Neue Rheinische Zeitung. Nr. 172. Köln, 19. Dezember 1848.Akklamation gewählt: Tülf, Rawizcz aus Breslau, Schmiedecke aus Neiße und Schulz aus Brieg. Die aufgelöste Berliner Bürgerwehr wird gehocht, und dafür dann gedankt. (Wofür?) Es entspann sich eine Debatte über die bedingte und unbedingte Oeffentlichkeit. Das Comite hatte einen Unterschied gemacht zwischen dem bewaffneten und unbewaffneten Volk, letzterem war der Zutritt bisher verweigert, dagegen den Bürgerwehrfrauen -- der Elite, der Hauptleute, kurz der Bevorzugten -- gestattet. Letztere Maxime wurde verworfen und unbedingte Oeffentlichkeit beliebt. Um die Tagesordnung festzusetzen, debattirte man so lang und breitspurig, wie nur die Deutschen vermögen, endlich einigte man sich dahin, zuerst die Kritik des Bürgerwehrgesetzes vorzunehmen. Doch begreifen die Herren, daß sie eine ziemlich langweilige Aufgabe lösen müßten. Simion aus Berlin wünscht daher, daß man sich nur über die Prinzipien des Bürgerwehrgesetzes verständige, die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes für die Kammern dagegen einer Kommission nach Beendigung des Kongresses überlasse. Er hebt vorzüglich hervor: Ressort der Bürgerwehr, Eidesleistung, Strafbestimmung, Gerichtswesen, Wahl der Führer und Kostenpunkt. So zweckmäßig dieser Antrag auch ist, so setzen doch die Breslauer Bourgeoisdeputirten ihre sehr unvollständigen Vorlagen durch. Aus dem Antrage Simion's wurde doch noch herausgelesen: die Bürgerwehr möge nicht in das Ressort eines Ministeriums gehören, sondern Gemeinde-Anstalt bleiben. Hierüber wird heute Nachmittag berathen. Mit seltener Konsequenz hatten diese Herren, die den Simion'schen Antrag verworfen hatten, diesen wieder hervorgeholt, und um die Breslauer Stadtverordneten in ihrer Inkonsequenz noch zu übertreffen, faßten sie sogar den Beschluß: Eine Kommission niederzusetzen, die für die nächsten Kammern einen neuen Gesetzentwurf ausarbeiten soll. Sapienti sat. Dies die Thaten der Herren am ersten Morgen. X Breslau, 15. Dezbr. In der Nachmittagssitzung waren noch Deputirte gekommen aus Danzig, Elberfeld und Spremberg. Die Debatte begann wieder wie bei allen Deutschen mit Formalien und immer waren auf hohem Rosse der Dr. Edler aus Berlin, der stets unwillig wurde, wenn man seine formellen Anträge nicht annehmen wollte. Jetzt geht man zum Ressortverhältniß der Bürgerwehr über. Der Antragsteller Meyer aus Berlin motivirt seinen Antrag auf §. 4 des Gesetzes dadurch, daß die Wehrmänner Söldlinge seien. Er beantragt: Jede Provinz sendet einen Vertreter, also 9 Männer, diese wählen einen Vorsitzenden und bilden ein Volksministerium. (Seit wann hat Preußen 9 Provinzen?) Dr. Edler, der Feenritter, wünscht als ersten Paragraphen des zukünftigen Wehrgesetzes, "die Bürgerwehr ist ein Theil der Volkswehr" doch wünscht er Volkswehr! Es ist klassisch! Es will also Dr. Edler die Bürgerwehr gesondert von der Volswehr hinstellen. Werthmann aus Magdeburg spricht gegen die Anhäufung der Ministerien, steigert am Ende der Rede seine Stimme bedeutend, um -- Er erhält ein Bravo. -- Pflücker aus Breslau wünscht die Debatte fallen zu lassen. Um die Verfassung zu schützen, müsse die Bürgerwehr Gemeindesache werden, nur von der Gemeinde könne die Requisition an die Bürgerwehr ergehen. Die Bildung eines besondern Ministerii hält der Redner für ein Unding, und beantragt, die Sache so zu nehmen, wie sie liegt, zumal da das Gesetz nur provisorisch ist. Schildknecht aus Berlin und Friedensburg: die Bürgerwehr soll allein abhängig von der Kommunal- und Distriktsbehörde sein. Simion hält für die beste Organisation: die Provinz wählt Provinzialräthe, die Centralräthe, die neben dem Bürgerwehrminister stehen, sollen von der Volksvertretung gewählt werden. Diese Kommission soll darüber wachen, daß von den Ministern nicht die Verfassung verletzt werde. Ruge (der Biedermann) ritt bekanntlich einst auf dem Humanismus durch Deutschland und zwar beschränkte sich sein Humanismus auf eine einzige Rede, worin er viel Humanismus von den Zuhörern beanspruchte. Gleiches thut der Hr.Meyer, ehemaliger Schauspieler, er bringt fortwährend die Floskel: "das Recht ist eine wächserne Nase" in allen seinen Reden vor, und erndtet meistentheils dadurch der Zuhörer Beifall. Die wächserne Nase ist immer den Humanismus werth. Thouet, ein gewrangelter Berliner, ist gegen jeden weitgehenden Antrag, denn das Ministerium legt solche bei Seite, und das wäre doch gräßlich. Nur bescheiden, nur bescheiden! Der Formenritter Edler erscheint auf dem Kampfplatze, spricht von Allem, nur nicht von der Sache, sogar von der Spitze der Führer, erzählt Berliner Geschichtchen etc. Mätze, Exdeputirter, fürchtet mit Recht, daß ein Bürgerwehrminister das ihm gebotene Gift am Hofe ebenfalls einathmen wird, und daß nie ein Minister das Volk aufrufen würde gegen das Ministerium selbst das Volk selbst müsse freiwillig handeln und nicht erst warten eines Rufes von Oben. Die Centralisation der Bürgerwehr sei die der Freiheit; jeder Bürgerwehr stehe es frei, ihre Verbindung zu suchen; eine Organisation von Oben ist stets verwerflich. Die Bürgerwehr braucht kein Ministerium. (Endloser Jubel.) Pfeiffer, ebenfalls ein gewrangelter Berliner, spricht sehr sentimental, er fordert ein Glaubensbekenntniß, damit die Regierung sich endlich überzeuge, daß wir keine Republik, am allerwenigsten aber -- jenes Scheusal -- die rothe Republik fordern, sondern einzig und allein die Monarchie, in der das Volk seine Angelegenheit selbstständig verwaltet! Hr. Pfeiffer will also eine republikanische Monarchie. Engelmann stellt auf: die Regelung des Ressortverhältnisses sei sehr schwierig, zerfließt in Pathos, spricht von Vereidigung des Heeres auf die Verfassung etc., über freie Gemeindeverfassung und kommt dadurch auf die Bürgerwehr zurück; dieselbe soll nach Bezirken, Distrikten und Provinzen abgegrenzt sein und je nachdem besondere Kommandeure erhalten, und sich dem Ministerium des Innern unterordnen. Der Schluß wurde jetzt endlich beliebt, und aus dem Chaos geht hervor: als Schöpfung preußischer Wehrmänner: 1) die Streichung des §. 5: "Die Bürgerwehr gehört zum Ressort des Ministeriums des Innern." 2) mit 27 gegen 25 Stimmen: "ein Ministerium der Bürgerwehr zu konstituiren, das die Krone ernennt." Recht so, immer mehr Organe für die Krone; es lebe die Bureaukratie! Neben diesen königl. Minister sollen Räthe stehen, gewählt entweder von Prov.-Räthen, oder den Vertretern des Volkes. Bravo, bravissime, sollten doch Paulskirchler einst von den Vertretern des Volks -- dem Vereinigten Landtag erwählt werden! Man sieht: die braven Preußen lernen nichts aus der Geschichte; das alte Vertrauen ist immer noch nicht verloren. Hiermit schloß die Verhandlung des ersten Tages; die Versammelten begaben sich aus dem Saale, wo so manche Disharmonie geherrscht hatte, in den Wintergarten, um ihre Disharmonie durch harmonische Töne eines Concerts paralysiren zu lassen. X Breslau, 15. Dez. Statt einer Revolution gibt's Revolutiönchen in Schlesien. In Kreutzburg verlangten bekanntlich mehrere Bauern Befreiung von ihren Robotdiensten etc., dem widersetzte sich der Gutsherr. Es kam zu Streitigkeiten, bei denen 3 Bauern erschossen und ein Gutsherr v. Gladis getödtet wurde. Sofort trat der Belagerungszustand ein. Bereits sind Massen von Gefangenen nach Neisse und Brieg eingebracht und die sogenannten Rädelsführer auch schon zu 3 Jahre Zuchthaus verurtheilt worden. Auch im Gleinitzer Kreise soll es Bauernunruhen geben, ist dies der Fall, so wird auch jener Kreis nebst einer Demarkationslinie, die noch einige angrenzende Kreise zur Hälfte einschließt, mit dem Belagerungszustand beehrt werden. Der Wunsch der "Galgenzeitung" in Berlin, (Organ der Brandenburg-Manteuffel und Comp.): über ganz Schlesien ja recht schnell den Belagerungszustand zu verhängen, könnte sonach bald in Erfüllung gehen. Wir leben jetzt unter einem größern Druck als die Juden unter Pharao. Man war damals noch humaner, als man glaubt. Pharao erlaubte den Juden wenigstens zu heirathen, die Erstgebornen aber befahl er zu tödten, wir dagegen dürfen laut §. 17 der Verfassung von "Gottes Gnaden" nicht mehr heirathen, es sei denn -- daß das Gesetz über die Civilehe bald erscheint. Doch damit wird's gute Weile haben, und darum sind alle Heieathslustigen und -bedürftigen zu beklagen. Sie kennen ohne Zweifel die Verurtheilung Dr. Borchards zu 12 Jahr Festung und Verlust der Nat.-Cocarde und des Dr. Asch zu 1 Jahr Festung. Unbekannt dagegen dürften Ihnen die Gründe des Urtheils sein. Dr. Asch und Borchard haben die Kokarde verloren -- aus Mangel an "patriotischer Gesinnung" denken Sie? Bewahre! dies wäre ja ein Paragraph aus dem Allg. Landrecht, das nichts mehr gilt, seitdem durch die octroyirte Verfassung den Gesetzen Hohn gesprochen worden, nein, Beide müssen diesen schrecklichen Cocardenverlust erleiden aus Mangel an -- "politischer Gesinnung!" Auch ist unter den Belastungszeugen gegen Dr. Asch angefuhrt: Dr. Asch selbst. Dies zur Charakteristik des hiesigen Gerichts. Als Curiosum noch Folgendes: der deutsche biedre Mann, dem der Mann von "Gottes Gnaden" die Hand drückt ob seines guten Benehmens bei den Vorgängen am 20. Nov. auf dem Stadthause, dieser biedre Mann, Klempnermeister Vogt, ist ob jener Vorgänge in Untersuchung gezogen. Dieser "königliche handgedrückte" Mann lud nämlich am 20. Nov. sein Gewehr, um die Mitglieder des Magistrats sofort, wie die Fama sagt, am Weitergehen zu verhindern. Breslau, 14. Dezember. Wie ernst es der Regierung ist, mit den versprochenen Freiheiten das Volk wirklich zu beglücken, geht aus folgenden zwei Thatsachen hervor. Zunächst läßt die Regierung von den Landräthen Recherchen anstellen, ob die Deputirten den von der Nationalversammlung gefaßten Beschluß der Steuerverweigerung in irgend welcher Weise verbreitet haben, um diese Deputirten zur Untersuchung ziehen zu können. Man glaubte, die Regierung habe diese Absicht aufgegeben, indeß dem ist nicht so. Wie sollte sie auch? Ist dies doch das beste Mittel, jene Männer für die Wahlen unschädlich zu machen, und in welcher Weise ginge dies besser? Es ist aber nicht allein nothwendig, daß man die Männer, die möglicher Weise einen Einfluß ausüben können, in jeder Weise verfolgt, die Regierung sieht sich auch zu anderen Maßnahmen -- die Furcht gebietet sie ihr -- genöthigt. Diese bestehen darin, daß man ganze Kreise in Belagerungszustand versetzt. Durch das sofort proklamirte Martialgesetz wird die Presse unterdrückt, Versammlungen werden verboten -- d. h. die Wahlen so geleitet, wie es die Regierung wünscht. Wie versetzt man aber Kreise in Belagerungszustand? Im Rosenberger Kreise waren unruhige Auftritte in einem Dorfe, die den gewünschten Vorwand abgaben. Wie aber in andern Kreisen? Ei nun! Da hat die Regierung die Landräthe durch Rescript gefragt, ob sie wünschten, daß ihr Kreis oder ein Theil desselben in Belagerungszustand erklärt werden solle. Je nach dem Wunsche der Landräthe würde dann das Nöthige wahrscheinlich verfügt werden. Mancher dürfte bei dieser Meldung ungläubig den Kopf schütteln, aber es ist nun einmal so; die Thatsache ist vorhanden und dürfte schwerlich weggeleugnet werden können. Man wird nach und nach die ganze Provinz, wo man der Wahlen nicht sicher ist, in Belagerungszustand erklären und dann wird das Volk in "Ruhe und Ordnung" frei die freien Volksvertreter wählen. (A. Od.