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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 185. Köln, 3. Januar 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 185. Köln, Mittwoch den 3. Januar. 1849.

Bestellungen auf die "Neue Rheinische Zeitung" für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands.

Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr Dr. Ewerbeck, rue de l'Ulm 33 in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die belgischen Briefpostämter, für Großbrittanien: Mr. Thomas, Catherine Street-strand in London und das belgische Briefpostamt in Ostende.

Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.

Die Redaktion bleibt unverändert.

Die bisherigen Monatsgänge der "Neuen Rheinischen Zeitung" sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die "N. Rh. Ztg." ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.

Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung.

Die Gerantur der "Neuen Rheinischen Zeitung."

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Verurtheilung von L. Raveaux in Wien. -- Manteuffel'sches Wahlrescript.) Aachen. (Einrücken eines preußischen Bataillons. -- Krakehl. -- Wahlen.) Aus Westphalen. (Herr Rintelen) Münster. (Das Oberlandsgericht und Temme's Prozeß.) Berlin. (Jung und Vinke. -- Wiedererscheinen der Zeitungshalle. -- Adresse an Waldeck. -- Zwei Polizisten. -- Der Staatsanwalt) Wien. (Die "finanzielle Gebahrung" pro 1848. -- Nachrichten aus Ungarn. -- Eine Welden'sche Proclamation.) Prag. (Ueberwachung der politischen Lektüre. -- Congreß aller Slowanska-Lipa-Vereine.) Olmütz. (Deutschland am Olmützer Hofe.) Liegnitz. (Kriminaluntersuchungen. -- Cholera in Oppeln.) Breslau. (Der Kriminalsenat u[n]d die Steuerverweigerung.) Aus Schleswig-Holstein. (Die Proclamation der gemeinsamen Regierung.) Aus dem Reich. (Neuestes.)

Polen. Krakau. (Verordnung bezüglich der Emigranten). Tarnow. (Das Verfahren Oesterreichs gegen Dobrzanski).

Italien. Rom. (Mamianis Rücktritt. -- Die Junta. -- Ausweisung der falschen Liberalen. -- Abreise Garibaldi's).

Französische Republik. Paris. (Der verantwortliche Präsident und der unverantwortliche König. -- Bilanz Frankreichs. -- Journalschau. -- Ministerwechsel. -- Passy und die hohe Finanz. -- Bernard vor den Assisen).

Großbritannien. London. (Das californische Gold. -- Die Chartistenprozesse. -- Das Parlament. -- Jahresschluß.

Schweiz. Bern. (Schweizerisch-Italienisches).

Ungarn. Preßburg. (Die k. k. Gräuel in Tyrnau). Agram. (Der magyarisch-serbische Krieg). Karlowitz. (Die serbische Bevölkerung Ungarns).

Deutschland.
* Köln, 1. Jannuar.

Statt der Schneeflocken sehen wir Ministerialrescripte durch's Land fliegen. Kaum ist das Ladenberg-Eichhorn'sche entsiegelt, kaum haben's die Lehrer in Preußen schwarz auf weiß, daß sie vor wie nach, ja schlimmer als jemals, gemaßregelt werden und wiederum der ganzen Scheußlichkeit preußischer Disciplinarvorschriften anheimfallen sollen: so läßt auch schon Hr. Manteuffel seinerseits ein Rescript vom Stapel laufen, das den "geliebten Unterthanen" zum Neujahrsangebinde bestimmt ist.

Es naht die Zeit der octroyirten Wahlen. Noch sind nicht alle Städte in Belagerungszustand versetzt. Daher kommt's, daß an vielen Orten die "nicht genug zu verabscheuende" Preßfreiheit, Versammlungsrecht etc. vorläufig noch in Geltung sind. Schlimm, sehr schlimm! Mögen die Preußenvereine im herzlichsten Einverständnisse mit konstitutionellen Bürgervereinen und der gottbegnadeten Kamarilla zu Potsdam ihre Wahlmanöver noch so unermüdlich betreiben: die Möglichkeit, daß die Volkssache dennoch siegen, ja die zweite Wahl am Ende weit entschiedener ausfallen könnte, als die Wahlen im Mai vorigen Jahres -- diese Möglichkeit erfüllt die kontrerevolutionäre, seit November am Staatsruder befindliche Klicke, trotz ihrer Bajonette, Kanonen und patriotischen Schnurrbärte, mit Besorgniß und Schrecken. Das Land nach allen Seiten mit Plakaten und Aufrufen überschwemmen, die in der Geh. Ober-Hofbuchdruckerei auf Kosten der Steuerzahlenden gedruckt, mit unerhörten Lügen und mit den schmählichsten Verläumdungen gegen die Majorität der auseinander gewrangelten Nationalversammlung die Urwähler zu berücken suchen: das wird allerdings Früchte tragen, aber noch lange nicht genug, um die Potsdamer Kamarilla völlig zu beruhigen. Zwar gehen auch royalistische Wahlagenten durch's Land, für welche in den Staatsrechnungen manches hübsche Item unter den Extraordinariis zu finden sein würde, wenn man dergleichen -- buchte. Zwar dient jeder Beamte, vom geheimsten Geheimrath bis zum öffentlichsten Wärter königl. preußischer Fasanen, zum Stimmwerber für "Gott, König und Junkerschaft" und zum Giftmischer für die Urwähler. Gleichwohl reichen diese Mittel nicht aus.

Wozu wäre Herr Manteuffel "konstitutioneller" Minister des Innern, wenn er nicht für die annoch fehlenden Mittel zu sorgen, die belagerunszuständlichen Lücken auszufüllen wüßte? Er weiß es und darum eben ist er "konstitutioneller" Minister des Innern.

Sein unterm 28. Dezbr. an alle Regierungspräsidenten erlassenes Rescript ist dessen Zeuge. Das preußische Beamtenheer darf sich nicht mit den herkömmlichen Schlichen und Kniffen und mit den unter der Hand, sub rosa, erforderlichen Diensten begnügen: es soll in offener Offensive hervortreten gegen Alle, die noch von den Ereignissen, Versicherungen und Eidschwüren im Monat März plappern, gegen Alle, die wegen der Contrerevolution nicht bis in den siebenten Himmel entzückt sind, die den Grundsätzen der neuen "heiligen Allianz" noch immer nicht den rechten Geschmack abgegewinnen konnten und die zu Deputirten andere Männer wählen möchten, als jene, die wegen ihres Verraths am Volke von der gottbegnadeten Regierung für "brav" und probehaltig befunden und empfohlen werden.

Den Behörden wird daher aufgegeben, eifrigste Sorge zu tragen, daß durch die Wahl "patriotischer und einsichtsvoller" Abgeordneter das "Bestehen" der octroyirten Verfassung "sicher gestellt werde". Was man unter "patriotischen und einsichtsvollen" Abgeordneten am Potsdamer Hofe und Ministerium versteht: das können Leute wie Baumstark, Reichensperger, Wittgenstein, Harkort, Stupp etc. auf's Bündigste erklären.

Die Behörden müssen ferner eine "Stellung einnehmen, welche die Anhänger der konstitutionell-monarchischen Regierungsform mit Achtung und Vertrauen erfüllt und den Freunden der Ordnung und wahrer Freiheit den Muth gibt, den politischen Kampfplatz zu betreten". Jene "Anhänger etc." erfüllen sich mit Achtung und Vertrauen am leichtesten unter der Herrschaft des Belagerungszustandes und der Bajonette; das gibt ihnen zugleich einen ritterlichen Muth, den politischen Kampfplatz zu betreten. Somit wird den Behörden klar sein, welche "Stellung" sie einzunehmen haben. Es wird ihnen selbstredend zugetraut, daß sie auch die übrigen Wege, Vertrauen und Muth einzuflößen, nicht vernachlässigen werden.

Obige und ähnliche Sätze in der ersten Hälfte des ministeriellen Rescripts sind nur das versüßende Bindemittel, während die eigentlich auf Wirkung berechnete Dosis des königl. preußischen Wahlrezepts im zweiten Theil des Rescripts bezeichnet wird.

Hier wird die Aufgabe der Behörden schon näher charakterisirt. Sie sollen "jede Einschüchterung, jede Verführung fern halten, (d. h. an sich einen Selbstmord begehen), jedem unredlichen Mittel (aus Potsdam, Babelsberg, der Geh. Ober-Hofbuchdruckerei, den Preußenvereinen etc.?), jeder Art der Corruption (doch nicht der mit 4 Thlr. 8 Pfg. aus der demokratischen Centralkasse, sondern der mit Hunderttausenden von Thalern aus den Taschen des Volkes?) und Allem, was derselben in Form und Wesen ähnlich ist (wie Gratifikationen, Beförderungen, Orden, Vorschüsse aus Staatskassen, Geschenke u. s. w.) entgegen treten."

