Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 185. Köln, 3. Januar 1849. Beilage.

Bild:
erste Seite
Beilage zu Nr. 185 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Mittwoch 3. Januar 1849.
[Französische Republik]

[Fortsetzung] tückischer die verächtlichen Buben die seit Juni hier das Steuer führen, alle und jede Februarerrungenschaft attakiren, desto weiter und tiefer dehnt sich par la puissance elastique (wie "Citoyen" von Dijon sagt) die demokratische Propaganda im geheimen aus. "Vor Ablauf des Winters ist ganz Frankreich, die Kolonieen u. Algerien mit, von geheimen Societäten bedeckt; und macht Bonaparte Krieg, so möge er sich erinnern, daß selbst sein Oheim nicht die geheime demokratische Gesellschaft der Philadelphen im französischen Heere ausrotten konnte, so daß Mallet 1811 den Kaiserthron in einer Viertelstunde gestürzt hätte"; sagte mir neulich ein bekannter Clubist mit ironischem Lachen und sein schwarzes Auge flammte. -- Eine Gesellschaft von "Freunden des demokratischen Polen's", ganz aus Franzosen bestehend, publizirt Folgendes: "Die Sache des demokratischen Frankreich ist unlöslich verknüpft mit der Polens, denn dadurch erst gewinnt man Gewähr gegen die erniedrigenden Zufälle die seit 1815 die Demokratie Europa's betroffen und Frankreichs Politik in Europa discreditirt haben ... Die Polen müssen nach ihrem heroischen Unterliegen von 1831, 40 und 48 durch Hoffnung aufrecht erhalten werden; dazu diene fortan die den polnischen Emigrirten werdende Hülfe, und die Einrichtung einer permanenten Tribune zu Gunsten des polnischen Volkes, gegen welches die Menschheitsfeinde, in Ermangeln sonstiger Zerstörungswerkzeuge letzthin noch eine Doppelkonspiration von Lästerung und Stillschweigen einrichteten ... Die Gesellschaft der Polenfreunde wird nicht eher vom Werke ablassen, als bis Polen, wieder in Besitz seines rühmlichen Schlachtschwertes gekommen, selber die nöthigen Kämpfe führen können wird. Sie vertheidigt also fortan Polen durch die Presse und die Tribüne; sie wendet sich zu Gunsten Polens an die französische Regierung, um das am 23. Mai 1848 von der Nationalassemblee erlassne Dekret zur Verwirklichung bringen zu helfen. Sie hilft materiell den emigrirten Polen. -- Die Gründer zahlen per Monat 3 Fr., die angeschloßnen Mitglieder 1 Fr., die korrespond. Mitglieder brauchen nichts zu zahlen, bieten aber allen sonstigen Beistand an. Die Zahl dieser verschiedenen Bestandtheile ist unbeschränkt. Am 30. November 1848 hat sich folgendes Büreau konstituirt: "B. Guinard, Flocon, Glaisbizoin, Considerant (Kassirer), Chauffour (Sekretär), lauter Volksrepräsentanten." In der Gesellschaft befinden sich unter andern Vavin, Schölcher der Negrophile, Perdiguier, Pyat, Eugen Raspail, Matthieu, Baume, Baune, David, Mitglieder des Berges. -- Das demokratische Polencomite wird eine Erklärung auf die Zuschrift der "Slavischen Linde" aus Böhmen, von Paris aus erlassen und den ebenso albernen als brutalen Dünkel der tschechischen Pedanten hoffentlich in den Weg treten.

Der plötzliche Krakehl zwischen Bonaparte und Minister Malleville, der sogar sein Portefeuille ablegt, rührt allerdings einestheils von dem Bestehn des Präsidenten auf Generalamnestie her, wogegen das volksfeindliche Ministerium wüthend opponirt, und sogar an die spießbürgerliche Rachgier in der Brust der im Juni etwas unsanft aufgerüttelten Philister appellirt. Anderntheils aber hat der gute Prinz gewisse Briefschaften und Dokumente aller Art, z. B. was sich auf seine Haft in Schloß Ham und die Abentheuer zu Straßburg und Boulogne bezieht, reklamirt, und darunter sind nicht wenig Liebeswünsche an die durch p. p. Malleville ihm, qua Prinzen, mit Extrapost damals zuspedirten Operntänzerinnen groß und klein. Der Prinz wünscht nun sothane Korrespondenz aus den Händen Malleville's herauszuziehen, und Malleville sagt mit nichten, und tritt aus. Der Prinz umgibt sich nunmehr mit allem, was zum bonapartischen Stamm gehört, und da dieser entsetzlich reich an Zweigen und Blättern, so ist der Nepotismus im schönsten Schwunge. "Allgemeine Rührung erweckt das Erscheinen von fünf angenehmen prinzlichen Kindlein, deren drei von der nach hohen Dingen strebenden Kerkermeisterstochter zu Ham, und zwei von einer brittischen Dame. Wie heiter so ein Prinz selbst in Ketten und Banden lebt! die diamantherzigen Republikaner, die gegen den verjagten greisen Tyrannen konspirirten, und die seit Februar gegen Bourgeois und Aristokraten aufgetretenen Socialdemokraten, fragt sie einmal, ob sie im Kerker auch von Balletmädchen Besuch bekommen, und ob ihnen die Kerkermeistertöchter nachstellen. O Frankreich, Frankreich! du hast deine Weiber für Prinzen und gegen Demokraten erzogen; und du höhnst letztre obenein, offizielles Frankreich, und weigerst Generalpardon, und knieest vor dem goldenen Stier und dem bunten Tand der Pharisäer! die Prinzen und reichen Buben im Kerker fütterst du mit Pasteten und Champagner, und schickst ihnen Opernmädchen und Beamtentöchter, und läßt sie zuletzt als Maurergesell verkleidet echt prinzlich durchbrennen, oder in Gesundheitshäusern ihre Strafzeit zwischen feiner Tafel und Damengesellschaft abmachen: aber deine Söhne, die gegen das Privilegium und die blanke Sünde aufstanden, schändest du und schwächst du in langsam ausmergelnder Höllenhaft im Dämmerlicht und in feuchter Kühle und in der Einsamkeit: du Rabenmutter. Halte dich bereit, deine Stunde wird schlagen: schon tickt der Zeiger voraus ...

(Peuple souverain.)
16 Paris, 30. Dezbr.

Der "Hanswurst unter allen Regierungen" heißt ein guter Artikel in der Pariser und departementalen Demokratenpresse, worin man liest: "Die Bursche, welchen die Februarrevolution auf den Leib rückte, ehe sie sich's versahen, diese vor gekrönten und goldenen Kälbern räuchernden Baalspfaffen, sind eine hübsche Menagerie gegenüber der heiligen Schaar jener todesmuthignn Volksvertheidiger, die aus dem Boden aufwachsen wie die geharnischten Männer aus der Saat der Drachenzähne. Der schaurigste jener Burschen und der Dreisteste ist gewiß der Hanswurst aller Regierungen, der Exmarquis de la Paileterie, Dumas der Große, deß Taufname Alexander, und er ist nicht blöde, parole d'honneur, dieser Alexander, er suchte seinen Darius und glaubte ihn endlich zu finden in Gestalt der Februarrepublik. Holla! Marquis! halte dir den Kopf fest! springe und tanze für Louis Philipp und Heinrich V. und Herzog Montpensier und für die Reform und für die Republik und für L. Bonaparte, springe für Gott und Teufel; bis einst dein letzter Sprung ... Aber heute laß uns nicht hypochondrisch sein; blicken wir lieber auf deine reiche Vergangenheit, mein Bursche ... Sieh, da war einmal ein ekelhafter Beutelschneiderprozeß (Beauvallon und Esquevilley und sonstige verprassende Tagediebe standen vor Gericht als Eskroks) und du, du warst Zeuge und sagtest als echter Edelmann: jene Herre nhaben sich allemal als echte Edelleut. aufgeführt. Bravo, mein Junge; Namensfälschung, Untrrschleif, Diebstahl und Todtschlag waren die ihnen bewiesenen Vergehene Geoßer Montechristo, du Goldgräber! da du nicht die 2[unleserliches Material] Franken Tagelohn als Kammermitglied bekamst, (du fielst nämlich im Seine- und im Yonnedepartement glänzend durch) ach da bliebst du ein kleiner Exmarquis. Deine s. g. historischen Romanfeuilletons die sehr unhistorisch, und die du selber den Nagel auf den Kopf treffend deine Waare zu nennen pflegtest, fielen seit der neuen Februarhistorie verteufelt im Preise. Derweilen bist du, Abends vor der Wahl Bonaparte's, Bonapartist geworden, und schreibst an deinen neuen Götzen: "Prinz, Sie präsidiren dem Geschicke der Republik, die keine Titel mehr duldet, aber Sie heißen trotzdem Prinz und ich bin Marquis. Nehmen Sie Lamartine zum Vicepräsidenten (der Marquis vergißt, daß dieser "gefallene Engel" nur 10,000 Vota auf sieben Millionen erhielt) machen Sie Herzog Aumale d'Orleans zum Gouverneur Algiers, Joinville zum Großadmiral der Republik (warum nicht Louis Philipp zum Könige der Republik?) und Sie werden gesegnet sein."

Der "Peuple souverain" von Lyon, der auch vor den Assisen steht, dies vortreffliche Blatt, welches manchem Pariser weit vorzuziehen, sagt: "Die empörende Nachricht von einem stillen Ministerkomplott zu Paris kraft dessen Bürger L. Bonaparte die weltliche Landeshoheit des Pabstes mit Kanonen und Bomben herstellen wolle, ist bisheran noch nicht vom Ministerialorgan widerlegt. Also wird die Februarrepublik mit Preußen und Oestreich verbunden, gegen den Aufschwung der Völker zur Freiheit einschreiten. Glück zu! Dieser Greuel, doppelt arg bei dem Zustand des übrigen Europa, hat viel zur energischern Wiederaufnahme der Bankette in Paris beigetragen, denn endlich, endlich geht den echten Demokraten aller Lande die Einsicht von der Unerläßlichkeit eines gemeinsamen Handelns auf, gegen die gemeinsamen Feinde, die Aristokraten vom Kapital, vom Adel und vom Amt. Und so fand denn zu unsrer innigen Freude ein Pariser Bankett der deutschen und französischen Socialdemokraten statt." Mehrere deutsche Toaste werden abgedruckt; mit besonderem Nachdruck weist das Blatt auf den des Sekretärs Ruffoni der italienischen Demokratengesellschaft zu Paris hin, welcher in einer schlagenden Rede und unter großem Beifall die Anwesenden fragte: ob Frankreichs Krieger die Kardinalsdespotie in Rom herstellen und Arnold's von Brescia und Vanini's und Campanella's und anderer Märtyrer Manen höhnen sollten?

Wir fahren fort in der Bilanz Frankreichs:

Die 5. Kategorie schließt ein die 257,000 in Reichthümern lebenden Individuen der 33 Millionen starken französischen Nation. Von den 14,630 Pariser Wählern war bekanntlich nur ein Drittel wählbar, d. h. reich. Im Ganzen waren in Frankreich 57,000 wählbare Wähler vorhanden, was einen Familienanhang voraussetzt, der die gesammte reiche Klasse auf 257,000 Männer, Weiber und Kinder schätzen läßt.

Also in Summa 7,500,000 Bettler und Dürftige, 19,000,000 Halbarme, zusammen etwa 26,000,000, während die Begüterten und Reichen 6,950,000 ausmachen, worunter die Reichen nur 770,000 zählen.