-Ztg.) 121 Wien, 13. Dezbr. Aufgepaßt! Prinz Karl von Preußen ist am 10. nach Prag abgereist. Dort, wie in Olmütz, soll derselbe über die Zwecke und Absichten Preußens die beruhigendsten Versicherungen gemacht haben. "Es handle sich nicht von einem politischen Ehrgeize Preußens, sondern davon, durch Wiederherstellung einer starken Centralgewalt in Deutschland den absoluten Mächten wiederum den Halt und Vorposten gegen Frankreich zu geben, die sie vor dem März gehabt. Die innern Verhältnisse Oestreichs erlaubten vor der Hand nicht, daß es in Frankfurt die Zügel führe, darum werde Preußen sich derselben bemächtigen. Dazu bedürfe es der Sympathien der europäischen Bourgeoisie, und glaube sich dieselben durch die Verfassungsurkunde, die übrigens durchaus von den künftigen Bestimmungen Frankfurt's und von den Ereignissen abhange, erworben zu haben. Es habe der Eile bedurft, weil der rothe Sturm dem Ausbruche nahe sei. Die ehrenwerthen Vertreter Frankreichs seien ebenso mit dem Geschehenen einverstanden, als sämmtliche deutsche Fürsten." So sollen die Versicherungen des Prinzen gelautet haben, die Kamarilla soll davon jedoch wenig erbaut worden sein. Sie fürchtet Preußens Ehrgeiz mehr, als alles andere, und überwindet daher alle prejuges, um mit den gemeinen französischen Bourgeois in immer größere Intimität zu treten. Nebenbei regnet's russische Kouriere in Olmütz, und die unter Metternich berüchtigtsten Personen sind dort wieder in Aktivität, z. B. Ward, Beherrscher Parma's und Maria Louisen's, Hofrath Werner, Postillon Metternich's und Nikolausen's. Der französische Gesandte, ein Jude, ist in diese Intriguen aktiv verflochten, er macht, wie Frankreich, den Livreebedienten des Absolutismus, und wird dafür von ihm erwischt, wie die Pariser Bourgeois mit der Flucht des Pabstes von ihm erwischt worden sind. Spauer hatte von Oestreich und Rußland den Auftrag, den Pabst um keinen Preis nach Frankreich zu den gemeinen Bourgeois entfliehen zu lassen, weil er in gewissen Fällen dort als Geißel hätte dienen können. -- Folgende Stellen des standrechtlich redigirten ministeriellen Henkerblattes Lloyd mögen Ihnen eine fernere Probe sein, wie der Absolutismus die französischen Bourgeois benutzt, um ihnen dann auf die gemeinen Pfoten zu klopfen. -- Ein östreichischer Emissär und Spion schreibt nämlich aus Paris, daß die Gutgesinnten, wobei er als Spitzen die Namen Mole, Bugeaud, Soult, Thiers, Barrot, Garnier-Pages, Cremieux, Pagnerre und, um bei dem hiesigen Blödsinn Glauben zu finden, die Koryphäen der äußersten Linken nennt, erklärt hätten, für Ludwig Napoleon stimmen zu wollen, "weil er förmlich verspricht", schreibt der Spion, "als Präsident der Republik alle Maßregeln zu treffen, um das Ansehen der päbstlichen Regierung herzustellen, d. h. gegen die Rebellen in Rom zu Felde zu ziehen, wozu Cavaignac sich nimmer herbeilassen würde, weil er als Mann des National im Grunde des Herzens der Revolution in Rom Beifall zollt." Ein solches Versprechen heißt begreiflicher Weise nichts anders, als Oestreich die Unterdrückung Italiens gänzlich überlassen; mit Napoleon siegt nämlich in der bornirten Vorstellung Napoleons und der deutsch-russischen Höfe der Absolutismus, mit Cavaignac die Bourgeoisie in Frankreich, darum ist Napoleon der Kandidat des Absolutismus. Der Spion schreibt nun noch, daß das Programm unseres Henkerministeriums den besten Eindruck in Paris hervorgebracht habe, und die meisten Blätter dasselbe mit lobender Anerkennung des konstitutionellen Geistes (!! ein famoses Kompliment für die französisch republikanische Presse) der darin weht, besprächen. -- Aus einem Aufsatze desselben Lloyd: "Die ungarische Rebellion" überschrieben, hebe ich, den französischen Bourgeois zum Frommen, noch folgende, Obiges erläuternde Stelle hervor: "Der ungarische Landtag 1847 hatte schon in den vierten Monat gewährt, und es schien, daß er ebenso erfolglos sein werde, wie die früheren, als die Februarrevolution in Paris statt hatte. Wenn die Ungarn damals den Sinn ihrer Väter gehabt hätten, wenn sie den Namen einer edlen Nation behaupten wollten, hätten sie sagen müssen: in der gegenwärtigen Lage Europa's ist ein Krieg leicht möglich, wir bieten also unserm König gleich jetzt einmalhunderttausend Rekruten an." Mit solcher Unverschämtheit drückt sich schon jetzt das östreichische Ministerium aus. Ungarn hat im März also der franz. Bourgeoisie einen ungeheuern Liebesdienst erwiesen, wofür diese Bourgeoisie nunmehr die Magyaren auch ermorden läßt. Sie bleibt sich gleich, sei's in Paris, sei's anderwärts. Hätte der Kaiser damals die 100,000 Mann gehabt, die Bourgeois-Republik hätte dieselben zur nähern Besichtigung zugeschickt bekommen. Daß sie nunmehr mit in das Komplott der Fürsten, Jesuiten und andern Erdenscheusale getreten ist, wird sie um so gewisser verderben. -- Für den Fall, daß er mit ihm seine Zwecke erreicht, soll die Knutenmajestät von Irkutz und Tobolzk Ludwig Napoleon nebst einer Cesarewna, Land zum Anpflanzen eines dynastischen Baums bestimmt zugesagt haben. Darum ist auch die Erfüllung der preuß. Verfassung bis in den Februar verschoben, und kann dann, je nachdem, weiter verschoben werden. Die Eile, mit welcher diese Verfassung aus dem Belgischen übersetzt worden, muß in der That groß gewesen sein, weil man den so gutmüthigen deutschen § mit dem belgischen Rebellen-Artikel aus Versehen vertauschen konnte. In den heutigen offiziellen Organen des Henkerministeriums beginnt die österreichische Katze Deutschland zu streicheln, und den König von Preußen in ein zweideutiges Licht zu stellen. Der "Lloyd" sagt: "Oesterreich ist in Deutschland von Narren (!) verläumdet worden. Oesterreich verdient nicht die vielen harten Redensarten, welche man in Deutschland gegen dasselbe geschleudert hat. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß seit dem Monat März es keine Zeit gegeben hat, welche einer Einigung Deutschlands und Oesterreichs so günstig gewesen ist, als die jetzige." Soll man die dynastische Banditen-Unverschämtheit, oder die österreichische Bornirtheit hier mehr bewundern? Wie in Paris, so hat unser Ministerium namentlich auch in Berlin seine Spione, die mit österreichischer Scheinheilgkeit und gemeiner Polizeischlauheit in die Wiener Zeitung, in die Presse, in den Lloyd und österreichischen Korrespondenten schreiben, und sich, wie namentlich im heutigen Lloyd geschieht, alle Mühe geben, sich als patriotische Preußen zu gebärden, um von diesen Standpunkt aus österreichisch zu wirken. Wir sind wieder ganz in dem alten Dynasten- und Diplomatenstil, wo Volk Pöbel, Freiheit Anarchie heißt. Es würde zu weit führen, Ihnen den Auswurf dieser österreichischen Auswürflinge auch nur im Auszuge mitzutheilen. Entweder die Freiheit, oder das Scheusal, welches man österreichische Gesammtmonarchie nennt, müssen untergehen, beide können in Europa zusammen nicht bestehen. Das zweite ministerielle Organ die "Presse" sagt: "Wir halten den Entwicklungsgang der preußischen Staatseinrichtungen für einen unglücklichen. Wir wünschen für Oesterreich eine natürlichere, weniger gewaltsame Lösung aller Schwierigkeiten." Eine solche Sprache nach dem Mord ganzer Bevölkerungen und nach den infamsten Gewaltstreichen ist gewiß nur mehr im Munde des österreichischen Kretinismus und der österreichischen Verruchtheit denkbar. Man findet noch immer ganze Keller voll ermordeter Menschen; die ganze Umgegend Wiens liegt voll verbrannter und verstümmelter Leichname, welche von den k. k. Banditen im Auftrage des alten und neuen Standrechtskaisers ermordet und verscharrt worden sind, und was täglich in Ungarn geschieht, übersteigt das Entsetzen aller Jahrhunderte. Auch die Vergiftung Karl Alberts, welche man der Demokratie von hier aus aufbürdet, ist durch Oesterreich geschehen. Vergiften war Metternichs beliebtester Staatsakt; auch Marie Louise ist vergiftet worden. -- Aus einigen in der gestrigen Abendbeilage zur "Wiener Zeitung" enthaltenen Andeutungen, die ich für offiziell ansehen muß, geht hervor, daß man, um die Bevölkerung zu gewinnen, den Belagerungszustand gerne aufheben möchte; indessen kommen noch täglich standrechtliche Verurtheilungen vor. Auch von einer Amnestie wird geredet. Der preußische Staatsstreich wird den jungen Standrechtskaiser und seiner Xantippe zwingen, dem Volke ein freundliches Hyänenantlitz zu zeigen, denn in allen deutschen Provinzen beginnt man sich schon zu erheben, und täglich wird ungehorsames Militär aus Ungarn hierherzurückgebracht. Das russische Militär soll verkleidet massenweise nach Ungarn strömen, aber der französische Gesandte drückt die Augen zu. Die Kamarilla beschäftigt den Reichstag mit dem Entwurf einer neuen Geschäftsordnung. Von Berathung einer Verfassung oder organischer Gesetze keine Rede. Man will hier den vollendetsten Despotismus erhalten, und nennt jeden einen Anarchisten, der auch nur die bescheidenste Reklamation wagt. Selbst Pillersdorf ist mit vielen andern ganz gemäßigten Deputirten aus Degout ausgetreten. Die Deputirten der s. g. Linken, denen man standrechtliche Mißtrauensvota zugeschickt, sind darum nicht ausgetreten, weil sie wissen, daß sie alsdann im Auftrage der ministeriellen Henker ermordet werden. Die Czechen lassen sich noch fortwährend dazu benutzen, die Schergen der Kamarilla zu machen. Sie haben von Prag aus in Kroatien, Dalmatien und dem Küstenlande Slowanska lipa's gebildet, und überall in den ungarischen Ländern Deputirtenwahlen zum österreichischen Reichstag, der sich in lauter Erbärmlichkeit auflösen wird, anordnen lassen. Der Staatsbankrott rückt immer fürchterlicher heran, Gold und Silber stehen in enorm hohen Preisen. Nur ein kräftiger Stoß von wo immer her, und die Gesammtmonarchie aller Verruchtheit Europa's stürzt unter einem furchtbaren Erdbeben zusammen. Gott gebe es! Sich in die Arme des Slaventhums zu werfen wird unseres Romulus Augustolus letztes Röcheln sein. Deutschland hat dann einen harten Kampf um die demokratische Feuerprobe zu bestehen, denn die 17 Millionen Slaven werden auf Seite des asiatischen Despotismus kämpfen. Nachschrift: Großfurst Michael von Rußland ist in Olmütz angekommen. Ebenso Prinz Albert von Sachsen nebst Könneritz und Mengald. Letztere stammeln Entschuldigungen wegen des Leipziger Vorfalls, und tragen ihre Dienste an. Was ersterer will, können Sie sich denken. 