Thorwege, Bänke in den Parks, Eisenbahnbögen, kalte steinerne Treppen und — die Gosse! Diese Haus- und Heimathlosen sind bei Tausenden zu zählen! Es befinden sich unter ihnen Weiber und Kinder — Kinder vom zartesten Alter —, die den Sinn der Worte: Haus, Heimath, nie gekannt haben, nie kennen werden!“ Und sind diese heimathlosen Tausende Betrüger? Und wie, wenn das Bettlergewerbe so einträglich ist, wie die Times versichert — wie kommt es, daß diese unglücklichen Straßenbewohner nicht so viel von der öffentlichen Milde erlangen können, um auch nur ein Nachtlager zu erschwingen? Glaubt mir, Brüder Proletarier, es gibt mehr Betrüger, als die, welche aus St. Giles's herstammen! Es gibt Betrüger in „Purpur und feinem Linnen“, in Seide und Tuch, in Perücken und Kastorhüten, und ich glaube, ihr werdet mit mir sagen: „Ein Schuft in Lumpen ist es zwier in Sammet!“ Straßenbettler sind noch lange nicht die Einzigen, die von Lügen leben, sonst müßten gewisse Herren in Printing-House-Square (wörtlich: Druckhausplatz, eine Anspielung auf die „vornehmen“ Hierzu eine Beilage. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar212_023" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0004" n="1164"/> Der Colonel Fourestier, der berühmtc Maler, der ungeachtet des ausdrücklichen Befehls Changarnier's, an seinem Posten zu verweilen, der Kammer sagen ließ, daß er zu ihrer Verfügung stände. Auch er ist verhaftet worden.</p> <p>Der Staatsstreich, den man von Seiten des Ministeriums auszuführen gedachte, sollte weiter nichts als eine Reaktion zur Folge haben. Welche Form diese Restauration annehmen konnte, war noch zweifelhaft; aber um sie zu Wege zu bringen, mußten der republikanische Theil der Kammer, so wie die Clubs und Assoziationen mit einem Schlage geschlagen werden. Changarnier hatte, wie gesagt, die Mission, militärische Exekution; hinter Changarnier stand Leon Faucher, der Minister des Innern, der Mann, der bei der Assoziations- und Clubsfrage bereits geschlagen, der Mann, der am meisten in seiner Ministerehre gekränkt worden und zu Allem bereit war, um sich zum „praktischen“ Minister hinaufzuschwingen. Dem Leon Faucher zur Seite stand Odilon Barrot, der verschwiegene Biedermann, der dem Leon Faucher es überließ, eine Proklamation an die Pariser zu richten, um sie auf eine Juni-Schlacht gefaßt zu machen und eine andere an die Departements, worin er den Sieg über die Juni-Insurgenten zur Beruhigung der Provinzen anzeigte. Hinter Leon Faucher und Barrot kommen alle die monarchisch-rothen Nüancen, welche den Sieg Changarnier's auszubeuten, sich vorbehielten.</p> <p>Die Exekution scheiterte, weil die Kammer sich selbst exekutirte. Da wo man auf Widerstand zu stoßen hoffte, fand man die größte Bereitwilligkeit. Die Partei des Nationals hatte mehr Furcht vor einer Juni-Schlacht als das Ministerium, als die Legitimisten und Orleanisten. Ein Theil der Nationalgarde, die Kleinbürger, die Mobilgarde und die wohlorganisirten Assoziationen mit Männern, wie Alton Shee und Forestier, waren die Juni-Insurgenten geworden. Und die Partei, die Tages vorher noch gegen die Kammer gedonnert, wie das Journal des Debats, als sie am folgenden Tage den furchtbaren Widerstand sah, da, wo sie Beistand erwartet, und das feige Nachgeben da, wo sie auf Widerstand zu stoßen glaubte, lenkte plötzlich ein. Sie erschrickt vor der raschen Auflösung der Kammer und das Journal des Debats ist das erste, welches ermahnt, doch ja langsam zu Werke zu gehen und noch solange zusammenzubleiben, bis Alles geregelt ist.</p> <p>Cavaignac oder Changarnier ist das nicht ganz dasselbe? War Cavaignac nicht der von allen Parteien der Reaktion gepriesene Mann, und wenn das Land ihn hätte gewähren lassen, wäre er es nicht gewesen, der selbst ohne König die Franzosen zur Ruhe gebracht hätte? Freilich wären Leon Faucher und Barrot und die Boneparte und die Thiers und Molé in zweiter Linie nicht aufgekommen. Aber wenn die hohe Bourgeoisie andere Ideologen gefunden, die eben so gut, mit Hülfe Cavaignac's ihre Interessen moralisch und physisch verwalten konnten, wäre sie nicht gerne den Kontrakt eingegangen? Und hatte nicht Cavaignac bereits einen Lobredner im J. des Deb. gefunden? Ein Odilon-Barrot mag allerdings glauben, daß er seiner selbst wegen da sei, aber die Bourgeoisie duldet ihn nur deßhalb, weil er das Beschönigungsblättchen von Leon Faucher, und weil Leon Faucher selbst wieder das Aushängeschild Changarnier's, und Changarnier wieder das, was Cavaignac ist, sein soll: Pulver und Blei gegen das Proletariat, ob es in Form von Clubs oder von Juni-Insurgenten erscheint. Was die Bourgeoisie verdrießt, das ist eben, daß Changarnier noch nicht geworden, was er sein soll, daß Changarnier an seinen Füßen eine Last wie Barrot und Napoleon, und vor sich ein Stück „Berg“ wie die Kammer hat. Gestern sollte Changarnier sich zu Cavaignac hinaufarbeiten, und der Streich mißglückte; aber Changarnier ist geblieben, das ist die Hauptsache.</p> <p>Man lese nur, welche Lobreden das „Debats“ dem Changarnier ertheilt, wie es mit Achtung von seinen hohen militärischen Eigenschaften spricht, und weiter unten sogar mit tiefem Bedauern von dem Unwohlsein der „Königin Maria Amalia“, während der König Louis Philipp früher immer der Exkönig hieß.</p> <p>Wenn nun aber faktisch Changarnier durch seine hohen militärischen Eigenschaften, durch die strategische Entwickelung seiner Truppen in der Kammer gesiegt hat, so hat er moralisch unterlegen außerhalb der Kammer, vor dem vereinigten Proletariate‥ Die Kammer nimmt ihre Revanche, indem sie eine enquète über die Vorfälle verlangt. „Wir alten Republikaner“, sagt Guinard, „die seit 30 Jahren über die Republik wachten, wir werden doch <hi rendition="#g">einem</hi> Leon Faucher zur Seite noch ferner darüber wachen dürfen.“</p> <p>Das vereinigte Proletariat aber hat die Juni-Niederlage zu rächen, und es hat in diesem Augenblick seine schlimmsten Feinde, die Mobilgarde zu Freunden, denn auch sie sind zu Proletariern herabgesunken.</p> </div> <div xml:id="ar212_024" type="jArticle"> <head>Paris, 31. Jan.</head> <p>Der Moniteur widerlegt die Behauptung, daß man dem Präsidenten vorgestern zugerufen habe: Nieder mit den Ministern! und daß er geantwortet: Ihr sollt Andere haben etc.! „Sie können auf uns zählen, rief man vielmehr von allen Seiten; Muth! wir wollen Sie unterstützen!