Der Werth und das Eintragen des unbeweglichen Eigenthums mag 45-48 Milliarden geschätzt werden; 1818 mochte es 37 sein; die Gebäude schätzt man auf 5 Milliarden Werth; Thiere 2; Summa 46 Milliarden. Bruttoproduktion ist auf 5,237,17[unleserliches Material],000 zu setzen, wovon aber 3,552,000,000 für Kosten der Bearbeitung (nämlich 400 Milliarden für Saat, 110 für Viehsterben, 332 1/2 für Hausreparatur, 200 für Tagelohn per Jahr, 409 1/2 für Tagelohn der nur zu gewissen Jahreszeiten Arbeitenden: Weinlese. Kornernte, Heuschnitt, endlich 1200 für menschliche, 900 für thierische Ernährung) abzuziehen, so daß nur 1,685,178,000 Fr. Nettoprodukt oder Bodenertrag zu rechnen sind. Hr. Adolph Thiers giebt nur 2000 Mill., Hr. Dupin gar nur 1900 an, aber das ist gewiß viel zu niedrig; 18[unleserliches Material]5 taxirte man es schon auf 1600. Die genannten zwei Malthusianer müssen das eben so gut wissen wie wir. Wenn aber in einem Vierteljahrhundert unter dem vielberühmten Segen der Civilisation, das Einkommen des Bodens und der Gebäude in Frankreich nicht gestiegen ist, so möge man allerdings verzweifeln an der Civilisation. Nach Audissont's tüchtigen Studien ist folgendes die Sachlage: 1,600,000,000 von administrativer Seite veranschlagter Reinertrag des Grundbesitzes, wovon zu subtrahiren 1,062,000,000; nämlich Hypothekenschuldinteressen 550 Millionen, an die Justizbeamten bei Gelegenheit des unbeweglichen Eigenthums, nicht weniger als 100 Millionen, welche 100 Millionen auf nur 41,802 Individuen sich vertheilen, nämlich 15,850 Notare (daher der abergläubische Schauder des französischen Bauern, wenn er an die Hausthür mit den zwei vergoldeten ovalen Schildern kommt, das Wahrzeichen des Notars), 12,290 Huissiers, 8931 Avoues, 3896 Greffiers beim Friedensgericht und 835 bei den Tribunalen. Ferner sind abzuziehen die Abgaben und zwar die direkte von [unleserliches Material]72 Millionen, die Thür- und Fenstersteuer 33 Millionen, macht 350 Millionen; desgleichen die direkten Abgaben unter dem Namen Einschreibegeld, Gerichtsgeld, Stempelgeld und Hypothecirungsgebühren, im [unleserliches Material]elauf von 107. Es bleibt nach allen diesen Abzügen von dem Nettowerth nur ein Drittel übrig: 538,000,000 Fr. Die Hypothekenschuld war vor einigen Jahren eilftausend und eine halbe Million; 1844 betrugen ihre Zinsen weit über 550 Millionen. Wie gesagt, diese Lasten, die wohl zu den schwersten gehören, die je ein Land zu tragen gehabt, drücken viel mehr den kleinen als den großen Besitzer; dazu rechne man den Wucher, und man begreift, warum die von uns in Nro. 1 und Nro. 2 eingetragenen kleinen dennoch stets im Elend verharren müssen.

(Fortsetzung folgt).

12 Paris, 31. Dezember.

Ministerwechsel, revolutionäre Anfälle der Kammer, napoleonische plastische Vorstellungen -- Alles ist eingetroffen. Minister einsetzen, das ist nichts; aber Minister absetzen und neue einsetzen -- das ist schon das Zeichen einer Macht, und soweit ist bereits Napoleon gekommen. Napoleon bedeutete für die Wähler Alles nur nicht Louis Napoleon, sagten wir früher: aber Louis Napoleon will einmal für sich nichts bedeuten, als Napoleon -- d. h. Hut, Sporn und Stiefel. Tant pis pour lui! Also Louis Napoleon hat den Malleville und den Bixio ab- und den Buffet und Lacrosse als Minister eingesetzt. Wir citiren bloß Namen, ohne uns um die Personen zu kümmern, und da wir in den nächsten Tagen einen neuen Ministerwechsel und folglich neue Namen zu citiren haben, die ebenso unbekannt sind wie die erstern, so lassen wir jede nähere Bezeichnung der Personen einstweilen bei Seite. Der Ministerwechsel ist noch nicht beseitigt durch die Beseitigung Malleville's: die Krise dauert fort, ungeachtet der neuen Ernennungen, und wird fortdauern, weil Napoleon der Präsident den Louis Napoleon nie verdrängen kann. Z. B. Napoleons erster Schritt nach seiner Installirung war, daß er von Malleville, dem Minister des Innern, die Auslieferung der Acktenstücke verlangte, die sich auf die ewig denkwürdige Geschichte des lebendigen Adlers von Boulogne und Straßburg beziehen. Malleville verweigert. Napoleon wiederholt seinen Antrag und ist ganz erstaunt, daß man sich nicht beeile, seinem Wunsche nachzukommen. Er verlangt die Papiere abermals. Abermalige Weigerung. Da schreibt er dann an Malleville: "Mein Wille ist, daß die Papiere zu der und der Stunde bei mir zu Hause sind? Das Journal des Debats, welches am meisten Interesse hat, jeden Skandal im Ministerium zu vertuschen, verbürgt diese Details, da sie doch schon stadtbekannt sein." Mehr bedurfte es nicht um Malleville abzusetzen; aber noch mehr, weit mehr fiel vor. Doch warum wandte sich nicht Napoleon an den Justiz-Minister Barrot, der eigentlich Inhaber dieser Acktenstücke sein muß. Gewiß Barrot würde schon Anstandshalber die Papiere dieses Criminalprozesses dem edlen Prinzen ausgeliefert haben. Das Weitere, das vorfiel, ist also kurzgefaßt, folgendes:

Nach den Debats verlangt Napoleon, daß alle ihn betreffenden Artikel und Akte, die im Moniteur eingerückt würden, aus dem Hotel der Präsidentschaft, und nicht aus dem Ministerium des Innern datirt werden sollten.

Ferner findet Napoleon, daß die Minister, "die er erwählt," gar kein Gewicht legten auf seine Prärogative, und er möchte doch auch nicht ein Präsident im Style der Konstitution von Sieyes sein. Was will dann nun Napoleon sein? Um das zu sein, was die Wähler wollen, müßte Napoleon wenigstens dreifältig sein. Den Louis Napoleon kann er nun einmal nicht abschütteln, noch weniger vertilgen; denn der Minister will ihn nicht herausgeben, sondern ihn eingeschlossen behalten in den Schranken der Archive. Dem Kaiser kann er auch nicht spielen, denn bei Lauterbach hat er seinen -- Hut verloren; und ohne Hut kann man nicht Kaiser sein. Was bleibt also denn von den drei verschiedenen Parteien gewählten Napoleon anders übrig, als trotz seiner Dreifältigkeit einfältig zu bleiben?

Mit welcher Leichtigkeit übrigens Louis Napoleon, da er nichts besseres machen kann, geneigt ist, Minister zu machen, und alle abzusetzen, geht aus den Gründen hervor, die ihn zu dem jetzigen Schritte bewogen, und ihn bei seiner Wahl bestimmen denn wie gesagt, die Krisis ist nicht zu Ende -- die beabsichtigte Ernennung des aristokratischen Bildhauers Newkerke an der Direktion "der schönen Künste" (Newkerke ist von Mad. Demidoff protegirt); die Einsetzung von kaiserlichen Präfekten an die Stelle der Präfekten aus der Dynastie des National -- Alles dieses sind Nebensachen für uns. Aber die Hauptsache ist: in welchem Verhältnisse stehn die Minister zum Präsidenten? In der alten Monarchie waren die Minister verantwortlich für den König; daher kam der Satz: le roi regne et ne gouverne pas. In der Republik ist der Präsident sowohl verantwortlich als die Minister.

Le roi regne et ne gouverne pas. Kann man analog nun sagen: le president preside et ne gouverne pas?

Wir haben die französischen Phrasen citiren müssen, weil es unmöglich ist, sie zu übersetzen, ohne einen Widerspruch zu begehn. Der Sinn der ersten Phrase ist: der König hat weiter nichts als die Eigenschaften des rex; er regiert bloß chronologisch, nicht administrativ, nicht im Sinne des wirklichen Einflusses auf die Angelegenheiten, denn er ist unverantwortlich für seine Akte; er kann keine Regierungsakte vollbringen: die Minister sind es, denen dieses alles anheim fällt. Der König zählt also blos chronologisch, durch die Dauer seines Regnums, und wenn man sich aus seiner Kinderzeit noch der geschichtlichen Tabellen erinnert, wo man die Könige auswendig lernte, und diejenigen am liebsten hatte, hinter deren Namen solche Zahlen standen, die von einander abgezogen, eine große Differenz als Zeit ihrer Regierung ergaben, so begreift man die Vorliebe Louis Philipp's, seine Regierung recht in die Länge zu ziehen, zu dauern als König und Mensch bis zur Großjährigkeit des Grafen von Paris. Um also einem solchen unverantwortlichen, blos chronologischen Könige zu verstehen zu geben, daß er aufgehört hat zu zählen, muß man ihn entweder Reißaus nehmen lassen, oder ihm den Faden des Lebens abschneiden und ihn so verhindern, weiter zu zählen, in der Geschichte, durch die Dauer seines Lebens. Nur so entgeht er der Verantwortlichkeit. Jetzt entsteht also die große Frage, ob man analog nach jenem ersten Satze sagen kann: le president preside, mail il ne gouverne pas, d. h. der Präsident präsidirt, es dauert 4 Jahre; aber er regiert nicht. Wenn er aber 4 Jahre dauert als Präsident, ohne zu regieren, so kann er ebenfalls nicht verantwortlich sein, und alles fiele demnach der olympischen Stirne Barrot's zur Last. Nun heißt es aber in der Konstitution: der Präsident ist verantwortlich; also muß er auch handeln können; und wenn Napoleon handeln kann, so darf er auch sagen: ich will nicht Präsident nach der Konstitution sein. Also Napoleon kann etwas sein; es darf etwas sein; er kann mehr sein als Louis Philipp. Die 5 Millionen Wähler und Bauern treiben ihn an, ungeheuer viel zu sein, und Malleville verurtheilt ihn, einfältig zu bleiben; er will dem Präsidenten Napoleon den Louis Napoleon nicht herausgeben!

Louis Napoleon ist verantwortlich; Guizot, Cunin-Gridaine, Trezel, alle kommen frei nach Frankreich zurück, und die 3000, die durch die Schuld Guizot's und Konsorten in den Ponton's schmachten, werden nicht amnestirt!

Paris, 30. Dez.

Während alle Welt gestern die Ministerkrisis beigelegt glaubte, überrascht uns heute der Moniteur mit folgenden Ernennungen:

1) Leon Faucher ist zum Minister des Innern ernannt, in Ersetzung Leon de Maleville's, dessen Abdankung angenommen ist.

2) Lacrosse, Vizepräsident der Nationalversammlung, ist an die Stelle Leon Faucher's zum Minister der Staatsbauten ernannt.

3) Buffet, Repräsentant des Volks, ist zum Minister des Ackerbaus und Handels ernannt, in Ersetzung Bixio's, dessen Entlassung angenommen.

Diese drei Dekrete sind vom Präsidenten Louis Napoleon Bonaparte unterzeichnet und von dem, in Abwesenheit Bonaparte's den Ministerrath präsidirenden Justizminister und Siegelbewahrer Odilon-Barrot gegengezeichnet.

-- Francois Simon Bernard, der bekannte Clubchef, stand gestern vor den Seine-Assisen. Die Staatsanwaltschaft hatte dreizehn Verbrechen gegen ihn artikulirt, welche alle gegen die drei Grundpfeiler der bürgerlichen Gesellschaft (Religion, Eigenthum und Familie) anstürmen. Nachdem ihn der Präsident nach Namen, Stand und Wohnung gefragt, begann Bernard:

"Bürger Präsident! Ich habe eine präjudizielle Ausnahme oder einen sogenannten Nullitäts oder Competenzgrund geltend zu machen. In der gegenwärtigen politischen Regierungsform Frankreichs steht Niemanden das Recht zu, sich in die Versammlungsvorträge des souveränen Volks zu mischen. Das Recht, frei zu sprechen, steht über allen geschriebenen Gesetzen; das Volk hat das Recht, alle nur erdenkliche Fragen und gesellschaftliche Einrichtungen zu besprechen, als da sind, Eigenthum, Familie und alle sonstige Infamien (wörtlich) die sie enthält. Die Systeme, ich fühle mich glücklich, sie bekämpfen zu können, und sie nicht so aufzufassen wie Ihr, Bürger ....

Präsident. Aber Sie wollten ja eine Rechtsexzeption vorbringen!

Bernard. Mein Advokat wird die Rechtspunkte erledigen. Ich dagegen ....

Präsident. Dann entziehe ich Ihnen das Wort.

Bernard. Und ich, ich entziehe Ihnen meine Gegenwart. (Er setzt den Hut auf und wendet sich dem Ausgange des Saales zu.)

Präsident. Sie setzen den Hut auf, nachdem sie den Gerichtshof und die Jury beschimpften! ...

Bernard. Wenn Sie mich kennten, würden Sie wissen, daß ich niemals irgend Jemanden beschimpfe und zwar aus dem Grunde, weil ich niemals einen Schimpf ertragen würde. Ich habe es Ihnen hiermit gesagt, ich gehe fort; ich habe das Recht hierzu.

Präsident. Ja, das haben Sie. Gehen Sie.

(Bernard geht ab. Der Gerichtshof verurtheilt ihn "in absichtlicher Abwesenheit des Angeklagten" zu 5 jähriger Gefängniß- und 6000 Frk. Geldstrafe.