24 Wien, 14. Dezember. Je niedertrachtiger, je hündischwedelnder die hiesige Bourgeoisie auftritt: desto mehr kocht in dem gesunden Theile des Volkes, in der arbeitenden Klasse, die Rache, der Durst nach einem einzigen Tage einer kleinen Abrechnung. Denn vollständige Abrechnung ist nicht möglich, selbst wenn dieses feige Schachergesindel christlichen und jüdischen Glaubens sammt und sonders an Laternenpfählen aufgeknüpft wurde. Zu solchen schaamlos-gemeinen Adressen, wie sie hier gleich Pilzen aufschießen, zu diesen Denunziationen an die Kriegsgewalt und zu den übrigen Früchten der bestialischen Gemeinheit, würden Sie wohl kaum bei den Herren im Wupperthal ein Gegenstück finden. (Doch, doch! tout comme chez nous!) Würde indeß der Haß des Volkes auch nicht durch die Thaten der Bourgeoisie genährt und täglich höher angefacht: das Verfahren der k. k. Beamten-Bestien in Civil und Militär wäre an sich schon hinreichend, Gift und Galle rege zu erhalten. Verurthei- Akklamation gewählt: Tülf, Rawizcz aus Breslau, Schmiedecke aus Neiße und Schulz aus Brieg. Die aufgelöste Berliner Bürgerwehr wird gehocht, und dafür dann gedankt. (Wofür?) Es entspann sich eine Debatte über die bedingte und unbedingte Oeffentlichkeit. Das Comité hatte einen Unterschied gemacht zwischen dem bewaffneten und unbewaffneten Volk, letzterem war der Zutritt bisher verweigert, dagegen den Bürgerwehrfrauen — der Elite, der Hauptleute, kurz der Bevorzugten — gestattet. Letztere Maxime wurde verworfen und unbedingte Oeffentlichkeit beliebt. Um die Tagesordnung festzusetzen, debattirte man so lang und breitspurig, wie nur die Deutschen vermögen, endlich einigte man sich dahin, zuerst die Kritik des Bürgerwehrgesetzes vorzunehmen. Doch begreifen die Herren, daß sie eine ziemlich langweilige Aufgabe lösen müßten. Simion aus Berlin wünscht daher, daß man sich nur über die Prinzipien des Bürgerwehrgesetzes verständige, die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes für die Kammern dagegen einer Kommission nach Beendigung des Kongresses überlasse. Er hebt vorzüglich hervor: Ressort der Bürgerwehr, Eidesleistung, Strafbestimmung, Gerichtswesen, Wahl der Führer und Kostenpunkt. So zweckmäßig dieser Antrag auch ist, so setzen doch die Breslauer Bourgeoisdeputirten ihre sehr unvollständigen Vorlagen durch. Aus dem Antrage Simion's wurde doch noch herausgelesen: die Bürgerwehr möge nicht in das Ressort eines Ministeriums gehören, sondern Gemeinde-Anstalt bleiben. Hierüber wird heute Nachmittag berathen. Mit seltener Konsequenz hatten diese Herren, die den Simion'schen Antrag verworfen hatten, diesen wieder hervorgeholt, und um die Breslauer Stadtverordneten in ihrer Inkonsequenz noch zu übertreffen, faßten sie sogar den Beschluß: Eine Kommission niederzusetzen, die für die nächsten Kammern einen neuen Gesetzentwurf ausarbeiten soll. Sapienti sat. Dies die Thaten der Herren am ersten Morgen. X Breslau, 15. Dezbr. In der Nachmittagssitzung waren noch Deputirte gekommen aus Danzig, Elberfeld und Spremberg. Die Debatte begann wieder wie bei allen Deutschen mit Formalien und immer waren auf hohem Rosse der Dr. Edler aus Berlin, der stets unwillig wurde, wenn man seine formellen Anträge nicht annehmen wollte. Jetzt geht man zum Ressortverhältniß der Bürgerwehr über. Der Antragsteller Meyer aus Berlin motivirt seinen Antrag auf §. 4 des Gesetzes dadurch, daß die Wehrmänner Söldlinge seien. Er beantragt: Jede Provinz sendet einen Vertreter, also 9 Männer, diese wählen einen Vorsitzenden und bilden ein Volksministerium. (Seit wann hat Preußen 9 Provinzen?) Dr. Edler, der Feenritter, wünscht als ersten Paragraphen des zukünftigen Wehrgesetzes, „die Bürgerwehr ist ein Theil der Volkswehr“ doch wünscht er Volkswehr! Es ist klassisch! Es will also Dr. Edler die Bürgerwehr gesondert von der Volswehr hinstellen. Werthmann aus Magdeburg spricht gegen die Anhäufung der Ministerien, steigert am Ende der Rede seine Stimme bedeutend, um — Er erhält ein Bravo. — Pflücker aus Breslau wünscht die Debatte fallen zu lassen. Um die Verfassung zu schützen, müsse die Bürgerwehr Gemeindesache werden, nur von der Gemeinde könne die Requisition an die Bürgerwehr ergehen. Die Bildung eines besondern Ministerii hält der Redner für ein Unding, und beantragt, die Sache so zu nehmen, wie sie liegt, zumal da das Gesetz nur provisorisch ist. Schildknecht aus Berlin und Friedensburg: die Bürgerwehr soll allein abhängig von der Kommunal- und Distriktsbehörde sein. Simion hält für die beste Organisation: die Provinz wählt Provinzialräthe, die Centralräthe, die neben dem Bürgerwehrminister stehen, sollen von der Volksvertretung gewählt werden. Diese Kommission soll darüber wachen, daß von den Ministern nicht die Verfassung verletzt werde. Ruge (der Biedermann) ritt bekanntlich einst auf dem Humanismus durch Deutschland und zwar beschränkte sich sein Humanismus auf eine einzige Rede, worin er viel Humanismus von den Zuhörern beanspruchte. Gleiches thut der Hr.Meyer, ehemaliger Schauspieler, er bringt fortwährend die Floskel: „das Recht ist eine wächserne Nase“ in allen seinen Reden vor, und erndtet meistentheils dadurch der Zuhörer Beifall. Die wächserne Nase ist immer den Humanismus werth. Thouet, ein gewrangelter Berliner, ist gegen jeden weitgehenden Antrag, denn das Ministerium legt solche bei Seite, und das wäre doch gräßlich. Nur bescheiden, nur bescheiden! Der Formenritter Edler erscheint auf dem Kampfplatze, spricht von Allem, nur nicht von der Sache, sogar von der Spitze der Führer, erzählt Berliner Geschichtchen etc. Mätze, Exdeputirter, fürchtet mit Recht, daß ein Bürgerwehrminister das ihm gebotene Gift am Hofe ebenfalls einathmen wird, und daß nie ein Minister das Volk aufrufen würde gegen das Ministerium selbst das Volk selbst müsse freiwillig handeln und nicht erst warten eines Rufes von Oben. Die Centralisation der Bürgerwehr sei die der Freiheit; jeder Bürgerwehr stehe es frei, ihre Verbindung zu suchen; eine Organisation von Oben ist stets verwerflich. Die Bürgerwehr braucht kein Ministerium. (Endloser Jubel.) Pfeiffer, ebenfalls ein gewrangelter Berliner, spricht sehr sentimental, er fordert ein Glaubensbekenntniß, damit die Regierung sich endlich überzeuge, daß wir keine Republik, am allerwenigsten aber — jenes Scheusal — die rothe Republik fordern, sondern einzig und allein die Monarchie, in der das Volk seine Angelegenheit selbstständig verwaltet! Hr. Pfeiffer will also eine republikanische Monarchie. Engelmann stellt auf: die Regelung des Ressortverhältnisses sei sehr schwierig, zerfließt in Pathos, spricht von Vereidigung des Heeres auf die Verfassung etc., über freie Gemeindeverfassung und kommt dadurch auf die Bürgerwehr zurück; dieselbe soll nach Bezirken, Distrikten und Provinzen abgegrenzt sein und je nachdem besondere Kommandeure erhalten, und sich dem Ministerium des Innern unterordnen. Der Schluß wurde jetzt endlich beliebt, und aus dem Chaos geht hervor: als Schöpfung preußischer Wehrmänner: 1) die Streichung des §. 5: „Die Bürgerwehr gehört zum Ressort des Ministeriums des Innern.“ 2) mit 27 gegen 25 Stimmen: „ein Ministerium der Bürgerwehr zu konstituiren, das die Krone ernennt.“ Recht so, immer mehr Organe für die Krone; es lebe die Bureaukratie! Neben diesen königl. Minister sollen Räthe stehen, gewählt entweder von Prov.-Räthen, oder den Vertretern des Volkes. Bravo, bravissime, sollten doch Paulskirchler einst von den Vertretern des Volks — dem Vereinigten Landtag erwählt werden! Man sieht: die braven Preußen lernen nichts aus der Geschichte; das alte Vertrauen ist immer noch nicht verloren. Hiermit schloß die Verhandlung des ersten Tages; die Versammelten begaben sich aus dem Saale, wo so manche Disharmonie geherrscht hatte, in den Wintergarten, um ihre Disharmonie durch harmonische Töne eines Concerts paralysiren zu lassen. X Breslau, 15. Dez. Statt einer Revolution gibt's Revolutiönchen in Schlesien. In Kreutzburg verlangten bekanntlich mehrere Bauern Befreiung von ihren Robotdiensten etc., dem widersetzte sich der Gutsherr. Es kam zu Streitigkeiten, bei denen 3 Bauern erschossen und ein Gutsherr v. Gladis getödtet wurde. Sofort trat der Belagerungszustand ein. Bereits sind Massen von Gefangenen nach Neisse und Brieg eingebracht und die sogenannten Rädelsführer auch schon zu 3 Jahre Zuchthaus verurtheilt worden. Auch im Gleinitzer Kreise soll es Bauernunruhen geben, ist dies der Fall, so wird auch jener Kreis nebst einer Demarkationslinie, die noch einige angrenzende Kreise zur Hälfte einschließt, mit dem Belagerungszustand beehrt werden. Der Wunsch der „Galgenzeitung“ in Berlin, (Organ der Brandenburg-Manteuffel und Comp.): über ganz Schlesien ja recht schnell den Belagerungszustand zu verhängen, könnte sonach bald in Erfüllung gehen. Wir leben jetzt unter einem größern Druck als die Juden unter Pharao. Man war damals noch humaner, als man glaubt. Pharao erlaubte den Juden wenigstens zu heirathen, die Erstgebornen aber befahl er zu tödten, wir dagegen dürfen laut §. 17 der Verfassung von „Gottes Gnaden“ nicht mehr heirathen, es sei denn — daß das Gesetz über die Civilehe bald erscheint. Doch damit wird's gute Weile haben, und darum sind alle Heieathslustigen und -bedürftigen zu beklagen. Sie kennen ohne Zweifel die Verurtheilung Dr. Borchards zu 12 Jahr Festung und Verlust der Nat.-Cocarde und des Dr. Asch zu 1 Jahr Festung. Unbekannt dagegen dürften Ihnen die Gründe des Urtheils sein. Dr. Asch und Borchard haben die Kokarde verloren — aus Mangel an „patriotischer Gesinnung“ denken Sie? Bewahre! dies wäre ja ein Paragraph aus dem Allg. Landrecht, das nichts mehr gilt, seitdem durch die octroyirte Verfassung den Gesetzen Hohn gesprochen worden, nein, Beide müssen diesen schrecklichen Cocardenverlust erleiden aus Mangel an — „politischer Gesinnung!“ Auch ist unter den Belastungszeugen gegen Dr. Asch angefuhrt: Dr. Asch selbst. Dies zur Charakteristik des hiesigen Gerichts. Als Curiosum noch Folgendes: der deutsche biedre Mann, dem der Mann von „Gottes Gnaden“ die Hand drückt ob seines guten Benehmens bei den Vorgängen am 20. Nov. auf dem Stadthause, dieser biedre Mann, Klempnermeister Vogt, ist ob jener Vorgänge in Untersuchung gezogen. Dieser „königliche handgedrückte“ Mann lud nämlich am 20. Nov. sein Gewehr, um die Mitglieder des Magistrats sofort, wie die Fama sagt, am Weitergehen zu verhindern. Breslau, 14. Dezember. Wie ernst es der Regierung ist, mit den versprochenen Freiheiten das Volk wirklich zu beglücken, geht aus folgenden zwei Thatsachen hervor. Zunächst läßt die Regierung von den Landräthen Recherchen anstellen, ob die Deputirten den von der Nationalversammlung gefaßten Beschluß der Steuerverweigerung in irgend welcher Weise verbreitet haben, um diese Deputirten zur Untersuchung ziehen zu können. Man glaubte, die Regierung habe diese Absicht aufgegeben, indeß dem ist nicht so. Wie sollte sie auch? Ist dies doch das beste Mittel, jene Männer für die Wahlen unschädlich zu machen, und in welcher Weise ginge dies besser? Es ist aber nicht allein nothwendig, daß man die Männer, die möglicher Weise einen Einfluß ausüben können, in jeder Weise verfolgt, die Regierung sieht sich auch zu anderen Maßnahmen — die Furcht gebietet sie ihr — genöthigt. Diese bestehen darin, daß man ganze Kreise in Belagerungszustand versetzt. Durch das sofort proklamirte Martialgesetz wird die Presse unterdrückt, Versammlungen werden verboten — d. h. die Wahlen so geleitet, wie es die Regierung wünscht. Wie versetzt man aber Kreise in Belagerungszustand? Im Rosenberger Kreise waren unruhige Auftritte in einem Dorfe, die den gewünschten Vorwand abgaben. Wie aber in andern Kreisen? Ei nun! Da hat die Regierung die Landräthe durch Rescript gefragt, ob sie wünschten, daß ihr Kreis oder ein Theil desselben in Belagerungszustand erklärt werden solle. Je nach dem Wunsche der Landräthe würde dann das Nöthige wahrscheinlich verfügt werden. Mancher dürfte bei dieser Meldung ungläubig den Kopf schütteln, aber es ist nun einmal so; die Thatsache ist vorhanden und dürfte schwerlich weggeleugnet werden können. Man wird nach und nach die ganze Provinz, wo man der Wahlen nicht sicher ist, in Belagerungszustand erklären und dann wird das Volk in „Ruhe und Ordnung“ frei die freien Volksvertreter wählen. (A. Od.-Ztg.) 121 Wien, 13. Dezbr. Aufgepaßt! Prinz Karl von Preußen ist am 10. nach Prag abgereist. Dort, wie in Olmütz, soll derselbe über die Zwecke und Absichten Preußens die beruhigendsten Versicherungen gemacht haben. „Es handle sich nicht von einem politischen Ehrgeize Preußens, sondern davon, durch Wiederherstellung einer starken Centralgewalt in Deutschland den absoluten Mächten wiederum den Halt und Vorposten gegen Frankreich zu geben, die sie vor dem März gehabt. Die innern Verhältnisse Oestreichs erlaubten vor der Hand nicht, daß es in Frankfurt die Zügel führe, darum werde Preußen sich derselben bemächtigen. Dazu bedürfe es der Sympathien der europäischen Bourgeoisie, und glaube sich dieselben durch die Verfassungsurkunde, die übrigens durchaus von den künftigen Bestimmungen Frankfurt's und von den Ereignissen abhange, erworben zu haben. Es habe der Eile bedurft, weil der rothe Sturm dem Ausbruche nahe sei. Die ehrenwerthen Vertreter Frankreichs seien ebenso mit dem Geschehenen einverstanden, als sämmtliche deutsche Fürsten.