Hr. Manteuffel wird immer "konstitutioneller". Das Alles soll nicht "im eigenen Interesse" geschehen, bewahre der Himmel! Wir Brandenburg-Manteuffel u. Consorten handeln ja gar nicht im Auftrage der russisch-östreichisch-preußischen "heiligen" Allianz. Wir, seit so vielen Jahrzehenden erprobten Männer des Constitutionalismus, handeln nur im Interesse der bleibenden Beruhigung "des Landes". Wir wollen "bleibend", werden, konstitutionell-monarchisch so alt werden, wie Methusalem, Darum müßt nun auch Ihr, königlich-preußisch-octroyirte Behörden, im Interesse unserer und natürlich auch Euerer "bleibenden Beruhigung" bei den Wahlen arbeiten.

Im nächsten Satze hat die Regierung mit ihren "konstitutionellen" Organen darüber zu wachen, daß in den bevorstehenden Wahlen "der durch die schweren Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit hoffentlich geläuterte Volkswille seinen ungetrübten Ausdruck finde."

Es steht allerdings zu hoffen, daß die "schweren Erfahrungen" seit dem März 1848 so Manchem über das Wesen der christlich-germanischen Regierung die Augen geöffnet haben werden, der ohne diese Erfahrungen niemals klar gesehen hätte.

Die Behörden sollen weiter "dahin wirken, daß die Freiheit der Meinungsäußerung über die Wahlen und die Wahlkandidaten keine ungesetzliche Beschränkung erleide". Potsdamer Euphemismus! Jeder Urwähler und Wahlmann, der dem Absolutismus und der Polizeiwirthschaft "von Gottes Gnaden" seine Stimme versagt, ist eine "ungesetzliche Beschränkung" der Friedrich-Wilhelm-Manteuffel'schen Politik.

Herr Manteuffel wird so eifrig, daß er endlich alle Grammatik vergißt und rein aus der Konstruktion fällt.

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
Drittes Buch. Kapitel I.

Komisch würde es sich ausnehmen, wenn man auf unsern heutigen Bühnen, bei hellem lichten Tage Theater spielen wollte. Unter der ganzen gemalten Herrlichkeit würde das Eselsohr der Wirklichkeit hervorschauen. Blumen und Bäume würden ihren Glanz verlieren und Salons und prächtige Hallen würden zu wahren Ställen und schofelen Korridoren hinabsinken. Auch die Künstler würden sich ganz anders ausnehmen. Unter einem Almaviva würde man trotz der besten Maske, den Herrn Meyer erkennen, Marquis Posa käme als Herr Fischer zum Vorschein und so würde man einen Jeden an seinen Blatternarben erkennen, an seinem schlechten Schnurrbart oder an irgend einer andern Vernachlässigung der Schöpfung, und der Herr Direktor würde bald vergebens sein Haus zu füllen suchen.

Wie es dem Direktor mit dem Theater geht, so ging es mir mit der Herzogin von S. Meine letzten Schilderungen würden ebenfalls hübscher geworden sein, wenn ich sie beim Lampenlicht hätte geben können. Aber nur in trocknen Worten, bei unzweifelhaftem Tageslichte mußte ich die Schönheiten jener hohen Dame zergliedern; da half kein Bitten und kein Flehen, die Sache wollte nun einmal beschrieben sein, so oder so, jedenfalls aber gemäß der Wahrheit, und leider mußte ich gehorchen. Meine Leser werden bemerkt haben, daß dies nur mit großem Widerstreben geschah, ich zog die Sache so viel wie möglich in die Länge, und würde mich durch das Zwischenschieben anderer fremdartiger Geschichten wohl noch länger dagegen gesträubt haben, wenn mich mein Gewissen nicht daran erinnert hätte, daß es besser sei, lieber um kein Haar breit von meinem Texte abzuweichen, und allein der Wahrheit die Ehre zu geben.

Ich blieb bei der Wahrheit und ich war deshalb zehnmal weniger interessant, als wenn ich die Göttin der Lüge umarmt hätte. Wahrheit und Lüge! Die Göttin der Wahrheit ist wie ein sechs Fuß hohes Mädchen, mit blonden Haaren und mit kaltem aber schneeweißem Teint. Aus zwei großen blauen Augen, die wie zwei Himmel in ruhig heiterer Herrlichkeit zu dir herniederlächeln, schaut dich die Seele der reinen keuschen Göttin, so unbefangen und doch so feierlich an, daß du nur schüchtern zu nahen wagst, um ihr höchstens die Stirn zu küssen, die hohe, olympische Stirn, und dann eines Befehles zu harren in banger Unterwürfigkeit, den langen, lieben, langweiligen Tag. Es geht uns mit der Wahrheit wie Cupido mit den sämmtlichen Musen. Ich entsinne mich nämlich gelesen zu haben, sagt Meister Alcofribas daß einst Cupido, den seine Mutter Venus frug, warum er nicht die Musen anfiel, zur Antwort gab, er fände sie so schön, rein, ehrbar, sittsam und stets beschäftigt, die eine mit Betrachtung der Sterne, die andere mit Berechnung der Zahlen, die dritte mit geometrischen Maßen, die vierte mit rednerischer Erfindung, die fünfte mit poetischen Künsten, die sechste mit Musiksetzung u. s. w., daß er, wenn er zu ihnen käme, seinen Bogen abspannte, den Köcher zuschlöß, und die Fackel verlöschte, aus Scham und Scheu ihnen weh zu thun. Auch nähme er sich die Binde von den Augen, sie offenen Angesichts zu schauen, ihre artigen Lieder und Oden zu hören, dies wäre ihm die größte Lust der Welt, so daß er sich öfters schier verzückt fühle in ihrer Anmuth und Lieblichkeit, ja, in der Harmonie entschliefe, geschweige, daß er sie überfallen oder von ihren Studien sollte abziehen. -- So geht es uns denn auch mit der Wahrheit.

O wie anders ist es mit der Lüge! Die Göttin der Lüge, oder der Phantasie, wenn ihr sie lieber so nennen wollt, ist nicht wie die der Wahrheit, ihre sechs Fuß hoch; sie trägt auch keine blonden Haare -- nein, eine kleine schwarz oder braun gelockte Person ist sie, südlich dunkler Gesichtsfarbe, mit schelmischem Rosenmund und so verführerisch zierlich an Taille, Händen und Füßen, daß man wirklich gleich auf allerlei Irrwege gerathen würde, wenn die beiden feurigen Augen der Kleinen nicht so sehnsüchtig verlangten, daß man sich taumelnd in ihnen verlöre, wie eine Mücke im flammenden Lichte. Ruhig nicht und ernst ist die reizende Göttin, nein, sie ist lebendig, beweglich; sie tanzt und singt und schmückt ihre Locken mit lustigen Blumen, lachend und weinend, wie es ihr grade einfällt und immer bleibt sie graziös. Der Wahrheit mußt du huldigen wie einer Königin, und was sie dir giebt, das giebt sie dir aus Gnade. Nicht so die Phantasie. Statt ihr nachzulaufen, läuft sie mitunter dir nach, und bist du ein hübscher Junge, da besucht sie dich in den Nächten des Frühlings und schlingt ihre weichen Arme um deinen Nacken und küßt dich und am Morgen wachst du verwundert auf. Die nackte Wahrheit ist eine englische Ehefrau; die schöne Lüge eine französische Grisette.

Doch zurück zu Schnapphahnski!

Es war die höchste Zeit, daß unser Ritter in seinen Unternehmungen reussirte; er siegte noch gerade zur rechten Zeit über die Herzogin; ihre Großmuth konnte ihn noch retten. Die bedeutenden Besitzungen der Schnapphahnski'schen Familie im östreichischen Schlesien, sollten nemlich öffentlich verkauft werden, da der Ritter nicht mehr im Stande war, sie zu halten. Schon war der Versteigerungstermin bestimmt, und ein Bevollmächtigter des K. von H. präsentirte sich, um die enorme Besitzung zu erstehen. Da trat jene Wendung in dem Leben unseres Ritters ein ... Die Herzogin von S. schwärmte für Schnapphahnski und kein Opfer war ihr zu groß, um dem unglücklichen Manne zu helfen. Durch ihren Einfluß wußte sie es dahin zu bringen, daß der K. von H. seinen Bevollmächtigten zurückzog, und die Idee des Kaufes fahren ließ -- -- Andere Bieter waren bei der ungemeinen Beträchtlichkeit der Herrschaft nicht zu fürchten, und nicht vorhanden und die Herzogin gab dann dem Ritter 200,000 Thaler, da-

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 185. Köln, Mittwoch den 3. Januar. 1849.

Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands.

Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr Dr. Ewerbeck, rue de l'Ulm 33 in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die belgischen Briefpostämter, für Großbrittanien: Mr. Thomas, Catherine Street-strand in London und das belgische Briefpostamt in Ostende.

Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.

Die Redaktion bleibt unverändert.

Die bisherigen Monatsgänge der „Neuen Rheinischen Zeitung“ sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die „N. Rh. Ztg.“ ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.

Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung.