-- Passy bleibt Finanzminister. Er hat den Bitten der Herren Thiers und Mole, sowie einiger Glieder der Haute finance (Argout u. Rothschild) nachgegeben, welche ihm sagten, daß sein Rückzug eine allgemeine Verwirrung auf dem Geldmarkte hervorbringen müßte; es sei jetzt der wichtigste Augenblick im ganzen

Beilage zu Nr. 185 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Mittwoch 3. Januar 1849.
[Französische Republik]

[Fortsetzung] tückischer die verächtlichen Buben die seit Juni hier das Steuer führen, alle und jede Februarerrungenschaft attakiren, desto weiter und tiefer dehnt sich par la puissance élastique (wie „Citoyen“ von Dijon sagt) die demokratische Propaganda im geheimen aus. „Vor Ablauf des Winters ist ganz Frankreich, die Kolonieen u. Algerien mit, von geheimen Societäten bedeckt; und macht Bonaparte Krieg, so möge er sich erinnern, daß selbst sein Oheim nicht die geheime demokratische Gesellschaft der Philadelphen im französischen Heere ausrotten konnte, so daß Mallet 1811 den Kaiserthron in einer Viertelstunde gestürzt hätte“; sagte mir neulich ein bekannter Clubist mit ironischem Lachen und sein schwarzes Auge flammte. — Eine Gesellschaft von „Freunden des demokratischen Polen's“, ganz aus Franzosen bestehend, publizirt Folgendes: „Die Sache des demokratischen Frankreich ist unlöslich verknüpft mit der Polens, denn dadurch erst gewinnt man Gewähr gegen die erniedrigenden Zufälle die seit 1815 die Demokratie Europa's betroffen und Frankreichs Politik in Europa discreditirt haben … Die Polen müssen nach ihrem heroischen Unterliegen von 1831, 40 und 48 durch Hoffnung aufrecht erhalten werden; dazu diene fortan die den polnischen Emigrirten werdende Hülfe, und die Einrichtung einer permanenten Tribune zu Gunsten des polnischen Volkes, gegen welches die Menschheitsfeinde, in Ermangeln sonstiger Zerstörungswerkzeuge letzthin noch eine Doppelkonspiration von Lästerung und Stillschweigen einrichteten … Die Gesellschaft der Polenfreunde wird nicht eher vom Werke ablassen, als bis Polen, wieder in Besitz seines rühmlichen Schlachtschwertes gekommen, selber die nöthigen Kämpfe führen können wird. Sie vertheidigt also fortan Polen durch die Presse und die Tribüne; sie wendet sich zu Gunsten Polens an die französische Regierung, um das am 23. Mai 1848 von der Nationalassemblée erlassne Dekret zur Verwirklichung bringen zu helfen. Sie hilft materiell den emigrirten Polen. — Die Gründer zahlen per Monat 3 Fr., die angeschloßnen Mitglieder 1 Fr., die korrespond. Mitglieder brauchen nichts zu zahlen, bieten aber allen sonstigen Beistand an. Die Zahl dieser verschiedenen Bestandtheile ist unbeschränkt. Am 30. November 1848 hat sich folgendes Büreau konstituirt: „B. Guinard, Flocon, Glaisbizoin, Considerant (Kassirer), Chauffour (Sekretär), lauter Volksrepräsentanten.“ In der Gesellschaft befinden sich unter andern Vavin, Schölcher der Negrophile, Perdiguier, Pyat, Eugen Raspail, Matthieu, Baume, Baune, David, Mitglieder des Berges. — Das demokratische Polencomité wird eine Erklärung auf die Zuschrift der „Slavischen Linde“ aus Böhmen, von Paris aus erlassen und den ebenso albernen als brutalen Dünkel der tschechischen Pedanten hoffentlich in den Weg treten.

Der plötzliche Krakehl zwischen Bonaparte und Minister Malleville, der sogar sein Portefeuille ablegt, rührt allerdings einestheils von dem Bestehn des Präsidenten auf Generalamnestie her, wogegen das volksfeindliche Ministerium wüthend opponirt, und sogar an die spießbürgerliche Rachgier in der Brust der im Juni etwas unsanft aufgerüttelten Philister appellirt. Anderntheils aber hat der gute Prinz gewisse Briefschaften und Dokumente aller Art, z. B. was sich auf seine Haft in Schloß Ham und die Abentheuer zu Straßburg und Boulogne bezieht, reklamirt, und darunter sind nicht wenig Liebeswünsche an die durch p. p. Malleville ihm, qua Prinzen, mit Extrapost damals zuspedirten Operntänzerinnen groß und klein. Der Prinz wünscht nun sothane Korrespondenz aus den Händen Malleville's herauszuziehen, und Malleville sagt mit nichten, und tritt aus. Der Prinz umgibt sich nunmehr mit allem, was zum bonapartischen Stamm gehört, und da dieser entsetzlich reich an Zweigen und Blättern, so ist der Nepotismus im schönsten Schwunge. „Allgemeine Rührung erweckt das Erscheinen von fünf angenehmen prinzlichen Kindlein, deren drei von der nach hohen Dingen strebenden Kerkermeisterstochter zu Ham, und zwei von einer brittischen Dame. Wie heiter so ein Prinz selbst in Ketten und Banden lebt! die diamantherzigen Republikaner, die gegen den verjagten greisen Tyrannen konspirirten, und die seit Februar gegen Bourgeois und Aristokraten aufgetretenen Socialdemokraten, fragt sie einmal, ob sie im Kerker auch von Balletmädchen Besuch bekommen, und ob ihnen die Kerkermeistertöchter nachstellen. O Frankreich, Frankreich! du hast deine Weiber für Prinzen und gegen Demokraten erzogen; und du höhnst letztre obenein, offizielles Frankreich, und weigerst Generalpardon, und knieest vor dem goldenen Stier und dem bunten Tand der Pharisäer! die Prinzen und reichen Buben im Kerker fütterst du mit Pasteten und Champagner, und schickst ihnen Opernmädchen und Beamtentöchter, und läßt sie zuletzt als Maurergesell verkleidet echt prinzlich durchbrennen, oder in Gesundheitshäusern ihre Strafzeit zwischen feiner Tafel und Damengesellschaft abmachen: aber deine Söhne, die gegen das Privilegium und die blanke Sünde aufstanden, schändest du und schwächst du in langsam ausmergelnder Höllenhaft im Dämmerlicht und in feuchter Kühle und in der Einsamkeit: du Rabenmutter. Halte dich bereit, deine Stunde wird schlagen: schon tickt der Zeiger voraus …

(Peuple souverain.)
16 Paris, 30. Dezbr.

Der „Hanswurst unter allen Regierungen“ heißt ein guter Artikel in der Pariser und departementalen Demokratenpresse, worin man liest: „Die Bursche, welchen die Februarrevolution auf den Leib rückte, ehe sie sich's versahen, diese vor gekrönten und goldenen Kälbern räuchernden Baalspfaffen, sind eine hübsche Menagerie gegenüber der heiligen Schaar jener todesmuthignn Volksvertheidiger, die aus dem Boden aufwachsen wie die geharnischten Männer aus der Saat der Drachenzähne. Der schaurigste jener Burschen und der Dreisteste ist gewiß der Hanswurst aller Regierungen, der Exmarquis de la Paileterie, Dumas der Große, deß Taufname Alexander, und er ist nicht blöde, parole d'honneur, dieser Alexander, er suchte seinen Darius und glaubte ihn endlich zu finden in Gestalt der Februarrepublik. Holla! Marquis! halte dir den Kopf fest! springe und tanze für Louis Philipp und Heinrich V. und Herzog Montpensier und für die Reform und für die Republik und für L. Bonaparte, springe für Gott und Teufel; bis einst dein letzter Sprung … Aber heute laß uns nicht hypochondrisch sein; blicken wir lieber auf deine reiche Vergangenheit, mein Bursche … Sieh, da war einmal ein ekelhafter Beutelschneiderprozeß (Beauvallon und Esquevilley und sonstige verprassende Tagediebe standen vor Gericht als Eskroks) und du, du warst Zeuge und sagtest als echter Edelmann: jene Herre nhaben sich allemal als echte Edelleut. aufgeführt. Bravo, mein Junge; Namensfälschung, Untrrschleif, Diebstahl und Todtschlag waren die ihnen bewiesenen Vergehene Geoßer Montechristo, du Goldgräber! da du nicht die 2[unleserliches Material] Franken Tagelohn als Kammermitglied bekamst, (du fielst nämlich im Seine- und im Yonnedepartement glänzend durch) ach da bliebst du ein kleiner Exmarquis. Deine s. g. historischen Romanfeuilletons die sehr unhistorisch, und die du selber den Nagel auf den Kopf treffend deine Waare zu nennen pflegtest, fielen seit der neuen Februarhistorie verteufelt im Preise. Derweilen bist du, Abends vor der Wahl Bonaparte's, Bonapartist geworden, und schreibst an deinen neuen Götzen: „Prinz, Sie präsidiren dem Geschicke der Republik, die keine Titel mehr duldet, aber Sie heißen trotzdem Prinz und ich bin Marquis. Nehmen Sie Lamartine zum Vicepräsidenten (der Marquis vergißt, daß dieser „gefallene Engel“ nur 10,000 Vota auf sieben Millionen erhielt) machen Sie Herzog Aumale d'Orleans zum Gouverneur Algiers, Joinville zum Großadmiral der Republik (warum nicht Louis Philipp zum Könige der Republik?) und Sie werden gesegnet sein.“

Der „Peuple souverain“ von Lyon, der auch vor den Assisen steht, dies vortreffliche Blatt, welches manchem Pariser weit vorzuziehen, sagt: „Die empörende Nachricht von einem stillen Ministerkomplott zu Paris kraft dessen Bürger L. Bonaparte die weltliche Landeshoheit des Pabstes mit Kanonen und Bomben herstellen wolle, ist bisheran noch nicht vom Ministerialorgan widerlegt. Also wird die Februarrepublik mit Preußen und Oestreich verbunden, gegen den Aufschwung der Völker zur Freiheit einschreiten. Glück zu! Dieser Greuel, doppelt arg bei dem Zustand des übrigen Europa, hat viel zur energischern Wiederaufnahme der Bankette in Paris beigetragen, denn endlich, endlich geht den echten Demokraten aller Lande die Einsicht von der Unerläßlichkeit eines gemeinsamen Handelns auf, gegen die gemeinsamen Feinde, die Aristokraten vom Kapital, vom Adel und vom Amt. Und so fand denn zu unsrer innigen Freude ein Pariser Bankett der deutschen und französischen Socialdemokraten statt.“ Mehrere deutsche Toaste werden abgedruckt; mit besonderem Nachdruck weist das Blatt auf den des Sekretärs Ruffoni der italienischen Demokratengesellschaft zu Paris hin, welcher in einer schlagenden Rede und unter großem Beifall die Anwesenden fragte: ob Frankreichs Krieger die Kardinalsdespotie in Rom herstellen und Arnold's von Brescia und Vanini's und Campanella's und anderer Märtyrer Manen höhnen sollten?

Wir fahren fort in der Bilanz Frankreichs:

Die 5. Kategorie schließt ein die 257,000 in Reichthümern lebenden Individuen der 33 Millionen starken französischen Nation. Von den 14,630 Pariser Wählern war bekanntlich nur ein Drittel wählbar, d. h. reich. Im Ganzen waren in Frankreich 57,000 wählbare Wähler vorhanden, was einen Familienanhang voraussetzt, der die gesammte reiche Klasse auf 257,000 Männer, Weiber und Kinder schätzen läßt.

Also in Summa 7,500,000 Bettler und Dürftige, 19,000,000 Halbarme, zusammen etwa 26,000,000, während die Begüterten und Reichen 6,950,000 ausmachen, worunter die Reichen nur 770,000 zählen.

Der Werth und das Eintragen des unbeweglichen Eigenthums mag 45-48 Milliarden geschätzt werden; 1818 mochte es 37 sein; die Gebäude schätzt man auf 5 Milliarden Werth; Thiere 2; Summa 46 Milliarden. Bruttoproduktion ist auf 5,237,17[unleserliches Material],000 zu setzen, wovon aber 3,552,000,000 für Kosten der Bearbeitung (nämlich 400 Milliarden für Saat, 110 für Viehsterben, 332 1/2 für Hausreparatur, 200 für Tagelohn per Jahr, 409 1/2 für Tagelohn der nur zu gewissen Jahreszeiten Arbeitenden: Weinlese. Kornernte, Heuschnitt, endlich 1200 für menschliche, 900 für thierische Ernährung) abzuziehen, so daß nur 1,685,178,000 Fr. Nettoprodukt oder Bodenertrag zu rechnen sind. Hr. Adolph Thiers giebt nur 2000 Mill., Hr. Dupin gar nur 1900 an, aber das ist gewiß viel zu niedrig; 18[unleserliches Material]5 taxirte man es schon auf 1600. Die genannten zwei Malthusianer müssen das eben so gut wissen wie wir. Wenn aber in einem Vierteljahrhundert unter dem vielberühmten Segen der Civilisation, das Einkommen des Bodens und der Gebäude in Frankreich nicht gestiegen ist, so möge man allerdings verzweifeln an der Civilisation. Nach Audissont's tüchtigen Studien ist folgendes die Sachlage: 1,600,000,000 von administrativer Seite veranschlagter Reinertrag des Grundbesitzes, wovon zu subtrahiren 1,062,000,000; nämlich Hypothekenschuldinteressen 550 Millionen, an die Justizbeamten bei Gelegenheit des unbeweglichen Eigenthums, nicht weniger als 100 Millionen, welche 100 Millionen auf nur 41,802 Individuen sich vertheilen, nämlich 15,850 Notare (daher der abergläubische Schauder des französischen Bauern, wenn er an die Hausthür mit den zwei vergoldeten ovalen Schildern kommt, das Wahrzeichen des Notars), 12,290 Huissiers, 8931 Avoues, 3896 Greffiers beim Friedensgericht und 835 bei den Tribunalen. Ferner sind abzuziehen die Abgaben und zwar die direkte von [unleserliches Material]72 Millionen, die Thür- und Fenstersteuer 33 Millionen, macht 350 Millionen; desgleichen die direkten Abgaben unter dem Namen Einschreibegeld, Gerichtsgeld, Stempelgeld und Hypothecirungsgebühren, im [unleserliches Material]elauf von 107. Es bleibt nach allen diesen Abzügen von dem Nettowerth nur ein Drittel übrig: 538,000,000 Fr. Die Hypothekenschuld war vor einigen Jahren eilftausend und eine halbe Million; 1844 betrugen ihre Zinsen weit über 550 Millionen. Wie gesagt, diese Lasten, die wohl zu den schwersten gehören, die je ein Land zu tragen gehabt, drücken viel mehr den kleinen als den großen Besitzer; dazu rechne man den Wucher, und man begreift, warum die von uns in Nro. 1 und Nro. 2 eingetragenen kleinen dennoch stets im Elend verharren müssen.

