Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 186. Köln, 4. Januar 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

gestern Abend Hrn. Gierke zu Ehren ein Festmahl veranstaltet, an welchem sich einige hundert Männer, besonders Kaufleute, betheiligten. Unter den zahlreichen Trinksprüchen führe ich den des Dr. med. Scharlau an. Letzterer sagte:

"In den politischen Bewegungen dieses Jahres sind zwei Principien auf dem Kampfplatz erschienen; sie beginnen erst den Kampf gegen einander; sie heißen Absolutismus und Demokratie. Der Kampf wird bald viel ernster werden und mit der Vernichtung des einen enden. Welches? das kann nicht zweifelhaft sein, wenn erwogen wird, daß der Absolutismus, in sich selbst unsittlich, nur die unsittlichen Mittel der Gewalt und Geistesknechtung in seinem Solde hat, während die Kraft der Demokratie in ewigen Wahrheiten ruht. Es lebe die Demokratie!"

Die Reihe schloß Buchhändler Saunier mit folgendem Toaste:

"Dem Andenken der Männer, die mit den Waffen um die Freiheit gekämpft und sie mit ihrem Herzblut bezahlt haben; die nicht todt sind und niemals sterben werden für unsere Dankbarkeit."

61 Wien, 27. Dez.

Nachdem die Standrechtsblätter Bonaparte's Wahl anfänglich als ein ganz im Geiste des Absolutismus von Irkutz-Olmütz ausgefallenes Mißtrauensvotum wider die Republik begrüßt hatten, und der "Lloyd" ohne Widerspruch des französischen Ambassadeur's geradeaus den Sturz der Republik verlangte und den guten Oesterreichern quasi schon proklamirte, überfällt eben dieselben Pulver- und Blei und Galgenblätter nun nach der Wahl Bonaparte's eine unheimliche Angst ohne Gleichen. Mit Entsetzen lesen das Ministerium und seine Windischgrätze Napoleon's Feldzüge in Italien und Deutschland; sie beben vor der Begeisterungslosigkeit, mit welcher Frankreich gewählt hat. "Könnten wir in dieser Wahl irgend ein Zeichen hinreißender Begeisterung erblicken", ruft die "Presse" aus, "wir wären beruhigt; aber die Franzosen sind in diesem Augenblicke nicht begeistert. Wir fürchten sehr, Frankreich will sich in neue Bahnen werfen. (Ei, ei!) Sollte Louis Bonaparte es versuchen wollen, die Plane seines großen Oheims in seine schwache Hand zu nehmen und in Italien Oesterreich gegenüber den Schiedsrichter und Gründer neuer Geschicke zu spielen? -- Wir wagen nicht, es zu verneinen." Die kroatischen Spione müssen schlimme Berichte aus Paris geschickt haben, "starkes" Ministerium des mächtig-ohnmächtigen Oesterreichs!

Wie ich von "offiziell sehr honettem" Umgang erfahre, sollen darum von den neulich bewilligten 80 Milliönchen einige zur Bestechung nach Paris, ja selbst nach London wandern. Auch Berlin und Frankfurt sollen nicht übergangen werden. In Paris hat, oder wird man vor allen Dingen Herrn Girardin einige Kübel neu geprägter Kremnitzer zum Neujahr mit der sinnreichsten Ueberraschung zustellen, damit er österreichisch auf seiner Posaune von Jericho bläst, und das große Prinzip der Nichteinmischung in's Gehirn Bonaparte's u. s. w. träufelt. Nun, die Pariser werden Girardin's österreichisch-kaiserliche Dukaten in den Goldkübeln der Wechsler nächstens zu sehen bekommen!

In ihrer neu napoleonischen Angst, die auch das Hängen, Erschießen, Verbrennen und Martern der sogenannten "Neudemokratie" nicht zu bewältigen vermag, möchte sich die österreichische Katze neben Rußland, dessen Krallen sie auch nicht ganz traut, noch gar zu gerne an irgend einen Löwen, Leopard, Adler, selbst an den famosen Hahn vertraulich anschließen; es geht aber nicht. Es bleibt sogar nichts übrig, als dem standrechtlich behandelten Deutschland vornehm-verächtlich die Kur zu machen. Man weiß, der gute Junge nimmt Fußtritte an und läßt sich demungeachtet zu allem gebrauchen. Aber hier ist Preußen aus dem Sattel zu heben. Der Habsburger intriguirt deßhalb mit allen kleinen Kartoffelfürsten, streichelt Frankfurt, ja lobt sogar die preußische Kreatur Gagern, indem er seinen "Lloyd" z. B. sagen läßt. "Von Frankreich wenden sich die Augen aller Politiker nach Frankfurt (erste wirklich habsburgisch-humoristische Phantasie!). Der Reichsminister von Schmerling hat abgedankt (i. e. Oesterreich ist hinausgewiesen worden) und Heinrich von Gagern hat seinen Platz eingenommen (i. e. die Hohenzollern drohen die kaiserliche Dividende einzuziehen, welche ihnen meine windischgrätzige Brutalität eingebracht hat). Europa sieht dem Streite, welcher sich entspinnen wird (!), mit athemloser Erwartung entgegen (zweite habsburgische Phantasie!). Ob die gigantische Gestalt eines mitteleuropäischen Reichs, welche, eine erhabene Erscheinung, eine Verkünderin einer wirklich neuen Zeit, vor dem innern Auge des Geistes gestanden ist, wirklich in's Leben treten wird, oder spurlos wie ein Nachtgespenst verschwinden soll (ja, aber im andern Sinne, Dalai-Lama!), das ist die welthistorische Frage, welche jetzt auf Entscheidung harrt. Als das Frankfurter Parlament die §§. 2 und 3 der Verfassung annahm, wußte es wahrlich nicht, was es that (Michel wird die Milde dieser Ohrfeige zu erkennen wissen). Deutschland mag zerfallen, Oesterreich wird nicht zerfallen. Deutschland wollte sich einigen, indem es Oesterreich veruneinigte, und diese schwere Versündigung (!!! unverzeihlich!) fällt jetzt auf das eigene Haupt zurück. Eine tiefe Abneigung hat in vielen Theilen Deutschland's gegen Preußen Wurzel gefaßt; das Haus Habsburg und die historischen (metternich-windischgrätzigen) Erinnerungen, welche sich an dasselbe knüpfen, sind noch immer dem deutschen Herzen theuer (habsburgische Liebe! o edles deutsches Herz!). Deutschland hatte stets seine Hintergedanken. (Seit wann ist es so gescheit?) Es wollte den Hafen von Pola. Es wollte die ganze Donau. Es wollte die Einfahrt in das schwarze Meer u. s. w." Ist das starke Ministerium nicht wahrhaft ergötzlich in seiner captatio an die habgierige Bourgeoisie, indem es ihr zeigt, was sie bekommt, wenn sie sich den habsburger Kroatenhäuptling gefallen läßt!

Aus dem Reichstag habe ich Ihnen als Kuriosum noch die Aeußerung des Finanzministers zu melden: "Die Lombardei ist für Oesterreich so nöthig, wie Oesterreich der Lombardei." Den ersten Theil des Satzes bewahrheitet der Minister damit, daß er das Gold und Silber, welches man in die Lombardei hat schleppen müssen, im Vorgefühle daß die Lombardei den zweiten Theil des Satzes bald als eine Lüge bezeichnen wird, noch rasch wieder herausziehen will, um dafür eine Sündfluth von Banknoten zwangsweise dort unterzubringen, und so die Lombarden am bevorstehenden allgemeinen Bankrott noch Theil nehmen zu lassen. 5000 Kilogramm Banknoten sollen zu diesem Ende bereits an Radetzky abgegangen sein. Schmerling, der hier angekommen ist, Kübeck und Kraus halten in Olmütz permanente Sitzungen zur Berathung der Finanzmaßregeln, denen Frau Sophie präsidirt, während ihr Junge auf einem Schaukelpferde den "jugendlichen" Dalai-Lama spielt. Die gelehrten Herrn berufen sich umsonst auf die Bewilligung der 80 Millionen durch Hans Jörgel, die Juden bleiben dabei: "Wir haben kein Geld!" Zu den Erbärmlichen, welche nach nichtssagenden Tiraden die 80 Millionen bewilligten, gehört natürlich auch Schuselka. Nur die Polen haben sich entschieden gegen die Forderung gewehrt. Dafür geißelt sie die Presse, wie folgt: "Was bezwecken die Herrn Borkowski, Bilinski, Turbasiewic's, Hubicki, Langie und Konsorten mit ihren destruktiven Tendenzen? nichts anderes, als das Unglück ihres eigenen Vaterlandes. Sie denken: hat sich nur erst Ungarn von Oestreich losgetrennt, ist die Wiederherstellung Polens in seinen alten Grenzen auch nicht mehr ferne. Nehmen wir an, Kossuth's Partei reussirte, und das Land der Magyaren stände da, eine Macht vom fünften Rang (da es Oesterreichs Hälfte ist, so wäre das "mächtige Kaiserreich" also nur mehr eine 2/5tels Macht!), was wäre damit gewonnen? Ein Athem Sympathie im Süden, gegen eine Welt voll drohender Gefahr im Norden. Um Pole für ewige Zeit zu bleiben, muß sich der echte Pariot dieses Landes entschließen, vor der Hand Galizianer (i. e. Ruthener), das ist, Genosse der freien verbrüderten (welcher Hohn!) österreichischen Völker zu sein. -- Die untersten Schichten dieser Provinz ahnen (mit Hülfe des dargereichten Schnapses) die Nothwendigkeit dieser Politik und befolgen sie instinktmäßig, (i. e. man macht sie besoffen, sagt ihnen, sie seien Ruthener und gibt ihnen ein Schlachtmesser in die Hand) nur die Repräsentanten des Bürgerthums und des niedern Adels, die s. g. "Schlachtizen" (d. h. die zu schlachtenden Opfer) provoziren den Ruin des Landes u. s. w."

Sie werden in unsern Blättern ein Heer nach Olmütz geschickter Loyalitäts-Adressen und Deputationen finden. (Ganz wie im Preuß. Staats-Anzeiger und Blättern ähnlichen Gelichters für Potsdam fabrizirte Haufen von Adressen aufgestapelt sind.) Lassen Sie sich davon nicht beirren, sie sind entweder standrechtlich erzwungen oder aus der schwarzgelben Menagerie. Triest verspürt trotz seiner Loyalitätsadresse z. B. venetianische Gelüste. "Schade, daß einige wenige" (ruft der Lloyd aus) "Triest in Mißkredit bringen, -- ich spreche von den Redakteuren und Mitarbeitern des Giornale de Trieste und der Gazetta Triestina. Immer dringlicher stellt sich das Bedürfniß eines Repressivgesetzes in Preßsachen heraus!"

In Gratz werden mit Neujahr 12 mehr oder minder demokratische Journale erscheinen. Das möge Ihnen vom Gegendruck Zeugniß geben, den man dort wider die jetzige Henkergewalt versucht.

In die Ministerien werden lauter Ruthenen, Kroaten und Czechen ernannt. Beweis, daß Oesterreich, um entdeutscht und entmagyarisirt zu werden, immer mehr kroato-czecho-ruthenisirt, oder, was dasselbe ist, russifizirt werden soll. Man sieht den Zeitpunkt herankommen, wo man mit den slavischen Bestien noch einmal die verfaulte Gesammtmonarchie zusammenflicken soll.

Die hiesigen Blätter schreiben die in ihren Kram passenden Artikel Ihres Blattes ab, ohne dessen jemals zu erwähnen.

121 Wien, 27. Dez.

Ich habe Ihnen vor einigen Tagen geschrieben, daß der Gardist Ludwig Raveaux, Bruder des bekannten Abgeordneten und hier ansässiger Kaufmann, eingezogen worden sei. Derselbe ist nunmehr "durch Zusammentreffen von Umständen", wie die Henkerformel heißt, zum Strang verurtheilt. Er soll den Spiritus zum Anzünden der Sophienbrucke geliefert haben. Sie werden den Blutspruch demnächst mit der Exekution in der offiziellen Henkerzeitung antreffen. Vielleicht wird Python die Milde haben, diesen zweiten Kölner Bürger -- sonderbar, daß gerade Köln Python die meisten Opfer liefert; vielleicht kommts noch zur Trias -- zu 12 Jahren Schanzarbeit oder Kerker in schwerem Eisen zu begnadigen. Aber statt Python herrscht jetzt Welden hier, der den Meister-Satan weit hinter sich läßt, und keine andere Gnade kennt, als Pulver und Blei. Darum wird Raveaux vielleicht Morgen schon erschossen sein. Das gibt eine Drachenzähnesaat! -- In der Nacht werden vor den Mundungen der auf den Basteien aufgestellten riesenhaften Belagerungsgeschützen vom vorübergehenden Volke mitunter kleine Katzenmusiken improvisirt, die Herrn Welden ennüyiren; er hat daher den Befehl ertheilt, bei der geringsten derlei Demonstration mit dem Pfiff der Geschütze zu antworten. Da ihre Mündungen in alle Vorstädte und in die Straßen der Stadt gerichtet sind, wo fortwährend die Menge einherwogt, so können Sie sich einen Begriff von der Wirkung einer solchen Antwort machen. Unser Leben und unser Eigenthum hängen von einem mißliebigen, von den Henkern zum Vergnügen vielleicht selbst improvisirten, Pfiff ab. Das Proletariat, namentlich das verschämte, leidet bei der Kälte die entsetzlichste Noth, aber es muß sich verborgen halten. Auf jede Klage folgt eine Verurtheilung zur Armee nach Italien oder Ungarn neben anhaltender scheußlichster Mißhandlung und Todesmarter. Der Olmützer Korrespondent, ein Bestienblatt pur sang, rühmt die geschehene energische Beseitigung des Proletariats. Das Alles haben wir der cavaignac'schen Junivorlesung zu verdanken, deren Lehre die plumpen Apostel der europäischen Schakale in ihrer Heimath mit dem Fanatismus dieser Bestien nachpredigen.