Die Gerantur der „Neuen Rheinischen Zeitung.“

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Verurtheilung von L. Raveaux in Wien. — Manteuffel'sches Wahlrescript.) Aachen. (Einrücken eines preußischen Bataillons. — Krakehl. — Wahlen.) Aus Westphalen. (Herr Rintelen) Münster. (Das Oberlandsgericht und Temme's Prozeß.) Berlin. (Jung und Vinke. — Wiedererscheinen der Zeitungshalle. — Adresse an Waldeck. — Zwei Polizisten. — Der Staatsanwalt) Wien. (Die „finanzielle Gebahrung“ pro 1848. — Nachrichten aus Ungarn. — Eine Welden'sche Proclamation.) Prag. (Ueberwachung der politischen Lektüre. — Congreß aller Slowanska-Lipa-Vereine.) Olmütz. (Deutschland am Olmützer Hofe.) Liegnitz. (Kriminaluntersuchungen. — Cholera in Oppeln.) Breslau. (Der Kriminalsenat u[n]d die Steuerverweigerung.) Aus Schleswig-Holstein. (Die Proclamation der gemeinsamen Regierung.) Aus dem Reich. (Neuestes.)

Polen. Krakau. (Verordnung bezüglich der Emigranten). Tarnow. (Das Verfahren Oesterreichs gegen Dobrzanski).

Italien. Rom. (Mamianis Rücktritt. — Die Junta. — Ausweisung der falschen Liberalen. — Abreise Garibaldi's).

Französische Republik. Paris. (Der verantwortliche Präsident und der unverantwortliche König. — Bilanz Frankreichs. — Journalschau. — Ministerwechsel. — Passy und die hohe Finanz. — Bernard vor den Assisen).

Großbritannien. London. (Das californische Gold. — Die Chartistenprozesse. — Das Parlament. — Jahresschluß.

Schweiz. Bern. (Schweizerisch-Italienisches).

Ungarn. Preßburg. (Die k. k. Gräuel in Tyrnau). Agram. (Der magyarisch-serbische Krieg). Karlowitz. (Die serbische Bevölkerung Ungarns).

Deutschland.
* Köln, 1. Jannuar.

Statt der Schneeflocken sehen wir Ministerialrescripte durch's Land fliegen. Kaum ist das Ladenberg-Eichhorn'sche entsiegelt, kaum haben's die Lehrer in Preußen schwarz auf weiß, daß sie vor wie nach, ja schlimmer als jemals, gemaßregelt werden und wiederum der ganzen Scheußlichkeit preußischer Disciplinarvorschriften anheimfallen sollen: so läßt auch schon Hr. Manteuffel seinerseits ein Rescript vom Stapel laufen, das den „geliebten Unterthanen“ zum Neujahrsangebinde bestimmt ist.

Es naht die Zeit der octroyirten Wahlen. Noch sind nicht alle Städte in Belagerungszustand versetzt. Daher kommt's, daß an vielen Orten die „nicht genug zu verabscheuende“ Preßfreiheit, Versammlungsrecht etc. vorläufig noch in Geltung sind. Schlimm, sehr schlimm! Mögen die Preußenvereine im herzlichsten Einverständnisse mit konstitutionellen Bürgervereinen und der gottbegnadeten Kamarilla zu Potsdam ihre Wahlmanöver noch so unermüdlich betreiben: die Möglichkeit, daß die Volkssache dennoch siegen, ja die zweite Wahl am Ende weit entschiedener ausfallen könnte, als die Wahlen im Mai vorigen Jahres — diese Möglichkeit erfüllt die kontrerevolutionäre, seit November am Staatsruder befindliche Klicke, trotz ihrer Bajonette, Kanonen und patriotischen Schnurrbärte, mit Besorgniß und Schrecken. Das Land nach allen Seiten mit Plakaten und Aufrufen überschwemmen, die in der Geh. Ober-Hofbuchdruckerei auf Kosten der Steuerzahlenden gedruckt, mit unerhörten Lügen und mit den schmählichsten Verläumdungen gegen die Majorität der auseinander gewrangelten Nationalversammlung die Urwähler zu berücken suchen: das wird allerdings Früchte tragen, aber noch lange nicht genug, um die Potsdamer Kamarilla völlig zu beruhigen. Zwar gehen auch royalistische Wahlagenten durch's Land, für welche in den Staatsrechnungen manches hübsche Item unter den Extraordinariis zu finden sein würde, wenn man dergleichen — buchte. Zwar dient jeder Beamte, vom geheimsten Geheimrath bis zum öffentlichsten Wärter königl. preußischer Fasanen, zum Stimmwerber für „Gott, König und Junkerschaft“ und zum Giftmischer für die Urwähler. Gleichwohl reichen diese Mittel nicht aus.

Wozu wäre Herr Manteuffel „konstitutioneller“ Minister des Innern, wenn er nicht für die annoch fehlenden Mittel zu sorgen, die belagerunszuständlichen Lücken auszufüllen wüßte? Er weiß es und darum eben ist er „konstitutioneller“ Minister des Innern.

Sein unterm 28. Dezbr. an alle Regierungspräsidenten erlassenes Rescript ist dessen Zeuge. Das preußische Beamtenheer darf sich nicht mit den herkömmlichen Schlichen und Kniffen und mit den unter der Hand, sub rosa, erforderlichen Diensten begnügen: es soll in offener Offensive hervortreten gegen Alle, die noch von den Ereignissen, Versicherungen und Eidschwüren im Monat März plappern, gegen Alle, die wegen der Contrerevolution nicht bis in den siebenten Himmel entzückt sind, die den Grundsätzen der neuen „heiligen Allianz“ noch immer nicht den rechten Geschmack abgegewinnen konnten und die zu Deputirten andere Männer wählen möchten, als jene, die wegen ihres Verraths am Volke von der gottbegnadeten Regierung für „brav“ und probehaltig befunden und empfohlen werden.

Den Behörden wird daher aufgegeben, eifrigste Sorge zu tragen, daß durch die Wahl „patriotischer und einsichtsvoller“ Abgeordneter das „Bestehen“ der octroyirten Verfassung „sicher gestellt werde“. Was man unter „patriotischen und einsichtsvollen“ Abgeordneten am Potsdamer Hofe und Ministerium versteht: das können Leute wie Baumstark, Reichensperger, Wittgenstein, Harkort, Stupp etc. auf's Bündigste erklären.

Die Behörden müssen ferner eine „Stellung einnehmen, welche die Anhänger der konstitutionell-monarchischen Regierungsform mit Achtung und Vertrauen erfüllt und den Freunden der Ordnung und wahrer Freiheit den Muth gibt, den politischen Kampfplatz zu betreten“. Jene „Anhänger etc.“ erfüllen sich mit Achtung und Vertrauen am leichtesten unter der Herrschaft des Belagerungszustandes und der Bajonette; das gibt ihnen zugleich einen ritterlichen Muth, den politischen Kampfplatz zu betreten. Somit wird den Behörden klar sein, welche „Stellung“ sie einzunehmen haben. Es wird ihnen selbstredend zugetraut, daß sie auch die übrigen Wege, Vertrauen und Muth einzuflößen, nicht vernachlässigen werden.

Obige und ähnliche Sätze in der ersten Hälfte des ministeriellen Rescripts sind nur das versüßende Bindemittel, während die eigentlich auf Wirkung berechnete Dosis des königl. preußischen Wahlrezepts im zweiten Theil des Rescripts bezeichnet wird.

Hier wird die Aufgabe der Behörden schon näher charakterisirt. Sie sollen „jede Einschüchterung, jede Verführung fern halten, (d. h. an sich einen Selbstmord begehen), jedem unredlichen Mittel (aus Potsdam, Babelsberg, der Geh. Ober-Hofbuchdruckerei, den Preußenvereinen etc.?), jeder Art der Corruption (doch nicht der mit 4 Thlr. 8 Pfg. aus der demokratischen Centralkasse, sondern der mit Hunderttausenden von Thalern aus den Taschen des Volkes?) und Allem, was derselben in Form und Wesen ähnlich ist (wie Gratifikationen, Beförderungen, Orden, Vorschüsse aus Staatskassen, Geschenke u. s. w.) entgegen treten.“

Hr. Manteuffel wird immer „konstitutioneller“. Das Alles soll nicht „im eigenen Interesse“ geschehen, bewahre der Himmel! Wir Brandenburg-Manteuffel u. Consorten handeln ja gar nicht im Auftrage der russisch-östreichisch-preußischen „heiligen“ Allianz. Wir, seit so vielen Jahrzehenden erprobten Männer des Constitutionalismus, handeln nur im Interesse der bleibenden Beruhigung „des Landes“. Wir wollen „bleibend“, werden, konstitutionell-monarchisch so alt werden, wie Methusalem, Darum müßt nun auch Ihr, königlich-preußisch-octroyirte Behörden, im Interesse unserer und natürlich auch Euerer „bleibenden Beruhigung“ bei den Wahlen arbeiten.

Im nächsten Satze hat die Regierung mit ihren „konstitutionellen“ Organen darüber zu wachen, daß in den bevorstehenden Wahlen „der durch die schweren Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit hoffentlich geläuterte Volkswille seinen ungetrübten Ausdruck finde.“

Es steht allerdings zu hoffen, daß die „schweren Erfahrungen“ seit dem März 1848 so Manchem über das Wesen der christlich-germanischen Regierung die Augen geöffnet haben werden, der ohne diese Erfahrungen niemals klar gesehen hätte.