“ Solchergestalt seien die Gefühle jener Volksmenge gewesen, welche sich herbeidrängte, ihm die Hände drückte (!!) und ihm die lebhafteste und wahrste Ergebung zu erkennen gab.</p> <p>Der National, heute gegen das Barrotkabinet ganz besonders aufgebracht, behauptet dagegen, man habe dem Hrn. Bonaparte nicht nur: Nieder mit dem Ministerium! sondern auch: Nieder mit Thiers! Es lebe die Republik! zugerufen. Einer seiner Redaktoren könne dies bezeugen.</p> <p>— Die Scenen der letzten Tage (sagt Cavaignac's Organ Le Credit) haben dem von allem liberalem Einflusse gänzlich abgesperrten Präsidenten Bonaparte die Augen geöffnet. Wie wir hören, ist folgender Plan im Werke: Die Nationalversammlung wird bei der zweiten Deliberation den Rateauschen Antrag verwerfen, dagegen aber im Laufe der Amendementsdebatten die Zahl der organischen Gesetze herabsetzen. Dufaure tritt demnächst an Leon Faucher's und Vivien an Lacrosse's Stelle. Lamoriciere würde den alten General Rullieres im Kriegsministerium ersetzen.</p> <p>— „An den Redakteur des Moniteur.</p> <p>Gestern (29.) war ich bereits aus der Sitzung gegangen, als man zum Votum über den Rateauschen Antrag schritt. Ich glaubte, das Votum würde erst am nächsten Tage stattfinden. Es bedarf wohl keiner Erklärung, daß ich für die Conklusionen gestimmt haben würde, die Grevy im Namen der Commission stellte, deren Mitglied und Schreiber zu sein ich die Ehre hatte.</p> <p>Paris, 30. Jan. 1849.</p> <p>(gez.) Peter Napoleon Bonaparte.“</p> <p>— Armand Lefebre, bisher in Karlsruhe, ist nach München versetzt.</p> <p>— Die Bergpartei hat sich nicht begnügt, das Ministerium in Anklagestand zu setzen, sondern sie hat gestern noch die Einleitung einer <hi rendition="#g">parlamentarischen Untersuchung</hi> (wofür die Nationalversammlung so eben, Mittags, im Begriff ist, 15 Commissionsglieder zu ernennen) durchgesetzt. Das wird wieder einen schönen Skandal absetzen.</p> <p>— Die Abbaye ist mit Gefangenen aller Gattungen überfüllt; ebenso die Conciergerie. Selbst Alton Shee, Stadtgardiens und Mobilgardenoffiziere wurden neuerdings verhaftet.</p> <p>Die Soldaten kampiren unter Holzschuppen. in dem Invalidenviertel und legen kaum beim Essen das Gewehr aus den Händen. Aus Orleans, Blois etc. führen uns die Eisenbahnen immer neue Truppen zu.</p> <p>Hr. v. Bugeaud verließ Paris und eilte zur Alpenarmee, um im Falle des Gelingens des Staatsstreichs mit zwei Divisionen die <hi rendition="#g">neue Ordnung der Dinge</hi> zu schützen und uns den lahmen Heinrich einzukartätschen! Da nun der Streich mißlungen, so herrscht große Bestürzung in allen Sälen des Faubourgs St. Germain.</p> <p><hi rendition="#g">Nachschrift</hi>. So eben nimmt die Polizei beim Maler Perigon die Porträts des Frohsdorfer Königspaares weg. Entsetzlich!</p> <p>— Die Pariser Arbeiter machen sich bereits über die Januarposse lustig. Sie singen schon die Carmagnole wie folgt:</p> <lg type="poem"> <l>„Leon Faucher s'était promis</l><lb/> <l>De faire égorger tout Paris!</l><lb/> <l>Mais son coup a manqué,</l><lb/> <l>Grâce à nos canoniers!</l> </lg> <p>(Anspielung auf Guinard, den braven Chef der Stadtartillerie.)</p> <p>General *** sagte zu seinen Soldaten und Mobilgardisten in der Kaserne Rue de Reuilly (Fauburg St. Antoine), als er die Patronen austheilen ließ: „Kinder! denkt an den Juni und macht <hi rendition="#g">keine</hi> Gefangene!“ Mit andern Worten: schießt Alles nieder.</p> <p>— Gourgaud, der neue Oberst der 1. Legion, erläßt an seine Löwen eine Proklamation, in welcher das Wort „Republik“ nicht vorkommt und von der Nothwendigkeit einer starken Regierung mit <hi rendition="#g">weiser</hi> Freiheit (Lieblingsausdruck Louis Philipps) die Rede ist. Hr. Gourgaud könnte leicht wieder nach St. Helena zurückkehren.</p> <p>— Je aufmerksamer man die Journale und Verhandlungen der Nationalversammlung liest, desto klarer stellt sich die Ueberzeugung heraus, daß sich Faucher und Barrot von den Royalisten auf die tölpelhafteste Weise ins Bockshorn jagen ließen. Man höre den „Courrier de la Gironde“ vom 27. Jan. (Bordeaux):</p> <p>„Hört, hört, ihr Departements! Man konspirirt in Paris gegen die Republik. Man will Alles vernichten: die Volkswahl vom 10. Decbr., den (Pairs)gerichtshof in Bourges und Eure Petitionen gegen die Nationalversammlung. In den Klubs werden die Regimenter abgetheilt, bei den Banketten Revuen abgenommen, Pulver und Blei aufgekauft und unter der Angabe, damit zu handeln, große Magazine mit dem Aushängeschilde Association fraternelle angelegt. Schon bereitet der lange dürre Menschenschlächter mit dem Galeerensklavengesicht die zweirädrigen Karren, auf welche seine Opfer zur Richtstätte gefahren werden. Da er aber seine Henkersknechte noch nicht zahlreich genug sieht, so schreit er in der Nationalversammlung fortwährend nach <hi rendition="#g">Amnestie,</hi> um durch die Juniräuber seine Armee zu vermehren. (Armer Lagrang!) Aus der Präfektur sind Reisepässe gestohlen worden, welche die Ausflüge gewisser Clubisten genügend bemänteln sollen. Hoffentlich wir das Ministerium die Explosion dieser Conspiratinon nicht abwarten, sondern die Glieder ergreifen, sobald es die Fäden in der Hand hat. Unsere Generäle kennen die Geometrie dieser Conspirationswähler; man entsinnt sich ihrer Prozession zu Gunsten Polens, Italiens oder der Junigefangenen mit weißen Frauenzimmern; ihre Bankette mit Klingelbeuteln und Gotteskasten zum Ankauf von Pulver und Blei … Keine Sommationen und Feuer! So lautet die Antwort der Staatsgesellschaft. Die Kanone ist jetzt ratio ultima legum.“</p> <p>Ein zweites Pröbchen aus dem Courrier de la Somme (Amiens) lautet:</p> <p>„‥‥ Die Bluthunde wollen sich zuerst auf die Bank stürzen und in kleinen Abtheilungen sofort gegen alle Bankierhäuser losrücken. Alle Kassen sollen geraubt, Alles niedergemetzelt werden, was sich ihnen in den Weg stellt. Das Loosungsgeschrei soll heißen: „Tod allen Reichen!“ Jedes Haus, aus dem ein Schuß fällt, wird angezündet; kein Erbarmen darf stattfinden; die Todesstrafe sei permanent. Wer sein Haus nicht durchsuchen lasse, werde in den Hof geschleppt und füselirt.“</p> <p>Man wird sich hieraus die Angst erklären, mit der man dem 29. Januar entgegen sah. — Girardins „Presse“ nennt diesen Tag mit Recht: eine Insurrektion ohne Insurgenten.