Neue Rheinische Zeitung. Nr. 202. Köln, 22. Januar 1849. Beilage.Arbeitsverschleuderer aller Sorten) ist es, in diesem Augenblick eins der Theater zu besuchen, wo sie am liebsten sich recken und strecken und Orangen fressen und ihre Bourgeoisdamen lorgnettiren und zwischen ein an der Foyerthür der Schauspielerinnen mit Gold klimpernd Reihe stehen und sich stoßen. Dies Vaudevilletheater, auf dem Platze der Börse, zwischen Wechselläden, in deren jedem geladene Pistolen hängen, und reichen Kuchenbäckern und Annoncebureaus, die 100,000 Fr. per annum "machen", spielt zum hundert und achten Male die Posse La propriete c'est le vol (Eigenthum ist Diebstahl) worin Proudhon, mit wenig verändertem Namen, allabendlich unter endlosem Jubel des Publikums verhöhnt, das Proletariat verspottet, die Bourgeoisie vergöttert wird. Zwar erklärt ein Prolog, Aristophanes habe ja auch lebende Personen auf die Bühne gebracht, aber es bleibt wohlweislich unerwähnt, ob der Autor an die Verspottung Kleon des Gerbers, oder an die des Sokrates gedacht wissen wolle. Der Aberwitz des Stücks gibt ein, uns Demokraten ganz erwünscht kommendes Maaß von der Seelenkonstitution der Klasse, für die es expreß verfertigt ward; diese Klasse, deren politische Blüthe in der Koterie des Constitutionnel, Corsaire, Journal des Debats und La Presse, deren Aesthetik in diesem Vaudevillestück und im Tanzlokal St. Cecile, deren Gelehrsamkeit und Moral in Guizot's neuer Broschüre zu finden, ist unrettbar im Sinken, mögen auch ihre Fonds an der Börse steigen. Sie ist ist nichts mehr als ein leeres Gehäuse, gegen welches das Volk nur noch ganz einfach mit der Pulvermine und Congreve zu verfahren hat; und es wird geschehen. Die Pointe des Stücks ist -- bezeichnend genug für den Gaumen des pariser Bourgeois -- eine heiße Pastete. Ein Normalbourgeois, ein Tugendheld sonder Gleichen, der durch Arbeit ein Hausbesitzer, Besitzer einer jungen Ehefrau, aber keiner Kinder -- wieder echt parisisch -- geworden und nunmehr dem Nichtsthun sich ergibt, fühlt sich natürlich unangenehm betroffen durch die Proklamirung des Dekrets vom Arbeitsrecht Aller. "Dummköpfe und Philanthropen, rief der Citoyen de Dijon neulich, warum proklamirt ihr nicht die Arbeitspflicht Aller? ihr wußtet also nicht, daß die Schlange Bourgeoisie euch stechen, würde, wenn ihr ihr auf den Schwanz trätet? und nicht stechen wenn ihr ihr den Kopf abhiebet? und der Wolf Privilegium, dem ihr das Ohr kniffet, hätte er euch beißen können, wenn ihr ihm statt dessen eine Kugel ins Ohr geschossen? Euer Arbeitsrecht hat eure Tyrannen erbittert und erschreckt; Arbeitspflicht, wonach der reiche Faulenzer nothfalls durch körperliche Züchtigung zum produktiven Arbeiten gezwungen wird, hätte sie höchstens zu einer verzweiflungsvollen, krampfhaften Emeute getrieben, aber es wäre, bei Gott! ihre erste, ihre letzte gewesen, und winselnd hätte sich diese Finanzokratie der social-demokratischen Republik zu Füßen gelegt." (La Voix du Peuple v. Marseille.) Genug, in jenem Machwerk wird der tugendhafte nicht arbeitende Bourgeois durch die, ihre Arbeit ihm aufdringenden, Arbeiter mit Quittungen überschüttet und ruinirt; zum Beispiel der Stiefelfuchs wichst und bürstet fortwährend an dem reinlichen Tugendmann herum, ein Zahnarzt zieht dem widerstrebenden einen gesunden Backzahn aus, die Möbelträger bringen ihm neues Hausgeräth wider seinen Willen. Der Minister des Innern, Corsetfabrikant Proudhon (nur Kopf und Gesicht nebst Brille ist naturgetreu) verfolgt diesen Edeln mit besonderm Nachdruck, wegen seiner Gemalin scheint es -- allerdings drollig, wenn man dabei Proudhon's und seines Krakehls mit socialistischen schönen Damen gedenkt -- und läßt seine Güter konfisciren und ihn auf 10 Jahre in die Karre verdonnern, weil er "mein" Haus, "meine" Frau gesagt. Der Blödsinn des nicht arbeitenden Bourgeois ist aber allein Anlaß, denn er wurde arretirt wegen Holzerei mit dem Exminister Proudhon, der, in dem so eben eingeführten Tauschsystem, ihm eine Pastete wegnimmt und eine Mütze gibt. In diesem System des Vaudeville muß Jeder direkt tauschen und kann nichts zurückweisen, folglich war die Pastete leicht zu ersetzen. Aber so weit räsonnirt der Biedermann nicht. Im letzten Akt ist Frankreich eine Wüstenei voll tätowirter Wilder geworden; ein Ruinenhaufen bezeichnet den Platz der Börse. Proudhon erscheint wieder als Mephisto, nachdem er im ersten Akt als Mephisto die Eva zum Apfelbiß verführt, auch in Mitten des Stücks ein höhnisches Gelächter ausstieß, als er reiche Bourgeois und Bourgeoisen auf einem Reformbankett Champagner genießen sah: "ihr wollt Reform, ihr Bourgeoisthoren? ich gebe euch Republik." Dies ist alles dummes Zeug, das Beste ist die Erscheinung der Eva, einer sehr schönen Belgierin in Naturkostüm, und völlig entsprechend dem ebenso moralischen als gesinnungsreinen Publikum, welches wie toll applaudirt bei jeder Gebehrde dieser Eva, und bei Sätzen wie: "Das Arbeitsrecht liegt in jedes guten Menschen Busen, wehe dem Staate der es als Motto öffentlich macht, d. h. entweiht." Und bei jeder Scene zischeln die Lions: "ha, er muß sich wieder erkennen, sich getroffen fühlen -- hast du ihn gesehen diesen Proudhon? ist er nicht ganz ähnlich? diese Brillen- und Klapperschlange." So unglaublich es klingt: ich sprach einige Philister, die steif dran glauben, dies Stück bekehre vom Sozialismus und dissipe les mauvaises reveries des communistes (zerstreue die bösen Träume der Kommunisten). In demselben Vaudevillehause beklatschen diese reichen Faulenzer und ihre Knechte allabendlich ein Zauberstückchen, worin Mademoiselle "Frankreich" singt: die Kammermitglieder möchten nur endlich nach Haus reisen und wieder Familienglück genießen, sie könne sie nicht mehr ernähren mit 25 Frs. per Tag, und wenn sie nicht gutwillig abzögen, dann würde sie sie jagen. Was jedesmal wiederholt werden muß; die zarten Bengels im Parterre und in dem ersten Range nicken und wedeln und schwenken den Hut und brüllen: c'est ca, c'est vrai (so ist's recht). Das ist die "vergoldete Jugend," die berüchtigte jeunesse doree die 1795 Robespierre's und Marrat's Büsten aus den Theatern warf. Mademoiselle "Brüderlichkeit" erscheint und singt dito Provokationen auf die Republik. Monsieur "Kapital" erzählt, er habe wieder etwas Muth gekriegt, aber es müsse noch besser kommen, was wieder behurraht wird. Ein Freund von mir widersprach im Zwischenakt der Behauptung dreier Kerle, deren vertrakte Physionomien auf ihre Spezialbeschäftigung schließen lassen; in der That war der alte ein Banquier, der mittlere ein Laufbursch des Banquiers, der junge ein Lion; diese Anspielung auf Kammerauflösung entspreche vollkommen dem voeu general (Wünsche Aller), und als der Demokrat hinzufügte: alle Sozialisten -- da schrieen die drei Zetermordio, sagten aber in einem Athem, der Handel geht noch immer nicht, so darf es nicht bleiben." Zur Vervollständigung dieses Gemäldes diene, daß viele Philister hierselbst unerschütterlich auf die baldige Einführung der Regentin Helene v. Orleans mit dem Grafen von Paris harren; wie denn auch ihr getreuer Kämpe Odilon-Barrot die schleunige Herausgabe ihrer sequestrirten Landgüter an sie durchgesetzt hat, mit der lügnerischen Floskel, die Hälfte der Einkünfte sei für die Mildthätigkeitskassen. -- Nationalversammlung. Sitzung vom 19. Januar. General Bedeau führt als Vizepräsident den Vorsitz. Er eröffnet um 2 1/2 Uhr die Sitzung. Albert de Luynes stattet über eine Menge interesseloser Petitionen unter allgemeiner Unaufmerksamkeit Bericht ab Die Versammlung geht nach Anhörung eines Petitionsberichts zur Tagesordnung und Bestimmung des Gehalts und der Wohnung des morgen zu wählenden Vizepräsidenten über. Gouin, Banquier und Berichterstatter des Finanzausschusses über den Antrag Etienne's, welcher dem Vizepräsidenten der Republik Klein-Luxemburg zum Wohnsitz anweist und 60,000 Franken als Gehalt vorschlägt. Der Finanzausschuß theilt diese Ansicht, nur findet er die Summe etwas klein, indessen, meint er, würden sich wohl später Repräsentationsgelder hinzufügen lassen. (Oh! Oh! vom Berge.) Rabeaud Laribiere findet diese Summe für die Funktionen eines Supernumerarius viel zu hoch. (Gelächter.) Man solle sie bedeutend herabsetzen. (Nein! Nein! zur Rechten.) Antony Thouret schlägt 40,000 Franken vor. (Lärm zur Rechten.) Etienne vertheidigt seine Ziffer. Chavassin schlägt 48,000 Franken vor. Gent will nur 24,000 Franken bewilligen. Perree vom Siecle hält das unter aller Würde. Marrast läßt endlich über die höchste Summe (60,000 Franken) abstimmen. Dieselbe wird 472 gegen 270 verworfen. Chavassin's Vorschlag geht dagegen unter allgemeinem Erstaunen mit 516 gegen 233 Stimmen durch. (Agitation.) Artikel II., der Klein-Luxemburg zur Wohnung bestimmt, geht nach einigem Widerspruch Gent's (vom Berge) ebenfalls durch. Die Appanage wäre somit erledigt. Lacrosse, Staatsbautenminister, bekämpft nachträglich die Absicht, dem Vizepräsidenten Klein-Luxemburg als Staatswohnung anzuweisen. Er schlägt vor, den Artikel also zu fassen: "Der Vizepräsident ist auf Staatskosten zu logiren." Diese Redaktionsweise wird angenommen. Es ist mithin beliebig, welchen Palast man ihm später zur Wohnung anweise. An der Tagesordnung befindet sich demnächst das Colonial- (Pflanzer) Entschädigungsgesetz. Die Versammlung beschließt, nach fünf Tagen eine zweite Deliberation. Hienächst wird ein neuer Stoß von Petitionen verlesen. Die Versammlung würdigt keine einzige ihrer Berücksichtigung und schreitet über alle zur Tagesordnung. Die Bänke leeren sich allmälig. Wir hören gelegentlich, daß Persigny wegen gewisser Zerwürfnisse mit dem Petersburger Cabinet nach Berlin geschickt worden sei. Damit zerfielen die ihm untergeschobenen Heirathsmäklergeschäfte in Nichts. Mehrere Urlaube werden bewilligt. Morgen die Getränkesteuer; dann die Maigefangenen! Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen. Belgien. 