Das alte Wort, das Wort erschallt:
Gehorche willig der Gewalt!

Dazu aber:

Und bist du kühn, und hälst du Stich,
So wage Haus und Hof und -- Dich.

121 Wien, 29. Dezbr.

Die Beilage zur Wienerin versicherte uns gestern Abend: "Eben eingehenden Berichten aus Belgrad vom 24. zufolge, hatte der Fürst Cara Georgewitsch und der serbische Senat nach Eingang der Nachricht, daß der Kaiser von Oestreich die serbische Woiwodschaft mit einem Patriarchat anerkannt habe, beschlossen, ein reguläres Hülfskorps nebst einem bedeutenden Subsidienbeitrag zur Verfügung dieser Woiwodschaft zu stellen. Außerdem wurde die Erlaubniß ertheilt, daß Freischaaren über die Donau setzen dürfen, um zu den serbischen Truppen in Ungarn zu stoßen. Jung und Alt greift jetzt in Serbien zu den Waffen. Der Pascha von Belgrad hat alle diese Verfügungen der serbischen Regierung anerkannt."

Und nun enthüllt uns der ministerielle Lloyd Europa's und unsere nächste Zukunft mit der diplomatischen, aber bedeutungsvollen Theezirkel-Nachricht: "Der Herzog von Wellington hat zu Weihnachten auf seinem Schlosse Strathfieldsaye unter Anderm den Fürsten und die Fürstin von Metternich, den östreichischen Gesandten Baron von Neumann und dessen Gattin, sowie den Baron Hügel geladen."

Freilich bezwecken diese alten Teufel mit dem krummen Horn zunächst den Sturz Palmerstons, von welchem Sophie in ihrem Blättchen von Olmütz spricht:

"Was aber für die Rolle, die England als vermittelnde Macht hier spielen soll, entscheidend ist, kann irgend Jemand zur Vermittlung ungeeigneter sein, als Lord Palmerston, der so ziemlich allen Parteien gleich verhaßt ist, der alle Anerbietungen Oestreichs während des Krieges hochmüthig zurückwies, der durch seine Rathschläge den König von Sardinien in seine gegenwärtige verzweifelte Lage brachte, und dem revolutionären Geiste, der von der völlig unausführbaren Herstellung einer großen italienischen Republik träumt, allen möglichen Vorschub leistete?" aber, daß sie noch weit mehr bezwecken, das verstehen wir dumme Oestreicher, wenn wir den Namen Metternich hören, noch besser, als Deutschlands Taunus-Esel. O, der Verzweiflungszorn unseres freiheitdürstenden Volks ist ungeheuer! Zuerst hoffte es auf Frankreich, ja auf das deutsche Reich!

Wien's ärmster Proletarier würde seinen letzten Kreuzer geopfert haben, um den Franzosen entgegenzueilen, sie bei sich wie Brüder zu bewirthen. Er verlor gar bald den Glauben an das deutsche Reich, als er dessen Welckers erblickte; nun verliert er auch den Glauben an Frankreich.

Im Februar sprach es: "Erhebt euch, Völker, ich bin euer Bruder!" Wir erhoben uns, aber unsere Mörder erkannten, daß Frankreich uns nur ein Schnippchen geschlagen; daß seine Brüderlichkeit nur eine Phrase gewesen. Der stärkste Bruder der Freiheit verließ alle seine schwächeren Geschwister, um sie von rachedürstigen Bestien erwürgen zu lassen, und, o der Schande, steht, wenn auch versteckt, auf ihrer Seite! Frankreich erzittere vor den fehlgeschlagenen Hoffnungen der Völker, es erzittere vor der Stunde, wo Ungarn, Italien und Deutschland weiter nichts mehr sein werden, als die Rekrutenställe des Absolutismus; es erzittere, wenn es noch einmal duldet, daß, während die Hallunken handeln und das Eisen zu schmieden wissen, die Völker von Frankreich nichts hören, als: Monsieur Thiers a parle pendant deux heures etc. Seid doch so klug, wie die Windischgrätze, die selbst der Passivität keinen Pardon gewähren, und bedenkt, daß Europas Völker bei euch einst diese ratio windischgraeziana geltend machen könnten; helft uns, Franzosen, wie ehrlich-muthige Brüder, bevor es heißt: Trop tard!

Gestern brachten die Standrechtsblätter Napoleons Thronrede. Die Phrase: "Wir werden die unglücklichen Völkerschaften unterstützen", war überall hinweggelassen, obgleich sie dem an Frankreich verzweifelnden Volke wenig neue Hoffnungen gegeben hatte. -- Der neue Münch-Bellinghausen und östr. Spion Schmerling ist vom Ministerium mit dem Auftrag nach Frankfurt geschickt worden, dort alles aufzubieten, damit der östreich. Hans nicht verdrängt, Oestreichs Suprematie nicht beseitigt werde. Seine Instruktionen hat er direkt von Metternich erhalten, das Ministerium machte nur den Ueberbringer. Bevor er abreiste, wurden die Wahlmänner des ersten Bezirks zusammengetrommelt und Schmerling hielt vor denselben eine Standrechtsrede, aus welcher ich folgende Sätze ausheben muß. Er sagte:

"Ich mußte hören, wie ein verrätherischer König und ein aufrührerisches Volk Italiens Gränzen bis an den Brenner und Karst zurückgeschoben wissen wollten. Gleicherweise sprach man in Frankfurt vom Aufgeben Galiziens, und stellte das Ansinnen eines diplomatischen Verkehrs mit einem selbstständigen Ungarn. Nie konnte ich an die Realisirung diesen so verletzenden, so schmerzlichen Meinungen glauben.

Bald hatte ich Gelegenheit freudigen Stolz über die großartigen, wunderbar schnellen Siege der östreichischen Armee in Italien zu empfinden. Am 6. August, am selben Tage als die deutschen Truppen, theilweise nur, dem Reichsverweser ihre Huldigung darbrachten, hat der greise Radetzky in Mailand die östreich Farben aufgepflanzt. Als die theuere Vaterstadt, als Wien, der Schauplatz der trübsten Scenen und so vielen Unglückes geworden, war es mir doch freudige Genugthuung, daß in weniger als 14 Tage neue, ansehnliche Heere erstanden, und daß ihr eben so kriegserfahrener als heldenmüthiger Führer, Fürst Windischgrätz, mit bewunderungswerther Mäßigung durch seinen Sieg die wahre gesetzliche Freiheit zu befestigen gewußt. (Bravo!)

Während all dieser inhaltschweren Zeiten hat mich der mächtige Lauf der Ereignisse fern von dem mir theuern Wien gehalten. Ich war berufen, an die Spitze des Bundestages zu treten, und ich glaube, während meiner zweimonatlichen Leitung desselben mich nicht unnützlich bewiesen zu haben, da es mir gelang, die anarchischen Tendenzen und die Conventsgelüste, welche in Frankfurt rege geworden, zu beseitigen. Stolz fühlte ich mich damals, als Oestreicher solches bewirkt zu haben.

Als mich der Reichsverweser ins Ministerium berief, beseelte mich das erhebende Gefühl, ein Deutscher zu sein; doch vergaß ich hierüber keinen Augenblick, daß ich vor Allem Oestreicher sei.

So wie in den Stürmen des Mai und Juni, so immer ist mir die Aufrechterhaltung der Integrität des östreich. Staates, das höchste und wichtigste im Leben. Oestreich muß, wie seit tausend Jahren, eine europäische Großmacht bleiben. Kein Zoll von den durch Verträge erworbenen und durch Siege behaupteten Landen darf verloren gehen.

Hr. Schmerling ist beauftragt, in Frankfurt zu versichern, die §§. 2 und 3 könnten bleiben, wofern dem Hause Habsburg einmal die deutsche Kaiserkrone übertragen und ihm von der Reichsgewalt die Integrität und Unabhängigkeit seiner außerdeutschen Länder durch ein Schutz- und Trutzbündniß würde zugesichert werden. Damit er reussire, soll er die Religion ins Spiel bringen und namentlich die Rheinlande darauf aufmerksam machen, daß Oestreich eine katholische Macht ist!

102 Wien, 29. Dez.

Die Russen passiren jetzt mit unter dem Namen der Serben en masse bei Belgrad die Grenze, um die im Süden siegreichen Magyaren zu bewältigen. Dem Sohne Latours sind letzthin beide Beine abgeschossen worden und er ist darauf gestern in Schönbrunn gestorben.

Damit der Kredit sich hebe, läßt das Ministerium im Namen des Auslandes an der Börse Metalliques aufkaufen, allein die Börsenhelden, pfiffiger als die plumpen Henker, lassen sich nicht irre machen und das Steigen der Fonds bleibt unbemerkbar, während ihr Fallen um so bemerkbarer wird. Das Silberagio beträgt bereits über 10 pCt., das Geldagio über 18 pCt. Auf 100 Friedrichsd'or würde ich hier 20 gewinnen können, ja noch mehr.

Die heutige "Presse" enthält wiederum einen jesuitischen Artikel über Deutschland, der die Sendung Schmerlings, die deutsche Uneinigkeit a tous prix, deutlich enthüllt. Es heißt darin z. B.: "Katholizismus und Protestantismus stehen sich in zwei großen Lagern, in Süd und Nord, gegenüber!"

Die östreichischen Henker wollen in Deutschland einen Religionskrieg anfachen, um ihre Teufelszwecke zu erreichen; sie wollen in Deutschland denselben Dämon heraufbeschwören, den sie in Ungarn heraufzubeschwören wußten. In Deutschland Religions- und Manneshetze, in Ungarn Nationalhetze unter dem Heuchelschein der Freiheit und den ehrwürdigen Erinnerungen der Habsburgischen Familie.

Raab soll wirklich besetzt sein, natürlich unter dem Jubel der Bevölkerung, der nirgends zu sehen ist. Als Windischgrätz in Preßburg einrückte, hatten alle zurückgebliebenen Bewohner ihre Häuser und Fenster verschlossen. Er ließ ihnen bedeuten, sich zu zeigen und die schwarz-gelbe Fahne auszustecken. Es unterblieb. Da drohte er ihnen mit einer Brandschatzung von 80,000 fl. C.M. In den besetzten Städten soll, wie Reisende erzählen, mit fürchterlicher Mordwuth verfahren werden. Die Leute werden dutzendweise erschossen und man erblickt ganze Schaaren in Ketten geschlossen, welche in die czechischen Festungen geschleppt werden.

7 Wien, 30. Dezbr.

Welden meldet in einem Armee-Bülletin vom gestrigen Datum, daß nach den aus dem Hauptquartier Raab ihm am 28. Abends zugekommenen Nachrichten die Magyaren zum Rückzug genöthigt und von der Kavalleriebrigade Ottinger bis Babolna (auf der Straße nach Osen) verfolgt worden seien. Daselbst habe ein Bataillon des Regiments Prinz von Preußen, 600 Mann stark, Stand gehalten, sei von 2 Divisionen Wallmoden-Kuirassiren angegriffen, und großentheils zusammengehauen worden. Außerdem seien von Honved-Bataillons noch 7 Offiziere und 700 Mann, worunter 200 Verwundete gefangen genommen worden. -- Die Besitznahme von Raab hat viel, sehr viel Blut gekostet und erforderte einen Zeitaufwand von fast acht Tagen. Davon schweigen indeß die offiziellen Berichte! Man meldet nur die magyarischen Schlappen. Als Gerücht kursirte schon gestern, der Kommandant von Komorn habe die in der Festung, eine der stärksten Ungarn's, befindlichen Garden zu einem Ausfall gegen die kaiserl. Armee bestimmt, dann aber, im heißesten Kampfe, die zurückgebliebene Militärgarnison mit Kartätschen in die Gardea feuern lassen, und nach ihrer Vernichtung zwischen zwei Feuern die Festung dem Windischgrätz übergeben. Kossuth hätte in Komorn also einen Verräther seiner Sache gelassen. Offiziell ist hiervon noch nichts bekannt. Ist diese Verrätherei wahr, so steht's schlimm mit der magyarischen Sache, denn sie wird anstecken und die Entmuthigung wird sich des Volkes bemächtigen. Komorn ist von hier aus der Schlüssel zu Ungarn. Etwas nördlicher liegt die kleinere Festung Leopoldstadt, welche gestern bombardirt worden sein soll. Windischgrätz kann erst dann auf Osen und Pesth losrücken, wenn diese beiden Punkte in seiner Gewalt sind; dann wird auch seine Heeresmacht durch Vereinigungen um so beträchtlicher.

gestern Abend Hrn. Gierke zu Ehren ein Festmahl veranstaltet, an welchem sich einige hundert Männer, besonders Kaufleute, betheiligten. Unter den zahlreichen Trinksprüchen führe ich den des Dr. med. Scharlau an. Letzterer sagte:

„In den politischen Bewegungen dieses Jahres sind zwei Principien auf dem Kampfplatz erschienen; sie beginnen erst den Kampf gegen einander; sie heißen Absolutismus und Demokratie. Der Kampf wird bald viel ernster werden und mit der Vernichtung des einen enden. Welches? das kann nicht zweifelhaft sein, wenn erwogen wird, daß der Absolutismus, in sich selbst unsittlich, nur die unsittlichen Mittel der Gewalt und Geistesknechtung in seinem Solde hat, während die Kraft der Demokratie in ewigen Wahrheiten ruht. Es lebe die Demokratie!“

Die Reihe schloß Buchhändler Saunier mit folgendem Toaste:

„Dem Andenken der Männer, die mit den Waffen um die Freiheit gekämpft und sie mit ihrem Herzblut bezahlt haben; die nicht todt sind und niemals sterben werden für unsere Dankbarkeit.“

61 Wien, 27. Dez.

Nachdem die Standrechtsblätter Bonaparte's Wahl anfänglich als ein ganz im Geiste des Absolutismus von Irkutz-Olmütz ausgefallenes Mißtrauensvotum wider die Republik begrüßt hatten, und der „Lloyd“ ohne Widerspruch des französischen Ambassadeur's geradeaus den Sturz der Republik verlangte und den guten Oesterreichern quasi schon proklamirte, überfällt eben dieselben Pulver- und Blei und Galgenblätter nun nach der Wahl Bonaparte's eine unheimliche Angst ohne Gleichen. Mit Entsetzen lesen das Ministerium und seine Windischgrätze Napoleon's Feldzüge in Italien und Deutschland; sie beben vor der Begeisterungslosigkeit, mit welcher Frankreich gewählt hat. „Könnten wir in dieser Wahl irgend ein Zeichen hinreißender Begeisterung erblicken“, ruft die „Presse“ aus, „wir wären beruhigt; aber die Franzosen sind in diesem Augenblicke nicht begeistert. Wir fürchten sehr, Frankreich will sich in neue Bahnen werfen. (Ei, ei!) Sollte Louis Bonaparte es versuchen wollen, die Plane seines großen Oheims in seine schwache Hand zu nehmen und in Italien Oesterreich gegenüber den Schiedsrichter und Gründer neuer Geschicke zu spielen? — Wir wagen nicht, es zu verneinen.“ Die kroatischen Spione müssen schlimme Berichte aus Paris geschickt haben, „starkes“ Ministerium des mächtig-ohnmächtigen Oesterreichs!

Wie ich von „offiziell sehr honettem“ Umgang erfahre, sollen darum von den neulich bewilligten 80 Milliönchen einige zur Bestechung nach Paris, ja selbst nach London wandern. Auch Berlin und Frankfurt sollen nicht übergangen werden. In Paris hat, oder wird man vor allen Dingen Herrn Girardin einige Kübel neu geprägter Kremnitzer zum Neujahr mit der sinnreichsten Ueberraschung zustellen, damit er österreichisch auf seiner Posaune von Jericho bläst, und das große Prinzip der Nichteinmischung in's Gehirn Bonaparte's u. s. w. träufelt. Nun, die Pariser werden Girardin's österreichisch-kaiserliche Dukaten in den Goldkübeln der Wechsler nächstens zu sehen bekommen!

In ihrer neu napoleonischen Angst, die auch das Hängen, Erschießen, Verbrennen und Martern der sogenannten „Neudemokratie“ nicht zu bewältigen vermag, möchte sich die österreichische Katze neben Rußland, dessen Krallen sie auch nicht ganz traut, noch gar zu gerne an irgend einen Löwen, Leopard, Adler, selbst an den famosen Hahn vertraulich anschließen; es geht aber nicht. Es bleibt sogar nichts übrig, als dem standrechtlich behandelten Deutschland vornehm-verächtlich die Kur zu machen. Man weiß, der gute Junge nimmt Fußtritte an und läßt sich demungeachtet zu allem gebrauchen. Aber hier ist Preußen aus dem Sattel zu heben. Der Habsburger intriguirt deßhalb mit allen kleinen Kartoffelfürsten, streichelt Frankfurt, ja lobt sogar die preußische Kreatur Gagern, indem er seinen „Lloyd“ z. B. sagen läßt. „Von Frankreich wenden sich die Augen aller Politiker nach Frankfurt (erste wirklich habsburgisch-humoristische Phantasie!). Der Reichsminister von Schmerling hat abgedankt (i. e. Oesterreich ist hinausgewiesen worden) und Heinrich von Gagern hat seinen Platz eingenommen (i. e. die Hohenzollern drohen die kaiserliche Dividende einzuziehen, welche ihnen meine windischgrätzige Brutalität eingebracht hat). Europa sieht dem Streite, welcher sich entspinnen wird (!), mit athemloser Erwartung entgegen (zweite habsburgische Phantasie!). Ob die gigantische Gestalt eines mitteleuropäischen Reichs, welche, eine erhabene Erscheinung, eine Verkünderin einer wirklich neuen Zeit, vor dem innern Auge des Geistes gestanden ist, wirklich in's Leben treten wird, oder spurlos wie ein Nachtgespenst verschwinden soll (ja, aber im andern Sinne, Dalai-Lama!), das ist die welthistorische Frage, welche jetzt auf Entscheidung harrt. Als das Frankfurter Parlament die §§. 2 und 3 der Verfassung annahm, wußte es wahrlich nicht, was es that (Michel wird die Milde dieser Ohrfeige zu erkennen wissen). Deutschland mag zerfallen, Oesterreich wird nicht zerfallen. Deutschland wollte sich einigen, indem es Oesterreich veruneinigte, und diese schwere Versündigung (!!! unverzeihlich!) fällt jetzt auf das eigene Haupt zurück. Eine tiefe Abneigung hat in vielen Theilen Deutschland's gegen Preußen Wurzel gefaßt; das Haus Habsburg und die historischen (metternich-windischgrätzigen) Erinnerungen, welche sich an dasselbe knüpfen, sind noch immer dem deutschen Herzen theuer (habsburgische Liebe! o edles deutsches Herz!). Deutschland hatte stets seine Hintergedanken. (Seit wann ist es so gescheit?) Es wollte den Hafen von Pola. Es wollte die ganze Donau. Es wollte die Einfahrt in das schwarze Meer u. s. w.“ Ist das starke Ministerium nicht wahrhaft ergötzlich in seiner captatio an die habgierige Bourgeoisie, indem es ihr zeigt, was sie bekommt, wenn sie sich den habsburger Kroatenhäuptling gefallen läßt!

Aus dem Reichstag habe ich Ihnen als Kuriosum noch die Aeußerung des Finanzministers zu melden: „Die Lombardei ist für Oesterreich so nöthig, wie Oesterreich der Lombardei.“ Den ersten Theil des Satzes bewahrheitet der Minister damit, daß er das Gold und Silber, welches man in die Lombardei hat schleppen müssen, im Vorgefühle daß die Lombardei den zweiten Theil des Satzes bald als eine Lüge bezeichnen wird, noch rasch wieder herausziehen will, um dafür eine Sündfluth von Banknoten zwangsweise dort unterzubringen, und so die Lombarden am bevorstehenden allgemeinen Bankrott noch Theil nehmen zu lassen. 5000 Kilogramm Banknoten sollen zu diesem Ende bereits an Radetzky abgegangen sein. Schmerling, der hier angekommen ist, Kübeck und Kraus halten in Olmütz permanente Sitzungen zur Berathung der Finanzmaßregeln, denen Frau Sophie präsidirt, während ihr Junge auf einem Schaukelpferde den „jugendlichen“ Dalai-Lama spielt. Die gelehrten Herrn berufen sich umsonst auf die Bewilligung der 80 Millionen durch Hans Jörgel, die Juden bleiben dabei: „Wir haben kein Geld!“ Zu den Erbärmlichen, welche nach nichtssagenden Tiraden die 80 Millionen bewilligten, gehört natürlich auch Schuselka. Nur die Polen haben sich entschieden gegen die Forderung gewehrt. Dafür geißelt sie die Presse, wie folgt: „Was bezwecken die Herrn Borkowski, Bilinski, Turbasiewic's, Hubicki, Langie und Konsorten mit ihren destruktiven Tendenzen? nichts anderes, als das Unglück ihres eigenen Vaterlandes. Sie denken: hat sich nur erst Ungarn von Oestreich losgetrennt, ist die Wiederherstellung Polens in seinen alten Grenzen auch nicht mehr ferne. Nehmen wir an, Kossuth's Partei reussirte, und das Land der Magyaren stände da, eine Macht vom fünften Rang (da es Oesterreichs Hälfte ist, so wäre das „mächtige Kaiserreich“ also nur mehr eine 2/5tels Macht!), was wäre damit gewonnen? Ein Athem Sympathie im Süden, gegen eine Welt voll drohender Gefahr im Norden. Um Pole für ewige Zeit zu bleiben, muß sich der echte Pariot dieses Landes entschließen, vor der Hand Galizianer (i. e. Ruthener), das ist, Genosse der freien verbrüderten (welcher Hohn!) österreichischen Völker zu sein. — Die untersten Schichten dieser Provinz ahnen (mit Hülfe des dargereichten Schnapses) die Nothwendigkeit dieser Politik und befolgen sie instinktmäßig, (i. e. man macht sie besoffen, sagt ihnen, sie seien Ruthener und gibt ihnen ein Schlachtmesser in die Hand) nur die Repräsentanten des Bürgerthums und des niedern Adels, die s. g. „Schlachtizen“ (d. h. die zu schlachtenden Opfer) provoziren den Ruin des Landes u. s. w.“

Sie werden in unsern Blättern ein Heer nach Olmütz geschickter Loyalitäts-Adressen und Deputationen finden. (Ganz wie im Preuß. Staats-Anzeiger und Blättern ähnlichen Gelichters für Potsdam fabrizirte Haufen von Adressen aufgestapelt sind.) Lassen Sie sich davon nicht beirren, sie sind entweder standrechtlich erzwungen oder aus der schwarzgelben Menagerie. Triest verspürt trotz seiner Loyalitätsadresse z. B. venetianische Gelüste. „Schade, daß einige wenige“ (ruft der Lloyd aus) „Triest in Mißkredit bringen, — ich spreche von den Redakteuren und Mitarbeitern des Giornale de Trieste und der Gazetta Triestina. Immer dringlicher stellt sich das Bedürfniß eines Repressivgesetzes in Preßsachen heraus!“

In Gratz werden mit Neujahr 12 mehr oder minder demokratische Journale erscheinen. Das möge Ihnen vom Gegendruck Zeugniß geben, den man dort wider die jetzige Henkergewalt versucht.

In die Ministerien werden lauter Ruthenen, Kroaten und Czechen ernannt. Beweis, daß Oesterreich, um entdeutscht und entmagyarisirt zu werden, immer mehr kroato-czecho-ruthenisirt, oder, was dasselbe ist, russifizirt werden soll. Man sieht den Zeitpunkt herankommen, wo man mit den slavischen Bestien noch einmal die verfaulte Gesammtmonarchie zusammenflicken soll.

Die hiesigen Blätter schreiben die in ihren Kram passenden Artikel Ihres Blattes ab, ohne dessen jemals zu erwähnen.

121 Wien, 27. Dez.

Ich habe Ihnen vor einigen Tagen geschrieben, daß der Gardist Ludwig Raveaux, Bruder des bekannten Abgeordneten und hier ansässiger Kaufmann, eingezogen worden sei. Derselbe ist nunmehr „durch Zusammentreffen von Umständen“, wie die Henkerformel heißt, zum Strang verurtheilt. Er soll den Spiritus zum Anzünden der Sophienbrucke geliefert haben. Sie werden den Blutspruch demnächst mit der Exekution in der offiziellen Henkerzeitung antreffen. Vielleicht wird Python die Milde haben, diesen zweiten Kölner Bürger — sonderbar, daß gerade Köln Python die meisten Opfer liefert; vielleicht kommts noch zur Trias — zu 12 Jahren Schanzarbeit oder Kerker in schwerem Eisen zu begnadigen. Aber statt Python herrscht jetzt Welden hier, der den Meister-Satan weit hinter sich läßt, und keine andere Gnade kennt, als Pulver und Blei. Darum wird Raveaux vielleicht Morgen schon erschossen sein. Das gibt eine Drachenzähnesaat! — In der Nacht werden vor den Mundungen der auf den Basteien aufgestellten riesenhaften Belagerungsgeschützen vom vorübergehenden Volke mitunter kleine Katzenmusiken improvisirt, die Herrn Welden ennüyiren; er hat daher den Befehl ertheilt, bei der geringsten derlei Demonstration mit dem Pfiff der Geschütze zu antworten. Da ihre Mündungen in alle Vorstädte und in die Straßen der Stadt gerichtet sind, wo fortwährend die Menge einherwogt, so können Sie sich einen Begriff von der Wirkung einer solchen Antwort machen. Unser Leben und unser Eigenthum hängen von einem mißliebigen, von den Henkern zum Vergnügen vielleicht selbst improvisirten, Pfiff ab. Das Proletariat, namentlich das verschämte, leidet bei der Kälte die entsetzlichste Noth, aber es muß sich verborgen halten. Auf jede Klage folgt eine Verurtheilung zur Armee nach Italien oder Ungarn neben anhaltender scheußlichster Mißhandlung und Todesmarter. Der Olmützer Korrespondent, ein Bestienblatt pur sang, rühmt die geschehene energische Beseitigung des Proletariats. Das Alles haben wir der cavaignac'schen Junivorlesung zu verdanken, deren Lehre die plumpen Apostel der europäischen Schakale in ihrer Heimath mit dem Fanatismus dieser Bestien nachpredigen.

Das alte Wort, das Wort erschallt:
Gehorche willig der Gewalt!