(Fortsetzung folgt).

12 Paris, 31. Dezember.

Ministerwechsel, revolutionäre Anfälle der Kammer, napoleonische plastische Vorstellungen — Alles ist eingetroffen. Minister einsetzen, das ist nichts; aber Minister absetzen und neue einsetzen — das ist schon das Zeichen einer Macht, und soweit ist bereits Napoleon gekommen. Napoleon bedeutete für die Wähler Alles nur nicht Louis Napoleon, sagten wir früher: aber Louis Napoleon will einmal für sich nichts bedeuten, als Napoleon — d. h. Hut, Sporn und Stiefel. Tant pis pour lui! Also Louis Napoleon hat den Malleville und den Bixio ab- und den Buffet und Lacrosse als Minister eingesetzt. Wir citiren bloß Namen, ohne uns um die Personen zu kümmern, und da wir in den nächsten Tagen einen neuen Ministerwechsel und folglich neue Namen zu citiren haben, die ebenso unbekannt sind wie die erstern, so lassen wir jede nähere Bezeichnung der Personen einstweilen bei Seite. Der Ministerwechsel ist noch nicht beseitigt durch die Beseitigung Malleville's: die Krise dauert fort, ungeachtet der neuen Ernennungen, und wird fortdauern, weil Napoleon der Präsident den Louis Napoleon nie verdrängen kann. Z. B. Napoleons erster Schritt nach seiner Installirung war, daß er von Malleville, dem Minister des Innern, die Auslieferung der Acktenstücke verlangte, die sich auf die ewig denkwürdige Geschichte des lebendigen Adlers von Boulogne und Straßburg beziehen. Malleville verweigert. Napoleon wiederholt seinen Antrag und ist ganz erstaunt, daß man sich nicht beeile, seinem Wunsche nachzukommen. Er verlangt die Papiere abermals. Abermalige Weigerung. Da schreibt er dann an Malleville: „Mein Wille ist, daß die Papiere zu der und der Stunde bei mir zu Hause sind? Das Journal des Debats, welches am meisten Interesse hat, jeden Skandal im Ministerium zu vertuschen, verbürgt diese Details, da sie doch schon stadtbekannt sein.“ Mehr bedurfte es nicht um Malleville abzusetzen; aber noch mehr, weit mehr fiel vor. Doch warum wandte sich nicht Napoleon an den Justiz-Minister Barrot, der eigentlich Inhaber dieser Acktenstücke sein muß. Gewiß Barrot würde schon Anstandshalber die Papiere dieses Criminalprozesses dem edlen Prinzen ausgeliefert haben. Das Weitere, das vorfiel, ist also kurzgefaßt, folgendes:

Nach den Debats verlangt Napoleon, daß alle ihn betreffenden Artikel und Akte, die im Moniteur eingerückt würden, aus dem Hotel der Präsidentschaft, und nicht aus dem Ministerium des Innern datirt werden sollten.

Ferner findet Napoleon, daß die Minister, „die er erwählt,“ gar kein Gewicht legten auf seine Prärogative, und er möchte doch auch nicht ein Präsident im Style der Konstitution von Sieyes sein. Was will dann nun Napoleon sein? Um das zu sein, was die Wähler wollen, müßte Napoleon wenigstens dreifältig sein. Den Louis Napoleon kann er nun einmal nicht abschütteln, noch weniger vertilgen; denn der Minister will ihn nicht herausgeben, sondern ihn eingeschlossen behalten in den Schranken der Archive. Dem Kaiser kann er auch nicht spielen, denn bei Lauterbach hat er seinen — Hut verloren; und ohne Hut kann man nicht Kaiser sein. Was bleibt also denn von den drei verschiedenen Parteien gewählten Napoleon anders übrig, als trotz seiner Dreifältigkeit einfältig zu bleiben?

Mit welcher Leichtigkeit übrigens Louis Napoleon, da er nichts besseres machen kann, geneigt ist, Minister zu machen, und alle abzusetzen, geht aus den Gründen hervor, die ihn zu dem jetzigen Schritte bewogen, und ihn bei seiner Wahl bestimmen denn wie gesagt, die Krisis ist nicht zu Ende — die beabsichtigte Ernennung des aristokratischen Bildhauers Newkerke an der Direktion „der schönen Künste“ (Newkerke ist von Mad. Demidoff protegirt); die Einsetzung von kaiserlichen Präfekten an die Stelle der Präfekten aus der Dynastie des National — Alles dieses sind Nebensachen für uns. Aber die Hauptsache ist: in welchem Verhältnisse stehn die Minister zum Präsidenten? In der alten Monarchie waren die Minister verantwortlich für den König; daher kam der Satz: le roi regne et ne gouverne pas. In der Republik ist der Präsident sowohl verantwortlich als die Minister.

Le roi regne et ne gouverne pas. Kann man analog nun sagen: le président préside et ne gouverne pas?

Wir haben die französischen Phrasen citiren müssen, weil es unmöglich ist, sie zu übersetzen, ohne einen Widerspruch zu begehn. Der Sinn der ersten Phrase ist: der König hat weiter nichts als die Eigenschaften des rex; er regiert bloß chronologisch, nicht administrativ, nicht im Sinne des wirklichen Einflusses auf die Angelegenheiten, denn er ist unverantwortlich für seine Akte; er kann keine Regierungsakte vollbringen: die Minister sind es, denen dieses alles anheim fällt. Der König zählt also blos chronologisch, durch die Dauer seines Regnums, und wenn man sich aus seiner Kinderzeit noch der geschichtlichen Tabellen erinnert, wo man die Könige auswendig lernte, und diejenigen am liebsten hatte, hinter deren Namen solche Zahlen standen, die von einander abgezogen, eine große Differenz als Zeit ihrer Regierung ergaben, so begreift man die Vorliebe Louis Philipp's, seine Regierung recht in die Länge zu ziehen, zu dauern als König und Mensch bis zur Großjährigkeit des Grafen von Paris. Um also einem solchen unverantwortlichen, blos chronologischen Könige zu verstehen zu geben, daß er aufgehört hat zu zählen, muß man ihn entweder Reißaus nehmen lassen, oder ihm den Faden des Lebens abschneiden und ihn so verhindern, weiter zu zählen, in der Geschichte, durch die Dauer seines Lebens. Nur so entgeht er der Verantwortlichkeit. Jetzt entsteht also die große Frage, ob man analog nach jenem ersten Satze sagen kann: le président préside, mail il ne gouverne pas, d. h. der Präsident präsidirt, es dauert 4 Jahre; aber er regiert nicht. Wenn er aber 4 Jahre dauert als Präsident, ohne zu regieren, so kann er ebenfalls nicht verantwortlich sein, und alles fiele demnach der olympischen Stirne Barrot's zur Last. Nun heißt es aber in der Konstitution: der Präsident ist verantwortlich; also muß er auch handeln können; und wenn Napoleon handeln kann, so darf er auch sagen: ich will nicht Präsident nach der Konstitution sein. Also Napoleon kann etwas sein; es darf etwas sein; er kann mehr sein als Louis Philipp. Die 5 Millionen Wähler und Bauern treiben ihn an, ungeheuer viel zu sein, und Malleville verurtheilt ihn, einfältig zu bleiben; er will dem Präsidenten Napoleon den Louis Napoleon nicht herausgeben!

Louis Napoleon ist verantwortlich; Guizot, Cunin-Gridaine, Trezel, alle kommen frei nach Frankreich zurück, und die 3000, die durch die Schuld Guizot's und Konsorten in den Ponton's schmachten, werden nicht amnestirt!

Paris, 30. Dez.

Während alle Welt gestern die Ministerkrisis beigelegt glaubte, überrascht uns heute der Moniteur mit folgenden Ernennungen:

1) Leon Faucher ist zum Minister des Innern ernannt, in Ersetzung Leon de Maleville's, dessen Abdankung angenommen ist.

2) Lacrosse, Vizepräsident der Nationalversammlung, ist an die Stelle Leon Faucher's zum Minister der Staatsbauten ernannt.

3) Buffet, Repräsentant des Volks, ist zum Minister des Ackerbaus und Handels ernannt, in Ersetzung Bixio's, dessen Entlassung angenommen.

Diese drei Dekrete sind vom Präsidenten Louis Napoleon Bonaparte unterzeichnet und von dem, in Abwesenheit Bonaparte's den Ministerrath präsidirenden Justizminister und Siegelbewahrer Odilon-Barrot gegengezeichnet.

— Francois Simon Bernard, der bekannte Clubchef, stand gestern vor den Seine-Assisen. Die Staatsanwaltschaft hatte dreizehn Verbrechen gegen ihn artikulirt, welche alle gegen die drei Grundpfeiler der bürgerlichen Gesellschaft (Religion, Eigenthum und Familie) anstürmen. Nachdem ihn der Präsident nach Namen, Stand und Wohnung gefragt, begann Bernard:

„Bürger Präsident! Ich habe eine präjudizielle Ausnahme oder einen sogenannten Nullitäts oder Competenzgrund geltend zu machen. In der gegenwärtigen politischen Regierungsform Frankreichs steht Niemanden das Recht zu, sich in die Versammlungsvorträge des souveränen Volks zu mischen. Das Recht, frei zu sprechen, steht über allen geschriebenen Gesetzen; das Volk hat das Recht, alle nur erdenkliche Fragen und gesellschaftliche Einrichtungen zu besprechen, als da sind, Eigenthum, Familie und alle sonstige Infamien (wörtlich) die sie enthält. Die Systeme, ich fühle mich glücklich, sie bekämpfen zu können, und sie nicht so aufzufassen wie Ihr, Bürger ‥‥

Präsident. Aber Sie wollten ja eine Rechtsexzeption vorbringen!

Bernard. Mein Advokat wird die Rechtspunkte erledigen. Ich dagegen ‥‥

Präsident. Dann entziehe ich Ihnen das Wort.

Bernard. Und ich, ich entziehe Ihnen meine Gegenwart. (Er setzt den Hut auf und wendet sich dem Ausgange des Saales zu.)

Präsident. Sie setzen den Hut auf, nachdem sie den Gerichtshof und die Jury beschimpften! …

Bernard. Wenn Sie mich kennten, würden Sie wissen, daß ich niemals irgend Jemanden beschimpfe und zwar aus dem Grunde, weil ich niemals einen Schimpf ertragen würde. Ich habe es Ihnen hiermit gesagt, ich gehe fort; ich habe das Recht hierzu.

Präsident. Ja, das haben Sie. Gehen Sie.

(Bernard geht ab. Der Gerichtshof verurtheilt ihn „in absichtlicher Abwesenheit des Angeklagten“ zu 5 jähriger Gefängniß- und 6000 Frk. Geldstrafe.