“ So sollen die Versicherungen des Prinzen gelautet haben, die Kamarilla soll davon jedoch wenig erbaut worden sein. Sie fürchtet Preußens Ehrgeiz mehr, als alles andere, und überwindet daher alle préjugés, um mit den gemeinen französischen Bourgeois in immer größere Intimität zu treten. Nebenbei regnet's russische Kouriere in Olmütz, und die unter Metternich berüchtigtsten Personen sind dort wieder in Aktivität, z. B. Ward, Beherrscher Parma's und Maria Louisen's, Hofrath Werner, Postillon Metternich's und Nikolausen's. Der französische Gesandte, ein Jude, ist in diese Intriguen aktiv verflochten, er macht, wie Frankreich, den Livreebedienten des Absolutismus, und wird dafür von ihm erwischt, wie die Pariser Bourgeois mit der Flucht des Pabstes von ihm erwischt worden sind. Spauer hatte von Oestreich und Rußland den Auftrag, den Pabst um keinen Preis nach Frankreich zu den gemeinen Bourgeois entfliehen zu lassen, weil er in gewissen Fällen dort als Geißel hätte dienen können. — Folgende Stellen des standrechtlich redigirten ministeriellen Henkerblattes Lloyd mögen Ihnen eine fernere Probe sein, wie der Absolutismus die französischen Bourgeois benutzt, um ihnen dann auf die gemeinen Pfoten zu klopfen. — Ein östreichischer Emissär und Spion schreibt nämlich aus Paris, daß die Gutgesinnten, wobei er als Spitzen die Namen Molé, Bugeaud, Soult, Thiers, Barrot, Garnier-Pagès, Cremieux, Pagnerre und, um bei dem hiesigen Blödsinn Glauben zu finden, die Koryphäen der äußersten Linken nennt, erklärt hätten, für Ludwig Napoleon stimmen zu wollen, „weil er förmlich verspricht“, schreibt der Spion, „als Präsident der Republik alle Maßregeln zu treffen, um das Ansehen der päbstlichen Regierung herzustellen, d. h. gegen die Rebellen in Rom zu Felde zu ziehen, wozu Cavaignac sich nimmer herbeilassen würde, weil er als Mann des National im Grunde des Herzens der Revolution in Rom Beifall zollt.“ Ein solches Versprechen heißt begreiflicher Weise nichts anders, als Oestreich die Unterdrückung Italiens gänzlich überlassen; mit Napoleon siegt nämlich in der bornirten Vorstellung Napoleons und der deutsch-russischen Höfe der Absolutismus, mit Cavaignac die Bourgeoisie in Frankreich, darum ist Napoleon der Kandidat des Absolutismus. Der Spion schreibt nun noch, daß das Programm unseres Henkerministeriums den besten Eindruck in Paris hervorgebracht habe, und die meisten Blätter dasselbe mit lobender Anerkennung des konstitutionellen Geistes (!! ein famoses Kompliment für die französisch republikanische Presse) der darin weht, besprächen. — Aus einem Aufsatze desselben Lloyd: „Die ungarische Rebellion“ überschrieben, hebe ich, den französischen Bourgeois zum Frommen, noch folgende, Obiges erläuternde Stelle hervor: „Der ungarische Landtag 1847 hatte schon in den vierten Monat gewährt, und es schien, daß er ebenso erfolglos sein werde, wie die früheren, als die Februarrevolution in Paris statt hatte. Wenn die Ungarn damals den Sinn ihrer Väter gehabt hätten, wenn sie den Namen einer edlen Nation behaupten wollten, hätten sie sagen müssen: in der gegenwärtigen Lage Europa's ist ein Krieg leicht möglich, wir bieten also unserm König gleich jetzt einmalhunderttausend Rekruten an.“ Mit solcher Unverschämtheit drückt sich schon jetzt das östreichische Ministerium aus. Ungarn hat im März also der franz. Bourgeoisie einen ungeheuern Liebesdienst erwiesen, wofür diese Bourgeoisie nunmehr die Magyaren auch ermorden läßt. Sie bleibt sich gleich, sei's in Paris, sei's anderwärts. Hätte der Kaiser damals die 100,000 Mann gehabt, die Bourgeois-Republik hätte dieselben zur nähern Besichtigung zugeschickt bekommen. Daß sie nunmehr mit in das Komplott der Fürsten, Jesuiten und andern Erdenscheusale getreten ist, wird sie um so gewisser verderben. — Für den Fall, daß er mit ihm seine Zwecke erreicht, soll die Knutenmajestät von Irkutz und Tobolzk Ludwig Napoleon nebst einer Cesarewna, Land zum Anpflanzen eines dynastischen Baums bestimmt zugesagt haben. Darum ist auch die Erfüllung der preuß. Verfassung bis in den Februar verschoben, und kann dann, je nachdem, weiter verschoben werden. Die Eile, mit welcher diese Verfassung aus dem Belgischen übersetzt worden, muß in der That groß gewesen sein, weil man den so gutmüthigen deutschen § mit dem belgischen Rebellen-Artikel aus Versehen vertauschen konnte. In den heutigen offiziellen Organen des Henkerministeriums beginnt die österreichische Katze Deutschland zu streicheln, und den König von Preußen in ein zweideutiges Licht zu stellen. Der „Lloyd“ sagt: „Oesterreich ist in Deutschland von Narren (!) verläumdet worden. Oesterreich verdient nicht die vielen harten Redensarten, welche man in Deutschland gegen dasselbe geschleudert hat. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß seit dem Monat März es keine Zeit gegeben hat, welche einer Einigung Deutschlands und Oesterreichs so günstig gewesen ist, als die jetzige.“ Soll man die dynastische Banditen-Unverschämtheit, oder die österreichische Bornirtheit hier mehr bewundern? Wie in Paris, so hat unser Ministerium namentlich auch in Berlin seine Spione, die mit österreichischer Scheinheilgkeit und gemeiner Polizeischlauheit in die Wiener Zeitung, in die Presse, in den Lloyd und österreichischen Korrespondenten schreiben, und sich, wie namentlich im heutigen Lloyd geschieht, alle Mühe geben, sich als patriotische Preußen zu gebärden, um von diesen Standpunkt aus österreichisch zu wirken. Wir sind wieder ganz in dem alten Dynasten- und Diplomatenstil, wo Volk Pöbel, Freiheit Anarchie heißt. Es würde zu weit führen, Ihnen den Auswurf dieser österreichischen Auswürflinge auch nur im Auszuge mitzutheilen. Entweder die Freiheit, oder das Scheusal, welches man österreichische Gesammtmonarchie nennt, müssen untergehen, beide können in Europa zusammen nicht bestehen. Das zweite ministerielle Organ die „Presse“ sagt: „Wir halten den Entwicklungsgang der preußischen Staatseinrichtungen für einen unglücklichen. Wir wünschen für Oesterreich eine natürlichere, weniger gewaltsame Lösung aller Schwierigkeiten.“ Eine solche Sprache nach dem Mord ganzer Bevölkerungen und nach den infamsten Gewaltstreichen ist gewiß nur mehr im Munde des österreichischen Kretinismus und der österreichischen Verruchtheit denkbar. Man findet noch immer ganze Keller voll ermordeter Menschen; die ganze Umgegend Wiens liegt voll verbrannter und verstümmelter Leichname, welche von den k. k. Banditen im Auftrage des alten und neuen Standrechtskaisers ermordet und verscharrt worden sind, und was täglich in Ungarn geschieht, übersteigt das Entsetzen aller Jahrhunderte. Auch die Vergiftung Karl Alberts, welche man der Demokratie von hier aus aufbürdet, ist durch Oesterreich geschehen. Vergiften war Metternichs beliebtester Staatsakt; auch Marie Louise ist vergiftet worden. — Aus einigen in der gestrigen Abendbeilage zur „Wiener Zeitung“ enthaltenen Andeutungen, die ich für offiziell ansehen muß, geht hervor, daß man, um die Bevölkerung zu gewinnen, den Belagerungszustand gerne aufheben möchte; indessen kommen noch täglich standrechtliche Verurtheilungen vor. Auch von einer Amnestie wird geredet. Der preußische Staatsstreich wird den jungen Standrechtskaiser und seiner Xantippe zwingen, dem Volke ein freundliches Hyänenantlitz zu zeigen, denn in allen deutschen Provinzen beginnt man sich schon zu erheben, und täglich wird ungehorsames Militär aus Ungarn hierherzurückgebracht. Das russische Militär soll verkleidet massenweise nach Ungarn strömen, aber der französische Gesandte drückt die Augen zu. Die Kamarilla beschäftigt den Reichstag mit dem Entwurf einer neuen Geschäftsordnung. Von Berathung einer Verfassung oder organischer Gesetze keine Rede. Man will hier den vollendetsten Despotismus erhalten, und nennt jeden einen Anarchisten, der auch nur die bescheidenste Reklamation wagt. Selbst Pillersdorf ist mit vielen andern ganz gemäßigten Deputirten aus Dégout ausgetreten. Die Deputirten der s. g. Linken, denen man standrechtliche Mißtrauensvota zugeschickt, sind darum nicht ausgetreten, weil sie wissen, daß sie alsdann im Auftrage der ministeriellen Henker ermordet werden. Die Czechen lassen sich noch fortwährend dazu benutzen, die Schergen der Kamarilla zu machen. Sie haben von Prag aus in Kroatien, Dalmatien und dem Küstenlande Slowanska lipa's gebildet, und überall in den ungarischen Ländern Deputirtenwahlen zum österreichischen Reichstag, der sich in lauter Erbärmlichkeit auflösen wird, anordnen lassen. Der Staatsbankrott rückt immer fürchterlicher heran, Gold und Silber stehen in enorm hohen Preisen. Nur ein kräftiger Stoß von wo immer her, und die Gesammtmonarchie aller Verruchtheit Europa's stürzt unter einem furchtbaren Erdbeben zusammen. Gott gebe es! Sich in die Arme des Slaventhums zu werfen wird unseres Romulus Augustolus letztes Röcheln sein. Deutschland hat dann einen harten Kampf um die demokratische Feuerprobe zu bestehen, denn die 17 Millionen Slaven werden auf Seite des asiatischen Despotismus kämpfen. Nachschrift: Großfurst Michael von Rußland ist in Olmütz angekommen. Ebenso Prinz Albert von Sachsen nebst Könneritz und Mengald. Letztere stammeln Entschuldigungen wegen des Leipziger Vorfalls, und tragen ihre Dienste an. Was ersterer will, können Sie sich denken. 24 Wien, 14. Dezember. Je niedertrachtiger, je hündischwedelnder die hiesige Bourgeoisie auftritt: desto mehr kocht in dem gesunden Theile des Volkes, in der arbeitenden Klasse, die Rache, der Durst nach einem einzigen Tage einer kleinen Abrechnung. Denn vollständige Abrechnung ist nicht möglich, selbst wenn dieses feige Schachergesindel christlichen und jüdischen Glaubens sammt und sonders an Laternenpfählen aufgeknüpft wurde. Zu solchen schaamlos-gemeinen Adressen, wie sie hier gleich Pilzen aufschießen, zu diesen Denunziationen an die Kriegsgewalt und zu den übrigen Früchten der bestialischen Gemeinheit, würden Sie wohl kaum bei den Herren im Wupperthal ein Gegenstück finden. (Doch, doch! tout comme chez nous!) Würde indeß der Haß des Volkes auch nicht durch die Thaten der Bourgeoisie genährt und täglich höher angefacht: das Verfahren der k. k. Beamten-Bestien in Civil und Militär wäre an sich schon hinreichend, Gift und Galle rege zu erhalten. Verurthei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar172_010" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0929"/> Akklamation gewählt: Tülf, Rawizcz aus Breslau, Schmiedecke aus Neiße und Schulz aus Brieg. Die aufgelöste Berliner Bürgerwehr wird gehocht, und dafür dann gedankt. (Wofür?)