Die Behörden sollen weiter „dahin wirken, daß die Freiheit der Meinungsäußerung über die Wahlen und die Wahlkandidaten keine ungesetzliche Beschränkung erleide“. Potsdamer Euphemismus! Jeder Urwähler und Wahlmann, der dem Absolutismus und der Polizeiwirthschaft „von Gottes Gnaden“ seine Stimme versagt, ist eine „ungesetzliche Beschränkung“ der Friedrich-Wilhelm-Manteuffel'schen Politik.

Herr Manteuffel wird so eifrig, daß er endlich alle Grammatik vergißt und rein aus der Konstruktion fällt.

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.
Drittes Buch. Kapitel I.

Komisch würde es sich ausnehmen, wenn man auf unsern heutigen Bühnen, bei hellem lichten Tage Theater spielen wollte. Unter der ganzen gemalten Herrlichkeit würde das Eselsohr der Wirklichkeit hervorschauen. Blumen und Bäume würden ihren Glanz verlieren und Salons und prächtige Hallen würden zu wahren Ställen und schofelen Korridoren hinabsinken. Auch die Künstler würden sich ganz anders ausnehmen. Unter einem Almaviva würde man trotz der besten Maske, den Herrn Meyer erkennen, Marquis Posa käme als Herr Fischer zum Vorschein und so würde man einen Jeden an seinen Blatternarben erkennen, an seinem schlechten Schnurrbart oder an irgend einer andern Vernachlässigung der Schöpfung, und der Herr Direktor würde bald vergebens sein Haus zu füllen suchen.

Wie es dem Direktor mit dem Theater geht, so ging es mir mit der Herzogin von S. Meine letzten Schilderungen würden ebenfalls hübscher geworden sein, wenn ich sie beim Lampenlicht hätte geben können. Aber nur in trocknen Worten, bei unzweifelhaftem Tageslichte mußte ich die Schönheiten jener hohen Dame zergliedern; da half kein Bitten und kein Flehen, die Sache wollte nun einmal beschrieben sein, so oder so, jedenfalls aber gemäß der Wahrheit, und leider mußte ich gehorchen. Meine Leser werden bemerkt haben, daß dies nur mit großem Widerstreben geschah, ich zog die Sache so viel wie möglich in die Länge, und würde mich durch das Zwischenschieben anderer fremdartiger Geschichten wohl noch länger dagegen gesträubt haben, wenn mich mein Gewissen nicht daran erinnert hätte, daß es besser sei, lieber um kein Haar breit von meinem Texte abzuweichen, und allein der Wahrheit die Ehre zu geben.

Ich blieb bei der Wahrheit und ich war deshalb zehnmal weniger interessant, als wenn ich die Göttin der Lüge umarmt hätte. Wahrheit und Lüge! Die Göttin der Wahrheit ist wie ein sechs Fuß hohes Mädchen, mit blonden Haaren und mit kaltem aber schneeweißem Teint. Aus zwei großen blauen Augen, die wie zwei Himmel in ruhig heiterer Herrlichkeit zu dir herniederlächeln, schaut dich die Seele der reinen keuschen Göttin, so unbefangen und doch so feierlich an, daß du nur schüchtern zu nahen wagst, um ihr höchstens die Stirn zu küssen, die hohe, olympische Stirn, und dann eines Befehles zu harren in banger Unterwürfigkeit, den langen, lieben, langweiligen Tag. Es geht uns mit der Wahrheit wie Cupido mit den sämmtlichen Musen. Ich entsinne mich nämlich gelesen zu haben, sagt Meister Alcofribas daß einst Cupido, den seine Mutter Venus frug, warum er nicht die Musen anfiel, zur Antwort gab, er fände sie so schön, rein, ehrbar, sittsam und stets beschäftigt, die eine mit Betrachtung der Sterne, die andere mit Berechnung der Zahlen, die dritte mit geometrischen Maßen, die vierte mit rednerischer Erfindung, die fünfte mit poetischen Künsten, die sechste mit Musiksetzung u. s. w., daß er, wenn er zu ihnen käme, seinen Bogen abspannte, den Köcher zuschlöß, und die Fackel verlöschte, aus Scham und Scheu ihnen weh zu thun. Auch nähme er sich die Binde von den Augen, sie offenen Angesichts zu schauen, ihre artigen Lieder und Oden zu hören, dies wäre ihm die größte Lust der Welt, so daß er sich öfters schier verzückt fühle in ihrer Anmuth und Lieblichkeit, ja, in der Harmonie entschliefe, geschweige, daß er sie überfallen oder von ihren Studien sollte abziehen. — So geht es uns denn auch mit der Wahrheit.

O wie anders ist es mit der Lüge! Die Göttin der Lüge, oder der Phantasie, wenn ihr sie lieber so nennen wollt, ist nicht wie die der Wahrheit, ihre sechs Fuß hoch; sie trägt auch keine blonden Haare — nein, eine kleine schwarz oder braun gelockte Person ist sie, südlich dunkler Gesichtsfarbe, mit schelmischem Rosenmund und so verführerisch zierlich an Taille, Händen und Füßen, daß man wirklich gleich auf allerlei Irrwege gerathen würde, wenn die beiden feurigen Augen der Kleinen nicht so sehnsüchtig verlangten, daß man sich taumelnd in ihnen verlöre, wie eine Mücke im flammenden Lichte. Ruhig nicht und ernst ist die reizende Göttin, nein, sie ist lebendig, beweglich; sie tanzt und singt und schmückt ihre Locken mit lustigen Blumen, lachend und weinend, wie es ihr grade einfällt und immer bleibt sie graziös. Der Wahrheit mußt du huldigen wie einer Königin, und was sie dir giebt, das giebt sie dir aus Gnade. Nicht so die Phantasie. Statt ihr nachzulaufen, läuft sie mitunter dir nach, und bist du ein hübscher Junge, da besucht sie dich in den Nächten des Frühlings und schlingt ihre weichen Arme um deinen Nacken und küßt dich und am Morgen wachst du verwundert auf. Die nackte Wahrheit ist eine englische Ehefrau; die schöne Lüge eine französische Grisette.

Doch zurück zu Schnapphahnski!

Es war die höchste Zeit, daß unser Ritter in seinen Unternehmungen reussirte; er siegte noch gerade zur rechten Zeit über die Herzogin; ihre Großmuth konnte ihn noch retten. Die bedeutenden Besitzungen der Schnapphahnski'schen Familie im östreichischen Schlesien, sollten nemlich öffentlich verkauft werden, da der Ritter nicht mehr im Stande war, sie zu halten. Schon war der Versteigerungstermin bestimmt, und ein Bevollmächtigter des K. von H. präsentirte sich, um die enorme Besitzung zu erstehen. Da trat jene Wendung in dem Leben unseres Ritters ein … Die Herzogin von S. schwärmte für Schnapphahnski und kein Opfer war ihr zu groß, um dem unglücklichen Manne zu helfen. Durch ihren Einfluß wußte sie es dahin zu bringen, daß der K. von H. seinen Bevollmächtigten zurückzog, und die Idee des Kaufes fahren ließ — — Andere Bieter waren bei der ungemeinen Beträchtlichkeit der Herrschaft nicht zu fürchten, und nicht vorhanden und die Herzogin gab dann dem Ritter 200,000 Thaler, da-

