Neue Rheinische Zeitung. Nr. 185. Köln, 3. Januar 1849.mit er die ganze Geschichte halten konnte. Hiermit nicht zufrieden, veranlaßte der Ritter seine Gönnerin, außerdem noch, nach und nach die Hypotheken, welche auf den andern Gütern lasteten, abzulösen und so mit seinen bedeutendsten Schulden tabula rasa zu machen -- unser Freund war einer der Glücklichsten unter der Sonne. Ihr erinnert Euch jener Sage von einem verwünschten Schlosse? Disteln und Dornen waren hoch um die alten Mauern gewachsen und bildeten mit den epheuberankten Bäumen des Waldes einen undurchdringlichen Kranz, der die ganze Feste einschloß. Todtenstille herrschte in dem prächtigen Raume. Auf dem Hofe schlummerten Hunde und Katzen; regungslos standen im Stalle die edlen Rosse, eben noch bedient von rüstigen Knechten, die plötzlich bei der Arbeit eingeschlafen waren und mit halb geschlossenen Augen träumerisch an den Krippen lehnten. In der Küche nickten Koch und Küchenjunge, und da und dort saßen die andern Dienstboten, alle wie vom Schlage gerührt. In den Hallen des Saales ruhten aber auf weichen Polstern: Herren und Damen, beim Banquett vom Schlafe überrascht, die Becher noch in Händen, mit gesenkten Häuptern. Kurz, alle lebenden Wesen des Schlosses, von den Helden des Sales an bis zu der Fliege an der Wand, waren behext und vom Zauber berückt und schlafen würden sie vielleicht noch heute, wenn sich nicht einst ein jugendlicher Ritter mit dem Schwerte Bahn durch die Disteln und Dornen geschlagen hätte und keck hinein in den verwünschten Raum gedrungen wäre. Er sah sich verwundert um und er begriff, daß dieser Zauber nur auf ganz eigenthümliche Weise gelößt werden könne. Wochen lang hätte er die Herren und die Diener rütteln und schütteln können: sie würden doch nicht wach geworden sein. Er schritt daher die Wendeltreppe des Thurmes hinauf und als er hoch oben in ein kleines Gemach trat, da fand er auf weiche Kissen hingegossen: die schönste Jungfrau. Die Locken ruhten neben dem lieblichen Köpfchen und die Lippen leuchteten in rosiger Frische. Entzückt war der Ritter und lange schwelgte er in dem seligen Anblick. Als er sich aber genug erquickt hatte, da bog er sich hinab und es verstand sich von selbst, daß er die Schöne mitten auf ihren rothen Mund küßte -- da war der Zauber gelößt! Im Hofe erwachten Hunde und Katzen; im Stall die Rosse sammt ihren Knechten; in der Küche fuhr Koch und Küchenjunge empor und erwachend reckten die übrigen Dienstboten ihre steif gewordenen Glieder. Die Herren und Damen des Sales regten sich nicht minder: sie fuhren in ihrem Bankett fort und ahnten kaum, daß sie ein Paar hundert Jahre lang geschlafen hatten. Kurz, alles wurde lebendig, von den Helden des Sales an, bis zu der Fliege an der Wand, dann oben im Erker küßte der Ritter die Jungfrau, und vom Traume erwachend, sank sie liebeseufzend an seine Brust. Gelehrte Leute behaupten, der ganze Zauber rühre von dem Stich einer Spindel her und nur durch einen Kuß könne so etwas wieder gut gemacht werden -- -- Ich weiß nicht, wie es darum steht, soviel ist aber gewiß, daß die Umarmung des Ritters Schnapphahnski und der Herzogin von S. denselben Einfluß auf die verschuldeten Güter des erstern hatte, wie der Kuß des Ritters der Sage und der schlafenden Jungfrau, auf das verwünschte Waldschloß. Der Kuß des Ritters entzauberte das Schloß; die Umarmung unseres Schnapphahnski enthypothesirte seine sämmtlichen Besitzungen. Wie die Rosse des Waldschlosses froh in die Luft hinauswieherten, daß endlich der Spuk gelößt sei, so huben sich auch die Merino Mutterschafe und Böcke der Schnapphahnski'schen Güter freudig empor und blöckten ihrem schuldenbefreiten Herrn ein lustiges Willkommen. Schnapphahnski hatte keine Schulden mehr. Jeder, der einmal Schulden hatte, wird die Seligkeit dieses Gefühles zu begreifen wissen. Schulden gehören zu den unangenehmsten Rückerinnerungen; Schulden sind gewissermaßen der Katzenjammer längst verrauschter Genüsse. Alle dummen Streiche, die wir im Leben begingen, treten in den steifen Ziffern unserer Schulden noch einmal ärgerlich vor unser Gedächtniß und mit wiederlichen Grimassen grins't die Vergangenheit in unsere Gegenwart herein. Das schlimmste bei den Schulden ist indeß, daß wir mit den Schulden Gläubiger bekommen! Diese ernsten, mürrischen Leute, die uns auf der Straße mit Nasenrümpfen anschauen, die schon in der goldenen Frühe an unsere Thür pochen, um uns all ihren Jammer vorzuleiern, ja, die uns gar bei der Arbeit überraschen wenn wir mit den höchsten Weltinteressen beschäftigt sind, um uns von dem Sinai unserer Gedanken in das todte Meer ihrer kleinbürgerlichen Misere hinabzuziehen -- O es ist entsetzlich! Aber das ist die Ironie des Schicksals, daß schon mancher Titane, der für das Heil der Menschheit schwärmte, nicht einmal seine Hosen bezahlen konnte -- -- Mensch mache keine Schulden! Ein Gläubiger ist erboßter als eine Hornisse, beständiger wie der Teufel und langweiliger als ein Engel. Mit dem Bezahlen der Schnapphahnski'schen Schulden glaubte die Herzogin indeß noch nicht genug gethan zu haben. Vor allen Dingen wollte sie ihm wieder Bahn in die Berliner Gesellschaft brechen. Nur eine Herzogin von S. konnte eine solche Aufgabe übernehmen. Eine Frau, die alle Intriguen des ancien regime und der Revolution kannte, die alle Wechselfälle des Kaiserreichs, der Restauration und der Dynastie mit durchgemacht hatte, schrak vor nichts zurück. Imponirend durch ihre Kühnheit, durch ihre Erfahrung und durch ihren kolossalen Reichthum, sehen wir sie zugleich mit unserem Ritter in Berlin auftreten. Die alten Feinde Schnapphahnski's regen sich an hundert Orten; aber ohnmächtig sind sie gegen die Energie der Herzogin; die heillosesten Geschichten ihres Freundes werden zu den liebenswürdigsten Abentheuern; Haß, Spott, Gelächter: Alles weiß sie zu besiegen. In einer Audienz bei dem Gespiel ihrer Jugend, weiß sie Schnapphahnski's Zulassung zu den höchsten Kreisen durchzusetzen. Der Ritter wird wieder "möglich", er faßt Fuß, er bekommt eine Stellung und -- muß geduldet werden. Schnapphahnski's politische Laufbahn beginnt. [Deutschland] [Fortsetzung] Doch wozu Grammatik? Preußische Behörden stehen mit ihr gewöhnlich in offner Fehde. Ihnen genügt der Manteuffel'sche Geist. Dieser Geist verlangt von ihnen wörtlich, "daß jeder Versuch, die öffentliche Meinung hierüber (über die preußische Freiheit der Meinungsäußerung) irre zu leiten, vereitelt, daß jede Täuschung, jede falsche Vorspiegelung oder Verläumdung in Schrift und Rede ihre Widerlegung und, wo das Strafgesetz es gestattet, ihre nachdrückliche Ahndung finden". Die oben erwähnten, von der Potsdamer Kamarilla direkt ausgehenden oder von ihr unterstützten Wahl-Manifeste, Plakate, Broschüren und die Zeitungsorgane des jetzigen Ministeriums (Galgenzeitung, Vossische, Schlesische u. s. w.) bringen natürlich die engelreine Wahrheit; in den patriotischen Klubs der Preußen- und der meisten konstitutionellen Vereine bürgt eine längst erprobte Tugend dafür, daß jede Täuschung und Vorspiegelung vermieden wird. Eure Aufmerksamkeit, brave Behörden, muß sich demnach lediglich gegen "jene Partei richten", welche so bodenlos undankbar ist, daß ihr das mit aller christlich-germanischen Perfidie so niedlich ausgearbeitete Danaergeschenk, die oktroyirte Verfassung, nicht genügen will. Gegen diese schwarze Undankbarkeit müßt Ihr ankämpfen, und, wo es das Strafgesetz gestattet, ihre nachdrückliche Ahndung bewerkstelligen. Genirt Euch ja nicht, tapfere christlich-germanische Behörden! Ihr wißt, daß das Strafgesetz, namentlich das landrechtliche, Alles gestattet. Unter der wächsernen Firma des Strafgesetzes vermag ein Prokurator Wunder zu verrichten. Er sperrt ein, untersucht, vernimmt "Gold"-Zeugen, läßt die Verhafteten Monate und Jahre lang schmachten, ihre Gesundheit etc. ruiniren und wird selbst dann noch von oben herab belohnt, wenn ausnahmsweise eine sich selbst achtende Jury jede Solidarität der Kniftologie und Schurkerei "schwarz-weißer" Rach- und Verfolgungssucht durch ihr Verdikt von sich ablehnt. Sollten einzelne Behörden dennoch Gewissensscrupel haben, so benimmt ihnen Herr Manteuffel sicherlich jede Blödigkeit und Rückhaltung, indem er ihnen in besagter Weise aufzutreten befiehlt, "welcher augenblickliche Erfolg auch damit zu erzielen sein möchte." Das sind des Hrn. Manteuffel eigene Worte. Zu deutsch: Klagt nur, verfolgt nur, sperrt ein, so viel Ihr nur könnt; es kommt nicht auf den augenblicklichen Erfolg in juristischer Beziehung an, nicht auf wirkliche Verurtheilung des Angeklagten und Eingesperrten, sondern darum handelt es sich, daß jeder Urwähler, Wahlmann oder Kandidat für die Kammern, der unsern gottbegnadeten russisch-allianzlichen Plänen hinderlich sein könnte, frischweg bei Seite geschafft und stumm gemacht werde. Sehr bedenklich wäre es, wenn "voreilige, in der Regel unerfüllbare Verheißungen der Wahlkandidaten" laut würden. Nun wohl, sollte sich ein Kandidat erfrechen, etwas anderes als ein unterthänig-ersterbendes Ja! zu allen Vorlagen der contrerevolutionären Regierung zu verheißen: so wissen die Behörden, was sie zu thun haben. Sie dürfen nur, wie Herr Manteuffel sagt, die "richtigen Mittel" anwenden. Weshalb er die Mittel selbst nicht namentlich aufzählt, geht aus dem Schlußsatz hervor, der also lautet: "Ein k. Regierungs-Präsidium ersuche ich, das Erforderliche zur Bekanntmachung, Entwicklung und Ausführung dieser Andeutungen in Ihrem Bezirke zu verfügen." Der Herr Minister giebt blos "Andeutungen"! Die preußische Büreaukratie ist seit 30 Jahren unter einem scheußlichen Despotismus so gut trainirt und abgerichtet worden, daß sie jeden Kommandolaut, gleich einem wohldressirten Pudel, augenblicklich versteht. Drum bedarf es auch nur bloßer "Andeutungen". Preußische Behörden verstehen sich darauf. Somit ist "Entwicklung und Ausführung" dieser trefflichen "Andeutungen" in besten Händen. * Köln, 2. Jan. Nach so eben aus Wien uns zugehenden Briefen ist daselbst Ludwig Raveaux, Bruder des Deput[i]rten, standrechtlich zum Strange verurtheilt worden. Also der zweite geborne Kölner, welcher der östreichischen Standrechtshyäne zum Opfer fällt. Möglich, daß dieser zweite zu 12jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigt (!) wird. 067 Aachen, 31. Dezember. Vorgestern rückte bei uns das erste Bataillon des 27. Inf. Regimentes hier ein. Bei dieser Gelegenheit waren wir Zeuge, daß das alte Zopfsystem und der geisttödtende Kamaschendienst noch in voller Glorie strahlt. Zwei Kompagnieen des genannten Bataillons trafen nämlich um 12 Uhr unweit des Kölnthores ein. Man sollte nun glauben die Leute, welche ihren Marsch von Bonn aus in drei Tagen hierher gemacht hatten und zwar in dem scheußlichsten Wetter, wären sofort in die hies. Kaserne ihren Bestimmungsplatz, eingerückt. Aber nein! Es fehlten noch 2 Kompagnieen, die erst um 2 Uhr in Aachen ankommen konnten. So mußten denn die vom Marsche ermüdeten ersten beiden Kompagnieen zwei Stunden in dem naßkalten Wetter auf der offenen Landstraße im Kothe liegen bleiben, bis ihre übrigen Kameraden eintrafen. Wollte vielleicht der Oberst v. Götze, ruhmreichen Andenkens, mit dem ganzen Bataillon der Aachener Bürgerschaft imponiren. # Aachen, 31. Dezember. Kaum ist ein Theil des 27. Inf. Regiments hier eingerückt, so sind auch schon Zwistigkeiten mit den Bürgern da. Man sollte beinahe glauben nach den Antecedentien dieses Regimentes, daß es dazu bestimmt sei, überall den Belagerungszustand einzuführen. Wie wir hören hatten ein Paar Offiziere in dem Kaffehause von Guerike sich etwas unbürgerlich ausgesprochen welches von einigen Herrn krumm genommen wurde. Es entspann sich ein Wortwechsel in Folge dessen sich die wackern Junker veranlaßt sahen, sich eilig zu entfernen. Die hiesige Erholungsgesellschaft welche den Offizieren von je mit großer Freundlichkeit entgegen gekommen ist, hat nun auch schon Unannehmlichkeiten gehabt und der Kommandeur hat den Offizieren den Besuch oben erwähnten Kaffehauses und der Erholungsgesellschaft verboten. Dieses Verbot trifft aber alle Offiziere und somit auch die des 29. Regiments, welche beliebt bei der hiesigen Bürgerschaft sind. Von den Soldaten des 27. Regiments hört man nichts, als Gutes, und wenn daher Reibungen in der nächsten Zeit Statt finden sollen, so ist die Schuld nur den Führern beizumessen. -- Zu den bevorstehenden Wahlen rüstet man sich schon von allen Seiten. Für die erste Kammer beabsichtigt man den Oberbürgermeister Pelzer zu wählen. Zur zweiten Kammer beabsichtigen die Conservativen den Herrn Kühlwetter oder Regierungsrath Ritz zu wissen. 