Neue Rheinische Zeitung. Nr. 171. Köln, 17. Dezember 1848.ten. Die Locken flogen und die Geschichte machte Furore in allen Pariser Salons."" "Und nach Berlin eilten Sie dann." ""Sie machten Ihre diplomatische Reise."" "Daß Sie unglücklich mit Carlotten waren, Herr Ritter, ich habe es nie geglaubt." ""Und wenn Ihre Untergebenen oft seltsame Dinge erzählten, gnädige Frau, so war es reine Verläumdung."" "Jedenfalls wurden Sie aus Berlin durch den Zorn der Götter vertrieben --" "Und Ihnen wurde unter Karl X. der Hof untersagt."" "Aber Sie machten sich nichts daraus; Sie gingen nach Spanien, Lorbeern zu pflücken unter Don Karlos." ""Sie, gnädige Frau, reisten unter den interessantesten Umständen nach Florenz, ihren unschuldigen Gatten aufzusuchen, und schon nach wenigen Monaten beschenkten Sie die Welt mit der lieblichsten Tochter --"" "Verzeihen Sie, Herr Ritter -- --"" ""Entschuldigen Sie, gnädige Frau -- --"" "Aber Sie werden anzüglich, Herr Ritter!" ""Aber Sie werden verletzend, gnädige Frau!"" "Ich glaubte einen anspruchslosen Knaben in Ihnen zu finden --" Beide Freunde lachten laut auf und sanken einander in die Arme. "Wir sind aus der zweiten in die erste Rolle gefallen!" rief der Graf. ""Aus der harmlosen in die maliziöse!"" erwiederte der Ritter. Da wurde die Thüre geöffnet. Man meldete die Ankunft der Herzogin von S. [Deutschland] entlassenen (!) Geißeln haben ein Zeugniß ausstellen müssen, daß sie während ihrer Gefangenschaft vom Militär anständig (!!) behandelt worden sind; dasselbe verlangt man von den auf dem Schub davongebrachten "Fremden." Python will Blut! Man hat darum von Neuem eingeschärft, sich in Gast- und Kaffeehäusern aller aufreizenden Reden zu enthalten, obgleich schon längst jeder schweigt. Was die kroatische Ordnung "aufreizende Reden" nennen kann und will, das werden Sie begreifen. Ein edles Gesicht, ein reines Deutsch, eine Linie über dem Vieh genügen, einen Rebellen zu erkennen und zu erwürgen. Es gibt noch immer Leute, welche laut sagen, man müsse alle Männer von Talent umbringen, und ein k. k. Hofrath äußerte sich in meiner Gegenwart dahin: er hätte gewünscht, das eingestürzte Dach des Odeon hätte nicht sofort alle in diesen ungeheuren Saal Geflüchteten erschlagen und verbrannt, sondern nur lebendig vergraben, damit sie den weit schrecklichern Hungertod erlitten hätten. Das ist authentisch. -- Bei Abgabe der Waffen wurde versichert, die Privatwaffen würden seiner Zeit zurückgegeben werden, man sieht indessen überall die Offiziere offen im Besitz derselben. Sie haben sich die schönsten Stücke als bonne prise ohne Weiteres zugeeignet. Mancher Wiener ist darüber höllisch erbost. Solche Dinge sind indessen hier so natürlich wie in Kalabrien. Wie ich Ihnen schon oft geschrieben, übersteigt die Spionage hier an Gemeinheit, Brutalität und Verruchtheit alles, was im übrigen Europa zu irgend einer Zeit -- Inquisition und Vehme nicht ausgenommen -- jemals bestanden hat. In gewissen Gasthäusern hat man's darin soweit gebracht, daß der Wirth Teller mit den verschiedenen Freiheitsfarben aller Völker hält. Reicht er nur z. B. einen roth oder schwarz-roth-gold geränderten Teller, und ich nehme ihn stillschweigend hin, so wissen die immer anwesenden Spione schon Bescheid. Das hält natürlich nicht lange, aber es wird so auf die mannigfachste Weise versucht. Hierbei fallen mir unwillkührlich immer wieder Schmerling's "noch nicht abgeschaffte alte