</p> <p>Es entspann sich eine Debatte über die bedingte und unbedingte Oeffentlichkeit. Das Comité hatte einen Unterschied gemacht zwischen dem bewaffneten und unbewaffneten Volk, letzterem war der Zutritt bisher verweigert, dagegen den Bürgerwehrfrauen — der Elite, der Hauptleute, kurz der Bevorzugten — gestattet. Letztere Maxime wurde verworfen und unbedingte Oeffentlichkeit beliebt. Um die Tagesordnung festzusetzen, debattirte man so lang und breitspurig, wie nur die <hi rendition="#g">Deutschen</hi> vermögen, <hi rendition="#g">endlich</hi> einigte man sich dahin, zuerst die Kritik des Bürgerwehrgesetzes vorzunehmen. Doch begreifen die Herren, daß sie eine ziemlich langweilige Aufgabe lösen müßten. Simion aus Berlin wünscht daher, daß man sich nur über die Prinzipien des Bürgerwehrgesetzes verständige, die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes für die Kammern dagegen einer Kommission nach Beendigung des Kongresses überlasse. Er hebt vorzüglich hervor: Ressort der Bürgerwehr, Eidesleistung, Strafbestimmung, Gerichtswesen, Wahl der Führer und Kostenpunkt. So zweckmäßig dieser Antrag auch ist, so setzen doch die Breslauer Bourgeoisdeputirten ihre sehr unvollständigen Vorlagen durch. Aus dem Antrage Simion's wurde doch noch herausgelesen: die Bürgerwehr möge nicht in das Ressort eines Ministeriums gehören, sondern Gemeinde-Anstalt bleiben. Hierüber wird heute Nachmittag berathen. Mit seltener Konsequenz hatten diese Herren, die den Simion'schen Antrag verworfen hatten, diesen wieder hervorgeholt, und um die Breslauer Stadtverordneten in ihrer Inkonsequenz noch zu übertreffen, faßten sie sogar den Beschluß: Eine Kommission niederzusetzen, die für die nächsten Kammern einen neuen Gesetzentwurf ausarbeiten soll. Sapienti sat.</p> <p>Dies die Thaten der Herren am ersten Morgen.</p> </div> <div xml:id="ar172_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Breslau, 15. Dezbr.</head> <p>In der Nachmittagssitzung waren noch Deputirte gekommen aus Danzig, Elberfeld und Spremberg. Die Debatte begann wieder wie bei allen Deutschen mit Formalien und immer waren auf hohem Rosse der Dr. Edler aus Berlin, der stets unwillig wurde, wenn man seine formellen Anträge nicht annehmen wollte. Jetzt geht man zum Ressortverhältniß der Bürgerwehr über. Der Antragsteller Meyer aus Berlin motivirt seinen Antrag auf §. 4 des Gesetzes dadurch, daß die Wehrmänner Söldlinge seien. Er beantragt: Jede Provinz sendet einen Vertreter, also 9 Männer, diese wählen einen Vorsitzenden und bilden ein Volksministerium. (Seit wann hat Preußen 9 Provinzen?) Dr. Edler, der Feenritter, wünscht als ersten Paragraphen des zukünftigen Wehrgesetzes, „die Bürgerwehr ist ein Theil der Volkswehr“ doch wünscht er Volkswehr! Es ist klassisch! Es will also Dr. Edler die Bürgerwehr gesondert von der Volswehr hinstellen. <hi rendition="#g">Werthmann</hi> aus Magdeburg spricht gegen die Anhäufung der Ministerien, steigert am Ende der Rede seine Stimme bedeutend, um — Er erhält ein Bravo. — Pflücker aus Breslau wünscht die Debatte fallen zu lassen. Um die Verfassung zu schützen, müsse die Bürgerwehr Gemeindesache werden, nur von der Gemeinde könne die Requisition an die Bürgerwehr ergehen. Die Bildung eines besondern Ministerii hält der Redner für ein Unding, und beantragt, die Sache so zu nehmen, wie sie liegt, zumal da das Gesetz nur provisorisch ist. <hi rendition="#g">Schildknecht</hi> aus Berlin und <hi rendition="#g">Friedensburg:</hi> die Bürgerwehr soll allein abhängig von der Kommunal- und Distriktsbehörde sein. Simion hält für die beste Organisation: die Provinz wählt Provinzialräthe, die Centralräthe, die neben dem Bürgerwehrminister stehen, sollen von der Volksvertretung gewählt werden. Diese Kommission soll darüber wachen, daß von den Ministern nicht die Verfassung verletzt werde. <hi rendition="#g">Ruge</hi> (der Biedermann) ritt bekanntlich einst auf dem Humanismus durch Deutschland und zwar beschränkte sich sein Humanismus auf eine einzige Rede, worin er viel Humanismus von den Zuhörern beanspruchte. Gleiches thut der Hr.<hi rendition="#g">Meyer,</hi> ehemaliger Schauspieler, er bringt fortwährend die Floskel: „<hi rendition="#g">das Recht ist eine wächserne Nase</hi>“ in allen seinen Reden vor, und erndtet meistentheils dadurch der Zuhörer Beifall. Die wächserne Nase ist immer den Humanismus werth. <hi rendition="#g">Thouet,</hi> ein gewrangelter Berliner, ist gegen jeden weitgehenden Antrag, denn das Ministerium legt solche bei Seite, und das wäre doch gräßlich. Nur bescheiden, nur bescheiden! Der Formenritter Edler erscheint auf dem Kampfplatze, spricht von Allem, nur nicht von der Sache, sogar von der Spitze der Führer, erzählt Berliner Geschichtchen etc.</p> </div> <div xml:id="ar172_011a" type="jArticle"> <head>Mätze,</head> <p>Exdeputirter, <hi rendition="#g">fürchtet mit Recht, daß ein Bürgerwehrminister das ihm gebotene Gift am Hofe ebenfalls einathmen wird, und daß nie ein Minister das Volk aufrufen würde gegen das Ministerium selbst das Volk selbst müsse freiwillig handeln und nicht erst warten eines Rufes von Oben. Die Centralisation der Bürgerwehr sei die der Freiheit; jeder Bürgerwehr stehe es frei, ihre Verbindung zu suchen; eine Organisation von Oben ist stets verwerflich. Die Bürgerwehr braucht kein Ministerium</hi>. (Endloser Jubel.)</p> <p><hi rendition="#g">Pfeiffer,</hi> ebenfalls ein gewrangelter Berliner, spricht sehr sentimental, er fordert ein Glaubensbekenntniß, damit die Regierung sich endlich überzeuge, daß wir keine Republik, am allerwenigsten aber — jenes Scheusal — die rothe Republik fordern, sondern einzig und allein die Monarchie, in der das Volk seine Angelegenheit selbstständig verwaltet! Hr. Pfeiffer will also eine republikanische Monarchie.</p> <p><hi rendition="#g">Engelmann</hi> stellt auf: die Regelung des Ressortverhältnisses sei sehr schwierig, zerfließt in Pathos, spricht von Vereidigung des Heeres auf die Verfassung etc., über freie Gemeindeverfassung und kommt dadurch auf die Bürgerwehr zurück; dieselbe soll nach Bezirken, Distrikten und Provinzen abgegrenzt sein und je nachdem besondere Kommandeure erhalten, und sich dem Ministerium des Innern unterordnen.</p> <p>Der Schluß wurde jetzt endlich beliebt, und aus dem Chaos geht hervor: als Schöpfung preußischer Wehrmänner:</p> <p>1) die Streichung des §. 5: „Die Bürgerwehr gehört zum Ressort des Ministeriums des Innern.“</p> <p>2) mit 27 gegen 25 Stimmen: „ein Ministerium der Bürgerwehr zu konstituiren, das die Krone ernennt.“</p> <p>Recht so, immer mehr Organe für die Krone; es lebe die Bureaukratie! Neben diesen königl. Minister sollen Räthe stehen, gewählt entweder von Prov.-Räthen, oder den Vertretern des Volkes. Bravo, bravissime, sollten doch Paulskirchler einst von den Vertretern des Volks — dem Vereinigten Landtag erwählt werden! Man sieht: die braven Preußen lernen nichts aus der Geschichte; das alte Vertrauen ist immer noch nicht verloren.</p> <p>Hiermit schloß die Verhandlung des ersten Tages; die Versammelten begaben sich aus dem Saale, wo so manche Disharmonie geherrscht hatte, in den Wintergarten, um ihre Disharmonie durch harmonische Töne eines Concerts paralysiren zu lassen.</p> </div> <div xml:id="ar172_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Breslau, 15. Dez.</head> <p>Statt einer Revolution gibt's Revolutiönchen in Schlesien. In Kreutzburg verlangten bekanntlich mehrere Bauern Befreiung von ihren Robotdiensten etc., dem widersetzte sich der Gutsherr. Es kam zu Streitigkeiten, bei denen 3 Bauern erschossen und ein Gutsherr v. Gladis getödtet wurde. Sofort trat der Belagerungszustand ein. Bereits sind Massen von Gefangenen nach Neisse und Brieg eingebracht und die sogenannten Rädelsführer auch schon zu 3 Jahre Zuchthaus verurtheilt worden. Auch im Gleinitzer Kreise soll es Bauernunruhen geben, ist dies der Fall, so wird auch jener Kreis nebst einer Demarkationslinie, die noch einige angrenzende Kreise zur Hälfte einschließt, mit dem Belagerungszustand beehrt werden. Der Wunsch der „Galgenzeitung“ in Berlin, (Organ der Brandenburg-Manteuffel und Comp.): über ganz Schlesien ja recht schnell den Belagerungszustand zu verhängen, könnte sonach bald in Erfüllung gehen. Wir leben jetzt unter einem größern Druck als die <hi rendition="#g">Juden</hi> unter <hi rendition="#g">Pharao</hi>. Man war damals noch humaner, als man glaubt. Pharao erlaubte den Juden wenigstens zu heirathen, die Erstgebornen aber befahl er zu tödten, wir dagegen dürfen laut §. 17 der Verfassung von „Gottes Gnaden“ nicht mehr heirathen, es sei denn — daß das Gesetz über die Civilehe bald erscheint. Doch damit wird's gute Weile haben, und darum sind alle Heieathslustigen und -bedürftigen zu beklagen.</p> <p>Sie kennen ohne Zweifel die Verurtheilung Dr. <hi rendition="#g">Borchards</hi> zu 12 Jahr Festung und Verlust der Nat.-Cocarde und des Dr. <hi rendition="#g">Asch</hi> zu 1 Jahr Festung. Unbekannt dagegen dürften Ihnen die Gründe des Urtheils sein. Dr. Asch und Borchard haben die Kokarde verloren — aus Mangel an „patriotischer Gesinnung“ denken Sie? Bewahre! dies wäre ja ein Paragraph aus dem Allg. Landrecht, das nichts mehr gilt, seitdem durch die octroyirte Verfassung den Gesetzen Hohn gesprochen worden, nein, Beide müssen diesen schrecklichen Cocardenverlust erleiden aus Mangel an — <hi rendition="#b">„politischer Gesinnung!“</hi> Auch ist unter den Belastungszeugen gegen Dr. Asch angefuhrt: Dr. Asch selbst. Dies zur Charakteristik des hiesigen Gerichts.</p> <p>Als Curiosum noch Folgendes: der deutsche biedre Mann, dem der Mann von „Gottes Gnaden“ die Hand drückt ob seines guten Benehmens bei den Vorgängen am 20. Nov. auf dem Stadthause, dieser biedre Mann, Klempnermeister Vogt, ist ob jener Vorgänge in Untersuchung gezogen. Dieser „<hi rendition="#g">königliche handgedrückte</hi>“ Mann lud nämlich am 20. Nov. sein Gewehr, um die Mitglieder des Magistrats sofort, wie die Fama sagt, am Weitergehen zu verhindern.</p> </div> <div xml:id="ar172_013" type="jArticle"> <head>Breslau, 14. Dezember.</head> <p>Wie ernst es der Regierung ist, mit den versprochenen Freiheiten das Volk wirklich zu beglücken, geht aus folgenden zwei Thatsachen hervor. Zunächst läßt die Regierung von den Landräthen Recherchen anstellen, ob die Deputirten den von der Nationalversammlung gefaßten Beschluß der Steuerverweigerung in irgend welcher Weise verbreitet haben, um diese Deputirten zur Untersuchung ziehen zu können. Man glaubte, die Regierung habe diese Absicht aufgegeben, indeß dem ist nicht so. Wie sollte sie auch? Ist dies doch das beste Mittel, jene Männer für die Wahlen unschädlich zu machen, und in welcher Weise ginge dies besser? Es ist aber nicht allein nothwendig, daß man die Männer, die möglicher Weise einen Einfluß ausüben können, in jeder Weise verfolgt, die Regierung sieht sich auch zu anderen Maßnahmen — die Furcht gebietet sie ihr — genöthigt. Diese bestehen darin, daß man ganze Kreise in Belagerungszustand versetzt. Durch das sofort proklamirte Martialgesetz wird die Presse unterdrückt, Versammlungen werden verboten — d. h. die Wahlen so geleitet, wie es die Regierung wünscht. Wie versetzt man aber Kreise in Belagerungszustand? Im Rosenberger Kreise waren unruhige Auftritte in einem Dorfe, die den gewünschten Vorwand abgaben. Wie aber in andern Kreisen? Ei nun! <hi rendition="#g">Da hat die Regierung die Landräthe durch Rescript gefragt, ob sie wünschten, daß ihr Kreis oder ein Theil desselben in Belagerungszustand erklärt werden solle</hi>. Je nach dem Wunsche der Landräthe würde dann das Nöthige wahrscheinlich verfügt werden. Mancher dürfte bei dieser Meldung ungläubig den Kopf schütteln, aber es ist nun einmal so; die Thatsache ist vorhanden und dürfte schwerlich weggeleugnet werden können. Man wird nach und nach die ganze Provinz, wo man der Wahlen nicht sicher ist, in Belagerungszustand erklären und dann wird das Volk in „Ruhe und Ordnung“ frei die freien Volksvertreter wählen.</p> <bibl>(A. Od.-Ztg.)</bibl> </div> <div xml:id="ar172_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 13. Dezbr.