</p> <p>— <hi rendition="#g">National-Versammlung</hi>. Sitzung vom 31. Januar. Anfang 1 1/4 Uhr. Präsident Marrast.</p> <p>Viele Deputirte verlassen eben erst die Abtheilungssäle, in denen die Kommissionswahl für die Parlamentsuntersuchung der Montagskomödie zu heftigen Debatten Veranlassung gab.</p> <p><hi rendition="#g">Taschereau,</hi> der Intrigant, beschwert sich, daß man beim gestrigen Antrage auf Verordnung einer parlamentarischen Untersuchung nicht die vorgeschriebenen Reglementsförmlichkeiten beobachtet hätte. In dem Dringlichkeitsantrage müsse eine Darstellung der Begründungen vorangehen. Dies sei nicht geschehen. Solchen Formfehlern müsse in Zukunft vorgebeugt werden.</p> <p>Nun beginnt die gewöhnliche Petitionsprozession. Denjoy, St. Gaudens und ein Dutzend Andere uberreichen eine Menge Bittschriften für und gegen die Auflösung.</p> <p>Es kommt dabei wie üblich zu beißenden Aeußerungen über die mehr oder weniger große Zahl der Unterschriften. Inmittels zieht Marrast die monatlichen Abstimmungen durchs Loos. Nach Vollendung dieser Operation verlangt Vivien das Wort.</p> <p><hi rendition="#g">Vivien</hi>: Im 13. Bureau erhob sich ein Protest gegen die Commissariatswahl für die Parlamentsuntersuchung, weil die Formlichkeiten nicht beobachtet wor[d]en seien. Jeder Dringlichkeitsvorschlag müsse zunächst an den betreffenden Ausschuß verwiesen werden. Dies sei nicht geschehen, mithin das Reglement verletzt worden. Darum werde protestirt.</p> <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> (mit sichtlicher Genugthuung): Die Form sei in der That nicht beobachtet worden. (Marrast präsidirte gestern nicht, sondern Billault).</p> <p>Perree, Stourm, Deslongrais und Gent streiten sich eine Weile, ob Dringlichkeit überhaupt verlangt worden?</p> <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> liest den Tarrasschen Antrag vor, in welchem die Dringlichkeitserklärung ausdrücklich verlangt wird.</p> <p><hi rendition="#g">Billault</hi> erklärt, daß er dieses übersehen habe und entschuldigt sich.</p> <p><hi rendition="#g">Deslongrais</hi> (der ewige Schreier) schwingt sich auf die Bühne und beantragt, alle Wahlen (von denen, beiläufig gesagt, über die Hälfte im Sinne des Berges ausfielen) zu vernichten. (Tumult).</p> <p>Heckeren, Denjoy, v. Lasteyrie folgen sich rasch auf der Bühne und halten heftige Vorträge, um das Reglement zu retten.</p> <p>Die Versammlung läßt jedoch die Beschwerden fallen und schreitet, die vorgenommenen Kommissionswahlen anerkennend, zur Tagesordnung.</p> <p><hi rendition="#g">Vesin</hi> (dicht vom Berge) verlangt, ehe man zur Tagesordnung schreitet, vom Präsident zu wissen, warum der Antrag Ledru-Rollins und Consorten, auf Criminalisirung des Ministeriums, noch nicht auf der Tagesordnung stehe? Ist etwa der Antrag zurückgezogen? Warum keine Dringlichkeit?</p> <p><hi rendition="#g">Ledru-Rollin:</hi> Die Anklage ist keineswegs zurückgezogen; die Antragsteller werden vielmehr morgen neue Klagepunkte gegen das Ministerium richten. (Oh! Oh! zur Rechten.) Wir bestehen darauf, und drucken unser Erstaunen aus, daß der Präsident den Antrag noch nicht den Büreaus vorlegte.</p> <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> (bitter): Ich kann dies ohne die Versammlung zu befragen nicht thun.</p> <p>Stimmen: So thun Sie dies jetzt!</p> <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> (tiefe Stille): Ich bringe hiermit die Frage zur Abstimmung: ob der Antrag Ledru-Rollins und Consorten auf Vdrsetzung der Minister in Anklagezustand in die Büreaus verwiesen werden soll oder nicht? Mögen alle diejenigen, die dafür sind, aufstehen! (Es erhebt sich fast die ganze Linke.) Und die dagegen sind. (Es erhebt sich die Rechte und ein Theil des Centrums).</p> <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> (mit den Schreibern berathend): Das Votum ist zweifelhaft. (Ah! Ah! Sensation.)</p> <p>Stimmen rechts: Abstimmung durch Stimmzettel!</p> <p>Dies geschieht. Es stimmen 708. 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Er erzählt die Verhaftung des Beamtenpersonals der Solidarité republicaine, bei der auch 25 Deputirte betheiligt seien und will die Gründe dieses Verfahrens wissen.</p> <p><hi rendition="#g">Ledru-Rollin</hi> unterstützt ihn.</p> <p><hi rendition="#g">Barrot</hi> und <hi rendition="#g">Baroche</hi> erwidern, daß die Maßregel rein gerichtlicher Natur sei und man die Untersuchung abwarten müsse.</p> <p>Die Versammlung geht zur Tagesordnung (zum Billaultschen Büdgetantrage) über.</p> <p>Billaults Antrag lautet:</p> <p>Artikel 1.</p> <p rendition="#et">„Der National-Versammlung ist zuförderlichst ein Bericht über das vom Finanzministerium zu entwerfende Büdget der Staatseinnahmen vorzulegen, welches demnächst durch ein Spezialdekret zu regeln.“</p> <p>Artikel 2.</p> <p rendition="#et">„Einen Monat nach Veröffentlichung dieses Spezialdekrets hat das Finanzministerium einen Entwurf des Büdgets der Staatsausgaben vorzulegen, welches mit der Ziffer der Einnahme im Einklange stehe.“</p> <p><hi rendition="#g">Passy,</hi> Finanzminister, bekämpft den Antrag eine Stunde lang. Goudchaux's Büdget stellt ein Defizit von 5<gap reason="illegible"/>5 Millionen heraus. Das meinige wird dasselbe um 200 Millionen vermindern, so daß es nur 355 Millionen betrage. Die HH. Deseimeries und Billault glauben durch Gehaltsabzüge und sonstige Ersparnisse das Defizit um 339 Millionen zu vermindern. Dies hieße den ganzen Statsdienst desorganisiren. Darum bekämpfe er den Antrag.</p> <p><hi rendition="#g">Billault</hi> vertheidigt ihn. Seine Gründe sind folgende: a. das System der innern Staatsverwaltung sei zu komplizirt; b. das System unserer Politik nach Außen sei zu abscheulich, und c. das System der Regierung in Bezug auf Staatsbauten sei schlecht.</p> <p><hi rendition="#g">Stourm</hi> unterstützt seinen Freund Billault. Verwerfe man seine Vorschläge, so breche der Bankerott herein.</p> <p>Die Versammlung schreitet zur Abstimmung und verwirft Billaults Antrag mit 397 gegen 390 Stimmen. (Agitation).</p> <p><hi rendition="#g">Roucher</hi> frägt Billault, ob er den Minister des Aeußern nicht interpelliren wolle?</p> <p>Billault ist aber schon abwesend und die Versammlung geht um 6 1/4 Uhr ziemlich aufgeregt aufgeregt auseinander.