12 Aus Westphalen, 80. Dez. An der Spitze der preußischen Justiz steht jetzt der schroffste Mann der reaktionären Partei, was bei der großen Einwirkung, welche der Justizminister in den alten Landestheilen als Beschwerdebehörde und sonst auf die Gerichte übt, alles Vertrauen zu der Justiz untergraben hat. Wir gehören nicht zu Denen, die solches beklagen; die neuesten Ereignisse auf diesem Gebiete haben dem Volke die Augen geöffnet und Hunderttausende für die Republik gewonnen. Hr. Rintelen hatte bekanntlich gegen das Ministerium Brandenburg protestirt; er war bei der Deputation an den König und -- trat ein, sobald ihm der Köder hingehalten wurde. Er fühlte damals noch diese Schmach und suchte sich öffentlich zu vertheidigen. Dabei behauptete er: der König habe nicht das Recht der Auflösung der Nationalversammlung und unter der Auflösungs-Ordre stand der Name: Rintelen. Westphalen! Ihr kennt diesen Namen! Der Vater des Justizministers war General-Rentmeister des Grafen v. Bochholz, des Ceremonienmeisters von Jerome. Während dieser arm wurde, häufte der Verwalter ein großes Vermögen zusammen. Zu den eigenthümlichen Kontrakten, welche beide unter sich geschlossen, gehört auch der: daß der Graf die Söhne des Generalverwalters studiren lassen mußte (!) Die Nachricht, daß Rintelen sich die Präsidentenstelle in Münster ausbedungen habe, ist unwidersprochen geblieben; sie kam aus guter Quelle. Jedenfalls hat ihm jetzt Hr. v. Olfers den Rang abgelaufen. Nach Münster soll sich Hr. Rintelen schon lange gesehnt haben: es hat sich zugetragen, daß dort bereits ein Bruder als Regierungsrath, ein anderer als Justizkommissar und ein Schwager als Ober-Landesgerichtsrath angestellt ist. Wahrhaftig, zu dieser traulichen Familienhierarchie fehlt nur noch der Präsident!! Familie Kisker, Sethe, Rintelen, v. Olfers! Es lebe die Bureaukratie! Bezeichnend für Hrn. Rintelen ist seine Wahl. Das Volk hatte ihn Anfangs nicht berücksichtigt; nirgends war sein Name auch nur genannt; und doch waren die Lorbeeren von Waldeck und Temme so schön! Da verband er sich mit einer Partei, die seiner Natur sonst zuwider war. Der Abgeordnete Pastor Bigge aus Meschede wurde bewogen, ihn als sehr freisinnig dem Kreise Meschede als seinen Stellvertreter zu empfehlen. Diese Allianz trug ihre Früchte. Hr. Rintelen wurde gewählt! 123 Münster, 31. Dez. Die Mittheilung, daß der in der Deutschen Reform vom 6 Dezbr. enthaltene Aufruf der Berliner Linken bei dem hiesigen Land- und Stadtgerichte den Grund zur Einleitung der Untersuchung gegen Temme und zu dessen Verhaftung abgegeben habe, hat sich vollkommen bestätigt. Bei der Abstimmung haben dem Vernehmen nach die Herren Hülsmann, Dierikx, Kocks und Stockhausen für Untersuchung und Verhaftung, die Herren v. Druffel, Schweling und Hofbauer dagegen gestimmt, so daß dieselbe mit einer Stimme Majorität beschlossen worden. Die Genehmigung der Einleitung der Untersuchung erfolgte durch den Kriminalsenat des Obergerichts, der aus den Räthen Sethe, v. Detten, Freusberg und dem Assessor v. Druffel besteht; man vermuthet, daß nur der erstere, welcher wenigstens ein tüchtiger Jurist, gegen Ertheilung der Genehmigung gestimmt habe. Gleich nach Temme's Verhaftung sind Seitens des Oberlandesgerichts geschärfte Befehle hinsichtlich strengerer Ueberwachung der Untersuchungsgefangenen ergangen, namentlich daß dieselben in ihren Zellen einzuschließen und Aehnliches, so daß jetzt jeder Verkehr mit ihnen so gut wie gänzlich aufhören muß, eine Maßregel, die für manchen lediglich den Anschein der elendesten persönlichen Rachsucht haben mag und die allgemeine Erbitterung gegen das Oberlandesgericht noch gesteigert hat. Briefe an die Gefangenen, namentlich an Temme, werden diesen nur verabfolgt, wenn sie vorher durch den Kriminaldirektor Giese gelesen und mit dessen vidi versehen sind. Der Umstand, daß aus der hiesigen Klubgesellschaft die oben bezeichnete Nummer der Deutschen Reform entwendet worden und über den "redlichen Erwerb" des bei den Temme'schen Untersuchungsakten befindlichen Exemplars jener Zeitung nichts konstiren soll, gibt zu allerhand erbaulichen Betrachtungen Anlaß. 68 Berlin, 31. Dezbr. Die "gute Presse", namentlich in den Provinzen, hebt und stärkt sich immer mehr. Wir machen in dieser Beziehung auf ein in Langensalza erscheinendes sehr tüchtiges Blatt aufmerksam: "Der Wehrmann. Wochenblatt für den schlichten Bürger- und Bauersmann." Dasselbe erfüllt vollständig seine Aufgabe. (N. Pr. Z.)Wir empfehlen unsern Lesern das Blatt in Langensalza. Die Zeitung, der wir diese Empfehlung entnehmen, steht so sehr auf der Höhe des "preußischen" Ideals, daß Hansemann und Robespierre für sie auf einer Stufe stehen. Welch' Glück für unsere flachen Volksfreunde, daß es eine "Neue Preußische Zeitung" gibt, die sie zu enfants terribles macht. Diese Partei der preußischen Don-Quixotte wirft alles zusammen, was nicht "Kern der Bürgerschaft", preußischer Beamter, Militär oder Junker ist. Sie greift die demokratische Partei an, nicht indem sie Demokraten, sondern indem sie jede Art der Oppositionellen als demokratische Gattung angreift. Bezüglich des Abgeordneten "Jung" und seines Duells in spe mit Vinke berichtet die Kreuzritterin, deren Kölnischer Mitarbeiter ein Kölnischer "Kernbürger" ist, ehemaliger Censor der alten "Rheinischen Zeitung", mit Frau und Kind, mit Gott für König und Vaterland und bürgerlichen Sorgen begabter altpreußischer Regierungs- und Konsistorialrath Grashoff. Herr Jung hat den Helden gespielt und ist glorreich, nur leider noch immer nicht rein gewaschen, aus seinem Ritterzuge hervorgegangen. Welcher Stern fehlt nach diesem noch im Kranze des Abgeordneten Jung? und dennoch will die undankbare radikale Partei ihn nicht einmal wieder wählen! Schon in voriger Woche fuhr Herr Jung mit einem Polen nach Potsdam, um ein Paar neu gekaufte Pistolen einzuschießen. Auch seine Abreise mit der Anhaltiner Eis[e]nbahn meldeten wir gebührender Weise. Aber des Pudels Kern lag tiefer, hören wir, was die lithog. Korrespondenz über die höchst wichtige Tragikomödie vom 27. in Eisenach im Detail meldet: "Als Herr von Vincke von der Tribüne in der Paulskirche herab Schmähungen (?) gegen die damals bereits aufgelöst gewesene Berliner Versammlung schleuderte, rief ihm die Linke zu: es sei unritterlich, eine Versammlung zu beleidigen, die nicht mehr existire. Herr v. Vincke entgegnete: die Versammlung existire in ihren Mitgliedern, und er sei bereit, jedem von diesen Genugthuung zu leisten Dies veranlaßte Herrn "Ritter" Jung zu einer Pistolenforderung. Man kam überein in Eisenach zusammen zu treffen. Mit Herrn v. Vincke erschienen der preuß. Major v. Voigts-Rheetz und Herr v. Schlottheim, mit Herrn Jung der Abgeordnete von Potworowski und der Kammergerichts-Assessor Bergenroth. Anstatt aber den Konflikt in der verabredeten Weise auszugleichen, erklärte Herr von Voigts: nach reiflichem Ueberlegen glaube Herr v. Vincke Bedenken tragen zu müssen, einem Manne die kavaliermäßige Genugthuung zu gewähren, auf welchem noch der in öffentlichen Blättern ausgesprochene Vorwurf der Lüge hafte. Diesen Vorwurf hatte der durch seine lateinischen "Eingesandt's" in der Vossischen Zeitung bekannte Herr F. v. Bülow gegen Herrn Jung erhoben. Vergeblich waren alle Vorstellungen der Sekundanten des Gegners, vergeblich die Hinweisung auf das hohe Alter des Herrn v. Bülow, eines Mannes, der kaum mehr die physische Kraft haben dürfte, eine Pistole zu halten. Herr v. Vincke beharrte standhaft auf dem Rechtsboden seines Bedenkens und verließ Eisenach. Herr Jung ist demzufolge nach Berlin zurückgekehrt. Es verdient erwähnt zu werden, daß dies bereits der zweite Fall einer Duellverweigerung ist, zu welchem Herrn v. Vinke seine parlamentarische Thätigkeit Anlaß gegeben hat. Während des ersten Vereinigten Landtags sprach Herr v. Vincke den Juden persönlichen Muth ab. Ein Kammergerichts-Assessor jüdischer Abkunft, "Herr Benda" nahm diese Aeußerung persönlich und forderte. Allein auch in jenem Falle hielt Herr v. Vincke irgend ein Bedenken -- wir wissen nicht mehr welches -- davon ab, für seine Worte mit seiner Person einzustehen. Die Staatsmänner England's, denen sich unsere Parlamentsredner so gern parallelisiren, machen von der Redefreiheit den ausgedehntesten Gebrauch, aber sie vertreten jedes Wort mit ihrem Leben." In ihrer Darstellungsweise übersieht die Demokratie freilich nur den kleinen Zwischenfall, daß Herr v. Vincke und viele Andere bei Gelegenheit der nichtswürdigen Beleidigung des Prinzen von Preußen von dem maulfrechen Brentano keine Genugthuung erlangen konnte, und das ganze Raisonnement erscheint höchst unnütz, wenn man bedenkt, daß die radikale Partei von jeher "volle Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit für alle ihre als Abgeordnete und in der parlamentarischen Debatte gethanen Aeußerungen in Anspruch genommen hat." 68 Berlin, 30. December. Aus einer gestern von den Besitzern der Zeitungshalle veröffentlichten Ansprache an ihre Berliner Abonnenten ersehen wir, daß der hiesigen Post untersagt ist, Bestellungen auf die in Neustadt-Eberswalde erscheinende demokratische Zeitung anzunehmen. Wir möchten doch gern wissen, wie sich dieses Verbot mit Art. 24. der Verfassung verträgt. Gestern erschien der berüchtigte Polizei-Inspector Gesellius bei dem Abgeordneten G. Jung, um ihn zu fragen, ob er der Verfasser der Brochüre "der Magistrat von Berlin" sei. Es müsse dies nämlich amtlich festgestellt werden, weil der Staatsanwalt auf dieselbe eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung begründen wolle. Der Satz der Brochüre, in welchem die Majestätsbeleidigung liegen soll, lautet wie folgt: "Wie nach einem Hagelwetter der Landmann auf seine zerstörte Saaten, so schaut jetzt jeder Vaterlandsfreund voll Trauer auf die zerstörte Freiheit, nur der Magistrat von Berlin fühlt sich wohl und küßt dem mit er die ganze Geschichte halten konnte. Hiermit nicht zufrieden, veranlaßte der Ritter seine Gönnerin, außerdem noch, nach und nach die Hypotheken, welche auf den andern Gütern lasteten, abzulösen und so mit seinen bedeutendsten Schulden tabula rasa zu machen — unser Freund war einer der Glücklichsten unter der Sonne. Ihr erinnert Euch jener Sage von einem verwünschten Schlosse? Disteln und Dornen waren hoch um die alten Mauern gewachsen und bildeten mit den epheuberankten Bäumen des Waldes einen undurchdringlichen Kranz, der die ganze Feste einschloß. Todtenstille herrschte in dem prächtigen Raume. Auf dem Hofe schlummerten Hunde und Katzen; regungslos standen im Stalle die edlen Rosse, eben noch bedient von rüstigen Knechten, die