27 Lüttich, 18. Januar. Der "Musterstaat" fängt an zu begreifen, daß er doch noch hinter Preußen zurück ist; er bescheidet sich übrigens ganz gern, dies offiziell anzuerkennen und beeilt sich dies auch durch die That zu beweisen. In der ersten Häfte des verwichenen Dezembers berichtete ich Ihnen, daß sich hier ein demokratisch-sozialer Arbeiterverein gebildet habe. Präsident derselben ist der Rentier Esselens, der sich um die Demokratie in Belgien sehr verdient gemacht und deren Zwecken er einen großen Theil seines nicht unbeträchtlichen Vermögens opfert, wofür er denn auch bereits die Ehre gehabt hat, vor längerer Zeit aus Brüssel ausgewiesen zu werden, obgleich er dort nicht nur geboren, sondern auch angesessen war. Kaum hatte die Regierung die Existenz des ihr gefährlich dünkenden Vereins erfahren, als sie einen ihrer hiesigen Spione zu einer Konferenz mit dem Polizeiministerium nach Brüssel berief. Wie der Spion selbst einem Freunde als Geheimniß, -- welches so gut bewahrt wärd, daß es bald nachher die Betreffenden selbst erfuhren -- anvertraut hat, wurde in jener Konferenz beschlossen, den Verein noch eine kurze Frist gewähren zu lassen, dann aber (eigene Worte des dummen Spions) es gerade so zu machen, wie in Preußen, und die Führer des Vereins gefänglich einzuziehen, um sie unschädlich zu machen. Wie muß Manteuffel und Rintelen nicht das Herz im Leibe lachen, wenn sie hören, daß selbst der für vollendet gehaltene "Musterstaat" bei ihnen in die Schule geht. Gesagt, gethan! Vorgestern Morgen fielen der königliche Prokurator, der Bürgermeister, ein Polizeikommissär und nicht weniger als fünf Gensd'armen (o das böse Gewissen!) bei Esselens in's Haus und durchschnüffelten fesch volle Stunden alle Kisten und Kasten von oben bis unten. Sie mogten gehofft haben, wichtige Papiere zu finden, aus denen sie das Dasein einer weitverzweigten Verschwörung herauserfinden könnten. Aber wie groß war ihr Erstaunen und Aerger, als sich auch nicht ein einziges verdächtiges oder brauchbares Schriftstück vorfand, was ihre ungesetzliche Handlung hätte beschönigen können. Jedoch Polizisten wissen sich immer zu helfen. In Ermangelung eines Bessern nahmen sie Kupferfäden und blaue und weiße Baumwolle, welche Gegenstände Esselens bei seinen chemischen Studien und Versuchen gebrauchte als corpora delicti mit. Aus jenen Fäden werden sie eben so viele Fäden einer großartigen Verschwörung und aus der Baumwolle, die ja zu Schießbaumwolle präparirt werden kann, die Absicht, alle Palläste und Fabriken in die Luft zu sprengen, deduziren. Der Polizei und den Gerichten ist ja nichts unmöglich. Hat man doch in und von Münster aus Mitglieder eines konstitutionellen Provinzialkongresses mit dem ausdrücklich ausgesprochenen Zweck, die derzeit bestehende Verfassung gegen Manteuffel'sche Umsturzattentate zu schützen, wegen beabsichtigten gewaltsamen Umsturzes der bestehenden Verfassung zur Untersuchung gezogen und inhaftirt: der gräßlichste Hohn, den je ein Gericht gegen sich selbst ausgesprochen! Es soll mich nur doch wundern, ob man nach dem mißlungenen Versuch bei Esselens auch die übrigen Führer des Arbeitervereins inkommodiren, ob man es namentlich wagen wird, ersteren dem in Brüssel gefaßten Beschlusse gemäß zu verhaften. Die Polizei hat sich gräßlich blamirt, aber gerade das wird sie nie vergessen und gerade deßhalb wird sie sich zu rächen suchen. Wir wollen's abwarten, was sie aus den Kupferfäden und aus der Baumwolle herausfinden wird. Zu Braine-le-Comte im Hennegau fand dieser Tage ein Bankett der Gemeinen und Unteroffiziere der Garde civique statt, auf welchem sämmtliche Gäste die von einigen ihrer Kameraden entwickelten demokratischen Ideen mit Applaus aufnahmen. Es wurden Toaste ausgebracht: auf das Recht auf Arbeit! auf die Vereinigung der Völker! auf das allgemeine Stimmrecht! Am Schlusse ward eine Kollekte zu Gunsten des edlen Märtyrers (noble martyr) Robert Blum abgehalten, deren Ertrag an die "Nation" in Brüssel einzuschicken beschlossen ward. Das Correctionellgericht zu Brüssel hat so eben einen alten Vikar wegen Gaunerei (escroquerie) zu einem Jahr Gefängniß verurtheilt; er behauptete, ein Geheimmittel gegen Krankheiten der Weiber, Mädchen, Kühe, Pferde etc. zu besitzen und kurirte gegen gutes Geld auf alle möglichen Krankheiten los; auch exorzisirte er die vom Teufel besessenen Personen. Da die Presse seit längerer Zeit das ungebührliche Verfahren des Brügger Parquets gegen den Redakteur des "Brugsche Vrye" (Beckmann), dessen in Beschlag genommene Papiere das Parquet seit 9 Monaten zurückgehalten hatte, in derben Ausdrücken rügte, hat dasselbe sich bewogen gefunden, in einem Brüggeschen Journale zu erwidern, daß es Beckmann's Sache sei, seine Papiere wiederzuholen. Man muß gestehen, eine größere Hundsfötterei begeht selbst ein preußisches Gericht nicht. Seit einigen Tagen hat hier in Lüttich die Cholera ihren Sitz aufgeschlagen und bereits viele Opfer geholt. Hauptsächlich trifft dies Loos die arbeitende Klasse. Um die Bourgeoisphilister nicht zu sehr in Schrecken zu setzen, hat man an die Geistlichkeit die Weisung ergehen lassen, bei dem Tode eines solchen armen Schlachtopfers nicht läuten zu lassen. Redakteur en chef: Karl Marx. 068 Ukermark. Hier circulirt folgender Erlaß: Lieben Landleute! Ihr werdet's wohl schon gehört haben, und die es noch nicht wissen denen thun wir's hiermit kund, daß am 20. Decbr. v. J. auf dem Passowet Bahnhofe ein Bauern-Verein von zwischen 3 bis 400 Personen gestifte, worden ist, mit dem Wahlspruch: mit Gott, für König und Vaterland um uns gegenseitig in der Treue gegen den König zu stärken und uns hülfreiche Liebe untereinander zu erweisen. Der Verein hat sich den Namen gegeben: Ukermärkscher Bauern-Verein, theils weil er geglaubt hat, daß er in der Ukermark der erste dieser Art sei, theils weil er hofft, daß nach und nach alle Ukermärker sich zu Einem großen Verein zusammenthun werden, um im Vertrauen auf den lebendigen Gott, der unsere feste Burg und einzige Zuversicht ist, eine lebendige Mauer zu bilden zu Schutz und Trutz für König und Vaterland gegen alle offenkundige und versteckte Wühler. Das brüderliche und fröhliche Beisammensein neulich in Passow hat den lieben Vereinsmitgliedern so absonderlich gefallen, daß sie auf der Stelle den Wunsch aussprachen: wir wußten uns recht bald wiedersehen und dann von Zeit zu Zeit so oft, als es irgend thunlich sei. Nun, wir haben uns das nicht umsonst gesagt sein lassen, sondern schon den nächsten Krönungstag, nämlich den 18. Januar ausersehen, wo wir uns Vormittags 11 Uhr auf dem Amtshofe zu Gramzow im neuem Jahr mit neuem frischen Muthe in alter Treue von Angesicht zu Angesicht sehen und uns die Hände drücken wollen. Wir laden dazu die braven Ukermärker sammt und sonders ein; wer kommt ist willkommen, weß Standes er sei: Ob Bürger, ob Soldaten, Ob Bauer oder Rath, Ob Brot er oder Braten Zum Mittagsmahle hat, Ob's Kleid schon abgetragen, Ob's altmod'sch oder neu, Darnach woll'n wir nicht fragen, Wir fragen: bist du treu? -- Aber bei Leibe keine Demokraten, die Dinger können wir nicht brauchen, von denen heißt's bei uns: Ihr saubern Demokraten Bleibt unserm Bunde fern, Laßt euch im Guten rathen Und zweifelt nicht, ihr Herrn, Am Ukermärk'schen Geiste; Die Herzen schlagen ächt, Und -- seht mal unsre Fäuste, Die schlagen auch nicht schlecht. Sollten sich in der Ukermark bereits ähnliche Vereine gebildet haben oder dergleichen noch bis zum 18. Januar gestiftet werden, was wir dringend an's Herz legen, so bitten wir dieselben, Deputirte nach Gramzow zu schicken. Wir wollen hier mit einander berathschlagen, wie es anzugreifen ist, daß überall in der Ukermark solche Vereine zusammentreten und daß alle diese besondern Vereine doch nur einen großen Ukermärk'schen Verein ausmachen; denn wir Ukermärker müssen nun einmal zusammenhalten wie Stahl und Eisen. Gott befohlen! Halt, noch eins! Jeder der diese Einladung zu Gesicht bekommt und besonders die Herren Ortsschulzen, werden sehr gebeten, diese möglichst bekannt zu machen, vorzüglich durch Vorlesen in den versammelten Gemeinden. Noch eins! Jeder, der her kommt, muß mit einem tüchtigen Frühstück eine gute Unterlage legen, damit wir einige Stunden hintereinander singen, springen und jubiliren können. Prosit Neujahr! Gramzow, am 2. Januar 1849. Der Vorstand des Ukermärk'schen Bauern-Vereins. Temperatur des Rheinwassers [unleserliches Material] 1,5. Liegnitz, 16. Januar. In der heutigen Nummer der "Silesia" gib der Redakteur derselben folgende Erklärung: "Viele warten sicherlich darauf, daß auch ich meine Stimme über die Vorfälle am 9. d. M. erhebe. So will ich dies versuchen, mich aber dabei so kurz als möglich fassen, weil es mich jederzeit anwidert von mir selber reden zu müssen. Wohl weiß ich es, daß ich mich auf einem ewig grollenden Vulkane niedergelassen habe, und ich habe richtig geweissagt, daß man noch vor den Wahlen einen hochherzigen Streich gegen mich, als den "Redakteur der verschrienen Silesia" und den "demokratischen Oberwühler" führen werde. So leichtgläubig bin ich nicht, daß ich annehmen sollte, die Soldaten hätten mich ohne irgend welchen äußeren Antrieb, ohne den vielseitigen Rath guter Freunde, blos aus eigener Urtheilskraft und aus verletztem Ehr- und Rechtsgefühl aus dem Wege schaffen wollen. Im Gegentheil nehme ich mir hiermit die Freiheit, gerade sie als die verblendeten Werkzeuge derjenigen Partei, durch deren Ränke ich schon im Sommer aus meiner friedlichen Behausung hinaus gegen die Polen geschleudert werden sollte, von der Schuld des Attentates frei zu sprechen. "Wenn man die Gemeinen nicht vorher gegen mich gehetzt hätte, so wüßte ich mir wahrlich nicht die Masse Vorwürfe zu deuten, die mitten unter ihren Schlägen auf mich herunter hagelten. Da sollte ich König und Vaterland verrathen haben und deshalb in 17 Prozessen verwickelt sein, da warf man mich in die zweite Klasse des Soldatenstandes und legte mir die unwürdigsten Schimpfwörter auf die Soldaten, wie "Mörder, Räuber, Spitzbuben etc." in den Mund. Wer hat die Soldaten mit solchen erbärmlichen Lügen zum Aufruhr gestachelt? -- Ja, ich bin nicht nur verläumdet worden, sondern man muß auch Geld vertheilt haben, denn ich hörte mehrere Soldaten sagen: "für 6 Sgr. hätten sie genug zugehauen." Wenn der Artikel in der Silesia an dem ganzen Vorfalle die alleinige Schuld tragen soll, so beweiset mir doch erst, daß der Unwille, der sich allerdings darin ausspricht, ungerecht und voreilig, ehe ihr mir die Rechtfertigung meiner Worte abtrotzt! Ziemt es sich für einen gerechten König, daß er zum Neujahre nur Glückwünsche für den bewaffneten Theil seiner Nation hat! Hat die Demokratie, und das ist gar kein unwesentlicher Bestandtheil unseres Vaterlandes, wirklich alle die Gemeinheiten und Niederträchtigkeiten begangen, die ihr aufgebürdet werden? Wie ist es nur möglich, daß man einer Partei die bloße Lust am Zerstören, am Umsturze, an der Verwirrung und dem Elende zutrauet. Wie kommt es denn, daß man von uns Demokraten verlangt, wir sollen schweigen, wenn man uns auf jedem Blatte anklagt und höhnt, während die sogenannten "Guten" sich sogar der Bajonette als Waffen bedienen dürfen? Was die "dänischen Hasen" übrigens angeht, habt Ihr denn, Ihr Zwanziger, die Dänen noch niemals "Hasen" genannt und würdet Ihr wohl Einen unter Euch, der dies thäte, mit Knütteln anfallen und schlagen, bis ihm Hören und Sehen verginge? Da wäret Ihr ja schlimmer wie die Henker, die den Verbrecher doch wenigstens mit einem oder zwei Schlägen abthun. Aber noch einmal, Ihr seid nicht für Eure That verantwortlich, sondern diejenigen, welche durch Eure Kühnheit ihre eigene Feigheit und Schande decken und ihre gekränkten Vorrechte und vereitelten Begierden rächen wollen. Ich hege darum keinen Groll gegen Euch; aber Euch guten Bürgern und Konsorten sage ich, daß, so lange noch ein Trdpfen Blutes in mir ist, ich nicht aufhören werde, gegen Euch offen und ehrlich zu kämpfen, wie ich dies immer gethan habe. Mit Euch will ich niemals Harmonie und Frieden, nur das Eine, daß Ihr mir den Dolch nicht in den Rücken, sondern vorn in die Brust stoßt von Angesicht zu Angesicht. -- Cunerth." Handelsnachrichten. [irrelevantes Material]