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Schweiz.</head> <div xml:id="ar212_025" type="jArticle"> <head>Neuenburg.</head> <p>Unterm 25. d. hat der Staatsrath eine Proklamation an das Volk erlassen. Heute theilen wir daraus mit, daß die letzten tumultuarischen Vorgänge als das Resultat eines früher verabredeten Planes bezeichnet werden, daß die Gemeinde Verrieres militärisch besetzt wurde und daß der Gr. Rath auf den 29. d. einberufen ist.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Polen.</head> <div xml:id="ar212_026" type="jArticle"> <head><bibl><author>074</author></bibl> Warschau, im Januar.</head> <p>Die hermetische Abschließung des russischen Polens von dem übrigen civilisirten Europa und die schmutzige und bezahlte Parteilichkeit der meisten deutschen Preßorgane gegen Polen, sind von den in Polen sich befindenden Russen ganz klüglich ausgebeutet worden. Nicht die politische Emancipation, nicht das National-Interesse sind es jetzt, an deren Durchsetzung wir denken können; nur die Befreiung von der ausgelassensten Administrativ-Willkür — Bestechlichkeit und Erpressung — ist unser nächstes Bedürfniß. Vor den Gewaltthaten unserer Beamten verschwindet der Ruhm der Paschas und Satrapen, und tritt weit, weit in den Hintergrund. Ueberall Beutelschneiderei, namenlose Korruption und als Folge davon allgemeines Elend. Alles wird verkauft und erkauft was irgend von der Verwaltung und Justiz nur abhängig ist. Und diese Verdorbenheit nimmt zu, je höher man auf die hierarchische Stufenleiter steigt, oder von der höchsten Spitze geht der Strom der Korruption aus und ergießt sich über alle untere Regionen der Verwaltung. In einem Worte: Der blutdürstige Paskewitsch, Vice-König des Landes, stillt seinen Durst jetzt nicht nur mit Blut, sondern noch mehr mit Gold. Alles hängt von seinem Willen ab, jede Streitigkeit über Privatinteressen kommt vor seinen Ausspruch und dieser Ausspruch wird nur mit Geld abgewogen.</p> <p>Wer sich nicht darin fügt, ist ein politischer Aufrührer und wird als solcher grimmig verfolgt. Alle Stege und Seitentreppen führen zu Paskewitsch's Vorhalle — aber auf Allen tritt Einem das: la bourse ou la vie! Seitens der untergeordneten Beamten entgegen.</p> <p>Aber unter Allen der gefährlichste ist der Weg durch jene Hinterthür, wo auf den Supplikanten die erlauchte Familie des Vice-Königs lauert. Die Fürstin Gemahlin, Tochter, Schwiegersohn bieten ihre hohe Protektion feil, aber um welchen Zentner schweren Preis. Es scheint, daß das gesammte Personal, von Oben nach Unten, alle Augenblicke erwartet, daß ihre letzte Stunde schlagen wird, und nur daran denkt, sich mit so viel Beute als möglich zu versorgen. Daß bei dem Allen auf keine Abhülfe von Petersburg zu denken ist, versteht sich von selbst. Denn wäre in Petersburg auch der gute Wille dazu da, so dringt doch keine Klage durch, da alle Wege belauert, und durch die Räuberbande dicht bis zum Fuße des Thrones besetzt sind.</p> <p>Aber hoffen wir, daß dieser unerträgliche Zustand nicht lange mehr anhalten wird. Die Völker Europa's werden sich abermals erheben, ihre eigenen Ketten brechen und zugleich dem niedergetretenen Polen seine Freiheit erringen helfen, denn kein freies Europa ohne ein freies Polen!</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar212_027" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> London, 29. Jan.</head> <p>(Schluß von Harney's Brief.) Die Times ist kürzlich auf einen Kreuzzug gegen Bettler und bettelnde Betrüger ausgezogen. Niemand zweifelt, daß die auf das öffentliche Mitleid spekulirenden Scheinarmen und Scheinkrüppel in den Straßen Londons eine zahlreiche Klasse ausmachen, aber deswegen alle zu verdammen, die den Vorübergehenden um eine Gabe ansprechen, würde eine krasse Ungerechtigkeit sein. Viele Betrüger sind nicht zu verkennen, namentlich die predigenden und psalmensingenden Vagabunden, die unsre Straßen seit einigen Jahren überschwemmen. Aber unleugbare Fakten bezeugen, daß nur zu viele ehrliche Männer zum Betteln ihre letzte Zuflucht nehmen müssen. Vor wenig Tagen wurde in einer Versammlung der Steuerzahlenden von St. Andreas, Holborn, die traurige Wahrheit ausgesprochen, daß 50,000 Londoner Handwerker ohne Beschäftigung sind. Wird die Times zu behaupten wagen, daß diese 50,000 Männer, oder irgend ein Theil von ihnen, Betrüger sind, wenn sie bettelnd auf die Straße treten? Ein Korrespondent des „Builder“ (eine Wochenschrift für Architekten) schlug kürzlich vor, die Schwibbögen der südwestlichen Eisenbahn zu Lambeth auf den Seiten zu bedielen, um sie so zu nächtlichen Zufluchtsstätten für die hauslosen Armen umzuschaffen, wozu das „Athenäum“ bemerkt: „Wenige der Söhne und Töchter des Luxus in Englands Metropolis haben einen Begriff davon, wie viele ihrer Mitbürger heimathlos in ihr herumirren, ohne einen andern Ort, um ihr Haupt vor dem schneidenden Winterwinde zu schirmen, als Thorwege, Bänke in den Parks, Eisenbahnbögen, kalte steinerne Treppen und — die Gosse! <hi rendition="#g">Diese Haus- und Heimathlosen sind bei Tausenden zu zählen!</hi> Es befinden sich unter ihnen Weiber und Kinder — Kinder vom zartesten Alter —, die den Sinn der Worte: Haus, Heimath, nie gekannt haben, nie kennen werden!“</p> <p>Und sind diese heimathlosen Tausende Betrüger? Und wie, wenn das Bettlergewerbe so einträglich ist, wie die Times versichert — wie kommt es, daß diese unglücklichen Straßenbewohner nicht so viel von der öffentlichen Milde erlangen können, um auch nur ein Nachtlager zu erschwingen?</p> <p>Glaubt mir, Brüder Proletarier, es gibt mehr Betrüger, als die, welche aus St. Giles's herstammen! Es gibt Betrüger in „Purpur und feinem Linnen“, in Seide und Tuch, in Perücken und Kastorhüten, und ich glaube, ihr werdet mit mir sagen:</p> <p rendition="#et">„Ein Schuft in Lumpen ist es zwier in Sammet!“</p> <p>Straßenbettler sind noch lange nicht die Einzigen, die von Lügen leben, sonst müßten gewisse Herren in Printing-House-Square (wörtlich: Druckhausplatz, eine Anspielung auf die „vornehmen“</p> <p> <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1164/0004]
Der Colonel Fourestier, der berühmtc Maler, der ungeachtet des ausdrücklichen Befehls Changarnier's, an seinem Posten zu verweilen, der Kammer sagen ließ, daß er zu ihrer Verfügung stände. Auch er ist verhaftet worden.