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        <p>Für Frankreich übernimmt Abonnements <hi rendition="#b">Herr</hi> Dr. <hi rendition="#b">Ewerbeck, rue de l'Ulm 33</hi> in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die belgischen Briefpostämter, für Großbrittanien: <hi rendition="#b">Mr. Thomas, Catherine Street-strand in London</hi> und das belgische Briefpostamt in Ostende.</p>
        <p>Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für <hi rendition="#g">Köln</hi> <hi rendition="#b">nur 1</hi> <hi rendition="#g">Thlr</hi>. <hi rendition="#b">7</hi> <hi rendition="#g">Sgr</hi>. <hi rendition="#b">6</hi> <hi rendition="#g">Pf</hi>., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) <hi rendition="#b">nur 1</hi> <hi rendition="#g">Thlr</hi>. <hi rendition="#b">17</hi> Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu.</p>
        <p>Die Redaktion bleibt unverändert.</p>
        <p> <hi rendition="#b">Die bisherigen Monatsgänge der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die &#x201E;N. Rh. Ztg.&#x201C; ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie.</hi> </p>
        <p><hi rendition="#g">Inserate:</hi> Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.</p>
        <p>Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung.</p>
        <p> <hi rendition="#b">Die Gerantur der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung.&#x201C;</hi> </p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Verurtheilung von L. Raveaux in Wien. &#x2014; Manteuffel'sches Wahlrescript.) Aachen. (Einrücken eines preußischen Bataillons. &#x2014; Krakehl. &#x2014; Wahlen.) Aus Westphalen. (Herr Rintelen) Münster. (Das Oberlandsgericht und Temme's Prozeß.) Berlin. (Jung und Vinke. &#x2014; Wiedererscheinen der Zeitungshalle. &#x2014; Adresse an Waldeck. &#x2014; Zwei Polizisten. &#x2014; Der Staatsanwalt) Wien. (Die &#x201E;finanzielle Gebahrung&#x201C; pro 1848. &#x2014; Nachrichten aus Ungarn. &#x2014; Eine Welden'sche Proclamation.) Prag. (Ueberwachung der politischen Lektüre. &#x2014; Congreß aller Slowanska-Lipa-Vereine.) Olmütz. (Deutschland am Olmützer Hofe.) Liegnitz. (Kriminaluntersuchungen. &#x2014; Cholera in Oppeln.) Breslau. (Der Kriminalsenat u[n]d die Steuerverweigerung.) Aus Schleswig-Holstein. (Die Proclamation der gemeinsamen Regierung.) Aus dem Reich. (Neuestes.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Polen</hi>. Krakau. (Verordnung bezüglich der Emigranten). Tarnow. (Das Verfahren Oesterreichs gegen Dobrzanski).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Rom. (Mamianis Rücktritt. &#x2014; Die Junta. &#x2014; Ausweisung der falschen Liberalen. &#x2014; Abreise Garibaldi's).</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (Der verantwortliche Präsident und der unverantwortliche König. &#x2014; Bilanz Frankreichs. &#x2014; Journalschau. &#x2014; Ministerwechsel. &#x2014; Passy und die hohe Finanz. &#x2014; Bernard vor den Assisen).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. London. (Das californische Gold. &#x2014; Die Chartistenprozesse. &#x2014; Das Parlament. &#x2014; Jahresschluß.</p>
        <p><hi rendition="#g">Schweiz</hi>. Bern. (Schweizerisch-Italienisches).</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. Preßburg. (Die k. k. Gräuel in Tyrnau). Agram. (Der magyarisch-serbische Krieg). Karlowitz. (Die serbische Bevölkerung Ungarns).</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 1. Jannuar.</head>
          <p>Statt der Schneeflocken sehen wir Ministerialrescripte durch's Land fliegen. Kaum ist das Ladenberg-Eichhorn'sche entsiegelt, kaum haben's die Lehrer in Preußen schwarz auf weiß, daß sie vor wie nach, ja schlimmer als jemals, gemaßregelt werden und wiederum der ganzen Scheußlichkeit preußischer Disciplinarvorschriften anheimfallen sollen: so läßt auch schon Hr. Manteuffel seinerseits ein Rescript vom Stapel laufen, das den &#x201E;geliebten Unterthanen&#x201C; zum Neujahrsangebinde bestimmt ist.</p>
          <p>Es naht die Zeit der octroyirten Wahlen. Noch sind nicht alle Städte in Belagerungszustand versetzt. Daher kommt's, daß an vielen Orten die &#x201E;nicht genug zu verabscheuende&#x201C; Preßfreiheit, Versammlungsrecht etc. vorläufig noch in Geltung sind. Schlimm, sehr schlimm! Mögen die Preußenvereine im herzlichsten Einverständnisse mit konstitutionellen Bürgervereinen und der gottbegnadeten Kamarilla zu Potsdam ihre Wahlmanöver noch so unermüdlich betreiben: die Möglichkeit, daß die Volkssache dennoch siegen, ja die zweite Wahl am Ende weit entschiedener ausfallen könnte, als die Wahlen im Mai vorigen Jahres &#x2014; diese Möglichkeit erfüllt die kontrerevolutionäre, seit November am Staatsruder befindliche Klicke, trotz ihrer Bajonette, Kanonen und patriotischen Schnurrbärte, mit Besorgniß und Schrecken. Das Land nach allen Seiten mit Plakaten und Aufrufen überschwemmen, die in der Geh. Ober-Hofbuchdruckerei auf Kosten der Steuerzahlenden gedruckt, mit unerhörten Lügen und mit den schmählichsten Verläumdungen gegen die Majorität der auseinander gewrangelten Nationalversammlung die Urwähler zu berücken suchen: das wird allerdings Früchte tragen, aber noch lange nicht genug, um die Potsdamer Kamarilla völlig zu beruhigen. Zwar gehen auch royalistische Wahlagenten durch's Land, für welche in den Staatsrechnungen manches hübsche Item unter den Extraordinariis zu finden sein würde, wenn man dergleichen &#x2014; buchte. Zwar dient jeder Beamte, vom geheimsten Geheimrath bis zum öffentlichsten Wärter königl. preußischer Fasanen, zum Stimmwerber für &#x201E;Gott, König und Junkerschaft&#x201C; und zum Giftmischer für die Urwähler. Gleichwohl reichen diese Mittel nicht aus.</p>
          <p>Wozu wäre Herr Manteuffel &#x201E;konstitutioneller&#x201C; Minister des Innern, wenn er nicht für die annoch fehlenden Mittel zu sorgen, die belagerunszuständlichen Lücken auszufüllen wüßte? Er weiß es und darum eben ist er &#x201E;konstitutioneller&#x201C; Minister des Innern.</p>
          <p>Sein unterm 28. Dezbr. an alle Regierungspräsidenten erlassenes Rescript ist dessen Zeuge. Das preußische Beamtenheer darf sich nicht mit den herkömmlichen Schlichen und Kniffen und mit den unter der Hand, sub rosa, erforderlichen Diensten begnügen: es soll in offener Offensive hervortreten gegen Alle, die noch von den Ereignissen, Versicherungen und Eidschwüren im Monat März plappern, gegen Alle, die wegen der Contrerevolution nicht bis in den siebenten Himmel entzückt sind, die den Grundsätzen der neuen &#x201E;heiligen Allianz&#x201C; noch immer nicht den rechten Geschmack abgegewinnen konnten und die zu Deputirten andere Männer wählen möchten, als jene, die wegen ihres Verraths am Volke von der gottbegnadeten Regierung für &#x201E;brav&#x201C; und probehaltig befunden und empfohlen werden.</p>
          <p>Den Behörden wird daher aufgegeben, eifrigste Sorge zu tragen, daß durch die Wahl &#x201E;patriotischer und einsichtsvoller&#x201C; Abgeordneter das &#x201E;Bestehen&#x201C; der octroyirten Verfassung &#x201E;sicher gestellt werde&#x201C;. Was man unter &#x201E;patriotischen und einsichtsvollen&#x201C; Abgeordneten am Potsdamer Hofe und Ministerium versteht: das können Leute wie Baumstark, Reichensperger, Wittgenstein, Harkort, Stupp etc. auf's Bündigste erklären.</p>
          <p>Die Behörden müssen ferner eine &#x201E;Stellung einnehmen, welche die Anhänger der konstitutionell-monarchischen Regierungsform mit Achtung und Vertrauen erfüllt und den Freunden der Ordnung und wahrer Freiheit den Muth gibt, den politischen Kampfplatz zu betreten&#x201C;. Jene &#x201E;Anhänger etc.&#x201C; erfüllen sich mit Achtung und Vertrauen am leichtesten unter der Herrschaft des Belagerungszustandes und der Bajonette; das gibt ihnen zugleich einen ritterlichen Muth, den politischen Kampfplatz zu betreten. Somit wird den Behörden klar sein, welche &#x201E;Stellung&#x201C; sie einzunehmen haben. Es wird ihnen selbstredend zugetraut, daß sie auch die übrigen Wege, Vertrauen und Muth einzuflößen, nicht vernachlässigen werden.</p>
          <p>Obige und ähnliche Sätze in der ersten Hälfte des ministeriellen Rescripts sind nur das versüßende Bindemittel, während die eigentlich auf Wirkung berechnete Dosis des königl. preußischen Wahlrezepts im zweiten Theil des Rescripts bezeichnet wird.</p>