Gesetze Oesterreich's" ein. Ich empfehle Ihnen darunter namentlich eine Lektüre des Kriminalkodex aus der Zeit Marie Theresen's, oder, damit ich keine österreichische Majestätsbeleidigung begehe: Maria Theresia's! Nach diesen alten, noch nicht aufgehobenen Gesetzen, wird z. B. jeder sogenannte Vagabund nicht etwa in ein infaches Gefängniß, sondern ohne Umstände in das Gefängniß zur Aburtheilung "schwerer politischer Verbrecher" gethan. Wer nur in was immer für einer Angelegenheit mit der Polizei -- und sie ist jetzt wieder Oesterreich's oberster Götze -- zu thun hat, ist vor allem politisch verdächtig und wird darauf zuerst inquirirt; hernach fragt man erst, ob er Jemand ermordet oder bestohlen habe, denn das ist quasi Nebensache. Nach denselben alten Gesetzen des ehrlichen und würdigen Schmerling erhält z. B. der Oesterreicher grundsätzlich nie einen Paß, denn er darf niemals in's sogenannte Ausland reisen. Man ist besorgt, er könnte einen politischen Schnupfen bekommen. Dies gilt insbesondere für Beamte, Studenten, Offiziere, die nicht in den höchsten Chargen stehen. Nur bei Kaufleuten wird eine Ausnahme gemacht. Sie müssen sich unter genauester Angabe aller Details über ihre Zwecke an eine ganze Hierarchie von Beamten mittelst Eingaben wenden, sie müssen eine baare Kaution von wenigstens 500 Fl., und überdies noch einen zahlungsfähigen Bürgen stellen, sie müssen alle möglichen Polizeizeugnisse beibringen, worauf man ihnen denn einen Paß gibt, worin die Frist zur Heimkehr streng festgesetzt wird. Wird die Frist nicht eingehalten, so konfiszirt der Staat, was er kriegen kann, und verurtheilt den Ausbleibenden zu harten Strafen. Das sind z. B. einige von den noch nicht abgeschafften Gesetzen des ehrwürdigen Spekulanten Schmerling, der das ganze Deutschland so gerne wieder zur habsburgischen Dynastie, und unter ihre Scheusale zneückbringen möchte. Zu diesen alten Gesetzen gehören namentlich auch die schändlichen Post- und Mauthgesetze, die alle auf dem Grundsatze beruhen: Spionage. Davon ein andermal. Deutschland kennt diese "alten Gesetze" noch nicht; einige wohlgemeinte Vorlesungen des Herrn Schmerling würden es schaudern machen. 121 Wien, 10. Dez. Unsere Preß-Bestialität beginnt ernstlich über Preußen zu schimpfen. Der ganz gemeinen Journale nicht zu gedenken, sagt unter andern die "Presse" von gestern über die Vereinbarer: "Die Mehrzahl der Vertreter hatte weder von Rechten und Gesetzen richtige Begriffe, noch auch von den gewöhnlichsten Grundsätzen der Ehre und Sittlichkeit." Dann macht diese Kroatin, denken Sie sich, vom Standpunkte der Freiheit aus! der Krone Vorwürfe, daß sie eine oktroyirte Verfassung gegeben. Wissen Sie, wie das Ding zusammenhängt? Die Olmützer und Potsdamer Kamarilla's haben bisher duce Nicolao im Einverständniß gehandelt. Man wollte die jüngste Vergangenheit seit März ganz ungeschehen machen, um später auch an den Februar zu kommen. Die katzenartig-hitzige Olmützerin ging voran, und fiel in der Hoffnung, die Potsdamerin würde ebenso nachfolgen, mit der bekannten afrikanischen Bestienwuth über das Volk her. Potsdam mit seinem preußischen Pfiffe ließ sie ruhig morden und plündern, ohne ihr in dieser Weise zu folgen. Da ward die Olmützer Katze stutzig, sie bebte zuiück vor dem Zorn und vor der Verachtung Europa's; sie sah, daß Preußen, indem es sie allein rasen ließ, wie eine besoffene Hyäne, den Klügern gespielt hatte. Die von der Krone