Der Staatsstreich, den man von Seiten des Ministeriums auszuführen gedachte, sollte weiter nichts als eine Reaktion zur Folge haben. Welche Form diese Restauration annehmen konnte, war noch zweifelhaft; aber um sie zu Wege zu bringen, mußten der republikanische Theil der Kammer, so wie die Clubs und Assoziationen mit einem Schlage geschlagen werden. Changarnier hatte, wie gesagt, die Mission, militärische Exekution; hinter Changarnier stand Leon Faucher, der Minister des Innern, der Mann, der bei der Assoziations- und Clubsfrage bereits geschlagen, der Mann, der am meisten in seiner Ministerehre gekränkt worden und zu Allem bereit war, um sich zum „praktischen“ Minister hinaufzuschwingen. Dem Leon Faucher zur Seite stand Odilon Barrot, der verschwiegene Biedermann, der dem Leon Faucher es überließ, eine Proklamation an die Pariser zu richten, um sie auf eine Juni-Schlacht gefaßt zu machen und eine andere an die Departements, worin er den Sieg über die Juni-Insurgenten zur Beruhigung der Provinzen anzeigte. Hinter Leon Faucher und Barrot kommen alle die monarchisch-rothen Nüancen, welche den Sieg Changarnier's auszubeuten, sich vorbehielten.
Die Exekution scheiterte, weil die Kammer sich selbst exekutirte. Da wo man auf Widerstand zu stoßen hoffte, fand man die größte Bereitwilligkeit. Die Partei des Nationals hatte mehr Furcht vor einer Juni-Schlacht als das Ministerium, als die Legitimisten und Orleanisten. Ein Theil der Nationalgarde, die Kleinbürger, die Mobilgarde und die wohlorganisirten Assoziationen mit Männern, wie Alton Shee und Forestier, waren die Juni-Insurgenten geworden. Und die Partei, die Tages vorher noch gegen die Kammer gedonnert, wie das Journal des Debats, als sie am folgenden Tage den furchtbaren Widerstand sah, da, wo sie Beistand erwartet, und das feige Nachgeben da, wo sie auf Widerstand zu stoßen glaubte, lenkte plötzlich ein. Sie erschrickt vor der raschen Auflösung der Kammer und das Journal des Debats ist das erste, welches ermahnt, doch ja langsam zu Werke zu gehen und noch solange zusammenzubleiben, bis Alles geregelt ist.
Cavaignac oder Changarnier ist das nicht ganz dasselbe? War Cavaignac nicht der von allen Parteien der Reaktion gepriesene Mann, und wenn das Land ihn hätte gewähren lassen, wäre er es nicht gewesen, der selbst ohne König die Franzosen zur Ruhe gebracht hätte? Freilich wären Leon Faucher und Barrot und die Boneparte und die Thiers und Molé in zweiter Linie nicht aufgekommen. Aber wenn die hohe Bourgeoisie andere Ideologen gefunden, die eben so gut, mit Hülfe Cavaignac's ihre Interessen moralisch und physisch verwalten konnten, wäre sie nicht gerne den Kontrakt eingegangen? Und hatte nicht Cavaignac bereits einen Lobredner im J. des Deb. gefunden? Ein Odilon-Barrot mag allerdings glauben, daß er seiner selbst wegen da sei, aber die Bourgeoisie duldet ihn nur deßhalb, weil er das Beschönigungsblättchen von Leon Faucher, und weil Leon Faucher selbst wieder das Aushängeschild Changarnier's, und Changarnier wieder das, was Cavaignac ist, sein soll: Pulver und Blei gegen das Proletariat, ob es in Form von Clubs oder von Juni-Insurgenten erscheint. Was die Bourgeoisie verdrießt, das ist eben, daß Changarnier noch nicht geworden, was er sein soll, daß Changarnier an seinen Füßen eine Last wie Barrot und Napoleon, und vor sich ein Stück „Berg“ wie die Kammer hat. Gestern sollte Changarnier sich zu Cavaignac hinaufarbeiten, und der Streich mißglückte; aber Changarnier ist geblieben, das ist die Hauptsache.
Man lese nur, welche Lobreden das „Debats“ dem Changarnier ertheilt, wie es mit Achtung von seinen hohen militärischen Eigenschaften spricht, und weiter unten sogar mit tiefem Bedauern von dem Unwohlsein der „Königin Maria Amalia“, während der König Louis Philipp früher immer der Exkönig hieß.
Wenn nun aber faktisch Changarnier durch seine hohen militärischen Eigenschaften, durch die strategische Entwickelung seiner Truppen in der Kammer gesiegt hat, so hat er moralisch unterlegen außerhalb der Kammer, vor dem vereinigten Proletariate‥ Die Kammer nimmt ihre Revanche, indem sie eine enquète über die Vorfälle verlangt. „Wir alten Republikaner“, sagt Guinard, „die seit 30 Jahren über die Republik wachten, wir werden doch einem Leon Faucher zur Seite noch ferner darüber wachen dürfen.“
Das vereinigte Proletariat aber hat die Juni-Niederlage zu rächen, und es hat in diesem Augenblick seine schlimmsten Feinde, die Mobilgarde zu Freunden, denn auch sie sind zu Proletariern herabgesunken.