          <p>Hier wird die Aufgabe der Behörden schon näher charakterisirt. Sie sollen &#x201E;jede Einschüchterung, jede Verführung fern halten, (d. h. an sich einen Selbstmord begehen), jedem unredlichen Mittel (aus Potsdam, Babelsberg, der Geh. Ober-Hofbuchdruckerei, den Preußenvereinen etc.?), jeder Art der Corruption (doch nicht der mit 4 Thlr. 8 Pfg. aus der demokratischen Centralkasse, sondern der mit Hunderttausenden von Thalern aus den Taschen des Volkes?) und Allem, was derselben in Form und Wesen ähnlich ist (wie Gratifikationen, Beförderungen, Orden, Vorschüsse aus Staatskassen, Geschenke u. s. w.) entgegen treten.&#x201C;</p>
          <p>Hr. Manteuffel wird immer &#x201E;konstitutioneller&#x201C;. Das Alles soll nicht &#x201E;im eigenen Interesse&#x201C; geschehen, bewahre der Himmel! Wir Brandenburg-Manteuffel u. Consorten handeln ja gar nicht im Auftrage der russisch-östreichisch-preußischen &#x201E;heiligen&#x201C; Allianz. Wir, seit so vielen Jahrzehenden erprobten Männer des Constitutionalismus, handeln nur im Interesse der <hi rendition="#g">bleibenden</hi> Beruhigung &#x201E;des Landes&#x201C;. Wir wollen &#x201E;bleibend&#x201C;, werden, konstitutionell-monarchisch so alt werden, wie Methusalem, Darum müßt nun auch Ihr, königlich-preußisch-octroyirte Behörden, im Interesse unserer und natürlich auch Euerer &#x201E;<hi rendition="#g">bleibenden</hi> Beruhigung&#x201C; bei den Wahlen arbeiten.</p>
          <p>Im nächsten Satze hat die Regierung mit ihren &#x201E;konstitutionellen&#x201C; Organen darüber zu wachen, daß in den bevorstehenden Wahlen &#x201E;der durch die schweren Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit hoffentlich geläuterte Volkswille seinen ungetrübten Ausdruck finde.&#x201C;</p>
          <p>Es steht allerdings zu hoffen, daß die &#x201E;schweren Erfahrungen&#x201C; seit dem März 1848 so Manchem über das Wesen der christlich-germanischen Regierung die Augen geöffnet haben werden, der ohne diese Erfahrungen niemals klar gesehen hätte.</p>
          <p>Die Behörden sollen weiter &#x201E;dahin wirken, daß die Freiheit der Meinungsäußerung über die Wahlen und die Wahlkandidaten keine ungesetzliche Beschränkung erleide&#x201C;. Potsdamer Euphemismus! Jeder Urwähler und Wahlmann, der dem Absolutismus und der Polizeiwirthschaft &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; seine Stimme versagt, ist eine &#x201E;ungesetzliche Beschränkung&#x201C; der Friedrich-Wilhelm-Manteuffel'schen Politik.</p>
          <p>Herr Manteuffel wird so eifrig, daß er endlich alle Grammatik vergißt und rein aus der Konstruktion fällt.</p>
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          <head>Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.<lb/>
Drittes Buch. Kapitel I.</head>
          <p>Komisch würde es sich ausnehmen, wenn man auf unsern heutigen Bühnen, bei hellem lichten Tage Theater spielen wollte. Unter der ganzen gemalten Herrlichkeit würde das Eselsohr der Wirklichkeit hervorschauen. Blumen und Bäume würden ihren Glanz verlieren und Salons und prächtige Hallen würden zu wahren Ställen und schofelen Korridoren hinabsinken. Auch die Künstler würden sich ganz anders ausnehmen. Unter einem Almaviva würde man trotz der besten Maske, den Herrn Meyer erkennen, Marquis Posa käme als Herr Fischer zum Vorschein und so würde man einen Jeden an seinen Blatternarben erkennen, an seinem schlechten Schnurrbart oder an irgend einer andern Vernachlässigung der Schöpfung, und der Herr Direktor würde bald vergebens sein Haus zu füllen suchen.</p>
          <p>Wie es dem Direktor mit dem Theater geht, so ging es mir mit der Herzogin von S. Meine letzten Schilderungen würden ebenfalls hübscher geworden sein, wenn ich sie beim Lampenlicht hätte geben können. Aber nur in trocknen Worten, bei unzweifelhaftem Tageslichte mußte ich die Schönheiten jener hohen Dame zergliedern; da half kein Bitten und kein Flehen, die Sache wollte nun einmal beschrieben sein, so oder so, jedenfalls aber gemäß der Wahrheit, und leider mußte ich gehorchen. Meine Leser werden bemerkt haben, daß dies nur mit großem Widerstreben geschah, ich zog die Sache so viel wie möglich in die Länge, und würde mich durch das Zwischenschieben anderer fremdartiger Geschichten wohl noch länger dagegen gesträubt haben, wenn mich mein Gewissen nicht daran erinnert hätte, daß es besser sei, lieber um kein Haar breit von meinem Texte abzuweichen, und allein der Wahrheit die Ehre zu geben.</p>
          <p>Ich blieb bei der Wahrheit und ich war deshalb zehnmal weniger interessant, als wenn ich die Göttin der Lüge umarmt hätte. Wahrheit und Lüge! Die Göttin der Wahrheit ist wie ein sechs Fuß hohes Mädchen, mit blonden Haaren und mit kaltem aber schneeweißem Teint. Aus zwei großen blauen Augen, die wie zwei Himmel in ruhig heiterer Herrlichkeit zu dir herniederlächeln, schaut dich die Seele der reinen keuschen Göttin, so unbefangen und doch so feierlich an, daß du nur schüchtern zu nahen wagst, um ihr höchstens die Stirn zu küssen, die hohe, olympische Stirn, und dann eines Befehles zu harren in banger Unterwürfigkeit, den langen, lieben, langweiligen Tag. Es geht uns mit der Wahrheit wie Cupido mit den sämmtlichen Musen. Ich entsinne mich nämlich gelesen zu haben, sagt Meister Alcofribas daß einst Cupido, den seine Mutter Venus frug, warum er nicht die Musen anfiel, zur Antwort gab, er fände sie so schön, rein, ehrbar, sittsam und stets beschäftigt, die eine mit Betrachtung der Sterne, die andere mit Berechnung der Zahlen, die dritte mit geometrischen Maßen, die vierte mit rednerischer Erfindung, die fünfte mit poetischen Künsten, die sechste mit Musiksetzung u. s. w., daß er, wenn er zu ihnen käme, seinen Bogen abspannte, den Köcher zuschlöß, und die Fackel verlöschte, aus Scham und Scheu ihnen weh zu thun. Auch nähme er sich die Binde von den Augen, sie offenen Angesichts zu schauen, ihre artigen Lieder und Oden zu hören, dies wäre ihm die größte Lust der Welt, so daß er sich öfters schier verzückt fühle in ihrer Anmuth und Lieblichkeit, ja, in der Harmonie entschliefe, geschweige, daß er sie überfallen oder von ihren Studien sollte abziehen. &#x2014; So geht es uns denn auch mit der Wahrheit.</p>
          <p>O wie anders ist es mit der Lüge! Die Göttin der Lüge, oder der Phantasie, wenn ihr sie lieber so nennen wollt, ist nicht wie die der Wahrheit, ihre sechs Fuß hoch; sie trägt auch keine blonden Haare &#x2014; nein, eine kleine schwarz oder braun gelockte Person ist sie, südlich dunkler Gesichtsfarbe, mit schelmischem Rosenmund und so verführerisch zierlich an Taille, Händen und Füßen, daß man wirklich gleich auf allerlei Irrwege gerathen würde, wenn die beiden feurigen Augen der Kleinen nicht so sehnsüchtig verlangten, daß man sich taumelnd in ihnen verlöre, wie eine Mücke im flammenden Lichte. Ruhig nicht und ernst ist die reizende Göttin, nein, sie ist lebendig, beweglich; sie tanzt und singt und schmückt ihre Locken mit lustigen Blumen, lachend und weinend, wie es ihr grade einfällt und immer bleibt sie graziös. Der Wahrheit mußt du huldigen wie einer Königin, und was sie dir giebt, das giebt sie dir aus Gnade. Nicht so die Phantasie. Statt ihr nachzulaufen, läuft sie mitunter dir nach, und bist du ein hübscher Junge, da besucht sie dich in den Nächten des Frühlings und schlingt ihre weichen Arme um deinen Nacken und küßt dich und am Morgen wachst du verwundert auf. Die nackte Wahrheit ist eine englische Ehefrau; die schöne Lüge eine französische Grisette.</p>
          <p>Doch zurück zu Schnapphahnski!</p>
          <p>Es war die höchste Zeit, daß unser Ritter in seinen Unternehmungen reussirte; er siegte noch gerade zur rechten Zeit über die Herzogin; ihre Großmuth konnte ihn noch retten. Die bedeutenden Besitzungen der Schnapphahnski'schen Familie im östreichischen Schlesien, sollten nemlich öffentlich verkauft werden, da der Ritter nicht mehr im Stande war, sie zu halten. Schon war der <hi rendition="#g">Versteigerungstermin bestimmt,</hi> und ein Bevollmächtigter des K. von H. präsentirte sich, um die enorme Besitzung zu erstehen. Da trat jene Wendung in dem Leben unseres Ritters ein &#x2026; Die Herzogin von S. schwärmte für Schnapphahnski und kein Opfer war ihr zu groß, um dem unglücklichen Manne zu helfen. Durch ihren Einfluß wußte sie es dahin zu bringen, daß der K. von H. seinen Bevollmächtigten zurückzog, und die Idee des Kaufes fahren ließ &#x2014; &#x2014; Andere Bieter waren bei der ungemeinen Beträchtlichkeit der Herrschaft nicht zu fürchten, und nicht vorhanden und die Herzogin gab dann dem Ritter 200,000 Thaler, da-