Arbeitsverschleuderer aller Sorten) ist es, in diesem Augenblick eins der Theater zu besuchen, wo sie am liebsten sich recken und strecken und Orangen fressen und ihre Bourgeoisdamen lorgnettiren und zwischen ein an der Foyerthür der Schauspielerinnen mit Gold klimpernd Reihe stehen und sich stoßen. Dies Vaudevilletheater, auf dem Platze der Börse, zwischen Wechselläden, in deren jedem geladene Pistolen hängen, und reichen Kuchenbäckern und Annoncebureaus, die 100,000 Fr. per annum „machen“, spielt zum hundert und achten Male die Posse La propriété c'est le vol (Eigenthum ist Diebstahl) worin Proudhon, mit wenig verändertem Namen, allabendlich unter endlosem Jubel des Publikums verhöhnt, das Proletariat verspottet, die Bourgeoisie vergöttert wird. Zwar erklärt ein Prolog, Aristophanes habe ja auch lebende Personen auf die Bühne gebracht, aber es bleibt wohlweislich unerwähnt, ob der Autor an die Verspottung Kleon des Gerbers, oder an die des Sokrates gedacht wissen wolle. Der Aberwitz des Stücks gibt ein, uns Demokraten ganz erwünscht kommendes Maaß von der Seelenkonstitution der Klasse, für die es expreß verfertigt ward; diese Klasse, deren politische Blüthe in der Koterie des Constitutionnel, Corsaire, Journal des Debats und La Presse, deren Aesthetik in diesem Vaudevillestück und im Tanzlokal St. Cécile, deren Gelehrsamkeit und Moral in Guizot's neuer Broschüre zu finden, ist unrettbar im Sinken, mögen auch ihre Fonds an der Börse steigen. Sie ist ist nichts mehr als ein leeres Gehäuse, gegen welches das Volk nur noch ganz einfach mit der Pulvermine und Congreve zu verfahren hat; und es wird geschehen. Die Pointe des Stücks ist — bezeichnend genug für den Gaumen des pariser Bourgeois — eine heiße Pastete. Ein Normalbourgeois, ein Tugendheld sonder Gleichen, der durch Arbeit ein Hausbesitzer, Besitzer einer jungen Ehefrau, aber keiner Kinder — wieder echt parisisch — geworden und nunmehr dem Nichtsthun sich ergibt, fühlt sich natürlich unangenehm betroffen durch die Proklamirung des Dekrets vom Arbeitsrecht Aller. „Dummköpfe und Philanthropen, rief der Citoyen de Dijon neulich, warum proklamirt ihr nicht die Arbeitspflicht Aller? ihr wußtet also nicht, daß die Schlange Bourgeoisie euch stechen, würde, wenn ihr ihr auf den Schwanz trätet? und nicht stechen wenn ihr ihr den Kopf abhiebet? und der Wolf Privilegium, dem ihr das Ohr kniffet, hätte er euch beißen können, wenn ihr ihm statt dessen eine Kugel ins Ohr geschossen? Euer Arbeitsrecht hat eure Tyrannen erbittert und erschreckt; Arbeitspflicht, wonach der reiche Faulenzer nothfalls durch körperliche Züchtigung zum produktiven Arbeiten gezwungen wird, hätte sie höchstens zu einer verzweiflungsvollen, krampfhaften Emeute getrieben, aber es wäre, bei Gott! ihre erste, ihre letzte gewesen, und winselnd hätte sich diese Finanzokratie der social-demokratischen Republik zu Füßen gelegt.“ (La Voix du Peuple v. Marseille.) Genug, in jenem Machwerk wird der tugendhafte nicht arbeitende Bourgeois durch die, ihre Arbeit ihm aufdringenden, Arbeiter mit Quittungen überschüttet und ruinirt; zum Beispiel der Stiefelfuchs wichst und bürstet fortwährend an dem reinlichen Tugendmann herum, ein Zahnarzt zieht dem widerstrebenden einen gesunden Backzahn aus, die Möbelträger bringen ihm neues Hausgeräth wider seinen Willen. Der Minister des Innern, Corsetfabrikant Proudhon (nur Kopf und Gesicht nebst Brille ist naturgetreu) verfolgt diesen Edeln mit besonderm Nachdruck, wegen seiner Gemalin scheint es — allerdings drollig, wenn man dabei Proudhon's und seines Krakehls mit socialistischen schönen Damen gedenkt — und läßt seine Güter konfisciren und ihn auf 10 Jahre in die Karre verdonnern, weil er „mein“ Haus, „meine“ Frau gesagt. Der Blödsinn des nicht arbeitenden Bourgeois ist aber allein Anlaß, denn er wurde arretirt wegen Holzerei mit dem Exminister Proudhon, der, in dem so eben eingeführten Tauschsystem, ihm eine Pastete wegnimmt und eine Mütze gibt. In diesem System des Vaudeville muß Jeder direkt tauschen und kann nichts zurückweisen, folglich war die Pastete leicht zu ersetzen. Aber so weit räsonnirt der Biedermann nicht. Im letzten Akt ist Frankreich eine Wüstenei voll tätowirter Wilder geworden; ein Ruinenhaufen bezeichnet den Platz der Börse. Proudhon erscheint wieder als Mephisto, nachdem er im ersten Akt als Mephisto die Eva zum Apfelbiß verführt, auch in Mitten des Stücks ein höhnisches Gelächter ausstieß, als er reiche Bourgeois und Bourgeoisen auf einem Reformbankett Champagner genießen sah: „ihr wollt Reform, ihr Bourgeoisthoren? ich gebe euch Republik.“ Dies ist alles dummes Zeug, das Beste ist die Erscheinung der Eva, einer sehr schönen Belgierin in Naturkostüm, und völlig entsprechend dem ebenso moralischen als gesinnungsreinen Publikum, welches wie toll applaudirt bei jeder Gebehrde dieser Eva, und bei Sätzen wie: „Das Arbeitsrecht liegt in jedes guten Menschen Busen, wehe dem Staate der es als Motto öffentlich macht, d. h. entweiht.“ Und bei jeder Scene zischeln die Lions: „ha, er muß sich wieder erkennen, sich getroffen fühlen — hast du ihn gesehen diesen Proudhon? ist er nicht ganz ähnlich? diese Brillen- und Klapperschlange.“ So unglaublich es klingt: ich sprach einige Philister, die steif dran glauben, dies Stück bekehre vom Sozialismus und dissipe les mauvaises rêveries des communistes (zerstreue die bösen Träume der Kommunisten). In demselben Vaudevillehause beklatschen diese reichen Faulenzer und ihre Knechte allabendlich ein Zauberstückchen, worin Mademoiselle „Frankreich“ singt: die Kammermitglieder möchten nur endlich nach Haus reisen und wieder Familienglück genießen, sie könne sie nicht mehr ernähren mit 25 Frs. per Tag, und wenn sie nicht gutwillig abzögen, dann würde sie sie jagen. Was jedesmal wiederholt werden muß; die zarten Bengels im Parterre und in dem ersten Range nicken und wedeln und schwenken den Hut und brüllen: c'est ca, c'est vrai (so ist's recht). Das ist die „vergoldete Jugend,“ die berüchtigte jeunesse dorée die 1795 Robespierre's und Marrat's Büsten aus den Theatern warf. Mademoiselle „Brüderlichkeit“ erscheint und singt dito Provokationen auf die Republik. Monsieur „Kapital“ erzählt, er habe wieder etwas Muth gekriegt, aber es müsse noch besser kommen, was wieder behurraht wird. Ein Freund von mir widersprach im Zwischenakt der Behauptung dreier Kerle, deren vertrakte Physionomien auf ihre Spezialbeschäftigung schließen lassen; in der That war der alte ein Banquier, der mittlere ein Laufbursch des Banquiers, der junge ein Lion; diese Anspielung auf Kammerauflösung entspreche vollkommen dem voeu général (Wünsche Aller), und als der Demokrat hinzufügte: alle Sozialisten — da schrieen die drei Zetermordio, sagten aber in einem Athem, der Handel geht noch immer nicht, so darf es nicht bleiben.“ Zur Vervollständigung dieses Gemäldes diene, daß viele Philister hierselbst unerschütterlich auf die baldige Einführung der Regentin Helene v. Orleans mit dem Grafen von Paris harren; wie denn auch ihr getreuer Kämpe Odilon-Barrot die schleunige Herausgabe ihrer sequestrirten Landgüter an sie durchgesetzt hat, mit der lügnerischen Floskel, die Hälfte der Einkünfte sei für die Mildthätigkeitskassen. — Nationalversammlung. Sitzung vom 19. Januar. General Bedeau führt als Vizepräsident den Vorsitz. Er eröffnet um 2 1/2 Uhr die Sitzung. Albert de Luynes stattet über eine Menge interesseloser Petitionen unter allgemeiner Unaufmerksamkeit Bericht ab Die Versammlung geht nach Anhörung eines Petitionsberichts zur Tagesordnung und Bestimmung des Gehalts und der Wohnung des morgen zu wählenden Vizepräsidenten über. Gouin, Banquier und Berichterstatter des Finanzausschusses über den Antrag Etienne's, welcher dem Vizepräsidenten der Republik Klein-Luxemburg zum Wohnsitz anweist und 60,000 Franken als Gehalt vorschlägt. Der Finanzausschuß theilt diese Ansicht, nur findet er die Summe etwas klein, indessen, meint er, würden sich wohl später Repräsentationsgelder hinzufügen lassen. (Oh! Oh! vom Berge.) Rabeaud Laribiere findet diese Summe für die Funktionen eines Supernumerarius viel zu hoch. (Gelächter.) Man solle sie bedeutend herabsetzen. (Nein! Nein! zur Rechten.) Antony Thouret schlägt 40,000 Franken vor. (Lärm zur Rechten.) Etienne vertheidigt seine Ziffer. Chavassin schlägt 48,000 Franken vor. Gent will nur 24,000 Franken bewilligen. Perrée vom Siecle hält das unter aller Würde. Marrast läßt endlich über die höchste Summe (60,000 Franken) abstimmen. Dieselbe wird 472 gegen 270 verworfen. Chavassin's Vorschlag geht dagegen unter allgemeinem Erstaunen mit 516 gegen 233 Stimmen durch. (Agitation.) Artikel II., der Klein-Luxemburg zur Wohnung bestimmt, geht nach einigem Widerspruch Gent's (vom Berge) ebenfalls durch. Die Appanage wäre somit erledigt. Lacrosse, Staatsbautenminister, bekämpft nachträglich die Absicht, dem Vizepräsidenten Klein-Luxemburg als Staatswohnung anzuweisen. Er schlägt vor, den Artikel also zu fassen: „Der Vizepräsident ist auf Staatskosten zu logiren.“ Diese Redaktionsweise wird angenommen. Es ist mithin beliebig, welchen Palast man ihm später zur Wohnung anweise. An der Tagesordnung befindet sich demnächst das Colonial- (Pflanzer) Entschädigungsgesetz. Die Versammlung beschließt, nach fünf Tagen eine zweite Deliberation. Hienächst wird ein neuer Stoß von Petitionen verlesen. Die Versammlung würdigt keine einzige ihrer Berücksichtigung und schreitet über alle zur Tagesordnung. Die Bänke leeren sich allmälig. Wir hören gelegentlich, daß Persigny wegen gewisser Zerwürfnisse mit dem Petersburger Cabinet nach Berlin geschickt worden sei. Damit zerfielen die ihm untergeschobenen Heirathsmäklergeschäfte in Nichts. Mehrere Urlaube werden bewilligt. Morgen die Getränkesteuer; dann die Maigefangenen! Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen. Belgien. 27 Lüttich, 18. Januar. Der „Musterstaat“ fängt an zu begreifen, daß er doch noch hinter Preußen zurück ist; er bescheidet sich übrigens ganz gern, dies offiziell anzuerkennen und beeilt sich dies auch durch die That zu beweisen. In der ersten Häfte des verwichenen Dezembers berichtete ich Ihnen, daß sich hier ein demokratisch-sozialer Arbeiterverein gebildet habe. Präsident derselben ist der Rentier Esselens, der sich um die Demokratie in Belgien sehr verdient gemacht und deren Zwecken er einen großen Theil seines nicht unbeträchtlichen Vermögens opfert, wofür er denn auch bereits die Ehre gehabt hat, vor längerer Zeit aus Brüssel ausgewiesen zu werden, obgleich er dort nicht nur geboren, sondern auch angesessen war. Kaum hatte die Regierung die Existenz des ihr gefährlich dünkenden Vereins erfahren, als sie einen ihrer hiesigen Spione zu einer Konferenz mit dem Polizeiministerium nach Brüssel berief. Wie der Spion selbst einem Freunde als Geheimniß, — welches so gut bewahrt wärd, daß es bald nachher die Betreffenden selbst erfuhren — anvertraut hat, wurde in jener Konferenz beschlossen, den Verein noch eine kurze Frist gewähren zu lassen, dann aber (eigene Worte des dummen Spions) es gerade so zu machen, wie in Preußen, und die Führer des Vereins gefänglich einzuziehen, um sie unschädlich zu machen. Wie muß Manteuffel und Rintelen nicht das Herz im Leibe lachen, wenn sie hören, daß selbst der für vollendet gehaltene „Musterstaat“ bei ihnen in die Schule geht. Gesagt, gethan! Vorgestern Morgen fielen der königliche Prokurator, der Bürgermeister, ein Polizeikommissär und nicht weniger als fünf Gensd'armen (o das böse Gewissen!) bei Esselens in's Haus und durchschnüffelten fesch volle Stunden alle Kisten und Kasten von oben bis unten. Sie mogten gehofft haben, wichtige Papiere zu finden, aus denen sie das Dasein einer weitverzweigten Verschwörung herauserfinden könnten. Aber wie groß war ihr Erstaunen und Aerger, als sich auch nicht ein einziges verdächtiges oder brauchbares Schriftstück vorfand, was ihre ungesetzliche Handlung hätte beschönigen können. Jedoch Polizisten wissen sich immer zu helfen. In Ermangelung eines Bessern nahmen sie Kupferfäden und blaue und weiße Baumwolle, welche Gegenstände Esselens