Paris, 31. Jan. Der Moniteur widerlegt die Behauptung, daß man dem Präsidenten vorgestern zugerufen habe: Nieder mit den Ministern! und daß er geantwortet: Ihr sollt Andere haben etc.! „Sie können auf uns zählen, rief man vielmehr von allen Seiten; Muth! wir wollen Sie unterstützen!“ Solchergestalt seien die Gefühle jener Volksmenge gewesen, welche sich herbeidrängte, ihm die Hände drückte (!!) und ihm die lebhafteste und wahrste Ergebung zu erkennen gab.
Der National, heute gegen das Barrotkabinet ganz besonders aufgebracht, behauptet dagegen, man habe dem Hrn. Bonaparte nicht nur: Nieder mit dem Ministerium! sondern auch: Nieder mit Thiers! Es lebe die Republik! zugerufen. Einer seiner Redaktoren könne dies bezeugen.
— Die Scenen der letzten Tage (sagt Cavaignac's Organ Le Credit) haben dem von allem liberalem Einflusse gänzlich abgesperrten Präsidenten Bonaparte die Augen geöffnet. Wie wir hören, ist folgender Plan im Werke: Die Nationalversammlung wird bei der zweiten Deliberation den Rateauschen Antrag verwerfen, dagegen aber im Laufe der Amendementsdebatten die Zahl der organischen Gesetze herabsetzen. Dufaure tritt demnächst an Leon Faucher's und Vivien an Lacrosse's Stelle. Lamoriciere würde den alten General Rullieres im Kriegsministerium ersetzen.
— „An den Redakteur des Moniteur.
Gestern (29.) war ich bereits aus der Sitzung gegangen, als man zum Votum über den Rateauschen Antrag schritt. Ich glaubte, das Votum würde erst am nächsten Tage stattfinden. Es bedarf wohl keiner Erklärung, daß ich für die Conklusionen gestimmt haben würde, die Grevy im Namen der Commission stellte, deren Mitglied und Schreiber zu sein ich die Ehre hatte.
Paris, 30. Jan. 1849.
(gez.) Peter Napoleon Bonaparte.“
— Armand Lefebre, bisher in Karlsruhe, ist nach München versetzt.
— Die Bergpartei hat sich nicht begnügt, das Ministerium in Anklagestand zu setzen, sondern sie hat gestern noch die Einleitung einer parlamentarischen Untersuchung (wofür die Nationalversammlung so eben, Mittags, im Begriff ist, 15 Commissionsglieder zu ernennen) durchgesetzt. Das wird wieder einen schönen Skandal absetzen.
— Die Abbaye ist mit Gefangenen aller Gattungen überfüllt; ebenso die Conciergerie. Selbst Alton Shee, Stadtgardiens und Mobilgardenoffiziere wurden neuerdings verhaftet.
Die Soldaten kampiren unter Holzschuppen. in dem Invalidenviertel und legen kaum beim Essen das Gewehr aus den Händen. Aus Orleans, Blois etc. führen uns die Eisenbahnen immer neue Truppen zu.
Hr. v. Bugeaud verließ Paris und eilte zur Alpenarmee, um im Falle des Gelingens des Staatsstreichs mit zwei Divisionen die neue Ordnung der Dinge zu schützen und uns den lahmen Heinrich einzukartätschen! Da nun der Streich mißlungen, so herrscht große Bestürzung in allen Sälen des Faubourgs St. Germain.
Nachschrift. So eben nimmt die Polizei beim Maler Perigon die Porträts des Frohsdorfer Königspaares weg. Entsetzlich!
— Die Pariser Arbeiter machen sich bereits über die Januarposse lustig. Sie singen schon die Carmagnole wie folgt:
„Leon Faucher s'était promis
De faire égorger tout Paris!
Mais son coup a manqué,
Grâce à nos canoniers!
(Anspielung auf Guinard, den braven Chef der Stadtartillerie.)
General *** sagte zu seinen Soldaten und Mobilgardisten in der Kaserne Rue de Reuilly (Fauburg St. Antoine), als er die Patronen austheilen ließ: „Kinder! denkt an den Juni und macht keine Gefangene!“ Mit andern Worten: schießt Alles nieder.
— Gourgaud, der neue Oberst der 1. Legion, erläßt an seine Löwen eine Proklamation, in welcher das Wort „Republik“ nicht vorkommt und von der Nothwendigkeit einer starken Regierung mit weiser Freiheit (Lieblingsausdruck Louis Philipps) die Rede ist. Hr. Gourgaud könnte leicht wieder nach St. Helena zurückkehren.
— Je aufmerksamer man die Journale und Verhandlungen der Nationalversammlung liest, desto klarer stellt sich die Ueberzeugung heraus, daß sich Faucher und Barrot von den Royalisten auf die tölpelhafteste Weise ins Bockshorn jagen ließen. Man höre den „Courrier de la Gironde“ vom 27. Jan. (Bordeaux):
„Hört, hört, ihr Departements! Man konspirirt in Paris gegen die Republik. Man will Alles vernichten: die Volkswahl vom 10. Decbr., den (Pairs)gerichtshof in Bourges und Eure Petitionen gegen die Nationalversammlung. In den Klubs werden die Regimenter abgetheilt, bei den Banketten Revuen abgenommen, Pulver und Blei aufgekauft und unter der Angabe, damit zu handeln, große Magazine mit dem Aushängeschilde Association fraternelle angelegt. Schon bereitet der lange dürre Menschenschlächter mit dem Galeerensklavengesicht die zweirädrigen Karren, auf welche seine Opfer zur Richtstätte gefahren werden. Da er aber seine Henkersknechte noch nicht zahlreich genug sieht, so schreit er in der Nationalversammlung fortwährend nach Amnestie, um durch die Juniräuber seine Armee zu vermehren. (Armer Lagrang!) Aus der Präfektur sind Reisepässe gestohlen worden, welche die Ausflüge gewisser Clubisten genügend bemänteln sollen. Hoffentlich wir das Ministerium die Explosion dieser Conspiratinon nicht abwarten, sondern die Glieder ergreifen, sobald es die Fäden in der Hand hat. Unsere Generäle kennen die Geometrie dieser Conspirationswähler; man entsinnt sich ihrer Prozession zu Gunsten Polens, Italiens oder der Junigefangenen mit weißen Frauenzimmern; ihre Bankette mit Klingelbeuteln und Gotteskasten zum Ankauf von Pulver und Blei … Keine Sommationen und Feuer! So lautet die Antwort der Staatsgesellschaft. Die Kanone ist jetzt ratio ultima legum.“
Ein zweites Pröbchen aus dem Courrier de la Somme (Amiens) lautet:
„‥‥ Die Bluthunde wollen sich zuerst auf die Bank stürzen und in kleinen Abtheilungen sofort gegen alle Bankierhäuser losrücken. Alle Kassen sollen geraubt, Alles niedergemetzelt werden, was sich ihnen in den Weg stellt. Das Loosungsgeschrei soll heißen: „Tod allen Reichen!“ Jedes Haus, aus dem ein Schuß fällt, wird angezündet; kein Erbarmen darf stattfinden; die Todesstrafe sei permanent. Wer sein Haus nicht durchsuchen lasse, werde in den Hof geschleppt und füselirt.“
Man wird sich hieraus die Angst erklären, mit der man dem 29. Januar entgegen sah. — Girardins „Presse“ nennt diesen Tag mit Recht: eine Insurrektion ohne Insurgenten.