</head> <p>Aufgepaßt! Prinz Karl von Preußen ist am 10. nach Prag abgereist. Dort, wie in Olmütz, soll derselbe über die Zwecke und Absichten Preußens die beruhigendsten Versicherungen gemacht haben. „Es handle sich nicht von einem politischen Ehrgeize Preußens, sondern davon, durch Wiederherstellung einer starken Centralgewalt in Deutschland den absoluten Mächten wiederum den Halt und Vorposten gegen Frankreich zu geben, die sie vor dem März gehabt. Die innern Verhältnisse Oestreichs erlaubten vor der Hand nicht, daß es in Frankfurt die Zügel führe, darum werde Preußen sich derselben bemächtigen. Dazu bedürfe es der Sympathien der europäischen Bourgeoisie, und glaube sich dieselben durch die Verfassungsurkunde, die übrigens durchaus von den künftigen Bestimmungen Frankfurt's und von den Ereignissen abhange, erworben zu haben. Es habe der Eile bedurft, weil der rothe Sturm dem Ausbruche nahe sei. Die ehrenwerthen Vertreter Frankreichs seien ebenso mit dem Geschehenen einverstanden, als sämmtliche deutsche Fürsten.“ So sollen die Versicherungen des Prinzen gelautet haben, die Kamarilla soll davon jedoch wenig erbaut worden sein. Sie fürchtet Preußens Ehrgeiz mehr, als alles andere, und überwindet daher alle préjugés, um mit den gemeinen französischen Bourgeois in immer größere Intimität zu treten. Nebenbei regnet's russische Kouriere in Olmütz, und die unter Metternich berüchtigtsten Personen sind dort wieder in Aktivität, z. B. <hi rendition="#g">Ward,</hi> Beherrscher Parma's und Maria Louisen's, Hofrath <hi rendition="#g">Werner,</hi> Postillon Metternich's und Nikolausen's. Der französische Gesandte, ein Jude, ist in diese Intriguen aktiv verflochten, er macht, wie Frankreich, den Livreebedienten des Absolutismus, und wird dafür von ihm erwischt, wie die Pariser Bourgeois mit der Flucht des Pabstes von ihm erwischt worden sind. Spauer hatte von Oestreich und Rußland den Auftrag, den Pabst um keinen Preis nach Frankreich zu den gemeinen Bourgeois entfliehen zu lassen, weil er in gewissen Fällen dort als Geißel hätte dienen können. — Folgende Stellen des standrechtlich redigirten ministeriellen Henkerblattes <hi rendition="#g">Lloyd</hi> mögen Ihnen eine fernere Probe sein, wie der Absolutismus die französischen Bourgeois benutzt, um ihnen dann auf die gemeinen Pfoten zu klopfen. — Ein östreichischer Emissär und Spion schreibt nämlich aus Paris, daß die Gutgesinnten, wobei er als Spitzen die Namen Molé, Bugeaud, Soult, Thiers, Barrot, Garnier-Pagès, Cremieux, Pagnerre und, um bei dem hiesigen Blödsinn Glauben zu finden, die Koryphäen der äußersten Linken nennt, erklärt hätten, für Ludwig Napoleon stimmen zu wollen, „weil er förmlich verspricht“, schreibt der Spion, „als Präsident der Republik alle Maßregeln zu treffen, um das Ansehen der päbstlichen Regierung herzustellen, d. h. gegen die Rebellen in Rom zu Felde zu ziehen, wozu Cavaignac sich nimmer herbeilassen würde, weil er als Mann des National im Grunde des Herzens der Revolution in Rom Beifall zollt.“ Ein solches Versprechen heißt begreiflicher Weise nichts anders, als Oestreich die Unterdrückung Italiens gänzlich überlassen; mit Napoleon siegt nämlich in der bornirten <hi rendition="#g">Vorstellung Napoleons</hi> und der <hi rendition="#g">deutsch-russischen Höfe</hi> der Absolutismus, mit Cavaignac die Bourgeoisie in Frankreich, darum ist Napoleon der Kandidat des Absolutismus. Der Spion schreibt nun noch, daß das Programm unseres Henkerministeriums den besten Eindruck in Paris hervorgebracht habe, und die meisten Blätter dasselbe mit lobender <hi rendition="#g">Anerkennung des konstitutionellen Geistes</hi> (!! ein famoses Kompliment für die französisch republikanische Presse) der darin weht, besprächen. — Aus einem Aufsatze desselben Lloyd: „Die ungarische Rebellion“ überschrieben, hebe ich, den französischen Bourgeois zum Frommen, noch folgende, Obiges erläuternde Stelle hervor: „Der ungarische Landtag 1847 hatte schon in den vierten Monat gewährt, und es schien, daß er ebenso erfolglos sein werde, wie die früheren, als die Februarrevolution in Paris statt hatte. Wenn die Ungarn damals den Sinn ihrer Väter gehabt hätten, wenn sie den Namen einer edlen Nation behaupten wollten, hätten sie sagen müssen: in der gegenwärtigen Lage Europa's ist ein Krieg leicht möglich, wir bieten also unserm König gleich jetzt einmalhunderttausend Rekruten an.“ Mit solcher Unverschämtheit drückt sich schon jetzt das östreichische Ministerium aus. Ungarn hat im März also der franz. Bourgeoisie einen ungeheuern Liebesdienst erwiesen, wofür diese Bourgeoisie nunmehr die Magyaren auch ermorden läßt. Sie bleibt sich gleich, sei's in Paris, sei's anderwärts. Hätte der Kaiser damals die 100,000 Mann gehabt, die Bourgeois-Republik hätte dieselben zur nähern Besichtigung zugeschickt bekommen. Daß sie nunmehr mit in das Komplott der Fürsten, Jesuiten und andern Erdenscheusale getreten ist, wird sie um so gewisser verderben. — Für den Fall, daß er mit ihm seine Zwecke erreicht, soll die Knutenmajestät von Irkutz und Tobolzk Ludwig Napoleon nebst einer Cesarewna, Land zum Anpflanzen eines dynastischen Baums bestimmt zugesagt haben. Darum ist auch die Erfüllung der preuß. Verfassung bis in den Februar verschoben, und kann dann, je nachdem, weiter verschoben werden. Die Eile, mit welcher diese Verfassung aus dem Belgischen übersetzt worden, muß in der That groß gewesen sein, weil man den so gutmüthigen deutschen § mit dem belgischen Rebellen-Artikel aus Versehen vertauschen konnte.</p> <p>In den heutigen offiziellen Organen des Henkerministeriums beginnt die österreichische Katze Deutschland zu streicheln, und den König von Preußen in ein zweideutiges Licht zu stellen. Der „Lloyd“ sagt: „Oesterreich ist in Deutschland von Narren (!) verläumdet worden. Oesterreich verdient nicht die vielen harten Redensarten, welche man in Deutschland gegen dasselbe geschleudert hat. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß seit dem Monat März es keine Zeit gegeben hat, welche einer Einigung Deutschlands und Oesterreichs so günstig gewesen ist, als die jetzige.“ Soll man die dynastische Banditen-Unverschämtheit, oder die österreichische Bornirtheit hier mehr bewundern? Wie in Paris, so hat unser Ministerium namentlich auch in Berlin seine Spione, die mit österreichischer Scheinheilgkeit und gemeiner Polizeischlauheit in die Wiener Zeitung, in die Presse, in den Lloyd und österreichischen Korrespondenten schreiben, und sich, wie namentlich im heutigen Lloyd geschieht, alle Mühe geben, sich als patriotische Preußen zu gebärden, um von diesen Standpunkt aus österreichisch zu wirken. Wir sind wieder ganz in dem alten Dynasten- und Diplomatenstil, wo Volk Pöbel, Freiheit Anarchie heißt. Es würde zu weit führen, Ihnen den Auswurf dieser österreichischen Auswürflinge auch nur im Auszuge mitzutheilen. Entweder die Freiheit, oder das Scheusal, welches man österreichische Gesammtmonarchie nennt, müssen untergehen, beide können in Europa zusammen nicht bestehen. Das zweite ministerielle Organ die „Presse“ sagt:</p> <p>„Wir halten den Entwicklungsgang der preußischen Staatseinrichtungen für einen unglücklichen. Wir wünschen für Oesterreich eine natürlichere, weniger gewaltsame Lösung aller Schwierigkeiten.“</p> <p>Eine solche Sprache nach dem Mord ganzer Bevölkerungen und nach den infamsten Gewaltstreichen ist gewiß nur mehr im Munde des österreichischen Kretinismus und der österreichischen Verruchtheit denkbar. Man findet noch immer ganze Keller voll ermordeter Menschen; die ganze Umgegend Wiens liegt voll verbrannter und verstümmelter Leichname, welche von den k. k. Banditen im Auftrage des alten und neuen Standrechtskaisers ermordet und verscharrt worden sind, und was täglich in Ungarn geschieht, übersteigt das Entsetzen aller Jahrhunderte. Auch die Vergiftung Karl Alberts, welche man der Demokratie von hier aus aufbürdet, ist durch Oesterreich geschehen. Vergiften war Metternichs beliebtester Staatsakt; auch Marie Louise ist vergiftet worden. — Aus einigen in der gestrigen Abendbeilage zur „Wiener Zeitung“ enthaltenen Andeutungen, die ich für offiziell ansehen muß, geht hervor, daß man, um die Bevölkerung zu gewinnen, den Belagerungszustand gerne aufheben möchte; indessen kommen noch täglich standrechtliche Verurtheilungen vor. Auch von einer Amnestie wird geredet. Der preußische Staatsstreich wird den jungen Standrechtskaiser und seiner Xantippe zwingen, dem Volke ein freundliches Hyänenantlitz zu zeigen, denn in allen deutschen Provinzen beginnt man sich schon zu erheben, und täglich wird ungehorsames Militär aus Ungarn hierherzurückgebracht. Das russische Militär soll verkleidet massenweise nach Ungarn strömen, aber der französische Gesandte drückt die Augen zu.</p> <p>Die Kamarilla beschäftigt den Reichstag mit dem Entwurf einer neuen Geschäftsordnung. Von Berathung einer Verfassung oder organischer Gesetze keine Rede. Man will hier den vollendetsten Despotismus erhalten, und nennt jeden einen Anarchisten, der auch nur die bescheidenste Reklamation wagt. Selbst Pillersdorf ist mit vielen andern ganz gemäßigten Deputirten aus Dégout ausgetreten. Die Deputirten der s. g. Linken, denen man standrechtliche Mißtrauensvota zugeschickt, sind darum nicht ausgetreten, weil sie wissen, daß sie alsdann im Auftrage der ministeriellen Henker ermordet werden. Die Czechen lassen sich noch fortwährend dazu benutzen, die Schergen der Kamarilla zu machen. Sie haben von Prag aus in Kroatien, Dalmatien und dem Küstenlande Slowanska lipa's gebildet, und überall in den ungarischen Ländern Deputirtenwahlen zum österreichischen Reichstag, der sich in lauter Erbärmlichkeit auflösen wird, anordnen lassen. Der Staatsbankrott rückt immer fürchterlicher heran, Gold und Silber stehen in enorm hohen Preisen. Nur ein kräftiger Stoß von wo immer her, und die Gesammtmonarchie aller Verruchtheit Europa's stürzt unter einem furchtbaren Erdbeben zusammen. Gott gebe es!</p> <p>Sich in die Arme des Slaventhums zu werfen wird unseres Romulus Augustolus letztes Röcheln sein. Deutschland hat dann einen harten Kampf um die demokratische Feuerprobe zu bestehen, denn die 17 Millionen Slaven werden auf Seite des asiatischen Despotismus kämpfen.</p> <p><hi rendition="#g">Nachschrift:</hi> Großfurst Michael von Rußland ist in Olmütz angekommen. Ebenso Prinz Albert von Sachsen nebst Könneritz und Mengald. Letztere stammeln Entschuldigungen wegen des Leipziger Vorfalls, und tragen ihre Dienste an. Was ersterer will, können Sie sich denken.</p> </div> <div xml:id="ar172_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>24</author></bibl> Wien, 14. Dezember.</head> <p>Je niedertrachtiger, je hündischwedelnder die hiesige Bourgeoisie auftritt: desto mehr kocht in dem gesunden Theile des Volkes, in der arbeitenden Klasse, die Rache, der Durst nach einem einzigen Tage einer kleinen Abrechnung. Denn vollständige Abrechnung ist nicht möglich, selbst wenn dieses feige Schachergesindel christlichen und jüdischen Glaubens sammt und sonders an Laternenpfählen aufgeknüpft wurde. Zu solchen schaamlos-gemeinen Adressen, wie sie hier gleich Pilzen aufschießen, zu diesen Denunziationen an die Kriegsgewalt und zu den übrigen Früchten der bestialischen Gemeinheit, würden Sie wohl kaum bei den Herren im Wupperthal ein Gegenstück finden. (Doch, doch! tout comme chez nous!)</p> <p>Würde indeß der Haß des Volkes auch nicht durch die Thaten der Bourgeoisie genährt und täglich höher angefacht: das Verfahren der k. k. Beamten-Bestien in Civil und Militär wäre an sich schon hinreichend, Gift und Galle rege zu erhalten. Verurthei- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0929/0003]
Akklamation gewählt: Tülf, Rawizcz aus Breslau, Schmiedecke aus Neiße und Schulz aus Brieg. Die aufgelöste Berliner Bürgerwehr wird gehocht, und dafür dann gedankt. (Wofür?)
Es entspann sich eine Debatte über die bedingte und unbedingte Oeffentlichkeit. Das Comité hatte einen Unterschied gemacht zwischen dem bewaffneten und unbewaffneten Volk, letzterem war der Zutritt bisher verweigert, dagegen den Bürgerwehrfrauen — der Elite, der Hauptleute, kurz der Bevorzugten — gestattet. Letztere Maxime wurde verworfen und unbedingte Oeffentlichkeit beliebt. Um die Tagesordnung festzusetzen, debattirte man so lang und breitspurig, wie nur die Deutschen vermögen, endlich einigte man sich dahin, zuerst die Kritik des Bürgerwehrgesetzes vorzunehmen. Doch begreifen die Herren, daß sie eine ziemlich langweilige Aufgabe lösen müßten. Simion aus Berlin wünscht daher, daß man sich nur über die Prinzipien des Bürgerwehrgesetzes verständige, die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes für die Kammern dagegen einer Kommission nach Beendigung des Kongresses überlasse. Er hebt vorzüglich hervor: Ressort der Bürgerwehr, Eidesleistung, Strafbestimmung, Gerichtswesen, Wahl der Führer und Kostenpunkt. So zweckmäßig dieser Antrag auch ist, so setzen doch die Breslauer Bourgeoisdeputirten ihre sehr unvollständigen Vorlagen durch. Aus dem Antrage Simion's wurde doch noch herausgelesen: die Bürgerwehr möge nicht in das Ressort eines Ministeriums gehören, sondern Gemeinde-Anstalt bleiben. Hierüber wird heute Nachmittag berathen. Mit seltener Konsequenz hatten diese Herren, die den Simion'schen Antrag verworfen hatten, diesen wieder hervorgeholt, und um die Breslauer Stadtverordneten in ihrer Inkonsequenz noch zu übertreffen, faßten sie sogar den Beschluß: Eine Kommission niederzusetzen, die für die nächsten Kammern einen neuen Gesetzentwurf ausarbeiten soll. Sapienti sat.
Dies die Thaten der Herren am ersten Morgen.
X Breslau, 15. Dezbr. In der Nachmittagssitzung waren noch Deputirte gekommen aus Danzig, Elberfeld und Spremberg. Die Debatte begann wieder wie bei allen Deutschen mit Formalien und immer waren auf hohem Rosse der Dr. Edler aus Berlin, der stets unwillig wurde, wenn man seine formellen Anträge nicht annehmen wollte. Jetzt geht man zum Ressortverhältniß der Bürgerwehr über. Der Antragsteller Meyer aus Berlin motivirt seinen Antrag auf §. 4 des Gesetzes dadurch, daß die Wehrmänner Söldlinge seien. Er beantragt: Jede Provinz sendet einen Vertreter, also 9 Männer, diese wählen einen Vorsitzenden und bilden ein Volksministerium. (Seit wann hat Preußen 9 Provinzen?) Dr. Edler, der Feenritter, wünscht als ersten Paragraphen des zukünftigen Wehrgesetzes, „die Bürgerwehr ist ein Theil der Volkswehr“ doch wünscht er Volkswehr! Es ist klassisch! Es will also Dr. Edler die Bürgerwehr gesondert von der Volswehr hinstellen. Werthmann aus Magdeburg spricht gegen die Anhäufung der Ministerien, steigert am Ende der Rede seine Stimme bedeutend, um — Er erhält ein Bravo. — Pflücker aus Breslau wünscht die Debatte fallen zu lassen. Um die Verfassung zu schützen, müsse die Bürgerwehr Gemeindesache werden, nur von der Gemeinde könne die Requisition an die Bürgerwehr ergehen. Die Bildung eines besondern Ministerii hält der Redner für ein Unding, und beantragt, die Sache so zu nehmen, wie sie liegt, zumal da das Gesetz nur provisorisch ist. Schildknecht aus Berlin und Friedensburg: die Bürgerwehr soll allein abhängig von der Kommunal- und Distriktsbehörde sein. Simion hält für die beste Organisation: die Provinz wählt Provinzialräthe, die Centralräthe, die neben dem Bürgerwehrminister stehen, sollen von der Volksvertretung gewählt werden. Diese Kommission soll darüber wachen, daß von den Ministern nicht die Verfassung verletzt werde. Ruge (der Biedermann) ritt bekanntlich einst auf dem Humanismus durch Deutschland und zwar beschränkte sich sein Humanismus auf eine einzige Rede, worin er viel Humanismus von den Zuhörern beanspruchte. Gleiches thut der Hr.Meyer, ehemaliger Schauspieler, er bringt fortwährend die Floskel: „das Recht ist eine wächserne Nase“ in allen seinen Reden vor, und erndtet meistentheils dadurch der Zuhörer Beifall. Die wächserne Nase ist immer den Humanismus werth. Thouet, ein gewrangelter Berliner, ist gegen jeden weitgehenden Antrag, denn das Ministerium legt solche bei Seite, und das wäre doch gräßlich. Nur bescheiden, nur bescheiden! Der Formenritter Edler erscheint auf dem Kampfplatze, spricht von Allem, nur nicht von der Sache, sogar von der Spitze der Führer, erzählt Berliner Geschichtchen etc.
Mätze, Exdeputirter, fürchtet mit Recht, daß ein Bürgerwehrminister das ihm gebotene Gift am Hofe ebenfalls einathmen wird, und daß nie ein Minister das Volk aufrufen würde gegen das Ministerium selbst das Volk selbst müsse freiwillig handeln und nicht erst warten eines Rufes von Oben. Die Centralisation der Bürgerwehr sei die der Freiheit; jeder Bürgerwehr stehe es frei, ihre Verbindung zu suchen; eine Organisation von Oben ist stets verwerflich. Die Bürgerwehr braucht kein Ministerium. (Endloser Jubel.)
Pfeiffer, ebenfalls ein gewrangelter Berliner, spricht sehr sentimental, er fordert ein Glaubensbekenntniß, damit die Regierung sich endlich überzeuge, daß wir keine Republik, am allerwenigsten aber — jenes Scheusal — die rothe Republik fordern, sondern einzig und allein die Monarchie, in der das Volk seine Angelegenheit selbstständig verwaltet! Hr. Pfeiffer will also eine republikanische Monarchie.
Engelmann stellt auf: die Regelung des Ressortverhältnisses sei sehr schwierig, zerfließt in Pathos, spricht von Vereidigung des Heeres auf die Verfassung etc., über freie Gemeindeverfassung und kommt dadurch auf die Bürgerwehr zurück; dieselbe soll nach Bezirken, Distrikten und Provinzen abgegrenzt sein und je nachdem besondere Kommandeure erhalten, und sich dem Ministerium des Innern unterordnen.
Der Schluß wurde jetzt endlich beliebt, und aus dem Chaos geht hervor: als Schöpfung preußischer Wehrmänner:
1) die Streichung des §. 5: „Die Bürgerwehr gehört zum Ressort des Ministeriums des Innern.“
2) mit 27 gegen 25 Stimmen: „ein Ministerium der Bürgerwehr zu konstituiren, das die Krone ernennt.“
Recht so, immer mehr Organe für die Krone; es lebe die Bureaukratie! Neben diesen königl. Minister sollen Räthe stehen, gewählt entweder von Prov.-Räthen, oder den Vertretern des Volkes. Bravo, bravissime, sollten doch Paulskirchler einst von den Vertretern des Volks — dem Vereinigten Landtag erwählt werden! Man sieht: die braven Preußen lernen nichts aus der Geschichte; das alte Vertrauen ist immer noch nicht verloren.
Hiermit schloß die Verhandlung des ersten Tages; die Versammelten begaben sich aus dem Saale, wo so manche Disharmonie geherrscht hatte, in den Wintergarten, um ihre Disharmonie durch harmonische Töne eines Concerts paralysiren zu lassen.
X Breslau, 15. Dez. Statt einer Revolution gibt's Revolutiönchen in Schlesien. In Kreutzburg verlangten bekanntlich mehrere Bauern Befreiung von ihren Robotdiensten etc., dem widersetzte sich der Gutsherr. Es kam zu Streitigkeiten, bei denen 3 Bauern erschossen und ein Gutsherr v. Gladis getödtet wurde. Sofort trat der Belagerungszustand ein. Bereits sind Massen von Gefangenen nach Neisse und Brieg eingebracht und die sogenannten Rädelsführer auch schon zu 3 Jahre Zuchthaus verurtheilt worden. Auch im Gleinitzer Kreise soll es Bauernunruhen geben, ist dies der Fall, so wird auch jener Kreis nebst einer Demarkationslinie, die noch einige angrenzende Kreise zur Hälfte einschließt, mit dem Belagerungszustand beehrt werden. Der Wunsch der „Galgenzeitung“ in Berlin, (Organ der Brandenburg-Manteuffel und Comp.): über ganz Schlesien ja recht schnell den Belagerungszustand zu verhängen, könnte sonach bald in Erfüllung gehen. Wir leben jetzt unter einem größern Druck als die Juden unter Pharao. Man war damals noch humaner, als man glaubt. Pharao erlaubte den Juden wenigstens zu heirathen, die Erstgebornen aber befahl er zu tödten, wir dagegen dürfen laut §. 17 der Verfassung von „Gottes Gnaden“ nicht mehr heirathen, es sei denn — daß das Gesetz über die Civilehe bald erscheint. Doch damit wird's gute Weile haben, und darum sind alle Heieathslustigen und -bedürftigen zu beklagen.
Sie kennen ohne Zweifel die Verurtheilung Dr. Borchards zu 12 Jahr Festung und Verlust der Nat.-Cocarde und des Dr. Asch zu 1 Jahr Festung. Unbekannt dagegen dürften Ihnen die Gründe des Urtheils sein. Dr. Asch und Borchard haben die Kokarde verloren — aus Mangel an „patriotischer Gesinnung“ denken Sie? Bewahre! dies wäre ja ein Paragraph aus dem Allg. Landrecht, das nichts mehr gilt, seitdem durch die octroyirte Verfassung den Gesetzen Hohn gesprochen worden, nein, Beide müssen diesen schrecklichen Cocardenverlust erleiden aus Mangel an — „politischer Gesinnung!“ Auch ist unter den Belastungszeugen gegen Dr. Asch angefuhrt: Dr. Asch selbst. Dies zur Charakteristik des hiesigen Gerichts.
Als Curiosum noch Folgendes: der deutsche biedre Mann, dem der Mann von „Gottes Gnaden“ die Hand drückt ob seines guten Benehmens bei den Vorgängen am 20. Nov. auf dem Stadthause, dieser biedre Mann, Klempnermeister Vogt, ist ob jener Vorgänge in Untersuchung gezogen. Dieser „königliche handgedrückte“ Mann lud nämlich am 20. Nov. sein Gewehr, um die Mitglieder des Magistrats sofort, wie die Fama sagt, am Weitergehen zu verhindern.
Breslau, 14. Dezember. Wie ernst es der Regierung ist, mit den versprochenen Freiheiten das Volk wirklich zu beglücken, geht aus folgenden zwei Thatsachen hervor. Zunächst läßt die Regierung von den Landräthen Recherchen anstellen, ob die Deputirten den von der Nationalversammlung gefaßten Beschluß der Steuerverweigerung in irgend welcher Weise verbreitet haben, um diese Deputirten zur Untersuchung ziehen zu können. Man glaubte, die Regierung habe diese Absicht aufgegeben, indeß dem ist nicht so. Wie sollte sie auch? Ist dies doch das beste Mittel, jene Männer für die Wahlen unschädlich zu machen, und in welcher Weise ginge dies besser? Es ist aber nicht allein nothwendig, daß man die Männer, die möglicher Weise einen Einfluß ausüben können, in jeder Weise verfolgt, die Regierung sieht sich auch zu anderen Maßnahmen — die Furcht gebietet sie ihr — genöthigt. Diese bestehen darin, daß man ganze Kreise in Belagerungszustand versetzt. Durch das sofort proklamirte Martialgesetz wird die Presse unterdrückt, Versammlungen werden verboten — d. h. die Wahlen so geleitet, wie es die Regierung wünscht. Wie versetzt man aber Kreise in Belagerungszustand? Im Rosenberger Kreise waren unruhige Auftritte in einem Dorfe, die den gewünschten Vorwand abgaben. Wie aber in andern Kreisen? Ei nun! Da hat die Regierung die Landräthe durch Rescript gefragt, ob sie wünschten, daß ihr Kreis oder ein Theil desselben in Belagerungszustand erklärt werden solle. Je nach dem Wunsche der Landräthe würde dann das Nöthige wahrscheinlich verfügt werden. Mancher dürfte bei dieser Meldung ungläubig den Kopf schütteln, aber es ist nun einmal so; die Thatsache ist vorhanden und dürfte schwerlich weggeleugnet werden können. Man wird nach und nach die ganze Provinz, wo man der Wahlen nicht sicher ist, in Belagerungszustand erklären und dann wird das Volk in „Ruhe und Ordnung“ frei die freien Volksvertreter wählen.
(A. Od.-Ztg.) 121 Wien, 13. Dezbr. Aufgepaßt! Prinz Karl von Preußen ist am 10. nach Prag abgereist. Dort, wie in Olmütz, soll derselbe über die Zwecke und Absichten Preußens die beruhigendsten Versicherungen gemacht haben. „Es handle sich nicht von einem politischen Ehrgeize Preußens, sondern davon, durch Wiederherstellung einer starken Centralgewalt in Deutschland den absoluten Mächten wiederum den Halt und Vorposten gegen Frankreich zu geben, die sie vor dem März gehabt. Die innern Verhältnisse Oestreichs erlaubten vor der Hand nicht, daß es in Frankfurt die Zügel führe, darum werde Preußen sich derselben bemächtigen. Dazu bedürfe es der Sympathien der europäischen Bourgeoisie, und glaube sich dieselben durch die Verfassungsurkunde, die übrigens durchaus von den künftigen Bestimmungen Frankfurt's und von den Ereignissen abhange, erworben zu haben. Es habe der Eile bedurft, weil der rothe Sturm dem Ausbruche nahe sei. Die ehrenwerthen Vertreter Frankreichs seien ebenso mit dem Geschehenen einverstanden, als sämmtliche deutsche Fürsten.“ So sollen die Versicherungen des Prinzen gelautet haben, die Kamarilla soll davon jedoch wenig erbaut worden sein. Sie fürchtet Preußens Ehrgeiz mehr, als alles andere, und überwindet daher alle préjugés, um mit den gemeinen französischen Bourgeois in immer größere Intimität zu treten. Nebenbei regnet's russische Kouriere in Olmütz, und die unter Metternich berüchtigtsten Personen sind dort wieder in Aktivität, z. B. Ward, Beherrscher Parma's und Maria Louisen's, Hofrath Werner, Postillon Metternich's und Nikolausen's. Der französische Gesandte, ein Jude, ist in diese Intriguen aktiv verflochten, er macht, wie Frankreich, den Livreebedienten des Absolutismus, und wird dafür von ihm erwischt, wie die Pariser Bourgeois mit der Flucht des Pabstes von ihm erwischt worden sind. Spauer hatte von Oestreich und Rußland den Auftrag, den Pabst um keinen Preis nach Frankreich zu den gemeinen Bourgeois entfliehen zu lassen, weil er in gewissen Fällen dort als Geißel hätte dienen können. — Folgende Stellen des standrechtlich redigirten ministeriellen Henkerblattes Lloyd mögen Ihnen eine fernere Probe sein, wie der Absolutismus die französischen Bourgeois benutzt, um ihnen dann auf die gemeinen Pfoten zu klopfen. — Ein östreichischer Emissär und Spion schreibt nämlich aus Paris, daß die Gutgesinnten, wobei er als Spitzen die Namen Molé, Bugeaud, Soult, Thiers, Barrot, Garnier-Pagès, Cremieux, Pagnerre und, um bei dem hiesigen Blödsinn Glauben zu finden, die Koryphäen der äußersten Linken nennt, erklärt hätten, für Ludwig Napoleon stimmen zu wollen, „weil er förmlich verspricht“, schreibt der Spion, „als Präsident der Republik alle Maßregeln zu treffen, um das Ansehen der päbstlichen Regierung herzustellen, d. h. gegen die Rebellen in Rom zu Felde zu ziehen, wozu Cavaignac sich nimmer herbeilassen würde, weil er als Mann des National im Grunde des Herzens der Revolution in Rom Beifall zollt.“ Ein solches Versprechen heißt begreiflicher Weise nichts anders, als Oestreich die Unterdrückung Italiens gänzlich überlassen; mit Napoleon siegt nämlich in der bornirten Vorstellung Napoleons und der deutsch-russischen Höfe der Absolutismus, mit Cavaignac die Bourgeoisie in Frankreich, darum ist Napoleon der Kandidat des Absolutismus. Der Spion schreibt nun noch, daß das Programm unseres Henkerministeriums den besten Eindruck in Paris hervorgebracht habe, und die meisten Blätter dasselbe mit lobender Anerkennung des konstitutionellen Geistes (!! ein famoses Kompliment für die französisch republikanische Presse) der darin weht, besprächen. — Aus einem Aufsatze desselben Lloyd: „Die ungarische Rebellion“ überschrieben, hebe ich, den französischen Bourgeois zum Frommen, noch folgende, Obiges erläuternde Stelle hervor: „Der ungarische Landtag 1847 hatte schon in den vierten Monat gewährt, und es schien, daß er ebenso erfolglos sein werde, wie die früheren, als die Februarrevolution in Paris statt hatte. Wenn die Ungarn damals den Sinn ihrer Väter gehabt hätten, wenn sie den Namen einer edlen Nation behaupten wollten, hätten sie sagen müssen: in der gegenwärtigen Lage Europa's ist ein Krieg leicht möglich, wir bieten also unserm König gleich jetzt einmalhunderttausend Rekruten an.“ Mit solcher Unverschämtheit drückt sich schon jetzt das östreichische Ministerium aus. Ungarn hat im März also der franz. Bourgeoisie einen ungeheuern Liebesdienst erwiesen, wofür diese Bourgeoisie nunmehr die Magyaren auch ermorden läßt. Sie bleibt sich gleich, sei's in Paris, sei's anderwärts. Hätte der Kaiser damals die 100,000 Mann gehabt, die Bourgeois-Republik hätte dieselben zur nähern Besichtigung zugeschickt bekommen. Daß sie nunmehr mit in das Komplott der Fürsten, Jesuiten und andern Erdenscheusale getreten ist, wird sie um so gewisser verderben. — Für den Fall, daß er mit ihm seine Zwecke erreicht, soll die Knutenmajestät von Irkutz und Tobolzk Ludwig Napoleon nebst einer Cesarewna, Land zum Anpflanzen eines dynastischen Baums bestimmt zugesagt haben. Darum ist auch die Erfüllung der preuß. Verfassung bis in den Februar verschoben, und kann dann, je nachdem, weiter verschoben werden. Die Eile, mit welcher diese Verfassung aus dem Belgischen übersetzt worden, muß in der That groß gewesen sein, weil man den so gutmüthigen deutschen § mit dem belgischen Rebellen-Artikel aus Versehen vertauschen konnte.
In den heutigen offiziellen Organen des Henkerministeriums beginnt die österreichische Katze Deutschland zu streicheln, und den König von Preußen in ein zweideutiges Licht zu stellen. Der „Lloyd“ sagt: „Oesterreich ist in Deutschland von Narren (!) verläumdet worden. Oesterreich verdient nicht die vielen harten Redensarten, welche man in Deutschland gegen dasselbe geschleudert hat. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß seit dem Monat März es keine Zeit gegeben hat, welche einer Einigung Deutschlands und Oesterreichs so günstig gewesen ist, als die jetzige.“ Soll man die dynastische Banditen-Unverschämtheit, oder die österreichische Bornirtheit hier mehr bewundern? Wie in Paris, so hat unser Ministerium namentlich auch in Berlin seine Spione, die mit österreichischer Scheinheilgkeit und gemeiner Polizeischlauheit in die Wiener Zeitung, in die Presse, in den Lloyd und österreichischen Korrespondenten schreiben, und sich, wie namentlich im heutigen Lloyd geschieht, alle Mühe geben, sich als patriotische Preußen zu gebärden, um von diesen Standpunkt aus österreichisch zu wirken. Wir sind wieder ganz in dem alten Dynasten- und Diplomatenstil, wo Volk Pöbel, Freiheit Anarchie heißt. Es würde zu weit führen, Ihnen den Auswurf dieser österreichischen Auswürflinge auch nur im Auszuge mitzutheilen. Entweder die Freiheit, oder das Scheusal, welches man österreichische Gesammtmonarchie nennt, müssen untergehen, beide können in Europa zusammen nicht bestehen. Das zweite ministerielle Organ die „Presse“ sagt:
„Wir halten den Entwicklungsgang der preußischen Staatseinrichtungen für einen unglücklichen. Wir wünschen für Oesterreich eine natürlichere, weniger gewaltsame Lösung aller Schwierigkeiten.“
Eine solche Sprache nach dem Mord ganzer Bevölkerungen und nach den infamsten Gewaltstreichen ist gewiß nur mehr im Munde des österreichischen Kretinismus und der österreichischen Verruchtheit denkbar. Man findet noch immer ganze Keller voll ermordeter Menschen; die ganze Umgegend Wiens liegt voll verbrannter und verstümmelter Leichname, welche von den k. k. Banditen im Auftrage des alten und neuen Standrechtskaisers ermordet und verscharrt worden sind, und was täglich in Ungarn geschieht, übersteigt das Entsetzen aller Jahrhunderte. Auch die Vergiftung Karl Alberts, welche man der Demokratie von hier aus aufbürdet, ist durch Oesterreich geschehen. Vergiften war Metternichs beliebtester Staatsakt; auch Marie Louise ist vergiftet worden. — Aus einigen in der gestrigen Abendbeilage zur „Wiener Zeitung“ enthaltenen Andeutungen, die ich für offiziell ansehen muß, geht hervor, daß man, um die Bevölkerung zu gewinnen, den Belagerungszustand gerne aufheben möchte; indessen kommen noch täglich standrechtliche Verurtheilungen vor. Auch von einer Amnestie wird geredet. Der preußische Staatsstreich wird den jungen Standrechtskaiser und seiner Xantippe zwingen, dem Volke ein freundliches Hyänenantlitz zu zeigen, denn in allen deutschen Provinzen beginnt man sich schon zu erheben, und täglich wird ungehorsames Militär aus Ungarn hierherzurückgebracht. Das russische Militär soll verkleidet massenweise nach Ungarn strömen, aber der französische Gesandte drückt die Augen zu.
Die Kamarilla beschäftigt den Reichstag mit dem Entwurf einer neuen Geschäftsordnung. Von Berathung einer Verfassung oder organischer Gesetze keine Rede. Man will hier den vollendetsten Despotismus erhalten, und nennt jeden einen Anarchisten, der auch nur die bescheidenste Reklamation wagt. Selbst Pillersdorf ist mit vielen andern ganz gemäßigten Deputirten aus Dégout ausgetreten. Die Deputirten der s. g. Linken, denen man standrechtliche Mißtrauensvota zugeschickt, sind darum nicht ausgetreten, weil sie wissen, daß sie alsdann im Auftrage der ministeriellen Henker ermordet werden. Die Czechen lassen sich noch fortwährend dazu benutzen, die Schergen der Kamarilla zu machen. Sie haben von Prag aus in Kroatien, Dalmatien und dem Küstenlande Slowanska lipa's gebildet, und überall in den ungarischen Ländern Deputirtenwahlen zum österreichischen Reichstag, der sich in lauter Erbärmlichkeit auflösen wird, anordnen lassen. Der Staatsbankrott rückt immer fürchterlicher heran, Gold und Silber stehen in enorm hohen Preisen. Nur ein kräftiger Stoß von wo immer her, und die Gesammtmonarchie aller Verruchtheit Europa's stürzt unter einem furchtbaren Erdbeben zusammen. Gott gebe es!
Sich in die Arme des Slaventhums zu werfen wird unseres Romulus Augustolus letztes Röcheln sein. Deutschland hat dann einen harten Kampf um die demokratische Feuerprobe zu bestehen, denn die 17 Millionen Slaven werden auf Seite des asiatischen Despotismus kämpfen.
Nachschrift: Großfurst Michael von Rußland ist in Olmütz angekommen. Ebenso Prinz Albert von Sachsen nebst Könneritz und Mengald. Letztere stammeln Entschuldigungen wegen des Leipziger Vorfalls, und tragen ihre Dienste an. Was ersterer will, können Sie sich denken.
24 Wien, 14. Dezember. Je niedertrachtiger, je hündischwedelnder die hiesige Bourgeoisie auftritt: desto mehr kocht in dem gesunden Theile des Volkes, in der arbeitenden Klasse, die Rache, der Durst nach einem einzigen Tage einer kleinen Abrechnung. Denn vollständige Abrechnung ist nicht möglich, selbst wenn dieses feige Schachergesindel christlichen und jüdischen Glaubens sammt und sonders an Laternenpfählen aufgeknüpft wurde. Zu solchen schaamlos-gemeinen Adressen, wie sie hier gleich Pilzen aufschießen, zu diesen Denunziationen an die Kriegsgewalt und zu den übrigen Früchten der bestialischen Gemeinheit, würden Sie wohl kaum bei den Herren im Wupperthal ein Gegenstück finden. (Doch, doch! tout comme chez nous!)
Würde indeß der Haß des Volkes auch nicht durch die Thaten der Bourgeoisie genährt und täglich höher angefacht: das Verfahren der k. k. Beamten-Bestien in Civil und Militär wäre an sich schon hinreichend, Gift und Galle rege zu erhalten. Verurthei-
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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