— Passy bleibt Finanzminister. Er hat den Bitten der Herren Thiers und Molé, sowie einiger Glieder der Haute finance (Argout u. Rothschild) nachgegeben, welche ihm sagten, daß sein Rückzug eine allgemeine Verwirrung auf dem Geldmarkte hervorbringen müßte; es sei jetzt der wichtigste Augenblick im ganzen

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001" n="1001"/>
    <front>
      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 185 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>Mittwoch 3. Januar 1849.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div n="1">
        <head>[Französische Republik]</head>
        <div xml:id="ar185b_001" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> tückischer die verächtlichen Buben die seit Juni hier das Steuer führen, alle und jede Februarerrungenschaft attakiren, desto weiter und tiefer dehnt sich par la puissance élastique (wie &#x201E;Citoyen&#x201C; von Dijon sagt) die demokratische Propaganda im geheimen aus. &#x201E;Vor Ablauf des Winters ist ganz Frankreich, die Kolonieen u. Algerien mit, von geheimen Societäten bedeckt; und macht Bonaparte Krieg, so möge er sich erinnern, daß selbst sein Oheim nicht die geheime demokratische Gesellschaft der Philadelphen im französischen Heere ausrotten konnte, so daß Mallet 1811 den Kaiserthron in einer Viertelstunde gestürzt hätte&#x201C;; sagte mir neulich ein bekannter Clubist mit ironischem Lachen und sein schwarzes Auge flammte. &#x2014; Eine Gesellschaft von &#x201E;Freunden des demokratischen Polen's&#x201C;, ganz aus Franzosen bestehend, publizirt Folgendes: &#x201E;Die Sache des demokratischen Frankreich ist unlöslich verknüpft mit der Polens, denn dadurch erst gewinnt man Gewähr gegen die erniedrigenden Zufälle die seit 1815 die Demokratie Europa's betroffen und Frankreichs Politik in Europa discreditirt haben &#x2026; Die Polen müssen nach ihrem heroischen Unterliegen von 1831, 40 und 48 durch Hoffnung aufrecht erhalten werden; dazu diene fortan die den polnischen Emigrirten werdende Hülfe, und die Einrichtung einer permanenten Tribune zu Gunsten des polnischen Volkes, gegen welches die Menschheitsfeinde, in Ermangeln sonstiger Zerstörungswerkzeuge letzthin noch eine Doppelkonspiration von Lästerung und Stillschweigen einrichteten &#x2026; Die Gesellschaft der Polenfreunde wird nicht eher vom Werke ablassen, als bis Polen, wieder in Besitz seines rühmlichen Schlachtschwertes gekommen, selber die nöthigen Kämpfe führen können wird. Sie vertheidigt also fortan Polen durch die Presse und die Tribüne; sie wendet sich zu Gunsten Polens an die französische Regierung, um das am 23. Mai 1848 von der Nationalassemblée erlassne Dekret zur Verwirklichung bringen zu helfen. Sie hilft materiell den emigrirten Polen. &#x2014; Die Gründer zahlen per Monat 3 Fr., die angeschloßnen Mitglieder 1 Fr., die korrespond. Mitglieder brauchen nichts zu zahlen, bieten aber allen sonstigen Beistand an. Die Zahl dieser verschiedenen Bestandtheile ist unbeschränkt. Am 30. November 1848 hat sich folgendes Büreau konstituirt: &#x201E;B. Guinard, Flocon, Glaisbizoin, Considerant (Kassirer), Chauffour (Sekretär), lauter Volksrepräsentanten.&#x201C; In der Gesellschaft befinden sich unter andern Vavin, Schölcher der Negrophile, Perdiguier, Pyat, Eugen Raspail, Matthieu, Baume, Baune, David, Mitglieder des Berges. &#x2014; Das demokratische Polencomité wird eine Erklärung auf die Zuschrift der &#x201E;Slavischen Linde&#x201C; aus Böhmen, von Paris aus erlassen und den ebenso albernen als brutalen Dünkel der tschechischen Pedanten hoffentlich in den Weg treten.</p>
          <p>Der plötzliche Krakehl zwischen Bonaparte und Minister Malleville, der sogar sein Portefeuille ablegt, rührt allerdings einestheils von dem Bestehn des Präsidenten auf Generalamnestie her, wogegen das volksfeindliche Ministerium wüthend opponirt, und sogar an die spießbürgerliche Rachgier in der Brust der im Juni etwas unsanft aufgerüttelten Philister appellirt. Anderntheils aber hat der gute Prinz gewisse Briefschaften und Dokumente aller Art, z. B. was sich auf seine Haft in Schloß Ham und die Abentheuer zu Straßburg und Boulogne bezieht, reklamirt, und darunter sind nicht wenig Liebeswünsche an die durch p. p. Malleville ihm, qua Prinzen, mit Extrapost damals zuspedirten Operntänzerinnen groß und klein. Der Prinz wünscht nun sothane Korrespondenz aus den Händen Malleville's herauszuziehen, und Malleville sagt mit nichten, und tritt aus. Der Prinz umgibt sich nunmehr mit allem, was zum bonapartischen Stamm gehört, und da dieser entsetzlich reich an Zweigen und Blättern, so ist der Nepotismus im schönsten Schwunge. &#x201E;Allgemeine Rührung erweckt das Erscheinen von fünf angenehmen prinzlichen Kindlein, deren drei von der nach hohen Dingen strebenden Kerkermeisterstochter zu Ham, und zwei von einer brittischen Dame. Wie heiter so ein Prinz selbst in Ketten und Banden lebt! die diamantherzigen Republikaner, die gegen den verjagten greisen Tyrannen konspirirten, und die seit Februar gegen Bourgeois und Aristokraten aufgetretenen Socialdemokraten, fragt sie einmal, ob sie im Kerker auch von Balletmädchen Besuch bekommen, und ob ihnen die Kerkermeistertöchter nachstellen. O Frankreich, Frankreich! du hast deine Weiber für Prinzen und gegen Demokraten erzogen; und du höhnst letztre obenein, offizielles Frankreich, und weigerst Generalpardon, und knieest vor dem goldenen Stier und dem bunten Tand der Pharisäer! die Prinzen und reichen Buben im Kerker fütterst du mit Pasteten und Champagner, und schickst ihnen Opernmädchen und Beamtentöchter, und läßt sie zuletzt als Maurergesell verkleidet echt prinzlich durchbrennen, oder in Gesundheitshäusern ihre Strafzeit zwischen feiner Tafel und Damengesellschaft abmachen: aber deine Söhne, die gegen das Privilegium und die blanke Sünde aufstanden, schändest du und schwächst du in langsam ausmergelnder Höllenhaft im Dämmerlicht und in feuchter Kühle und in der Einsamkeit: du Rabenmutter. Halte dich bereit, deine Stunde wird schlagen: schon tickt der Zeiger voraus &#x2026;</p>
          <bibl>(Peuple souverain.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar185b_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>16</author></bibl> Paris, 30. Dezbr.</head>
          <p>Der &#x201E;Hanswurst unter allen Regierungen&#x201C; heißt ein guter Artikel in der Pariser und departementalen Demokratenpresse, worin man liest: &#x201E;Die Bursche, welchen die Februarrevolution auf den Leib rückte, ehe sie sich's versahen, diese vor gekrönten und goldenen Kälbern räuchernden Baalspfaffen, sind eine hübsche Menagerie gegenüber der heiligen Schaar jener todesmuthignn Volksvertheidiger, die aus dem Boden aufwachsen wie die geharnischten Männer aus der Saat der Drachenzähne. Der schaurigste jener Burschen und der Dreisteste ist gewiß der Hanswurst aller Regierungen, der Exmarquis de la Paileterie, Dumas der Große, deß Taufname Alexander, und er ist nicht blöde, parole d'honneur, dieser Alexander, er suchte seinen Darius und glaubte ihn endlich zu finden in Gestalt der Februarrepublik. Holla! Marquis! halte dir den Kopf fest! springe und tanze für Louis Philipp und Heinrich V. und Herzog Montpensier und für die Reform und für die Republik und für L. Bonaparte, springe für Gott und Teufel; bis einst dein letzter Sprung &#x2026; Aber heute laß uns nicht hypochondrisch sein; blicken wir lieber auf deine reiche Vergangenheit, mein Bursche &#x2026; Sieh, da war einmal ein ekelhafter Beutelschneiderprozeß (Beauvallon und Esquevilley und sonstige verprassende Tagediebe standen vor Gericht als Eskroks) und du, du warst Zeuge und sagtest als <hi rendition="#g">echter</hi> Edelmann: jene Herre nhaben sich allemal als <hi rendition="#g">echte</hi> Edelleut. aufgeführt. Bravo, mein Junge; Namensfälschung, Untrrschleif, Diebstahl und Todtschlag waren die ihnen bewiesenen Vergehene Geoßer Montechristo, du Goldgräber! da du nicht die 2<gap reason="illegible"/> Franken Tagelohn als Kammermitglied bekamst, (du fielst nämlich im Seine- und im Yonnedepartement glänzend durch) ach da bliebst du ein kleiner Exmarquis. Deine s. g. historischen Romanfeuilletons die sehr unhistorisch, und die du selber den Nagel auf den Kopf treffend deine <hi rendition="#g">Waare</hi> zu nennen pflegtest, fielen seit der neuen Februarhistorie verteufelt im Preise. Derweilen bist du, Abends vor der Wahl Bonaparte's, Bonapartist geworden, und schreibst an deinen neuen Götzen: &#x201E;Prinz, Sie präsidiren dem Geschicke der Republik, die keine Titel mehr duldet, aber Sie heißen trotzdem Prinz und ich bin Marquis. Nehmen Sie Lamartine zum Vicepräsidenten (der Marquis vergißt, daß dieser &#x201E;gefallene Engel&#x201C; nur 10,000 Vota auf sieben Millionen erhielt) machen Sie Herzog Aumale d'Orleans zum Gouverneur Algiers, Joinville zum Großadmiral der Republik (warum nicht Louis Philipp zum Könige der Republik?) und Sie werden gesegnet sein.&#x201C;</p>
          <p>Der &#x201E;Peuple souverain&#x201C; von Lyon, der auch vor den Assisen steht, dies vortreffliche Blatt, welches manchem Pariser weit vorzuziehen, sagt: &#x201E;Die empörende Nachricht von einem stillen Ministerkomplott zu Paris kraft dessen Bürger L. Bonaparte die weltliche Landeshoheit des Pabstes mit Kanonen und Bomben herstellen wolle, ist bisheran noch nicht vom Ministerialorgan widerlegt. Also wird die Februarrepublik mit Preußen und Oestreich verbunden, gegen den Aufschwung der Völker zur Freiheit einschreiten. Glück zu! Dieser Greuel, doppelt arg bei dem Zustand des übrigen Europa, hat viel zur energischern Wiederaufnahme der Bankette in Paris beigetragen, denn endlich, endlich geht den echten Demokraten <hi rendition="#g">aller</hi> Lande die Einsicht von der Unerläßlichkeit eines gemeinsamen Handelns auf, gegen die gemeinsamen Feinde, die Aristokraten vom Kapital, vom Adel und vom Amt. Und so fand denn zu unsrer innigen Freude ein Pariser Bankett der deutschen und französischen Socialdemokraten statt.&#x201C; Mehrere deutsche Toaste werden abgedruckt; mit besonderem Nachdruck weist das Blatt auf den des Sekretärs Ruffoni der italienischen Demokratengesellschaft zu Paris hin, welcher in einer schlagenden Rede und unter großem Beifall die Anwesenden fragte: ob Frankreichs Krieger die Kardinalsdespotie in Rom herstellen und Arnold's von Brescia und Vanini's und Campanella's und anderer Märtyrer Manen höhnen sollten?</p>
          <p>Wir fahren fort in der Bilanz Frankreichs:</p>
          <p>Die 5. Kategorie schließt ein die 257,000 in Reichthümern lebenden Individuen der 33 Millionen starken französischen Nation. Von den 14,630 Pariser Wählern war bekanntlich nur ein Drittel wählbar, d. h. reich. Im Ganzen waren in Frankreich 57,000 wählbare Wähler vorhanden, was einen Familienanhang voraussetzt, der die gesammte reiche Klasse auf 257,000 Männer, Weiber und Kinder schätzen läßt.</p>
          <p>Also in Summa 7,500,000 Bettler und Dürftige, 19,000,000 Halbarme, zusammen etwa 26,000,000, während die Begüterten und Reichen 6,950,000 ausmachen, worunter die Reichen nur 770,000 zählen.</p>