bei seinen chemischen Studien und Versuchen gebrauchte als corpora delicti mit. Aus jenen Fäden werden sie eben so viele Fäden einer großartigen Verschwörung und aus der Baumwolle, die ja zu Schießbaumwolle präparirt werden kann, die Absicht, alle Palläste und Fabriken in die Luft zu sprengen, deduziren. Der Polizei und den Gerichten ist ja nichts unmöglich. Hat man doch in und von Münster aus Mitglieder eines konstitutionellen Provinzialkongresses mit dem ausdrücklich ausgesprochenen Zweck, die derzeit bestehende Verfassung gegen Manteuffel'sche Umsturzattentate zu schützen, wegen beabsichtigten gewaltsamen Umsturzes der bestehenden Verfassung zur Untersuchung gezogen und inhaftirt: der gräßlichste Hohn, den je ein Gericht gegen sich selbst ausgesprochen! Es soll mich nur doch wundern, ob man nach dem mißlungenen Versuch bei Esselens auch die übrigen Führer des Arbeitervereins inkommodiren, ob man es namentlich wagen wird, ersteren dem in Brüssel gefaßten Beschlusse gemäß zu verhaften. Die Polizei hat sich gräßlich blamirt, aber gerade das wird sie nie vergessen und gerade deßhalb wird sie sich zu rächen suchen. Wir wollen's abwarten, was sie aus den Kupferfäden und aus der Baumwolle herausfinden wird. Zu Braine-le-Comte im Hennegau fand dieser Tage ein Bankett der Gemeinen und Unteroffiziere der Garde civique statt, auf welchem sämmtliche Gäste die von einigen ihrer Kameraden entwickelten demokratischen Ideen mit Applaus aufnahmen. Es wurden Toaste ausgebracht: auf das Recht auf Arbeit! auf die Vereinigung der Völker! auf das allgemeine Stimmrecht! Am Schlusse ward eine Kollekte zu Gunsten des edlen Märtyrers (noble martyr) Robert Blum abgehalten, deren Ertrag an die „Nation“ in Brüssel einzuschicken beschlossen ward. Das Correctionellgericht zu Brüssel hat so eben einen alten Vikar wegen Gaunerei (escroquerie) zu einem Jahr Gefängniß verurtheilt; er behauptete, ein Geheimmittel gegen Krankheiten der Weiber, Mädchen, Kühe, Pferde etc. zu besitzen und kurirte gegen gutes Geld auf alle möglichen Krankheiten los; auch exorzisirte er die vom Teufel besessenen Personen. Da die Presse seit längerer Zeit das ungebührliche Verfahren des Brügger Parquets gegen den Redakteur des „Brugsche Vrye“ (Beckmann), dessen in Beschlag genommene Papiere das Parquet seit 9 Monaten zurückgehalten hatte, in derben Ausdrücken rügte, hat dasselbe sich bewogen gefunden, in einem Brüggeschen Journale zu erwidern, daß es Beckmann's Sache sei, seine Papiere wiederzuholen. Man muß gestehen, eine größere Hundsfötterei begeht selbst ein preußisches Gericht nicht. Seit einigen Tagen hat hier in Lüttich die Cholera ihren Sitz aufgeschlagen und bereits viele Opfer geholt. Hauptsächlich trifft dies Loos die arbeitende Klasse. Um die Bourgeoisphilister nicht zu sehr in Schrecken zu setzen, hat man an die Geistlichkeit die Weisung ergehen lassen, bei dem Tode eines solchen armen Schlachtopfers nicht läuten zu lassen. Redakteur en chef: Karl Marx. 068 Ukermark. Hier circulirt folgender Erlaß: Lieben Landleute! Ihr werdet's wohl schon gehört haben, und die es noch nicht wissen denen thun wir's hiermit kund, daß am 20. Decbr. v. J. auf dem Passowet Bahnhofe ein Bauern-Verein von zwischen 3 bis 400 Personen gestifte, worden ist, mit dem Wahlspruch: mit Gott, für König und Vaterland um uns gegenseitig in der Treue gegen den König zu stärken und uns hülfreiche Liebe untereinander zu erweisen. Der Verein hat sich den Namen gegeben: Ukermärkscher Bauern-Verein, theils weil er geglaubt hat, daß er in der Ukermark der erste dieser Art sei, theils weil er hofft, daß nach und nach alle Ukermärker sich zu Einem großen Verein zusammenthun werden, um im Vertrauen auf den lebendigen Gott, der unsere feste Burg und einzige Zuversicht ist, eine lebendige Mauer zu bilden zu Schutz und Trutz für König und Vaterland gegen alle offenkundige und versteckte Wühler. Das brüderliche und fröhliche Beisammensein neulich in Passow hat den lieben Vereinsmitgliedern so absonderlich gefallen, daß sie auf der Stelle den Wunsch aussprachen: wir wußten uns recht bald wiedersehen und dann von Zeit zu Zeit so oft, als es irgend thunlich sei. Nun, wir haben uns das nicht umsonst gesagt sein lassen, sondern schon den nächsten Krönungstag, nämlich den 18. Januar ausersehen, wo wir uns Vormittags 11 Uhr auf dem Amtshofe zu Gramzow im neuem Jahr mit neuem frischen Muthe in alter Treue von Angesicht zu Angesicht sehen und uns die Hände drücken wollen. Wir laden dazu die braven Ukermärker sammt und sonders ein; wer kommt ist willkommen, weß Standes er sei: Ob Bürger, ob Soldaten, Ob Bauer oder Rath, Ob Brot er oder Braten Zum Mittagsmahle hat, Ob's Kleid schon abgetragen, Ob's altmod'sch oder neu, Darnach woll'n wir nicht fragen, Wir fragen: bist du treu? — Aber bei Leibe keine Demokraten, die Dinger können wir nicht brauchen, von denen heißt's bei uns: Ihr saubern Demokraten Bleibt unserm Bunde fern, Laßt euch im Guten rathen Und zweifelt nicht, ihr Herrn, Am Ukermärk'schen Geiste; Die Herzen schlagen ächt, Und — seht mal unsre Fäuste, Die schlagen auch nicht schlecht. Sollten sich in der Ukermark bereits ähnliche Vereine gebildet haben oder dergleichen noch bis zum 18. Januar gestiftet werden, was wir dringend an's Herz legen, so bitten wir dieselben, Deputirte nach Gramzow zu schicken. Wir wollen hier mit einander berathschlagen, wie es anzugreifen ist, daß überall in der Ukermark solche Vereine zusammentreten und daß alle diese besondern Vereine doch nur einen großen Ukermärk'schen Verein ausmachen; denn wir Ukermärker müssen nun einmal zusammenhalten wie Stahl und Eisen. Gott befohlen! Halt, noch eins! Jeder der diese Einladung zu Gesicht bekommt und besonders die Herren Ortsschulzen, werden sehr gebeten, diese möglichst bekannt zu machen, vorzüglich durch Vorlesen in den versammelten Gemeinden. Noch eins! Jeder, der her kommt, muß mit einem tüchtigen Frühstück eine gute Unterlage legen, damit wir einige Stunden hintereinander singen, springen und jubiliren können. Prosit Neujahr! Gramzow, am 2. Januar 1849. Der Vorstand des Ukermärk'schen Bauern-Vereins. Temperatur des Rheinwassers [unleserliches Material] 1,5. Liegnitz, 16. Januar. In der heutigen Nummer der „Silesia“ gib der Redakteur derselben folgende Erklärung: „Viele warten sicherlich darauf, daß auch ich meine Stimme über die Vorfälle am 9. d. M. erhebe. So will ich dies versuchen, mich aber dabei so kurz als möglich fassen, weil es mich jederzeit anwidert von mir selber reden zu müssen. Wohl weiß ich es, daß ich mich auf einem ewig grollenden Vulkane niedergelassen habe, und ich habe richtig geweissagt, daß man noch vor den Wahlen einen hochherzigen Streich gegen mich, als den „Redakteur der verschrienen Silesia“ und den „demokratischen Oberwühler“ führen werde. So leichtgläubig bin ich nicht, daß ich annehmen sollte, die Soldaten hätten mich ohne irgend welchen äußeren Antrieb, ohne den vielseitigen Rath guter Freunde, blos aus eigener Urtheilskraft und aus verletztem Ehr- und Rechtsgefühl aus dem Wege schaffen wollen. Im Gegentheil nehme ich mir hiermit die Freiheit, gerade sie als die verblendeten Werkzeuge derjenigen Partei, durch deren Ränke ich schon im Sommer aus meiner friedlichen Behausung hinaus gegen die Polen geschleudert werden sollte, von der Schuld des Attentates frei zu sprechen. „Wenn man die Gemeinen nicht vorher gegen mich gehetzt hätte, so wüßte ich mir wahrlich nicht die Masse Vorwürfe zu deuten, die mitten unter ihren Schlägen auf mich herunter hagelten. Da sollte ich König und Vaterland verrathen haben und deshalb in 17 Prozessen verwickelt sein, da warf man mich in die zweite Klasse des Soldatenstandes und legte mir die unwürdigsten Schimpfwörter auf die Soldaten, wie „Mörder, Räuber, Spitzbuben etc.“ in den Mund. Wer hat die Soldaten mit solchen erbärmlichen Lügen zum Aufruhr gestachelt? — Ja, ich bin nicht nur verläumdet worden, sondern man muß auch Geld vertheilt haben, denn ich hörte mehrere Soldaten sagen: „für 6 Sgr. hätten sie genug zugehauen.“ Wenn der Artikel in der Silesia an dem ganzen Vorfalle die alleinige Schuld tragen soll, so beweiset mir doch erst, daß der Unwille, der sich allerdings darin ausspricht, ungerecht und voreilig, ehe ihr mir die Rechtfertigung meiner Worte abtrotzt! Ziemt es sich für einen gerechten König, daß er zum Neujahre nur Glückwünsche für den bewaffneten Theil seiner Nation hat! Hat die Demokratie, und das ist gar kein unwesentlicher Bestandtheil unseres Vaterlandes, wirklich alle die Gemeinheiten und Niederträchtigkeiten begangen, die ihr aufgebürdet werden? Wie ist es nur möglich, daß man einer Partei die bloße Lust am Zerstören, am Umsturze, an der Verwirrung und dem Elende zutrauet. Wie kommt es denn, daß man von uns Demokraten verlangt, wir sollen schweigen, wenn man uns auf jedem Blatte anklagt und höhnt, während die sogenannten „Guten“ sich sogar der Bajonette als Waffen bedienen dürfen? Was die „dänischen Hasen“ übrigens angeht, habt Ihr denn, Ihr Zwanziger, die Dänen noch niemals „Hasen“ genannt und würdet Ihr wohl Einen unter Euch, der dies thäte, mit Knütteln anfallen und schlagen, bis ihm Hören und Sehen verginge? Da wäret Ihr ja schlimmer wie die Henker, die den Verbrecher doch wenigstens mit einem oder zwei Schlägen abthun. Aber noch einmal, Ihr seid nicht für Eure That verantwortlich, sondern diejenigen, welche durch Eure Kühnheit ihre eigene Feigheit und Schande decken und ihre gekränkten Vorrechte und vereitelten Begierden rächen wollen. Ich hege darum keinen Groll gegen Euch; aber Euch guten Bürgern und Konsorten sage ich, daß, so lange noch ein Trdpfen Blutes in mir ist, ich nicht aufhören werde, gegen Euch offen und ehrlich zu kämpfen, wie ich dies immer gethan habe. Mit Euch will ich niemals Harmonie und Frieden, nur das Eine, daß Ihr mir den Dolch nicht in den Rücken, sondern vorn in die Brust stoßt von Angesicht zu Angesicht. — Cunerth.“ Handelsnachrichten. [irrelevantes Material]