— National-Versammlung. Sitzung vom 31. Januar. Anfang 1 1/4 Uhr. Präsident Marrast.
Viele Deputirte verlassen eben erst die Abtheilungssäle, in denen die Kommissionswahl für die Parlamentsuntersuchung der Montagskomödie zu heftigen Debatten Veranlassung gab.
Taschereau, der Intrigant, beschwert sich, daß man beim gestrigen Antrage auf Verordnung einer parlamentarischen Untersuchung nicht die vorgeschriebenen Reglementsförmlichkeiten beobachtet hätte. In dem Dringlichkeitsantrage müsse eine Darstellung der Begründungen vorangehen. Dies sei nicht geschehen. Solchen Formfehlern müsse in Zukunft vorgebeugt werden.
Nun beginnt die gewöhnliche Petitionsprozession. Denjoy, St. Gaudens und ein Dutzend Andere uberreichen eine Menge Bittschriften für und gegen die Auflösung.
Es kommt dabei wie üblich zu beißenden Aeußerungen über die mehr oder weniger große Zahl der Unterschriften. Inmittels zieht Marrast die monatlichen Abstimmungen durchs Loos. Nach Vollendung dieser Operation verlangt Vivien das Wort.
Vivien: Im 13. Bureau erhob sich ein Protest gegen die Commissariatswahl für die Parlamentsuntersuchung, weil die Formlichkeiten nicht beobachtet wor[d]en seien. Jeder Dringlichkeitsvorschlag müsse zunächst an den betreffenden Ausschuß verwiesen werden. Dies sei nicht geschehen, mithin das Reglement verletzt worden. Darum werde protestirt.
Marrast (mit sichtlicher Genugthuung): Die Form sei in der That nicht beobachtet worden. (Marrast präsidirte gestern nicht, sondern Billault).
Perree, Stourm, Deslongrais und Gent streiten sich eine Weile, ob Dringlichkeit überhaupt verlangt worden?
Marrast liest den Tarrasschen Antrag vor, in welchem die Dringlichkeitserklärung ausdrücklich verlangt wird.
Billault erklärt, daß er dieses übersehen habe und entschuldigt sich.
Deslongrais (der ewige Schreier) schwingt sich auf die Bühne und beantragt, alle Wahlen (von denen, beiläufig gesagt, über die Hälfte im Sinne des Berges ausfielen) zu vernichten. (Tumult).
Heckeren, Denjoy, v. Lasteyrie folgen sich rasch auf der Bühne und halten heftige Vorträge, um das Reglement zu retten.
Die Versammlung läßt jedoch die Beschwerden fallen und schreitet, die vorgenommenen Kommissionswahlen anerkennend, zur Tagesordnung.
Vesin (dicht vom Berge) verlangt, ehe man zur Tagesordnung schreitet, vom Präsident zu wissen, warum der Antrag Ledru-Rollins und Consorten, auf Criminalisirung des Ministeriums, noch nicht auf der Tagesordnung stehe? Ist etwa der Antrag zurückgezogen? Warum keine Dringlichkeit?
Ledru-Rollin: Die Anklage ist keineswegs zurückgezogen; die Antragsteller werden vielmehr morgen neue Klagepunkte gegen das Ministerium richten. (Oh! Oh! zur Rechten.) Wir bestehen darauf, und drucken unser Erstaunen aus, daß der Präsident den Antrag noch nicht den Büreaus vorlegte.
Marrast (bitter): Ich kann dies ohne die Versammlung zu befragen nicht thun.
Stimmen: So thun Sie dies jetzt!
Marrast (tiefe Stille): Ich bringe hiermit die Frage zur Abstimmung: ob der Antrag Ledru-Rollins und Consorten auf Vdrsetzung der Minister in Anklagezustand in die Büreaus verwiesen werden soll oder nicht? Mögen alle diejenigen, die dafür sind, aufstehen! (Es erhebt sich fast die ganze Linke.) Und die dagegen sind. (Es erhebt sich die Rechte und ein Theil des Centrums).
Marrast (mit den Schreibern berathend): Das Votum ist zweifelhaft. (Ah! Ah! Sensation.)
Stimmen rechts: Abstimmung durch Stimmzettel!
Dies geschieht. Es stimmen 708. Davon 250 für die Ueberweisung und 458 gegen dieselbe.
Marrast: In Folge dessen überweist die Versammlung den Antrag nicht an die Büreaus. (Agitation links. Triumph rechts).
Martin Bernard (vom Berge) eilt auf die Bühne, schlägt mit der Faust wüthend auf die Brustwehr und erzwingt sich Gehör. Er erzählt die Verhaftung des Beamtenpersonals der Solidarité republicaine, bei der auch 25 Deputirte betheiligt seien und will die Gründe dieses Verfahrens wissen.
Ledru-Rollin unterstützt ihn.
Barrot und Baroche erwidern, daß die Maßregel rein gerichtlicher Natur sei und man die Untersuchung abwarten müsse.
Die Versammlung geht zur Tagesordnung (zum Billaultschen Büdgetantrage) über.
Billaults Antrag lautet:
Artikel 1.
„Der National-Versammlung ist zuförderlichst ein Bericht über das vom Finanzministerium zu entwerfende Büdget der Staatseinnahmen vorzulegen, welches demnächst durch ein Spezialdekret zu regeln.“
Artikel 2.
„Einen Monat nach Veröffentlichung dieses Spezialdekrets hat das Finanzministerium einen Entwurf des Büdgets der Staatsausgaben vorzulegen, welches mit der Ziffer der Einnahme im Einklange stehe.“
Passy, Finanzminister, bekämpft den Antrag eine Stunde lang. Goudchaux's Büdget stellt ein Defizit von 5_ 5 Millionen heraus. Das meinige wird dasselbe um 200 Millionen vermindern, so daß es nur 355 Millionen betrage. Die HH. Deseimeries und Billault glauben durch Gehaltsabzüge und sonstige Ersparnisse das Defizit um 339 Millionen zu vermindern. Dies hieße den ganzen Statsdienst desorganisiren. Darum bekämpfe er den Antrag.
Billault vertheidigt ihn. Seine Gründe sind folgende: a. das System der innern Staatsverwaltung sei zu komplizirt; b. das System unserer Politik nach Außen sei zu abscheulich, und c. das System der Regierung in Bezug auf Staatsbauten sei schlecht.
Stourm unterstützt seinen Freund Billault. Verwerfe man seine Vorschläge, so breche der Bankerott herein.