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</TEI>
[0997/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 185. Köln, Mittwoch den 3. Januar. 1849. Bestellungen auf die „Neue Rheinische Zeitung“ für das jetzige Quartal, Januar bis März 1849, wolle man baldigst machen und zwar in Köln bei der Expedition der Zeitung (unter Hutmacher Nr. 17), auswärts bei allen Postanstalten Deutschlands. Für Frankreich übernimmt Abonnements Herr Dr. Ewerbeck, rue de l'Ulm 33 in Paris und das königl. Oberpostamt in Aachen, für Holland und Belgien: die belgischen Briefpostämter, für Großbrittanien: Mr. Thomas, Catherine Street-strand in London und das belgische Briefpostamt in Ostende. Durch den Wegfall des Stempels wird der Abonnementspreis ermäßigt und beträgt von jetzt ab für Köln nur 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., bei allen preußischen Postanstalten, (das Porto einbegriffen) nur 1 Thlr. 17 Sgr. vierteljährlich; für Abonnenten im übrigen Deutschland tritt ein verhältnißmäßiger Postaufschlag hinzu. Die Redaktion bleibt unverändert. Die bisherigen Monatsgänge der „Neuen Rheinischen Zeitung“ sind ihr Programm. Durch ihre persönlichen Verbindungen mit den Chefs der demokratischen Partei in England, Frankreich, Italien, Belgien und Nordamerika ist die Redaktion in Stand gesetzt, ihren Lesern die politisch-soziale Bewegung des Auslandes richtiger und klarer abzuspiegeln, als irgend ein anderes Blatt. Die „N. Rh. Ztg.“ ist in dieser Beziehung nicht blos das Organ der deutschen, sondern der europäischen Demokratie. Inserate: Die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen unseres Blattes eine sehr weite Verbreitung. Die Gerantur der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Uebersicht. Deutschland. Köln. (Verurtheilung von L. Raveaux in Wien. — Manteuffel'sches Wahlrescript.) Aachen. (Einrücken eines preußischen Bataillons. — Krakehl. — Wahlen.) Aus Westphalen. (Herr Rintelen) Münster. (Das Oberlandsgericht und Temme's Prozeß.) Berlin. (Jung und Vinke. — Wiedererscheinen der Zeitungshalle. — Adresse an Waldeck. — Zwei Polizisten. — Der Staatsanwalt) Wien. (Die „finanzielle Gebahrung“ pro 1848. — Nachrichten aus Ungarn. — Eine Welden'sche Proclamation.) Prag. (Ueberwachung der politischen Lektüre. — Congreß aller Slowanska-Lipa-Vereine.) Olmütz. (Deutschland am Olmützer Hofe.) Liegnitz. (Kriminaluntersuchungen. — Cholera in Oppeln.) Breslau. (Der Kriminalsenat u[n]d die Steuerverweigerung.) Aus Schleswig-Holstein. (Die Proclamation der gemeinsamen Regierung.) Aus dem Reich. (Neuestes.) Polen. Krakau. (Verordnung bezüglich der Emigranten). Tarnow. (Das Verfahren Oesterreichs gegen Dobrzanski). Italien. Rom. (Mamianis Rücktritt. — Die Junta. — Ausweisung der falschen Liberalen. — Abreise Garibaldi's). Französische Republik. Paris. (Der verantwortliche Präsident und der unverantwortliche König. — Bilanz Frankreichs. — Journalschau. — Ministerwechsel. — Passy und die hohe Finanz. — Bernard vor den Assisen). Großbritannien. London. (Das californische Gold. — Die Chartistenprozesse. — Das Parlament. — Jahresschluß. Schweiz. Bern. (Schweizerisch-Italienisches). Ungarn. Preßburg. (Die k. k. Gräuel in Tyrnau). Agram. (Der magyarisch-serbische Krieg). Karlowitz. (Die serbische Bevölkerung Ungarns). Deutschland. * Köln, 1. Jannuar. Statt der Schneeflocken sehen wir Ministerialrescripte durch's Land fliegen. Kaum ist das Ladenberg-Eichhorn'sche entsiegelt, kaum haben's die Lehrer in Preußen schwarz auf weiß, daß sie vor wie nach, ja schlimmer als jemals, gemaßregelt werden und wiederum der ganzen Scheußlichkeit preußischer Disciplinarvorschriften anheimfallen sollen: so läßt auch schon Hr. Manteuffel seinerseits ein Rescript vom Stapel laufen, das den „geliebten Unterthanen“ zum Neujahrsangebinde bestimmt ist. Es naht die Zeit der octroyirten Wahlen. Noch sind nicht alle Städte in Belagerungszustand versetzt. Daher kommt's, daß an vielen Orten die „nicht genug zu verabscheuende“ Preßfreiheit, Versammlungsrecht etc. vorläufig noch in Geltung sind. Schlimm, sehr schlimm! Mögen die Preußenvereine im herzlichsten Einverständnisse mit konstitutionellen Bürgervereinen und der gottbegnadeten Kamarilla zu Potsdam ihre Wahlmanöver noch so unermüdlich betreiben: die Möglichkeit, daß die Volkssache dennoch siegen, ja die zweite Wahl am Ende weit entschiedener ausfallen könnte, als die Wahlen im Mai vorigen Jahres — diese Möglichkeit erfüllt die kontrerevolutionäre, seit November am Staatsruder befindliche Klicke, trotz ihrer Bajonette, Kanonen und patriotischen Schnurrbärte, mit Besorgniß und Schrecken. Das Land nach allen Seiten mit Plakaten und Aufrufen überschwemmen, die in der Geh. Ober-Hofbuchdruckerei auf Kosten der Steuerzahlenden gedruckt, mit unerhörten Lügen und mit den schmählichsten Verläumdungen gegen die Majorität der auseinander gewrangelten Nationalversammlung die Urwähler zu berücken suchen: das wird allerdings Früchte tragen, aber noch lange nicht genug, um die Potsdamer Kamarilla völlig zu beruhigen. Zwar gehen auch royalistische Wahlagenten durch's Land, für welche in den Staatsrechnungen manches hübsche Item unter den Extraordinariis zu finden sein würde, wenn man dergleichen — buchte. Zwar dient jeder Beamte, vom geheimsten Geheimrath bis zum öffentlichsten Wärter königl. preußischer Fasanen, zum Stimmwerber für „Gott, König und Junkerschaft“ und zum Giftmischer für die Urwähler. Gleichwohl reichen diese Mittel nicht aus. Wozu wäre Herr Manteuffel „konstitutioneller“ Minister des Innern, wenn er nicht für die annoch fehlenden Mittel zu sorgen, die belagerunszuständlichen Lücken auszufüllen wüßte? Er weiß es und darum eben ist er „konstitutioneller“ Minister des Innern. Sein unterm 28. Dezbr. an alle Regierungspräsidenten erlassenes Rescript ist dessen Zeuge. Das preußische Beamtenheer darf sich nicht mit den herkömmlichen Schlichen und Kniffen und mit den unter der Hand, sub rosa, erforderlichen Diensten begnügen: es soll in offener Offensive hervortreten gegen Alle, die noch von den Ereignissen, Versicherungen und Eidschwüren im Monat März plappern, gegen Alle, die wegen der Contrerevolution nicht bis in den siebenten Himmel entzückt sind, die den Grundsätzen der neuen „heiligen Allianz“ noch immer nicht den rechten Geschmack abgegewinnen konnten und die zu Deputirten andere Männer wählen möchten, als jene, die wegen ihres Verraths am Volke von der gottbegnadeten Regierung für „brav“ und probehaltig befunden und empfohlen werden. Den Behörden wird daher aufgegeben, eifrigste Sorge zu tragen, daß durch die Wahl „patriotischer und einsichtsvoller“ Abgeordneter das „Bestehen“ der octroyirten Verfassung „sicher gestellt werde“. Was man unter „patriotischen und einsichtsvollen“ Abgeordneten am Potsdamer Hofe und Ministerium versteht: das können Leute wie Baumstark, Reichensperger, Wittgenstein, Harkort, Stupp etc. auf's Bündigste erklären. Die Behörden müssen ferner eine „Stellung einnehmen, welche die Anhänger der konstitutionell-monarchischen Regierungsform mit Achtung und Vertrauen erfüllt und den Freunden der Ordnung und wahrer Freiheit den Muth gibt, den politischen Kampfplatz zu betreten“. Jene „Anhänger etc.