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar202b_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="1106"/> Arbeitsverschleuderer aller Sorten) ist es, in diesem Augenblick eins der Theater zu besuchen, wo sie am liebsten sich recken und strecken und Orangen fressen und ihre Bourgeoisdamen lorgnettiren und zwischen ein an der Foyerthür der Schauspielerinnen mit Gold klimpernd Reihe stehen und sich stoßen.</p> <p>Dies Vaudevilletheater, auf dem Platze der Börse, zwischen Wechselläden, in deren jedem geladene Pistolen hängen, und reichen Kuchenbäckern und Annoncebureaus, die 100,000 Fr. per annum „machen“, spielt zum hundert und achten Male die Posse La propriété c'est le vol (Eigenthum ist Diebstahl) worin Proudhon, mit wenig verändertem Namen, allabendlich unter endlosem Jubel des Publikums verhöhnt, das Proletariat verspottet, die Bourgeoisie vergöttert wird. Zwar erklärt ein Prolog, Aristophanes habe ja auch lebende Personen auf die Bühne gebracht, aber es bleibt wohlweislich unerwähnt, ob der Autor an die Verspottung Kleon des Gerbers, oder an die des Sokrates gedacht wissen wolle. Der Aberwitz des Stücks gibt ein, uns Demokraten ganz erwünscht kommendes Maaß von der Seelenkonstitution der Klasse, für die es expreß verfertigt ward; diese Klasse, deren politische Blüthe in der Koterie des Constitutionnel, Corsaire, Journal des Debats und La Presse, deren Aesthetik in diesem Vaudevillestück und im Tanzlokal St. Cécile, deren Gelehrsamkeit und Moral in Guizot's neuer Broschüre zu finden, ist unrettbar im Sinken, mögen auch ihre Fonds an der Börse steigen. Sie ist ist nichts mehr als ein leeres Gehäuse, gegen welches das Volk nur noch ganz einfach mit der Pulvermine und Congreve zu verfahren hat; und es wird geschehen.</p> <p>Die Pointe des Stücks ist — bezeichnend genug für den Gaumen des pariser Bourgeois — eine heiße Pastete. Ein Normalbourgeois, ein Tugendheld sonder Gleichen, der durch Arbeit ein Hausbesitzer, Besitzer einer jungen Ehefrau, aber keiner Kinder — wieder echt parisisch — geworden und nunmehr dem Nichtsthun sich ergibt, fühlt sich natürlich unangenehm betroffen durch die Proklamirung des Dekrets vom Arbeitsrecht Aller.</p> <p>„Dummköpfe und Philanthropen, rief der Citoyen de Dijon neulich, warum proklamirt ihr nicht die Arbeits<hi rendition="#g">pflicht</hi> Aller? ihr wußtet also nicht, daß die Schlange Bourgeoisie euch stechen, würde, wenn ihr ihr auf den Schwanz trätet? und nicht stechen wenn ihr ihr den Kopf abhiebet? und der Wolf Privilegium, dem ihr das Ohr kniffet, hätte er euch beißen können, wenn ihr ihm statt dessen eine Kugel ins Ohr geschossen? Euer Arbeits<hi rendition="#g">recht</hi> hat eure Tyrannen erbittert und erschreckt; Arbeits<hi rendition="#g">pflicht,</hi> wonach der reiche Faulenzer nothfalls durch körperliche Züchtigung zum produktiven Arbeiten gezwungen wird, hätte sie höchstens zu einer verzweiflungsvollen, krampfhaften Emeute getrieben, aber es wäre, bei Gott! ihre erste, ihre letzte gewesen, und winselnd hätte sich diese Finanzokratie der social-demokratischen Republik zu Füßen gelegt.“ (La Voix du Peuple v. Marseille.)</p> <p>Genug, in jenem Machwerk wird der tugendhafte nicht arbeitende Bourgeois durch die, ihre Arbeit ihm aufdringenden, Arbeiter mit Quittungen überschüttet und ruinirt; zum Beispiel der Stiefelfuchs wichst und bürstet fortwährend an dem reinlichen Tugendmann herum, ein Zahnarzt zieht dem widerstrebenden einen gesunden Backzahn aus, die Möbelträger bringen ihm neues Hausgeräth wider seinen Willen. Der Minister des Innern, Corsetfabrikant Proudhon (nur Kopf und Gesicht nebst Brille ist naturgetreu) verfolgt diesen Edeln mit besonderm Nachdruck, wegen seiner Gemalin scheint es — allerdings drollig, wenn man dabei Proudhon's und seines Krakehls mit socialistischen schönen Damen gedenkt — und läßt seine Güter konfisciren und ihn auf 10 Jahre in die Karre verdonnern, weil er „mein“ Haus, „meine“ Frau gesagt.</p> <p>Der Blödsinn des nicht arbeitenden Bourgeois ist aber allein Anlaß, denn er wurde arretirt wegen Holzerei mit dem Exminister Proudhon, der, in dem so eben eingeführten Tauschsystem, ihm eine Pastete wegnimmt und eine Mütze gibt. In diesem System des Vaudeville muß Jeder direkt tauschen und kann nichts zurückweisen, folglich war die Pastete leicht zu ersetzen. Aber so weit räsonnirt der Biedermann nicht. Im letzten Akt ist Frankreich eine Wüstenei voll tätowirter Wilder geworden; ein Ruinenhaufen bezeichnet den Platz der Börse. Proudhon erscheint wieder als Mephisto, nachdem er im ersten Akt als Mephisto die Eva zum Apfelbiß verführt, auch in Mitten des Stücks ein höhnisches Gelächter ausstieß, als er reiche Bourgeois und Bourgeoisen auf einem Reformbankett Champagner genießen sah: „ihr wollt Reform, ihr Bourgeoisthoren? ich gebe euch Republik.“ Dies ist alles dummes Zeug, das Beste ist die Erscheinung der Eva, einer sehr schönen Belgierin in Naturkostüm, und völlig entsprechend dem ebenso moralischen als gesinnungsreinen Publikum, welches wie toll applaudirt bei jeder Gebehrde dieser Eva, und bei Sätzen wie: „Das Arbeitsrecht liegt in jedes guten Menschen Busen, wehe dem Staate der es als Motto öffentlich macht, d. h. entweiht.“ Und bei jeder Scene zischeln die Lions: „ha, er muß sich wieder erkennen, sich getroffen fühlen — hast du ihn gesehen diesen Proudhon? ist er nicht ganz ähnlich? diese Brillen- und Klapperschlange.“ So unglaublich es klingt: ich sprach einige Philister, die steif dran glauben, dies Stück bekehre vom Sozialismus und dissipe les mauvaises rêveries des communistes (zerstreue die bösen Träume der Kommunisten). In demselben Vaudevillehause beklatschen diese reichen Faulenzer und ihre Knechte allabendlich ein Zauberstückchen, worin Mademoiselle „Frankreich“ singt: die Kammermitglieder möchten nur endlich nach Haus reisen und wieder Familienglück genießen, sie könne sie nicht mehr ernähren mit 25 Frs. per Tag, und wenn sie nicht gutwillig abzögen, dann würde sie sie jagen. Was jedesmal wiederholt werden muß; die zarten Bengels im Parterre und in dem ersten Range nicken und wedeln und schwenken den Hut und brüllen: c'est ca, c'est vrai (so ist's recht). Das ist die „vergoldete Jugend,“ die berüchtigte jeunesse dorée die 1795 Robespierre's und Marrat's Büsten aus den Theatern warf. Mademoiselle „Brüderlichkeit“ erscheint und singt dito Provokationen auf die Republik. Monsieur „Kapital“ erzählt, er habe wieder etwas Muth gekriegt, aber es müsse noch besser kommen, was wieder behurraht wird. Ein Freund von mir widersprach im Zwischenakt der Behauptung dreier Kerle, deren vertrakte Physionomien auf ihre Spezialbeschäftigung schließen lassen; in der That war der alte ein Banquier, der mittlere ein Laufbursch des Banquiers, der junge ein Lion; diese Anspielung auf Kammerauflösung entspreche vollkommen dem voeu général (Wünsche Aller), und als der Demokrat hinzufügte: alle Sozialisten — da schrieen die drei Zetermordio, sagten aber in einem Athem, der Handel geht noch immer nicht, so darf es nicht bleiben.“ Zur Vervollständigung dieses Gemäldes diene, daß viele Philister hierselbst unerschütterlich auf die baldige Einführung der Regentin Helene v. Orleans mit dem Grafen von Paris harren; wie denn auch ihr getreuer Kämpe Odilon-Barrot die schleunige Herausgabe ihrer sequestrirten Landgüter an sie durchgesetzt hat, mit der lügnerischen Floskel, die Hälfte der Einkünfte sei für die Mildthätigkeitskassen.</p> <p>— <hi rendition="#g">Nationalversammlung</hi>. Sitzung vom 19. Januar. General Bedeau führt als Vizepräsident den Vorsitz. Er eröffnet um 2 1/2 Uhr die Sitzung.</p> <p><hi rendition="#g">Albert de Luynes</hi> stattet über eine Menge interesseloser Petitionen unter allgemeiner Unaufmerksamkeit Bericht ab</p> <p>Die Versammlung geht nach Anhörung eines Petitionsberichts zur Tagesordnung und Bestimmung des Gehalts und der Wohnung des morgen zu wählenden Vizepräsidenten über.</p> <p><hi rendition="#g">Gouin</hi>, Banquier und Berichterstatter des Finanzausschusses über den Antrag Etienne's, welcher dem Vizepräsidenten der Republik Klein-Luxemburg zum Wohnsitz anweist und 60,000 Franken als Gehalt vorschlägt.</p> <p>Der Finanzausschuß theilt diese Ansicht, nur findet er die Summe etwas klein, indessen, meint er, würden sich wohl später Repräsentationsgelder hinzufügen lassen. (Oh! Oh! vom Berge.)</p> <p><hi rendition="#g">Rabeaud Laribiere</hi> findet diese Summe für die Funktionen eines Supernumerarius viel zu hoch. (Gelächter.) Man solle sie bedeutend herabsetzen. (Nein! Nein! zur Rechten.)</p> <p><hi rendition="#g">Antony Thouret</hi> schlägt 40,000 Franken vor. (Lärm zur Rechten.)</p> <p><hi rendition="#g">Etienne</hi> vertheidigt seine Ziffer.</p> <p><hi rendition="#g">Chavassin</hi> schlägt 48,000 Franken vor.</p> <p><hi rendition="#g">Gent</hi> will nur 24,000 Franken bewilligen.</p> <p><hi rendition="#g">Perrée</hi> vom Siecle hält das unter aller Würde.</p> <p><hi rendition="#g">Marrast</hi> läßt endlich über die höchste Summe (60,000 Franken) abstimmen.</p> <p>Dieselbe wird 472 gegen 270 verworfen.</p> <p>Chavassin's Vorschlag geht dagegen unter allgemeinem Erstaunen mit 516 gegen 233 Stimmen durch. (Agitation.)</p> <p>Artikel II., der Klein-Luxemburg zur Wohnung bestimmt, geht nach einigem Widerspruch Gent's (vom Berge) ebenfalls durch.</p> <p>Die Appanage wäre somit erledigt.</p> <p><hi rendition="#g">Lacrosse,</hi> Staatsbautenminister, bekämpft nachträglich die Absicht, dem Vizepräsidenten Klein-Luxemburg als Staatswohnung anzuweisen. Er schlägt vor, den Artikel also zu fassen:</p> <p rendition="#et">„Der Vizepräsident ist auf Staatskosten zu logiren.“</p> <p>Diese Redaktionsweise wird angenommen. Es ist mithin beliebig, welchen Palast man ihm später zur Wohnung anweise.</p> <p>An der Tagesordnung befindet sich demnächst das Colonial- (Pflanzer) Entschädigungsgesetz.</p> <p>Die Versammlung beschließt, nach fünf Tagen eine zweite Deliberation.</p> <p>Hienächst wird ein neuer Stoß von Petitionen verlesen.</p> <p>Die Versammlung würdigt keine einzige ihrer Berücksichtigung und schreitet über alle zur Tagesordnung.</p> <p>Die Bänke leeren sich allmälig. Wir hören gelegentlich, daß Persigny wegen gewisser Zerwürfnisse mit dem Petersburger Cabinet nach Berlin geschickt worden sei.</p> <p>Damit zerfielen die ihm untergeschobenen Heirathsmäklergeschäfte in Nichts.</p> <p>Mehrere Urlaube werden bewilligt.</p> <p>Morgen die Getränkesteuer; dann die Maigefangenen!</p> <p>Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Belgien.</head> <div xml:id="ar202b_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>27</author></bibl> Lüttich, 18. Januar.</head> <p>Der „Musterstaat“ fängt an zu begreifen, daß er doch noch hinter Preußen zurück ist; er bescheidet sich übrigens ganz gern, dies offiziell anzuerkennen und beeilt sich dies auch durch die That zu beweisen. In der ersten Häfte des verwichenen Dezembers berichtete ich Ihnen, daß sich hier ein demokratisch-sozialer Arbeiterverein gebildet habe. Präsident derselben ist der Rentier <hi rendition="#g">Esselens,</hi> der sich um die Demokratie in Belgien sehr verdient gemacht und deren Zwecken er einen großen Theil seines nicht unbeträchtlichen Vermögens opfert, wofür er denn auch bereits die Ehre gehabt hat, vor längerer Zeit aus Brüssel ausgewiesen zu werden, obgleich er dort nicht nur geboren, sondern auch angesessen war. Kaum hatte die Regierung die Existenz des ihr gefährlich dünkenden Vereins erfahren, als sie einen ihrer hiesigen Spione zu einer Konferenz mit dem Polizeiministerium nach Brüssel berief. Wie der Spion selbst einem Freunde als Geheimniß, — welches so gut bewahrt wärd, daß es bald nachher die Betreffenden selbst erfuhren — anvertraut hat, wurde in jener Konferenz beschlossen, den Verein noch eine kurze Frist gewähren zu lassen, dann aber (eigene Worte des dummen Spions) <hi rendition="#g">es gerade so zu machen, wie in Preußen,</hi> und die Führer des Vereins gefänglich einzuziehen, um sie unschädlich zu machen. Wie muß Manteuffel und Rintelen nicht das Herz im Leibe lachen, wenn sie hören, daß selbst der für vollendet gehaltene „Musterstaat“ bei ihnen in die Schule geht. Gesagt, gethan! Vorgestern Morgen fielen der königliche Prokurator, der Bürgermeister, ein Polizeikommissär und nicht weniger als <hi rendition="#g">fünf</hi> Gensd'armen (o das böse Gewissen!) bei Esselens in's Haus und durchschnüffelten <hi rendition="#g">fesch volle Stunden</hi> alle Kisten und Kasten von oben bis unten. Sie mogten gehofft haben, wichtige Papiere zu finden, aus denen sie das Dasein einer weitverzweigten Verschwörung herauserfinden könnten. Aber wie groß war ihr Erstaunen und Aerger, als sich auch nicht ein einziges verdächtiges oder brauchbares Schriftstück vorfand, was ihre ungesetzliche Handlung hätte beschönigen können. Jedoch Polizisten wissen sich immer zu helfen. In Ermangelung eines Bessern nahmen sie Kupferfäden und blaue und weiße Baumwolle, welche Gegenstände Esselens bei seinen chemischen Studien und Versuchen gebrauchte als corpora delicti mit. Aus jenen Fäden werden sie eben so viele Fäden einer großartigen Verschwörung und aus der Baumwolle, die ja zu Schießbaumwolle präparirt werden kann, die Absicht, alle Palläste und Fabriken in die Luft zu sprengen, deduziren. Der Polizei und den Gerichten ist ja nichts unmöglich. Hat man doch in und von Münster aus Mitglieder eines <hi rendition="#g">konstitutionellen</hi> Provinzialkongresses mit dem ausdrücklich ausgesprochenen Zweck, die derzeit <hi rendition="#g">bestehende</hi> Verfassung gegen Manteuffel'sche Umsturzattentate zu schützen, wegen beabsichtigten gewaltsamen <hi rendition="#g">Umsturzes</hi> der <hi rendition="#g">bestehenden</hi> Verfassung zur Untersuchung gezogen und inhaftirt: der gräßlichste Hohn, den je ein Gericht gegen sich selbst ausgesprochen! Es soll mich nur doch wundern, ob man nach dem mißlungenen Versuch bei Esselens auch die übrigen Führer des Arbeitervereins inkommodiren, ob man es namentlich wagen wird, ersteren dem in Brüssel gefaßten Beschlusse gemäß zu verhaften. Die Polizei hat sich gräßlich blamirt, aber gerade das wird sie nie vergessen und gerade deßhalb wird sie sich zu rächen suchen. Wir wollen's abwarten, was sie aus den Kupferfäden und aus der Baumwolle herausfinden wird.