Die Versammlung schreitet zur Abstimmung und verwirft Billaults Antrag mit 397 gegen 390 Stimmen. (Agitation).
Roucher frägt Billault, ob er den Minister des Aeußern nicht interpelliren wolle?
Billault ist aber schon abwesend und die Versammlung geht um 6 1/4 Uhr ziemlich aufgeregt aufgeregt auseinander.
Schweiz. Neuenburg. Unterm 25. d. hat der Staatsrath eine Proklamation an das Volk erlassen. Heute theilen wir daraus mit, daß die letzten tumultuarischen Vorgänge als das Resultat eines früher verabredeten Planes bezeichnet werden, daß die Gemeinde Verrieres militärisch besetzt wurde und daß der Gr. Rath auf den 29. d. einberufen ist.
Polen. 074 Warschau, im Januar. Die hermetische Abschließung des russischen Polens von dem übrigen civilisirten Europa und die schmutzige und bezahlte Parteilichkeit der meisten deutschen Preßorgane gegen Polen, sind von den in Polen sich befindenden Russen ganz klüglich ausgebeutet worden. Nicht die politische Emancipation, nicht das National-Interesse sind es jetzt, an deren Durchsetzung wir denken können; nur die Befreiung von der ausgelassensten Administrativ-Willkür — Bestechlichkeit und Erpressung — ist unser nächstes Bedürfniß. Vor den Gewaltthaten unserer Beamten verschwindet der Ruhm der Paschas und Satrapen, und tritt weit, weit in den Hintergrund. Ueberall Beutelschneiderei, namenlose Korruption und als Folge davon allgemeines Elend. Alles wird verkauft und erkauft was irgend von der Verwaltung und Justiz nur abhängig ist. Und diese Verdorbenheit nimmt zu, je höher man auf die hierarchische Stufenleiter steigt, oder von der höchsten Spitze geht der Strom der Korruption aus und ergießt sich über alle untere Regionen der Verwaltung. In einem Worte: Der blutdürstige Paskewitsch, Vice-König des Landes, stillt seinen Durst jetzt nicht nur mit Blut, sondern noch mehr mit Gold. Alles hängt von seinem Willen ab, jede Streitigkeit über Privatinteressen kommt vor seinen Ausspruch und dieser Ausspruch wird nur mit Geld abgewogen.
Wer sich nicht darin fügt, ist ein politischer Aufrührer und wird als solcher grimmig verfolgt. Alle Stege und Seitentreppen führen zu Paskewitsch's Vorhalle — aber auf Allen tritt Einem das: la bourse ou la vie! Seitens der untergeordneten Beamten entgegen.
Aber unter Allen der gefährlichste ist der Weg durch jene Hinterthür, wo auf den Supplikanten die erlauchte Familie des Vice-Königs lauert. Die Fürstin Gemahlin, Tochter, Schwiegersohn bieten ihre hohe Protektion feil, aber um welchen Zentner schweren Preis. Es scheint, daß das gesammte Personal, von Oben nach Unten, alle Augenblicke erwartet, daß ihre letzte Stunde schlagen wird, und nur daran denkt, sich mit so viel Beute als möglich zu versorgen. Daß bei dem Allen auf keine Abhülfe von Petersburg zu denken ist, versteht sich von selbst. Denn wäre in Petersburg auch der gute Wille dazu da, so dringt doch keine Klage durch, da alle Wege belauert, und durch die Räuberbande dicht bis zum Fuße des Thrones besetzt sind.
Aber hoffen wir, daß dieser unerträgliche Zustand nicht lange mehr anhalten wird. Die Völker Europa's werden sich abermals erheben, ihre eigenen Ketten brechen und zugleich dem niedergetretenen Polen seine Freiheit erringen helfen, denn kein freies Europa ohne ein freies Polen!
Großbritannien. 068 London, 29. Jan. (Schluß von Harney's Brief.) Die Times ist kürzlich auf einen Kreuzzug gegen Bettler und bettelnde Betrüger ausgezogen. Niemand zweifelt, daß die auf das öffentliche Mitleid spekulirenden Scheinarmen und Scheinkrüppel in den Straßen Londons eine zahlreiche Klasse ausmachen, aber deswegen alle zu verdammen, die den Vorübergehenden um eine Gabe ansprechen, würde eine krasse Ungerechtigkeit sein. Viele Betrüger sind nicht zu verkennen, namentlich die predigenden und psalmensingenden Vagabunden, die unsre Straßen seit einigen Jahren überschwemmen. Aber unleugbare Fakten bezeugen, daß nur zu viele ehrliche Männer zum Betteln ihre letzte Zuflucht nehmen müssen. Vor wenig Tagen wurde in einer Versammlung der Steuerzahlenden von St. Andreas, Holborn, die traurige Wahrheit ausgesprochen, daß 50,000 Londoner Handwerker ohne Beschäftigung sind. Wird die Times zu behaupten wagen, daß diese 50,000 Männer, oder irgend ein Theil von ihnen, Betrüger sind, wenn sie bettelnd auf die Straße treten? Ein Korrespondent des „Builder“ (eine Wochenschrift für Architekten) schlug kürzlich vor, die Schwibbögen der südwestlichen Eisenbahn zu Lambeth auf den Seiten zu bedielen, um sie so zu nächtlichen Zufluchtsstätten für die hauslosen Armen umzuschaffen, wozu das „Athenäum“ bemerkt: „Wenige der Söhne und Töchter des Luxus in Englands Metropolis haben einen Begriff davon, wie viele ihrer Mitbürger heimathlos in ihr herumirren, ohne einen andern Ort, um ihr Haupt vor dem schneidenden Winterwinde zu schirmen, als Thorwege, Bänke in den Parks, Eisenbahnbögen, kalte steinerne Treppen und — die Gosse! Diese Haus- und Heimathlosen sind bei Tausenden zu zählen! Es befinden sich unter ihnen Weiber und Kinder — Kinder vom zartesten Alter —, die den Sinn der Worte: Haus, Heimath, nie gekannt haben, nie kennen werden!“
Und sind diese heimathlosen Tausende Betrüger? Und wie, wenn das Bettlergewerbe so einträglich ist, wie die Times versichert — wie kommt es, daß diese unglücklichen Straßenbewohner nicht so viel von der öffentlichen Milde erlangen können, um auch nur ein Nachtlager zu erschwingen?
Glaubt mir, Brüder Proletarier, es gibt mehr Betrüger, als die, welche aus St. Giles's herstammen! Es gibt Betrüger in „Purpur und feinem Linnen“, in Seide und Tuch, in Perücken und Kastorhüten, und ich glaube, ihr werdet mit mir sagen:
„Ein Schuft in Lumpen ist es zwier in Sammet!“
Straßenbettler sind noch lange nicht die Einzigen, die von Lügen leben, sonst müßten gewisse Herren in Printing-House-Square (wörtlich: Druckhausplatz, eine Anspielung auf die „vornehmen“
Hierzu eine Beilage.
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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