Dazu aber:

Und bist du kühn, und hälst du Stich,
So wage Haus und Hof und — Dich.

121 Wien, 29. Dezbr.

Die Beilage zur Wienerin versicherte uns gestern Abend: „Eben eingehenden Berichten aus Belgrad vom 24. zufolge, hatte der Fürst Cara Georgewitsch und der serbische Senat nach Eingang der Nachricht, daß der Kaiser von Oestreich die serbische Woiwodschaft mit einem Patriarchat anerkannt habe, beschlossen, ein reguläres Hülfskorps nebst einem bedeutenden Subsidienbeitrag zur Verfügung dieser Woiwodschaft zu stellen. Außerdem wurde die Erlaubniß ertheilt, daß Freischaaren über die Donau setzen dürfen, um zu den serbischen Truppen in Ungarn zu stoßen. Jung und Alt greift jetzt in Serbien zu den Waffen. Der Pascha von Belgrad hat alle diese Verfügungen der serbischen Regierung anerkannt.“

Und nun enthüllt uns der ministerielle Lloyd Europa's und unsere nächste Zukunft mit der diplomatischen, aber bedeutungsvollen Theezirkel-Nachricht: „Der Herzog von Wellington hat zu Weihnachten auf seinem Schlosse Strathfieldsaye unter Anderm den Fürsten und die Fürstin von Metternich, den östreichischen Gesandten Baron von Neumann und dessen Gattin, sowie den Baron Hügel geladen.“

Freilich bezwecken diese alten Teufel mit dem krummen Horn zunächst den Sturz Palmerstons, von welchem Sophie in ihrem Blättchen von Olmütz spricht:

„Was aber für die Rolle, die England als vermittelnde Macht hier spielen soll, entscheidend ist, kann irgend Jemand zur Vermittlung ungeeigneter sein, als Lord Palmerston, der so ziemlich allen Parteien gleich verhaßt ist, der alle Anerbietungen Oestreichs während des Krieges hochmüthig zurückwies, der durch seine Rathschläge den König von Sardinien in seine gegenwärtige verzweifelte Lage brachte, und dem revolutionären Geiste, der von der völlig unausführbaren Herstellung einer großen italienischen Republik träumt, allen möglichen Vorschub leistete?“ aber, daß sie noch weit mehr bezwecken, das verstehen wir dumme Oestreicher, wenn wir den Namen Metternich hören, noch besser, als Deutschlands Taunus-Esel. O, der Verzweiflungszorn unseres freiheitdürstenden Volks ist ungeheuer! Zuerst hoffte es auf Frankreich, ja auf das deutsche Reich!

Wien's ärmster Proletarier würde seinen letzten Kreuzer geopfert haben, um den Franzosen entgegenzueilen, sie bei sich wie Brüder zu bewirthen. Er verlor gar bald den Glauben an das deutsche Reich, als er dessen Welckers erblickte; nun verliert er auch den Glauben an Frankreich.

Im Februar sprach es: „Erhebt euch, Völker, ich bin euer Bruder!“ Wir erhoben uns, aber unsere Mörder erkannten, daß Frankreich uns nur ein Schnippchen geschlagen; daß seine Brüderlichkeit nur eine Phrase gewesen. Der stärkste Bruder der Freiheit verließ alle seine schwächeren Geschwister, um sie von rachedürstigen Bestien erwürgen zu lassen, und, o der Schande, steht, wenn auch versteckt, auf ihrer Seite! Frankreich erzittere vor den fehlgeschlagenen Hoffnungen der Völker, es erzittere vor der Stunde, wo Ungarn, Italien und Deutschland weiter nichts mehr sein werden, als die Rekrutenställe des Absolutismus; es erzittere, wenn es noch einmal duldet, daß, während die Hallunken handeln und das Eisen zu schmieden wissen, die Völker von Frankreich nichts hören, als: Monsieur Thiers a parlé pendant deux heures etc. Seid doch so klug, wie die Windischgrätze, die selbst der Passivität keinen Pardon gewähren, und bedenkt, daß Europas Völker bei euch einst diese ratio windischgraeziana geltend machen könnten; helft uns, Franzosen, wie ehrlich-muthige Brüder, bevor es heißt: Trop tard!

Gestern brachten die Standrechtsblätter Napoleons Thronrede. Die Phrase: „Wir werden die unglücklichen Völkerschaften unterstützen“, war überall hinweggelassen, obgleich sie dem an Frankreich verzweifelnden Volke wenig neue Hoffnungen gegeben hatte. — Der neue Münch-Bellinghausen und östr. Spion Schmerling ist vom Ministerium mit dem Auftrag nach Frankfurt geschickt worden, dort alles aufzubieten, damit der östreich. Hans nicht verdrängt, Oestreichs Suprematie nicht beseitigt werde. Seine Instruktionen hat er direkt von Metternich erhalten, das Ministerium machte nur den Ueberbringer. Bevor er abreiste, wurden die Wahlmänner des ersten Bezirks zusammengetrommelt und Schmerling hielt vor denselben eine Standrechtsrede, aus welcher ich folgende Sätze ausheben muß. Er sagte:

„Ich mußte hören, wie ein verrätherischer König und ein aufrührerisches Volk Italiens Gränzen bis an den Brenner und Karst zurückgeschoben wissen wollten. Gleicherweise sprach man in Frankfurt vom Aufgeben Galiziens, und stellte das Ansinnen eines diplomatischen Verkehrs mit einem selbstständigen Ungarn. Nie konnte ich an die Realisirung diesen so verletzenden, so schmerzlichen Meinungen glauben.

Bald hatte ich Gelegenheit freudigen Stolz über die großartigen, wunderbar schnellen Siege der östreichischen Armee in Italien zu empfinden. Am 6. August, am selben Tage als die deutschen Truppen, theilweise nur, dem Reichsverweser ihre Huldigung darbrachten, hat der greise Radetzky in Mailand die östreich Farben aufgepflanzt. Als die theuere Vaterstadt, als Wien, der Schauplatz der trübsten Scenen und so vielen Unglückes geworden, war es mir doch freudige Genugthuung, daß in weniger als 14 Tage neue, ansehnliche Heere erstanden, und daß ihr eben so kriegserfahrener als heldenmüthiger Führer, Fürst Windischgrätz, mit bewunderungswerther Mäßigung durch seinen Sieg die wahre gesetzliche Freiheit zu befestigen gewußt. (Bravo!)

Während all dieser inhaltschweren Zeiten hat mich der mächtige Lauf der Ereignisse fern von dem mir theuern Wien gehalten. Ich war berufen, an die Spitze des Bundestages zu treten, und ich glaube, während meiner zweimonatlichen Leitung desselben mich nicht unnützlich bewiesen zu haben, da es mir gelang, die anarchischen Tendenzen und die Conventsgelüste, welche in Frankfurt rege geworden, zu beseitigen. Stolz fühlte ich mich damals, als Oestreicher solches bewirkt zu haben.

Als mich der Reichsverweser ins Ministerium berief, beseelte mich das erhebende Gefühl, ein Deutscher zu sein; doch vergaß ich hierüber keinen Augenblick, daß ich vor Allem Oestreicher sei.

So wie in den Stürmen des Mai und Juni, so immer ist mir die Aufrechterhaltung der Integrität des östreich. Staates, das höchste und wichtigste im Leben. Oestreich muß, wie seit tausend Jahren, eine europäische Großmacht bleiben. Kein Zoll von den durch Verträge erworbenen und durch Siege behaupteten Landen darf verloren gehen.

Hr. Schmerling ist beauftragt, in Frankfurt zu versichern, die §§. 2 und 3 könnten bleiben, wofern dem Hause Habsburg einmal die deutsche Kaiserkrone übertragen und ihm von der Reichsgewalt die Integrität und Unabhängigkeit seiner außerdeutschen Länder durch ein Schutz- und Trutzbündniß würde zugesichert werden. Damit er reussire, soll er die Religion ins Spiel bringen und namentlich die Rheinlande darauf aufmerksam machen, daß Oestreich eine katholische Macht ist!

102 Wien, 29. Dez.

Die Russen passiren jetzt mit unter dem Namen der Serben en masse bei Belgrad die Grenze, um die im Süden siegreichen Magyaren zu bewältigen. Dem Sohne Latours sind letzthin beide Beine abgeschossen worden und er ist darauf gestern in Schönbrunn gestorben.

Damit der Kredit sich hebe, läßt das Ministerium im Namen des Auslandes an der Börse Metalliques aufkaufen, allein die Börsenhelden, pfiffiger als die plumpen Henker, lassen sich nicht irre machen und das Steigen der Fonds bleibt unbemerkbar, während ihr Fallen um so bemerkbarer wird. Das Silberagio beträgt bereits über 10 pCt., das Geldagio über 18 pCt. Auf 100 Friedrichsd'or würde ich hier 20 gewinnen können, ja noch mehr.

Die heutige „Presse“ enthält wiederum einen jesuitischen Artikel über Deutschland, der die Sendung Schmerlings, die deutsche Uneinigkeit à tous prix, deutlich enthüllt. Es heißt darin z. B.: „Katholizismus und Protestantismus stehen sich in zwei großen Lagern, in Süd und Nord, gegenüber!“

Die östreichischen Henker wollen in Deutschland einen Religionskrieg anfachen, um ihre Teufelszwecke zu erreichen; sie wollen in Deutschland denselben Dämon heraufbeschwören, den sie in Ungarn heraufzubeschwören wußten. In Deutschland Religions- und Manneshetze, in Ungarn Nationalhetze unter dem Heuchelschein der Freiheit und den ehrwürdigen Erinnerungen der Habsburgischen Familie.

Raab soll wirklich besetzt sein, natürlich unter dem Jubel der Bevölkerung, der nirgends zu sehen ist. Als Windischgrätz in Preßburg einrückte, hatten alle zurückgebliebenen Bewohner ihre Häuser und Fenster verschlossen. Er ließ ihnen bedeuten, sich zu zeigen und die schwarz-gelbe Fahne auszustecken. Es unterblieb. Da drohte er ihnen mit einer Brandschatzung von 80,000 fl. C.M. In den besetzten Städten soll, wie Reisende erzählen, mit fürchterlicher Mordwuth verfahren werden. Die Leute werden dutzendweise erschossen und man erblickt ganze Schaaren in Ketten geschlossen, welche in die czechischen Festungen geschleppt werden.

