Neue Rheinische Zeitung. Nr. 187. Köln, 5. Januar 1849.[Deutschland] [Fortsetzung] im dritten Wiederholungsfalle kann die gänzliche Ausschließung von der Arbeit eintreten. § 6. Wenn Arbeiter auf ihren Antrag oder zur Strafe entlassen werden, so findet ihre Bezahlung am nächsten regelmäßigen Zahltage nach dem Verhältnisse der von ihnen gefertigten Arbeit statt. § 7. Die erfolgte Entlassung des Arbeiters wird auf der Arbeitskarte vermerkt. -- Erfolgt die Entlassung zur Strafe, so wird dem Arbeiter nach Bewandtniß der Umstände die Wiederbeschäftigung auf der betreffenden Arbeitsstelle, oder bei allen städtischen Arbeiten versagt. § 8. Von der Strafenlassung der Arbeiter und deren Veranlassung wird die Polizeibehörde jedesmal in Kenntniß gesetzt. § 9. Haben die Arbeiter Beschwerden gegen den Bauaufsichtsbeamten zu führen, so ist solche durch eine erwählte, aus drei Arbeitern bestehende Deputation bei dem Stadtbaumeister anzubringen. Dieser untersucht den Gegenstand der Beschwerde an Ort und Stelle und entscheidet darüber. § 10. Die Arbeitszeit ist festgestellt von Morgens halb sieben Uhr bis Mittags 12 Uhr und von Nachmittags Ein Uhr bis Abends Dunkel. (Schöner Styl!) § 11. Unter diesen Bedingungen erhält der Arbeiter Beschäftigung. § 12. Die Zahlung wird am Samstag Nachmittag auf der Baustelle geleistet. Der vereidete Bauaufseher, zunächst Köln. [unleserliches Material] Unterschrift resp. Merkzeichen des Arbeiters. [unleserliches Material] Wird in die Abtheilung des p. p. gestellt und hat u. s. w. Unterschrift des Bauaufsehers. Können russische Erlasse von dem Selbstherrscher aller Reußen an seine Unterthanen asiatischer abgefaßt sein? Den städtischen und sogar "sämmtlichen städtischen Aufsichtsbeamten, welche zugleich als Polizeibeamte vereidet sind," ist "pünktliche Folge zu leisten. Unfolgsamkeit und Widersetzlichkeit ziehen sofortige Entlassung nach sich." Also vor allem passiver Gehorsam! Hinterher steht nach § 9 den Arbeitern das Recht zu, "Beschwerden bei dem Stadtbaumeister" zu führen. Dieser Pascha entscheidet unwiderruflich -- natürlich gegen die Arbeiter, schon im Interesse der Hierarchie. Und wenn er entschieden hat, wenn die Arbeiter dem städtischen Interdict verfallen sind -- wehe ihnen, sie werden alsdann unter Polizeiaufsicht gestellt. Der letzte Schein ihrer bürgerlichen Freiheit geht verloren, denn nach § 8 wird "die Polizeibehörde von der Strafentlassung der Arbeiter und deren Veranlassung jedesmal in Kenntniß gesetzt." Aber, meine Herren, wenn ihr den Arbeiter entlassen, wenn ihr ihm den Kontrakt gekündigt habt, worin er seine Arbeit gegen euern Lohn einsetzt, was hat die Polizei dann noch in aller Welt mit dieser Aufkündigung eines bürgerlichen Vertrags zu thun? Ist der städtische Arbeiter ein Zuchthaussträfling? Wird er der Polizei denuncirt, weil er die schuldige Ehrfurcht gegen euch, seine angeborne, wohlweise und edelmögende Obrigkeit verletzt hat? Würdet ihr den Bürger nicht verlachen, der euch der Polizei denuncirte, weil ihr diesen oder jenen Lieferungskontrakt gebrochen oder einen Wechsel nicht am Verfalltag ausgezahlt oder am Neujahrsabende über die Maßen getrunken habt? Aber allerdings! Dem Arbeiter -- gegenüber steht ihr nicht im bürgerlichen Vertragsverhältnisse, ihr thront über ihm mit aller Gereiztheit der Herren von Gottesgnaden! Die Polizei soll in eurem Dienste Konduitenliste über ihn führen. Nach § 5 wird, wer 10 Minuten zu spät kömmt, um einen halben Arbeitstag bestraft. Welch' Verhältniß zwischen Vergehn und Strafe! Ihr habt euch um Jahrhunderte verspätet und der Arbeiter soll nicht 10 Minuten nach halb sieben Uhr sich einfinden dürfen, ohne einen halben Arbeitstag zu verlieren? Damit endlich diese patriarchalische Willkühr in keiner Weise beeinträchtigt wird und der Arbeiter rein eurer Laune anheimfällt, habt ihr den Strafmodus möglichst dem Gutdünken eurer Livreebedienten anheimgestellt. In "geeigneten Fällen", d. h. in euch geeignet dünkenden Fällen, folgt nach § 4 der Entlassung und der Denunciation bei der Polizei "gesetzliche Verfolgung der Schuldigen bei den kompetenten Gerichten." Nach § 5 "kann" die gänzliche Ausschließung des Arbeiters erfolgen, wenn er zum drittenmale 10 Minuten nach halb sieben zu spät kommt. Bei der Entlassung zur Strafe "wird" nach § 7 "dem Arbeiter nach Bewandtniß der Umstände die Beschäftigung auf der betreffenden Arbeitsstelle, oder bei allen städtischen Arbeiten versagt." u. s. w. u. s. w. Welcher Spielraum für die Launen des verstimmten Bourgeois in diesem Kriminalkodex unsrer städtischen Catone, dieser großen Männer, die vor Berlin im Staube wedeln! Man mag aus diesem Mustergesetze ersehn, welche Charte unsre Bourgeoisie, säße sie am Ruder, dem Volke oktroyiren würde. 104 Aus dem Siegkreis, 1. Jan. In der Kölnerin vom 29. v. Mts. werden zuerst die Wahlorte des Regierungsbezirks Köln genannt und darin dem Siegkreis als Wahlort seiner Abgeordneten die Stadt Bonn angewiesen; es erregt dies hier im Kreise allgemein viel Aufsehen, indem man es als eine Maßregel der Regierung betrachtet und die Sache nicht anders klar machen kann, als daß der Kreis für seine ersten radikalen Wahlen nun veranlaßt werden soll, seine Wahlmänner 7 bis 8 Stunden mit der in jetziger Jahreszeit sehr beschwerlichen Rheinüberfahrt, nach der gelehrten Stadt Bonn zu senden um vielleicht durch besondere Ränke und Umtriebe den Herrn Bauerband, Walther oder ähnliche Krebse mitzuwählen. Der Siegkreis zählt 78,000 Einwohner, und der Bonner die Hälfte, die Majorität schlägt man also hier zu der Minorität! Aehnlich hat die Regierung Düsseldorf für seine Wahlen theils mit Elberfeld, theils mit Duisburg zusammengekoppelt. Vom Hunsrücken, 30. Dezember. Welcher Mittel sich die Bureaukratie bedient, um die "Wühler" zahm zu machen, geht aus folgendem amtlichen Aktenstücke hervor, das wir der Euriosität halber hier wörtlich veröffentlichen. "Mittelst Decrets vom 16. d. M., Nr. 5887, hat der königl. Landrath zu Zell bestimmt, daß Ihnen pro 1849 die polizeiliche Concession zum Schenkwirthschaftsbetriebe aus den Gründen nicht ertheilt werden könne, weil Sie an den im Laufe dieses Jahres hier stattgehabten Wühlereien thätigen Antheil genommen, der preußische Adler in Ihrem Hause mit der deutschen Kokarde überzogen worden sei und weil sie bei der hier eigenmächtig vorgenommenen Wahl neuer Vorsteher den Rädels- und Protokollführer abgegeben und somit auf den Umsturz der bestehenden Verfassung thätig hingewirkt haben. Hiernach wäre Ihnen also vom 1. Jan. 1849 ab der Betrieb der Schenkwirthschaft untersagt, wonach Sie sich zu achten haben. Blankerath, den 25. Dezember 1848. Der Bürgermeister: (gez.) Verkoyen. An den Wirth (Gastwirth) Johann Peter Nikolay in Blankerath." (Rh.- u. M.-Z.) 103 Münster, 1. Januar. Die Ungerechtigkeit, mit welcher die hiesigen politischen Untersuchungen geführt werden, hat ihren Höhepunkt in der Gefangenschaft des Buchhändlers Wundermann und Lieuten. a. D. Stricker erreicht. Der Erstere hat die inkriminirten Schriftstücke: ein Plakat und die Auszüge der Kongreßverhandlungen gedruckt; die Verfasser und diejenigen, welche den Auftrag zum Druck gegeben, haben sich frei und offen dazu bekannt; -- der O.-L.-G.-Referendar Jacobi stellte sich sogar freiwillig, um den Wundermann zu befreien. Allein, man hält ihn trotz der inmittelst erschienenen neuen Verfassung fest, welche den Drucker außer Verantwortlichkeit setzt, falls nicht seine Mitschuld "durch andere Thatsachen" festgestellt wird. Diese Thatsachen sollen nun rücksichtlich des Plakats vorliegen. Wäre dies auch der Fall, so könnte die Haft nicht gerechtfertigt sein, weil die wahrscheinliche Strafe unmöglich ein halbes Jahr übersteigen wird, und das Gesetz die Haft nur vorschreibt, wenn die wahrscheinliche Strafe eine dreijährige ist. Aber solche Thatsachen liegen durchaus nicht vor. Das Gericht sieht sie darin, daß Wundermann den Inhalt gekannt. Allein sollte nicht der Drucker immer den Inhalt kennen? Wäre nicht der §. 26 der Verfassungs-Urkunde bei solcher Auslegung immer eine Täuschung? Wissen ist keine Thatsache; -- das Gesetz kann darunter nur eine mit Absicht auf das Verbrechen gerichtete Handlung verstehen. Das begreift Jedermann, nur nicht der Fanatismus in Münster. Es ist aber auch gar nicht erwiesen, daß Wundermann den ziemlich unschuldigen Inhalt des Plakats gekannt hat -- geschweige, daß er des angeblich Verbrecherischen sich bewußt gewesen. Eine allenfallsige anfängliche Weigerung des Druckes kann in ganz andern Motiven ihren Grund haben; z. B. in dem Geldpunkte u. s. w. Vollends unerheblich ist die Denunziation des Justiz-Commissars Aemrich, wornach sich Wundermann bei ihm wegen des Drucks entschuldigt haben soll. -- Abgesehen davon, daß in dieser Denunziation die Verletzung eines Amtsgeheimnisses liegt, ist sie völlig unerheblich. Kürzlich ist der 90 Jahre alte Vater des Wundermann aus Bestürzung gestorben -- der Sohn konnte ihm die Augen nicht zudrücken. Aber es hilft Alles nichts: Wundermann -- der freisinnige Verleger -- giebt doch die münstersche neue Zeitung, die Volkshalle heraus. 76 Münster, 2. Januar. Außer der Verhaftung Wundermann's ist die des Lieutenant a. D. Stricker die ungerechteste und unnützeste. Bei Wundermann begreifen und wissen wir die Wuth der heiligen Hermandad. Er ist der einzige Buchhändler in Münster, bei welchem ein freisinniges zeitgemäßes Buch zu finden ist, der andere Sachen verlegt als Gebetbücher. Aber der 72 Jahre alte Stricker, der gemüthliche Erzähler seiner Kriegsfahrten, der Mann des Maßes und der Ruhe, womit hat denn der den Allmächtigen beleidigt? Wir wissen es nicht; wir wissen nur, daß er Abgeordneter des westphälischen Kongresses gewesen, ohne ein Wort gesagt zu haben, so daß er nicht mehr schuldig ist, als die übrigen Kongreßmitglieder, welche nicht einmal in Untersuchung genommen sind. Wir hören ferner, daß er in einen Sicherheitsausschuß zu ganz unschuldigen Zwecken von einer Volksversammlung gewählt ist, und daß er in dieser Eigenschaft einmal mit mehren Andern eine Petition an den kommandirenden General gegen die Beschränkung des Associationsrechtes der Soldaten überreicht hat. Das ist seine ganze Wirksamkeit gewesen. Daß das Gericht selbst die Sache für Spaß hält, beweiset der Umstand, daß nicht die übrigen Mitglieder dieses Ausschusses verhaftet oder in Untersuchung genommen sind. Herr Stricker ist 72 Jahre alt. In den schlechten dumpfen Zellen des Zuchthauses ist ihm der baldige Untergang gewiß. Wir wissen nicht, ob der Arzt des Zuchthauses, welcher im Begriffe steht, Regierungs-Medizinal-Rath zu werden, dies jetzt sehen kann. 29 Cleve, 2, Jan. Ein Vergnügen eigener Art muß doch eine Untersuchung sein. Es ist schon lange her, schon anderthalb Monat, da war hier eine Volksversammlung; dort ist nun auch viel und manches gesprochen worden; alle Anwesenden erklärten, "höchst gemüthlich" mit der Nationalversammlung in Berlin zu stehen und zu fallen; ein unschuldiges Anekdötchen wurde erzählt, wie die Friemersheimer es gemacht, als die Deichschaugelder von ihnen verweigert wurden. Einer sagte: der Minister Manteuffel ist ein wahrer Teufel von Minister und ein anderer wollte die Axt an den Baum gelegt wissen. Außerdem ist der Versuch gemacht worden, durch eine Adresse den König und Herrn von Gottes Gnaden zu bewegen, doch den mißliebigen Herrn Brandenburg sammt Manteuffel gnädigst zu entlassen. Zu guter Letzt schickten dann auch die versammelten Landwehrleute eine Zuschrift direkt an das Ministerium, mit dem darin ausgesprochenen Wunsche, es es möge doch gefälligst abdanken, sonst würden die Landwehrleute ernstlich böse werden. Das ist der ganze, gewiß unschuldige Sachverhalt. Das gegenwärtig grassirende Loyalitätsfieber hat nun aber auch in dieser Stadt mehrere bespornte, bebrillte, katzenfreundliche, mit rothen Vögeln liebäugelnde Menschen ergriffen, die sich in Folge besagten Fiebers als Denunzianten, Spione und dergleichen Gelichter geriren, wie tolle Böcke durch alle Wirthshäuser rennen und durch allerlei Anzeigen eine Untersuchung hervorrufen. Für die erste Kammer hat man so recht keinen Kandidaten hier in der Gegend. Zwar haben wir einen liebenswürdigen Landrath einen Freiherrn von Haeften, der schon als Referendar in Hamm für die Einheit Deutschlands schwärmte, im März 1848 für die Freiheit sich begeisterte und für dieselbe glühte, auch schon früher im Jahre der Gnade 1838 als Instruktionsrichter sich die Liebe vieler Bewohner Cleve's zu erwerben wußte, aber! der Mann ist ja Landrath und lieben wir ihn viel zu sehr als daß wir ihn einer Gefahr aussetzen sollten, da bekanntlich in neuester Zeit, Landräthe und andere Räthe ihren Posten gar zu leicht verlieren können. Es ist auch noch ein Herr von der Mosel da, emeritirter Landrath und ganz geheimer Regierungsrath, aber der Mann ist alt; trotzdem würde er den Posten wohl annehmen, wenn daß Vaterland ihn riefe; man fürchtet: die Wahlmänner werden ihn nicht rufen. Stadt und Umgegend Cleve denkt augenblicklich viel an Waldeck. 68 Berlin, 2. Jan. Wie zu erwarten stand, hat unsere jetzt in vollster Gemeinheit der Gesinnung florirende Bourgeoisie die banale Gelegenheit des Jahreswechsels sich nicht entschlüpfen lassen, ohne einen neuen Beweis ihres jetzt plötzlich zu Muth gekommenen Loyalismus abzugeben. In etwa 80 Bezirken unserer Stadt waren die Herren Bourgeois zusammengetreten und hatten per Bezirk einen Abgeordneten erwählt, welche gemeinschaftlich unserm oktroyirt konstitutionellen Staats-Oberhaupt ihre Huldigung als wohlgefälliges Opfer zum neuen Jahre darbringen sollten. Die 80 Herolde der Berliner Bourgeois-Loyalität haben denn auch heute Morgen das unschätzbare Glück einer Allerhöchst gnädigsten Audienz in Potsdam gehabt und fließen seitdem von demüthig stolzer Begeisterung und enthusiastischer Lobpreisung allerhöchster Gnade und huldvollen Empfanges über. Wer nur hören wollte und auch wer es nicht wollte, konnte an der Börse heute schon erfahren, wie Freude strahlend das Allerhöchste Gesicht beim Empfang der Deputation war: "Es hat Mir eine unaussprechlich lebhafte Freude bereitet, Sie, meine Herren, so zahlreich als Deputation bei Mir zu empfangen. Denn Ich erkenne darin den Ausdruck der echtpreußischen Liebe und Treue zum Königshaus, der Mir auch von Ihren Gesichtern so freundlich und stärkend entgegen leuchtet. Ihre Anwesenheit freuet Mich um so mehr, weil Sie als Vertreter Meiner Hauptstadt kommen, aus der Mir in diesen letzten trüben Zeiten nicht immer der Ausdruck der Gesinnung entgegen gekommen ist, die Ich nach Meiner innigen und treuen Liebe zu Meinem Volke zu erwarten ein Recht hatte. Glauben Sie, m. H., Ihr König meint es ehrlich und wahr mit Ihnen. Ich bin ein so warmer Freund des Fortschrittes als irgend Einer in Meinem Lande. Auch Meine Losung heißt: Vorwärts! Aber, m. H., wie der Schiffer auf dem unwirthlichen Faden des Meeres die unverrückbaren Sterne des Himmels sich zu Leitern nimmt, nach denen er seine gefährliche mühevolle Fahrt lenkt, so wollen auch wir an zwei ewig leuchtenden, ewig festen Normen auf unserer politischen Bahn festhalten: die Liebe und die Treue; die Liebe und die Treue des Königs zu seinem Volke, des Volkes zu seinem Könige. Lassen Sie uns in dieser Gesinnung das neue Jahr beginnen und vollenden und die neue Laufbahn, die unser gemeinsames Vaterland betreten, wird uns Alle zum Heile, wird uns vorwärts führen." So ungefähr hörten wir die Allerhöchsten Worte wiedergeben. Und wie denn das Redehalten die charakteristische Krankheit unserer Zeit ist, so fühlten sich auch des, beim Empfang der Deputation anwesenden Prinzen von Preußen, Königl. Hoheit, Allergnädigst bewogen, der Deputation der Berliner Bourgeois die Versicherung zu geben, daß Allerhöchst Dero unfreiwillige Mission nach England nicht ohne Früchte geblieben. Er habe das staatliche Wesen des ältesten konstitutionellen Reiches in Europa ernstlich und gründlich bis in die feinsten Einzelheiten und Nüancen hinein studirt und sei in Folge dessen als ein ehrlicher und warmer Anhänger der Constitution zurückgekehrt. Indessen verstand er auch diesmal an den theoretischen Wiederbelebungsversuch, der vom Lande längst selig entschlafen geglaubten Camphausenschen Lüge eine gute praktische Insinuation zu knüpfen. Er entließ nämlich die Deputation mit folgenden Worten: "Seien nun auch Sie, m. H., fortan ehrliche Constitutionelle und bekunden Sie dies glänzend, indem Sie bei den vorstehenden, für die Zukunft unseres Vaterlandes so entscheidenden Wahlen, Ihre Stimmen nur gesinnungstüchtigen, echtkonstitutionellen, ihrem Könige und Lande mit gleich wahrer Treue anhängenden Männern geben." Die Nutzanwendung werden wir wahrscheinlich in, mit erneuter Stärke betriebenen reaktionären Wahlwühlereien erhalten. Die Wahlagitationen gehen fortwährend ihren geheimen Gang; reaktionärerseits scheinen jedoch die Erfolge bisher nicht sehr glänzend zu sein. So sehen wir z. B. aus einem von Buchhändler Reimarus unterzeichneten lithogr. Circular, daß die Harkortsche "Ansprache an die Urwähler" in einer Bezirksversammlung nicht unterschrieben worden, man dieselbe daher in den Häusern kolportirt und die Unterzeichnung durch gleichgesinnte Männer erbettelt. Andererseits dagegen begünstigt freilich unser liebenswürdiger Magistrat die reaktionäre Partei auf jede mögliche Weise und namentlich dadurch, daß er die reaktionärsten Männer der Bezirke zu Wahlkommissarien ernennt. Dagegen hat das Centralkomite für volksthümliche Wahlen im Preußischen Staate eine Ansprache an die Wähler erlassen, worin es sie auf die Wichtigkeit der Wahl im Allgemeinen aufmerksam macht und nach einer kurzen Kritik des Manteuffelschen Erlasses an die Regierungs-Präsidenten betreffs der Wahlen, die Verfassung und deren Bestimmungen über die beiden Kammern, ihre Attributionen und die der Regierung vorbehaltenen Macht bespricht. Die Ansprache schließt folgendermaßen: ""Eine der bestehenden Verfassung zugethane Volksvertretung"" sollt Ihr wählen nach dem Willen der Regierung, eine Volksvertretung, die diese Verfassung als ein Gnadengeschenk freudig begrüßt, welche die darin bewilligten Freiheiten für genügend, vielleicht für mehr als genügend erachtet, eine Volksversammlung, die den Zwecken dieser Regierung dient, gegen welche das Volk durch seine Vertreter einmüthigen Widerspruch erhoben hat. "Mitbürger! Eure Pflicht ist eine andere. Männer müßt Ihr wählen, die entschlossen sind mit aller Thatkraft dahin zu wirken daß die Verfassung nicht nur den Schein einer volksthümlichen an sich trage, sondern wahrhaft volksthümlich sei. Solche Männer werden dahin streben, daß die Verfassung nicht nur auf dem Papiere stehe, sondern daß sie durch den schleunigsten Erlaß der zu ihrer Einführung nothwendigen, vom Geiste der Freiheit eingegebenen Gesetze zur Wahrheit werden und Leben gewinnen könne. Solche Männer müßt Ihr wählen: nicht Kämpfer für die Absichten der Regierung, sondern Kämpfer, treue und feste Kämpfer für die Freiheit des Volkes." * Berlin, 2. Januar. Wie dünn und spärlich der Stoff ist, um von hier aus Mittheilungen zu machen: davon hat ein Korrespondent den besten Begriff. Wenn Sie mir's nicht glauben sollten, so verweise ich im Verzweiflungsfalle auf der "Preuß-Staats-Anz." Dieser pauvre Geselle ist durch Stoffmangel so weit heruntergekommen, daß er den Fabrik-Kehricht der Preußen und ähnlicher Vereine "mit Gott für Könige und Junkerschaft", den er bisher in einer Art von Schaamanwandlung hintenhin oder in eine Beilage -- versteht sich auf Kosten der Steuerzahlenden -- zusammenstopfte, jetzt schon auf der ersten Seite paradiren läßt. Wenn ich somit für heute schließe, bin ich vollkommen gerechtfertigt. * Berlin, 2. Jan. Auch in Berlin muß der National das Feld räumen. Arago, der französische Gesandte ist abberufen und an seiner Stelle zieht der Prinz von der Moskowa, Sohn des Marschall Ney, als Kaiserlicher in Berlin ein. 121 Wien, 28. Dez. (Verspätet.) Das einst so berüchtigte wiener Volks-, vielmehr Schlaraffen-Leben, d. h. die Orgien und Saturnalien einer liederlichen Aristokratie und haute finance, verbunden mit den brutalen Genüssen der unteren Volksschichten, feierten früher ihre Glanzperiode in der Zeit zwischen Sonntag nach Dreikönigen und Aschermittwoch, d. h. in der Faschingszeit. Da gab's überall nichts wie Jubel, und die Zerstreuungen wuchsen auf, unter und über dem Erdboden in Miriaden empor. Die Bourgeoisie erntete, die Aristokratie und das Volk verschwendeten. Elysium, Odeon, Sperl, Sophienbad, der k. k. Redoutensaal, unzählige kleinere Berühmtheiten, waren die Tummelplätze des wiener Geistes bei Nacht und bei Tage. Ein Verzicht auf diese Zeit ist für den Wiener daher etwas undenkbares, riesenhaftes; und dennoch muß er diesmal verzichten. Die feige Bourgeoisie wollte den Belagerungszustand ewig dauern lassen, da erinnerte sie sich der Faschingszeit und seiner Verdienste. Damit ist der Belagerungszustand unverträglich, schrie sie, er muß aufgehoben werden! Selbst der in jeder Art von unterwürfiger Hündischkeit sich überbietende Gemeinderath sah es ein: der Belagerungszustand und die Faschingszeit können nicht nebeneinander bestehen; wir werden eher Rebellen! Gesagt, gethan. Eine Deputation dieses Gemeinderaths begibt sich zu Welden und trägt ihm ihr Faschingsanliegen vor. Der sieht sie mit staunender Verachtung, deren Folgen mancher auf dem Heimwege erst verspürt haben mag, von oben bis unten an und meint: Er habe erwartet, daß der Bürgerstand statt einer so tollen Anforderung sich lieber entschlossen, um Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes zu bitten, und könne ihm nur bedeuten, daß er in Wien noch viel zu viel zu thun habe, um seine närrische Bitte auch nur im entferntesten zu berücksichtigen, bevor nicht der vormärzliche Zustand vollkommen wiederhergestellt sei. Der Gemeinderath zog mit Schrecken ab, denn Welden hatte ihn im standrechtlichen Tone angefahren. Um der Bevölkerung von Wien aber jede fernere Illusion zu benehmen, ja sie durch erfundene Behauptungen einzuschrecken, und den Belagerungszustand nebst Standrecht ad graecas calendas zu legitimiren, erließ Herr Welden sofort folgende saubere Kundmachung, die Ihnen einen Begriff von der banditenmäßigen Pulver- und Blei- [Deutschland] [Fortsetzung] im dritten Wiederholungsfalle kann die gänzliche Ausschließung von der Arbeit eintreten. § 6. Wenn Arbeiter auf ihren Antrag oder zur Strafe entlassen werden, so findet ihre Bezahlung am nächsten regelmäßigen Zahltage nach dem Verhältnisse der von ihnen gefertigten Arbeit statt. § 7. Die erfolgte Entlassung des Arbeiters wird auf der Arbeitskarte vermerkt. — Erfolgt die Entlassung zur Strafe, so wird dem Arbeiter nach Bewandtniß der Umstände die Wiederbeschäftigung auf der betreffenden Arbeitsstelle, oder bei allen städtischen Arbeiten versagt. § 8. Von der Strafenlassung der Arbeiter und deren Veranlassung wird die Polizeibehörde jedesmal in Kenntniß gesetzt. § 9. Haben die Arbeiter Beschwerden gegen den Bauaufsichtsbeamten zu führen, so ist solche durch eine erwählte, aus drei Arbeitern bestehende Deputation bei dem Stadtbaumeister anzubringen. Dieser untersucht den Gegenstand der Beschwerde an Ort und Stelle und entscheidet darüber. § 10. Die Arbeitszeit ist festgestellt von Morgens halb sieben Uhr bis Mittags 12 Uhr und von Nachmittags Ein Uhr bis Abends Dunkel. (Schöner Styl!) § 11. Unter diesen Bedingungen erhält der Arbeiter Beschäftigung. § 12. Die Zahlung wird am Samstag Nachmittag auf der Baustelle geleistet. Der vereidete Bauaufseher, zunächst Köln. [unleserliches Material] Unterschrift resp. Merkzeichen des Arbeiters. [unleserliches Material] Wird in die Abtheilung des p. p. gestellt und hat u. s. w. Unterschrift des Bauaufsehers. Können russische Erlasse von dem Selbstherrscher aller Reußen an seine Unterthanen asiatischer abgefaßt sein? Den städtischen und sogar „sämmtlichen städtischen Aufsichtsbeamten, welche zugleich als Polizeibeamte vereidet sind,“ ist „pünktliche Folge zu leisten. Unfolgsamkeit und Widersetzlichkeit ziehen sofortige Entlassung nach sich.“ Also vor allem passiver Gehorsam! Hinterher steht nach § 9 den Arbeitern das Recht zu, „Beschwerden bei dem Stadtbaumeister“ zu führen. Dieser Pascha entscheidet unwiderruflich — natürlich gegen die Arbeiter, schon im Interesse der Hierarchie. Und wenn er entschieden hat, wenn die Arbeiter dem städtischen Interdict verfallen sind — wehe ihnen, sie werden alsdann unter Polizeiaufsicht gestellt. Der letzte Schein ihrer bürgerlichen Freiheit geht verloren, denn nach § 8 wird „die Polizeibehörde von der Strafentlassung der Arbeiter und deren Veranlassung jedesmal in Kenntniß gesetzt.“ Aber, meine Herren, wenn ihr den Arbeiter entlassen, wenn ihr ihm den Kontrakt gekündigt habt, worin er seine Arbeit gegen euern Lohn einsetzt, was hat die Polizei dann noch in aller Welt mit dieser Aufkündigung eines bürgerlichen Vertrags zu thun? Ist der städtische Arbeiter ein Zuchthaussträfling? Wird er der Polizei denuncirt, weil er die schuldige Ehrfurcht gegen euch, seine angeborne, wohlweise und edelmögende Obrigkeit verletzt hat? Würdet ihr den Bürger nicht verlachen, der euch der Polizei denuncirte, weil ihr diesen oder jenen Lieferungskontrakt gebrochen oder einen Wechsel nicht am Verfalltag ausgezahlt oder am Neujahrsabende über die Maßen getrunken habt? Aber allerdings! Dem Arbeiter — gegenüber steht ihr nicht im bürgerlichen Vertragsverhältnisse, ihr thront über ihm mit aller Gereiztheit der Herren von Gottesgnaden! Die Polizei soll in eurem Dienste Konduitenliste über ihn führen. Nach § 5 wird, wer 10 Minuten zu spät kömmt, um einen halben Arbeitstag bestraft. Welch' Verhältniß zwischen Vergehn und Strafe! Ihr habt euch um Jahrhunderte verspätet und der Arbeiter soll nicht 10 Minuten nach halb sieben Uhr sich einfinden dürfen, ohne einen halben Arbeitstag zu verlieren? Damit endlich diese patriarchalische Willkühr in keiner Weise beeinträchtigt wird und der Arbeiter rein eurer Laune anheimfällt, habt ihr den Strafmodus möglichst dem Gutdünken eurer Livrèebedienten anheimgestellt. In „geeigneten Fällen“, d. h. in euch geeignet dünkenden Fällen, folgt nach § 4 der Entlassung und der Denunciation bei der Polizei „gesetzliche Verfolgung der Schuldigen bei den kompetenten Gerichten.“ Nach § 5 „kann“ die gänzliche Ausschließung des Arbeiters erfolgen, wenn er zum drittenmale 10 Minuten nach halb sieben zu spät kommt. Bei der Entlassung zur Strafe „wird“ nach § 7 „dem Arbeiter nach Bewandtniß der Umstände die Beschäftigung auf der betreffenden Arbeitsstelle, oder bei allen städtischen Arbeiten versagt.“ u. s. w. u. s. w. Welcher Spielraum für die Launen des verstimmten Bourgeois in diesem Kriminalkodex unsrer städtischen Catone, dieser großen Männer, die vor Berlin im Staube wedeln! Man mag aus diesem Mustergesetze ersehn, welche Charte unsre Bourgeoisie, säße sie am Ruder, dem Volke oktroyiren würde. 104 Aus dem Siegkreis, 1. Jan. In der Kölnerin vom 29. v. Mts. werden zuerst die Wahlorte des Regierungsbezirks Köln genannt und darin dem Siegkreis als Wahlort seiner Abgeordneten die Stadt Bonn angewiesen; es erregt dies hier im Kreise allgemein viel Aufsehen, indem man es als eine Maßregel der Regierung betrachtet und die Sache nicht anders klar machen kann, als daß der Kreis für seine ersten radikalen Wahlen nun veranlaßt werden soll, seine Wahlmänner 7 bis 8 Stunden mit der in jetziger Jahreszeit sehr beschwerlichen Rheinüberfahrt, nach der gelehrten Stadt Bonn zu senden um vielleicht durch besondere Ränke und Umtriebe den Herrn Bauerband, Walther oder ähnliche Krebse mitzuwählen. Der Siegkreis zählt 78,000 Einwohner, und der Bonner die Hälfte, die Majorität schlägt man also hier zu der Minorität! Aehnlich hat die Regierung Düsseldorf für seine Wahlen theils mit Elberfeld, theils mit Duisburg zusammengekoppelt. Vom Hunsrücken, 30. Dezember. Welcher Mittel sich die Bureaukratie bedient, um die „Wühler“ zahm zu machen, geht aus folgendem amtlichen Aktenstücke hervor, das wir der Euriosität halber hier wörtlich veröffentlichen. „Mittelst Decrets vom 16. d. M., Nr. 5887, hat der königl. Landrath zu Zell bestimmt, daß Ihnen pro 1849 die polizeiliche Concession zum Schenkwirthschaftsbetriebe aus den Gründen nicht ertheilt werden könne, weil Sie an den im Laufe dieses Jahres hier stattgehabten Wühlereien thätigen Antheil genommen, der preußische Adler in Ihrem Hause mit der deutschen Kokarde überzogen worden sei und weil sie bei der hier eigenmächtig vorgenommenen Wahl neuer Vorsteher den Rädels- und Protokollführer abgegeben und somit auf den Umsturz der bestehenden Verfassung thätig hingewirkt haben. Hiernach wäre Ihnen also vom 1. Jan. 1849 ab der Betrieb der Schenkwirthschaft untersagt, wonach Sie sich zu achten haben. Blankerath, den 25. Dezember 1848. Der Bürgermeister: (gez.) Verkoyen. An den Wirth (Gastwirth) Johann Peter Nikolay in Blankerath.“ (Rh.- u. M.-Z.) 103 Münster, 1. Januar. Die Ungerechtigkeit, mit welcher die hiesigen politischen Untersuchungen geführt werden, hat ihren Höhepunkt in der Gefangenschaft des Buchhändlers Wundermann und Lieuten. a. D. Stricker erreicht. Der Erstere hat die inkriminirten Schriftstücke: ein Plakat und die Auszüge der Kongreßverhandlungen gedruckt; die Verfasser und diejenigen, welche den Auftrag zum Druck gegeben, haben sich frei und offen dazu bekannt; — der O.-L.-G.-Referendar Jacobi stellte sich sogar freiwillig, um den Wundermann zu befreien. Allein, man hält ihn trotz der inmittelst erschienenen neuen Verfassung fest, welche den Drucker außer Verantwortlichkeit setzt, falls nicht seine Mitschuld „durch andere Thatsachen“ festgestellt wird. Diese Thatsachen sollen nun rücksichtlich des Plakats vorliegen. Wäre dies auch der Fall, so könnte die Haft nicht gerechtfertigt sein, weil die wahrscheinliche Strafe unmöglich ein halbes Jahr übersteigen wird, und das Gesetz die Haft nur vorschreibt, wenn die wahrscheinliche Strafe eine dreijährige ist. Aber solche Thatsachen liegen durchaus nicht vor. Das Gericht sieht sie darin, daß Wundermann den Inhalt gekannt. Allein sollte nicht der Drucker immer den Inhalt kennen? Wäre nicht der §. 26 der Verfassungs-Urkunde bei solcher Auslegung immer eine Täuschung? Wissen ist keine Thatsache; — das Gesetz kann darunter nur eine mit Absicht auf das Verbrechen gerichtete Handlung verstehen. Das begreift Jedermann, nur nicht der Fanatismus in Münster. Es ist aber auch gar nicht erwiesen, daß Wundermann den ziemlich unschuldigen Inhalt des Plakats gekannt hat — geschweige, daß er des angeblich Verbrecherischen sich bewußt gewesen. Eine allenfallsige anfängliche Weigerung des Druckes kann in ganz andern Motiven ihren Grund haben; z. B. in dem Geldpunkte u. s. w. Vollends unerheblich ist die Denunziation des Justiz-Commissars Aemrich, wornach sich Wundermann bei ihm wegen des Drucks entschuldigt haben soll. — Abgesehen davon, daß in dieser Denunziation die Verletzung eines Amtsgeheimnisses liegt, ist sie völlig unerheblich. Kürzlich ist der 90 Jahre alte Vater des Wundermann aus Bestürzung gestorben — der Sohn konnte ihm die Augen nicht zudrücken. Aber es hilft Alles nichts: Wundermann — der freisinnige Verleger — giebt doch die münstersche neue Zeitung, die Volkshalle heraus. 76 Münster, 2. Januar. Außer der Verhaftung Wundermann's ist die des Lieutenant a. D. Stricker die ungerechteste und unnützeste. Bei Wundermann begreifen und wissen wir die Wuth der heiligen Hermandad. Er ist der einzige Buchhändler in Münster, bei welchem ein freisinniges zeitgemäßes Buch zu finden ist, der andere Sachen verlegt als Gebetbücher. Aber der 72 Jahre alte Stricker, der gemüthliche Erzähler seiner Kriegsfahrten, der Mann des Maßes und der Ruhe, womit hat denn der den Allmächtigen beleidigt? Wir wissen es nicht; wir wissen nur, daß er Abgeordneter des westphälischen Kongresses gewesen, ohne ein Wort gesagt zu haben, so daß er nicht mehr schuldig ist, als die übrigen Kongreßmitglieder, welche nicht einmal in Untersuchung genommen sind. Wir hören ferner, daß er in einen Sicherheitsausschuß zu ganz unschuldigen Zwecken von einer Volksversammlung gewählt ist, und daß er in dieser Eigenschaft einmal mit mehren Andern eine Petition an den kommandirenden General gegen die Beschränkung des Associationsrechtes der Soldaten überreicht hat. Das ist seine ganze Wirksamkeit gewesen. Daß das Gericht selbst die Sache für Spaß hält, beweiset der Umstand, daß nicht die übrigen Mitglieder dieses Ausschusses verhaftet oder in Untersuchung genommen sind. Herr Stricker ist 72 Jahre alt. In den schlechten dumpfen Zellen des Zuchthauses ist ihm der baldige Untergang gewiß. Wir wissen nicht, ob der Arzt des Zuchthauses, welcher im Begriffe steht, Regierungs-Medizinal-Rath zu werden, dies jetzt sehen kann. 29 Cleve, 2, Jan. Ein Vergnügen eigener Art muß doch eine Untersuchung sein. Es ist schon lange her, schon anderthalb Monat, da war hier eine Volksversammlung; dort ist nun auch viel und manches gesprochen worden; alle Anwesenden erklärten, „höchst gemüthlich“ mit der Nationalversammlung in Berlin zu stehen und zu fallen; ein unschuldiges Anekdötchen wurde erzählt, wie die Friemersheimer es gemacht, als die Deichschaugelder von ihnen verweigert wurden. Einer sagte: der Minister Manteuffel ist ein wahrer Teufel von Minister und ein anderer wollte die Axt an den Baum gelegt wissen. Außerdem ist der Versuch gemacht worden, durch eine Adresse den König und Herrn von Gottes Gnaden zu bewegen, doch den mißliebigen Herrn Brandenburg sammt Manteuffel gnädigst zu entlassen. Zu guter Letzt schickten dann auch die versammelten Landwehrleute eine Zuschrift direkt an das Ministerium, mit dem darin ausgesprochenen Wunsche, es es möge doch gefälligst abdanken, sonst würden die Landwehrleute ernstlich böse werden. Das ist der ganze, gewiß unschuldige Sachverhalt. Das gegenwärtig grassirende Loyalitätsfieber hat nun aber auch in dieser Stadt mehrere bespornte, bebrillte, katzenfreundliche, mit rothen Vögeln liebäugelnde Menschen ergriffen, die sich in Folge besagten Fiebers als Denunzianten, Spione und dergleichen Gelichter geriren, wie tolle Böcke durch alle Wirthshäuser rennen und durch allerlei Anzeigen eine Untersuchung hervorrufen. Für die erste Kammer hat man so recht keinen Kandidaten hier in der Gegend. Zwar haben wir einen liebenswürdigen Landrath einen Freiherrn von Haeften, der schon als Referendar in Hamm für die Einheit Deutschlands schwärmte, im März 1848 für die Freiheit sich begeisterte und für dieselbe glühte, auch schon früher im Jahre der Gnade 1838 als Instruktionsrichter sich die Liebe vieler Bewohner Cleve's zu erwerben wußte, aber! der Mann ist ja Landrath und lieben wir ihn viel zu sehr als daß wir ihn einer Gefahr aussetzen sollten, da bekanntlich in neuester Zeit, Landräthe und andere Räthe ihren Posten gar zu leicht verlieren können. Es ist auch noch ein Herr von der Mosel da, emeritirter Landrath und ganz geheimer Regierungsrath, aber der Mann ist alt; trotzdem würde er den Posten wohl annehmen, wenn daß Vaterland ihn riefe; man fürchtet: die Wahlmänner werden ihn nicht rufen. Stadt und Umgegend Cleve denkt augenblicklich viel an Waldeck. 68 Berlin, 2. Jan. Wie zu erwarten stand, hat unsere jetzt in vollster Gemeinheit der Gesinnung florirende Bourgeoisie die banale Gelegenheit des Jahreswechsels sich nicht entschlüpfen lassen, ohne einen neuen Beweis ihres jetzt plötzlich zu Muth gekommenen Loyalismus abzugeben. In etwa 80 Bezirken unserer Stadt waren die Herren Bourgeois zusammengetreten und hatten per Bezirk einen Abgeordneten erwählt, welche gemeinschaftlich unserm oktroyirt konstitutionellen Staats-Oberhaupt ihre Huldigung als wohlgefälliges Opfer zum neuen Jahre darbringen sollten. Die 80 Herolde der Berliner Bourgeois-Loyalität haben denn auch heute Morgen das unschätzbare Glück einer Allerhöchst gnädigsten Audienz in Potsdam gehabt und fließen seitdem von demüthig stolzer Begeisterung und enthusiastischer Lobpreisung allerhöchster Gnade und huldvollen Empfanges über. Wer nur hören wollte und auch wer es nicht wollte, konnte an der Börse heute schon erfahren, wie Freude strahlend das Allerhöchste Gesicht beim Empfang der Deputation war: „Es hat Mir eine unaussprechlich lebhafte Freude bereitet, Sie, meine Herren, so zahlreich als Deputation bei Mir zu empfangen. Denn Ich erkenne darin den Ausdruck der echtpreußischen Liebe und Treue zum Königshaus, der Mir auch von Ihren Gesichtern so freundlich und stärkend entgegen leuchtet. Ihre Anwesenheit freuet Mich um so mehr, weil Sie als Vertreter Meiner Hauptstadt kommen, aus der Mir in diesen letzten trüben Zeiten nicht immer der Ausdruck der Gesinnung entgegen gekommen ist, die Ich nach Meiner innigen und treuen Liebe zu Meinem Volke zu erwarten ein Recht hatte. Glauben Sie, m. H., Ihr König meint es ehrlich und wahr mit Ihnen. Ich bin ein so warmer Freund des Fortschrittes als irgend Einer in Meinem Lande. Auch Meine Losung heißt: Vorwärts! Aber, m. H., wie der Schiffer auf dem unwirthlichen Faden des Meeres die unverrückbaren Sterne des Himmels sich zu Leitern nimmt, nach denen er seine gefährliche mühevolle Fahrt lenkt, so wollen auch wir an zwei ewig leuchtenden, ewig festen Normen auf unserer politischen Bahn festhalten: die Liebe und die Treue; die Liebe und die Treue des Königs zu seinem Volke, des Volkes zu seinem Könige. Lassen Sie uns in dieser Gesinnung das neue Jahr beginnen und vollenden und die neue Laufbahn, die unser gemeinsames Vaterland betreten, wird uns Alle zum Heile, wird uns vorwärts führen.“ So ungefähr hörten wir die Allerhöchsten Worte wiedergeben. Und wie denn das Redehalten die charakteristische Krankheit unserer Zeit ist, so fühlten sich auch des, beim Empfang der Deputation anwesenden Prinzen von Preußen, Königl. Hoheit, Allergnädigst bewogen, der Deputation der Berliner Bourgeois die Versicherung zu geben, daß Allerhöchst Dero unfreiwillige Mission nach England nicht ohne Früchte geblieben. Er habe das staatliche Wesen des ältesten konstitutionellen Reiches in Europa ernstlich und gründlich bis in die feinsten Einzelheiten und Nüancen hinein studirt und sei in Folge dessen als ein ehrlicher und warmer Anhänger der Constitution zurückgekehrt. Indessen verstand er auch diesmal an den theoretischen Wiederbelebungsversuch, der vom Lande längst selig entschlafen geglaubten Camphausenschen Lüge eine gute praktische Insinuation zu knüpfen. Er entließ nämlich die Deputation mit folgenden Worten: „Seien nun auch Sie, m. H., fortan ehrliche Constitutionelle und bekunden Sie dies glänzend, indem Sie bei den vorstehenden, für die Zukunft unseres Vaterlandes so entscheidenden Wahlen, Ihre Stimmen nur gesinnungstüchtigen, echtkonstitutionellen, ihrem Könige und Lande mit gleich wahrer Treue anhängenden Männern geben.“ Die Nutzanwendung werden wir wahrscheinlich in, mit erneuter Stärke betriebenen reaktionären Wahlwühlereien erhalten. Die Wahlagitationen gehen fortwährend ihren geheimen Gang; reaktionärerseits scheinen jedoch die Erfolge bisher nicht sehr glänzend zu sein. So sehen wir z. B. aus einem von Buchhändler Reimarus unterzeichneten lithogr. Circular, daß die Harkortsche „Ansprache an die Urwähler“ in einer Bezirksversammlung nicht unterschrieben worden, man dieselbe daher in den Häusern kolportirt und die Unterzeichnung durch gleichgesinnte Männer erbettelt. Andererseits dagegen begünstigt freilich unser liebenswürdiger Magistrat die reaktionäre Partei auf jede mögliche Weise und namentlich dadurch, daß er die reaktionärsten Männer der Bezirke zu Wahlkommissarien ernennt. Dagegen hat das Centralkomite für volksthümliche Wahlen im Preußischen Staate eine Ansprache an die Wähler erlassen, worin es sie auf die Wichtigkeit der Wahl im Allgemeinen aufmerksam macht und nach einer kurzen Kritik des Manteuffelschen Erlasses an die Regierungs-Präsidenten betreffs der Wahlen, die Verfassung und deren Bestimmungen über die beiden Kammern, ihre Attributionen und die der Regierung vorbehaltenen Macht bespricht. Die Ansprache schließt folgendermaßen: „„Eine der bestehenden Verfassung zugethane Volksvertretung““ sollt Ihr wählen nach dem Willen der Regierung, eine Volksvertretung, die diese Verfassung als ein Gnadengeschenk freudig begrüßt, welche die darin bewilligten Freiheiten für genügend, vielleicht für mehr als genügend erachtet, eine Volksversammlung, die den Zwecken dieser Regierung dient, gegen welche das Volk durch seine Vertreter einmüthigen Widerspruch erhoben hat. „Mitbürger! Eure Pflicht ist eine andere. Männer müßt Ihr wählen, die entschlossen sind mit aller Thatkraft dahin zu wirken daß die Verfassung nicht nur den Schein einer volksthümlichen an sich trage, sondern wahrhaft volksthümlich sei. Solche Männer werden dahin streben, daß die Verfassung nicht nur auf dem Papiere stehe, sondern daß sie durch den schleunigsten Erlaß der zu ihrer Einführung nothwendigen, vom Geiste der Freiheit eingegebenen Gesetze zur Wahrheit werden und Leben gewinnen könne. Solche Männer müßt Ihr wählen: nicht Kämpfer für die Absichten der Regierung, sondern Kämpfer, treue und feste Kämpfer für die Freiheit des Volkes.“ * Berlin, 2. Januar. Wie dünn und spärlich der Stoff ist, um von hier aus Mittheilungen zu machen: davon hat ein Korrespondent den besten Begriff. Wenn Sie mir's nicht glauben sollten, so verweise ich im Verzweiflungsfalle auf der „Preuß-Staats-Anz.“ Dieser pauvre Geselle ist durch Stoffmangel so weit heruntergekommen, daß er den Fabrik-Kehricht der Preußen und ähnlicher Vereine „mit Gott für Könige und Junkerschaft“, den er bisher in einer Art von Schaamanwandlung hintenhin oder in eine Beilage — versteht sich auf Kosten der Steuerzahlenden — zusammenstopfte, jetzt schon auf der ersten Seite paradiren läßt. Wenn ich somit für heute schließe, bin ich vollkommen gerechtfertigt. * Berlin, 2. Jan. Auch in Berlin muß der National das Feld räumen. Arago, der französische Gesandte ist abberufen und an seiner Stelle zieht der Prinz von der Moskowa, Sohn des Marschall Ney, als Kaiserlicher in Berlin ein. 121 Wien, 28. Dez. (Verspätet.) Das einst so berüchtigte wiener Volks-, vielmehr Schlaraffen-Leben, d. h. die Orgien und Saturnalien einer liederlichen Aristokratie und haute finance, verbunden mit den brutalen Genüssen der unteren Volksschichten, feierten früher ihre Glanzperiode in der Zeit zwischen Sonntag nach Dreikönigen und Aschermittwoch, d. h. in der Faschingszeit. Da gab's überall nichts wie Jubel, und die Zerstreuungen wuchsen auf, unter und über dem Erdboden in Miriaden empor. Die Bourgeoisie erntete, die Aristokratie und das Volk verschwendeten. Elysium, Odeon, Sperl, Sophienbad, der k. k. Redoutensaal, unzählige kleinere Berühmtheiten, waren die Tummelplätze des wiener Geistes bei Nacht und bei Tage. Ein Verzicht auf diese Zeit ist für den Wiener daher etwas undenkbares, riesenhaftes; und dennoch muß er diesmal verzichten. Die feige Bourgeoisie wollte den Belagerungszustand ewig dauern lassen, da erinnerte sie sich der Faschingszeit und seiner Verdienste. Damit ist der Belagerungszustand unverträglich, schrie sie, er muß aufgehoben werden! Selbst der in jeder Art von unterwürfiger Hündischkeit sich überbietende Gemeinderath sah es ein: der Belagerungszustand und die Faschingszeit können nicht nebeneinander bestehen; wir werden eher Rebellen! Gesagt, gethan. Eine Deputation dieses Gemeinderaths begibt sich zu Welden und trägt ihm ihr Faschingsanliegen vor. Der sieht sie mit staunender Verachtung, deren Folgen mancher auf dem Heimwege erst verspürt haben mag, von oben bis unten an und meint: Er habe erwartet, daß der Bürgerstand statt einer so tollen Anforderung sich lieber entschlossen, um Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes zu bitten, und könne ihm nur bedeuten, daß er in Wien noch viel zu viel zu thun habe, um seine närrische Bitte auch nur im entferntesten zu berücksichtigen, bevor nicht der vormärzliche Zustand vollkommen wiederhergestellt sei. Der Gemeinderath zog mit Schrecken ab, denn Welden hatte ihn im standrechtlichen Tone angefahren. Um der Bevölkerung von Wien aber jede fernere Illusion zu benehmen, ja sie durch erfundene Behauptungen einzuschrecken, und den Belagerungszustand nebst Standrecht ad graecas calendas zu legitimiren, erließ Herr Welden sofort folgende saubere Kundmachung, die Ihnen einen Begriff von der banditenmäßigen Pulver- und Blei- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="1008"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar187_004" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> im dritten Wiederholungsfalle <hi rendition="#g">kann</hi> die gänzliche Ausschließung von der Arbeit eintreten.</p> <p>§ 6. Wenn Arbeiter auf ihren Antrag oder zur Strafe entlassen werden, so findet ihre Bezahlung am nächsten regelmäßigen Zahltage nach dem Verhältnisse der von ihnen gefertigten Arbeit statt.</p> <p>§ 7. Die erfolgte Entlassung des Arbeiters wird auf der Arbeitskarte vermerkt. — Erfolgt die Entlassung zur Strafe, so wird dem Arbeiter nach <hi rendition="#g">Bewandtniß der Umstände</hi> die Wiederbeschäftigung auf der betreffenden Arbeitsstelle, oder bei allen städtischen Arbeiten versagt.</p> <p>§ 8. Von der Strafenlassung der Arbeiter und deren Veranlassung wird die <hi rendition="#g">Polizeibehörde</hi> jedesmal in Kenntniß gesetzt.</p> <p>§ 9. Haben die Arbeiter <hi rendition="#g">Beschwerden gegen den Bauaufsichtsbeamten</hi> zu führen, so ist solche durch eine erwählte, aus drei Arbeitern bestehende Deputation bei dem <hi rendition="#g">Stadtbaumeister</hi> anzubringen. Dieser untersucht den Gegenstand der Beschwerde an Ort und Stelle und <hi rendition="#g">entscheidet darüber</hi>.</p> <p>§ 10. Die Arbeitszeit ist festgestellt von Morgens halb sieben Uhr bis Mittags 12 Uhr und von Nachmittags Ein Uhr bis Abends Dunkel. (Schöner Styl!)</p> <p>§ 11. Unter diesen Bedingungen erhält der Arbeiter Beschäftigung.</p> <p>§ 12. Die Zahlung wird am Samstag Nachmittag auf der Baustelle geleistet.</p> <p>Der vereidete Bauaufseher, zunächst<lb/> dessen Anordnungen Folge zu leisten.</p> <p><hi rendition="#g">Köln</hi>.</p> <p><gap reason="illegible"/> Unterschrift resp. Merkzeichen des Arbeiters.</p> <p><gap reason="illegible"/> Wird in die Abtheilung des p. p. gestellt und hat u. s. w.</p> <p>Unterschrift des Bauaufsehers.</p> <p>Können <hi rendition="#g">russische</hi> Erlasse von dem Selbstherrscher aller Reußen an seine Unterthanen asiatischer abgefaßt sein?</p> <p>Den städtischen und sogar „<hi rendition="#g">sämmtlichen städtischen</hi> Aufsichtsbeamten, welche zugleich als <hi rendition="#g">Polizeibeamte</hi> vereidet sind,“ ist „pünktliche Folge zu leisten. <hi rendition="#g">Unfolgsamkeit</hi> und <hi rendition="#g">Widersetzlichkeit</hi> ziehen <hi rendition="#g">sofortige</hi> Entlassung nach sich.“ Also vor allem <hi rendition="#g">passiver Gehorsam!</hi> Hinterher steht nach § 9 den Arbeitern das Recht zu, „Beschwerden bei dem <hi rendition="#g">Stadtbaumeister</hi>“ zu führen. Dieser Pascha entscheidet unwiderruflich — natürlich <hi rendition="#g">gegen die Arbeiter,</hi> schon im Interesse der Hierarchie. Und wenn er entschieden hat, wenn die Arbeiter dem städtischen Interdict verfallen sind — wehe ihnen, sie werden alsdann unter <hi rendition="#g">Polizeiaufsicht</hi> gestellt. Der letzte Schein ihrer bürgerlichen Freiheit geht verloren, denn nach § 8 wird „die <hi rendition="#g">Polizeibehörde</hi> von der Strafentlassung der Arbeiter und deren Veranlassung jedesmal in Kenntniß gesetzt.“</p> <p>Aber, meine Herren, wenn ihr den Arbeiter entlassen, wenn ihr ihm den Kontrakt gekündigt habt, worin er <hi rendition="#g">seine Arbeit</hi> gegen <hi rendition="#g">euern Lohn</hi> einsetzt, was hat die <hi rendition="#g">Polizei</hi> dann noch in aller Welt mit dieser Aufkündigung eines <hi rendition="#g">bürgerlichen Vertrags</hi> zu thun? Ist der städtische Arbeiter ein Zuchthaussträfling? Wird er der <hi rendition="#g">Polizei denuncirt,</hi> weil er die schuldige Ehrfurcht gegen euch, seine angeborne, wohlweise und edelmögende Obrigkeit verletzt hat? Würdet ihr den Bürger nicht verlachen, der euch der <hi rendition="#g">Polizei denuncirte,</hi> weil ihr diesen oder jenen Lieferungskontrakt gebrochen oder einen Wechsel nicht am Verfalltag ausgezahlt oder am Neujahrsabende über die Maßen getrunken habt? Aber allerdings! Dem Arbeiter — gegenüber steht ihr nicht im bürgerlichen Vertragsverhältnisse, ihr thront über ihm mit aller Gereiztheit der <hi rendition="#g">Herren von Gottesgnaden!</hi> Die Polizei soll in eurem Dienste Konduitenliste über ihn führen.</p> <p>Nach § 5 wird, wer <hi rendition="#g">10 Minuten</hi> zu spät kömmt, um einen <hi rendition="#g">halben Arbeitstag</hi> bestraft. Welch' Verhältniß zwischen Vergehn und Strafe! Ihr habt euch um <hi rendition="#g">Jahrhunderte</hi> verspätet und der Arbeiter soll nicht <hi rendition="#g">10 Minuten</hi> nach halb sieben Uhr sich einfinden dürfen, ohne einen <hi rendition="#g">halben Arbeitstag</hi> zu verlieren?</p> <p>Damit endlich diese patriarchalische Willkühr in keiner Weise beeinträchtigt wird und der Arbeiter rein eurer Laune anheimfällt, habt ihr den Strafmodus möglichst dem Gutdünken eurer Livrèebedienten anheimgestellt. In „<hi rendition="#g">geeigneten</hi> Fällen“, d. h. in euch geeignet dünkenden Fällen, folgt nach § 4 der Entlassung und der Denunciation bei der Polizei „gesetzliche Verfolgung der Schuldigen bei den kompetenten Gerichten.“ Nach § 5 „<hi rendition="#g">kann</hi>“ die gänzliche Ausschließung des Arbeiters erfolgen, wenn er zum drittenmale 10 Minuten nach halb sieben zu spät kommt. Bei der Entlassung zur Strafe „wird“ nach § 7 „dem Arbeiter nach <hi rendition="#g">Bewandtniß der Umstände</hi> die Beschäftigung auf der <hi rendition="#g">betreffenden</hi> Arbeitsstelle, oder bei <hi rendition="#g">allen</hi> städtischen Arbeiten versagt.“ u. s. w. u. s. w.</p> <p>Welcher Spielraum für die Launen des verstimmten Bourgeois in diesem Kriminalkodex unsrer städtischen Catone, dieser großen Männer, die vor Berlin im Staube wedeln!</p> <p>Man mag aus diesem Mustergesetze ersehn, <hi rendition="#g">welche Charte unsre Bourgeoisie,</hi> säße sie am Ruder, dem <hi rendition="#g">Volke oktroyiren würde</hi>.</p> </div> <div xml:id="ar187_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>104</author></bibl> Aus dem Siegkreis, 1. Jan.</head> <p>In der Kölnerin vom 29. v. Mts. werden zuerst die Wahlorte des Regierungsbezirks Köln genannt und darin dem Siegkreis als Wahlort seiner Abgeordneten die Stadt Bonn angewiesen; es erregt dies hier im Kreise allgemein viel Aufsehen, indem man es als eine Maßregel der Regierung betrachtet und die Sache nicht anders klar machen kann, als daß der Kreis für seine ersten radikalen Wahlen nun veranlaßt werden soll, seine Wahlmänner 7 bis 8 Stunden mit der in jetziger Jahreszeit sehr beschwerlichen Rheinüberfahrt, nach der gelehrten Stadt Bonn zu senden um vielleicht durch besondere Ränke und Umtriebe den Herrn Bauerband, Walther oder ähnliche Krebse mitzuwählen. Der Siegkreis zählt 78,000 Einwohner, und der Bonner die Hälfte, die Majorität schlägt man also hier zu der Minorität!</p> <p>Aehnlich hat die Regierung Düsseldorf für seine Wahlen theils mit Elberfeld, theils mit Duisburg zusammengekoppelt.</p> </div> <div xml:id="ar187_006" type="jArticle"> <head>Vom Hunsrücken, 30. Dezember.</head> <p>Welcher Mittel sich die Bureaukratie bedient, um die „Wühler“ zahm zu machen, geht aus folgendem amtlichen Aktenstücke hervor, das wir der Euriosität halber hier wörtlich veröffentlichen.</p> <p>„Mittelst Decrets vom 16. d. M., Nr. 5887, hat der königl. Landrath zu Zell bestimmt, daß Ihnen pro 1849 die polizeiliche Concession zum Schenkwirthschaftsbetriebe aus den Gründen nicht ertheilt werden könne, weil Sie an den im Laufe dieses Jahres hier stattgehabten <hi rendition="#g">Wühlereien</hi> thätigen Antheil genommen, der preußische Adler in Ihrem Hause <hi rendition="#g">mit der deutschen Kokarde überzogen worden sei</hi> und weil sie bei der hier eigenmächtig vorgenommenen Wahl neuer Vorsteher den Rädels- und Protokollführer abgegeben und somit auf den Umsturz der bestehenden Verfassung thätig hingewirkt haben. Hiernach wäre Ihnen also vom 1. Jan. 1849 ab der Betrieb der Schenkwirthschaft untersagt, wonach Sie sich zu achten haben. <hi rendition="#g">Blankerath,</hi> den 25. Dezember 1848. Der Bürgermeister: (gez.) <hi rendition="#g">Verkoyen</hi>. An den Wirth (Gastwirth) Johann Peter Nikolay in Blankerath.“</p> <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar187_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Münster, 1. Januar.</head> <p>Die Ungerechtigkeit, mit welcher die hiesigen politischen Untersuchungen geführt werden, hat ihren Höhepunkt in der Gefangenschaft des Buchhändlers Wundermann und Lieuten. a. D. Stricker erreicht. Der Erstere hat die inkriminirten Schriftstücke: ein Plakat und die Auszüge der Kongreßverhandlungen gedruckt; die Verfasser und diejenigen, welche den Auftrag zum Druck gegeben, haben sich frei und offen dazu bekannt; — der O.-L.-G.-Referendar Jacobi stellte sich sogar freiwillig, um den Wundermann zu befreien.</p> <p>Allein, man hält ihn trotz der inmittelst erschienenen neuen Verfassung fest, welche den Drucker außer Verantwortlichkeit setzt, falls nicht seine Mitschuld „durch andere Thatsachen“ festgestellt wird.</p> <p>Diese Thatsachen sollen nun rücksichtlich des Plakats vorliegen.</p> <p>Wäre dies auch der Fall, so könnte die Haft nicht gerechtfertigt sein, weil die wahrscheinliche Strafe unmöglich ein halbes Jahr übersteigen wird, und das Gesetz die Haft nur vorschreibt, wenn die wahrscheinliche Strafe eine dreijährige ist.</p> <p>Aber solche Thatsachen liegen durchaus nicht vor.</p> <p>Das Gericht sieht sie darin, daß Wundermann den Inhalt gekannt. Allein sollte nicht der Drucker immer den Inhalt kennen? Wäre nicht der §. 26 der Verfassungs-Urkunde bei solcher Auslegung immer eine Täuschung? Wissen ist keine Thatsache; — das Gesetz kann darunter nur eine mit Absicht auf das Verbrechen gerichtete Handlung verstehen.</p> <p>Das begreift Jedermann, nur nicht der Fanatismus in Münster.</p> <p>Es ist aber auch gar nicht erwiesen, daß Wundermann den ziemlich unschuldigen Inhalt des Plakats gekannt hat — geschweige, daß er des angeblich Verbrecherischen sich bewußt gewesen.</p> <p>Eine allenfallsige anfängliche Weigerung des Druckes kann in ganz andern Motiven ihren Grund haben; z. B. in dem Geldpunkte u. s. w. Vollends unerheblich ist die Denunziation des Justiz-Commissars Aemrich, wornach sich Wundermann bei ihm wegen des Drucks entschuldigt haben soll. — Abgesehen davon, daß in dieser Denunziation die Verletzung eines Amtsgeheimnisses liegt, ist sie völlig unerheblich.</p> <p>Kürzlich ist der 90 Jahre alte Vater des Wundermann aus Bestürzung gestorben — der Sohn konnte ihm die Augen nicht zudrücken.</p> <p>Aber es hilft Alles nichts: Wundermann — der freisinnige Verleger — giebt doch die münstersche neue Zeitung, die Volkshalle heraus.</p> </div> <div xml:id="ar187_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>76</author></bibl> Münster, 2. Januar.</head> <p>Außer der Verhaftung Wundermann's ist die des Lieutenant a. D. Stricker die ungerechteste und unnützeste. Bei Wundermann begreifen und wissen wir die Wuth der heiligen Hermandad. Er ist der einzige Buchhändler in Münster, bei welchem ein freisinniges zeitgemäßes Buch zu finden ist, der andere Sachen verlegt als Gebetbücher.</p> <p>Aber der 72 Jahre alte Stricker, der gemüthliche Erzähler seiner Kriegsfahrten, der Mann des Maßes und der Ruhe, womit hat denn der den Allmächtigen beleidigt? Wir wissen es nicht; wir wissen nur, daß er Abgeordneter des westphälischen Kongresses gewesen, ohne ein Wort gesagt zu haben, so daß er nicht mehr schuldig ist, als die übrigen Kongreßmitglieder, welche nicht einmal in Untersuchung genommen sind. Wir hören ferner, daß er in einen Sicherheitsausschuß zu ganz unschuldigen Zwecken von einer Volksversammlung gewählt ist, und daß er in dieser Eigenschaft einmal mit mehren Andern eine Petition an den kommandirenden General gegen die Beschränkung des Associationsrechtes der Soldaten überreicht hat.</p> <p>Das ist seine ganze Wirksamkeit gewesen.</p> <p>Daß das Gericht selbst die Sache für Spaß hält, beweiset der Umstand, daß nicht die übrigen Mitglieder dieses Ausschusses verhaftet oder in Untersuchung genommen sind.</p> <p>Herr Stricker ist 72 Jahre alt. In den schlechten dumpfen Zellen des Zuchthauses ist ihm der baldige Untergang gewiß. Wir wissen nicht, ob der Arzt des Zuchthauses, welcher im Begriffe steht, Regierungs-Medizinal-Rath zu werden, dies jetzt sehen kann.</p> </div> <div xml:id="ar187_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>29</author></bibl> Cleve, 2, Jan.</head> <p>Ein Vergnügen eigener Art muß doch eine Untersuchung sein. Es ist schon lange her, schon anderthalb Monat, da war hier eine Volksversammlung; dort ist nun auch viel und manches gesprochen worden; alle Anwesenden erklärten, „höchst gemüthlich“ mit der Nationalversammlung in Berlin zu stehen und zu fallen; ein unschuldiges Anekdötchen wurde erzählt, wie die Friemersheimer es gemacht, als die Deichschaugelder von ihnen verweigert wurden. Einer sagte: der Minister Manteuffel ist ein wahrer Teufel von Minister und ein anderer wollte die Axt an den Baum gelegt wissen. Außerdem ist der Versuch gemacht worden, durch eine Adresse den König und Herrn von Gottes Gnaden zu bewegen, doch den mißliebigen Herrn Brandenburg sammt Manteuffel gnädigst zu entlassen. Zu guter Letzt schickten dann auch die versammelten Landwehrleute eine Zuschrift direkt an das Ministerium, mit dem darin ausgesprochenen Wunsche, es es möge doch gefälligst abdanken, sonst würden die Landwehrleute ernstlich böse werden. Das ist der ganze, gewiß unschuldige Sachverhalt.</p> <p>Das gegenwärtig grassirende Loyalitätsfieber hat nun aber auch in dieser Stadt mehrere bespornte, bebrillte, katzenfreundliche, mit rothen Vögeln liebäugelnde Menschen ergriffen, die sich in Folge besagten Fiebers als Denunzianten, Spione und dergleichen Gelichter geriren, wie tolle Böcke durch alle Wirthshäuser rennen und durch allerlei Anzeigen eine Untersuchung hervorrufen.</p> <p>Für die erste Kammer hat man so recht keinen Kandidaten hier in der Gegend. Zwar haben wir einen liebenswürdigen Landrath einen Freiherrn von Haeften, der schon als Referendar in Hamm für die Einheit Deutschlands schwärmte, im März 1848 für die Freiheit sich begeisterte und für dieselbe glühte, auch schon früher im Jahre der Gnade 1838 als Instruktionsrichter sich die Liebe vieler Bewohner Cleve's zu erwerben wußte, aber! der Mann ist ja Landrath und lieben wir ihn viel zu sehr als daß wir ihn einer Gefahr aussetzen sollten, da bekanntlich in neuester Zeit, Landräthe und andere Räthe ihren Posten gar zu leicht verlieren können. Es ist auch noch ein Herr von der Mosel da, emeritirter Landrath und ganz geheimer Regierungsrath, aber der Mann ist alt; trotzdem würde er den Posten wohl annehmen, wenn daß Vaterland ihn riefe; man fürchtet: die Wahlmänner werden ihn nicht rufen. Stadt und Umgegend Cleve denkt augenblicklich viel an Waldeck.</p> </div> <div xml:id="ar187_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 2. Jan.</head> <p>Wie zu erwarten stand, hat unsere jetzt in vollster Gemeinheit der Gesinnung florirende Bourgeoisie die banale Gelegenheit des Jahreswechsels sich nicht entschlüpfen lassen, ohne einen neuen Beweis ihres jetzt plötzlich zu Muth gekommenen Loyalismus abzugeben. In etwa 80 Bezirken unserer Stadt waren die Herren Bourgeois zusammengetreten und hatten per Bezirk einen Abgeordneten erwählt, welche gemeinschaftlich unserm oktroyirt konstitutionellen Staats-Oberhaupt ihre Huldigung als wohlgefälliges Opfer zum neuen Jahre darbringen sollten. Die 80 Herolde der Berliner Bourgeois-Loyalität haben denn auch heute Morgen das unschätzbare Glück einer Allerhöchst gnädigsten Audienz in Potsdam gehabt und fließen seitdem von demüthig stolzer Begeisterung und enthusiastischer Lobpreisung allerhöchster Gnade und huldvollen Empfanges über. Wer nur hören wollte und auch wer es nicht wollte, konnte an der Börse heute schon erfahren, wie Freude strahlend das Allerhöchste Gesicht beim Empfang der Deputation war:</p> <p>„Es hat Mir eine unaussprechlich lebhafte Freude bereitet, Sie, meine Herren, so zahlreich als Deputation bei Mir zu empfangen. Denn Ich erkenne darin den Ausdruck der echtpreußischen Liebe und Treue zum Königshaus, der Mir auch von Ihren Gesichtern so freundlich und stärkend entgegen leuchtet. Ihre Anwesenheit freuet Mich um so mehr, weil Sie als Vertreter Meiner Hauptstadt kommen, aus der Mir in diesen letzten trüben Zeiten nicht immer der Ausdruck <hi rendition="#g">der</hi> Gesinnung entgegen gekommen ist, die Ich nach Meiner innigen und treuen Liebe zu Meinem Volke zu erwarten ein Recht hatte. Glauben Sie, m. H., Ihr König meint es ehrlich und wahr mit Ihnen. Ich bin ein so warmer Freund des Fortschrittes als irgend Einer in Meinem Lande. Auch Meine Losung heißt: <hi rendition="#g">Vorwärts!</hi> Aber, m. H., wie der Schiffer auf dem unwirthlichen Faden des Meeres die unverrückbaren Sterne des Himmels sich zu Leitern nimmt, nach denen er seine gefährliche mühevolle Fahrt lenkt, so wollen auch wir an zwei ewig leuchtenden, ewig festen Normen auf unserer politischen Bahn festhalten: die Liebe und die Treue; die Liebe und die Treue des Königs zu seinem Volke, des Volkes zu seinem Könige. Lassen Sie uns in dieser Gesinnung das neue Jahr beginnen und vollenden und die neue Laufbahn, die unser gemeinsames Vaterland betreten, wird uns Alle zum Heile, wird uns vorwärts führen.“</p> <p>So ungefähr hörten wir die Allerhöchsten Worte wiedergeben. Und wie denn das Redehalten die charakteristische Krankheit unserer Zeit ist, so fühlten sich auch des, beim Empfang der Deputation anwesenden Prinzen von Preußen, Königl. Hoheit, Allergnädigst bewogen, der Deputation der Berliner Bourgeois die Versicherung zu geben, daß Allerhöchst Dero unfreiwillige Mission nach England nicht ohne Früchte geblieben. Er habe das staatliche Wesen des ältesten konstitutionellen Reiches in Europa ernstlich und gründlich bis in die feinsten Einzelheiten und Nüancen hinein studirt und sei in Folge dessen als ein ehrlicher und warmer Anhänger der Constitution zurückgekehrt. Indessen verstand er auch diesmal an den theoretischen Wiederbelebungsversuch, der vom Lande längst selig entschlafen geglaubten Camphausenschen Lüge eine gute praktische Insinuation zu knüpfen. Er entließ nämlich die Deputation mit folgenden Worten:</p> <p>„Seien nun auch Sie, m. H., fortan ehrliche Constitutionelle und bekunden Sie dies glänzend, indem Sie bei den vorstehenden, für die Zukunft unseres Vaterlandes so entscheidenden Wahlen, Ihre Stimmen nur gesinnungstüchtigen, echtkonstitutionellen, ihrem Könige und Lande mit gleich wahrer Treue anhängenden Männern geben.“</p> <p>Die Nutzanwendung werden wir wahrscheinlich in, mit erneuter Stärke betriebenen reaktionären Wahlwühlereien erhalten.</p> <p>Die Wahlagitationen gehen fortwährend ihren geheimen Gang; reaktionärerseits scheinen jedoch die Erfolge bisher nicht sehr glänzend zu sein. So sehen wir z. B. aus einem von Buchhändler <hi rendition="#g">Reimarus</hi> unterzeichneten lithogr. Circular, daß die Harkortsche „Ansprache an die Urwähler“ in einer Bezirksversammlung <hi rendition="#g">nicht</hi> unterschrieben worden, man dieselbe daher in den Häusern kolportirt und die Unterzeichnung durch gleichgesinnte Männer erbettelt. Andererseits dagegen begünstigt freilich unser liebenswürdiger Magistrat die reaktionäre Partei auf jede mögliche Weise und namentlich dadurch, daß er die reaktionärsten Männer der Bezirke zu Wahlkommissarien ernennt.</p> <p>Dagegen hat das Centralkomite für volksthümliche Wahlen im Preußischen Staate eine Ansprache an die Wähler erlassen, worin es sie auf die Wichtigkeit der Wahl im Allgemeinen aufmerksam macht und nach einer kurzen Kritik des Manteuffelschen Erlasses an die Regierungs-Präsidenten betreffs der Wahlen, die Verfassung und deren Bestimmungen über die <hi rendition="#g">beiden</hi> Kammern, ihre Attributionen und die der Regierung vorbehaltenen Macht bespricht. Die Ansprache schließt folgendermaßen:</p> <p>„„Eine der bestehenden Verfassung zugethane Volksvertretung““ sollt Ihr wählen nach dem Willen der Regierung, eine Volksvertretung, die diese Verfassung als ein Gnadengeschenk freudig begrüßt, welche die darin bewilligten Freiheiten für genügend, vielleicht für mehr als genügend erachtet, eine Volksversammlung, die den Zwecken dieser Regierung dient, gegen welche das Volk durch seine Vertreter einmüthigen Widerspruch erhoben hat.</p> <p>„Mitbürger! Eure Pflicht ist eine andere. Männer müßt Ihr wählen, die entschlossen sind mit aller Thatkraft dahin zu wirken daß die Verfassung nicht nur den Schein einer volksthümlichen an sich trage, sondern wahrhaft volksthümlich sei. Solche Männer werden dahin streben, daß die Verfassung nicht nur auf dem Papiere stehe, sondern daß sie durch den schleunigsten Erlaß der zu ihrer Einführung nothwendigen, vom Geiste der Freiheit eingegebenen Gesetze zur Wahrheit werden und Leben gewinnen könne. Solche Männer müßt Ihr wählen: nicht Kämpfer für die Absichten der Regierung, sondern Kämpfer, treue und feste Kämpfer <hi rendition="#g">für die Freiheit des Volkes</hi>.“</p> </div> <div xml:id="ar187_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 2. Januar.</head> <p>Wie dünn und spärlich der Stoff ist, um von hier aus Mittheilungen zu machen: davon hat ein Korrespondent den besten Begriff. Wenn Sie mir's nicht glauben sollten, so verweise ich im Verzweiflungsfalle auf der „Preuß-Staats-Anz.“ Dieser pauvre Geselle ist durch Stoffmangel so weit heruntergekommen, daß er den Fabrik-Kehricht der Preußen und ähnlicher Vereine „mit Gott für Könige und Junkerschaft“, den er bisher in einer Art von Schaamanwandlung hintenhin oder in eine Beilage — versteht sich auf Kosten der Steuerzahlenden — zusammenstopfte, jetzt schon auf der ersten Seite paradiren läßt. Wenn ich somit für heute schließe, bin ich vollkommen gerechtfertigt.</p> </div> <div xml:id="ar187_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 2. Jan.</head> <p>Auch in Berlin muß der National das Feld räumen. Arago, der französische Gesandte ist abberufen und an seiner Stelle zieht der Prinz von der Moskowa, Sohn des Marschall Ney, als Kaiserlicher in Berlin ein.</p> </div> <div xml:id="ar187_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 28. Dez.</head> <p>(Verspätet.) Das einst so berüchtigte wiener Volks-, vielmehr Schlaraffen-Leben, d. h. die Orgien und Saturnalien einer liederlichen Aristokratie und haute finance, verbunden mit den brutalen Genüssen der unteren Volksschichten, feierten früher ihre Glanzperiode in der Zeit zwischen Sonntag nach Dreikönigen und Aschermittwoch, d. h. in der Faschingszeit. Da gab's überall nichts wie Jubel, und die Zerstreuungen wuchsen auf, unter und über dem Erdboden in Miriaden empor. Die Bourgeoisie erntete, die Aristokratie und das Volk verschwendeten. Elysium, Odeon, Sperl, Sophienbad, der k. k. Redoutensaal, unzählige kleinere Berühmtheiten, waren die Tummelplätze des wiener Geistes bei Nacht und bei Tage. Ein Verzicht auf diese Zeit ist für den Wiener daher etwas undenkbares, riesenhaftes; und dennoch muß er diesmal verzichten. Die feige Bourgeoisie wollte den Belagerungszustand ewig dauern lassen, da erinnerte sie sich der Faschingszeit und seiner Verdienste. Damit ist der Belagerungszustand unverträglich, schrie sie, er muß aufgehoben werden! Selbst der in jeder Art von unterwürfiger Hündischkeit sich überbietende Gemeinderath sah es ein: der Belagerungszustand und die Faschingszeit können nicht nebeneinander bestehen; wir werden eher Rebellen! Gesagt, gethan. Eine Deputation dieses Gemeinderaths begibt sich zu Welden und trägt ihm ihr Faschingsanliegen vor. Der sieht sie mit staunender Verachtung, deren Folgen mancher auf dem Heimwege erst verspürt haben mag, von oben bis unten an und meint: Er habe erwartet, daß der Bürgerstand statt einer so tollen Anforderung sich lieber entschlossen, um Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes zu bitten, und könne ihm nur bedeuten, daß er in Wien noch viel zu viel zu thun habe, um seine närrische Bitte auch nur im entferntesten zu berücksichtigen, bevor nicht der vormärzliche Zustand vollkommen wiederhergestellt sei. Der Gemeinderath zog mit Schrecken ab, denn Welden hatte ihn im standrechtlichen Tone angefahren. Um der Bevölkerung von Wien aber jede fernere Illusion zu benehmen, ja sie durch <hi rendition="#g">erfundene</hi> Behauptungen einzuschrecken, und den Belagerungszustand nebst Standrecht ad graecas calendas zu legitimiren, erließ Herr Welden sofort folgende saubere Kundmachung, die Ihnen einen Begriff von der banditenmäßigen Pulver- und Blei- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1008/0002]
[Deutschland] [Fortsetzung] im dritten Wiederholungsfalle kann die gänzliche Ausschließung von der Arbeit eintreten.
§ 6. Wenn Arbeiter auf ihren Antrag oder zur Strafe entlassen werden, so findet ihre Bezahlung am nächsten regelmäßigen Zahltage nach dem Verhältnisse der von ihnen gefertigten Arbeit statt.
§ 7. Die erfolgte Entlassung des Arbeiters wird auf der Arbeitskarte vermerkt. — Erfolgt die Entlassung zur Strafe, so wird dem Arbeiter nach Bewandtniß der Umstände die Wiederbeschäftigung auf der betreffenden Arbeitsstelle, oder bei allen städtischen Arbeiten versagt.
§ 8. Von der Strafenlassung der Arbeiter und deren Veranlassung wird die Polizeibehörde jedesmal in Kenntniß gesetzt.
§ 9. Haben die Arbeiter Beschwerden gegen den Bauaufsichtsbeamten zu führen, so ist solche durch eine erwählte, aus drei Arbeitern bestehende Deputation bei dem Stadtbaumeister anzubringen. Dieser untersucht den Gegenstand der Beschwerde an Ort und Stelle und entscheidet darüber.
§ 10. Die Arbeitszeit ist festgestellt von Morgens halb sieben Uhr bis Mittags 12 Uhr und von Nachmittags Ein Uhr bis Abends Dunkel. (Schöner Styl!)
§ 11. Unter diesen Bedingungen erhält der Arbeiter Beschäftigung.
§ 12. Die Zahlung wird am Samstag Nachmittag auf der Baustelle geleistet.
Der vereidete Bauaufseher, zunächst
dessen Anordnungen Folge zu leisten.
Köln.
_ Unterschrift resp. Merkzeichen des Arbeiters.
_ Wird in die Abtheilung des p. p. gestellt und hat u. s. w.
Unterschrift des Bauaufsehers.
Können russische Erlasse von dem Selbstherrscher aller Reußen an seine Unterthanen asiatischer abgefaßt sein?
Den städtischen und sogar „sämmtlichen städtischen Aufsichtsbeamten, welche zugleich als Polizeibeamte vereidet sind,“ ist „pünktliche Folge zu leisten. Unfolgsamkeit und Widersetzlichkeit ziehen sofortige Entlassung nach sich.“ Also vor allem passiver Gehorsam! Hinterher steht nach § 9 den Arbeitern das Recht zu, „Beschwerden bei dem Stadtbaumeister“ zu führen. Dieser Pascha entscheidet unwiderruflich — natürlich gegen die Arbeiter, schon im Interesse der Hierarchie. Und wenn er entschieden hat, wenn die Arbeiter dem städtischen Interdict verfallen sind — wehe ihnen, sie werden alsdann unter Polizeiaufsicht gestellt. Der letzte Schein ihrer bürgerlichen Freiheit geht verloren, denn nach § 8 wird „die Polizeibehörde von der Strafentlassung der Arbeiter und deren Veranlassung jedesmal in Kenntniß gesetzt.“
Aber, meine Herren, wenn ihr den Arbeiter entlassen, wenn ihr ihm den Kontrakt gekündigt habt, worin er seine Arbeit gegen euern Lohn einsetzt, was hat die Polizei dann noch in aller Welt mit dieser Aufkündigung eines bürgerlichen Vertrags zu thun? Ist der städtische Arbeiter ein Zuchthaussträfling? Wird er der Polizei denuncirt, weil er die schuldige Ehrfurcht gegen euch, seine angeborne, wohlweise und edelmögende Obrigkeit verletzt hat? Würdet ihr den Bürger nicht verlachen, der euch der Polizei denuncirte, weil ihr diesen oder jenen Lieferungskontrakt gebrochen oder einen Wechsel nicht am Verfalltag ausgezahlt oder am Neujahrsabende über die Maßen getrunken habt? Aber allerdings! Dem Arbeiter — gegenüber steht ihr nicht im bürgerlichen Vertragsverhältnisse, ihr thront über ihm mit aller Gereiztheit der Herren von Gottesgnaden! Die Polizei soll in eurem Dienste Konduitenliste über ihn führen.
Nach § 5 wird, wer 10 Minuten zu spät kömmt, um einen halben Arbeitstag bestraft. Welch' Verhältniß zwischen Vergehn und Strafe! Ihr habt euch um Jahrhunderte verspätet und der Arbeiter soll nicht 10 Minuten nach halb sieben Uhr sich einfinden dürfen, ohne einen halben Arbeitstag zu verlieren?
Damit endlich diese patriarchalische Willkühr in keiner Weise beeinträchtigt wird und der Arbeiter rein eurer Laune anheimfällt, habt ihr den Strafmodus möglichst dem Gutdünken eurer Livrèebedienten anheimgestellt. In „geeigneten Fällen“, d. h. in euch geeignet dünkenden Fällen, folgt nach § 4 der Entlassung und der Denunciation bei der Polizei „gesetzliche Verfolgung der Schuldigen bei den kompetenten Gerichten.“ Nach § 5 „kann“ die gänzliche Ausschließung des Arbeiters erfolgen, wenn er zum drittenmale 10 Minuten nach halb sieben zu spät kommt. Bei der Entlassung zur Strafe „wird“ nach § 7 „dem Arbeiter nach Bewandtniß der Umstände die Beschäftigung auf der betreffenden Arbeitsstelle, oder bei allen städtischen Arbeiten versagt.“ u. s. w. u. s. w.
Welcher Spielraum für die Launen des verstimmten Bourgeois in diesem Kriminalkodex unsrer städtischen Catone, dieser großen Männer, die vor Berlin im Staube wedeln!
Man mag aus diesem Mustergesetze ersehn, welche Charte unsre Bourgeoisie, säße sie am Ruder, dem Volke oktroyiren würde.
104 Aus dem Siegkreis, 1. Jan. In der Kölnerin vom 29. v. Mts. werden zuerst die Wahlorte des Regierungsbezirks Köln genannt und darin dem Siegkreis als Wahlort seiner Abgeordneten die Stadt Bonn angewiesen; es erregt dies hier im Kreise allgemein viel Aufsehen, indem man es als eine Maßregel der Regierung betrachtet und die Sache nicht anders klar machen kann, als daß der Kreis für seine ersten radikalen Wahlen nun veranlaßt werden soll, seine Wahlmänner 7 bis 8 Stunden mit der in jetziger Jahreszeit sehr beschwerlichen Rheinüberfahrt, nach der gelehrten Stadt Bonn zu senden um vielleicht durch besondere Ränke und Umtriebe den Herrn Bauerband, Walther oder ähnliche Krebse mitzuwählen. Der Siegkreis zählt 78,000 Einwohner, und der Bonner die Hälfte, die Majorität schlägt man also hier zu der Minorität!
Aehnlich hat die Regierung Düsseldorf für seine Wahlen theils mit Elberfeld, theils mit Duisburg zusammengekoppelt.
Vom Hunsrücken, 30. Dezember. Welcher Mittel sich die Bureaukratie bedient, um die „Wühler“ zahm zu machen, geht aus folgendem amtlichen Aktenstücke hervor, das wir der Euriosität halber hier wörtlich veröffentlichen.
„Mittelst Decrets vom 16. d. M., Nr. 5887, hat der königl. Landrath zu Zell bestimmt, daß Ihnen pro 1849 die polizeiliche Concession zum Schenkwirthschaftsbetriebe aus den Gründen nicht ertheilt werden könne, weil Sie an den im Laufe dieses Jahres hier stattgehabten Wühlereien thätigen Antheil genommen, der preußische Adler in Ihrem Hause mit der deutschen Kokarde überzogen worden sei und weil sie bei der hier eigenmächtig vorgenommenen Wahl neuer Vorsteher den Rädels- und Protokollführer abgegeben und somit auf den Umsturz der bestehenden Verfassung thätig hingewirkt haben. Hiernach wäre Ihnen also vom 1. Jan. 1849 ab der Betrieb der Schenkwirthschaft untersagt, wonach Sie sich zu achten haben. Blankerath, den 25. Dezember 1848. Der Bürgermeister: (gez.) Verkoyen. An den Wirth (Gastwirth) Johann Peter Nikolay in Blankerath.“
(Rh.- u. M.-Z.) 103 Münster, 1. Januar. Die Ungerechtigkeit, mit welcher die hiesigen politischen Untersuchungen geführt werden, hat ihren Höhepunkt in der Gefangenschaft des Buchhändlers Wundermann und Lieuten. a. D. Stricker erreicht. Der Erstere hat die inkriminirten Schriftstücke: ein Plakat und die Auszüge der Kongreßverhandlungen gedruckt; die Verfasser und diejenigen, welche den Auftrag zum Druck gegeben, haben sich frei und offen dazu bekannt; — der O.-L.-G.-Referendar Jacobi stellte sich sogar freiwillig, um den Wundermann zu befreien.
Allein, man hält ihn trotz der inmittelst erschienenen neuen Verfassung fest, welche den Drucker außer Verantwortlichkeit setzt, falls nicht seine Mitschuld „durch andere Thatsachen“ festgestellt wird.
Diese Thatsachen sollen nun rücksichtlich des Plakats vorliegen.
Wäre dies auch der Fall, so könnte die Haft nicht gerechtfertigt sein, weil die wahrscheinliche Strafe unmöglich ein halbes Jahr übersteigen wird, und das Gesetz die Haft nur vorschreibt, wenn die wahrscheinliche Strafe eine dreijährige ist.
Aber solche Thatsachen liegen durchaus nicht vor.
Das Gericht sieht sie darin, daß Wundermann den Inhalt gekannt. Allein sollte nicht der Drucker immer den Inhalt kennen? Wäre nicht der §. 26 der Verfassungs-Urkunde bei solcher Auslegung immer eine Täuschung? Wissen ist keine Thatsache; — das Gesetz kann darunter nur eine mit Absicht auf das Verbrechen gerichtete Handlung verstehen.
Das begreift Jedermann, nur nicht der Fanatismus in Münster.
Es ist aber auch gar nicht erwiesen, daß Wundermann den ziemlich unschuldigen Inhalt des Plakats gekannt hat — geschweige, daß er des angeblich Verbrecherischen sich bewußt gewesen.
Eine allenfallsige anfängliche Weigerung des Druckes kann in ganz andern Motiven ihren Grund haben; z. B. in dem Geldpunkte u. s. w. Vollends unerheblich ist die Denunziation des Justiz-Commissars Aemrich, wornach sich Wundermann bei ihm wegen des Drucks entschuldigt haben soll. — Abgesehen davon, daß in dieser Denunziation die Verletzung eines Amtsgeheimnisses liegt, ist sie völlig unerheblich.
Kürzlich ist der 90 Jahre alte Vater des Wundermann aus Bestürzung gestorben — der Sohn konnte ihm die Augen nicht zudrücken.
Aber es hilft Alles nichts: Wundermann — der freisinnige Verleger — giebt doch die münstersche neue Zeitung, die Volkshalle heraus.
76 Münster, 2. Januar. Außer der Verhaftung Wundermann's ist die des Lieutenant a. D. Stricker die ungerechteste und unnützeste. Bei Wundermann begreifen und wissen wir die Wuth der heiligen Hermandad. Er ist der einzige Buchhändler in Münster, bei welchem ein freisinniges zeitgemäßes Buch zu finden ist, der andere Sachen verlegt als Gebetbücher.
Aber der 72 Jahre alte Stricker, der gemüthliche Erzähler seiner Kriegsfahrten, der Mann des Maßes und der Ruhe, womit hat denn der den Allmächtigen beleidigt? Wir wissen es nicht; wir wissen nur, daß er Abgeordneter des westphälischen Kongresses gewesen, ohne ein Wort gesagt zu haben, so daß er nicht mehr schuldig ist, als die übrigen Kongreßmitglieder, welche nicht einmal in Untersuchung genommen sind. Wir hören ferner, daß er in einen Sicherheitsausschuß zu ganz unschuldigen Zwecken von einer Volksversammlung gewählt ist, und daß er in dieser Eigenschaft einmal mit mehren Andern eine Petition an den kommandirenden General gegen die Beschränkung des Associationsrechtes der Soldaten überreicht hat.
Das ist seine ganze Wirksamkeit gewesen.
Daß das Gericht selbst die Sache für Spaß hält, beweiset der Umstand, daß nicht die übrigen Mitglieder dieses Ausschusses verhaftet oder in Untersuchung genommen sind.
Herr Stricker ist 72 Jahre alt. In den schlechten dumpfen Zellen des Zuchthauses ist ihm der baldige Untergang gewiß. Wir wissen nicht, ob der Arzt des Zuchthauses, welcher im Begriffe steht, Regierungs-Medizinal-Rath zu werden, dies jetzt sehen kann.
29 Cleve, 2, Jan. Ein Vergnügen eigener Art muß doch eine Untersuchung sein. Es ist schon lange her, schon anderthalb Monat, da war hier eine Volksversammlung; dort ist nun auch viel und manches gesprochen worden; alle Anwesenden erklärten, „höchst gemüthlich“ mit der Nationalversammlung in Berlin zu stehen und zu fallen; ein unschuldiges Anekdötchen wurde erzählt, wie die Friemersheimer es gemacht, als die Deichschaugelder von ihnen verweigert wurden. Einer sagte: der Minister Manteuffel ist ein wahrer Teufel von Minister und ein anderer wollte die Axt an den Baum gelegt wissen. Außerdem ist der Versuch gemacht worden, durch eine Adresse den König und Herrn von Gottes Gnaden zu bewegen, doch den mißliebigen Herrn Brandenburg sammt Manteuffel gnädigst zu entlassen. Zu guter Letzt schickten dann auch die versammelten Landwehrleute eine Zuschrift direkt an das Ministerium, mit dem darin ausgesprochenen Wunsche, es es möge doch gefälligst abdanken, sonst würden die Landwehrleute ernstlich böse werden. Das ist der ganze, gewiß unschuldige Sachverhalt.
Das gegenwärtig grassirende Loyalitätsfieber hat nun aber auch in dieser Stadt mehrere bespornte, bebrillte, katzenfreundliche, mit rothen Vögeln liebäugelnde Menschen ergriffen, die sich in Folge besagten Fiebers als Denunzianten, Spione und dergleichen Gelichter geriren, wie tolle Böcke durch alle Wirthshäuser rennen und durch allerlei Anzeigen eine Untersuchung hervorrufen.
Für die erste Kammer hat man so recht keinen Kandidaten hier in der Gegend. Zwar haben wir einen liebenswürdigen Landrath einen Freiherrn von Haeften, der schon als Referendar in Hamm für die Einheit Deutschlands schwärmte, im März 1848 für die Freiheit sich begeisterte und für dieselbe glühte, auch schon früher im Jahre der Gnade 1838 als Instruktionsrichter sich die Liebe vieler Bewohner Cleve's zu erwerben wußte, aber! der Mann ist ja Landrath und lieben wir ihn viel zu sehr als daß wir ihn einer Gefahr aussetzen sollten, da bekanntlich in neuester Zeit, Landräthe und andere Räthe ihren Posten gar zu leicht verlieren können. Es ist auch noch ein Herr von der Mosel da, emeritirter Landrath und ganz geheimer Regierungsrath, aber der Mann ist alt; trotzdem würde er den Posten wohl annehmen, wenn daß Vaterland ihn riefe; man fürchtet: die Wahlmänner werden ihn nicht rufen. Stadt und Umgegend Cleve denkt augenblicklich viel an Waldeck.
68 Berlin, 2. Jan. Wie zu erwarten stand, hat unsere jetzt in vollster Gemeinheit der Gesinnung florirende Bourgeoisie die banale Gelegenheit des Jahreswechsels sich nicht entschlüpfen lassen, ohne einen neuen Beweis ihres jetzt plötzlich zu Muth gekommenen Loyalismus abzugeben. In etwa 80 Bezirken unserer Stadt waren die Herren Bourgeois zusammengetreten und hatten per Bezirk einen Abgeordneten erwählt, welche gemeinschaftlich unserm oktroyirt konstitutionellen Staats-Oberhaupt ihre Huldigung als wohlgefälliges Opfer zum neuen Jahre darbringen sollten. Die 80 Herolde der Berliner Bourgeois-Loyalität haben denn auch heute Morgen das unschätzbare Glück einer Allerhöchst gnädigsten Audienz in Potsdam gehabt und fließen seitdem von demüthig stolzer Begeisterung und enthusiastischer Lobpreisung allerhöchster Gnade und huldvollen Empfanges über. Wer nur hören wollte und auch wer es nicht wollte, konnte an der Börse heute schon erfahren, wie Freude strahlend das Allerhöchste Gesicht beim Empfang der Deputation war:
„Es hat Mir eine unaussprechlich lebhafte Freude bereitet, Sie, meine Herren, so zahlreich als Deputation bei Mir zu empfangen. Denn Ich erkenne darin den Ausdruck der echtpreußischen Liebe und Treue zum Königshaus, der Mir auch von Ihren Gesichtern so freundlich und stärkend entgegen leuchtet. Ihre Anwesenheit freuet Mich um so mehr, weil Sie als Vertreter Meiner Hauptstadt kommen, aus der Mir in diesen letzten trüben Zeiten nicht immer der Ausdruck der Gesinnung entgegen gekommen ist, die Ich nach Meiner innigen und treuen Liebe zu Meinem Volke zu erwarten ein Recht hatte. Glauben Sie, m. H., Ihr König meint es ehrlich und wahr mit Ihnen. Ich bin ein so warmer Freund des Fortschrittes als irgend Einer in Meinem Lande. Auch Meine Losung heißt: Vorwärts! Aber, m. H., wie der Schiffer auf dem unwirthlichen Faden des Meeres die unverrückbaren Sterne des Himmels sich zu Leitern nimmt, nach denen er seine gefährliche mühevolle Fahrt lenkt, so wollen auch wir an zwei ewig leuchtenden, ewig festen Normen auf unserer politischen Bahn festhalten: die Liebe und die Treue; die Liebe und die Treue des Königs zu seinem Volke, des Volkes zu seinem Könige. Lassen Sie uns in dieser Gesinnung das neue Jahr beginnen und vollenden und die neue Laufbahn, die unser gemeinsames Vaterland betreten, wird uns Alle zum Heile, wird uns vorwärts führen.“
So ungefähr hörten wir die Allerhöchsten Worte wiedergeben. Und wie denn das Redehalten die charakteristische Krankheit unserer Zeit ist, so fühlten sich auch des, beim Empfang der Deputation anwesenden Prinzen von Preußen, Königl. Hoheit, Allergnädigst bewogen, der Deputation der Berliner Bourgeois die Versicherung zu geben, daß Allerhöchst Dero unfreiwillige Mission nach England nicht ohne Früchte geblieben. Er habe das staatliche Wesen des ältesten konstitutionellen Reiches in Europa ernstlich und gründlich bis in die feinsten Einzelheiten und Nüancen hinein studirt und sei in Folge dessen als ein ehrlicher und warmer Anhänger der Constitution zurückgekehrt. Indessen verstand er auch diesmal an den theoretischen Wiederbelebungsversuch, der vom Lande längst selig entschlafen geglaubten Camphausenschen Lüge eine gute praktische Insinuation zu knüpfen. Er entließ nämlich die Deputation mit folgenden Worten:
„Seien nun auch Sie, m. H., fortan ehrliche Constitutionelle und bekunden Sie dies glänzend, indem Sie bei den vorstehenden, für die Zukunft unseres Vaterlandes so entscheidenden Wahlen, Ihre Stimmen nur gesinnungstüchtigen, echtkonstitutionellen, ihrem Könige und Lande mit gleich wahrer Treue anhängenden Männern geben.“
Die Nutzanwendung werden wir wahrscheinlich in, mit erneuter Stärke betriebenen reaktionären Wahlwühlereien erhalten.
Die Wahlagitationen gehen fortwährend ihren geheimen Gang; reaktionärerseits scheinen jedoch die Erfolge bisher nicht sehr glänzend zu sein. So sehen wir z. B. aus einem von Buchhändler Reimarus unterzeichneten lithogr. Circular, daß die Harkortsche „Ansprache an die Urwähler“ in einer Bezirksversammlung nicht unterschrieben worden, man dieselbe daher in den Häusern kolportirt und die Unterzeichnung durch gleichgesinnte Männer erbettelt. Andererseits dagegen begünstigt freilich unser liebenswürdiger Magistrat die reaktionäre Partei auf jede mögliche Weise und namentlich dadurch, daß er die reaktionärsten Männer der Bezirke zu Wahlkommissarien ernennt.
Dagegen hat das Centralkomite für volksthümliche Wahlen im Preußischen Staate eine Ansprache an die Wähler erlassen, worin es sie auf die Wichtigkeit der Wahl im Allgemeinen aufmerksam macht und nach einer kurzen Kritik des Manteuffelschen Erlasses an die Regierungs-Präsidenten betreffs der Wahlen, die Verfassung und deren Bestimmungen über die beiden Kammern, ihre Attributionen und die der Regierung vorbehaltenen Macht bespricht. Die Ansprache schließt folgendermaßen:
„„Eine der bestehenden Verfassung zugethane Volksvertretung““ sollt Ihr wählen nach dem Willen der Regierung, eine Volksvertretung, die diese Verfassung als ein Gnadengeschenk freudig begrüßt, welche die darin bewilligten Freiheiten für genügend, vielleicht für mehr als genügend erachtet, eine Volksversammlung, die den Zwecken dieser Regierung dient, gegen welche das Volk durch seine Vertreter einmüthigen Widerspruch erhoben hat.
„Mitbürger! Eure Pflicht ist eine andere. Männer müßt Ihr wählen, die entschlossen sind mit aller Thatkraft dahin zu wirken daß die Verfassung nicht nur den Schein einer volksthümlichen an sich trage, sondern wahrhaft volksthümlich sei. Solche Männer werden dahin streben, daß die Verfassung nicht nur auf dem Papiere stehe, sondern daß sie durch den schleunigsten Erlaß der zu ihrer Einführung nothwendigen, vom Geiste der Freiheit eingegebenen Gesetze zur Wahrheit werden und Leben gewinnen könne. Solche Männer müßt Ihr wählen: nicht Kämpfer für die Absichten der Regierung, sondern Kämpfer, treue und feste Kämpfer für die Freiheit des Volkes.“
* Berlin, 2. Januar. Wie dünn und spärlich der Stoff ist, um von hier aus Mittheilungen zu machen: davon hat ein Korrespondent den besten Begriff. Wenn Sie mir's nicht glauben sollten, so verweise ich im Verzweiflungsfalle auf der „Preuß-Staats-Anz.“ Dieser pauvre Geselle ist durch Stoffmangel so weit heruntergekommen, daß er den Fabrik-Kehricht der Preußen und ähnlicher Vereine „mit Gott für Könige und Junkerschaft“, den er bisher in einer Art von Schaamanwandlung hintenhin oder in eine Beilage — versteht sich auf Kosten der Steuerzahlenden — zusammenstopfte, jetzt schon auf der ersten Seite paradiren läßt. Wenn ich somit für heute schließe, bin ich vollkommen gerechtfertigt.
* Berlin, 2. Jan. Auch in Berlin muß der National das Feld räumen. Arago, der französische Gesandte ist abberufen und an seiner Stelle zieht der Prinz von der Moskowa, Sohn des Marschall Ney, als Kaiserlicher in Berlin ein.
121 Wien, 28. Dez. (Verspätet.) Das einst so berüchtigte wiener Volks-, vielmehr Schlaraffen-Leben, d. h. die Orgien und Saturnalien einer liederlichen Aristokratie und haute finance, verbunden mit den brutalen Genüssen der unteren Volksschichten, feierten früher ihre Glanzperiode in der Zeit zwischen Sonntag nach Dreikönigen und Aschermittwoch, d. h. in der Faschingszeit. Da gab's überall nichts wie Jubel, und die Zerstreuungen wuchsen auf, unter und über dem Erdboden in Miriaden empor. Die Bourgeoisie erntete, die Aristokratie und das Volk verschwendeten. Elysium, Odeon, Sperl, Sophienbad, der k. k. Redoutensaal, unzählige kleinere Berühmtheiten, waren die Tummelplätze des wiener Geistes bei Nacht und bei Tage. Ein Verzicht auf diese Zeit ist für den Wiener daher etwas undenkbares, riesenhaftes; und dennoch muß er diesmal verzichten. Die feige Bourgeoisie wollte den Belagerungszustand ewig dauern lassen, da erinnerte sie sich der Faschingszeit und seiner Verdienste. Damit ist der Belagerungszustand unverträglich, schrie sie, er muß aufgehoben werden! Selbst der in jeder Art von unterwürfiger Hündischkeit sich überbietende Gemeinderath sah es ein: der Belagerungszustand und die Faschingszeit können nicht nebeneinander bestehen; wir werden eher Rebellen! Gesagt, gethan. Eine Deputation dieses Gemeinderaths begibt sich zu Welden und trägt ihm ihr Faschingsanliegen vor. Der sieht sie mit staunender Verachtung, deren Folgen mancher auf dem Heimwege erst verspürt haben mag, von oben bis unten an und meint: Er habe erwartet, daß der Bürgerstand statt einer so tollen Anforderung sich lieber entschlossen, um Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes zu bitten, und könne ihm nur bedeuten, daß er in Wien noch viel zu viel zu thun habe, um seine närrische Bitte auch nur im entferntesten zu berücksichtigen, bevor nicht der vormärzliche Zustand vollkommen wiederhergestellt sei. Der Gemeinderath zog mit Schrecken ab, denn Welden hatte ihn im standrechtlichen Tone angefahren. Um der Bevölkerung von Wien aber jede fernere Illusion zu benehmen, ja sie durch erfundene Behauptungen einzuschrecken, und den Belagerungszustand nebst Standrecht ad graecas calendas zu legitimiren, erließ Herr Welden sofort folgende saubere Kundmachung, die Ihnen einen Begriff von der banditenmäßigen Pulver- und Blei-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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