</p> <p>Zu Braine-le-Comte im Hennegau fand dieser Tage ein Bankett der Gemeinen und Unteroffiziere der Garde civique statt, auf welchem sämmtliche Gäste die von einigen ihrer Kameraden entwickelten demokratischen Ideen mit Applaus aufnahmen. Es wurden Toaste ausgebracht: auf das Recht auf Arbeit! auf die Vereinigung der Völker! auf das allgemeine Stimmrecht! Am Schlusse ward eine Kollekte zu Gunsten des edlen Märtyrers (noble martyr) Robert Blum abgehalten, deren Ertrag an die „Nation“ in Brüssel einzuschicken beschlossen ward.</p> <p>Das Correctionellgericht zu Brüssel hat so eben einen alten Vikar wegen <hi rendition="#g">Gaunerei</hi> (escroquerie) zu einem Jahr Gefängniß verurtheilt; er behauptete, ein Geheimmittel gegen Krankheiten der Weiber, Mädchen, Kühe, Pferde etc. zu besitzen und kurirte gegen gutes Geld auf alle möglichen Krankheiten los; auch exorzisirte er die <hi rendition="#g">vom Teufel besessenen</hi> Personen.</p> <p>Da die Presse seit längerer Zeit das ungebührliche Verfahren des Brügger Parquets gegen den Redakteur des „Brugsche Vrye“ (<hi rendition="#g">Beckmann</hi>), dessen in Beschlag genommene Papiere das Parquet seit 9 Monaten zurückgehalten hatte, in derben Ausdrücken rügte, hat dasselbe sich bewogen gefunden, in einem Brüggeschen Journale zu erwidern, daß es Beckmann's Sache sei, seine Papiere wiederzuholen. Man muß gestehen, eine größere Hundsfötterei begeht selbst ein preußisches Gericht nicht.</p> <p>Seit einigen Tagen hat hier in Lüttich die Cholera ihren Sitz aufgeschlagen und bereits viele Opfer geholt. Hauptsächlich trifft dies Loos die arbeitende Klasse. Um die Bourgeoisphilister nicht zu sehr in Schrecken zu setzen, hat man an die Geistlichkeit die Weisung ergehen lassen, bei dem Tode eines solchen armen Schlachtopfers nicht läuten zu lassen.</p> </div> </div> <div> <bibl>Redakteur en chef: <editor>Karl Marx.</editor> </bibl> </div> <div type="jReadersLetters" n="1"> <div xml:id="ar202b_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>068</author></bibl> Ukermark.</head> <p>Hier circulirt folgender Erlaß:</p> <p> <hi rendition="#g">Lieben Landleute!</hi> </p> <p>Ihr werdet's wohl schon gehört haben, und die es noch nicht wissen denen thun wir's hiermit kund, daß am 20. Decbr. v. J. auf dem Passowet Bahnhofe ein Bauern-Verein von zwischen 3 bis 400 Personen gestifte, worden ist, mit dem Wahlspruch: <hi rendition="#g">mit Gott,</hi> für König und Vaterland um uns gegenseitig in der Treue gegen den König zu stärken und uns hülfreiche Liebe untereinander zu erweisen. Der Verein hat sich den Namen gegeben: Ukermärkscher Bauern-Verein, theils weil er geglaubt hat, daß er in der Ukermark der erste dieser Art sei, theils weil er hofft, daß nach und nach alle Ukermärker sich zu Einem großen Verein zusammenthun werden, um im Vertrauen auf den lebendigen Gott, der unsere feste Burg und einzige Zuversicht ist, eine lebendige Mauer zu bilden zu Schutz und Trutz für König und Vaterland gegen alle offenkundige und versteckte Wühler. Das brüderliche und fröhliche Beisammensein neulich in Passow hat den lieben Vereinsmitgliedern so absonderlich gefallen, daß sie auf der Stelle den Wunsch aussprachen: wir wußten uns recht bald wiedersehen und dann von Zeit zu Zeit so oft, als es irgend thunlich sei. Nun, wir haben uns das nicht umsonst gesagt sein lassen, sondern schon <hi rendition="#et">den nächsten Krönungstag, nämlich den 18. Januar</hi> ausersehen, wo wir uns Vormittags 11 Uhr auf dem Amtshofe zu Gramzow im neuem Jahr mit neuem frischen Muthe in alter Treue von Angesicht zu Angesicht sehen und uns die Hände drücken wollen. Wir laden dazu die braven Ukermärker sammt und sonders ein; wer kommt ist willkommen, weß Standes er sei:</p> <lg type="poem"> <l>Ob Bürger, ob Soldaten,</l><lb/> <l>Ob Bauer oder Rath,</l><lb/> <l>Ob Brot er oder Braten</l><lb/> <l>Zum Mittagsmahle hat,</l><lb/> <l>Ob's Kleid schon abgetragen,</l><lb/> <l>Ob's altmod'sch oder neu,</l><lb/> <l>Darnach woll'n wir nicht fragen,</l><lb/> <l>Wir fragen: <hi rendition="#g">bist du treu?</hi> —</l><lb/> </lg> <p>Aber bei Leibe keine Demokraten, die Dinger können wir nicht brauchen, von denen heißt's bei uns:</p> <lg type="poem"> <l>Ihr saubern Demokraten</l><lb/> <l>Bleibt unserm Bunde fern,</l><lb/> <l>Laßt euch im Guten rathen</l><lb/> <l>Und zweifelt nicht, ihr Herrn,</l><lb/> <l>Am Ukermärk'schen Geiste;</l><lb/> <l>Die Herzen schlagen ächt,</l><lb/> <l>Und — seht mal unsre Fäuste,</l><lb/> <l>Die schlagen auch nicht schlecht.</l><lb/> </lg> <p>Sollten sich in der Ukermark bereits ähnliche Vereine gebildet haben oder dergleichen noch bis zum 18. Januar gestiftet werden, was wir dringend an's Herz legen, so bitten wir dieselben, Deputirte nach Gramzow zu schicken. Wir wollen hier mit einander berathschlagen, wie es anzugreifen ist, daß überall in der Ukermark solche Vereine zusammentreten und daß alle diese besondern Vereine doch nur einen großen Ukermärk'schen Verein ausmachen; denn wir Ukermärker müssen nun einmal zusammenhalten wie Stahl und Eisen.</p> <p>Gott befohlen!</p> <p>Halt, noch eins! Jeder der diese Einladung zu Gesicht bekommt und besonders die Herren Ortsschulzen, werden sehr gebeten, diese möglichst bekannt zu machen, vorzüglich durch Vorlesen in den versammelten Gemeinden.</p> <p>Noch eins! Jeder, der her kommt, muß mit einem tüchtigen Frühstück eine gute Unterlage legen, damit wir einige Stunden hintereinander singen, springen und jubiliren können.</p> <p>Prosit Neujahr!</p> <p>Gramzow, am 2. Januar 1849.</p> <p>Der Vorstand des Ukermärk'schen Bauern-Vereins.</p> <p>Temperatur des Rheinwassers <gap reason="illegible"/> 1,5.</p> </div> <div xml:id="ar202b_005" type="jArticle"> <head>Liegnitz, 16. Januar.</head> <p>In der heutigen Nummer der „Silesia“ gib der Redakteur derselben folgende Erklärung: „Viele warten sicherlich darauf, daß auch ich meine Stimme über die Vorfälle am 9. d. M. erhebe. So will ich dies versuchen, mich aber dabei so kurz als möglich fassen, weil es mich jederzeit anwidert von mir selber reden zu müssen. Wohl weiß ich es, daß ich mich auf einem ewig grollenden Vulkane niedergelassen habe, und ich habe richtig geweissagt, daß man noch vor den Wahlen einen hochherzigen Streich gegen mich, als den „Redakteur der verschrienen Silesia“ und den „demokratischen Oberwühler“ führen werde. So leichtgläubig bin ich nicht, daß ich annehmen sollte, die Soldaten hätten mich ohne irgend welchen äußeren Antrieb, ohne den vielseitigen Rath guter Freunde, blos aus eigener Urtheilskraft und aus verletztem Ehr- und Rechtsgefühl aus dem Wege schaffen wollen. Im Gegentheil nehme ich mir hiermit die Freiheit, gerade sie als die verblendeten Werkzeuge derjenigen Partei, durch deren Ränke ich schon im Sommer aus meiner friedlichen Behausung hinaus gegen die Polen geschleudert werden sollte, von der Schuld des Attentates frei zu sprechen. „Wenn man die Gemeinen nicht vorher gegen mich gehetzt hätte, so wüßte ich mir wahrlich nicht die Masse Vorwürfe zu deuten, die mitten unter ihren Schlägen auf mich herunter hagelten. Da sollte ich König und Vaterland verrathen haben und deshalb in 17 Prozessen verwickelt sein, da warf man mich in die zweite Klasse des Soldatenstandes und legte mir die unwürdigsten Schimpfwörter auf die Soldaten, wie „Mörder, Räuber, Spitzbuben etc.“ in den Mund. Wer hat die Soldaten mit solchen erbärmlichen Lügen zum Aufruhr gestachelt? — Ja, ich bin nicht nur verläumdet worden, sondern man muß auch Geld vertheilt haben, denn ich hörte mehrere Soldaten sagen: „für 6 Sgr. hätten sie genug zugehauen.“ Wenn der Artikel in der Silesia an dem ganzen Vorfalle die alleinige Schuld tragen soll, so beweiset mir doch erst, daß der Unwille, der sich allerdings darin ausspricht, ungerecht und voreilig, ehe ihr mir die Rechtfertigung meiner Worte abtrotzt! Ziemt es sich für einen gerechten König, daß er zum Neujahre nur Glückwünsche für den bewaffneten Theil seiner Nation hat! Hat die Demokratie, und das ist gar kein unwesentlicher Bestandtheil unseres Vaterlandes, wirklich alle die Gemeinheiten und Niederträchtigkeiten begangen, die ihr aufgebürdet werden? Wie ist es nur möglich, daß man einer Partei die bloße Lust am Zerstören, am Umsturze, an der Verwirrung und dem Elende zutrauet. Wie kommt es denn, daß man von uns Demokraten verlangt, wir sollen schweigen, wenn man uns auf jedem Blatte anklagt und höhnt, während die sogenannten „Guten“ sich sogar der Bajonette als Waffen bedienen dürfen? Was die „dänischen Hasen“ übrigens angeht, habt Ihr denn, Ihr Zwanziger, die Dänen noch niemals „Hasen“ genannt und würdet Ihr wohl Einen unter Euch, der dies thäte, mit Knütteln anfallen und schlagen, bis ihm Hören und Sehen verginge? Da wäret Ihr ja schlimmer wie die Henker, die den Verbrecher doch wenigstens mit einem oder zwei Schlägen abthun. Aber noch einmal, Ihr seid nicht für Eure That verantwortlich, sondern diejenigen, welche durch Eure Kühnheit ihre eigene Feigheit und Schande decken und ihre gekränkten Vorrechte und vereitelten Begierden rächen wollen. Ich hege darum keinen Groll gegen Euch; aber Euch guten Bürgern und Konsorten sage ich, daß, so lange noch ein Trdpfen Blutes in mir ist, ich nicht aufhören werde, gegen Euch offen und ehrlich zu kämpfen, wie ich dies immer gethan habe. Mit Euch will ich niemals Harmonie und Frieden, nur das Eine, daß Ihr mir den Dolch nicht in den Rücken, sondern vorn in die Brust stoßt von Angesicht zu Angesicht. — <hi rendition="#g">Cunerth</hi>.“</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Handelsnachrichten.</head> <gap reason="insignificant"/> </div> </body> </text> </TEI> [1106/0002]
Arbeitsverschleuderer aller Sorten) ist es, in diesem Augenblick eins der Theater zu besuchen, wo sie am liebsten sich recken und strecken und Orangen fressen und ihre Bourgeoisdamen lorgnettiren und zwischen ein an der Foyerthür der Schauspielerinnen mit Gold klimpernd Reihe stehen und sich stoßen.
Dies Vaudevilletheater, auf dem Platze der Börse, zwischen Wechselläden, in deren jedem geladene Pistolen hängen, und reichen Kuchenbäckern und Annoncebureaus, die 100,000 Fr. per annum „machen“, spielt zum hundert und achten Male die Posse La propriété c'est le vol (Eigenthum ist Diebstahl) worin Proudhon, mit wenig verändertem Namen, allabendlich unter endlosem Jubel des Publikums verhöhnt, das Proletariat verspottet, die Bourgeoisie vergöttert wird. Zwar erklärt ein Prolog, Aristophanes habe ja auch lebende Personen auf die Bühne gebracht, aber es bleibt wohlweislich unerwähnt, ob der Autor an die Verspottung Kleon des Gerbers, oder an die des Sokrates gedacht wissen wolle. Der Aberwitz des Stücks gibt ein, uns Demokraten ganz erwünscht kommendes Maaß von der Seelenkonstitution der Klasse, für die es expreß verfertigt ward; diese Klasse, deren politische Blüthe in der Koterie des Constitutionnel, Corsaire, Journal des Debats und La Presse, deren Aesthetik in diesem Vaudevillestück und im Tanzlokal St. Cécile, deren Gelehrsamkeit und Moral in Guizot's neuer Broschüre zu finden, ist unrettbar im Sinken, mögen auch ihre Fonds an der Börse steigen. Sie ist ist nichts mehr als ein leeres Gehäuse, gegen welches das Volk nur noch ganz einfach mit der Pulvermine und Congreve zu verfahren hat; und es wird geschehen.
Die Pointe des Stücks ist — bezeichnend genug für den Gaumen des pariser Bourgeois — eine heiße Pastete. Ein Normalbourgeois, ein Tugendheld sonder Gleichen, der durch Arbeit ein Hausbesitzer, Besitzer einer jungen Ehefrau, aber keiner Kinder — wieder echt parisisch — geworden und nunmehr dem Nichtsthun sich ergibt, fühlt sich natürlich unangenehm betroffen durch die Proklamirung des Dekrets vom Arbeitsrecht Aller.
„Dummköpfe und Philanthropen, rief der Citoyen de Dijon neulich, warum proklamirt ihr nicht die Arbeitspflicht Aller? ihr wußtet also nicht, daß die Schlange Bourgeoisie euch stechen, würde, wenn ihr ihr auf den Schwanz trätet? und nicht stechen wenn ihr ihr den Kopf abhiebet? und der Wolf Privilegium, dem ihr das Ohr kniffet, hätte er euch beißen können, wenn ihr ihm statt dessen eine Kugel ins Ohr geschossen? Euer Arbeitsrecht hat eure Tyrannen erbittert und erschreckt; Arbeitspflicht, wonach der reiche Faulenzer nothfalls durch körperliche Züchtigung zum produktiven Arbeiten gezwungen wird, hätte sie höchstens zu einer verzweiflungsvollen, krampfhaften Emeute getrieben, aber es wäre, bei Gott! ihre erste, ihre letzte gewesen, und winselnd hätte sich diese Finanzokratie der social-demokratischen Republik zu Füßen gelegt.“ (La Voix du Peuple v. Marseille.)
Genug, in jenem Machwerk wird der tugendhafte nicht arbeitende Bourgeois durch die, ihre Arbeit ihm aufdringenden, Arbeiter mit Quittungen überschüttet und ruinirt; zum Beispiel der Stiefelfuchs wichst und bürstet fortwährend an dem reinlichen Tugendmann herum, ein Zahnarzt zieht dem widerstrebenden einen gesunden Backzahn aus, die Möbelträger bringen ihm neues Hausgeräth wider seinen Willen. Der Minister des Innern, Corsetfabrikant Proudhon (nur Kopf und Gesicht nebst Brille ist naturgetreu) verfolgt diesen Edeln mit besonderm Nachdruck, wegen seiner Gemalin scheint es — allerdings drollig, wenn man dabei Proudhon's und seines Krakehls mit socialistischen schönen Damen gedenkt — und läßt seine Güter konfisciren und ihn auf 10 Jahre in die Karre verdonnern, weil er „mein“ Haus, „meine“ Frau gesagt.
Der Blödsinn des nicht arbeitenden Bourgeois ist aber allein Anlaß, denn er wurde arretirt wegen Holzerei mit dem Exminister Proudhon, der, in dem so eben eingeführten Tauschsystem, ihm eine Pastete wegnimmt und eine Mütze gibt. In diesem System des Vaudeville muß Jeder direkt tauschen und kann nichts zurückweisen, folglich war die Pastete leicht zu ersetzen. Aber so weit räsonnirt der Biedermann nicht. Im letzten Akt ist Frankreich eine Wüstenei voll tätowirter Wilder geworden; ein Ruinenhaufen bezeichnet den Platz der Börse. Proudhon erscheint wieder als Mephisto, nachdem er im ersten Akt als Mephisto die Eva zum Apfelbiß verführt, auch in Mitten des Stücks ein höhnisches Gelächter ausstieß, als er reiche Bourgeois und Bourgeoisen auf einem Reformbankett Champagner genießen sah: „ihr wollt Reform, ihr Bourgeoisthoren? ich gebe euch Republik.“ Dies ist alles dummes Zeug, das Beste ist die Erscheinung der Eva, einer sehr schönen Belgierin in Naturkostüm, und völlig entsprechend dem ebenso moralischen als gesinnungsreinen Publikum, welches wie toll applaudirt bei jeder Gebehrde dieser Eva, und bei Sätzen wie: „Das Arbeitsrecht liegt in jedes guten Menschen Busen, wehe dem Staate der es als Motto öffentlich macht, d. h. entweiht.“ Und bei jeder Scene zischeln die Lions: „ha, er muß sich wieder erkennen, sich getroffen fühlen — hast du ihn gesehen diesen Proudhon? ist er nicht ganz ähnlich? diese Brillen- und Klapperschlange.“ So unglaublich es klingt: ich sprach einige Philister, die steif dran glauben, dies Stück bekehre vom Sozialismus und dissipe les mauvaises rêveries des communistes (zerstreue die bösen Träume der Kommunisten). In demselben Vaudevillehause beklatschen diese reichen Faulenzer und ihre Knechte allabendlich ein Zauberstückchen, worin Mademoiselle „Frankreich“ singt: die Kammermitglieder möchten nur endlich nach Haus reisen und wieder Familienglück genießen, sie könne sie nicht mehr ernähren mit 25 Frs. per Tag, und wenn sie nicht gutwillig abzögen, dann würde sie sie jagen. Was jedesmal wiederholt werden muß; die zarten Bengels im Parterre und in dem ersten Range nicken und wedeln und schwenken den Hut und brüllen: c'est ca, c'est vrai (so ist's recht). Das ist die „vergoldete Jugend,“ die berüchtigte jeunesse dorée die 1795 Robespierre's und Marrat's Büsten aus den Theatern warf. Mademoiselle „Brüderlichkeit“ erscheint und singt dito Provokationen auf die Republik. Monsieur „Kapital“ erzählt, er habe wieder etwas Muth gekriegt, aber es müsse noch besser kommen, was wieder behurraht wird. Ein Freund von mir widersprach im Zwischenakt der Behauptung dreier Kerle, deren vertrakte Physionomien auf ihre Spezialbeschäftigung schließen lassen; in der That war der alte ein Banquier, der mittlere ein Laufbursch des Banquiers, der junge ein Lion; diese Anspielung auf Kammerauflösung entspreche vollkommen dem voeu général (Wünsche Aller), und als der Demokrat hinzufügte: alle Sozialisten — da schrieen die drei Zetermordio, sagten aber in einem Athem, der Handel geht noch immer nicht, so darf es nicht bleiben.“ Zur Vervollständigung dieses Gemäldes diene, daß viele Philister hierselbst unerschütterlich auf die baldige Einführung der Regentin Helene v. Orleans mit dem Grafen von Paris harren; wie denn auch ihr getreuer Kämpe Odilon-Barrot die schleunige Herausgabe ihrer sequestrirten Landgüter an sie durchgesetzt hat, mit der lügnerischen Floskel, die Hälfte der Einkünfte sei für die Mildthätigkeitskassen.
— Nationalversammlung. Sitzung vom 19. Januar. General Bedeau führt als Vizepräsident den Vorsitz. Er eröffnet um 2 1/2 Uhr die Sitzung.
Albert de Luynes stattet über eine Menge interesseloser Petitionen unter allgemeiner Unaufmerksamkeit Bericht ab
Die Versammlung geht nach Anhörung eines Petitionsberichts zur Tagesordnung und Bestimmung des Gehalts und der Wohnung des morgen zu wählenden Vizepräsidenten über.
Gouin, Banquier und Berichterstatter des Finanzausschusses über den Antrag Etienne's, welcher dem Vizepräsidenten der Republik Klein-Luxemburg zum Wohnsitz anweist und 60,000 Franken als Gehalt vorschlägt.
Der Finanzausschuß theilt diese Ansicht, nur findet er die Summe etwas klein, indessen, meint er, würden sich wohl später Repräsentationsgelder hinzufügen lassen. (Oh! Oh! vom Berge.)
Rabeaud Laribiere findet diese Summe für die Funktionen eines Supernumerarius viel zu hoch. (Gelächter.) Man solle sie bedeutend herabsetzen. (Nein! Nein! zur Rechten.)
Antony Thouret schlägt 40,000 Franken vor. (Lärm zur Rechten.)
Etienne vertheidigt seine Ziffer.
Chavassin schlägt 48,000 Franken vor.
Gent will nur 24,000 Franken bewilligen.
Perrée vom Siecle hält das unter aller Würde.
Marrast läßt endlich über die höchste Summe (60,000 Franken) abstimmen.
Dieselbe wird 472 gegen 270 verworfen.
Chavassin's Vorschlag geht dagegen unter allgemeinem Erstaunen mit 516 gegen 233 Stimmen durch. (Agitation.)
Artikel II., der Klein-Luxemburg zur Wohnung bestimmt, geht nach einigem Widerspruch Gent's (vom Berge) ebenfalls durch.
Die Appanage wäre somit erledigt.
Lacrosse, Staatsbautenminister, bekämpft nachträglich die Absicht, dem Vizepräsidenten Klein-Luxemburg als Staatswohnung anzuweisen. Er schlägt vor, den Artikel also zu fassen:
„Der Vizepräsident ist auf Staatskosten zu logiren.“
Diese Redaktionsweise wird angenommen. Es ist mithin beliebig, welchen Palast man ihm später zur Wohnung anweise.
An der Tagesordnung befindet sich demnächst das Colonial- (Pflanzer) Entschädigungsgesetz.
Die Versammlung beschließt, nach fünf Tagen eine zweite Deliberation.
Hienächst wird ein neuer Stoß von Petitionen verlesen.
Die Versammlung würdigt keine einzige ihrer Berücksichtigung und schreitet über alle zur Tagesordnung.
Die Bänke leeren sich allmälig. Wir hören gelegentlich, daß Persigny wegen gewisser Zerwürfnisse mit dem Petersburger Cabinet nach Berlin geschickt worden sei.
Damit zerfielen die ihm untergeschobenen Heirathsmäklergeschäfte in Nichts.
Mehrere Urlaube werden bewilligt.
Morgen die Getränkesteuer; dann die Maigefangenen!
Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.
Belgien. 27 Lüttich, 18. Januar. Der „Musterstaat“ fängt an zu begreifen, daß er doch noch hinter Preußen zurück ist; er bescheidet sich übrigens ganz gern, dies offiziell anzuerkennen und beeilt sich dies auch durch die That zu beweisen. In der ersten Häfte des verwichenen Dezembers berichtete ich Ihnen, daß sich hier ein demokratisch-sozialer Arbeiterverein gebildet habe. Präsident derselben ist der Rentier Esselens, der sich um die Demokratie in Belgien sehr verdient gemacht und deren Zwecken er einen großen Theil seines nicht unbeträchtlichen Vermögens opfert, wofür er denn auch bereits die Ehre gehabt hat, vor längerer Zeit aus Brüssel ausgewiesen zu werden, obgleich er dort nicht nur geboren, sondern auch angesessen war. Kaum hatte die Regierung die Existenz des ihr gefährlich dünkenden Vereins erfahren, als sie einen ihrer hiesigen Spione zu einer Konferenz mit dem Polizeiministerium nach Brüssel berief. Wie der Spion selbst einem Freunde als Geheimniß, — welches so gut bewahrt wärd, daß es bald nachher die Betreffenden selbst erfuhren — anvertraut hat, wurde in jener Konferenz beschlossen, den Verein noch eine kurze Frist gewähren zu lassen, dann aber (eigene Worte des dummen Spions) es gerade so zu machen, wie in Preußen, und die Führer des Vereins gefänglich einzuziehen, um sie unschädlich zu machen. Wie muß Manteuffel und Rintelen nicht das Herz im Leibe lachen, wenn sie hören, daß selbst der für vollendet gehaltene „Musterstaat“ bei ihnen in die Schule geht. Gesagt, gethan! Vorgestern Morgen fielen der königliche Prokurator, der Bürgermeister, ein Polizeikommissär und nicht weniger als fünf Gensd'armen (o das böse Gewissen!) bei Esselens in's Haus und durchschnüffelten fesch volle Stunden alle Kisten und Kasten von oben bis unten. Sie mogten gehofft haben, wichtige Papiere zu finden, aus denen sie das Dasein einer weitverzweigten Verschwörung herauserfinden könnten. Aber wie groß war ihr Erstaunen und Aerger, als sich auch nicht ein einziges verdächtiges oder brauchbares Schriftstück vorfand, was ihre ungesetzliche Handlung hätte beschönigen können. Jedoch Polizisten wissen sich immer zu helfen. In Ermangelung eines Bessern nahmen sie Kupferfäden und blaue und weiße Baumwolle, welche Gegenstände Esselens bei seinen chemischen Studien und Versuchen gebrauchte als corpora delicti mit. Aus jenen Fäden werden sie eben so viele Fäden einer großartigen Verschwörung und aus der Baumwolle, die ja zu Schießbaumwolle präparirt werden kann, die Absicht, alle Palläste und Fabriken in die Luft zu sprengen, deduziren. Der Polizei und den Gerichten ist ja nichts unmöglich. Hat man doch in und von Münster aus Mitglieder eines konstitutionellen Provinzialkongresses mit dem ausdrücklich ausgesprochenen Zweck, die derzeit bestehende Verfassung gegen Manteuffel'sche Umsturzattentate zu schützen, wegen beabsichtigten gewaltsamen Umsturzes der bestehenden Verfassung zur Untersuchung gezogen und inhaftirt: der gräßlichste Hohn, den je ein Gericht gegen sich selbst ausgesprochen! Es soll mich nur doch wundern, ob man nach dem mißlungenen Versuch bei Esselens auch die übrigen Führer des Arbeitervereins inkommodiren, ob man es namentlich wagen wird, ersteren dem in Brüssel gefaßten Beschlusse gemäß zu verhaften. Die Polizei hat sich gräßlich blamirt, aber gerade das wird sie nie vergessen und gerade deßhalb wird sie sich zu rächen suchen. Wir wollen's abwarten, was sie aus den Kupferfäden und aus der Baumwolle herausfinden wird.
Zu Braine-le-Comte im Hennegau fand dieser Tage ein Bankett der Gemeinen und Unteroffiziere der Garde civique statt, auf welchem sämmtliche Gäste die von einigen ihrer Kameraden entwickelten demokratischen Ideen mit Applaus aufnahmen. Es wurden Toaste ausgebracht: auf das Recht auf Arbeit! auf die Vereinigung der Völker! auf das allgemeine Stimmrecht! Am Schlusse ward eine Kollekte zu Gunsten des edlen Märtyrers (noble martyr) Robert Blum abgehalten, deren Ertrag an die „Nation“ in Brüssel einzuschicken beschlossen ward.
Das Correctionellgericht zu Brüssel hat so eben einen alten Vikar wegen Gaunerei (escroquerie) zu einem Jahr Gefängniß verurtheilt; er behauptete, ein Geheimmittel gegen Krankheiten der Weiber, Mädchen, Kühe, Pferde etc. zu besitzen und kurirte gegen gutes Geld auf alle möglichen Krankheiten los; auch exorzisirte er die vom Teufel besessenen Personen.
Da die Presse seit längerer Zeit das ungebührliche Verfahren des Brügger Parquets gegen den Redakteur des „Brugsche Vrye“ (Beckmann), dessen in Beschlag genommene Papiere das Parquet seit 9 Monaten zurückgehalten hatte, in derben Ausdrücken rügte, hat dasselbe sich bewogen gefunden, in einem Brüggeschen Journale zu erwidern, daß es Beckmann's Sache sei, seine Papiere wiederzuholen. Man muß gestehen, eine größere Hundsfötterei begeht selbst ein preußisches Gericht nicht.
Seit einigen Tagen hat hier in Lüttich die Cholera ihren Sitz aufgeschlagen und bereits viele Opfer geholt. Hauptsächlich trifft dies Loos die arbeitende Klasse. Um die Bourgeoisphilister nicht zu sehr in Schrecken zu setzen, hat man an die Geistlichkeit die Weisung ergehen lassen, bei dem Tode eines solchen armen Schlachtopfers nicht läuten zu lassen.
Redakteur en chef: Karl Marx. 068 Ukermark. Hier circulirt folgender Erlaß:
Lieben Landleute!
Ihr werdet's wohl schon gehört haben, und die es noch nicht wissen denen thun wir's hiermit kund, daß am 20. Decbr. v. J. auf dem Passowet Bahnhofe ein Bauern-Verein von zwischen 3 bis 400 Personen gestifte, worden ist, mit dem Wahlspruch: mit Gott, für König und Vaterland um uns gegenseitig in der Treue gegen den König zu stärken und uns hülfreiche Liebe untereinander zu erweisen. Der Verein hat sich den Namen gegeben: Ukermärkscher Bauern-Verein, theils weil er geglaubt hat, daß er in der Ukermark der erste dieser Art sei, theils weil er hofft, daß nach und nach alle Ukermärker sich zu Einem großen Verein zusammenthun werden, um im Vertrauen auf den lebendigen Gott, der unsere feste Burg und einzige Zuversicht ist, eine lebendige Mauer zu bilden zu Schutz und Trutz für König und Vaterland gegen alle offenkundige und versteckte Wühler. Das brüderliche und fröhliche Beisammensein neulich in Passow hat den lieben Vereinsmitgliedern so absonderlich gefallen, daß sie auf der Stelle den Wunsch aussprachen: wir wußten uns recht bald wiedersehen und dann von Zeit zu Zeit so oft, als es irgend thunlich sei. Nun, wir haben uns das nicht umsonst gesagt sein lassen, sondern schon den nächsten Krönungstag, nämlich den 18. Januar ausersehen, wo wir uns Vormittags 11 Uhr auf dem Amtshofe zu Gramzow im neuem Jahr mit neuem frischen Muthe in alter Treue von Angesicht zu Angesicht sehen und uns die Hände drücken wollen. Wir laden dazu die braven Ukermärker sammt und sonders ein; wer kommt ist willkommen, weß Standes er sei:
Ob Bürger, ob Soldaten,
Ob Bauer oder Rath,
Ob Brot er oder Braten
Zum Mittagsmahle hat,
Ob's Kleid schon abgetragen,
Ob's altmod'sch oder neu,
Darnach woll'n wir nicht fragen,
Wir fragen: bist du treu? —
Aber bei Leibe keine Demokraten, die Dinger können wir nicht brauchen, von denen heißt's bei uns:
Ihr saubern Demokraten
Bleibt unserm Bunde fern,
Laßt euch im Guten rathen
Und zweifelt nicht, ihr Herrn,
Am Ukermärk'schen Geiste;
Die Herzen schlagen ächt,
Und — seht mal unsre Fäuste,
Die schlagen auch nicht schlecht.
Sollten sich in der Ukermark bereits ähnliche Vereine gebildet haben oder dergleichen noch bis zum 18. Januar gestiftet werden, was wir dringend an's Herz legen, so bitten wir dieselben, Deputirte nach Gramzow zu schicken. Wir wollen hier mit einander berathschlagen, wie es anzugreifen ist, daß überall in der Ukermark solche Vereine zusammentreten und daß alle diese besondern Vereine doch nur einen großen Ukermärk'schen Verein ausmachen; denn wir Ukermärker müssen nun einmal zusammenhalten wie Stahl und Eisen.
Gott befohlen!
Halt, noch eins! Jeder der diese Einladung zu Gesicht bekommt und besonders die Herren Ortsschulzen, werden sehr gebeten, diese möglichst bekannt zu machen, vorzüglich durch Vorlesen in den versammelten Gemeinden.
Noch eins! Jeder, der her kommt, muß mit einem tüchtigen Frühstück eine gute Unterlage legen, damit wir einige Stunden hintereinander singen, springen und jubiliren können.
Prosit Neujahr!
Gramzow, am 2. Januar 1849.
Der Vorstand des Ukermärk'schen Bauern-Vereins.
Temperatur des Rheinwassers _ 1,5.
Liegnitz, 16. Januar. In der heutigen Nummer der „Silesia“ gib der Redakteur derselben folgende Erklärung: „Viele warten sicherlich darauf, daß auch ich meine Stimme über die Vorfälle am 9. d. M. erhebe. So will ich dies versuchen, mich aber dabei so kurz als möglich fassen, weil es mich jederzeit anwidert von mir selber reden zu müssen. Wohl weiß ich es, daß ich mich auf einem ewig grollenden Vulkane niedergelassen habe, und ich habe richtig geweissagt, daß man noch vor den Wahlen einen hochherzigen Streich gegen mich, als den „Redakteur der verschrienen Silesia“ und den „demokratischen Oberwühler“ führen werde. So leichtgläubig bin ich nicht, daß ich annehmen sollte, die Soldaten hätten mich ohne irgend welchen äußeren Antrieb, ohne den vielseitigen Rath guter Freunde, blos aus eigener Urtheilskraft und aus verletztem Ehr- und Rechtsgefühl aus dem Wege schaffen wollen. Im Gegentheil nehme ich mir hiermit die Freiheit, gerade sie als die verblendeten Werkzeuge derjenigen Partei, durch deren Ränke ich schon im Sommer aus meiner friedlichen Behausung hinaus gegen die Polen geschleudert werden sollte, von der Schuld des Attentates frei zu sprechen. „Wenn man die Gemeinen nicht vorher gegen mich gehetzt hätte, so wüßte ich mir wahrlich nicht die Masse Vorwürfe zu deuten, die mitten unter ihren Schlägen auf mich herunter hagelten. Da sollte ich König und Vaterland verrathen haben und deshalb in 17 Prozessen verwickelt sein, da warf man mich in die zweite Klasse des Soldatenstandes und legte mir die unwürdigsten Schimpfwörter auf die Soldaten, wie „Mörder, Räuber, Spitzbuben etc.“ in den Mund. Wer hat die Soldaten mit solchen erbärmlichen Lügen zum Aufruhr gestachelt? — Ja, ich bin nicht nur verläumdet worden, sondern man muß auch Geld vertheilt haben, denn ich hörte mehrere Soldaten sagen: „für 6 Sgr. hätten sie genug zugehauen.“ Wenn der Artikel in der Silesia an dem ganzen Vorfalle die alleinige Schuld tragen soll, so beweiset mir doch erst, daß der Unwille, der sich allerdings darin ausspricht, ungerecht und voreilig, ehe ihr mir die Rechtfertigung meiner Worte abtrotzt! Ziemt es sich für einen gerechten König, daß er zum Neujahre nur Glückwünsche für den bewaffneten Theil seiner Nation hat! Hat die Demokratie, und das ist gar kein unwesentlicher Bestandtheil unseres Vaterlandes, wirklich alle die Gemeinheiten und Niederträchtigkeiten begangen, die ihr aufgebürdet werden? Wie ist es nur möglich, daß man einer Partei die bloße Lust am Zerstören, am Umsturze, an der Verwirrung und dem Elende zutrauet. Wie kommt es denn, daß man von uns Demokraten verlangt, wir sollen schweigen, wenn man uns auf jedem Blatte anklagt und höhnt, während die sogenannten „Guten“ sich sogar der Bajonette als Waffen bedienen dürfen? Was die „dänischen Hasen“ übrigens angeht, habt Ihr denn, Ihr Zwanziger, die Dänen noch niemals „Hasen“ genannt und würdet Ihr wohl Einen unter Euch, der dies thäte, mit Knütteln anfallen und schlagen, bis ihm Hören und Sehen verginge? Da wäret Ihr ja schlimmer wie die Henker, die den Verbrecher doch wenigstens mit einem oder zwei Schlägen abthun. Aber noch einmal, Ihr seid nicht für Eure That verantwortlich, sondern diejenigen, welche durch Eure Kühnheit ihre eigene Feigheit und Schande decken und ihre gekränkten Vorrechte und vereitelten Begierden rächen wollen. Ich hege darum keinen Groll gegen Euch; aber Euch guten Bürgern und Konsorten sage ich, daß, so lange noch ein Trdpfen Blutes in mir ist, ich nicht aufhören werde, gegen Euch offen und ehrlich zu kämpfen, wie ich dies immer gethan habe. Mit Euch will ich niemals Harmonie und Frieden, nur das Eine, daß Ihr mir den Dolch nicht in den Rücken, sondern vorn in die Brust stoßt von Angesicht zu Angesicht. — Cunerth.“
Handelsnachrichten. _
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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