7 Wien, 30. Dezbr.

Welden meldet in einem Armee-Bülletin vom gestrigen Datum, daß nach den aus dem Hauptquartier Raab ihm am 28. Abends zugekommenen Nachrichten die Magyaren zum Rückzug genöthigt und von der Kavalleriebrigade Ottinger bis Babolna (auf der Straße nach Osen) verfolgt worden seien. Daselbst habe ein Bataillon des Regiments Prinz von Preußen, 600 Mann stark, Stand gehalten, sei von 2 Divisionen Wallmoden-Kuirassiren angegriffen, und großentheils zusammengehauen worden. Außerdem seien von Honved-Bataillons noch 7 Offiziere und 700 Mann, worunter 200 Verwundete gefangen genommen worden. — Die Besitznahme von Raab hat viel, sehr viel Blut gekostet und erforderte einen Zeitaufwand von fast acht Tagen. Davon schweigen indeß die offiziellen Berichte! Man meldet nur die magyarischen Schlappen. Als Gerücht kursirte schon gestern, der Kommandant von Komorn habe die in der Festung, eine der stärksten Ungarn's, befindlichen Garden zu einem Ausfall gegen die kaiserl. Armee bestimmt, dann aber, im heißesten Kampfe, die zurückgebliebene Militärgarnison mit Kartätschen in die Gardea feuern lassen, und nach ihrer Vernichtung zwischen zwei Feuern die Festung dem Windischgrätz übergeben. Kossuth hätte in Komorn also einen Verräther seiner Sache gelassen. Offiziell ist hiervon noch nichts bekannt. Ist diese Verrätherei wahr, so steht's schlimm mit der magyarischen Sache, denn sie wird anstecken und die Entmuthigung wird sich des Volkes bemächtigen. Komorn ist von hier aus der Schlüssel zu Ungarn. Etwas nördlicher liegt die kleinere Festung Leopoldstadt, welche gestern bombardirt worden sein soll. Windischgrätz kann erst dann auf Osen und Pesth losrücken, wenn diese beiden Punkte in seiner Gewalt sind; dann wird auch seine Heeresmacht durch Vereinigungen um so beträchtlicher.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div xml:id="ar186_008" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0003" n="1005"/>
gestern Abend Hrn. Gierke zu Ehren ein Festmahl veranstaltet, an welchem sich einige hundert Männer, besonders Kaufleute, betheiligten. Unter den zahlreichen Trinksprüchen führe ich den des Dr. med. Scharlau an. Letzterer sagte:</p>
          <p>&#x201E;In den politischen Bewegungen dieses Jahres sind zwei Principien auf dem Kampfplatz erschienen; sie beginnen erst den Kampf gegen einander; sie heißen Absolutismus und Demokratie. Der Kampf wird bald viel ernster werden und mit der Vernichtung des einen enden. Welches? das kann nicht zweifelhaft sein, wenn erwogen wird, daß der Absolutismus, in sich selbst unsittlich, nur die unsittlichen Mittel der Gewalt und Geistesknechtung in seinem Solde hat, während die Kraft der Demokratie in ewigen Wahrheiten ruht. Es lebe die Demokratie!&#x201C;</p>
          <p>Die Reihe schloß Buchhändler Saunier mit folgendem Toaste:</p>
          <p>&#x201E;Dem Andenken der Männer, die mit den Waffen um die Freiheit gekämpft und sie mit ihrem Herzblut bezahlt haben; die nicht todt sind und niemals sterben werden für unsere Dankbarkeit.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar186_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 27. Dez.</head>
          <p>Nachdem die Standrechtsblätter Bonaparte's Wahl anfänglich als ein ganz im Geiste des Absolutismus von Irkutz-Olmütz ausgefallenes Mißtrauensvotum wider die Republik begrüßt hatten, und der &#x201E;Lloyd&#x201C; ohne Widerspruch des französischen Ambassadeur's geradeaus den Sturz der Republik verlangte und den guten Oesterreichern quasi schon proklamirte, überfällt eben dieselben Pulver- und Blei und Galgenblätter nun nach der Wahl Bonaparte's eine unheimliche Angst ohne Gleichen. Mit Entsetzen lesen das Ministerium und seine Windischgrätze Napoleon's Feldzüge in Italien und Deutschland; sie beben vor der Begeisterungslosigkeit, mit welcher Frankreich gewählt hat. &#x201E;Könnten wir in dieser Wahl irgend ein Zeichen hinreißender Begeisterung erblicken&#x201C;, ruft die &#x201E;Presse&#x201C; aus, &#x201E;wir wären beruhigt; aber die Franzosen sind in diesem Augenblicke nicht begeistert. Wir fürchten sehr, Frankreich will sich in neue Bahnen werfen. (Ei, ei!) Sollte Louis Bonaparte es versuchen wollen, die Plane seines großen Oheims in seine schwache Hand zu nehmen und in Italien Oesterreich gegenüber den Schiedsrichter und Gründer neuer Geschicke zu spielen? &#x2014; Wir wagen nicht, es zu verneinen.&#x201C; Die kroatischen Spione müssen schlimme Berichte aus Paris geschickt haben, &#x201E;starkes&#x201C; Ministerium des mächtig-ohnmächtigen Oesterreichs!</p>
          <p>Wie ich von &#x201E;offiziell sehr honettem&#x201C; Umgang erfahre, sollen darum von den neulich bewilligten 80 Milliönchen einige zur Bestechung nach Paris, ja selbst nach London wandern. Auch Berlin und Frankfurt sollen nicht übergangen werden. In Paris hat, oder wird man vor allen Dingen Herrn Girardin einige Kübel neu geprägter Kremnitzer zum Neujahr mit der sinnreichsten Ueberraschung zustellen, damit er österreichisch auf seiner Posaune von Jericho bläst, und das große Prinzip der Nichteinmischung in's Gehirn Bonaparte's u. s. w. träufelt. Nun, die Pariser werden Girardin's österreichisch-kaiserliche Dukaten in den Goldkübeln der Wechsler nächstens zu sehen bekommen!</p>
          <p>In ihrer neu napoleonischen Angst, die auch das Hängen, Erschießen, Verbrennen und Martern der sogenannten &#x201E;Neudemokratie&#x201C; nicht zu bewältigen vermag, möchte sich die österreichische Katze neben Rußland, dessen Krallen sie auch nicht ganz traut, noch gar zu gerne an irgend einen Löwen, Leopard, Adler, selbst an den famosen Hahn vertraulich anschließen; es geht aber nicht. Es bleibt sogar nichts übrig, als dem standrechtlich behandelten Deutschland vornehm-verächtlich die Kur zu machen. Man weiß, der gute Junge nimmt Fußtritte an und läßt sich demungeachtet zu allem gebrauchen. Aber hier ist Preußen aus dem Sattel zu heben. Der Habsburger intriguirt deßhalb mit allen kleinen Kartoffelfürsten, streichelt Frankfurt, ja lobt sogar die preußische Kreatur <hi rendition="#g">Gagern,</hi> indem er seinen &#x201E;Lloyd&#x201C; z. B. sagen läßt. &#x201E;Von Frankreich wenden sich die Augen aller Politiker nach Frankfurt (erste wirklich habsburgisch-humoristische Phantasie!). Der Reichsminister von Schmerling hat abgedankt (i. e. Oesterreich ist hinausgewiesen worden) und Heinrich von Gagern hat seinen Platz eingenommen (i. e. die Hohenzollern drohen die kaiserliche Dividende einzuziehen, welche ihnen meine windischgrätzige Brutalität eingebracht hat). Europa sieht dem Streite, welcher sich entspinnen wird (!), mit athemloser Erwartung entgegen (zweite habsburgische Phantasie!). Ob die gigantische Gestalt eines mitteleuropäischen Reichs, welche, eine erhabene Erscheinung, eine Verkünderin einer wirklich neuen Zeit, vor dem innern Auge des Geistes gestanden ist, wirklich in's Leben treten wird, oder spurlos wie ein Nachtgespenst verschwinden soll (ja, aber im andern Sinne, Dalai-Lama!), das ist die welthistorische Frage, welche jetzt auf Entscheidung harrt. Als das Frankfurter Parlament die §§. 2 und 3 der Verfassung annahm, wußte es wahrlich nicht, was es that (Michel wird die Milde dieser Ohrfeige zu erkennen wissen). Deutschland mag zerfallen, Oesterreich wird nicht zerfallen. Deutschland wollte sich einigen, indem es Oesterreich veruneinigte, und diese schwere Versündigung (!!! unverzeihlich!) fällt jetzt auf das eigene Haupt zurück. Eine tiefe Abneigung hat in vielen Theilen Deutschland's gegen Preußen Wurzel gefaßt; das Haus Habsburg und die historischen (metternich-windischgrätzigen) Erinnerungen, welche sich an dasselbe knüpfen, sind noch immer dem deutschen Herzen theuer (habsburgische Liebe! o edles deutsches Herz!). Deutschland hatte stets seine Hintergedanken. (Seit wann ist es so gescheit?) Es wollte den Hafen von Pola. Es wollte die ganze Donau. Es wollte die Einfahrt in das schwarze Meer u. s. w.&#x201C; Ist das starke Ministerium nicht wahrhaft ergötzlich in seiner captatio an die habgierige Bourgeoisie, indem es ihr zeigt, was sie bekommt, wenn sie sich den habsburger Kroatenhäuptling gefallen läßt!</p>
          <p>Aus dem Reichstag habe ich Ihnen als Kuriosum noch die Aeußerung des Finanzministers zu melden: &#x201E;Die Lombardei ist für Oesterreich so nöthig, wie Oesterreich der Lombardei.&#x201C; Den ersten Theil des Satzes bewahrheitet der Minister damit, daß er das Gold und Silber, welches man in die Lombardei hat schleppen müssen, im Vorgefühle daß die Lombardei den zweiten Theil des Satzes bald als eine Lüge bezeichnen wird, noch rasch wieder herausziehen will, um dafür eine Sündfluth von Banknoten zwangsweise dort unterzubringen, und so die Lombarden am bevorstehenden allgemeinen Bankrott noch Theil nehmen zu lassen. 5000 Kilogramm Banknoten sollen zu diesem Ende bereits an Radetzky abgegangen sein. Schmerling, der hier angekommen ist, Kübeck und Kraus halten in Olmütz permanente Sitzungen zur Berathung der Finanzmaßregeln, denen Frau Sophie präsidirt, während ihr Junge auf einem Schaukelpferde den &#x201E;jugendlichen&#x201C; Dalai-Lama spielt. Die gelehrten Herrn berufen sich umsonst auf die Bewilligung der 80 Millionen durch Hans Jörgel, die Juden bleiben dabei: &#x201E;Wir haben kein Geld!&#x201C; Zu den Erbärmlichen, welche nach nichtssagenden Tiraden die 80 Millionen bewilligten, gehört natürlich auch Schuselka. Nur die Polen haben sich entschieden gegen die Forderung gewehrt. Dafür geißelt sie die Presse, wie folgt: &#x201E;Was bezwecken die Herrn Borkowski, Bilinski, Turbasiewic's, Hubicki, Langie und Konsorten mit ihren destruktiven Tendenzen? nichts anderes, als das Unglück ihres eigenen Vaterlandes. Sie denken: hat sich nur erst Ungarn von Oestreich losgetrennt, ist die Wiederherstellung Polens in seinen alten Grenzen auch nicht mehr ferne. Nehmen wir an, Kossuth's Partei reussirte, und das Land der Magyaren stände da, eine Macht vom fünften Rang (da es Oesterreichs Hälfte ist, so wäre das &#x201E;mächtige Kaiserreich&#x201C; also nur mehr eine 2/5tels Macht!), was wäre damit gewonnen? Ein Athem Sympathie im Süden, gegen eine Welt voll drohender Gefahr im Norden. Um Pole für ewige Zeit zu bleiben, muß sich der echte Pariot dieses Landes entschließen, vor der Hand Galizianer (i. e. Ruthener), das ist, Genosse der freien verbrüderten (welcher Hohn!) österreichischen Völker zu sein. &#x2014; Die untersten Schichten dieser Provinz ahnen (mit Hülfe des dargereichten Schnapses) die Nothwendigkeit dieser Politik und befolgen sie instinktmäßig, (i. e. man macht sie besoffen, sagt ihnen, sie seien Ruthener und gibt ihnen ein Schlachtmesser in die Hand) nur die Repräsentanten des Bürgerthums und des niedern Adels, die s. g. &#x201E;Schlachtizen&#x201C; (d. h. die zu schlachtenden Opfer) provoziren den Ruin des Landes u. s. w.&#x201C;</p>
          <p>Sie werden in unsern Blättern ein Heer nach Olmütz geschickter Loyalitäts-Adressen und Deputationen finden. (Ganz wie im Preuß. Staats-Anzeiger und Blättern ähnlichen Gelichters für Potsdam fabrizirte Haufen von Adressen aufgestapelt sind.) Lassen Sie sich davon nicht beirren, sie sind entweder standrechtlich erzwungen oder aus der schwarzgelben Menagerie. Triest verspürt trotz seiner Loyalitätsadresse z. B. venetianische Gelüste. &#x201E;Schade, daß einige wenige&#x201C; (ruft der Lloyd aus) &#x201E;Triest in Mißkredit bringen, &#x2014; ich spreche von den Redakteuren und Mitarbeitern des Giornale de Trieste und der Gazetta Triestina. Immer dringlicher stellt sich das Bedürfniß eines Repressivgesetzes in Preßsachen heraus!&#x201C;</p>
          <p>In Gratz werden mit Neujahr 12 mehr oder minder demokratische Journale erscheinen. Das möge Ihnen vom Gegendruck Zeugniß geben, den man dort wider die jetzige Henkergewalt versucht.</p>
          <p>In die Ministerien werden lauter Ruthenen, Kroaten und Czechen ernannt. Beweis, daß Oesterreich, um entdeutscht und entmagyarisirt zu werden, immer mehr kroato-czecho-ruthenisirt, oder, was dasselbe ist, russifizirt werden soll. Man sieht den Zeitpunkt herankommen, wo man mit den slavischen Bestien noch einmal die verfaulte Gesammtmonarchie zusammenflicken soll.</p>
          <p>Die hiesigen Blätter schreiben die in ihren Kram passenden Artikel Ihres Blattes ab, ohne dessen jemals zu erwähnen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar186_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 27. Dez.</head>
          <p>Ich habe Ihnen vor einigen Tagen geschrieben, daß der Gardist <hi rendition="#g">Ludwig Raveaux,</hi> Bruder des bekannten Abgeordneten und hier ansässiger Kaufmann, eingezogen worden sei. Derselbe ist nunmehr &#x201E;durch Zusammentreffen von Umständen&#x201C;, wie die Henkerformel heißt, zum Strang verurtheilt. Er soll den Spiritus zum Anzünden der Sophienbrucke geliefert haben. Sie werden den Blutspruch demnächst mit der Exekution in der offiziellen Henkerzeitung antreffen. Vielleicht wird Python die Milde haben, diesen zweiten Kölner Bürger &#x2014; sonderbar, daß gerade Köln Python die meisten Opfer liefert; vielleicht kommts noch zur Trias &#x2014; zu 12 Jahren Schanzarbeit oder Kerker in schwerem Eisen zu begnadigen. Aber statt Python herrscht jetzt Welden hier, der den Meister-Satan weit hinter sich läßt, und keine andere Gnade kennt, als Pulver und Blei. Darum wird Raveaux vielleicht Morgen schon erschossen sein. Das gibt eine Drachenzähnesaat! &#x2014; In der Nacht werden vor den Mundungen der auf den Basteien aufgestellten riesenhaften Belagerungsgeschützen vom vorübergehenden Volke mitunter kleine Katzenmusiken improvisirt, die Herrn Welden ennüyiren; er hat daher den Befehl ertheilt, bei der geringsten derlei Demonstration mit dem Pfiff der Geschütze zu antworten. Da ihre Mündungen in alle Vorstädte und in die Straßen der Stadt gerichtet sind, wo fortwährend die Menge einherwogt, so können Sie sich einen Begriff von der Wirkung einer solchen Antwort machen. Unser Leben und unser Eigenthum hängen von einem mißliebigen, von den Henkern zum Vergnügen vielleicht selbst improvisirten, Pfiff ab. Das Proletariat, namentlich das verschämte, leidet bei der Kälte die entsetzlichste Noth, aber es muß sich verborgen halten. Auf jede Klage folgt eine Verurtheilung zur Armee nach Italien oder Ungarn neben anhaltender scheußlichster Mißhandlung und Todesmarter. Der Olmützer Korrespondent, ein Bestienblatt pur sang, rühmt die geschehene energische Beseitigung des Proletariats. Das Alles haben wir der cavaignac'schen Junivorlesung zu verdanken, deren Lehre die plumpen Apostel der europäischen Schakale in ihrer Heimath mit dem Fanatismus dieser Bestien nachpredigen.</p>
          <p rendition="#et">Das alte Wort, das Wort erschallt:<lb/>
Gehorche willig der Gewalt!</p>
          <p>Dazu aber:</p>
          <p rendition="#et">Und bist du kühn, und hälst du Stich,<lb/>
So wage Haus und Hof und &#x2014; Dich.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar186_011" type="jArticle">
          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 29. Dezbr.</head>
          <p>Die Beilage zur Wienerin versicherte uns gestern Abend: &#x201E;Eben eingehenden Berichten aus Belgrad vom 24. zufolge, hatte der Fürst Cara Georgewitsch und der serbische Senat nach Eingang der Nachricht, daß der Kaiser von Oestreich die serbische Woiwodschaft mit einem Patriarchat anerkannt habe, beschlossen, ein reguläres Hülfskorps nebst einem bedeutenden Subsidienbeitrag zur Verfügung dieser Woiwodschaft zu stellen. Außerdem wurde die Erlaubniß ertheilt, daß Freischaaren über die Donau setzen dürfen, um zu den serbischen Truppen in Ungarn zu stoßen. Jung und Alt greift jetzt in Serbien zu den Waffen. Der <hi rendition="#g">Pascha von Belgrad</hi> hat alle diese Verfügungen der serbischen Regierung anerkannt.&#x201C;</p>
          <p>Und nun enthüllt uns der ministerielle Lloyd Europa's und unsere nächste Zukunft mit der diplomatischen, aber bedeutungsvollen Theezirkel-Nachricht: &#x201E;Der Herzog von Wellington hat zu Weihnachten auf seinem Schlosse Strathfieldsaye unter Anderm den Fürsten und die Fürstin von Metternich, <hi rendition="#g">den östreichischen Gesandten Baron von Neumann</hi> und dessen Gattin, sowie den Baron Hügel geladen.&#x201C;</p>
          <p>Freilich bezwecken diese alten Teufel mit dem krummen Horn zunächst den Sturz Palmerstons, von welchem Sophie in ihrem Blättchen von Olmütz spricht:</p>
          <p>&#x201E;Was aber für die Rolle, die England als vermittelnde Macht hier spielen soll, entscheidend ist, kann irgend Jemand zur Vermittlung ungeeigneter sein, als Lord <hi rendition="#g">Palmerston</hi>, der so ziemlich allen Parteien gleich verhaßt ist, der alle Anerbietungen Oestreichs während des Krieges hochmüthig zurückwies, der durch seine Rathschläge den König von Sardinien in seine gegenwärtige verzweifelte Lage brachte, und dem <hi rendition="#g">revolutionären</hi> Geiste, der von der völlig unausführbaren Herstellung einer großen italienischen Republik träumt, allen möglichen Vorschub leistete?&#x201C; aber, daß sie noch weit mehr bezwecken, das verstehen wir dumme Oestreicher, wenn wir den Namen Metternich hören, noch besser, als Deutschlands Taunus-Esel. O, der Verzweiflungszorn unseres freiheitdürstenden Volks ist ungeheuer! Zuerst hoffte es auf Frankreich, ja auf das deutsche Reich!</p>
          <p>Wien's ärmster Proletarier würde seinen letzten Kreuzer geopfert haben, um den Franzosen entgegenzueilen, sie bei sich wie Brüder zu bewirthen. Er verlor gar bald den Glauben an das deutsche Reich, als er dessen <hi rendition="#g">Welckers</hi> erblickte; nun verliert er auch den Glauben an Frankreich.</p>
          <p>Im Februar sprach es: &#x201E;Erhebt euch, Völker, ich bin euer Bruder!&#x201C; Wir erhoben uns, aber unsere Mörder erkannten, daß Frankreich uns nur ein Schnippchen geschlagen; daß seine Brüderlichkeit nur eine Phrase gewesen. Der <hi rendition="#g">stärkste</hi> Bruder der Freiheit verließ alle seine schwächeren Geschwister, um sie von rachedürstigen Bestien erwürgen zu lassen, und, o der Schande, steht, wenn auch versteckt, auf ihrer Seite! Frankreich erzittere vor den fehlgeschlagenen Hoffnungen der Völker, es erzittere vor der Stunde, wo Ungarn, Italien und Deutschland weiter nichts mehr sein werden, als die Rekrutenställe des Absolutismus; es erzittere, wenn es noch einmal duldet, daß, während die Hallunken handeln und das Eisen zu schmieden wissen, die Völker von Frankreich nichts hören, als: Monsieur Thiers a parlé pendant deux heures etc. Seid doch so klug, wie die Windischgrätze, die selbst der Passivität keinen Pardon gewähren, und bedenkt, daß Europas Völker bei euch einst diese ratio windischgraeziana geltend machen könnten; helft uns, Franzosen, wie ehrlich-muthige Brüder, bevor es heißt: Trop tard!</p>
          <p>Gestern brachten die Standrechtsblätter Napoleons Thronrede. Die Phrase: &#x201E;Wir werden die unglücklichen Völkerschaften unterstützen&#x201C;, war überall hinweggelassen, obgleich sie dem an Frankreich verzweifelnden Volke wenig neue Hoffnungen gegeben hatte. &#x2014; Der neue Münch-Bellinghausen und östr. Spion <hi rendition="#g">Schmerling</hi> ist vom Ministerium mit dem Auftrag nach Frankfurt geschickt worden, dort alles aufzubieten, damit der östreich. <hi rendition="#g">Hans</hi> nicht verdrängt, Oestreichs Suprematie nicht beseitigt werde. Seine Instruktionen hat er direkt von Metternich erhalten, das Ministerium machte nur den Ueberbringer. Bevor er abreiste, wurden die Wahlmänner des ersten Bezirks zusammengetrommelt und Schmerling hielt vor denselben eine Standrechtsrede, aus welcher ich folgende Sätze ausheben muß. Er sagte:</p>
          <p>&#x201E;Ich mußte hören, wie ein verrätherischer König und ein <hi rendition="#g">aufrührerisches</hi> Volk Italiens Gränzen bis an den Brenner und Karst zurückgeschoben wissen wollten. Gleicherweise sprach man in Frankfurt vom Aufgeben Galiziens, und stellte das Ansinnen eines diplomatischen Verkehrs mit einem selbstständigen Ungarn. Nie konnte ich an die Realisirung diesen so verletzenden, so schmerzlichen Meinungen glauben.</p>
          <p>Bald hatte ich Gelegenheit freudigen Stolz über die großartigen, wunderbar schnellen Siege der östreichischen Armee in Italien zu empfinden. Am 6. August, am selben Tage als die deutschen Truppen, <hi rendition="#g">theilweise</hi> nur, dem Reichsverweser ihre Huldigung darbrachten, hat der greise Radetzky in Mailand die östreich Farben aufgepflanzt. Als die theuere Vaterstadt, als <hi rendition="#g">Wien, der Schauplatz der trübsten Scenen</hi> und so vielen Unglückes geworden, war es mir doch freudige Genugthuung, daß in weniger als 14 Tage neue, ansehnliche Heere erstanden, und daß ihr eben so kriegserfahrener als <hi rendition="#g">heldenmüthiger Führer, Fürst Windischgrätz, mit bewunderungswerther Mäßigung durch seinen Sieg die wahre gesetzliche Freiheit zu befestigen gewußt</hi>. (Bravo!)</p>
          <p>Während all dieser inhaltschweren Zeiten hat mich der mächtige Lauf der Ereignisse fern von dem mir theuern Wien gehalten. Ich war berufen, an die Spitze des Bundestages zu treten, und ich glaube, während meiner zweimonatlichen Leitung desselben mich nicht unnützlich bewiesen zu haben, da es mir gelang, die <hi rendition="#g">anarchischen Tendenzen und die Conventsgelüste, welche in Frankfurt rege geworden, zu beseitigen</hi>. Stolz fühlte ich mich damals, als Oestreicher solches bewirkt zu haben.</p>
          <p>Als mich der Reichsverweser ins Ministerium berief, beseelte mich das erhebende Gefühl, ein Deutscher zu sein; doch vergaß ich hierüber keinen Augenblick, daß ich <hi rendition="#g">vor Allem Oestreicher sei</hi>.</p>
          <p>So wie in den Stürmen des Mai und Juni, so immer ist mir die Aufrechterhaltung der Integrität des östreich. Staates, das <hi rendition="#g">höchste und wichtigste im Leben</hi>. Oestreich muß, wie seit tausend Jahren, eine europäische Großmacht bleiben. Kein Zoll von den durch Verträge erworbenen und durch Siege behaupteten Landen darf verloren gehen.</p>
          <p>Hr. Schmerling ist beauftragt, in Frankfurt zu versichern, die §§. 2 und 3 könnten bleiben, wofern dem Hause Habsburg einmal die deutsche Kaiserkrone übertragen und ihm von der Reichsgewalt die Integrität und Unabhängigkeit seiner außerdeutschen Länder durch ein Schutz- und Trutzbündniß würde zugesichert werden. Damit er reussire, soll er die Religion ins Spiel bringen und namentlich die Rheinlande darauf aufmerksam machen, daß Oestreich eine katholische Macht ist!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar186_012" type="jArticle">
          <head><bibl><author>102</author></bibl> Wien, 29. Dez.</head>
          <p>Die Russen passiren jetzt mit unter dem Namen der Serben en masse bei Belgrad die Grenze, um die im Süden siegreichen Magyaren zu bewältigen. Dem Sohne Latours sind letzthin beide Beine abgeschossen worden und er ist darauf gestern in Schönbrunn gestorben.</p>
          <p>Damit der Kredit sich hebe, läßt das Ministerium im Namen des Auslandes an der Börse Metalliques aufkaufen, allein die Börsenhelden, pfiffiger als die plumpen Henker, lassen sich nicht irre machen und das Steigen der Fonds bleibt unbemerkbar, während ihr Fallen um so bemerkbarer wird. Das Silberagio beträgt bereits über 10 pCt., das Geldagio über 18 pCt. Auf 100 Friedrichsd'or würde ich hier 20 gewinnen können, ja noch mehr.</p>
          <p>Die heutige &#x201E;Presse&#x201C; enthält wiederum einen jesuitischen Artikel über Deutschland, der die Sendung Schmerlings, die deutsche Uneinigkeit à tous prix, deutlich enthüllt. Es heißt darin z. B.: &#x201E;Katholizismus und Protestantismus stehen sich in zwei großen Lagern, in Süd und Nord, gegenüber!&#x201C;</p>
          <p>Die östreichischen Henker wollen in Deutschland einen Religionskrieg anfachen, um ihre Teufelszwecke zu erreichen; sie wollen in Deutschland denselben Dämon heraufbeschwören, den sie in Ungarn heraufzubeschwören wußten. In Deutschland Religions- und Manneshetze, in Ungarn Nationalhetze unter dem Heuchelschein der Freiheit und den ehrwürdigen Erinnerungen der Habsburgischen Familie.</p>
          <p>Raab soll wirklich besetzt sein, natürlich unter dem Jubel der Bevölkerung, der nirgends zu sehen ist. Als Windischgrätz in Preßburg einrückte, hatten alle zurückgebliebenen Bewohner ihre Häuser und Fenster verschlossen. Er ließ ihnen bedeuten, sich zu zeigen und die schwarz-gelbe Fahne auszustecken. Es unterblieb. Da drohte er ihnen mit einer Brandschatzung von 80,000 fl. C.M. In den besetzten Städten soll, wie Reisende erzählen, mit fürchterlicher Mordwuth verfahren werden. Die Leute werden dutzendweise erschossen und man erblickt ganze Schaaren in Ketten geschlossen, welche in die czechischen Festungen geschleppt werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar186_013" type="jArticle">
          <head><bibl><author>7</author></bibl> Wien, 30. Dezbr.</head>
          <p>Welden meldet in einem Armee-Bülletin vom gestrigen Datum, daß nach den aus dem Hauptquartier <hi rendition="#g">Raab</hi> ihm am 28. Abends zugekommenen Nachrichten die Magyaren zum Rückzug genöthigt und von der Kavalleriebrigade Ottinger bis Babolna (auf der Straße nach Osen) verfolgt worden seien. Daselbst habe ein Bataillon des Regiments Prinz von Preußen, 600 Mann stark, Stand gehalten, sei von 2 Divisionen Wallmoden-Kuirassiren angegriffen, und großentheils zusammengehauen worden. Außerdem seien von Honved-Bataillons noch 7 Offiziere und 700 Mann, worunter 200 Verwundete gefangen genommen worden. &#x2014; Die Besitznahme von Raab hat viel, sehr viel Blut gekostet und erforderte einen Zeitaufwand von fast acht Tagen. Davon schweigen indeß die offiziellen Berichte! Man meldet nur die magyarischen Schlappen. Als Gerücht kursirte schon gestern, der Kommandant von Komorn habe die in der Festung, eine der stärksten Ungarn's, befindlichen Garden zu einem Ausfall gegen die kaiserl. Armee bestimmt, dann aber, im heißesten Kampfe, die zurückgebliebene Militärgarnison mit Kartätschen in die Gardea feuern lassen, und nach ihrer Vernichtung zwischen zwei Feuern die Festung dem Windischgrätz übergeben. Kossuth hätte in Komorn also einen Verräther seiner Sache gelassen. Offiziell ist hiervon noch nichts bekannt. Ist diese Verrätherei wahr, so steht's schlimm mit der magyarischen Sache, denn sie wird anstecken und die Entmuthigung wird sich des Volkes bemächtigen. Komorn ist von hier aus der Schlüssel zu Ungarn. Etwas nördlicher liegt die kleinere Festung Leopoldstadt, welche gestern bombardirt worden sein soll. Windischgrätz kann erst dann auf Osen und Pesth losrücken, wenn diese beiden Punkte in seiner Gewalt sind; dann wird auch seine Heeresmacht durch Vereinigungen um so beträchtlicher.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1005/0003] gestern Abend Hrn. Gierke zu Ehren ein Festmahl veranstaltet, an welchem sich einige hundert Männer, besonders Kaufleute, betheiligten. Unter den zahlreichen Trinksprüchen führe ich den des Dr. med. Scharlau an. Letzterer sagte: „In den politischen Bewegungen dieses Jahres sind zwei Principien auf dem Kampfplatz erschienen; sie beginnen erst den Kampf gegen einander; sie heißen Absolutismus und Demokratie. Der Kampf wird bald viel ernster werden und mit der Vernichtung des einen enden. Welches? das kann nicht zweifelhaft sein, wenn erwogen wird, daß der Absolutismus, in sich selbst unsittlich, nur die unsittlichen Mittel der Gewalt und Geistesknechtung in seinem Solde hat, während die Kraft der Demokratie in ewigen Wahrheiten ruht. Es lebe die Demokratie!“ Die Reihe schloß Buchhändler Saunier mit folgendem Toaste: „Dem Andenken der Männer, die mit den Waffen um die Freiheit gekämpft und sie mit ihrem Herzblut bezahlt haben; die nicht todt sind und niemals sterben werden für unsere Dankbarkeit.“ 61 Wien, 27. Dez. Nachdem die Standrechtsblätter Bonaparte's Wahl anfänglich als ein ganz im Geiste des Absolutismus von Irkutz-Olmütz ausgefallenes Mißtrauensvotum wider die Republik begrüßt hatten, und der „Lloyd“ ohne Widerspruch des französischen Ambassadeur's geradeaus den Sturz der Republik verlangte und den guten Oesterreichern quasi schon proklamirte, überfällt eben dieselben Pulver- und Blei und Galgenblätter nun nach der Wahl Bonaparte's eine unheimliche Angst ohne Gleichen. Mit Entsetzen lesen das Ministerium und seine Windischgrätze Napoleon's Feldzüge in Italien und Deutschland; sie beben vor der Begeisterungslosigkeit, mit welcher Frankreich gewählt hat. „Könnten wir in dieser Wahl irgend ein Zeichen hinreißender Begeisterung erblicken“, ruft die „Presse“ aus, „wir wären beruhigt; aber die Franzosen sind in diesem Augenblicke nicht begeistert. Wir fürchten sehr, Frankreich will sich in neue Bahnen werfen. (Ei, ei!) Sollte Louis Bonaparte es versuchen wollen, die Plane seines großen Oheims in seine schwache Hand zu nehmen und in Italien Oesterreich gegenüber den Schiedsrichter und Gründer neuer Geschicke zu spielen? — Wir wagen nicht, es zu verneinen.“ Die kroatischen Spione müssen schlimme Berichte aus Paris geschickt haben, „starkes“ Ministerium des mächtig-ohnmächtigen Oesterreichs! Wie ich von „offiziell sehr honettem“ Umgang erfahre, sollen darum von den neulich bewilligten 80 Milliönchen einige zur Bestechung nach Paris, ja selbst nach London wandern. Auch Berlin und Frankfurt sollen nicht übergangen werden. In Paris hat, oder wird man vor allen Dingen Herrn Girardin einige Kübel neu geprägter Kremnitzer zum Neujahr mit der sinnreichsten Ueberraschung zustellen, damit er österreichisch auf seiner Posaune von Jericho bläst, und das große Prinzip der Nichteinmischung in's Gehirn Bonaparte's u. s. w. träufelt. Nun, die Pariser werden Girardin's österreichisch-kaiserliche Dukaten in den Goldkübeln der Wechsler nächstens zu sehen bekommen! In ihrer neu napoleonischen Angst, die auch das Hängen, Erschießen, Verbrennen und Martern der sogenannten „Neudemokratie“ nicht zu bewältigen vermag, möchte sich die österreichische Katze neben Rußland, dessen Krallen sie auch nicht ganz traut, noch gar zu gerne an irgend einen Löwen, Leopard, Adler, selbst an den famosen Hahn vertraulich anschließen; es geht aber nicht. Es bleibt sogar nichts übrig, als dem standrechtlich behandelten Deutschland vornehm-verächtlich die Kur zu machen. Man weiß, der gute Junge nimmt Fußtritte an und läßt sich demungeachtet zu allem gebrauchen. Aber hier ist Preußen aus dem Sattel zu heben. Der Habsburger intriguirt deßhalb mit allen kleinen Kartoffelfürsten, streichelt Frankfurt, ja lobt sogar die preußische Kreatur Gagern, indem er seinen „Lloyd“ z. B. sagen läßt. „Von Frankreich wenden sich die Augen aller Politiker nach Frankfurt (erste wirklich habsburgisch-humoristische Phantasie!). Der Reichsminister von Schmerling hat abgedankt (i. e. Oesterreich ist hinausgewiesen worden) und Heinrich von Gagern hat seinen Platz eingenommen (i. e. die Hohenzollern drohen die kaiserliche Dividende einzuziehen, welche ihnen meine windischgrätzige Brutalität eingebracht hat). Europa sieht dem Streite, welcher sich entspinnen wird (!), mit athemloser Erwartung entgegen (zweite habsburgische Phantasie!). Ob die gigantische Gestalt eines mitteleuropäischen Reichs, welche, eine erhabene Erscheinung, eine Verkünderin einer wirklich neuen Zeit, vor dem innern Auge des Geistes gestanden ist, wirklich in's Leben treten wird, oder spurlos wie ein Nachtgespenst verschwinden soll (ja, aber im andern Sinne, Dalai-Lama!), das ist die welthistorische Frage, welche jetzt auf Entscheidung harrt. Als das Frankfurter Parlament die §§. 2 und 3 der Verfassung annahm, wußte es wahrlich nicht, was es that (Michel wird die Milde dieser Ohrfeige zu erkennen wissen). Deutschland mag zerfallen, Oesterreich wird nicht zerfallen. Deutschland wollte sich einigen, indem es Oesterreich veruneinigte, und diese schwere Versündigung (!!! unverzeihlich!) fällt jetzt auf das eigene Haupt zurück. Eine tiefe Abneigung hat in vielen Theilen Deutschland's gegen Preußen Wurzel gefaßt; das Haus Habsburg und die historischen (metternich-windischgrätzigen) Erinnerungen, welche sich an dasselbe knüpfen, sind noch immer dem deutschen Herzen theuer (habsburgische Liebe! o edles deutsches Herz!). Deutschland hatte stets seine Hintergedanken. (Seit wann ist es so gescheit?) Es wollte den Hafen von Pola. Es wollte die ganze Donau. Es wollte die Einfahrt in das schwarze Meer u. s. w.“ Ist das starke Ministerium nicht wahrhaft ergötzlich in seiner captatio an die habgierige Bourgeoisie, indem es ihr zeigt, was sie bekommt, wenn sie sich den habsburger Kroatenhäuptling gefallen läßt! Aus dem Reichstag habe ich Ihnen als Kuriosum noch die Aeußerung des Finanzministers zu melden: „Die Lombardei ist für Oesterreich so nöthig, wie Oesterreich der Lombardei.“ Den ersten Theil des Satzes bewahrheitet der Minister damit, daß er das Gold und Silber, welches man in die Lombardei hat schleppen müssen, im Vorgefühle daß die Lombardei den zweiten Theil des Satzes bald als eine Lüge bezeichnen wird, noch rasch wieder herausziehen will, um dafür eine Sündfluth von Banknoten zwangsweise dort unterzubringen, und so die Lombarden am bevorstehenden allgemeinen Bankrott noch Theil nehmen zu lassen. 5000 Kilogramm Banknoten sollen zu diesem Ende bereits an Radetzky abgegangen sein. Schmerling, der hier angekommen ist, Kübeck und Kraus halten in Olmütz permanente Sitzungen zur Berathung der Finanzmaßregeln, denen Frau Sophie präsidirt, während ihr Junge auf einem Schaukelpferde den „jugendlichen“ Dalai-Lama spielt. Die gelehrten Herrn berufen sich umsonst auf die Bewilligung der 80 Millionen durch Hans Jörgel, die Juden bleiben dabei: „Wir haben kein Geld!“ Zu den Erbärmlichen, welche nach nichtssagenden Tiraden die 80 Millionen bewilligten, gehört natürlich auch Schuselka. Nur die Polen haben sich entschieden gegen die Forderung gewehrt. Dafür geißelt sie die Presse, wie folgt: „Was bezwecken die Herrn Borkowski, Bilinski, Turbasiewic's, Hubicki, Langie und Konsorten mit ihren destruktiven Tendenzen? nichts anderes, als das Unglück ihres eigenen Vaterlandes. Sie denken: hat sich nur erst Ungarn von Oestreich losgetrennt, ist die Wiederherstellung Polens in seinen alten Grenzen auch nicht mehr ferne. Nehmen wir an, Kossuth's Partei reussirte, und das Land der Magyaren stände da, eine Macht vom fünften Rang (da es Oesterreichs Hälfte ist, so wäre das „mächtige Kaiserreich“ also nur mehr eine 2/5tels Macht!), was wäre damit gewonnen? Ein Athem Sympathie im Süden, gegen eine Welt voll drohender Gefahr im Norden. Um Pole für ewige Zeit zu bleiben, muß sich der echte Pariot dieses Landes entschließen, vor der Hand Galizianer (i. e. Ruthener), das ist, Genosse der freien verbrüderten (welcher Hohn!) österreichischen Völker zu sein. — Die untersten Schichten dieser Provinz ahnen (mit Hülfe des dargereichten Schnapses) die Nothwendigkeit dieser Politik und befolgen sie instinktmäßig, (i. e. man macht sie besoffen, sagt ihnen, sie seien Ruthener und gibt ihnen ein Schlachtmesser in die Hand) nur die Repräsentanten des Bürgerthums und des niedern Adels, die s. g. „Schlachtizen“ (d. h. die zu schlachtenden Opfer) provoziren den Ruin des Landes u. s. w.“ Sie werden in unsern Blättern ein Heer nach Olmütz geschickter Loyalitäts-Adressen und Deputationen finden. (Ganz wie im Preuß. Staats-Anzeiger und Blättern ähnlichen Gelichters für Potsdam fabrizirte Haufen von Adressen aufgestapelt sind.) Lassen Sie sich davon nicht beirren, sie sind entweder standrechtlich erzwungen oder aus der schwarzgelben Menagerie. Triest verspürt trotz seiner Loyalitätsadresse z. B. venetianische Gelüste. „Schade, daß einige wenige“ (ruft der Lloyd aus) „Triest in Mißkredit bringen, — ich spreche von den Redakteuren und Mitarbeitern des Giornale de Trieste und der Gazetta Triestina. Immer dringlicher stellt sich das Bedürfniß eines Repressivgesetzes in Preßsachen heraus!“ In Gratz werden mit Neujahr 12 mehr oder minder demokratische Journale erscheinen. Das möge Ihnen vom Gegendruck Zeugniß geben, den man dort wider die jetzige Henkergewalt versucht. In die Ministerien werden lauter Ruthenen, Kroaten und Czechen ernannt. Beweis, daß Oesterreich, um entdeutscht und entmagyarisirt zu werden, immer mehr kroato-czecho-ruthenisirt, oder, was dasselbe ist, russifizirt werden soll. Man sieht den Zeitpunkt herankommen, wo man mit den slavischen Bestien noch einmal die verfaulte Gesammtmonarchie zusammenflicken soll. Die hiesigen Blätter schreiben die in ihren Kram passenden Artikel Ihres Blattes ab, ohne dessen jemals zu erwähnen. 121 Wien, 27. Dez. Ich habe Ihnen vor einigen Tagen geschrieben, daß der Gardist Ludwig Raveaux, Bruder des bekannten Abgeordneten und hier ansässiger Kaufmann, eingezogen worden sei. Derselbe ist nunmehr „durch Zusammentreffen von Umständen“, wie die Henkerformel heißt, zum Strang verurtheilt. Er soll den Spiritus zum Anzünden der Sophienbrucke geliefert haben. Sie werden den Blutspruch demnächst mit der Exekution in der offiziellen Henkerzeitung antreffen. Vielleicht wird Python die Milde haben, diesen zweiten Kölner Bürger — sonderbar, daß gerade Köln Python die meisten Opfer liefert; vielleicht kommts noch zur Trias — zu 12 Jahren Schanzarbeit oder Kerker in schwerem Eisen zu begnadigen. Aber statt Python herrscht jetzt Welden hier, der den Meister-Satan weit hinter sich läßt, und keine andere Gnade kennt, als Pulver und Blei. Darum wird Raveaux vielleicht Morgen schon erschossen sein. Das gibt eine Drachenzähnesaat! — In der Nacht werden vor den Mundungen der auf den Basteien aufgestellten riesenhaften Belagerungsgeschützen vom vorübergehenden Volke mitunter kleine Katzenmusiken improvisirt, die Herrn Welden ennüyiren; er hat daher den Befehl ertheilt, bei der geringsten derlei Demonstration mit dem Pfiff der Geschütze zu antworten. Da ihre Mündungen in alle Vorstädte und in die Straßen der Stadt gerichtet sind, wo fortwährend die Menge einherwogt, so können Sie sich einen Begriff von der Wirkung einer solchen Antwort machen. Unser Leben und unser Eigenthum hängen von einem mißliebigen, von den Henkern zum Vergnügen vielleicht selbst improvisirten, Pfiff ab. Das Proletariat, namentlich das verschämte, leidet bei der Kälte die entsetzlichste Noth, aber es muß sich verborgen halten. Auf jede Klage folgt eine Verurtheilung zur Armee nach Italien oder Ungarn neben anhaltender scheußlichster Mißhandlung und Todesmarter. Der Olmützer Korrespondent, ein Bestienblatt pur sang, rühmt die geschehene energische Beseitigung des Proletariats. Das Alles haben wir der cavaignac'schen Junivorlesung zu verdanken, deren Lehre die plumpen Apostel der europäischen Schakale in ihrer Heimath mit dem Fanatismus dieser Bestien nachpredigen. Das alte Wort, das Wort erschallt: Gehorche willig der Gewalt! Dazu aber: Und bist du kühn, und hälst du Stich, So wage Haus und Hof und — Dich. 121 Wien, 29. Dezbr. Die Beilage zur Wienerin versicherte uns gestern Abend: „Eben eingehenden Berichten aus Belgrad vom 24. zufolge, hatte der Fürst Cara Georgewitsch und der serbische Senat nach Eingang der Nachricht, daß der Kaiser von Oestreich die serbische Woiwodschaft mit einem Patriarchat anerkannt habe, beschlossen, ein reguläres Hülfskorps nebst einem bedeutenden Subsidienbeitrag zur Verfügung dieser Woiwodschaft zu stellen. Außerdem wurde die Erlaubniß ertheilt, daß Freischaaren über die Donau setzen dürfen, um zu den serbischen Truppen in Ungarn zu stoßen. Jung und Alt greift jetzt in Serbien zu den Waffen. Der Pascha von Belgrad hat alle diese Verfügungen der serbischen Regierung anerkannt.“ Und nun enthüllt uns der ministerielle Lloyd Europa's und unsere nächste Zukunft mit der diplomatischen, aber bedeutungsvollen Theezirkel-Nachricht: „Der Herzog von Wellington hat zu Weihnachten auf seinem Schlosse Strathfieldsaye unter Anderm den Fürsten und die Fürstin von Metternich, den östreichischen Gesandten Baron von Neumann und dessen Gattin, sowie den Baron Hügel geladen.“ Freilich bezwecken diese alten Teufel mit dem krummen Horn zunächst den Sturz Palmerstons, von welchem Sophie in ihrem Blättchen von Olmütz spricht: „Was aber für die Rolle, die England als vermittelnde Macht hier spielen soll, entscheidend ist, kann irgend Jemand zur Vermittlung ungeeigneter sein, als Lord Palmerston, der so ziemlich allen Parteien gleich verhaßt ist, der alle Anerbietungen Oestreichs während des Krieges hochmüthig zurückwies, der durch seine Rathschläge den König von Sardinien in seine gegenwärtige verzweifelte Lage brachte, und dem revolutionären Geiste, der von der völlig unausführbaren Herstellung einer großen italienischen Republik träumt, allen möglichen Vorschub leistete?“ aber, daß sie noch weit mehr bezwecken, das verstehen wir dumme Oestreicher, wenn wir den Namen Metternich hören, noch besser, als Deutschlands Taunus-Esel. O, der Verzweiflungszorn unseres freiheitdürstenden Volks ist ungeheuer! Zuerst hoffte es auf Frankreich, ja auf das deutsche Reich! Wien's ärmster Proletarier würde seinen letzten Kreuzer geopfert haben, um den Franzosen entgegenzueilen, sie bei sich wie Brüder zu bewirthen. Er verlor gar bald den Glauben an das deutsche Reich, als er dessen Welckers erblickte; nun verliert er auch den Glauben an Frankreich. Im Februar sprach es: „Erhebt euch, Völker, ich bin euer Bruder!“ Wir erhoben uns, aber unsere Mörder erkannten, daß Frankreich uns nur ein Schnippchen geschlagen; daß seine Brüderlichkeit nur eine Phrase gewesen. Der stärkste Bruder der Freiheit verließ alle seine schwächeren Geschwister, um sie von rachedürstigen Bestien erwürgen zu lassen, und, o der Schande, steht, wenn auch versteckt, auf ihrer Seite! Frankreich erzittere vor den fehlgeschlagenen Hoffnungen der Völker, es erzittere vor der Stunde, wo Ungarn, Italien und Deutschland weiter nichts mehr sein werden, als die Rekrutenställe des Absolutismus; es erzittere, wenn es noch einmal duldet, daß, während die Hallunken handeln und das Eisen zu schmieden wissen, die Völker von Frankreich nichts hören, als: Monsieur Thiers a parlé pendant deux heures etc. Seid doch so klug, wie die Windischgrätze, die selbst der Passivität keinen Pardon gewähren, und bedenkt, daß Europas Völker bei euch einst diese ratio windischgraeziana geltend machen könnten; helft uns, Franzosen, wie ehrlich-muthige Brüder, bevor es heißt: Trop tard! Gestern brachten die Standrechtsblätter Napoleons Thronrede. Die Phrase: „Wir werden die unglücklichen Völkerschaften unterstützen“, war überall hinweggelassen, obgleich sie dem an Frankreich verzweifelnden Volke wenig neue Hoffnungen gegeben hatte. — Der neue Münch-Bellinghausen und östr. Spion Schmerling ist vom Ministerium mit dem Auftrag nach Frankfurt geschickt worden, dort alles aufzubieten, damit der östreich. Hans nicht verdrängt, Oestreichs Suprematie nicht beseitigt werde. Seine Instruktionen hat er direkt von Metternich erhalten, das Ministerium machte nur den Ueberbringer. Bevor er abreiste, wurden die Wahlmänner des ersten Bezirks zusammengetrommelt und Schmerling hielt vor denselben eine Standrechtsrede, aus welcher ich folgende Sätze ausheben muß. Er sagte: „Ich mußte hören, wie ein verrätherischer König und ein aufrührerisches Volk Italiens Gränzen bis an den Brenner und Karst zurückgeschoben wissen wollten. Gleicherweise sprach man in Frankfurt vom Aufgeben Galiziens, und stellte das Ansinnen eines diplomatischen Verkehrs mit einem selbstständigen Ungarn. Nie konnte ich an die Realisirung diesen so verletzenden, so schmerzlichen Meinungen glauben. Bald hatte ich Gelegenheit freudigen Stolz über die großartigen, wunderbar schnellen Siege der östreichischen Armee in Italien zu empfinden. Am 6. August, am selben Tage als die deutschen Truppen, theilweise nur, dem Reichsverweser ihre Huldigung darbrachten, hat der greise Radetzky in Mailand die östreich Farben aufgepflanzt. Als die theuere Vaterstadt, als Wien, der Schauplatz der trübsten Scenen und so vielen Unglückes geworden, war es mir doch freudige Genugthuung, daß in weniger als 14 Tage neue, ansehnliche Heere erstanden, und daß ihr eben so kriegserfahrener als heldenmüthiger Führer, Fürst Windischgrätz, mit bewunderungswerther Mäßigung durch seinen Sieg die wahre gesetzliche Freiheit zu befestigen gewußt. (Bravo!) Während all dieser inhaltschweren Zeiten hat mich der mächtige Lauf der Ereignisse fern von dem mir theuern Wien gehalten. Ich war berufen, an die Spitze des Bundestages zu treten, und ich glaube, während meiner zweimonatlichen Leitung desselben mich nicht unnützlich bewiesen zu haben, da es mir gelang, die anarchischen Tendenzen und die Conventsgelüste, welche in Frankfurt rege geworden, zu beseitigen. Stolz fühlte ich mich damals, als Oestreicher solches bewirkt zu haben. Als mich der Reichsverweser ins Ministerium berief, beseelte mich das erhebende Gefühl, ein Deutscher zu sein; doch vergaß ich hierüber keinen Augenblick, daß ich vor Allem Oestreicher sei. So wie in den Stürmen des Mai und Juni, so immer ist mir die Aufrechterhaltung der Integrität des östreich. Staates, das höchste und wichtigste im Leben. Oestreich muß, wie seit tausend Jahren, eine europäische Großmacht bleiben. Kein Zoll von den durch Verträge erworbenen und durch Siege behaupteten Landen darf verloren gehen. Hr. Schmerling ist beauftragt, in Frankfurt zu versichern, die §§. 2 und 3 könnten bleiben, wofern dem Hause Habsburg einmal die deutsche Kaiserkrone übertragen und ihm von der Reichsgewalt die Integrität und Unabhängigkeit seiner außerdeutschen Länder durch ein Schutz- und Trutzbündniß würde zugesichert werden. Damit er reussire, soll er die Religion ins Spiel bringen und namentlich die Rheinlande darauf aufmerksam machen, daß Oestreich eine katholische Macht ist! 102 Wien, 29. Dez. Die Russen passiren jetzt mit unter dem Namen der Serben en masse bei Belgrad die Grenze, um die im Süden siegreichen Magyaren zu bewältigen. Dem Sohne Latours sind letzthin beide Beine abgeschossen worden und er ist darauf gestern in Schönbrunn gestorben. Damit der Kredit sich hebe, läßt das Ministerium im Namen des Auslandes an der Börse Metalliques aufkaufen, allein die Börsenhelden, pfiffiger als die plumpen Henker, lassen sich nicht irre machen und das Steigen der Fonds bleibt unbemerkbar, während ihr Fallen um so bemerkbarer wird. Das Silberagio beträgt bereits über 10 pCt., das Geldagio über 18 pCt. Auf 100 Friedrichsd'or würde ich hier 20 gewinnen können, ja noch mehr. Die heutige „Presse“ enthält wiederum einen jesuitischen Artikel über Deutschland, der die Sendung Schmerlings, die deutsche Uneinigkeit à tous prix, deutlich enthüllt. Es heißt darin z. B.: „Katholizismus und Protestantismus stehen sich in zwei großen Lagern, in Süd und Nord, gegenüber!“ Die östreichischen Henker wollen in Deutschland einen Religionskrieg anfachen, um ihre Teufelszwecke zu erreichen; sie wollen in Deutschland denselben Dämon heraufbeschwören, den sie in Ungarn heraufzubeschwören wußten. In Deutschland Religions- und Manneshetze, in Ungarn Nationalhetze unter dem Heuchelschein der Freiheit und den ehrwürdigen Erinnerungen der Habsburgischen Familie. Raab soll wirklich besetzt sein, natürlich unter dem Jubel der Bevölkerung, der nirgends zu sehen ist. Als Windischgrätz in Preßburg einrückte, hatten alle zurückgebliebenen Bewohner ihre Häuser und Fenster verschlossen. Er ließ ihnen bedeuten, sich zu zeigen und die schwarz-gelbe Fahne auszustecken. Es unterblieb. Da drohte er ihnen mit einer Brandschatzung von 80,000 fl. C.M. In den besetzten Städten soll, wie Reisende erzählen, mit fürchterlicher Mordwuth verfahren werden. Die Leute werden dutzendweise erschossen und man erblickt ganze Schaaren in Ketten geschlossen, welche in die czechischen Festungen geschleppt werden. 7 Wien, 30. Dezbr. Welden meldet in einem Armee-Bülletin vom gestrigen Datum, daß nach den aus dem Hauptquartier Raab ihm am 28. Abends zugekommenen Nachrichten die Magyaren zum Rückzug genöthigt und von der Kavalleriebrigade Ottinger bis Babolna (auf der Straße nach Osen) verfolgt worden seien. Daselbst habe ein Bataillon des Regiments Prinz von Preußen, 600 Mann stark, Stand gehalten, sei von 2 Divisionen Wallmoden-Kuirassiren angegriffen, und großentheils zusammengehauen worden. Außerdem seien von Honved-Bataillons noch 7 Offiziere und 700 Mann, worunter 200 Verwundete gefangen genommen worden. — Die Besitznahme von Raab hat viel, sehr viel Blut gekostet und erforderte einen Zeitaufwand von fast acht Tagen. Davon schweigen indeß die offiziellen Berichte! Man meldet nur die magyarischen Schlappen. Als Gerücht kursirte schon gestern, der Kommandant von Komorn habe die in der Festung, eine der stärksten Ungarn's, befindlichen Garden zu einem Ausfall gegen die kaiserl. Armee bestimmt, dann aber, im heißesten Kampfe, die zurückgebliebene Militärgarnison mit Kartätschen in die Gardea feuern lassen, und nach ihrer Vernichtung zwischen zwei Feuern die Festung dem Windischgrätz übergeben. Kossuth hätte in Komorn also einen Verräther seiner Sache gelassen. Offiziell ist hiervon noch nichts bekannt. Ist diese Verrätherei wahr, so steht's schlimm mit der magyarischen Sache, denn sie wird anstecken und die Entmuthigung wird sich des Volkes bemächtigen. Komorn ist von hier aus der Schlüssel zu Ungarn. Etwas nördlicher liegt die kleinere Festung Leopoldstadt, welche gestern bombardirt worden sein soll. Windischgrätz kann erst dann auf Osen und Pesth losrücken, wenn diese beiden Punkte in seiner Gewalt sind; dann wird auch seine Heeresmacht durch Vereinigungen um so beträchtlicher.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz186_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz186_1849/3
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 186. Köln, 4. Januar 1849, S. 1005. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz186_1849/3>, abgerufen am 21.11.2024.