gegebene Verfassung vollendete den preußischen Pfiff. Ich versichere Sie, man weiß sich vor Ingrimm in Olmütz kaum zu halten; man sieht nicht ein, daß die Bestialität in Preußen andre Formen annehmen muß als in Oestreich, und daß es der preußischen Regierung nicht nur an Energie, sondern an Kroaten fehlt. Preußen, so spricht die Olmützerin, hat jetzt wenigstens das "prae" in Deutschland, daß es gerade keine besoffene Hyäne gewesen. Die "Presse" hat mit der Augsburgerin Brüderschaft getrunken; sie loben sich gegenseitig. Die Augsburgerin hofft durch diese neue Freundschaft die alte Subsidie wieder zu erhalten. Stadion, dessen Organ die "Presse" ist, schmunzelt ihr auch zu. Das ist der Lauf der Welt! Hallunken! Hallunken! 121 Wien, 11. Dez. Preußen hat Wien um die deutsche Kaiserkrone geprellt. Die österreichischen Brutes haben den Preußen die Kastanien, d. h. die Kaiserkrone aus dem Feuer geholt. Das hier mit einem Schweife altösterreichischen Gezüchts angekommene Ministerium ereifert sich über den Streich der Berliner Camarilla -- die octroyirte Verfassung -- über den Manteuffelschen Liberalismus, der zwar in der Sache österreichisch, in der Form aber preußisch ist. Der Krieg mit Ungarn scheint unserer Camarilla nicht mehr recht zu sein; der preußische Streich -- die Preußen bleiben liberal im Belagerungszustande -- vernichtet all ihre Blutpläne. Sie hatte bereits die Nooot und den Zehnten wieder einfordern lassen, woraus in Oberösterreich, in Krems und Böhmen Bauernaufstände erfolgt sind, die mit Militärgewalt bekämpft werden müssen. So viel ist gewiß, die jetzigen Zwangszustände, diese Zustände der äußersten Bestialität, sind nicht lange mehr haltbar. Die Dynastie hat beim eigentlichen Volke schon längst allen Halt verloren, und es wird dem angehören, der ihm zuerst die Erlösung bringt. Python Windisch-Grätz hat anschlagen lassen, daß man sich im Irrthum befinde, wenn man glaube, das Standrecht sei ganz aufgehoben, es bestehe für alles fort, was in der Proklamation vom 1. November enthalten sei. Zum Beweise läßt er täglich wiederum Unschuldige vor dem Neuthor niederschießen und viele auf 12jährigen Festungsarrest mit Eisen verurtheilen. Unter andern wurden also verdammt Alexander Skarbek von Leszcioski wegen Verbarrikadirung des Schottenviertels und Berichts aus dem ungarischen Lager; ferner Hauptmann Schweizer von der Wieden, weil er seine Kompagnie zum Widerstand begeistert (!) habe. Vorgestern waren überall grüne Plakate angeklebt, die mit furchtbarer Wuth vom Militär und elender Bourgeoisie abgerissen wurden. Es stand darauf: "Dem Windisch-Grätz zum Schmerz, Sind alle Studenten versammelt, wie im März." Es ist ganz gewiß, daß die Henkerpartei selbst dies Plakat gemacht hat, um neue Vorwürfe zu haben, wider die Ueberbleibsel der akademischen Legion ihre Bestialität los zu lassen. Die infamsten Dienste thut neben den ganz gemeinen Spionen hierbei immer die Bourgeoisie. Ich saß z. B. gestern im Frankfurter Hof. In einige Ferne speiste ein junger Mann, dem man den Legionär trotz der Verkleidung von der Stirne absehen konnte. Eine gemeine Bourgeoisfamilie saß in der Nähe eines Offiziers an einem andern Tische, und machte den Offizier fortwährend laut darauf aufmerksam, daß dort ein Student sitze, den man packen müsse. Nach einer Weile stand der Offizier auf, trat zu dem Studenten und erkundigte sich, ob er Student sei. Der Student rief ihm ein muthiges. Ja! ich bin Student! zu, glaubte nun aber verloren zu sein. Aber der Offizier ersuchte ihn nur, sich zu hüten, er sitze hier unter niederträchtigem Gesindel, ging dann zu der bestürzten Bourgeoisfamilie zurück, warf ihr ihre niederträchtige Gemeinheit vor, und entfernte sich sofort. Gestern sind mehrere Transporte deutschen Militärs hierher zurück eskortirt worden, weil es sich geweigert, wider die Ungarn zu kämpfen. Kossuth hatte bewilligt, daß Vieh nach Wien geführt werde, weil er dem Volke nicht zürne. 700 Ochsen wurden in Folge dessen eingebracht; Windisch-Grätz jedoch ließ die Verkäufer greifen und ihnen die Ochsen abnehmen. Herr Peuker wird nicht verfehlen, auch diese Landstraßenräuberthat im Frankfurter Froschteich hochzupreisen. Kossuth läßt alle Gefangenen nach ihrer Entwaffnung frei, ja, er beschenkt sie; Python dagegen läßt alle Gefangenen unter Martern umbringen. Man verbreitet aber überall die abscheulichsten Gerüchte über die Magyaren und ihre Grausamkeit. Nach einer entscheidenden Schlappe in Ungarn wird der fürchterlichste Rückschlag hier nicht ausbleiben, besonders in den Finanzen. Die Zwanziger stehen heute 10 pCt. an der Börse, d. h. die Banknoten sind um 10 pCt. gefallen. Die Löhnung des Militärs besteht nur in Papier, das ihm Niemand mehr wechseln will. Die deutschen Soldaten murren schon sehr, und man nimmt alle Verstärkungen nach Ungarn nur unter den Czechen in Böhmen und Mähren. Wir werden die fürchterlichsten Tage erst bekommen, wenn die Schakale ihr Todesröcheln herankommen sehen. Unterdessen bietet man alle Kunst auf, sich den Schein zu geben, als herrschten die freudigsten Zustände; die Zeitungen sind voller Sudeleien über dumme Theaterstücke und unsere schlechten Schauspieler, Sänger u. s. w.; die Wienerin bringt lange Artikel über chinesische Entdeckungen, und Saphir und Bäuerle fahren fort, sich im stinkendsten Kothe zu wälzen. Die Bourgeoisie verlangt Verlängerung des Belagerungszustandes. Die Bourgeoisie ist dieselbe in Wien, Berlin, Köln und Paris. !!! Frankfurt, den 14. Dezember. Sitzung der National-Versammlung. Präsident von Gagern. Tagesordnung: 1) Abstimmung über §. 19 des Entwurfs "der Reichstag." Vor derselben zeigt der Präsident der Versammlung an, daß die Thurn- und Taxissche Postverwaltung den Abgeordneten für Briefe, Geldsendungen und Drucksachen Postfreiheit bewilligt. (Eine captatio benevolentiae zu Gunsten des Thurn- und Taxisschen Postmonopols.) Der Justizminister von Mohl antwortet schriftlich auf eine Interpellation des Abgeordneten Joseph aus Sachsen wegen der scheußlichen Ermordung und Verstümmelung von Wiener Studenten durch Auerspergsches Militär. -- Das östreichische Justizministerium hat auf die desfallsige Anfrage geantwortet. Es hat hierüber vom General von Auersperg selbst Bericht verlangt. Die Antwort des Generals erklärt die Thatsachen für unwahr, (natürlich!) ihm (Auersperg) sei darüber weder Meldung noch Nachricht zugekommen, eine Untersuchung entbehre daher jeder Grundlage; das Gerücht (!) von der Ermordung von Studenten sei damals viel verbreitet worden, um Erbitterung gegen das Militär hervorzurufen. (Rechts: Hört! Hört! Links: Unruhe.) Somit ist denn wieder eine Interpellation erledigt. Zimmermann von Spandau verlangt, daß die Erklärung des Justizministers dem östreichischen Ausschuß zu klarerer Erörterung überwiesen werde. (Rechts Gelächter.) Meine Herren, dies Gelächter macht die Sache nicht klarer. Präsident frägt, ob Zimmermanns Antrag unterstützt wird. Fröbel (von der Tribüne) der Antrag sei wohl zu unterstützen, denn die Thatsache jener Grausamkeiten lasse sich nicht läugnen. Er habe sie von mindestens 10 und mehr glaubwürdigen Wiener Reichstagsdeputirten, welche einen der verstümmelten Studenten-Leichname gesehen. Ja ein Reichstagsdeputirter sei über den Anblick wahnsinnig geworden. (Unruhe.) Präsident unterbricht Fröbel, er habe nur Zimmermanns Antrag zu unterstützen. Die Versammlung unterstützt Zimmermanns Antrag und beschließt die Verweisung an den östreichischen Ausschuß. Zimmermann protestirt gegen Abstimmung hierüber, die Verweisung verstehe sich von selbst. Schwerin tadelt den Präsidenten, daß er Fröbel das Wort über die Sache selbst verstattet habe, und verlangt, daß er Neubauer aus Wien auch das Wort zur Widerlegung Fröbels verstatten wolle. Neubauer: Man habe jene Studentenleichen im anatomischen Saale nach ihrem Tode absichtlich verstümmelt, und dann zur Erbitterung gegen das Militär herumgetragen. (Rechts Hört! Links Widerspruch) -- Fröbel verbleibt bei seiner Meinung. Tagesordnung 1/2 11 Uhr. Vor der Abstimmung über § 19 "des Reichstags" (den Wortlaut des §. 19 haben Sie in der letzten Sitzung) spricht Dahlmann als Berichterstatter für den Antrag des Verfassungsausschusses (der Majorität) und für das absolute Veto der Reichsgewalt mit wahrhaft triefender Salbung und unter der feierlichsten Erstarrung des ganzen Hauses. Die Gier, mit der man seine Worte einsaugt, ist so groß, daß selbst ein ganz unvorhergesehener Husten den Wuthschrei: "Ruhe!" herbeiführt. Die Damen sind aufs Aeußerste gerührt. -- Alle der Majorität des Ausschusses entgegenstehenden zahlreichen Amendements erklärt Dahlmann, ohne jemand beleidigen zu wollen, ganz kurz für "nichts werth." (Ungeheure Heiterkeit, Beifall.) Die Monarchie sei ohne Zweifel e[i]ne bessere Regierungsform als die Republik. Den Beweis dieses Satzes zu liefern, würde ihm wohl glücken, wenn hier der Ort dazu wäre. (Rechts Bravo -- links Ausdruck des Zweifels!) Zur Aufrechthaltung einer starken Monarchie sei aber das absolute Veto ganz unerläßlich. -- Eine Krone niederlegen, sei nichts so sehr Erhebliches, aber eine Krone retten, das sei etwas Großes, und das (mit Emphase die Tribüne schlagend) wollen wir thun. (Lautes Bravo unter dem ganzen Heereshaufen der Reaktion.) Nach einer langen und breiten Debatte über die verwickelte Fragestellung der zahlreichen Amendements gelangt man (um 1/4 12 Uhr) zur Abstimmung. 1, Abstimmung durch Namensaufruf über den Eingang des §. 19 nach der Majorität des Ausschusses (Siehe frühere Sitzung) also über das absolute Veto. -- Dasselbe wird mit 267 Stimmen gegen 207 verworfen. Mit ja stimmten u. a. Beseler (Schleswig-Holstein), Reichensperger, Riesser, von Soiron, Leue (!), Welker, Wernher, v. Nierstein etc. -- Mit nein Jordan von Berlin (!), Mevissen (Unterstaatssekretär), Schneer (der Geschäftsordnungsmann), Schwetschke (!), Sommaruga (!!!), Thinnes, Graf Wartensleben, Werner aus Coblenz, von Wydenbrugk, Wuttke, Rösler aus Wien (!), Kerst. Auf diese Abstimmung folgte große Aufregung und mehrfache Erklärungen, z. B. eine von Jahn, strotzend von Unsinn. Es sind in dieser Abstimmung viele Abgeordnete von der Rechten (besonders Oestreicher) ihrer Partei untreu geworden. -- Die Partei Vinke-Radowitz-Bassermann verwahrt sich feierlich gegen die Folgen dieses Beschlusses. von Trutzschlers Antrag (welcher gar kein Veto will) wird abgelehnt. (Nur die entschiedene Linke dafür.) Nauwerks, Schulz von Darmstadt, Claussens Anträge werden verworfen. Ebenso ein Minoritäts-Erachten von Wigard, Mittermeier etc. (mit 276 gegen 196 Stimmen); Anträge von Heisterbergk (mit 269 gegen 195), von Maltzahn's (mit 277 gegen 186) ebenfalls verworfen. Angenommen wurde endlich ein Antrag vom Staatssekretair Fallati (mit 274 Stimmen gegen 187) folgenden Inhalts, welcher also an die Stelle des Eingangs von §. 19 tritt. Er lautet: "Ein Beschluß des Reichstags, welcher die Zustimmung des Reichsoberhauptes nicht erlangt hat, darf in derselben Sitzung nicht wiederholt werden. Ist ein Beschluß vom Reichstage in drei ordentlichen Sitzungen nach einander und nach abermaliger Erwägung unverändert gefaßt worden, so wird er zum Gesetze, auch wenn die Sanktion des Reichsoberhauptes nicht erfolgt, sobald der Reichstag sich schließt." Unter die Befugnisse des Reichstages (vorbehaltlich aller auf's Büdget bezüglichen Punkte) gehören Beschlüsse in folgenden Angelegenheiten: 1) Wenn es sich um die Erlassung, Auslegung, Aufhebung oder Abänderung von Reichsgesetzen handelt. 2) Wenn Landesfestungen zu Reichsfestungen erklärt werden. 3) Wenn Handels-, Schiffahrts-Verträge und Ablieferungs-Verträge mit dem Auslande geschlossen werden, sowie überhaupt völkerrechtliche Verträge, insofern sie das Reich belasten. 4) Wenn nichtdeutsche Länder oder Landestheile dem deutschen Zollgebiet angeschlossen, oder einzelne Orte oder Gebietstheile von der Zolllinie ausgeschlossen werden sollen. 5) Wenn deutsche Landestheile abgetreten, oder wenn nichtdeutsche Gebiete dem Reiche einverleibt oder auf andere Weise mit demselben verbunden werden sollen. Mehrere andere Befugnisse die M. Mohl. Hehner und eine Minorität des Verfassungs-Ausschusses diesem Paragraphen beifügen wollten, wurde verworfen. Hierauf führt die Tagesordnung zur zweiten Lesung der Grundrechte. §. 15 und 16. (über Glaubens- und Gewissensfreiheit) bleiben wie in der ersten Fassung. §. 17. Ist verändert worden, und eine Menge Anträge dazu neu eingegeben. Auf die Diskussion wird gleichwohl verzichtet, aber namentliche Abstimmung für die alte Fassung durch Schmidt von Löwenberg vorbehalten. Der Wortlaut des §. in der definitiven Fassung lautet: "Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. (Neu und mit sehr schwacher Majorität angenommen.) §. 18. (Wie früher ohne Diskussion.) "Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden." §. 19. Vom Eide. Ein Amendement von Reichhard: Der Eid ist abgeschafft und es tritt an seine Stelle die feierliche Versicherung, wird mit großer Majorität verworfen. Rheinsteins Antrag: Die Form des Eides soll sein "ich schwöre!" verworfen. Der §. lautet nach der modifizirten Fassung des Verfassungs-Ausschusses: "Die Formel des Eides soll künftig lauten: "So wahr mir Gott helfe." §. 20. (Ohne Diskussion wie früher.) Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilaktes abhängig. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civilaktes stattfinden. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. (Heiterkeit auf der Damentribüne unter Frankfurts Töchtern -- aus Zion.) §. 21. (Ohne Diskussion ebenso.) "Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt." Somit wurde Artikel V. und mit ihm die heutige Sitzung geschlossen. (Um 3 Uhr.) Nächste Sitzung morgen. Italien. * