Neue Rheinische Zeitung. Nr. 201. Köln, 21. Januar 1849.Die Erlebnisse unsres Ritters gewinnen inzwischen auch ein so allgemeines Interesse, daß wir ihm wirklich unsre ausschließliche Aufmerksamkeit schuldig sind. Nach der bei der Herzogin gemachten Erobrung, nach der italienischen Reise und nach der Wiedererlangung einer Stellung in der Berliner Gesellschaft, beginnt nemlich, wie wir bereits bemerkten, die politische Laufbahn unsres Helden. Schnapphahnski: Politiker! Sollte es möglich sein! Aber unser Held ist zu Allem fähig. Deswegen auch zur Politik. Die ewig denkwürdige Epoche der Provinzial-Landtage, mit ihren großen Erfolgen: Der Emancipation der Nachtigallen u. s. w. ging zu Ende. Das Patent des 3 Februar 1847 erschien und am 11. April eröffnete Se. Majestät der König von Preußen, mit einer Rede "ohne Gleichen," "ohne Beispiel" den Vereinigten Landtag. Es verstand sich von selbst, daß der politische Ehrgeitz aller gesellschaftlichen Klassen durch dieses Ereigniß in die lebendigste Bewegung gerieth und es konnte nicht ausbleiben, daß auch unser Ritter von diesem Fieber angesteckt, das Bedürfniß fühlte, dem Vaterlande einmal als großer Mann gegenüber zu treten. Die Herzogin hatte unsern Helden oft darauf aufmerksam gemacht, daß er sich a tout prix in die Politik hineinstürzen müsse. Die Krautjunkerei pure et simple, die der Ritter bisher trieb, konnte natürlich der ausgezeichneten Dame wenig gefallen. Sie war geistreich genug, um zu begreifen, daß die compakte, hausbackene Liebe erst dann ihren rechten Reiz erhält, wenn sie mit den "strong emotions" des öffentlichen Lebens Hand in Hand geht. Einen Krautjunker zu umarmen, einen harmlosen schönen Wasserpolacken, dessen Abentheuer, so wunderlich sie auch sein mogten, doch keineswegs den Horizont des schon oft dagewesenen passirten: konnte ihr unmöglich auf die Dauer genügen. Die Herzogin war zu sehr, an den Umgang mit weltgeschichtlichen Persönlichkeiten gewöhnt, als daß sie nicht in unserm Ritter, außer dem bel homme auch noch den Politiker, den Staatsmann, den Redner zu umfangen gewünscht hätte. Ihre in diesem Sinne gemachten Andeutungen waren denn auch unserm Helden nicht entgangen, und wenn ihn schon seine eigne Eitelkeit zu einer politischen Karriere trieb, so sah er schließlich nur einen doppelten Nutzen, wenn er daran dachte, daß ihn auch der geringste Erfolg immer vertheilhafter mit der Herzogin verbinden würde. Du willst als Staatsmann auftreten -- -- sagte Schnapphahnski daher eines Morgens zu sich selbst, indem er den Kopf auf die Hand stützte -- Eh bien! und er besann sich auf Alles, was er je von berühmten Rednern gehört, gesehen und gelesen hatte. Die Alten lagen unserm Helden zu fern. Ein Römer und Schnapphahnski -- -- der Ritter fühlte, daß er nie ein Römer werden würde. Ohne Weiteres wandte er sich daher der neuen Zeit zu und gewiß würde er sich der Heroen der Constituante und des Konvents erinnert haben, wenn er nicht bei dem Gedanken an diese "blutrünstigen Ungeheuer" ein solches Herzklopfen bekommen hätte, daß er sich schleunigst der allerneuesten Zeit zuwandte -- -- da war unser Ritter zu Hause! Denn bis in die kleinsten Details hinein war ihm das parlamentarische Leben der Franzosen und Briten gegenwärtig. Sollst du ein Montalembert werden, hinreißend durch Beredtsamkeit, imponirend durch altadlige Kühnheit und unterjochend durch jene mystisch-katholischen Wendungen, die wie ein riesiger Trauerflor seiner Rede nachwallen? Oder ein Laroch[unleserliches Material]jaquelin, lebendig, auf seinem Thema reitend wie auf geflügeltem Rosse, frech und herausfordernd, sarkastisch-witzig und erobernd durch die ritterliche Keckheit eines ungebändigten Edelmanns? Oder sollst du Lamartine nachahmen, bald vornehm durch die Nase sprechen und bald in blumenreichen Redensarten dich ergießen, von der Vorsehung säuseln und durch den Namen Gottes Effekt zu machen suchen; ja, historische und literarische Reminiszensen auskramen und deine Zuhörer mit dir fortziehen in das rosenduftende Paradies der Rhetorik, wo da wenige praktische Wege und Stege sind, aber desto mehr weiche Mooshügel, Palmen, Trauerweiden und ähnliche wohlfeile dichterische Gegenstände? Oder sollst du dir den Hrn. Guizot zum Muster nehmen, den kalten tugendhaften Mann, oder gar den kleinen, bethörenden Thiers, der sich wie eine Schlange auf die Tribüne hinaufwindet und so allerliebst von Allem spricht, was er weiß und was er nicht weiß -- --? Unser Ritter wurde immer tiefsinniger. Aber auch die Geister des britischen Parlaments stiegen vor unserem Helden herauf. Sollst du dich naiv ausdrücken wie der alte Wellington? Sollst du den Rufer im Streit, den Lord Stanley spielen? Sollst du dich Lord Campbell nähern und behaupten, du sei'st ein großer Rechtsgelehrter? oder sollst du dir gar Henry, den unvergleichlichen Lord Brougham zum Vorbild nehmen? Das wäre eine Rolle! Ja, und im Unterhaus, wen nimmst du dir da zum Muster? Sollst du ein Sir Robert Peel, in weißer Weste und im blauen Frack, vor deine Zuhörer treten, jetzt die Rechte feierlich erhebend, und jetzt rasselnd die grüne Papierdose schlagend? Oder sollst du wüthen wie Roebuck, der ewige Krakehler, oder die Interessen der Tory's vertreten wie ein Lord George oder ein Ferrand? O göttlicher Lord George, der du aus dem Jockey-Klub kamst und im Parlamente dich erhobst, als der Erste deiner Partei, o, wenn ich dir nicht gleichen kann, so laß mich wenigstens deinem Freunde Disraeli ähnlich sehn, wenn er im Wirbelwinde der Beredsamkeit seine Feinde zu Boden wirft, ihren alten Ruhm entwurzelnd und tabula rasa machend mit ihrem ganzen Einfluß! Was sind die Lorbeeren der Literatur, was die Lorbeeren des Schlachtfelds gegen die Lorbeeren der Tribüne! Staunen soll man, wenn ich mich einst erhebe! Schnapphahnski, o Schnapphahnski! was steht dir bevor! In wenigen Worten wirst du z. B. bei irgend einer Debatte auseinandersetzen, wie es eigentlich gar nicht von Nöthen sei, so vielen herrlichen Reden noch die deine folgen zu lassen, und wie nur die Wichtigkeit des vorliegenden Gegenstandes dich zu einigen einfachen Bemerkungen veranlassen [Deutschland] Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 20. Jan. Wir theilten gestern einen kurzen Bericht über die Wahlvorgänge in hiesigen Kasernen mit. Gestern hat wirklich auf Befehl der Offiziere die Wahl von drei Vertrauens-Männern, welche für die ganze Kompagnie die Wahlmänner ernennen, wie in den übrigen Kasernen auch in der Dominikaner-Kaserne (8te Artilleriebrigade) für jede der 7 Kompagnieen stattgefunden. Daß diese Wahl eine förmlich ungesetzliche ist, ein Gewaltstreich des oder der Offiziere, die das angeordnet haben, weiß Jeder, der die Wahlbestimmungen auch nur ein Mal gelesen hat. Es wurden also gestern in der Domikaner-Kaserne insgesammt 21 Vertrauensmänner gewählt. Unter ihnen befinden sich 3 Kanoniere, 4-5 Bombardiere, 5-6 Feldwebel, die übrigen sind Unteroffiziere. Um jedoch für Montag, 22. Januar, einen Schimmer von Gesetzlichkeit zu retten, hat man in folgender Art weiter operirt: Jene 21 Vertrauensmänner wurden noch gestern versammelt und es erging an sie der Befehl, sofort die Wahlmänner für die hier kasernirten Artillerie-Kompagnieen zu ernennen. Die Stimmzettel wurden daher unter diese 21 "Vertrauens-männer" vertheilt und zur Wahlhandlung geschritten. Durch diese süperbe Erfindung eines ganz neuen Wahldestillations-Apparates aus der bekannten Fabrik "mit Gott für König und Junkerschaft" wurden folgende fünf Wahlmänner aus dem "schwarzweißen" Destillirkolben herausgetrieben: 1) Hr. Hauptmann Lengsfeld (6te Komp. 8te Brig.) 2) Hr. Sergeant Dörner (5te Komp. 8te Brig.) 3) Hr. Feldwebel Mork (8te Komp. 7te Brig.) 4) Hr. Feldwebel Ehlert (5te Komp. 8te Brig.) 5) Hr. Feldwebel Köbbling. Nach Vollendung dieses gottbegnadeten Wahlmanövers wurden die Urwähler der 7 Kompagnieen zusammengerufen, ihnen erklärt, daß und welche Wahlmänner ernannt seien und ihnen befohlen, am Montag ihre Stimme ganz in der ihnen hier mitgetheilten Reihenfolge abzugeben. Zugleich wurde bemerklich gemacht, daß, wenn auch Einzelne (räudige Schafe) ja nicht Folge leisten sollten, die Wahl der 5 genannten Personen doch gesichert sei, da doch aller Berechnung nach die Mehrzahl in diesem gottseligen Sinne stimmen würden. Denn es sei ja nöthig, fromme Leute (preußisch-fromme! das Wupperthal kennt sie!) zu Wahlmännern zu nehmen, damit diese ihrerseits einen recht frommen (Eichhorn-Leo-Lämmel-brüderischen) Deputirten nach Berlin wählen hülfen. Hr. Hauptmann Lengsfeld wohnte bis jetzt nicht in der Kaserne; wird aber noch vor oder am Montag hineinziehen, um "gewählt" werden zu können. Daß Wahlen, welche drei statt zwei Mal, und noch dazu in einer solchen Weise abdestillirt worden, keine Gültigkeit haben können, würde sich überall von selbst verstehen, nur nicht unter einer gottbegnadeten Regierung in Preußen. Eine Frage zum Schluß: Sollte jene ächt-preußische Erfindung sich denn bloß auf Köln beschränken? Ist nicht Tausend gegen Eins zu wetten, daß die prächtige Erfindung von oben herab patentirt und octroyirt und durch das ganze Land, in allen Kasernen und Garnisonen, ihre genaueste Anwendung par ordre du Mufti anbefohlen ist? Handelt es sich doch um ein Heer von mehr als 180,000 M. Zwar sollen nur 24jährige Personen an der Urwahl Theil nehmen, allein da unter dem Militär die Mehrzahl unter 24 Jahr ist, so könnte man in den Listen ein Nachsehen haben. Ist doch Niemand da, welcher diese Listen kontrolliren könnte. Allein viel sicherer ist doch die Erfindung mit den drei Vertrauensmännern per Kompagnie, und was die Urwählerliste anbelangt, so wird man schon die nöthige Zahl herauszubringen wissen. Hauptsache ist und bleibt, daß man durch die ganz frisch "von Säbels Gnaden" octroyirten "Vertrauensmänner" solche Wahl- Die Erlebnisse unsres Ritters gewinnen inzwischen auch ein so allgemeines Interesse, daß wir ihm wirklich unsre ausschließliche Aufmerksamkeit schuldig sind. Nach der bei der Herzogin gemachten Erobrung, nach der italienischen Reise und nach der Wiedererlangung einer Stellung in der Berliner Gesellschaft, beginnt nemlich, wie wir bereits bemerkten, die politische Laufbahn unsres Helden. Schnapphahnski: Politiker! Sollte es möglich sein! Aber unser Held ist zu Allem fähig. Deswegen auch zur Politik. Die ewig denkwürdige Epoche der Provinzial-Landtage, mit ihren großen Erfolgen: Der Emancipation der Nachtigallen u. s. w. ging zu Ende. Das Patent des 3 Februar 1847 erschien und am 11. April eröffnete Se. Majestät der König von Preußen, mit einer Rede „ohne Gleichen,“ „ohne Beispiel“ den Vereinigten Landtag. Es verstand sich von selbst, daß der politische Ehrgeitz aller gesellschaftlichen Klassen durch dieses Ereigniß in die lebendigste Bewegung gerieth und es konnte nicht ausbleiben, daß auch unser Ritter von diesem Fieber angesteckt, das Bedürfniß fühlte, dem Vaterlande einmal als großer Mann gegenüber zu treten. Die Herzogin hatte unsern Helden oft darauf aufmerksam gemacht, daß er sich à tout prix in die Politik hineinstürzen müsse. Die Krautjunkerei pure et simple, die der Ritter bisher trieb, konnte natürlich der ausgezeichneten Dame wenig gefallen. Sie war geistreich genug, um zu begreifen, daß die compakte, hausbackene Liebe erst dann ihren rechten Reiz erhält, wenn sie mit den „strong emotions“ des öffentlichen Lebens Hand in Hand geht. Einen Krautjunker zu umarmen, einen harmlosen schönen Wasserpolacken, dessen Abentheuer, so wunderlich sie auch sein mogten, doch keineswegs den Horizont des schon oft dagewesenen passirten: konnte ihr unmöglich auf die Dauer genügen. Die Herzogin war zu sehr, an den Umgang mit weltgeschichtlichen Persönlichkeiten gewöhnt, als daß sie nicht in unserm Ritter, außer dem bel homme auch noch den Politiker, den Staatsmann, den Redner zu umfangen gewünscht hätte. Ihre in diesem Sinne gemachten Andeutungen waren denn auch unserm Helden nicht entgangen, und wenn ihn schon seine eigne Eitelkeit zu einer politischen Karriére trieb, so sah er schließlich nur einen doppelten Nutzen, wenn er daran dachte, daß ihn auch der geringste Erfolg immer vertheilhafter mit der Herzogin verbinden würde. Du willst als Staatsmann auftreten — — sagte Schnapphahnski daher eines Morgens zu sich selbst, indem er den Kopf auf die Hand stützte — Eh bien! und er besann sich auf Alles, was er je von berühmten Rednern gehört, gesehen und gelesen hatte. Die Alten lagen unserm Helden zu fern. Ein Römer und Schnapphahnski — — der Ritter fühlte, daß er nie ein Römer werden würde. Ohne Weiteres wandte er sich daher der neuen Zeit zu und gewiß würde er sich der Heroen der Constituante und des Konvents erinnert haben, wenn er nicht bei dem Gedanken an diese „blutrünstigen Ungeheuer“ ein solches Herzklopfen bekommen hätte, daß er sich schleunigst der allerneuesten Zeit zuwandte — — da war unser Ritter zu Hause! Denn bis in die kleinsten Details hinein war ihm das parlamentarische Leben der Franzosen und Briten gegenwärtig. Sollst du ein Montalembert werden, hinreißend durch Beredtsamkeit, imponirend durch altadlige Kühnheit und unterjochend durch jene mystisch-katholischen Wendungen, die wie ein riesiger Trauerflor seiner Rede nachwallen? Oder ein Laroch[unleserliches Material]jaquelin, lebendig, auf seinem Thema reitend wie auf geflügeltem Rosse, frech und herausfordernd, sarkastisch-witzig und erobernd durch die ritterliche Keckheit eines ungebändigten Edelmanns? Oder sollst du Lamartine nachahmen, bald vornehm durch die Nase sprechen und bald in blumenreichen Redensarten dich ergießen, von der Vorsehung säuseln und durch den Namen Gottes Effekt zu machen suchen; ja, historische und literarische Reminiszensen auskramen und deine Zuhörer mit dir fortziehen in das rosenduftende Paradies der Rhetorik, wo da wenige praktische Wege und Stege sind, aber desto mehr weiche Mooshügel, Palmen, Trauerweiden und ähnliche wohlfeile dichterische Gegenstände? Oder sollst du dir den Hrn. Guizot zum Muster nehmen, den kalten tugendhaften Mann, oder gar den kleinen, bethörenden Thiers, der sich wie eine Schlange auf die Tribüne hinaufwindet und so allerliebst von Allem spricht, was er weiß und was er nicht weiß — —? Unser Ritter wurde immer tiefsinniger. Aber auch die Geister des britischen Parlaments stiegen vor unserem Helden herauf. Sollst du dich naiv ausdrücken wie der alte Wellington? Sollst du den Rufer im Streit, den Lord Stanley spielen? Sollst du dich Lord Campbell nähern und behaupten, du sei'st ein großer Rechtsgelehrter? oder sollst du dir gar Henry, den unvergleichlichen Lord Brougham zum Vorbild nehmen? Das wäre eine Rolle! Ja, und im Unterhaus, wen nimmst du dir da zum Muster? Sollst du ein Sir Robert Peel, in weißer Weste und im blauen Frack, vor deine Zuhörer treten, jetzt die Rechte feierlich erhebend, und jetzt rasselnd die grüne Papierdose schlagend? Oder sollst du wüthen wie Roebuck, der ewige Krakehler, oder die Interessen der Tory's vertreten wie ein Lord George oder ein Ferrand? O göttlicher Lord George, der du aus dem Jockey-Klub kamst und im Parlamente dich erhobst, als der Erste deiner Partei, o, wenn ich dir nicht gleichen kann, so laß mich wenigstens deinem Freunde Disraeli ähnlich sehn, wenn er im Wirbelwinde der Beredsamkeit seine Feinde zu Boden wirft, ihren alten Ruhm entwurzelnd und tabula rasa machend mit ihrem ganzen Einfluß! Was sind die Lorbeeren der Literatur, was die Lorbeeren des Schlachtfelds gegen die Lorbeeren der Tribüne! Staunen soll man, wenn ich mich einst erhebe! Schnapphahnski, o Schnapphahnski! was steht dir bevor! In wenigen Worten wirst du z. B. bei irgend einer Debatte auseinandersetzen, wie es eigentlich gar nicht von Nöthen sei, so vielen herrlichen Reden noch die deine folgen zu lassen, und wie nur die Wichtigkeit des vorliegenden Gegenstandes dich zu einigen einfachen Bemerkungen veranlassen [Deutschland] Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 20. Jan. Wir theilten gestern einen kurzen Bericht über die Wahlvorgänge in hiesigen Kasernen mit. Gestern hat wirklich auf Befehl der Offiziere die Wahl von drei Vertrauens-Männern, welche für die ganze Kompagnie die Wahlmänner ernennen, wie in den übrigen Kasernen auch in der Dominikaner-Kaserne (8te Artilleriebrigade) für jede der 7 Kompagnieen stattgefunden. Daß diese Wahl eine förmlich ungesetzliche ist, ein Gewaltstreich des oder der Offiziere, die das angeordnet haben, weiß Jeder, der die Wahlbestimmungen auch nur ein Mal gelesen hat. Es wurden also gestern in der Domikaner-Kaserne insgesammt 21 Vertrauensmänner gewählt. Unter ihnen befinden sich 3 Kanoniere, 4-5 Bombardiere, 5-6 Feldwebel, die übrigen sind Unteroffiziere. Um jedoch für Montag, 22. Januar, einen Schimmer von Gesetzlichkeit zu retten, hat man in folgender Art weiter operirt: Jene 21 Vertrauensmänner wurden noch gestern versammelt und es erging an sie der Befehl, sofort die Wahlmänner für die hier kasernirten Artillerie-Kompagnieen zu ernennen. Die Stimmzettel wurden daher unter diese 21 „Vertrauens-männer“ vertheilt und zur Wahlhandlung geschritten. Durch diese süperbe Erfindung eines ganz neuen Wahldestillations-Apparates aus der bekannten Fabrik „mit Gott für König und Junkerschaft“ wurden folgende fünf Wahlmänner aus dem „schwarzweißen“ Destillirkolben herausgetrieben: 1) Hr. Hauptmann Lengsfeld (6te Komp. 8te Brig.) 2) Hr. Sergeant Dörner (5te Komp. 8te Brig.) 3) Hr. Feldwebel Mork (8te Komp. 7te Brig.) 4) Hr. Feldwebel Ehlert (5te Komp. 8te Brig.) 5) Hr. Feldwebel Köbbling. Nach Vollendung dieses gottbegnadeten Wahlmanövers wurden die Urwähler der 7 Kompagnieen zusammengerufen, ihnen erklärt, daß und welche Wahlmänner ernannt seien und ihnen befohlen, am Montag ihre Stimme ganz in der ihnen hier mitgetheilten Reihenfolge abzugeben. Zugleich wurde bemerklich gemacht, daß, wenn auch Einzelne (räudige Schafe) ja nicht Folge leisten sollten, die Wahl der 5 genannten Personen doch gesichert sei, da doch aller Berechnung nach die Mehrzahl in diesem gottseligen Sinne stimmen würden. Denn es sei ja nöthig, fromme Leute (preußisch-fromme! das Wupperthal kennt sie!) zu Wahlmännern zu nehmen, damit diese ihrerseits einen recht frommen (Eichhorn-Leo-Lämmel-brüderischen) Deputirten nach Berlin wählen hülfen. Hr. Hauptmann Lengsfeld wohnte bis jetzt nicht in der Kaserne; wird aber noch vor oder am Montag hineinziehen, um „gewählt“ werden zu können. Daß Wahlen, welche drei statt zwei Mal, und noch dazu in einer solchen Weise abdestillirt worden, keine Gültigkeit haben können, würde sich überall von selbst verstehen, nur nicht unter einer gottbegnadeten Regierung in Preußen. Eine Frage zum Schluß: Sollte jene ächt-preußische Erfindung sich denn bloß auf Köln beschränken? Ist nicht Tausend gegen Eins zu wetten, daß die prächtige Erfindung von oben herab patentirt und octroyirt und durch das ganze Land, in allen Kasernen und Garnisonen, ihre genaueste Anwendung par ordre du Mufti anbefohlen ist? Handelt es sich doch um ein Heer von mehr als 180,000 M. Zwar sollen nur 24jährige Personen an der Urwahl Theil nehmen, allein da unter dem Militär die Mehrzahl unter 24 Jahr ist, so könnte man in den Listen ein Nachsehen haben. Ist doch Niemand da, welcher diese Listen kontrolliren könnte. Allein viel sicherer ist doch die Erfindung mit den drei Vertrauensmännern per Kompagnie, und was die Urwählerliste anbelangt, so wird man schon die nöthige Zahl herauszubringen wissen. Hauptsache ist und bleibt, daß man durch die ganz frisch „von Säbels Gnaden“ octroyirten „Vertrauensmänner“ solche Wahl- <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar201_002" type="jArticle"> <pb facs="#f0002" n="1094"/> <p>Die Erlebnisse unsres Ritters gewinnen inzwischen auch ein so allgemeines Interesse, daß wir ihm wirklich unsre ausschließliche Aufmerksamkeit schuldig sind.</p> <p>Nach der bei der Herzogin gemachten Erobrung, nach der italienischen Reise und nach der Wiedererlangung einer Stellung in der Berliner Gesellschaft, beginnt nemlich, wie wir bereits bemerkten, die politische Laufbahn unsres Helden.</p> <p>Schnapphahnski: Politiker! Sollte es möglich sein! Aber unser Held ist zu Allem fähig. Deswegen auch zur Politik.</p> <p>Die ewig denkwürdige Epoche der Provinzial-Landtage, mit ihren großen Erfolgen: Der Emancipation der Nachtigallen u. s. w. ging zu Ende. Das Patent des 3 Februar 1847 erschien und am 11. April eröffnete Se. Majestät der König von Preußen, mit einer Rede „ohne Gleichen,“ „ohne Beispiel“ den Vereinigten Landtag.</p> <p>Es verstand sich von selbst, daß der politische Ehrgeitz aller gesellschaftlichen Klassen durch dieses Ereigniß in die lebendigste Bewegung gerieth und es konnte nicht ausbleiben, daß auch unser Ritter von diesem Fieber angesteckt, das Bedürfniß fühlte, dem Vaterlande einmal als großer Mann gegenüber zu treten.</p> <p>Die Herzogin hatte unsern Helden oft darauf aufmerksam gemacht, daß er sich à tout prix in die Politik hineinstürzen müsse. Die Krautjunkerei pure et simple, die der Ritter bisher trieb, konnte natürlich der ausgezeichneten Dame wenig gefallen. Sie war geistreich genug, um zu begreifen, daß die compakte, hausbackene Liebe erst dann ihren rechten Reiz erhält, wenn sie mit den „strong emotions“ des öffentlichen Lebens Hand in Hand geht. Einen Krautjunker zu umarmen, einen harmlosen schönen Wasserpolacken, dessen Abentheuer, so wunderlich sie auch sein mogten, doch keineswegs den Horizont des schon oft dagewesenen passirten: konnte ihr unmöglich auf die Dauer genügen.</p> <p>Die Herzogin war zu sehr, an den Umgang mit weltgeschichtlichen Persönlichkeiten gewöhnt, als daß sie nicht in unserm Ritter, außer dem bel homme auch noch den Politiker, den Staatsmann, den Redner zu umfangen gewünscht hätte. Ihre in diesem Sinne gemachten Andeutungen waren denn auch unserm Helden nicht entgangen, und wenn ihn schon seine eigne Eitelkeit zu einer politischen Karriére trieb, so sah er schließlich nur einen doppelten Nutzen, wenn er daran dachte, daß ihn auch der geringste Erfolg immer vertheilhafter mit der Herzogin verbinden würde.</p> <p>Du willst als Staatsmann auftreten — — sagte Schnapphahnski daher eines Morgens zu sich selbst, indem er den Kopf auf die Hand stützte — Eh bien! und er besann sich auf Alles, was er je von berühmten Rednern gehört, gesehen und gelesen hatte. Die Alten lagen unserm Helden zu fern. Ein Römer und Schnapphahnski — — der Ritter fühlte, daß er nie ein Römer werden würde.</p> <p>Ohne Weiteres wandte er sich daher der neuen Zeit zu und gewiß würde er sich der Heroen der Constituante und des Konvents erinnert haben, wenn er nicht bei dem Gedanken an diese „blutrünstigen Ungeheuer“ ein solches Herzklopfen bekommen hätte, daß er sich schleunigst der allerneuesten Zeit zuwandte — — da war unser Ritter zu Hause! Denn bis in die kleinsten Details hinein war ihm das parlamentarische Leben der Franzosen und Briten gegenwärtig.</p> <p>Sollst du ein Montalembert werden, hinreißend durch Beredtsamkeit, imponirend durch altadlige Kühnheit und unterjochend durch jene mystisch-katholischen Wendungen, die wie ein riesiger Trauerflor seiner Rede nachwallen? 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Unser Ritter wurde immer tiefsinniger.</p> <p>Aber auch die Geister des britischen Parlaments stiegen vor unserem Helden herauf. Sollst du dich naiv ausdrücken wie der alte Wellington? Sollst du den Rufer im Streit, den Lord Stanley spielen? Sollst du dich Lord Campbell nähern und behaupten, du sei'st ein großer Rechtsgelehrter? oder sollst du dir gar Henry, den unvergleichlichen Lord Brougham zum Vorbild nehmen? Das wäre eine Rolle!</p> <p>Ja, und im Unterhaus, wen nimmst du dir da zum Muster? Sollst du ein Sir Robert Peel, in weißer Weste und im blauen Frack, vor deine Zuhörer treten, jetzt die Rechte feierlich erhebend, und jetzt rasselnd die grüne Papierdose schlagend? Oder sollst du wüthen wie Roebuck, der ewige Krakehler, oder die Interessen der Tory's vertreten wie ein Lord George oder ein Ferrand? O göttlicher Lord George, der du aus dem Jockey-Klub kamst und im Parlamente dich erhobst, als der Erste deiner Partei, o, wenn ich dir nicht gleichen kann, so laß mich wenigstens deinem Freunde Disraeli ähnlich sehn, wenn er im Wirbelwinde der Beredsamkeit seine Feinde zu Boden wirft, ihren alten Ruhm entwurzelnd und tabula rasa machend mit ihrem ganzen Einfluß!</p> <p>Was sind die Lorbeeren der Literatur, was die Lorbeeren des Schlachtfelds gegen die Lorbeeren der Tribüne!</p> <p>Staunen soll man, wenn ich mich einst erhebe! Schnapphahnski, o Schnapphahnski! was steht dir bevor! In wenigen Worten wirst du z. 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Januar, einen Schimmer von Gesetzlichkeit zu retten, hat man in folgender Art weiter operirt:</p> <p>Jene 21 Vertrauensmänner wurden noch gestern versammelt und es erging an sie der Befehl, sofort die Wahlmänner für die hier kasernirten Artillerie-Kompagnieen zu ernennen.</p> <p>Die Stimmzettel wurden daher unter diese 21 „Vertrauens-männer“ vertheilt und zur Wahlhandlung geschritten.</p> <p>Durch diese süperbe Erfindung eines ganz neuen Wahldestillations-Apparates aus der bekannten Fabrik „mit Gott für König und Junkerschaft“ wurden folgende fünf Wahlmänner aus dem „schwarzweißen“ Destillirkolben herausgetrieben:</p> <list> <item>1) Hr. Hauptmann Lengsfeld (6te Komp. 8te Brig.)</item> <item>2) Hr. Sergeant Dörner (5te Komp. 8te Brig.)</item> <item>3) Hr. Feldwebel Mork (8te Komp. 7te Brig.)</item> <item>4) Hr. Feldwebel Ehlert (5te Komp. 8te Brig.)</item> <item>5) Hr. 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Nach der bei der Herzogin gemachten Erobrung, nach der italienischen Reise und nach der Wiedererlangung einer Stellung in der Berliner Gesellschaft, beginnt nemlich, wie wir bereits bemerkten, die politische Laufbahn unsres Helden.
Schnapphahnski: Politiker! Sollte es möglich sein! Aber unser Held ist zu Allem fähig. Deswegen auch zur Politik.
Die ewig denkwürdige Epoche der Provinzial-Landtage, mit ihren großen Erfolgen: Der Emancipation der Nachtigallen u. s. w. ging zu Ende. Das Patent des 3 Februar 1847 erschien und am 11. April eröffnete Se. Majestät der König von Preußen, mit einer Rede „ohne Gleichen,“ „ohne Beispiel“ den Vereinigten Landtag.
Es verstand sich von selbst, daß der politische Ehrgeitz aller gesellschaftlichen Klassen durch dieses Ereigniß in die lebendigste Bewegung gerieth und es konnte nicht ausbleiben, daß auch unser Ritter von diesem Fieber angesteckt, das Bedürfniß fühlte, dem Vaterlande einmal als großer Mann gegenüber zu treten.
Die Herzogin hatte unsern Helden oft darauf aufmerksam gemacht, daß er sich à tout prix in die Politik hineinstürzen müsse. Die Krautjunkerei pure et simple, die der Ritter bisher trieb, konnte natürlich der ausgezeichneten Dame wenig gefallen. Sie war geistreich genug, um zu begreifen, daß die compakte, hausbackene Liebe erst dann ihren rechten Reiz erhält, wenn sie mit den „strong emotions“ des öffentlichen Lebens Hand in Hand geht. Einen Krautjunker zu umarmen, einen harmlosen schönen Wasserpolacken, dessen Abentheuer, so wunderlich sie auch sein mogten, doch keineswegs den Horizont des schon oft dagewesenen passirten: konnte ihr unmöglich auf die Dauer genügen.
Die Herzogin war zu sehr, an den Umgang mit weltgeschichtlichen Persönlichkeiten gewöhnt, als daß sie nicht in unserm Ritter, außer dem bel homme auch noch den Politiker, den Staatsmann, den Redner zu umfangen gewünscht hätte. Ihre in diesem Sinne gemachten Andeutungen waren denn auch unserm Helden nicht entgangen, und wenn ihn schon seine eigne Eitelkeit zu einer politischen Karriére trieb, so sah er schließlich nur einen doppelten Nutzen, wenn er daran dachte, daß ihn auch der geringste Erfolg immer vertheilhafter mit der Herzogin verbinden würde.
Du willst als Staatsmann auftreten — — sagte Schnapphahnski daher eines Morgens zu sich selbst, indem er den Kopf auf die Hand stützte — Eh bien! und er besann sich auf Alles, was er je von berühmten Rednern gehört, gesehen und gelesen hatte. Die Alten lagen unserm Helden zu fern. Ein Römer und Schnapphahnski — — der Ritter fühlte, daß er nie ein Römer werden würde.
Ohne Weiteres wandte er sich daher der neuen Zeit zu und gewiß würde er sich der Heroen der Constituante und des Konvents erinnert haben, wenn er nicht bei dem Gedanken an diese „blutrünstigen Ungeheuer“ ein solches Herzklopfen bekommen hätte, daß er sich schleunigst der allerneuesten Zeit zuwandte — — da war unser Ritter zu Hause! Denn bis in die kleinsten Details hinein war ihm das parlamentarische Leben der Franzosen und Briten gegenwärtig.
Sollst du ein Montalembert werden, hinreißend durch Beredtsamkeit, imponirend durch altadlige Kühnheit und unterjochend durch jene mystisch-katholischen Wendungen, die wie ein riesiger Trauerflor seiner Rede nachwallen? Oder ein Laroch_ jaquelin, lebendig, auf seinem Thema reitend wie auf geflügeltem Rosse, frech und herausfordernd, sarkastisch-witzig und erobernd durch die ritterliche Keckheit eines ungebändigten Edelmanns? Oder sollst du Lamartine nachahmen, bald vornehm durch die Nase sprechen und bald in blumenreichen Redensarten dich ergießen, von der Vorsehung säuseln und durch den Namen Gottes Effekt zu machen suchen; ja, historische und literarische Reminiszensen auskramen und deine Zuhörer mit dir fortziehen in das rosenduftende Paradies der Rhetorik, wo da wenige praktische Wege und Stege sind, aber desto mehr weiche Mooshügel, Palmen, Trauerweiden und ähnliche wohlfeile dichterische Gegenstände? Oder sollst du dir den Hrn. Guizot zum Muster nehmen, den kalten tugendhaften Mann, oder gar den kleinen, bethörenden Thiers, der sich wie eine Schlange auf die Tribüne hinaufwindet und so allerliebst von Allem spricht, was er weiß und was er nicht weiß — —? Unser Ritter wurde immer tiefsinniger.
Aber auch die Geister des britischen Parlaments stiegen vor unserem Helden herauf. Sollst du dich naiv ausdrücken wie der alte Wellington? Sollst du den Rufer im Streit, den Lord Stanley spielen? Sollst du dich Lord Campbell nähern und behaupten, du sei'st ein großer Rechtsgelehrter? oder sollst du dir gar Henry, den unvergleichlichen Lord Brougham zum Vorbild nehmen? Das wäre eine Rolle!
Ja, und im Unterhaus, wen nimmst du dir da zum Muster? Sollst du ein Sir Robert Peel, in weißer Weste und im blauen Frack, vor deine Zuhörer treten, jetzt die Rechte feierlich erhebend, und jetzt rasselnd die grüne Papierdose schlagend? Oder sollst du wüthen wie Roebuck, der ewige Krakehler, oder die Interessen der Tory's vertreten wie ein Lord George oder ein Ferrand? O göttlicher Lord George, der du aus dem Jockey-Klub kamst und im Parlamente dich erhobst, als der Erste deiner Partei, o, wenn ich dir nicht gleichen kann, so laß mich wenigstens deinem Freunde Disraeli ähnlich sehn, wenn er im Wirbelwinde der Beredsamkeit seine Feinde zu Boden wirft, ihren alten Ruhm entwurzelnd und tabula rasa machend mit ihrem ganzen Einfluß!
Was sind die Lorbeeren der Literatur, was die Lorbeeren des Schlachtfelds gegen die Lorbeeren der Tribüne!
Staunen soll man, wenn ich mich einst erhebe! Schnapphahnski, o Schnapphahnski! was steht dir bevor! In wenigen Worten wirst du z. B. bei irgend einer Debatte auseinandersetzen, wie es eigentlich gar nicht von Nöthen sei, so vielen herrlichen Reden noch die deine folgen zu lassen, und wie nur die Wichtigkeit des vorliegenden Gegenstandes dich zu einigen einfachen Bemerkungen veranlassen
[Deutschland] _ * Köln, 20. Jan. Wir theilten gestern einen kurzen Bericht über die Wahlvorgänge in hiesigen Kasernen mit.
Gestern hat wirklich auf Befehl der Offiziere die Wahl von drei Vertrauens-Männern, welche für die ganze Kompagnie die Wahlmänner ernennen, wie in den übrigen Kasernen auch in der Dominikaner-Kaserne (8te Artilleriebrigade) für jede der 7 Kompagnieen stattgefunden.
Daß diese Wahl eine förmlich ungesetzliche ist, ein Gewaltstreich des oder der Offiziere, die das angeordnet haben, weiß Jeder, der die Wahlbestimmungen auch nur ein Mal gelesen hat.
Es wurden also gestern in der Domikaner-Kaserne insgesammt 21 Vertrauensmänner gewählt. Unter ihnen befinden sich 3 Kanoniere, 4-5 Bombardiere, 5-6 Feldwebel, die übrigen sind Unteroffiziere.
Um jedoch für Montag, 22. Januar, einen Schimmer von Gesetzlichkeit zu retten, hat man in folgender Art weiter operirt:
Jene 21 Vertrauensmänner wurden noch gestern versammelt und es erging an sie der Befehl, sofort die Wahlmänner für die hier kasernirten Artillerie-Kompagnieen zu ernennen.
Die Stimmzettel wurden daher unter diese 21 „Vertrauens-männer“ vertheilt und zur Wahlhandlung geschritten.
Durch diese süperbe Erfindung eines ganz neuen Wahldestillations-Apparates aus der bekannten Fabrik „mit Gott für König und Junkerschaft“ wurden folgende fünf Wahlmänner aus dem „schwarzweißen“ Destillirkolben herausgetrieben:
1) Hr. Hauptmann Lengsfeld (6te Komp. 8te Brig.)
2) Hr. Sergeant Dörner (5te Komp. 8te Brig.)
3) Hr. Feldwebel Mork (8te Komp. 7te Brig.)
4) Hr. Feldwebel Ehlert (5te Komp. 8te Brig.)
5) Hr. Feldwebel Köbbling.
Nach Vollendung dieses gottbegnadeten Wahlmanövers wurden die Urwähler der 7 Kompagnieen zusammengerufen, ihnen erklärt, daß und welche Wahlmänner ernannt seien und ihnen befohlen, am Montag ihre Stimme ganz in der ihnen hier mitgetheilten Reihenfolge abzugeben. Zugleich wurde bemerklich gemacht, daß, wenn auch Einzelne (räudige Schafe) ja nicht Folge leisten sollten, die Wahl der 5 genannten Personen doch gesichert sei, da doch aller Berechnung nach die Mehrzahl in diesem gottseligen Sinne stimmen würden. Denn es sei ja nöthig, fromme Leute (preußisch-fromme! das Wupperthal kennt sie!) zu Wahlmännern zu nehmen, damit diese ihrerseits einen recht frommen (Eichhorn-Leo-Lämmel-brüderischen) Deputirten nach Berlin wählen hülfen.
Hr. Hauptmann Lengsfeld wohnte bis jetzt nicht in der Kaserne; wird aber noch vor oder am Montag hineinziehen, um „gewählt“ werden zu können.
Daß Wahlen, welche drei statt zwei Mal, und noch dazu in einer solchen Weise abdestillirt worden, keine Gültigkeit haben können, würde sich überall von selbst verstehen, nur nicht unter einer gottbegnadeten Regierung in Preußen.
Eine Frage zum Schluß:
Sollte jene ächt-preußische Erfindung sich denn bloß auf Köln beschränken? Ist nicht Tausend gegen Eins zu wetten, daß die prächtige Erfindung von oben herab patentirt und octroyirt und durch das ganze Land, in allen Kasernen und Garnisonen, ihre genaueste Anwendung par ordre du Mufti anbefohlen ist? Handelt es sich doch um ein Heer von mehr als 180,000 M. Zwar sollen nur 24jährige Personen an der Urwahl Theil nehmen, allein da unter dem Militär die Mehrzahl unter 24 Jahr ist, so könnte man in den Listen ein Nachsehen haben. Ist doch Niemand da, welcher diese Listen kontrolliren könnte.
Allein viel sicherer ist doch die Erfindung mit den drei Vertrauensmännern per Kompagnie, und was die Urwählerliste anbelangt, so wird man schon die nöthige Zahl herauszubringen wissen.
Hauptsache ist und bleibt, daß man durch die ganz frisch „von Säbels Gnaden“ octroyirten „Vertrauensmänner“ solche Wahl-
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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