          <p>Der Werth und das Eintragen des unbeweglichen Eigenthums mag 45-48 Milliarden geschätzt werden; 1818 mochte es 37 sein; die Gebäude schätzt man auf 5 Milliarden Werth; Thiere 2; Summa 46 Milliarden. Bruttoproduktion ist auf 5,237,17<gap reason="illegible"/>,000 zu setzen, wovon aber 3,552,000,000 für Kosten der Bearbeitung (nämlich 400 Milliarden für Saat, 110 für Viehsterben, 332 1/2 für Hausreparatur, 200 für Tagelohn per Jahr, 409 1/2 für Tagelohn der nur zu gewissen Jahreszeiten Arbeitenden: Weinlese. Kornernte, Heuschnitt, endlich 1200 für menschliche, 900 für thierische Ernährung) abzuziehen, so daß nur 1,685,178,000 Fr. Nettoprodukt oder Bodenertrag zu rechnen sind. Hr. Adolph Thiers giebt nur 2000 Mill., Hr. Dupin gar nur 1900 an, aber das ist gewiß viel zu niedrig; 18<gap reason="illegible"/>5 taxirte man es schon auf 1600. Die genannten zwei Malthusianer müssen das eben so gut wissen wie wir. Wenn aber in einem Vierteljahrhundert unter dem vielberühmten Segen der Civilisation, das Einkommen des Bodens und der Gebäude in Frankreich nicht gestiegen ist, so möge man allerdings verzweifeln an der Civilisation. Nach Audissont's tüchtigen Studien ist folgendes die Sachlage: 1,600,000,000 von administrativer Seite veranschlagter Reinertrag des Grundbesitzes, wovon zu subtrahiren 1,062,000,000; nämlich Hypothekenschuldinteressen 550 Millionen, an die Justizbeamten bei Gelegenheit des unbeweglichen Eigenthums, nicht weniger als 100 Millionen, welche 100 Millionen auf nur 41,802 Individuen sich vertheilen, nämlich 15,850 Notare (daher der abergläubische Schauder des französischen Bauern, wenn er an die Hausthür mit den zwei vergoldeten ovalen Schildern kommt, das Wahrzeichen des Notars), 12,290 Huissiers, 8931 Avoues, 3896 Greffiers beim Friedensgericht und 835 bei den Tribunalen. Ferner sind abzuziehen die Abgaben und zwar die direkte von <gap reason="illegible"/>72 Millionen, die Thür- und Fenstersteuer 33 Millionen, macht 350 Millionen; desgleichen die direkten Abgaben unter dem Namen Einschreibegeld, Gerichtsgeld, Stempelgeld und Hypothecirungsgebühren, im <gap reason="illegible"/>elauf von 107. Es bleibt nach allen diesen Abzügen von dem Nettowerth nur ein Drittel übrig: 538,000,000 Fr. Die Hypothekenschuld war vor einigen Jahren eilftausend und eine halbe Million; 1844 betrugen ihre Zinsen weit über 550 Millionen. Wie gesagt, diese Lasten, die wohl zu den schwersten gehören, die je ein Land zu tragen gehabt, drücken viel mehr den kleinen als den großen Besitzer; dazu rechne man den Wucher, und man begreift, warum die von uns in Nro. 1 und Nro. 2 eingetragenen kleinen dennoch stets im Elend verharren müssen.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung folgt).</ref>
          </p>
        </div>
        <div xml:id="ar185b_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 31. Dezember.</head>
          <p>Ministerwechsel, revolutionäre Anfälle der Kammer, napoleonische plastische Vorstellungen &#x2014; Alles ist eingetroffen. Minister einsetzen, das ist nichts; aber Minister absetzen und neue einsetzen &#x2014; das ist schon das Zeichen einer Macht, und soweit ist bereits Napoleon gekommen. Napoleon bedeutete für die Wähler Alles nur nicht Louis Napoleon, sagten wir früher: aber Louis Napoleon will einmal für sich nichts bedeuten, als Napoleon &#x2014; d. h. Hut, Sporn und Stiefel. Tant pis pour lui! Also Louis Napoleon hat den Malleville und den Bixio ab- und den Buffet und Lacrosse als Minister eingesetzt. Wir citiren bloß Namen, ohne uns um die Personen zu kümmern, und da wir in den nächsten Tagen einen neuen Ministerwechsel und folglich neue Namen zu citiren haben, die ebenso unbekannt sind wie die erstern, so lassen wir jede nähere Bezeichnung der Personen einstweilen bei Seite. Der Ministerwechsel ist noch nicht beseitigt durch die Beseitigung Malleville's: die Krise dauert fort, ungeachtet der neuen Ernennungen, und wird fortdauern, weil Napoleon der Präsident den Louis Napoleon nie verdrängen kann. Z. B. Napoleons erster Schritt nach seiner Installirung war, daß er von Malleville, dem Minister des Innern, die Auslieferung der Acktenstücke verlangte, die sich auf die ewig denkwürdige Geschichte des lebendigen Adlers von Boulogne und Straßburg beziehen. Malleville verweigert. Napoleon wiederholt seinen Antrag und ist ganz erstaunt, daß man sich nicht beeile, seinem Wunsche nachzukommen. Er verlangt die Papiere abermals. Abermalige Weigerung. Da schreibt er dann an Malleville: &#x201E;Mein Wille ist, daß die Papiere zu der und der Stunde bei mir zu Hause sind? Das Journal des Debats, welches am meisten Interesse hat, jeden Skandal im Ministerium zu vertuschen, verbürgt diese Details, da sie doch schon stadtbekannt sein.&#x201C; Mehr bedurfte es nicht um Malleville abzusetzen; aber noch mehr, weit mehr fiel vor. Doch warum wandte sich nicht Napoleon an den Justiz-Minister Barrot, der eigentlich Inhaber dieser Acktenstücke sein muß. Gewiß Barrot würde schon Anstandshalber die Papiere dieses Criminalprozesses dem edlen Prinzen ausgeliefert haben. Das Weitere, das vorfiel, ist also kurzgefaßt, folgendes:</p>
          <p>Nach den Debats verlangt Napoleon, daß alle ihn betreffenden Artikel und Akte, die im Moniteur eingerückt würden, aus dem Hotel der Präsidentschaft, und nicht aus dem Ministerium des Innern datirt werden sollten.</p>
          <p>Ferner findet Napoleon, daß die Minister, <hi rendition="#g">&#x201E;die er erwählt,&#x201C;</hi> gar kein Gewicht legten auf seine Prärogative, und er möchte doch auch nicht ein Präsident im Style der Konstitution von Sieyes sein. Was will dann nun Napoleon sein? Um das zu sein, was die Wähler wollen, müßte Napoleon wenigstens dreifältig sein. Den Louis Napoleon kann er nun einmal nicht abschütteln, noch weniger vertilgen; denn der Minister will ihn nicht herausgeben, sondern ihn eingeschlossen behalten in den Schranken der Archive. Dem Kaiser kann er auch nicht spielen, denn bei Lauterbach hat er seinen &#x2014; Hut verloren; und ohne Hut kann man nicht Kaiser sein. Was bleibt also denn von den drei verschiedenen Parteien gewählten Napoleon anders übrig, als trotz seiner Dreifältigkeit einfältig zu bleiben?</p>
          <p>Mit welcher Leichtigkeit übrigens Louis Napoleon, da er nichts besseres machen kann, geneigt ist, Minister zu machen, und alle abzusetzen, geht aus den Gründen hervor, die ihn zu dem jetzigen Schritte bewogen, und ihn bei seiner Wahl bestimmen denn wie gesagt, die Krisis ist nicht zu Ende &#x2014; die beabsichtigte Ernennung des aristokratischen Bildhauers Newkerke an der Direktion &#x201E;der schönen Künste&#x201C; (Newkerke ist von Mad. Demidoff protegirt); die Einsetzung von kaiserlichen Präfekten an die Stelle der Präfekten aus der Dynastie des National &#x2014; Alles dieses sind Nebensachen für uns. Aber die Hauptsache ist: in welchem Verhältnisse stehn die Minister zum Präsidenten? In der alten Monarchie waren die Minister verantwortlich für den König; daher kam der Satz: le roi regne et ne gouverne pas. In der Republik ist der Präsident sowohl verantwortlich als die Minister.</p>
          <p>Le roi regne et ne gouverne pas. Kann man analog nun sagen: le président préside et ne gouverne pas?</p>
          <p>Wir haben die französischen Phrasen citiren müssen, weil es unmöglich ist, sie zu übersetzen, ohne einen Widerspruch zu begehn. Der Sinn der ersten Phrase ist: der König hat weiter nichts als die Eigenschaften des rex; er regiert bloß chronologisch, nicht administrativ, nicht im Sinne des wirklichen Einflusses auf die Angelegenheiten, denn er ist unverantwortlich für seine Akte; er kann keine Regierungsakte vollbringen: die Minister sind es, denen dieses alles anheim fällt. Der König zählt also blos chronologisch, durch die Dauer seines Regnums, und wenn man sich aus seiner Kinderzeit noch der geschichtlichen Tabellen erinnert, wo man die Könige auswendig lernte, und diejenigen am liebsten hatte, hinter deren Namen solche Zahlen standen, die von einander abgezogen, eine große Differenz als Zeit ihrer Regierung ergaben, so begreift man die Vorliebe Louis Philipp's, seine Regierung recht in die Länge zu ziehen, zu dauern als König und Mensch bis zur Großjährigkeit des Grafen von Paris. Um also einem solchen unverantwortlichen, blos chronologischen Könige zu verstehen zu geben, daß er aufgehört hat zu zählen, muß man ihn entweder Reißaus nehmen lassen, oder ihm den Faden des Lebens abschneiden und ihn so verhindern, weiter zu zählen, in der Geschichte, durch die Dauer seines Lebens. Nur so entgeht er der Verantwortlichkeit. Jetzt entsteht also die große Frage, ob man analog nach jenem ersten Satze sagen kann: le président préside, mail il ne gouverne pas, d. h. der Präsident präsidirt, es dauert 4 Jahre; aber er regiert nicht. Wenn er aber 4 Jahre dauert als Präsident, ohne zu regieren, so kann er ebenfalls nicht verantwortlich sein, und alles fiele demnach der olympischen Stirne Barrot's zur Last. Nun heißt es aber in der Konstitution: der Präsident ist verantwortlich; also muß er auch handeln können; und wenn Napoleon handeln kann, so darf er auch sagen: ich will nicht Präsident nach der Konstitution sein. Also Napoleon kann etwas sein; es darf etwas sein; er kann mehr sein als Louis Philipp. Die 5 Millionen Wähler und Bauern treiben ihn an, ungeheuer viel zu sein, und Malleville verurtheilt ihn, einfältig zu bleiben; er will dem Präsidenten Napoleon den Louis Napoleon nicht herausgeben!</p>
          <p>Louis Napoleon ist verantwortlich; Guizot, Cunin-Gridaine, Trezel, alle kommen frei nach Frankreich zurück, und die 3000, die durch die Schuld Guizot's und Konsorten in den Ponton's schmachten, werden <hi rendition="#g">nicht</hi> amnestirt!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar185b_004" type="jArticle">
          <head>Paris, 30. Dez.</head>
          <p>Während alle Welt gestern die Ministerkrisis beigelegt glaubte, überrascht uns heute der Moniteur mit folgenden Ernennungen:</p>
          <p>1) Leon Faucher ist zum Minister des Innern ernannt, in Ersetzung Leon de Maleville's, dessen Abdankung angenommen ist.</p>
          <p>2) Lacrosse, Vizepräsident der Nationalversammlung, ist an die Stelle Leon Faucher's zum Minister der Staatsbauten ernannt.</p>
          <p>3) Buffet, Repräsentant des Volks, ist zum Minister des Ackerbaus und Handels ernannt, in Ersetzung Bixio's, dessen Entlassung angenommen.</p>
          <p>Diese drei Dekrete sind vom Präsidenten Louis Napoleon Bonaparte unterzeichnet und von dem, in Abwesenheit Bonaparte's den Ministerrath präsidirenden Justizminister und Siegelbewahrer Odilon-Barrot gegengezeichnet.</p>
          <p>&#x2014; Francois Simon Bernard, der bekannte Clubchef, stand gestern vor den Seine-Assisen. Die Staatsanwaltschaft hatte dreizehn Verbrechen gegen ihn artikulirt, welche alle gegen die drei Grundpfeiler der bürgerlichen Gesellschaft (Religion, Eigenthum und Familie) anstürmen. Nachdem ihn der Präsident nach Namen, Stand und Wohnung gefragt, begann Bernard:</p>
          <p>&#x201E;Bürger Präsident! Ich habe eine präjudizielle Ausnahme oder einen sogenannten Nullitäts oder Competenzgrund geltend zu machen. In der gegenwärtigen politischen Regierungsform Frankreichs steht Niemanden das Recht zu, sich in die Versammlungsvorträge des souveränen Volks zu mischen. Das Recht, frei zu sprechen, steht über allen geschriebenen Gesetzen; das Volk hat das Recht, alle nur erdenkliche Fragen und gesellschaftliche Einrichtungen zu besprechen, als da sind, Eigenthum, Familie und alle sonstige Infamien (wörtlich) die sie enthält. Die Systeme, ich fühle mich glücklich, sie bekämpfen zu können, und sie nicht so aufzufassen wie Ihr, Bürger &#x2025;&#x2025;</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>. Aber Sie wollten ja eine Rechtsexzeption vorbringen!</p>
          <p><hi rendition="#g">Bernard</hi>. Mein Advokat wird die Rechtspunkte erledigen. Ich dagegen &#x2025;&#x2025;</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>. Dann entziehe ich Ihnen das Wort.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bernard</hi>. Und ich, ich entziehe Ihnen meine Gegenwart. (Er setzt den Hut auf und wendet sich dem Ausgange des Saales zu.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>. Sie setzen den Hut auf, nachdem sie den Gerichtshof und die Jury beschimpften! &#x2026;</p>