“ erfüllen sich mit Achtung und Vertrauen am leichtesten unter der Herrschaft des Belagerungszustandes und der Bajonette; das gibt ihnen zugleich einen ritterlichen Muth, den politischen Kampfplatz zu betreten. Somit wird den Behörden klar sein, welche „Stellung“ sie einzunehmen haben. Es wird ihnen selbstredend zugetraut, daß sie auch die übrigen Wege, Vertrauen und Muth einzuflößen, nicht vernachlässigen werden. Obige und ähnliche Sätze in der ersten Hälfte des ministeriellen Rescripts sind nur das versüßende Bindemittel, während die eigentlich auf Wirkung berechnete Dosis des königl. preußischen Wahlrezepts im zweiten Theil des Rescripts bezeichnet wird. Hier wird die Aufgabe der Behörden schon näher charakterisirt. Sie sollen „jede Einschüchterung, jede Verführung fern halten, (d. h. an sich einen Selbstmord begehen), jedem unredlichen Mittel (aus Potsdam, Babelsberg, der Geh. Ober-Hofbuchdruckerei, den Preußenvereinen etc.?), jeder Art der Corruption (doch nicht der mit 4 Thlr. 8 Pfg. aus der demokratischen Centralkasse, sondern der mit Hunderttausenden von Thalern aus den Taschen des Volkes?) und Allem, was derselben in Form und Wesen ähnlich ist (wie Gratifikationen, Beförderungen, Orden, Vorschüsse aus Staatskassen, Geschenke u. s. w.) entgegen treten.“ Hr. Manteuffel wird immer „konstitutioneller“. Das Alles soll nicht „im eigenen Interesse“ geschehen, bewahre der Himmel! Wir Brandenburg-Manteuffel u. Consorten handeln ja gar nicht im Auftrage der russisch-östreichisch-preußischen „heiligen“ Allianz. Wir, seit so vielen Jahrzehenden erprobten Männer des Constitutionalismus, handeln nur im Interesse der bleibenden Beruhigung „des Landes“. Wir wollen „bleibend“, werden, konstitutionell-monarchisch so alt werden, wie Methusalem, Darum müßt nun auch Ihr, königlich-preußisch-octroyirte Behörden, im Interesse unserer und natürlich auch Euerer „bleibenden Beruhigung“ bei den Wahlen arbeiten. Im nächsten Satze hat die Regierung mit ihren „konstitutionellen“ Organen darüber zu wachen, daß in den bevorstehenden Wahlen „der durch die schweren Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit hoffentlich geläuterte Volkswille seinen ungetrübten Ausdruck finde.“ Es steht allerdings zu hoffen, daß die „schweren Erfahrungen“ seit dem März 1848 so Manchem über das Wesen der christlich-germanischen Regierung die Augen geöffnet haben werden, der ohne diese Erfahrungen niemals klar gesehen hätte. Die Behörden sollen weiter „dahin wirken, daß die Freiheit der Meinungsäußerung über die Wahlen und die Wahlkandidaten keine ungesetzliche Beschränkung erleide“. Potsdamer Euphemismus! Jeder Urwähler und Wahlmann, der dem Absolutismus und der Polizeiwirthschaft „von Gottes Gnaden“ seine Stimme versagt, ist eine „ungesetzliche Beschränkung“ der Friedrich-Wilhelm-Manteuffel'schen Politik. Herr Manteuffel wird so eifrig, daß er endlich alle Grammatik vergißt und rein aus der Konstruktion fällt. Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Drittes Buch. Kapitel I. Komisch würde es sich ausnehmen, wenn man auf unsern heutigen Bühnen, bei hellem lichten Tage Theater spielen wollte. Unter der ganzen gemalten Herrlichkeit würde das Eselsohr der Wirklichkeit hervorschauen. Blumen und Bäume würden ihren Glanz verlieren und Salons und prächtige Hallen würden zu wahren Ställen und schofelen Korridoren hinabsinken. Auch die Künstler würden sich ganz anders ausnehmen. Unter einem Almaviva würde man trotz der besten Maske, den Herrn Meyer erkennen, Marquis Posa käme als Herr Fischer zum Vorschein und so würde man einen Jeden an seinen Blatternarben erkennen, an seinem schlechten Schnurrbart oder an irgend einer andern Vernachlässigung der Schöpfung, und der Herr Direktor würde bald vergebens sein Haus zu füllen suchen. Wie es dem Direktor mit dem Theater geht, so ging es mir mit der Herzogin von S. Meine letzten Schilderungen würden ebenfalls hübscher geworden sein, wenn ich sie beim Lampenlicht hätte geben können. Aber nur in trocknen Worten, bei unzweifelhaftem Tageslichte mußte ich die Schönheiten jener hohen Dame zergliedern; da half kein Bitten und kein Flehen, die Sache wollte nun einmal beschrieben sein, so oder so, jedenfalls aber gemäß der Wahrheit, und leider mußte ich gehorchen. Meine Leser werden bemerkt haben, daß dies nur mit großem Widerstreben geschah, ich zog die Sache so viel wie möglich in die Länge, und würde mich durch das Zwischenschieben anderer fremdartiger Geschichten wohl noch länger dagegen gesträubt haben, wenn mich mein Gewissen nicht daran erinnert hätte, daß es besser sei, lieber um kein Haar breit von meinem Texte abzuweichen, und allein der Wahrheit die Ehre zu geben. Ich blieb bei der Wahrheit und ich war deshalb zehnmal weniger interessant, als wenn ich die Göttin der Lüge umarmt hätte. Wahrheit und Lüge! Die Göttin der Wahrheit ist wie ein sechs Fuß hohes Mädchen, mit blonden Haaren und mit kaltem aber schneeweißem Teint. Aus zwei großen blauen Augen, die wie zwei Himmel in ruhig heiterer Herrlichkeit zu dir herniederlächeln, schaut dich die Seele der reinen keuschen Göttin, so unbefangen und doch so feierlich an, daß du nur schüchtern zu nahen wagst, um ihr höchstens die Stirn zu küssen, die hohe, olympische Stirn, und dann eines Befehles zu harren in banger Unterwürfigkeit, den langen, lieben, langweiligen Tag. Es geht uns mit der Wahrheit wie Cupido mit den sämmtlichen Musen. Ich entsinne mich nämlich gelesen zu haben, sagt Meister Alcofribas daß einst Cupido, den seine Mutter Venus frug, warum er nicht die Musen anfiel, zur Antwort gab, er fände sie so schön, rein, ehrbar, sittsam und stets beschäftigt, die eine mit Betrachtung der Sterne, die andere mit Berechnung der Zahlen, die dritte mit geometrischen Maßen, die vierte mit rednerischer Erfindung, die fünfte mit poetischen Künsten, die sechste mit Musiksetzung u. s. w., daß er, wenn er zu ihnen käme, seinen Bogen abspannte, den Köcher zuschlöß, und die Fackel verlöschte, aus Scham und Scheu ihnen weh zu thun. Auch nähme er sich die Binde von den Augen, sie offenen Angesichts zu schauen, ihre artigen Lieder und Oden zu hören, dies wäre ihm die größte Lust der Welt, so daß er sich öfters schier verzückt fühle in ihrer Anmuth und Lieblichkeit, ja, in der Harmonie entschliefe, geschweige, daß er sie überfallen oder von ihren Studien sollte abziehen. — So geht es uns denn auch mit der Wahrheit. O wie anders ist es mit der Lüge! Die Göttin der Lüge, oder der Phantasie, wenn ihr sie lieber so nennen wollt, ist nicht wie die der Wahrheit, ihre sechs Fuß hoch; sie trägt auch keine blonden Haare — nein, eine kleine schwarz oder braun gelockte Person ist sie, südlich dunkler Gesichtsfarbe, mit schelmischem Rosenmund und so verführerisch zierlich an Taille, Händen und Füßen, daß man wirklich gleich auf allerlei Irrwege gerathen würde, wenn die beiden feurigen Augen der Kleinen nicht so sehnsüchtig verlangten, daß man sich taumelnd in ihnen verlöre, wie eine Mücke im flammenden Lichte. Ruhig nicht und ernst ist die reizende Göttin, nein, sie ist lebendig, beweglich; sie tanzt und singt und schmückt ihre Locken mit lustigen Blumen, lachend und weinend, wie es ihr grade einfällt und immer bleibt sie graziös. Der Wahrheit mußt du huldigen wie einer Königin, und was sie dir giebt, das giebt sie dir aus Gnade. Nicht so die Phantasie. Statt ihr nachzulaufen, läuft sie mitunter dir nach, und bist du ein hübscher Junge, da besucht sie dich in den Nächten des Frühlings und schlingt ihre weichen Arme um deinen Nacken und küßt dich und am Morgen wachst du verwundert auf. Die nackte Wahrheit ist eine englische Ehefrau; die schöne Lüge eine französische Grisette. Doch zurück zu Schnapphahnski! Es war die höchste Zeit, daß unser Ritter in seinen Unternehmungen reussirte; er siegte noch gerade zur rechten Zeit über die Herzogin; ihre Großmuth konnte ihn noch retten. Die bedeutenden Besitzungen der Schnapphahnski'schen Familie im östreichischen Schlesien, sollten nemlich öffentlich verkauft werden, da der Ritter nicht mehr im Stande war, sie zu halten. Schon war der Versteigerungstermin bestimmt, und ein Bevollmächtigter des K. von H. präsentirte sich, um die enorme Besitzung zu erstehen. Da trat jene Wendung in dem Leben unseres Ritters ein … Die Herzogin von S. schwärmte für Schnapphahnski und kein Opfer war ihr zu groß, um dem unglücklichen Manne zu helfen. Durch ihren Einfluß wußte sie es dahin zu bringen, daß der K. von H. seinen Bevollmächtigten zurückzog, und die Idee des Kaufes fahren ließ — — Andere Bieter waren bei der ungemeinen Beträchtlichkeit der Herrschaft nicht zu fürchten, und nicht vorhanden und die Herzogin gab dann dem Ritter 200,000 Thaler, da-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 185. Köln, 3. Januar 1849, S. 0997. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz185_1849/1>, abgerufen am 23.11.2024.