plötzlich bei der Arbeit eingeschlafen waren und mit halb geschlossenen Augen träumerisch an den Krippen lehnten. In der Küche nickten Koch und Küchenjunge, und da und dort saßen die andern Dienstboten, alle wie vom Schlage gerührt. In den Hallen des Saales ruhten aber auf weichen Polstern: Herren und Damen, beim Banquett vom Schlafe überrascht, die Becher noch in Händen, mit gesenkten Häuptern. Kurz, alle lebenden Wesen des Schlosses, von den Helden des Sales an bis zu der Fliege an der Wand, waren behext und vom Zauber berückt und schlafen würden sie vielleicht noch heute, wenn sich nicht einst ein jugendlicher Ritter mit dem Schwerte Bahn durch die Disteln und Dornen geschlagen hätte und keck hinein in den verwünschten Raum gedrungen wäre. Er sah sich verwundert um und er begriff, daß dieser Zauber nur auf ganz eigenthümliche Weise gelößt werden könne. Wochen lang hätte er die Herren und die Diener rütteln und schütteln können: sie würden doch nicht wach geworden sein. Er schritt daher die Wendeltreppe des Thurmes hinauf und als er hoch oben in ein kleines Gemach trat, da fand er auf weiche Kissen hingegossen: die schönste Jungfrau. Die Locken ruhten neben dem lieblichen Köpfchen und die Lippen leuchteten in rosiger Frische. Entzückt war der Ritter und lange schwelgte er in dem seligen Anblick. Als er sich aber genug erquickt hatte, da bog er sich hinab und es verstand sich von selbst, daß er die Schöne mitten auf ihren rothen Mund küßte — da war der Zauber gelößt! Im Hofe erwachten Hunde und Katzen; im Stall die Rosse sammt ihren Knechten; in der Küche fuhr Koch und Küchenjunge empor und erwachend reckten die übrigen Dienstboten ihre steif gewordenen Glieder. Die Herren und Damen des Sales regten sich nicht minder: sie fuhren in ihrem Bankett fort und ahnten kaum, daß sie ein Paar hundert Jahre lang geschlafen hatten. Kurz, alles wurde lebendig, von den Helden des Sales an, bis zu der Fliege an der Wand, dann oben im Erker küßte der Ritter die Jungfrau, und vom Traume erwachend, sank sie liebeseufzend an seine Brust. Gelehrte Leute behaupten, der ganze Zauber rühre von dem Stich einer Spindel her und nur durch einen Kuß könne so etwas wieder gut gemacht werden — — Ich weiß nicht, wie es darum steht, soviel ist aber gewiß, daß die Umarmung des Ritters Schnapphahnski und der Herzogin von S. denselben Einfluß auf die verschuldeten Güter des erstern hatte, wie der Kuß des Ritters der Sage und der schlafenden Jungfrau, auf das verwünschte Waldschloß. Der Kuß des Ritters entzauberte das Schloß; die Umarmung unseres Schnapphahnski enthypothesirte seine sämmtlichen Besitzungen. Wie die Rosse des Waldschlosses froh in die Luft hinauswieherten, daß endlich der Spuk gelößt sei, so huben sich auch die Merino Mutterschafe und Böcke der Schnapphahnski'schen Güter freudig empor und blöckten ihrem schuldenbefreiten Herrn ein lustiges Willkommen. Schnapphahnski hatte keine Schulden mehr. Jeder, der einmal Schulden hatte, wird die Seligkeit dieses Gefühles zu begreifen wissen. Schulden gehören zu den unangenehmsten Rückerinnerungen; Schulden sind gewissermaßen der Katzenjammer längst verrauschter Genüsse. Alle dummen Streiche, die wir im Leben begingen, treten in den steifen Ziffern unserer Schulden noch einmal ärgerlich vor unser Gedächtniß und mit wiederlichen Grimassen grins't die Vergangenheit in unsere Gegenwart herein. Das schlimmste bei den Schulden ist indeß, daß wir mit den Schulden Gläubiger bekommen! Diese ernsten, mürrischen Leute, die uns auf der Straße mit Nasenrümpfen anschauen, die schon in der goldenen Frühe an unsere Thür pochen, um uns all ihren Jammer vorzuleiern, ja, die uns gar bei der Arbeit überraschen wenn wir mit den höchsten Weltinteressen beschäftigt sind, um uns von dem Sinai unserer Gedanken in das todte Meer ihrer kleinbürgerlichen Misere hinabzuziehen — O es ist entsetzlich! Aber das ist die Ironie des Schicksals, daß schon mancher Titane, der für das Heil der Menschheit schwärmte, nicht einmal seine Hosen bezahlen konnte — — Mensch mache keine Schulden! Ein Gläubiger ist erboßter als eine Hornisse, beständiger wie der Teufel und langweiliger als ein Engel. Mit dem Bezahlen der Schnapphahnski'schen Schulden glaubte die Herzogin indeß noch nicht genug gethan zu haben. Vor allen Dingen wollte sie ihm wieder Bahn in die Berliner Gesellschaft brechen. Nur eine Herzogin von S. konnte eine solche Aufgabe übernehmen. Eine Frau, die alle Intriguen des ancien regime und der Revolution kannte, die alle Wechselfälle des Kaiserreichs, der Restauration und der Dynastie mit durchgemacht hatte, schrak vor nichts zurück. Imponirend durch ihre Kühnheit, durch ihre Erfahrung und durch ihren kolossalen Reichthum, sehen wir sie zugleich mit unserem Ritter in Berlin auftreten. Die alten Feinde Schnapphahnski's regen sich an hundert Orten; aber ohnmächtig sind sie gegen die Energie der Herzogin; die heillosesten Geschichten ihres Freundes werden zu den liebenswürdigsten Abentheuern; Haß, Spott, Gelächter: Alles weiß sie zu besiegen. In einer Audienz bei dem Gespiel ihrer Jugend, weiß sie Schnapphahnski's Zulassung zu den höchsten Kreisen durchzusetzen. Der Ritter wird wieder „möglich“, er faßt Fuß, er bekommt eine Stellung und — muß geduldet werden. Schnapphahnski's politische Laufbahn beginnt. [Deutschland] [Fortsetzung] Doch wozu Grammatik? Preußische Behörden stehen mit ihr gewöhnlich in offner Fehde. Ihnen genügt der Manteuffel'sche Geist. Dieser Geist verlangt von ihnen wörtlich, „daß jeder Versuch, die öffentliche Meinung hierüber (über die preußische Freiheit der Meinungsäußerung) irre zu leiten, vereitelt, daß jede Täuschung, jede falsche Vorspiegelung oder Verläumdung in Schrift und Rede ihre Widerlegung und, wo das Strafgesetz es gestattet, ihre nachdrückliche Ahndung finden“. Die oben erwähnten, von der Potsdamer Kamarilla direkt ausgehenden oder von ihr unterstützten Wahl-Manifeste, Plakate, Broschüren und die Zeitungsorgane des jetzigen Ministeriums (Galgenzeitung, Vossische, Schlesische u. s. w.) bringen natürlich die engelreine Wahrheit; in den patriotischen Klubs der Preußen- und der meisten konstitutionellen Vereine bürgt eine längst erprobte Tugend dafür, daß jede Täuschung und Vorspiegelung vermieden wird. Eure Aufmerksamkeit, brave Behörden, muß sich demnach lediglich gegen „jene Partei richten“, welche so bodenlos undankbar ist, daß ihr das mit aller christlich-germanischen Perfidie so niedlich ausgearbeitete Danaergeschenk, die oktroyirte Verfassung, nicht genügen will. Gegen diese schwarze Undankbarkeit müßt Ihr ankämpfen, und, wo es das Strafgesetz gestattet, ihre nachdrückliche Ahndung bewerkstelligen. Genirt Euch ja nicht, tapfere christlich-germanische Behörden! Ihr wißt, daß das Strafgesetz, namentlich das landrechtliche, Alles gestattet. Unter der wächsernen Firma des Strafgesetzes vermag ein Prokurator Wunder zu verrichten. Er sperrt ein, untersucht, vernimmt „Gold“-Zeugen, läßt die Verhafteten Monate und Jahre lang schmachten, ihre Gesundheit etc. ruiniren und wird selbst dann noch von oben herab belohnt, wenn ausnahmsweise eine sich selbst achtende Jury jede Solidarität der Kniftologie und Schurkerei „schwarz-weißer“ Rach- und Verfolgungssucht durch ihr Verdikt von sich ablehnt. Sollten einzelne Behörden dennoch Gewissensscrupel haben, so benimmt ihnen Herr Manteuffel sicherlich jede Blödigkeit und Rückhaltung, indem er ihnen in besagter Weise aufzutreten befiehlt, „welcher augenblickliche Erfolg auch damit zu erzielen sein möchte.“ Das sind des Hrn. Manteuffel eigene Worte. Zu deutsch: Klagt nur, verfolgt nur, sperrt ein, so viel Ihr nur könnt; es kommt nicht auf den augenblicklichen Erfolg in juristischer Beziehung an, nicht auf wirkliche Verurtheilung des Angeklagten und Eingesperrten, sondern darum handelt es sich, daß jeder Urwähler, Wahlmann oder Kandidat für die Kammern, der unsern gottbegnadeten russisch-allianzlichen Plänen hinderlich sein könnte, frischweg bei Seite geschafft und stumm gemacht werde. Sehr bedenklich wäre es, wenn „voreilige, in der Regel unerfüllbare Verheißungen der Wahlkandidaten“ laut würden. Nun wohl, sollte sich ein Kandidat erfrechen, etwas anderes als ein unterthänig-ersterbendes Ja! zu allen Vorlagen der contrerevolutionären Regierung zu verheißen: so wissen die Behörden, was sie zu thun haben. Sie dürfen nur, wie Herr Manteuffel sagt, die „richtigen Mittel“ anwenden. Weshalb er die Mittel selbst nicht namentlich aufzählt, geht aus dem Schlußsatz hervor, der also lautet: „Ein k. Regierungs-Präsidium ersuche ich, das Erforderliche zur Bekanntmachung, Entwicklung und Ausführung dieser Andeutungen in Ihrem Bezirke zu verfügen.“ Der Herr Minister giebt blos „Andeutungen“! Die preußische Büreaukratie ist seit 30 Jahren unter einem scheußlichen Despotismus so gut trainirt und abgerichtet worden, daß sie jeden Kommandolaut, gleich einem wohldressirten Pudel, augenblicklich versteht. Drum bedarf es auch nur bloßer „Andeutungen“. Preußische Behörden verstehen sich darauf. Somit ist „Entwicklung und Ausführung“ dieser trefflichen „Andeutungen“ in besten Händen. * Köln, 2. Jan. Nach so eben aus Wien uns zugehenden Briefen ist daselbst Ludwig Raveaux, Bruder des Deput[i]rten, standrechtlich zum Strange verurtheilt worden. Also der zweite geborne Kölner, welcher der östreichischen Standrechtshyäne zum Opfer fällt. Möglich, daß dieser zweite zu 12jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigt (!) wird. 067 Aachen, 31. Dezember. Vorgestern rückte bei uns das erste Bataillon des 27. Inf. Regimentes hier ein. Bei dieser Gelegenheit waren wir Zeuge, daß das alte Zopfsystem und der geisttödtende Kamaschendienst noch in voller Glorie strahlt. Zwei Kompagnieen des genannten Bataillons trafen nämlich um 12 Uhr unweit des Kölnthores ein. Man sollte nun glauben die Leute, welche ihren Marsch von Bonn aus in drei Tagen hierher gemacht hatten und zwar in dem scheußlichsten Wetter, wären sofort in die hies. Kaserne ihren Bestimmungsplatz, eingerückt. Aber nein! Es fehlten noch 2 Kompagnieen, die erst um 2 Uhr in Aachen ankommen konnten. So mußten denn die vom Marsche ermüdeten ersten beiden Kompagnieen zwei Stunden in dem naßkalten Wetter auf der offenen Landstraße im Kothe liegen bleiben, bis ihre übrigen Kameraden eintrafen. Wollte vielleicht der Oberst v. Götze, ruhmreichen Andenkens, mit dem ganzen Bataillon der Aachener Bürgerschaft imponiren. # Aachen, 31. Dezember. Kaum ist ein Theil des 27. Inf. Regiments hier eingerückt, so sind auch schon Zwistigkeiten mit den Bürgern da. Man sollte beinahe glauben nach den Antecedentien dieses Regimentes, daß es dazu bestimmt sei, überall den Belagerungszustand einzuführen. Wie wir hören hatten ein Paar Offiziere in dem Kaffehause von Guerike sich etwas unbürgerlich ausgesprochen welches von einigen Herrn krumm genommen wurde. Es entspann sich ein Wortwechsel in Folge dessen sich die wackern Junker veranlaßt sahen, sich eilig zu entfernen. Die hiesige Erholungsgesellschaft welche den Offizieren von je mit großer Freundlichkeit entgegen gekommen ist, hat nun auch schon Unannehmlichkeiten gehabt und der Kommandeur hat den Offizieren den Besuch oben erwähnten Kaffehauses und der Erholungsgesellschaft verboten. Dieses Verbot trifft aber alle Offiziere und somit auch die des 29. Regiments, welche beliebt bei der hiesigen Bürgerschaft sind. Von den Soldaten des 27. Regiments hört man nichts, als Gutes, und wenn daher Reibungen in der nächsten Zeit Statt finden sollen, so ist die Schuld nur den Führern beizumessen. — Zu den bevorstehenden Wahlen rüstet man sich schon von allen Seiten. Für die erste Kammer beabsichtigt man den Oberbürgermeister Pelzer zu wählen. Zur zweiten Kammer beabsichtigen die Conservativen den Herrn Kühlwetter oder Regierungsrath Ritz zu wissen. 12 Aus Westphalen, 80. Dez. An der Spitze der preußischen Justiz steht jetzt der schroffste Mann der reaktionären Partei, was bei der großen Einwirkung, welche der Justizminister in den alten Landestheilen als Beschwerdebehörde und sonst auf die Gerichte übt, alles Vertrauen zu der Justiz untergraben hat. Wir gehören nicht zu Denen, die solches beklagen; die neuesten Ereignisse auf diesem Gebiete haben dem Volke die Augen geöffnet und Hunderttausende für die Republik gewonnen. Hr. Rintelen hatte bekanntlich gegen das Ministerium Brandenburg protestirt; er war bei der Deputation an den König und — trat ein, sobald ihm der Köder hingehalten wurde. Er fühlte damals noch diese Schmach und suchte sich öffentlich zu vertheidigen. Dabei behauptete er: der König habe nicht das Recht der Auflösung der Nationalversammlung und unter der Auflösungs-Ordre stand der Name: Rintelen. Westphalen! Ihr kennt diesen Namen! Der Vater des Justizministers war General-Rentmeister des Grafen v. Bochholz, des Ceremonienmeisters von Jérome. Während dieser arm wurde, häufte der Verwalter ein großes Vermögen zusammen. Zu den eigenthümlichen Kontrakten, welche beide unter sich geschlossen, gehört auch der: daß der Graf die Söhne des Generalverwalters studiren lassen mußte (!) Die Nachricht, daß Rintelen sich die Präsidentenstelle in Münster ausbedungen habe, ist unwidersprochen geblieben; sie kam aus guter Quelle. Jedenfalls hat ihm jetzt Hr. v. Olfers den Rang abgelaufen. Nach Münster soll sich Hr. Rintelen schon lange gesehnt haben: es hat sich zugetragen, daß dort bereits ein Bruder als Regierungsrath, ein anderer als Justizkommissar und ein Schwager als Ober-Landesgerichtsrath angestellt ist. Wahrhaftig, zu dieser traulichen Familienhierarchie fehlt nur noch der Präsident!! Familie Kisker, Sethe, Rintelen, v. Olfers! Es lebe die Bureaukratie! Bezeichnend für Hrn. Rintelen ist seine Wahl. Das Volk hatte ihn Anfangs nicht berücksichtigt; nirgends war sein Name auch nur genannt; und doch waren die Lorbeeren von Waldeck und Temme so schön! Da verband er sich mit einer Partei, die seiner Natur sonst zuwider war. Der Abgeordnete Pastor Bigge aus Meschede wurde bewogen, ihn als sehr freisinnig dem Kreise Meschede als seinen Stellvertreter zu empfehlen. Diese Allianz trug ihre Früchte. Hr. Rintelen wurde gewählt! 123 Münster, 31. Dez. Die Mittheilung, daß der in der Deutschen Reform vom 6 Dezbr. enthaltene Aufruf der Berliner Linken bei dem hiesigen Land- und Stadtgerichte den Grund zur Einleitung der Untersuchung gegen Temme und zu dessen Verhaftung abgegeben habe, hat sich vollkommen bestätigt. Bei der Abstimmung haben dem Vernehmen nach die Herren Hülsmann, Dierikx, Kocks und Stockhausen für Untersuchung und Verhaftung, die Herren v. Druffel, Schweling und Hofbauer dagegen gestimmt, so daß dieselbe mit einer Stimme Majorität beschlossen worden. Die Genehmigung der Einleitung der Untersuchung erfolgte durch den Kriminalsenat des Obergerichts, der aus den Räthen Sethe, v. Detten, Freusberg und dem Assessor v. Druffel besteht; man vermuthet, daß nur der erstere, welcher wenigstens ein tüchtiger Jurist, gegen Ertheilung der Genehmigung gestimmt habe. Gleich nach Temme's Verhaftung sind Seitens des Oberlandesgerichts geschärfte Befehle hinsichtlich strengerer Ueberwachung der Untersuchungsgefangenen ergangen, namentlich daß dieselben in ihren Zellen einzuschließen und Aehnliches, so daß jetzt jeder Verkehr mit ihnen so gut wie gänzlich aufhören muß, eine Maßregel, die für manchen lediglich den Anschein der elendesten persönlichen Rachsucht haben mag und die allgemeine Erbitterung gegen das Oberlandesgericht noch gesteigert hat. Briefe an die Gefangenen, namentlich an Temme, werden diesen nur verabfolgt, wenn sie vorher durch den Kriminaldirektor Giese gelesen und mit dessen vidi versehen sind. Der Umstand, daß aus der hiesigen Klubgesellschaft die oben bezeichnete Nummer der Deutschen Reform entwendet worden und über den „redlichen Erwerb“ des bei den Temme'schen Untersuchungsakten befindlichen Exemplars jener Zeitung nichts konstiren soll, gibt zu allerhand erbaulichen Betrachtungen Anlaß. 68 Berlin, 31. Dezbr. Die „gute Presse“, namentlich in den Provinzen, hebt und stärkt sich immer mehr. Wir machen in dieser Beziehung auf ein in Langensalza erscheinendes sehr tüchtiges Blatt aufmerksam: „Der Wehrmann. Wochenblatt für den schlichten Bürger- und Bauersmann.“ Dasselbe erfüllt vollständig seine Aufgabe. (N. Pr. Z.)Wir empfehlen unsern Lesern das Blatt in Langensalza. Die Zeitung, der wir diese Empfehlung entnehmen, steht so sehr auf der Höhe des „preußischen“ Ideals, daß Hansemann und Robespierre für sie auf einer Stufe stehen. Welch' Glück für unsere flachen Volksfreunde, daß es eine „Neue Preußische Zeitung“ gibt, die sie zu enfants terribles macht. Diese Partei der preußischen Don-Quixotte wirft alles zusammen, was nicht „Kern der Bürgerschaft“, preußischer Beamter, Militär oder Junker ist. Sie greift die demokratische Partei an, nicht indem sie Demokraten, sondern indem sie jede Art der Oppositionellen als demokratische Gattung angreift. Bezüglich des Abgeordneten „Jung“ und seines Duells in spe mit Vinke berichtet die Kreuzritterin, deren Kölnischer Mitarbeiter ein Kölnischer „Kernbürger“ ist, ehemaliger Censor der alten „Rheinischen Zeitung“, mit Frau und Kind, mit Gott für König und Vaterland und bürgerlichen Sorgen begabter altpreußischer Regierungs- und Konsistorialrath Grashoff. Herr Jung hat den Helden gespielt und ist glorreich, nur leider noch immer nicht rein gewaschen, aus seinem Ritterzuge hervorgegangen. Welcher Stern fehlt nach diesem noch im Kranze des Abgeordneten Jung? und dennoch will die undankbare radikale Partei ihn nicht einmal wieder wählen! Schon in voriger Woche fuhr Herr Jung mit einem Polen nach Potsdam, um ein Paar neu gekaufte Pistolen einzuschießen. Auch seine Abreise mit der Anhaltiner Eis[e]nbahn meldeten wir gebührender Weise. Aber des Pudels Kern lag tiefer, hören wir, was die lithog. Korrespondenz über die höchst wichtige Tragikomödie vom 27. in Eisenach im Detail meldet: „Als Herr von Vincke von der Tribüne in der Paulskirche herab Schmähungen (?) gegen die damals bereits aufgelöst gewesene Berliner Versammlung schleuderte, rief ihm die Linke zu: es sei unritterlich, eine Versammlung zu beleidigen, die nicht mehr existire. Herr v. Vincke entgegnete: die Versammlung existire in ihren Mitgliedern, und er sei bereit, jedem von diesen Genugthuung zu leisten Dies veranlaßte Herrn „Ritter“ Jung zu einer Pistolenforderung. Man kam überein in Eisenach zusammen zu treffen. Mit Herrn v. Vincke erschienen der preuß. Major v. Voigts-Rheetz und Herr v. Schlottheim, mit Herrn Jung der Abgeordnete von Potworowski und der Kammergerichts-Assessor Bergenroth. Anstatt aber den Konflikt in der verabredeten Weise auszugleichen, erklärte Herr von Voigts: nach reiflichem Ueberlegen glaube Herr v. Vincke Bedenken tragen zu müssen, einem Manne die kavaliermäßige Genugthuung zu gewähren, auf welchem noch der in öffentlichen Blättern ausgesprochene Vorwurf der Lüge hafte. Diesen Vorwurf hatte der durch seine lateinischen „Eingesandt's“ in der Vossischen Zeitung bekannte Herr F. v. Bülow gegen Herrn Jung erhoben. Vergeblich waren alle Vorstellungen der Sekundanten des Gegners, vergeblich die Hinweisung auf das hohe Alter des Herrn v. Bülow, eines Mannes, der kaum mehr die physische Kraft haben dürfte, eine Pistole zu halten. Herr v. Vincke beharrte standhaft auf dem Rechtsboden seines Bedenkens und verließ Eisenach. Herr Jung ist demzufolge nach Berlin zurückgekehrt. Es verdient erwähnt zu werden, daß dies bereits der zweite Fall einer Duellverweigerung ist, zu welchem Herrn v. Vinke seine parlamentarische Thätigkeit Anlaß gegeben hat. Während des ersten Vereinigten Landtags sprach Herr v. Vincke den Juden persönlichen Muth ab. Ein Kammergerichts-Assessor jüdischer Abkunft, „Herr Benda“ nahm diese Aeußerung persönlich und forderte. Allein auch in jenem Falle hielt Herr v. Vincke irgend ein Bedenken — wir wissen nicht mehr welches — davon ab, für seine Worte mit seiner Person einzustehen. Die Staatsmänner England's, denen sich unsere Parlamentsredner so gern parallelisiren, machen von der Redefreiheit den ausgedehntesten Gebrauch, aber sie vertreten jedes Wort mit ihrem Leben.“ In ihrer Darstellungsweise übersieht die Demokratie freilich nur den kleinen Zwischenfall, daß Herr v. Vincke und viele Andere bei Gelegenheit der nichtswürdigen Beleidigung des Prinzen von Preußen von dem maulfrechen Brentano keine Genugthuung erlangen konnte, und das ganze Raisonnement erscheint höchst unnütz, wenn man bedenkt, daß die radikale Partei von jeher „volle Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit für alle ihre als Abgeordnete und in der parlamentarischen Debatte gethanen Aeußerungen in Anspruch genommen hat.“ 68 Berlin, 30. December. Aus einer gestern von den Besitzern der Zeitungshalle veröffentlichten Ansprache an ihre Berliner Abonnenten ersehen wir, daß der hiesigen Post untersagt ist, Bestellungen auf die in Neustadt-Eberswalde erscheinende demokratische Zeitung anzunehmen. Wir möchten doch gern wissen, wie sich dieses Verbot mit Art. 24. der Verfassung verträgt. Gestern erschien der berüchtigte Polizei-Inspector Gesellius bei dem Abgeordneten G. Jung, um ihn zu fragen, ob er der Verfasser der Brochüre „der Magistrat von Berlin“ sei. Es müsse dies nämlich amtlich festgestellt werden, weil der Staatsanwalt auf dieselbe eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung begründen wolle. Der Satz der Brochüre, in welchem die Majestätsbeleidigung liegen soll, lautet wie folgt: „Wie nach einem Hagelwetter der Landmann auf seine zerstörte Saaten, so schaut jetzt jeder Vaterlandsfreund voll Trauer auf die zerstörte Freiheit, nur der Magistrat von Berlin fühlt sich wohl und küßt dem <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar185_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0998"/> mit er die ganze Geschichte halten konnte. Hiermit nicht zufrieden, veranlaßte der Ritter seine Gönnerin, außerdem noch, nach und nach die Hypotheken, welche auf den andern Gütern lasteten, abzulösen und so mit seinen bedeutendsten Schulden tabula rasa zu machen — unser Freund war einer der Glücklichsten unter der Sonne.</p> <p>Ihr erinnert Euch jener Sage von einem verwünschten Schlosse? Disteln und Dornen waren hoch um die alten Mauern gewachsen und bildeten mit den epheuberankten Bäumen des Waldes einen undurchdringlichen Kranz, der die ganze Feste einschloß. Todtenstille herrschte in dem prächtigen Raume. Auf dem Hofe schlummerten Hunde und Katzen; regungslos standen im Stalle die edlen Rosse, eben noch bedient von rüstigen Knechten, die plötzlich bei der Arbeit eingeschlafen waren und mit halb geschlossenen Augen träumerisch an den Krippen lehnten.</p> <p>In der Küche nickten Koch und Küchenjunge, und da und dort saßen die andern Dienstboten, alle wie vom Schlage gerührt. In den Hallen des Saales ruhten aber auf weichen Polstern: Herren und Damen, beim Banquett vom Schlafe überrascht, die Becher noch in Händen, mit gesenkten Häuptern.</p> <p>Kurz, alle lebenden Wesen des Schlosses, von den Helden des Sales an bis zu der Fliege an der Wand, waren behext und vom Zauber berückt und schlafen würden sie vielleicht noch heute, wenn sich nicht einst ein jugendlicher Ritter mit dem Schwerte Bahn durch die Disteln und Dornen geschlagen hätte und keck hinein in den verwünschten Raum gedrungen wäre.</p> <p>Er sah sich verwundert um und er begriff, daß dieser Zauber nur auf ganz eigenthümliche Weise gelößt werden könne. Wochen lang hätte er die Herren und die Diener rütteln und schütteln können: sie würden doch nicht wach geworden sein. Er schritt daher die Wendeltreppe des Thurmes hinauf und als er hoch oben in ein kleines Gemach trat, da fand er auf weiche Kissen hingegossen: die schönste Jungfrau. Die Locken ruhten neben dem lieblichen Köpfchen und die Lippen leuchteten in rosiger Frische.</p> <p>Entzückt war der Ritter und lange schwelgte er in dem seligen Anblick. Als er sich aber genug erquickt hatte, da bog er sich hinab und es verstand sich von selbst, daß er die Schöne mitten auf ihren rothen Mund küßte — da war der Zauber gelößt!</p> <p>Im Hofe erwachten Hunde und Katzen; im Stall die Rosse sammt ihren Knechten; in der Küche fuhr Koch und Küchenjunge empor und erwachend reckten die übrigen Dienstboten ihre steif gewordenen Glieder. Die Herren und Damen des Sales regten sich nicht minder: sie fuhren in ihrem Bankett fort und ahnten kaum, daß sie ein Paar hundert Jahre lang geschlafen hatten.</p> <p>Kurz, alles wurde lebendig, von den Helden des Sales an, bis zu der Fliege an der Wand, dann oben im Erker küßte der Ritter die Jungfrau, und vom Traume erwachend, sank sie liebeseufzend an seine Brust.</p> <p>Gelehrte Leute behaupten, der ganze Zauber rühre von dem Stich einer Spindel her und nur durch einen Kuß könne so etwas wieder gut gemacht werden — —</p> <p>Ich weiß nicht, wie es darum steht, soviel ist aber gewiß, daß die Umarmung des Ritters Schnapphahnski und der Herzogin von S. denselben Einfluß auf die verschuldeten Güter des erstern hatte, wie der Kuß des Ritters der Sage und der schlafenden Jungfrau, auf das verwünschte Waldschloß. Der Kuß des Ritters entzauberte das Schloß; die Umarmung unseres Schnapphahnski enthypothesirte seine sämmtlichen Besitzungen.</p> <p>Wie die Rosse des Waldschlosses froh in die Luft hinauswieherten, daß endlich der Spuk gelößt sei, so huben sich auch die Merino Mutterschafe und Böcke der Schnapphahnski'schen Güter freudig empor und blöckten ihrem schuldenbefreiten Herrn ein lustiges Willkommen.</p> <p>Schnapphahnski hatte keine Schulden mehr.</p> <p>Jeder, der einmal Schulden hatte, wird die Seligkeit dieses Gefühles zu begreifen wissen. Schulden gehören zu den unangenehmsten Rückerinnerungen; Schulden sind gewissermaßen der Katzenjammer längst verrauschter Genüsse. Alle dummen Streiche, die wir im Leben begingen, treten in den steifen Ziffern unserer Schulden noch einmal ärgerlich vor unser Gedächtniß und mit wiederlichen Grimassen grins't die Vergangenheit in unsere Gegenwart herein.</p> <p>Das schlimmste bei den Schulden ist indeß, daß wir mit den Schulden Gläubiger bekommen! Diese ernsten, mürrischen Leute, die uns auf der Straße mit Nasenrümpfen anschauen, die schon in der goldenen Frühe an unsere Thür pochen, um uns all ihren Jammer vorzuleiern, ja, die uns gar bei der Arbeit überraschen wenn wir mit den höchsten Weltinteressen beschäftigt sind, um uns von dem Sinai unserer Gedanken in das todte Meer ihrer kleinbürgerlichen Misere hinabzuziehen — O es ist entsetzlich!</p> <p>Aber das ist die Ironie des Schicksals, daß schon mancher Titane, der für das Heil der Menschheit schwärmte, nicht einmal seine Hosen bezahlen konnte — —</p> <p>Mensch mache keine Schulden! Ein Gläubiger ist erboßter als eine Hornisse, beständiger wie der Teufel und langweiliger als ein Engel.</p> <p>Mit dem Bezahlen der Schnapphahnski'schen Schulden glaubte die Herzogin indeß noch nicht genug gethan zu haben. Vor allen Dingen wollte sie ihm wieder Bahn in die Berliner Gesellschaft brechen. Nur eine Herzogin von S. konnte eine solche Aufgabe übernehmen. Eine Frau, die alle Intriguen des ancien regime und der Revolution kannte, die alle Wechselfälle des Kaiserreichs, der Restauration und der Dynastie mit durchgemacht hatte, schrak vor nichts zurück. Imponirend durch ihre Kühnheit, durch ihre Erfahrung und durch ihren kolossalen Reichthum, sehen wir sie zugleich mit unserem Ritter in Berlin auftreten. Die alten Feinde Schnapphahnski's regen sich an hundert Orten; aber ohnmächtig sind sie gegen die Energie der Herzogin; die heillosesten Geschichten ihres Freundes werden zu den liebenswürdigsten Abentheuern; Haß, Spott, Gelächter: Alles weiß sie zu besiegen. In einer Audienz bei dem Gespiel ihrer Jugend, weiß sie Schnapphahnski's Zulassung zu den höchsten Kreisen durchzusetzen. Der Ritter wird wieder „möglich“, er faßt Fuß, er bekommt eine Stellung und — muß geduldet werden.</p> <p>Schnapphahnski's politische Laufbahn beginnt.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar185_003" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Doch wozu Grammatik? Preußische Behörden stehen mit ihr gewöhnlich in offner Fehde. Ihnen genügt der Manteuffel'sche Geist.</p> <p>Dieser Geist verlangt von ihnen wörtlich, „daß jeder Versuch, die öffentliche Meinung hierüber (über die preußische Freiheit der Meinungsäußerung) irre zu leiten, vereitelt, daß jede Täuschung, jede falsche Vorspiegelung oder Verläumdung in Schrift und Rede ihre Widerlegung und, <hi rendition="#g">wo das Strafgesetz es gestattet, ihre nachdrückliche Ahndung</hi> finden“.</p> <p>Die oben erwähnten, von der Potsdamer Kamarilla direkt ausgehenden oder von ihr unterstützten Wahl-Manifeste, Plakate, Broschüren und die Zeitungsorgane des jetzigen Ministeriums (Galgenzeitung, Vossische, Schlesische u. s. w.) bringen natürlich die engelreine Wahrheit; in den patriotischen Klubs der Preußen- und der meisten konstitutionellen Vereine bürgt eine längst erprobte Tugend dafür, daß jede Täuschung und Vorspiegelung vermieden wird. Eure Aufmerksamkeit, brave Behörden, muß sich demnach lediglich gegen „jene Partei richten“, welche so bodenlos undankbar ist, daß ihr das mit aller christlich-germanischen Perfidie so niedlich ausgearbeitete Danaergeschenk, die oktroyirte Verfassung, nicht genügen will.</p> <p>Gegen diese schwarze Undankbarkeit müßt Ihr ankämpfen, und, wo es das Strafgesetz gestattet, <hi rendition="#g">ihre nachdrückliche Ahndung</hi> bewerkstelligen. Genirt Euch ja nicht, tapfere christlich-germanische Behörden! Ihr wißt, daß das Strafgesetz, namentlich das landrechtliche, Alles gestattet. Unter der wächsernen Firma des Strafgesetzes vermag ein Prokurator Wunder zu verrichten. Er sperrt ein, untersucht, vernimmt „Gold“-Zeugen, läßt die Verhafteten Monate und Jahre lang schmachten, ihre Gesundheit etc. ruiniren und wird selbst dann noch von oben herab belohnt, wenn ausnahmsweise eine sich selbst achtende Jury jede Solidarität der Kniftologie und Schurkerei „schwarz-weißer“ Rach- und Verfolgungssucht durch ihr Verdikt von sich ablehnt.</p> <p>Sollten einzelne Behörden dennoch Gewissensscrupel haben, so benimmt ihnen Herr Manteuffel sicherlich jede Blödigkeit und Rückhaltung, indem er ihnen in besagter Weise aufzutreten befiehlt, „welcher augenblickliche Erfolg auch damit zu erzielen sein möchte.“ Das sind des Hrn. Manteuffel eigene Worte. Zu deutsch: Klagt nur, verfolgt nur, sperrt ein, so viel Ihr nur könnt; es kommt nicht auf den augenblicklichen Erfolg in juristischer Beziehung an, nicht auf wirkliche Verurtheilung des Angeklagten und Eingesperrten, sondern darum handelt es sich, daß jeder Urwähler, Wahlmann oder Kandidat für die Kammern, der unsern gottbegnadeten russisch-allianzlichen Plänen hinderlich sein könnte, frischweg bei Seite geschafft und stumm gemacht werde.</p> <p>Sehr bedenklich wäre es, wenn „<hi rendition="#g">voreilige,</hi> in der Regel <hi rendition="#g">unerfüllbare</hi> Verheißungen der Wahlkandidaten“ laut würden. Nun wohl, sollte sich ein Kandidat erfrechen, etwas anderes als ein unterthänig-ersterbendes Ja! zu allen Vorlagen der contrerevolutionären Regierung zu verheißen: so wissen die Behörden, was sie zu thun haben. Sie dürfen nur, wie Herr Manteuffel sagt, die „<hi rendition="#g">richtigen Mittel</hi>“ anwenden. Weshalb er die Mittel selbst nicht namentlich aufzählt, geht aus dem Schlußsatz hervor, der also lautet:</p> <p>„Ein k. Regierungs-Präsidium ersuche ich, das Erforderliche zur Bekanntmachung, <hi rendition="#g">Entwicklung und Ausführung</hi> dieser <hi rendition="#b">Andeutungen</hi> in Ihrem Bezirke zu verfügen.“</p> <p>Der Herr Minister giebt blos „Andeutungen“!</p> <p>Die preußische Büreaukratie ist seit 30 Jahren unter einem scheußlichen Despotismus so gut trainirt und abgerichtet worden, daß sie jeden Kommandolaut, gleich einem wohldressirten Pudel, augenblicklich versteht. Drum bedarf es auch nur bloßer „Andeutungen“. Preußische Behörden verstehen sich darauf. Somit ist „Entwicklung und Ausführung“ dieser trefflichen „Andeutungen“ in besten Händen.</p> </div> <div xml:id="ar185_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 2. Jan.</head> <p>Nach so eben aus Wien uns zugehenden Briefen ist daselbst <hi rendition="#g">Ludwig Raveaux,</hi> Bruder des Deput[i]rten, standrechtlich zum <hi rendition="#g">Strange</hi> verurtheilt worden. Also der zweite geborne Kölner, welcher der östreichischen Standrechtshyäne zum Opfer fällt. Möglich, daß dieser zweite zu 12jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen <hi rendition="#g">begnadigt</hi> (!) wird.</p> </div> <div xml:id="ar185_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>067</author></bibl> Aachen, 31. Dezember.</head> <p>Vorgestern rückte bei uns das erste Bataillon des 27. Inf. Regimentes hier ein. Bei dieser Gelegenheit waren wir Zeuge, daß das alte Zopfsystem und der geisttödtende Kamaschendienst noch in voller Glorie strahlt. Zwei Kompagnieen des genannten Bataillons trafen nämlich um 12 Uhr unweit des Kölnthores ein. Man sollte nun glauben die Leute, welche ihren Marsch von Bonn aus in drei Tagen hierher gemacht hatten und zwar in dem scheußlichsten Wetter, wären sofort in die hies. Kaserne ihren Bestimmungsplatz, eingerückt. Aber nein! Es fehlten noch 2 Kompagnieen, die erst um 2 Uhr in Aachen ankommen konnten. So mußten denn die vom Marsche ermüdeten ersten beiden Kompagnieen zwei Stunden in dem naßkalten Wetter auf der offenen Landstraße im Kothe liegen bleiben, bis ihre übrigen Kameraden eintrafen. Wollte vielleicht der Oberst v. Götze, ruhmreichen Andenkens, mit dem ganzen Bataillon der Aachener Bürgerschaft imponiren.</p> </div> <div xml:id="ar185_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>#</author></bibl> Aachen, 31. Dezember.</head> <p>Kaum ist ein Theil des 27. Inf. Regiments hier eingerückt, so sind auch schon Zwistigkeiten mit den Bürgern da. Man sollte beinahe glauben nach den Antecedentien dieses Regimentes, daß es dazu bestimmt sei, überall den Belagerungszustand einzuführen. Wie wir hören hatten ein Paar Offiziere in dem Kaffehause von Guerike sich etwas unbürgerlich ausgesprochen welches von einigen Herrn krumm genommen wurde. Es entspann sich ein Wortwechsel in Folge dessen sich die wackern Junker veranlaßt sahen, sich eilig zu entfernen. Die hiesige Erholungsgesellschaft welche den Offizieren von je mit großer Freundlichkeit entgegen gekommen ist, hat nun auch schon Unannehmlichkeiten gehabt und der Kommandeur hat den Offizieren den Besuch oben erwähnten Kaffehauses und der Erholungsgesellschaft verboten. Dieses Verbot trifft aber alle Offiziere und somit auch die des 29. Regiments, welche beliebt bei der hiesigen Bürgerschaft sind. Von den Soldaten des 27. Regiments hört man nichts, als Gutes, und wenn daher Reibungen in der nächsten Zeit Statt finden sollen, so ist die Schuld nur den Führern beizumessen. — Zu den bevorstehenden Wahlen rüstet man sich schon von allen Seiten. Für die erste Kammer beabsichtigt man den Oberbürgermeister Pelzer zu wählen. Zur zweiten Kammer beabsichtigen die Conservativen den Herrn Kühlwetter oder Regierungsrath Ritz zu wissen.</p> </div> <div xml:id="ar185_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Aus Westphalen, 80. Dez.</head> <p>An der Spitze der preußischen Justiz steht jetzt der schroffste Mann der reaktionären Partei, was bei der großen Einwirkung, welche der Justizminister in den alten Landestheilen als Beschwerdebehörde und sonst auf die Gerichte übt, alles Vertrauen zu der Justiz untergraben hat. Wir gehören nicht zu Denen, die solches beklagen; die neuesten Ereignisse auf diesem Gebiete haben dem Volke die Augen geöffnet und Hunderttausende für die Republik gewonnen.</p> <p>Hr. Rintelen hatte bekanntlich gegen das Ministerium Brandenburg protestirt; er war bei der Deputation an den König und — trat ein, sobald ihm der Köder hingehalten wurde. Er fühlte damals noch diese Schmach und suchte sich öffentlich zu vertheidigen. Dabei behauptete er: der König habe nicht das Recht der Auflösung der Nationalversammlung und unter der Auflösungs-Ordre stand der Name: Rintelen. Westphalen! Ihr kennt diesen Namen!</p> <p>Der Vater des Justizministers war General-Rentmeister des Grafen v. Bochholz, des Ceremonienmeisters von Jérome. Während dieser arm wurde, häufte der Verwalter ein großes Vermögen zusammen.</p> <p>Zu den eigenthümlichen Kontrakten, welche beide unter sich geschlossen, gehört auch der: daß der Graf die Söhne des Generalverwalters studiren lassen mußte (!)</p> <p>Die Nachricht, daß Rintelen sich die Präsidentenstelle in Münster ausbedungen habe, ist unwidersprochen geblieben; sie kam aus guter Quelle.</p> <p>Jedenfalls hat ihm jetzt Hr. v. Olfers den Rang abgelaufen. Nach Münster soll sich Hr. Rintelen schon lange gesehnt haben: es hat sich zugetragen, daß dort bereits ein Bruder als Regierungsrath, ein anderer als Justizkommissar und ein Schwager als Ober-Landesgerichtsrath angestellt ist. Wahrhaftig, zu dieser traulichen Familienhierarchie fehlt nur noch der Präsident!! Familie Kisker, Sethe, Rintelen, v. Olfers! Es lebe die Bureaukratie!</p> <p>Bezeichnend für Hrn. Rintelen ist seine Wahl. Das Volk hatte ihn Anfangs nicht berücksichtigt; nirgends war sein Name auch nur genannt; und doch waren die Lorbeeren von Waldeck und Temme so schön!</p> <p>Da verband er sich mit einer Partei, die seiner Natur sonst zuwider war. Der Abgeordnete Pastor Bigge aus Meschede wurde bewogen, ihn als sehr freisinnig dem Kreise Meschede als seinen Stellvertreter zu empfehlen. Diese Allianz trug ihre Früchte. Hr. Rintelen wurde gewählt!</p> </div> <div xml:id="ar185_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>123</author></bibl> Münster, 31. Dez.</head> <p>Die Mittheilung, daß der in der Deutschen Reform vom 6 Dezbr. enthaltene Aufruf der Berliner Linken bei dem hiesigen Land- und Stadtgerichte den Grund zur Einleitung der Untersuchung gegen Temme und zu dessen Verhaftung abgegeben habe, hat sich vollkommen bestätigt. Bei der Abstimmung haben dem Vernehmen nach die Herren Hülsmann, Dierikx, Kocks und Stockhausen für Untersuchung und Verhaftung, die Herren v. Druffel, Schweling und Hofbauer dagegen gestimmt, so daß dieselbe mit einer Stimme Majorität beschlossen worden. Die Genehmigung der Einleitung der Untersuchung erfolgte durch den Kriminalsenat des Obergerichts, der aus den Räthen Sethe, v. Detten, Freusberg und dem Assessor v. Druffel besteht; man vermuthet, daß nur der erstere, welcher wenigstens ein tüchtiger Jurist, gegen Ertheilung der Genehmigung gestimmt habe. Gleich nach Temme's Verhaftung sind Seitens des Oberlandesgerichts geschärfte Befehle hinsichtlich strengerer Ueberwachung der Untersuchungsgefangenen ergangen, namentlich daß dieselben in ihren Zellen einzuschließen und Aehnliches, so daß jetzt jeder Verkehr mit ihnen so gut wie gänzlich aufhören muß, eine Maßregel, die für manchen lediglich den Anschein der elendesten persönlichen Rachsucht haben mag und die allgemeine Erbitterung gegen das Oberlandesgericht noch gesteigert hat. Briefe an die Gefangenen, namentlich an Temme, werden diesen nur verabfolgt, wenn sie vorher durch den Kriminaldirektor Giese gelesen und mit dessen vidi versehen sind. Der Umstand, daß aus der hiesigen Klubgesellschaft die oben bezeichnete Nummer der Deutschen Reform entwendet worden und über den „redlichen Erwerb“ des bei den Temme'schen Untersuchungsakten befindlichen Exemplars jener Zeitung nichts konstiren soll, gibt zu allerhand erbaulichen Betrachtungen Anlaß.</p> </div> <div xml:id="ar185_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 31. Dezbr.</head> <p>Die „gute Presse“, namentlich in den Provinzen, hebt und stärkt sich immer mehr. Wir machen in dieser Beziehung auf ein in <hi rendition="#g">Langensalza</hi> erscheinendes <hi rendition="#g">sehr tüchtiges Blatt</hi> aufmerksam: „<hi rendition="#g">Der Wehrmann</hi>. Wochenblatt für den schlichten Bürger- und Bauersmann.“ Dasselbe erfüllt <hi rendition="#g">vollständig</hi> seine Aufgabe.</p> <bibl>(N. Pr. Z.)</bibl> <p>Wir empfehlen unsern Lesern das Blatt in Langensalza.</p> <p>Die Zeitung, der wir diese Empfehlung entnehmen, steht so sehr auf der Höhe des „<hi rendition="#g">preußischen</hi>“ Ideals, daß <hi rendition="#g">Hansemann</hi> und <hi rendition="#g">Robespierre</hi> für sie auf <hi rendition="#g">einer</hi> Stufe stehen. Welch' Glück für unsere flachen Volksfreunde, daß es eine „<hi rendition="#g">Neue Preußische Zeitung</hi>“ gibt, die sie zu enfants terribles macht. Diese Partei der preußischen Don-Quixotte wirft alles zusammen, was nicht „<hi rendition="#g">Kern der Bürgerschaft</hi>“, preußischer Beamter, Militär oder Junker ist. Sie greift die demokratische Partei an, nicht indem sie <hi rendition="#g">Demokraten</hi>, sondern indem sie jede Art der Oppositionellen als <hi rendition="#g">demokratische</hi> Gattung angreift.</p> <p>Bezüglich des Abgeordneten „Jung“ und seines Duells in spe mit Vinke berichtet die Kreuzritterin, deren <hi rendition="#g">Kölnischer Mitarbeiter</hi> ein Kölnischer „<hi rendition="#g">Kernbürger</hi>“ ist, ehemaliger Censor der alten „Rheinischen Zeitung“, mit Frau und Kind, mit Gott für König und Vaterland und bürgerlichen Sorgen begabter altpreußischer Regierungs- und Konsistorialrath <hi rendition="#g">Grashoff.</hi> </p> <p>Herr <hi rendition="#g">Jung</hi> hat den Helden gespielt und ist glorreich, nur leider noch immer nicht rein gewaschen, aus seinem Ritterzuge hervorgegangen. Welcher Stern fehlt nach diesem noch im Kranze des Abgeordneten Jung? und dennoch will die undankbare radikale Partei ihn nicht einmal wieder wählen!</p> <p>Schon in voriger Woche fuhr Herr Jung mit einem Polen nach Potsdam, um ein Paar neu gekaufte Pistolen einzuschießen. Auch seine Abreise mit der Anhaltiner Eis[e]nbahn meldeten wir gebührender Weise. Aber des Pudels Kern lag tiefer, hören wir, was die lithog. Korrespondenz über die höchst wichtige Tragikomödie vom 27. in Eisenach im Detail meldet:</p> <p>„Als Herr von Vincke von der Tribüne in der Paulskirche herab Schmähungen (?) gegen die damals bereits aufgelöst gewesene Berliner Versammlung schleuderte, rief ihm die <hi rendition="#g">Linke</hi> zu: es sei unritterlich, eine Versammlung zu beleidigen, die nicht mehr existire. Herr v. Vincke entgegnete: die Versammlung existire in ihren Mitgliedern, und er sei bereit, jedem von diesen Genugthuung zu leisten Dies veranlaßte Herrn „Ritter“ Jung zu einer Pistolenforderung. Man kam überein in Eisenach zusammen zu treffen. Mit Herrn v. Vincke erschienen der preuß. Major v. Voigts-Rheetz und Herr v. Schlottheim, mit Herrn Jung der Abgeordnete von Potworowski und der Kammergerichts-Assessor Bergenroth. Anstatt aber den Konflikt in der verabredeten Weise auszugleichen, erklärte Herr von Voigts: nach reiflichem Ueberlegen glaube Herr v. Vincke Bedenken tragen zu müssen, einem Manne die kavaliermäßige Genugthuung zu gewähren, auf welchem noch der in öffentlichen Blättern ausgesprochene Vorwurf der <hi rendition="#g">Lüge</hi> hafte. Diesen Vorwurf hatte der durch seine lateinischen „Eingesandt's“ in der Vossischen Zeitung bekannte Herr F. v. Bülow gegen Herrn Jung erhoben. Vergeblich waren alle Vorstellungen der Sekundanten des Gegners, vergeblich die Hinweisung auf das hohe Alter des Herrn v. Bülow, eines Mannes, der kaum mehr die physische Kraft haben dürfte, eine Pistole zu halten. Herr v. Vincke beharrte standhaft auf dem Rechtsboden seines Bedenkens und verließ Eisenach. Herr Jung ist demzufolge nach Berlin zurückgekehrt.</p> <p>Es verdient erwähnt zu werden, daß dies bereits der zweite Fall einer Duellverweigerung ist, zu welchem Herrn v. Vinke seine parlamentarische Thätigkeit Anlaß gegeben hat. Während des ersten Vereinigten Landtags sprach Herr v. Vincke den Juden persönlichen Muth ab. Ein Kammergerichts-Assessor jüdischer Abkunft, „Herr Benda“ nahm diese Aeußerung persönlich und forderte. Allein auch in jenem Falle hielt Herr v. Vincke irgend ein Bedenken — wir wissen nicht mehr welches — davon ab, für seine Worte mit seiner Person einzustehen. Die Staatsmänner England's, denen sich unsere Parlamentsredner so gern parallelisiren, machen von der Redefreiheit den ausgedehntesten Gebrauch, aber sie vertreten jedes Wort mit ihrem Leben.“</p> <p>In ihrer Darstellungsweise übersieht die Demokratie freilich nur den kleinen Zwischenfall, daß Herr v. Vincke und viele Andere bei Gelegenheit der nichtswürdigen Beleidigung des Prinzen von Preußen von dem maulfrechen Brentano keine Genugthuung erlangen konnte, und das ganze Raisonnement erscheint höchst unnütz, wenn man bedenkt, daß die radikale Partei von jeher „volle Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit für alle ihre als Abgeordnete und in der parlamentarischen Debatte gethanen Aeußerungen in Anspruch genommen hat.“</p> </div> <div xml:id="ar185_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>68</author></bibl> Berlin, 30. December.</head> <p>Aus einer gestern von den Besitzern der <hi rendition="#g">Zeitungshalle</hi> veröffentlichten Ansprache an ihre Berliner Abonnenten ersehen wir, daß der hiesigen Post untersagt ist, Bestellungen auf die in Neustadt-Eberswalde erscheinende demokratische Zeitung anzunehmen. Wir möchten doch gern wissen, wie sich dieses Verbot mit Art. 24. der Verfassung verträgt.</p> <p>Gestern erschien der berüchtigte Polizei-Inspector <hi rendition="#g">Gesellius</hi> bei dem Abgeordneten G. <hi rendition="#g">Jung,</hi> um ihn zu fragen, ob er der Verfasser der Brochüre „der Magistrat von Berlin“ sei. Es müsse dies nämlich amtlich festgestellt werden, weil der Staatsanwalt auf dieselbe eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung begründen wolle. Der Satz der Brochüre, in welchem die Majestätsbeleidigung liegen soll, lautet wie folgt: „Wie nach einem Hagelwetter der Landmann auf seine zerstörte Saaten, so schaut jetzt jeder Vaterlandsfreund voll Trauer auf die zerstörte Freiheit, nur der Magistrat von Berlin fühlt sich wohl und küßt dem </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0998/0002]
mit er die ganze Geschichte halten konnte. Hiermit nicht zufrieden, veranlaßte der Ritter seine Gönnerin, außerdem noch, nach und nach die Hypotheken, welche auf den andern Gütern lasteten, abzulösen und so mit seinen bedeutendsten Schulden tabula rasa zu machen — unser Freund war einer der Glücklichsten unter der Sonne.
Ihr erinnert Euch jener Sage von einem verwünschten Schlosse? Disteln und Dornen waren hoch um die alten Mauern gewachsen und bildeten mit den epheuberankten Bäumen des Waldes einen undurchdringlichen Kranz, der die ganze Feste einschloß. Todtenstille herrschte in dem prächtigen Raume. Auf dem Hofe schlummerten Hunde und Katzen; regungslos standen im Stalle die edlen Rosse, eben noch bedient von rüstigen Knechten, die plötzlich bei der Arbeit eingeschlafen waren und mit halb geschlossenen Augen träumerisch an den Krippen lehnten.
In der Küche nickten Koch und Küchenjunge, und da und dort saßen die andern Dienstboten, alle wie vom Schlage gerührt. In den Hallen des Saales ruhten aber auf weichen Polstern: Herren und Damen, beim Banquett vom Schlafe überrascht, die Becher noch in Händen, mit gesenkten Häuptern.
Kurz, alle lebenden Wesen des Schlosses, von den Helden des Sales an bis zu der Fliege an der Wand, waren behext und vom Zauber berückt und schlafen würden sie vielleicht noch heute, wenn sich nicht einst ein jugendlicher Ritter mit dem Schwerte Bahn durch die Disteln und Dornen geschlagen hätte und keck hinein in den verwünschten Raum gedrungen wäre.
Er sah sich verwundert um und er begriff, daß dieser Zauber nur auf ganz eigenthümliche Weise gelößt werden könne. Wochen lang hätte er die Herren und die Diener rütteln und schütteln können: sie würden doch nicht wach geworden sein. Er schritt daher die Wendeltreppe des Thurmes hinauf und als er hoch oben in ein kleines Gemach trat, da fand er auf weiche Kissen hingegossen: die schönste Jungfrau. Die Locken ruhten neben dem lieblichen Köpfchen und die Lippen leuchteten in rosiger Frische.
Entzückt war der Ritter und lange schwelgte er in dem seligen Anblick. Als er sich aber genug erquickt hatte, da bog er sich hinab und es verstand sich von selbst, daß er die Schöne mitten auf ihren rothen Mund küßte — da war der Zauber gelößt!
Im Hofe erwachten Hunde und Katzen; im Stall die Rosse sammt ihren Knechten; in der Küche fuhr Koch und Küchenjunge empor und erwachend reckten die übrigen Dienstboten ihre steif gewordenen Glieder. Die Herren und Damen des Sales regten sich nicht minder: sie fuhren in ihrem Bankett fort und ahnten kaum, daß sie ein Paar hundert Jahre lang geschlafen hatten.
Kurz, alles wurde lebendig, von den Helden des Sales an, bis zu der Fliege an der Wand, dann oben im Erker küßte der Ritter die Jungfrau, und vom Traume erwachend, sank sie liebeseufzend an seine Brust.
Gelehrte Leute behaupten, der ganze Zauber rühre von dem Stich einer Spindel her und nur durch einen Kuß könne so etwas wieder gut gemacht werden — —
Ich weiß nicht, wie es darum steht, soviel ist aber gewiß, daß die Umarmung des Ritters Schnapphahnski und der Herzogin von S. denselben Einfluß auf die verschuldeten Güter des erstern hatte, wie der Kuß des Ritters der Sage und der schlafenden Jungfrau, auf das verwünschte Waldschloß. Der Kuß des Ritters entzauberte das Schloß; die Umarmung unseres Schnapphahnski enthypothesirte seine sämmtlichen Besitzungen.
Wie die Rosse des Waldschlosses froh in die Luft hinauswieherten, daß endlich der Spuk gelößt sei, so huben sich auch die Merino Mutterschafe und Böcke der Schnapphahnski'schen Güter freudig empor und blöckten ihrem schuldenbefreiten Herrn ein lustiges Willkommen.
Schnapphahnski hatte keine Schulden mehr.
Jeder, der einmal Schulden hatte, wird die Seligkeit dieses Gefühles zu begreifen wissen. Schulden gehören zu den unangenehmsten Rückerinnerungen; Schulden sind gewissermaßen der Katzenjammer längst verrauschter Genüsse. Alle dummen Streiche, die wir im Leben begingen, treten in den steifen Ziffern unserer Schulden noch einmal ärgerlich vor unser Gedächtniß und mit wiederlichen Grimassen grins't die Vergangenheit in unsere Gegenwart herein.
Das schlimmste bei den Schulden ist indeß, daß wir mit den Schulden Gläubiger bekommen! Diese ernsten, mürrischen Leute, die uns auf der Straße mit Nasenrümpfen anschauen, die schon in der goldenen Frühe an unsere Thür pochen, um uns all ihren Jammer vorzuleiern, ja, die uns gar bei der Arbeit überraschen wenn wir mit den höchsten Weltinteressen beschäftigt sind, um uns von dem Sinai unserer Gedanken in das todte Meer ihrer kleinbürgerlichen Misere hinabzuziehen — O es ist entsetzlich!
Aber das ist die Ironie des Schicksals, daß schon mancher Titane, der für das Heil der Menschheit schwärmte, nicht einmal seine Hosen bezahlen konnte — —
Mensch mache keine Schulden! Ein Gläubiger ist erboßter als eine Hornisse, beständiger wie der Teufel und langweiliger als ein Engel.
Mit dem Bezahlen der Schnapphahnski'schen Schulden glaubte die Herzogin indeß noch nicht genug gethan zu haben. Vor allen Dingen wollte sie ihm wieder Bahn in die Berliner Gesellschaft brechen. Nur eine Herzogin von S. konnte eine solche Aufgabe übernehmen. Eine Frau, die alle Intriguen des ancien regime und der Revolution kannte, die alle Wechselfälle des Kaiserreichs, der Restauration und der Dynastie mit durchgemacht hatte, schrak vor nichts zurück. Imponirend durch ihre Kühnheit, durch ihre Erfahrung und durch ihren kolossalen Reichthum, sehen wir sie zugleich mit unserem Ritter in Berlin auftreten. Die alten Feinde Schnapphahnski's regen sich an hundert Orten; aber ohnmächtig sind sie gegen die Energie der Herzogin; die heillosesten Geschichten ihres Freundes werden zu den liebenswürdigsten Abentheuern; Haß, Spott, Gelächter: Alles weiß sie zu besiegen. In einer Audienz bei dem Gespiel ihrer Jugend, weiß sie Schnapphahnski's Zulassung zu den höchsten Kreisen durchzusetzen. Der Ritter wird wieder „möglich“, er faßt Fuß, er bekommt eine Stellung und — muß geduldet werden.
Schnapphahnski's politische Laufbahn beginnt.
[Deutschland] [Fortsetzung] Doch wozu Grammatik? Preußische Behörden stehen mit ihr gewöhnlich in offner Fehde. Ihnen genügt der Manteuffel'sche Geist.
Dieser Geist verlangt von ihnen wörtlich, „daß jeder Versuch, die öffentliche Meinung hierüber (über die preußische Freiheit der Meinungsäußerung) irre zu leiten, vereitelt, daß jede Täuschung, jede falsche Vorspiegelung oder Verläumdung in Schrift und Rede ihre Widerlegung und, wo das Strafgesetz es gestattet, ihre nachdrückliche Ahndung finden“.
Die oben erwähnten, von der Potsdamer Kamarilla direkt ausgehenden oder von ihr unterstützten Wahl-Manifeste, Plakate, Broschüren und die Zeitungsorgane des jetzigen Ministeriums (Galgenzeitung, Vossische, Schlesische u. s. w.) bringen natürlich die engelreine Wahrheit; in den patriotischen Klubs der Preußen- und der meisten konstitutionellen Vereine bürgt eine längst erprobte Tugend dafür, daß jede Täuschung und Vorspiegelung vermieden wird. Eure Aufmerksamkeit, brave Behörden, muß sich demnach lediglich gegen „jene Partei richten“, welche so bodenlos undankbar ist, daß ihr das mit aller christlich-germanischen Perfidie so niedlich ausgearbeitete Danaergeschenk, die oktroyirte Verfassung, nicht genügen will.
Gegen diese schwarze Undankbarkeit müßt Ihr ankämpfen, und, wo es das Strafgesetz gestattet, ihre nachdrückliche Ahndung bewerkstelligen. Genirt Euch ja nicht, tapfere christlich-germanische Behörden! Ihr wißt, daß das Strafgesetz, namentlich das landrechtliche, Alles gestattet. Unter der wächsernen Firma des Strafgesetzes vermag ein Prokurator Wunder zu verrichten. Er sperrt ein, untersucht, vernimmt „Gold“-Zeugen, läßt die Verhafteten Monate und Jahre lang schmachten, ihre Gesundheit etc. ruiniren und wird selbst dann noch von oben herab belohnt, wenn ausnahmsweise eine sich selbst achtende Jury jede Solidarität der Kniftologie und Schurkerei „schwarz-weißer“ Rach- und Verfolgungssucht durch ihr Verdikt von sich ablehnt.
Sollten einzelne Behörden dennoch Gewissensscrupel haben, so benimmt ihnen Herr Manteuffel sicherlich jede Blödigkeit und Rückhaltung, indem er ihnen in besagter Weise aufzutreten befiehlt, „welcher augenblickliche Erfolg auch damit zu erzielen sein möchte.“ Das sind des Hrn. Manteuffel eigene Worte. Zu deutsch: Klagt nur, verfolgt nur, sperrt ein, so viel Ihr nur könnt; es kommt nicht auf den augenblicklichen Erfolg in juristischer Beziehung an, nicht auf wirkliche Verurtheilung des Angeklagten und Eingesperrten, sondern darum handelt es sich, daß jeder Urwähler, Wahlmann oder Kandidat für die Kammern, der unsern gottbegnadeten russisch-allianzlichen Plänen hinderlich sein könnte, frischweg bei Seite geschafft und stumm gemacht werde.
Sehr bedenklich wäre es, wenn „voreilige, in der Regel unerfüllbare Verheißungen der Wahlkandidaten“ laut würden. Nun wohl, sollte sich ein Kandidat erfrechen, etwas anderes als ein unterthänig-ersterbendes Ja! zu allen Vorlagen der contrerevolutionären Regierung zu verheißen: so wissen die Behörden, was sie zu thun haben. Sie dürfen nur, wie Herr Manteuffel sagt, die „richtigen Mittel“ anwenden. Weshalb er die Mittel selbst nicht namentlich aufzählt, geht aus dem Schlußsatz hervor, der also lautet:
„Ein k. Regierungs-Präsidium ersuche ich, das Erforderliche zur Bekanntmachung, Entwicklung und Ausführung dieser Andeutungen in Ihrem Bezirke zu verfügen.“
Der Herr Minister giebt blos „Andeutungen“!
Die preußische Büreaukratie ist seit 30 Jahren unter einem scheußlichen Despotismus so gut trainirt und abgerichtet worden, daß sie jeden Kommandolaut, gleich einem wohldressirten Pudel, augenblicklich versteht. Drum bedarf es auch nur bloßer „Andeutungen“. Preußische Behörden verstehen sich darauf. Somit ist „Entwicklung und Ausführung“ dieser trefflichen „Andeutungen“ in besten Händen.
* Köln, 2. Jan. Nach so eben aus Wien uns zugehenden Briefen ist daselbst Ludwig Raveaux, Bruder des Deput[i]rten, standrechtlich zum Strange verurtheilt worden. Also der zweite geborne Kölner, welcher der östreichischen Standrechtshyäne zum Opfer fällt. Möglich, daß dieser zweite zu 12jähriger Schanzarbeit in schwerem Eisen begnadigt (!) wird.
067 Aachen, 31. Dezember. Vorgestern rückte bei uns das erste Bataillon des 27. Inf. Regimentes hier ein. Bei dieser Gelegenheit waren wir Zeuge, daß das alte Zopfsystem und der geisttödtende Kamaschendienst noch in voller Glorie strahlt. Zwei Kompagnieen des genannten Bataillons trafen nämlich um 12 Uhr unweit des Kölnthores ein. Man sollte nun glauben die Leute, welche ihren Marsch von Bonn aus in drei Tagen hierher gemacht hatten und zwar in dem scheußlichsten Wetter, wären sofort in die hies. Kaserne ihren Bestimmungsplatz, eingerückt. Aber nein! Es fehlten noch 2 Kompagnieen, die erst um 2 Uhr in Aachen ankommen konnten. So mußten denn die vom Marsche ermüdeten ersten beiden Kompagnieen zwei Stunden in dem naßkalten Wetter auf der offenen Landstraße im Kothe liegen bleiben, bis ihre übrigen Kameraden eintrafen. Wollte vielleicht der Oberst v. Götze, ruhmreichen Andenkens, mit dem ganzen Bataillon der Aachener Bürgerschaft imponiren.