          <p><hi rendition="#g">Bernard</hi>. Wenn Sie mich kennten, würden Sie wissen, daß ich niemals irgend Jemanden beschimpfe und zwar aus dem Grunde, weil ich niemals einen Schimpf ertragen würde. Ich habe es Ihnen hiermit gesagt, ich gehe fort; ich habe das Recht hierzu.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>. Ja, das haben Sie. Gehen Sie.</p>
          <p>(Bernard geht ab. Der Gerichtshof verurtheilt ihn &#x201E;in absichtlicher Abwesenheit des Angeklagten&#x201C; zu 5 jähriger Gefängniß- und 6000 Frk. Geldstrafe.</p>
          <p>&#x2014; Passy bleibt Finanzminister. Er hat den Bitten der Herren Thiers und Molé, sowie einiger Glieder der Haute finance (Argout u. Rothschild) nachgegeben, welche ihm sagten, daß sein Rückzug eine allgemeine Verwirrung auf dem Geldmarkte hervorbringen müßte; es sei jetzt der wichtigste Augenblick im ganzen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1001/0001] Beilage zu Nr. 185 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Mittwoch 3. Januar 1849. [Französische Republik] [Fortsetzung] tückischer die verächtlichen Buben die seit Juni hier das Steuer führen, alle und jede Februarerrungenschaft attakiren, desto weiter und tiefer dehnt sich par la puissance élastique (wie „Citoyen“ von Dijon sagt) die demokratische Propaganda im geheimen aus. „Vor Ablauf des Winters ist ganz Frankreich, die Kolonieen u. Algerien mit, von geheimen Societäten bedeckt; und macht Bonaparte Krieg, so möge er sich erinnern, daß selbst sein Oheim nicht die geheime demokratische Gesellschaft der Philadelphen im französischen Heere ausrotten konnte, so daß Mallet 1811 den Kaiserthron in einer Viertelstunde gestürzt hätte“; sagte mir neulich ein bekannter Clubist mit ironischem Lachen und sein schwarzes Auge flammte. — Eine Gesellschaft von „Freunden des demokratischen Polen's“, ganz aus Franzosen bestehend, publizirt Folgendes: „Die Sache des demokratischen Frankreich ist unlöslich verknüpft mit der Polens, denn dadurch erst gewinnt man Gewähr gegen die erniedrigenden Zufälle die seit 1815 die Demokratie Europa's betroffen und Frankreichs Politik in Europa discreditirt haben … Die Polen müssen nach ihrem heroischen Unterliegen von 1831, 40 und 48 durch Hoffnung aufrecht erhalten werden; dazu diene fortan die den polnischen Emigrirten werdende Hülfe, und die Einrichtung einer permanenten Tribune zu Gunsten des polnischen Volkes, gegen welches die Menschheitsfeinde, in Ermangeln sonstiger Zerstörungswerkzeuge letzthin noch eine Doppelkonspiration von Lästerung und Stillschweigen einrichteten … Die Gesellschaft der Polenfreunde wird nicht eher vom Werke ablassen, als bis Polen, wieder in Besitz seines rühmlichen Schlachtschwertes gekommen, selber die nöthigen Kämpfe führen können wird. Sie vertheidigt also fortan Polen durch die Presse und die Tribüne; sie wendet sich zu Gunsten Polens an die französische Regierung, um das am 23. Mai 1848 von der Nationalassemblée erlassne Dekret zur Verwirklichung bringen zu helfen. Sie hilft materiell den emigrirten Polen. — Die Gründer zahlen per Monat 3 Fr., die angeschloßnen Mitglieder 1 Fr., die korrespond. Mitglieder brauchen nichts zu zahlen, bieten aber allen sonstigen Beistand an. Die Zahl dieser verschiedenen Bestandtheile ist unbeschränkt. Am 30. November 1848 hat sich folgendes Büreau konstituirt: „B. Guinard, Flocon, Glaisbizoin, Considerant (Kassirer), Chauffour (Sekretär), lauter Volksrepräsentanten.“ In der Gesellschaft befinden sich unter andern Vavin, Schölcher der Negrophile, Perdiguier, Pyat, Eugen Raspail, Matthieu, Baume, Baune, David, Mitglieder des Berges. — Das demokratische Polencomité wird eine Erklärung auf die Zuschrift der „Slavischen Linde“ aus Böhmen, von Paris aus erlassen und den ebenso albernen als brutalen Dünkel der tschechischen Pedanten hoffentlich in den Weg treten. Der plötzliche Krakehl zwischen Bonaparte und Minister Malleville, der sogar sein Portefeuille ablegt, rührt allerdings einestheils von dem Bestehn des Präsidenten auf Generalamnestie her, wogegen das volksfeindliche Ministerium wüthend opponirt, und sogar an die spießbürgerliche Rachgier in der Brust der im Juni etwas unsanft aufgerüttelten Philister appellirt. Anderntheils aber hat der gute Prinz gewisse Briefschaften und Dokumente aller Art, z. B. was sich auf seine Haft in Schloß Ham und die Abentheuer zu Straßburg und Boulogne bezieht, reklamirt, und darunter sind nicht wenig Liebeswünsche an die durch p. p. Malleville ihm, qua Prinzen, mit Extrapost damals zuspedirten Operntänzerinnen groß und klein. Der Prinz wünscht nun sothane Korrespondenz aus den Händen Malleville's herauszuziehen, und Malleville sagt mit nichten, und tritt aus. Der Prinz umgibt sich nunmehr mit allem, was zum bonapartischen Stamm gehört, und da dieser entsetzlich reich an Zweigen und Blättern, so ist der Nepotismus im schönsten Schwunge. „Allgemeine Rührung erweckt das Erscheinen von fünf angenehmen prinzlichen Kindlein, deren drei von der nach hohen Dingen strebenden Kerkermeisterstochter zu Ham, und zwei von einer brittischen Dame. Wie heiter so ein Prinz selbst in Ketten und Banden lebt! die diamantherzigen Republikaner, die gegen den verjagten greisen Tyrannen konspirirten, und die seit Februar gegen Bourgeois und Aristokraten aufgetretenen Socialdemokraten, fragt sie einmal, ob sie im Kerker auch von Balletmädchen Besuch bekommen, und ob ihnen die Kerkermeistertöchter nachstellen. O Frankreich, Frankreich! du hast deine Weiber für Prinzen und gegen Demokraten erzogen; und du höhnst letztre obenein, offizielles Frankreich, und weigerst Generalpardon, und knieest vor dem goldenen Stier und dem bunten Tand der Pharisäer! die Prinzen und reichen Buben im Kerker fütterst du mit Pasteten und Champagner, und schickst ihnen Opernmädchen und Beamtentöchter, und läßt sie zuletzt als Maurergesell verkleidet echt prinzlich durchbrennen, oder in Gesundheitshäusern ihre Strafzeit zwischen feiner Tafel und Damengesellschaft abmachen: aber deine Söhne, die gegen das Privilegium und die blanke Sünde aufstanden, schändest du und schwächst du in langsam ausmergelnder Höllenhaft im Dämmerlicht und in feuchter Kühle und in der Einsamkeit: du Rabenmutter. Halte dich bereit, deine Stunde wird schlagen: schon tickt der Zeiger voraus … (Peuple souverain.) 16 Paris, 30. Dezbr. Der „Hanswurst unter allen Regierungen“ heißt ein guter Artikel in der Pariser und departementalen Demokratenpresse, worin man liest: „Die Bursche, welchen die Februarrevolution auf den Leib rückte, ehe sie sich's versahen, diese vor gekrönten und goldenen Kälbern räuchernden Baalspfaffen, sind eine hübsche Menagerie gegenüber der heiligen Schaar jener todesmuthignn Volksvertheidiger, die aus dem Boden aufwachsen wie die geharnischten Männer aus der Saat der Drachenzähne. Der schaurigste jener Burschen und der Dreisteste ist gewiß der Hanswurst aller Regierungen, der Exmarquis de la Paileterie, Dumas der Große, deß Taufname Alexander, und er ist nicht blöde, parole d'honneur, dieser Alexander, er suchte seinen Darius und glaubte ihn endlich zu finden in Gestalt der Februarrepublik. Holla! Marquis! halte dir den Kopf fest! springe und tanze für Louis Philipp und Heinrich V. und Herzog Montpensier und für die Reform und für die Republik und für L. Bonaparte, springe für Gott und Teufel; bis einst dein letzter Sprung … Aber heute laß uns nicht hypochondrisch sein; blicken wir lieber auf deine reiche Vergangenheit, mein Bursche … Sieh, da war einmal ein ekelhafter Beutelschneiderprozeß (Beauvallon und Esquevilley und sonstige verprassende Tagediebe standen vor Gericht als Eskroks) und du, du warst Zeuge und sagtest als echter Edelmann: jene Herre nhaben sich allemal als echte Edelleut. aufgeführt. Bravo, mein Junge; Namensfälschung, Untrrschleif, Diebstahl und Todtschlag waren die ihnen bewiesenen Vergehene Geoßer Montechristo, du Goldgräber! da du nicht die 2_ Franken Tagelohn als Kammermitglied bekamst, (du fielst nämlich im Seine- und im Yonnedepartement glänzend durch) ach da bliebst du ein kleiner Exmarquis. Deine s. g. historischen Romanfeuilletons die sehr unhistorisch, und die du selber den Nagel auf den Kopf treffend deine Waare zu nennen pflegtest, fielen seit der neuen Februarhistorie verteufelt im Preise. Derweilen bist du, Abends vor der Wahl Bonaparte's, Bonapartist geworden, und schreibst an deinen neuen Götzen: „Prinz, Sie präsidiren dem Geschicke der Republik, die keine Titel mehr duldet, aber Sie heißen trotzdem Prinz und ich bin Marquis. Nehmen Sie Lamartine zum Vicepräsidenten (der Marquis vergißt, daß dieser „gefallene Engel“ nur 10,000 Vota auf sieben Millionen erhielt) machen Sie Herzog Aumale d'Orleans zum Gouverneur Algiers, Joinville zum Großadmiral der Republik (warum nicht Louis Philipp zum Könige der Republik?) und Sie werden gesegnet sein.“ Der „Peuple souverain“ von Lyon, der auch vor den Assisen steht, dies vortreffliche Blatt, welches manchem Pariser weit vorzuziehen, sagt: „Die empörende Nachricht von einem stillen Ministerkomplott zu Paris kraft dessen Bürger L. Bonaparte die weltliche Landeshoheit des Pabstes mit Kanonen und Bomben herstellen wolle, ist bisheran noch nicht vom Ministerialorgan widerlegt. Also wird die Februarrepublik mit Preußen und Oestreich verbunden, gegen den Aufschwung der Völker zur Freiheit einschreiten. Glück zu! Dieser Greuel, doppelt arg bei dem Zustand des übrigen Europa, hat viel zur energischern Wiederaufnahme der Bankette in Paris beigetragen, denn endlich, endlich geht den echten Demokraten aller Lande die Einsicht von der Unerläßlichkeit eines gemeinsamen Handelns auf, gegen die gemeinsamen Feinde, die Aristokraten vom Kapital, vom Adel und vom Amt. Und so fand denn zu unsrer innigen Freude ein Pariser Bankett der deutschen und französischen Socialdemokraten statt.“ Mehrere deutsche Toaste werden abgedruckt; mit besonderem Nachdruck weist das Blatt auf den des Sekretärs Ruffoni der italienischen Demokratengesellschaft zu Paris hin, welcher in einer schlagenden Rede und unter großem Beifall die Anwesenden fragte: ob Frankreichs Krieger die Kardinalsdespotie in Rom herstellen und Arnold's von Brescia und Vanini's und Campanella's und anderer Märtyrer Manen höhnen sollten? Wir fahren fort in der Bilanz Frankreichs: Die 5. Kategorie schließt ein die 257,000 in Reichthümern lebenden Individuen der 33 Millionen starken französischen Nation. Von den 14,630 Pariser Wählern war bekanntlich nur ein Drittel wählbar, d. h. reich. Im Ganzen waren in Frankreich 57,000 wählbare Wähler vorhanden, was einen Familienanhang voraussetzt, der die gesammte reiche Klasse auf 257,000 Männer, Weiber und Kinder schätzen läßt. Also in Summa 7,500,000 Bettler und Dürftige, 19,000,000 Halbarme, zusammen etwa 26,000,000, während die Begüterten und Reichen 6,950,000 ausmachen, worunter die Reichen nur 770,000 zählen. Der Werth und das Eintragen des unbeweglichen Eigenthums mag 45-48 Milliarden geschätzt werden; 1818 mochte es 37 sein; die Gebäude schätzt man auf 5 Milliarden Werth; Thiere 2; Summa 46 Milliarden. Bruttoproduktion ist auf 5,237,17_ ,000 zu setzen, wovon aber 3,552,000,000 für Kosten der Bearbeitung (nämlich 400 Milliarden für Saat, 110 für Viehsterben, 332 1/2 für Hausreparatur, 200 für Tagelohn per Jahr, 409 1/2 für Tagelohn der nur zu gewissen Jahreszeiten Arbeitenden: Weinlese. Kornernte, Heuschnitt, endlich 1200 für menschliche, 900 für thierische Ernährung) abzuziehen, so daß nur 1,685,178,000 Fr. Nettoprodukt oder Bodenertrag zu rechnen sind. Hr. Adolph Thiers giebt nur 2000 Mill., Hr. Dupin gar nur 1900 an, aber das ist gewiß viel zu niedrig; 18_ 5 taxirte man es schon auf 1600. Die genannten zwei Malthusianer müssen das eben so gut wissen wie wir. Wenn aber in einem Vierteljahrhundert unter dem vielberühmten Segen der Civilisation, das Einkommen des Bodens und der Gebäude in Frankreich nicht gestiegen ist, so möge man allerdings verzweifeln an der Civilisation. Nach Audissont's tüchtigen Studien ist folgendes die Sachlage: 1,600,000,000 von administrativer Seite veranschlagter Reinertrag des Grundbesitzes, wovon zu subtrahiren 1,062,000,000; nämlich Hypothekenschuldinteressen 550 Millionen, an die Justizbeamten bei Gelegenheit des unbeweglichen Eigenthums, nicht weniger als 100 Millionen, welche 100 Millionen auf nur 41,802 Individuen sich vertheilen, nämlich 15,850 Notare (daher der abergläubische Schauder des französischen Bauern, wenn er an die Hausthür mit den zwei vergoldeten ovalen Schildern kommt, das Wahrzeichen des Notars), 12,290 Huissiers, 8931 Avoues, 3896 Greffiers beim Friedensgericht und 835 bei den Tribunalen. Ferner sind abzuziehen die Abgaben und zwar die direkte von _ 72 Millionen, die Thür- und Fenstersteuer 33 Millionen, macht 350 Millionen; desgleichen die direkten Abgaben unter dem Namen Einschreibegeld, Gerichtsgeld, Stempelgeld und Hypothecirungsgebühren, im _ elauf von 107. Es bleibt nach allen diesen Abzügen von dem Nettowerth nur ein Drittel übrig: 538,000,000 Fr. Die Hypothekenschuld war vor einigen Jahren eilftausend und eine halbe Million; 1844 betrugen ihre Zinsen weit über 550 Millionen. Wie gesagt, diese Lasten, die wohl zu den schwersten gehören, die je ein Land zu tragen gehabt, drücken viel mehr den kleinen als den großen Besitzer; dazu rechne man den Wucher, und man begreift, warum die von uns in Nro. 1 und Nro. 2 eingetragenen kleinen dennoch stets im Elend verharren müssen. (Fortsetzung folgt). 12 Paris, 31. Dezember. Ministerwechsel, revolutionäre Anfälle der Kammer, napoleonische plastische Vorstellungen — Alles ist eingetroffen. Minister einsetzen, das ist nichts; aber Minister absetzen und neue einsetzen — das ist schon das Zeichen einer Macht, und soweit ist bereits Napoleon gekommen. Napoleon bedeutete für die Wähler Alles nur nicht Louis Napoleon, sagten wir früher: aber Louis Napoleon will einmal für sich nichts bedeuten, als Napoleon — d. h. Hut, Sporn und Stiefel. Tant pis pour lui! Also Louis Napoleon hat den Malleville und den Bixio ab- und den Buffet und Lacrosse als Minister eingesetzt. Wir citiren bloß Namen, ohne uns um die Personen zu kümmern, und da wir in den nächsten Tagen einen neuen Ministerwechsel und folglich neue Namen zu citiren haben, die ebenso unbekannt sind wie die erstern, so lassen wir jede nähere Bezeichnung der Personen einstweilen bei Seite. Der Ministerwechsel ist noch nicht beseitigt durch die Beseitigung Malleville's: die Krise dauert fort, ungeachtet der neuen Ernennungen, und wird fortdauern, weil Napoleon der Präsident den Louis Napoleon nie verdrängen kann. Z. B. Napoleons erster Schritt nach seiner Installirung war, daß er von Malleville, dem Minister des Innern, die Auslieferung der Acktenstücke verlangte, die sich auf die ewig denkwürdige Geschichte des lebendigen Adlers von Boulogne und Straßburg beziehen. Malleville verweigert. Napoleon wiederholt seinen Antrag und ist ganz erstaunt, daß man sich nicht beeile, seinem Wunsche nachzukommen. Er verlangt die Papiere abermals. Abermalige Weigerung. Da schreibt er dann an Malleville: „Mein Wille ist, daß die Papiere zu der und der Stunde bei mir zu Hause sind? Das Journal des Debats, welches am meisten Interesse hat, jeden Skandal im Ministerium zu vertuschen, verbürgt diese Details, da sie doch schon stadtbekannt sein.“ Mehr bedurfte es nicht um Malleville abzusetzen; aber noch mehr, weit mehr fiel vor. Doch warum wandte sich nicht Napoleon an den Justiz-Minister Barrot, der eigentlich Inhaber dieser Acktenstücke sein muß. Gewiß Barrot würde schon Anstandshalber die Papiere dieses Criminalprozesses dem edlen Prinzen ausgeliefert haben. Das Weitere, das vorfiel, ist also kurzgefaßt, folgendes: Nach den Debats verlangt Napoleon, daß alle ihn betreffenden Artikel und Akte, die im Moniteur eingerückt würden, aus dem Hotel der Präsidentschaft, und nicht aus dem Ministerium des Innern datirt werden sollten. Ferner findet Napoleon, daß die Minister, „die er erwählt,“ gar kein Gewicht legten auf seine Prärogative, und er möchte doch auch nicht ein Präsident im Style der Konstitution von Sieyes sein. Was will dann nun Napoleon sein? Um das zu sein, was die Wähler wollen, müßte Napoleon wenigstens dreifältig sein. Den Louis Napoleon kann er nun einmal nicht abschütteln, noch weniger vertilgen; denn der Minister will ihn nicht herausgeben, sondern ihn eingeschlossen behalten in den Schranken der Archive. Dem Kaiser kann er auch nicht spielen, denn bei Lauterbach hat er seinen — Hut verloren; und ohne Hut kann man nicht Kaiser sein. Was bleibt also denn von den drei verschiedenen Parteien gewählten Napoleon anders übrig, als trotz seiner Dreifältigkeit einfältig zu bleiben? Mit welcher Leichtigkeit übrigens Louis Napoleon, da er nichts besseres machen kann, geneigt ist, Minister zu machen, und alle abzusetzen, geht aus den Gründen hervor, die ihn zu dem jetzigen Schritte bewogen, und ihn bei seiner Wahl bestimmen denn wie gesagt, die Krisis ist nicht zu Ende — die beabsichtigte Ernennung des aristokratischen Bildhauers Newkerke an der Direktion „der schönen Künste“ (Newkerke ist von Mad. Demidoff protegirt); die Einsetzung von kaiserlichen Präfekten an die Stelle der Präfekten aus der Dynastie des National — Alles dieses sind Nebensachen für uns. Aber die Hauptsache ist: in welchem Verhältnisse stehn die Minister zum Präsidenten? In der alten Monarchie waren die Minister verantwortlich für den König; daher kam der Satz: le roi regne et ne gouverne pas. In der Republik ist der Präsident sowohl verantwortlich als die Minister. Le roi regne et ne gouverne pas. Kann man analog nun sagen: le président préside et ne gouverne pas? Wir haben die französischen Phrasen citiren müssen, weil es unmöglich ist, sie zu übersetzen, ohne einen Widerspruch zu begehn. Der Sinn der ersten Phrase ist: der König hat weiter nichts als die Eigenschaften des rex; er regiert bloß chronologisch, nicht administrativ, nicht im Sinne des wirklichen Einflusses auf die Angelegenheiten, denn er ist unverantwortlich für seine Akte; er kann keine Regierungsakte vollbringen: die Minister sind es, denen dieses alles anheim fällt. Der König zählt also blos chronologisch, durch die Dauer seines Regnums, und wenn man sich aus seiner Kinderzeit noch der geschichtlichen Tabellen erinnert, wo man die Könige auswendig lernte, und diejenigen am liebsten hatte, hinter deren Namen solche Zahlen standen, die von einander abgezogen, eine große Differenz als Zeit ihrer Regierung ergaben, so begreift man die Vorliebe Louis Philipp's, seine Regierung recht in die Länge zu ziehen, zu dauern als König und Mensch bis zur Großjährigkeit des Grafen von Paris. Um also einem solchen unverantwortlichen, blos chronologischen Könige zu verstehen zu geben, daß er aufgehört hat zu zählen, muß man ihn entweder Reißaus nehmen lassen, oder ihm den Faden des Lebens abschneiden und ihn so verhindern, weiter zu zählen, in der Geschichte, durch die Dauer seines Lebens. Nur so entgeht er der Verantwortlichkeit. Jetzt entsteht also die große Frage, ob man analog nach jenem ersten Satze sagen kann: le président préside, mail il ne gouverne pas, d. h. der Präsident präsidirt, es dauert 4 Jahre; aber er regiert nicht. Wenn er aber 4 Jahre dauert als Präsident, ohne zu regieren, so kann er ebenfalls nicht verantwortlich sein, und alles fiele demnach der olympischen Stirne Barrot's zur Last. Nun heißt es aber in der Konstitution: der Präsident ist verantwortlich; also muß er auch handeln können; und wenn Napoleon handeln kann, so darf er auch sagen: ich will nicht Präsident nach der Konstitution sein. Also Napoleon kann etwas sein; es darf etwas sein; er kann mehr sein als Louis Philipp. Die 5 Millionen Wähler und Bauern treiben ihn an, ungeheuer viel zu sein, und Malleville verurtheilt ihn, einfältig zu bleiben; er will dem Präsidenten Napoleon den Louis Napoleon nicht herausgeben! Louis Napoleon ist verantwortlich; Guizot, Cunin-Gridaine, Trezel, alle kommen frei nach Frankreich zurück, und die 3000, die durch die Schuld Guizot's und Konsorten in den Ponton's schmachten, werden nicht amnestirt! Paris, 30. Dez. Während alle Welt gestern die Ministerkrisis beigelegt glaubte, überrascht uns heute der Moniteur mit folgenden Ernennungen: 1) Leon Faucher ist zum Minister des Innern ernannt, in Ersetzung Leon de Maleville's, dessen Abdankung angenommen ist. 2) Lacrosse, Vizepräsident der Nationalversammlung, ist an die Stelle Leon Faucher's zum Minister der Staatsbauten ernannt. 3) Buffet, Repräsentant des Volks, ist zum Minister des Ackerbaus und Handels ernannt, in Ersetzung Bixio's, dessen Entlassung angenommen. Diese drei Dekrete sind vom Präsidenten Louis Napoleon Bonaparte unterzeichnet und von dem, in Abwesenheit Bonaparte's den Ministerrath präsidirenden Justizminister und Siegelbewahrer Odilon-Barrot gegengezeichnet. — Francois Simon Bernard, der bekannte Clubchef, stand gestern vor den Seine-Assisen. Die Staatsanwaltschaft hatte dreizehn Verbrechen gegen ihn artikulirt, welche alle gegen die drei Grundpfeiler der bürgerlichen Gesellschaft (Religion, Eigenthum und Familie) anstürmen. Nachdem ihn der Präsident nach Namen, Stand und Wohnung gefragt, begann Bernard: „Bürger Präsident! Ich habe eine präjudizielle Ausnahme oder einen sogenannten Nullitäts oder Competenzgrund geltend zu machen. In der gegenwärtigen politischen Regierungsform Frankreichs steht Niemanden das Recht zu, sich in die Versammlungsvorträge des souveränen Volks zu mischen. Das Recht, frei zu sprechen, steht über allen geschriebenen Gesetzen; das Volk hat das Recht, alle nur erdenkliche Fragen und gesellschaftliche Einrichtungen zu besprechen, als da sind, Eigenthum, Familie und alle sonstige Infamien (wörtlich) die sie enthält. Die Systeme, ich fühle mich glücklich, sie bekämpfen zu können, und sie nicht so aufzufassen wie Ihr, Bürger ‥‥ Präsident. Aber Sie wollten ja eine Rechtsexzeption vorbringen! Bernard. Mein Advokat wird die Rechtspunkte erledigen. Ich dagegen ‥‥ Präsident. Dann entziehe ich Ihnen das Wort. Bernard. Und ich, ich entziehe Ihnen meine Gegenwart. (Er setzt den Hut auf und wendet sich dem Ausgange des Saales zu.) Präsident. Sie setzen den Hut auf, nachdem sie den Gerichtshof und die Jury beschimpften! … Bernard. Wenn Sie mich kennten, würden Sie wissen, daß ich niemals irgend Jemanden beschimpfe und zwar aus dem Grunde, weil ich niemals einen Schimpf ertragen würde. Ich habe es Ihnen hiermit gesagt, ich gehe fort; ich habe das Recht hierzu. Präsident. Ja, das haben Sie. Gehen Sie. (Bernard geht ab. Der Gerichtshof verurtheilt ihn „in absichtlicher Abwesenheit des Angeklagten“ zu 5 jähriger Gefängniß- und 6000 Frk. Geldstrafe. — Passy bleibt Finanzminister. Er hat den Bitten der Herren Thiers und Molé, sowie einiger Glieder der Haute finance (Argout u. Rothschild) nachgegeben, welche ihm sagten, daß sein Rückzug eine allgemeine Verwirrung auf dem Geldmarkte hervorbringen müßte; es sei jetzt der wichtigste Augenblick im ganzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz185b_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz185b_1849/1
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 185. Köln, 3. Januar 1849. Beilage, S. 1001. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz185b_1849/1>, abgerufen am 23.11.2024.