# Aachen, 31. Dezember. Kaum ist ein Theil des 27. Inf. Regiments hier eingerückt, so sind auch schon Zwistigkeiten mit den Bürgern da. Man sollte beinahe glauben nach den Antecedentien dieses Regimentes, daß es dazu bestimmt sei, überall den Belagerungszustand einzuführen. Wie wir hören hatten ein Paar Offiziere in dem Kaffehause von Guerike sich etwas unbürgerlich ausgesprochen welches von einigen Herrn krumm genommen wurde. Es entspann sich ein Wortwechsel in Folge dessen sich die wackern Junker veranlaßt sahen, sich eilig zu entfernen. Die hiesige Erholungsgesellschaft welche den Offizieren von je mit großer Freundlichkeit entgegen gekommen ist, hat nun auch schon Unannehmlichkeiten gehabt und der Kommandeur hat den Offizieren den Besuch oben erwähnten Kaffehauses und der Erholungsgesellschaft verboten. Dieses Verbot trifft aber alle Offiziere und somit auch die des 29. Regiments, welche beliebt bei der hiesigen Bürgerschaft sind. Von den Soldaten des 27. Regiments hört man nichts, als Gutes, und wenn daher Reibungen in der nächsten Zeit Statt finden sollen, so ist die Schuld nur den Führern beizumessen. — Zu den bevorstehenden Wahlen rüstet man sich schon von allen Seiten. Für die erste Kammer beabsichtigt man den Oberbürgermeister Pelzer zu wählen. Zur zweiten Kammer beabsichtigen die Conservativen den Herrn Kühlwetter oder Regierungsrath Ritz zu wissen.
12 Aus Westphalen, 80. Dez. An der Spitze der preußischen Justiz steht jetzt der schroffste Mann der reaktionären Partei, was bei der großen Einwirkung, welche der Justizminister in den alten Landestheilen als Beschwerdebehörde und sonst auf die Gerichte übt, alles Vertrauen zu der Justiz untergraben hat. Wir gehören nicht zu Denen, die solches beklagen; die neuesten Ereignisse auf diesem Gebiete haben dem Volke die Augen geöffnet und Hunderttausende für die Republik gewonnen.
Hr. Rintelen hatte bekanntlich gegen das Ministerium Brandenburg protestirt; er war bei der Deputation an den König und — trat ein, sobald ihm der Köder hingehalten wurde. Er fühlte damals noch diese Schmach und suchte sich öffentlich zu vertheidigen. Dabei behauptete er: der König habe nicht das Recht der Auflösung der Nationalversammlung und unter der Auflösungs-Ordre stand der Name: Rintelen. Westphalen! Ihr kennt diesen Namen!
Der Vater des Justizministers war General-Rentmeister des Grafen v. Bochholz, des Ceremonienmeisters von Jérome. Während dieser arm wurde, häufte der Verwalter ein großes Vermögen zusammen.
Zu den eigenthümlichen Kontrakten, welche beide unter sich geschlossen, gehört auch der: daß der Graf die Söhne des Generalverwalters studiren lassen mußte (!)
Die Nachricht, daß Rintelen sich die Präsidentenstelle in Münster ausbedungen habe, ist unwidersprochen geblieben; sie kam aus guter Quelle.
Jedenfalls hat ihm jetzt Hr. v. Olfers den Rang abgelaufen. Nach Münster soll sich Hr. Rintelen schon lange gesehnt haben: es hat sich zugetragen, daß dort bereits ein Bruder als Regierungsrath, ein anderer als Justizkommissar und ein Schwager als Ober-Landesgerichtsrath angestellt ist. Wahrhaftig, zu dieser traulichen Familienhierarchie fehlt nur noch der Präsident!! Familie Kisker, Sethe, Rintelen, v. Olfers! Es lebe die Bureaukratie!
Bezeichnend für Hrn. Rintelen ist seine Wahl. Das Volk hatte ihn Anfangs nicht berücksichtigt; nirgends war sein Name auch nur genannt; und doch waren die Lorbeeren von Waldeck und Temme so schön!
Da verband er sich mit einer Partei, die seiner Natur sonst zuwider war. Der Abgeordnete Pastor Bigge aus Meschede wurde bewogen, ihn als sehr freisinnig dem Kreise Meschede als seinen Stellvertreter zu empfehlen. Diese Allianz trug ihre Früchte. Hr. Rintelen wurde gewählt!
123 Münster, 31. Dez. Die Mittheilung, daß der in der Deutschen Reform vom 6 Dezbr. enthaltene Aufruf der Berliner Linken bei dem hiesigen Land- und Stadtgerichte den Grund zur Einleitung der Untersuchung gegen Temme und zu dessen Verhaftung abgegeben habe, hat sich vollkommen bestätigt. Bei der Abstimmung haben dem Vernehmen nach die Herren Hülsmann, Dierikx, Kocks und Stockhausen für Untersuchung und Verhaftung, die Herren v. Druffel, Schweling und Hofbauer dagegen gestimmt, so daß dieselbe mit einer Stimme Majorität beschlossen worden. Die Genehmigung der Einleitung der Untersuchung erfolgte durch den Kriminalsenat des Obergerichts, der aus den Räthen Sethe, v. Detten, Freusberg und dem Assessor v. Druffel besteht; man vermuthet, daß nur der erstere, welcher wenigstens ein tüchtiger Jurist, gegen Ertheilung der Genehmigung gestimmt habe. Gleich nach Temme's Verhaftung sind Seitens des Oberlandesgerichts geschärfte Befehle hinsichtlich strengerer Ueberwachung der Untersuchungsgefangenen ergangen, namentlich daß dieselben in ihren Zellen einzuschließen und Aehnliches, so daß jetzt jeder Verkehr mit ihnen so gut wie gänzlich aufhören muß, eine Maßregel, die für manchen lediglich den Anschein der elendesten persönlichen Rachsucht haben mag und die allgemeine Erbitterung gegen das Oberlandesgericht noch gesteigert hat. Briefe an die Gefangenen, namentlich an Temme, werden diesen nur verabfolgt, wenn sie vorher durch den Kriminaldirektor Giese gelesen und mit dessen vidi versehen sind. Der Umstand, daß aus der hiesigen Klubgesellschaft die oben bezeichnete Nummer der Deutschen Reform entwendet worden und über den „redlichen Erwerb“ des bei den Temme'schen Untersuchungsakten befindlichen Exemplars jener Zeitung nichts konstiren soll, gibt zu allerhand erbaulichen Betrachtungen Anlaß.
68 Berlin, 31. Dezbr. Die „gute Presse“, namentlich in den Provinzen, hebt und stärkt sich immer mehr. Wir machen in dieser Beziehung auf ein in Langensalza erscheinendes sehr tüchtiges Blatt aufmerksam: „Der Wehrmann. Wochenblatt für den schlichten Bürger- und Bauersmann.“ Dasselbe erfüllt vollständig seine Aufgabe.
(N. Pr. Z.) Wir empfehlen unsern Lesern das Blatt in Langensalza.
Die Zeitung, der wir diese Empfehlung entnehmen, steht so sehr auf der Höhe des „preußischen“ Ideals, daß Hansemann und Robespierre für sie auf einer Stufe stehen. Welch' Glück für unsere flachen Volksfreunde, daß es eine „Neue Preußische Zeitung“ gibt, die sie zu enfants terribles macht. Diese Partei der preußischen Don-Quixotte wirft alles zusammen, was nicht „Kern der Bürgerschaft“, preußischer Beamter, Militär oder Junker ist. Sie greift die demokratische Partei an, nicht indem sie Demokraten, sondern indem sie jede Art der Oppositionellen als demokratische Gattung angreift.
Bezüglich des Abgeordneten „Jung“ und seines Duells in spe mit Vinke berichtet die Kreuzritterin, deren Kölnischer Mitarbeiter ein Kölnischer „Kernbürger“ ist, ehemaliger Censor der alten „Rheinischen Zeitung“, mit Frau und Kind, mit Gott für König und Vaterland und bürgerlichen Sorgen begabter altpreußischer Regierungs- und Konsistorialrath Grashoff.
Herr Jung hat den Helden gespielt und ist glorreich, nur leider noch immer nicht rein gewaschen, aus seinem Ritterzuge hervorgegangen. Welcher Stern fehlt nach diesem noch im Kranze des Abgeordneten Jung? und dennoch will die undankbare radikale Partei ihn nicht einmal wieder wählen!
Schon in voriger Woche fuhr Herr Jung mit einem Polen nach Potsdam, um ein Paar neu gekaufte Pistolen einzuschießen. Auch seine Abreise mit der Anhaltiner Eis[e]nbahn meldeten wir gebührender Weise. Aber des Pudels Kern lag tiefer, hören wir, was die lithog. Korrespondenz über die höchst wichtige Tragikomödie vom 27. in Eisenach im Detail meldet:
„Als Herr von Vincke von der Tribüne in der Paulskirche herab Schmähungen (?) gegen die damals bereits aufgelöst gewesene Berliner Versammlung schleuderte, rief ihm die Linke zu: es sei unritterlich, eine Versammlung zu beleidigen, die nicht mehr existire. Herr v. Vincke entgegnete: die Versammlung existire in ihren Mitgliedern, und er sei bereit, jedem von diesen Genugthuung zu leisten Dies veranlaßte Herrn „Ritter“ Jung zu einer Pistolenforderung. Man kam überein in Eisenach zusammen zu treffen. Mit Herrn v. Vincke erschienen der preuß. Major v. Voigts-Rheetz und Herr v. Schlottheim, mit Herrn Jung der Abgeordnete von Potworowski und der Kammergerichts-Assessor Bergenroth. Anstatt aber den Konflikt in der verabredeten Weise auszugleichen, erklärte Herr von Voigts: nach reiflichem Ueberlegen glaube Herr v. Vincke Bedenken tragen zu müssen, einem Manne die kavaliermäßige Genugthuung zu gewähren, auf welchem noch der in öffentlichen Blättern ausgesprochene Vorwurf der Lüge hafte. Diesen Vorwurf hatte der durch seine lateinischen „Eingesandt's“ in der Vossischen Zeitung bekannte Herr F. v. Bülow gegen Herrn Jung erhoben. Vergeblich waren alle Vorstellungen der Sekundanten des Gegners, vergeblich die Hinweisung auf das hohe Alter des Herrn v. Bülow, eines Mannes, der kaum mehr die physische Kraft haben dürfte, eine Pistole zu halten. Herr v. Vincke beharrte standhaft auf dem Rechtsboden seines Bedenkens und verließ Eisenach. Herr Jung ist demzufolge nach Berlin zurückgekehrt.
Es verdient erwähnt zu werden, daß dies bereits der zweite Fall einer Duellverweigerung ist, zu welchem Herrn v. Vinke seine parlamentarische Thätigkeit Anlaß gegeben hat. Während des ersten Vereinigten Landtags sprach Herr v. Vincke den Juden persönlichen Muth ab. Ein Kammergerichts-Assessor jüdischer Abkunft, „Herr Benda“ nahm diese Aeußerung persönlich und forderte. Allein auch in jenem Falle hielt Herr v. Vincke irgend ein Bedenken — wir wissen nicht mehr welches — davon ab, für seine Worte mit seiner Person einzustehen. Die Staatsmänner England's, denen sich unsere Parlamentsredner so gern parallelisiren, machen von der Redefreiheit den ausgedehntesten Gebrauch, aber sie vertreten jedes Wort mit ihrem Leben.“
In ihrer Darstellungsweise übersieht die Demokratie freilich nur den kleinen Zwischenfall, daß Herr v. Vincke und viele Andere bei Gelegenheit der nichtswürdigen Beleidigung des Prinzen von Preußen von dem maulfrechen Brentano keine Genugthuung erlangen konnte, und das ganze Raisonnement erscheint höchst unnütz, wenn man bedenkt, daß die radikale Partei von jeher „volle Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit für alle ihre als Abgeordnete und in der parlamentarischen Debatte gethanen Aeußerungen in Anspruch genommen hat.“
68 Berlin, 30. December. Aus einer gestern von den Besitzern der Zeitungshalle veröffentlichten Ansprache an ihre Berliner Abonnenten ersehen wir, daß der hiesigen Post untersagt ist, Bestellungen auf die in Neustadt-Eberswalde erscheinende demokratische Zeitung anzunehmen. Wir möchten doch gern wissen, wie sich dieses Verbot mit Art. 24. der Verfassung verträgt.
Gestern erschien der berüchtigte Polizei-Inspector Gesellius bei dem Abgeordneten G. Jung, um ihn zu fragen, ob er der Verfasser der Brochüre „der Magistrat von Berlin“ sei. Es müsse dies nämlich amtlich festgestellt werden, weil der Staatsanwalt auf dieselbe eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung begründen wolle. Der Satz der Brochüre, in welchem die Majestätsbeleidigung liegen soll, lautet wie folgt: „Wie nach einem Hagelwetter der Landmann auf seine zerstörte Saaten, so schaut jetzt jeder Vaterlandsfreund voll Trauer auf die zerstörte Freiheit, nur der Magistrat von Berlin fühlt sich wohl und küßt dem
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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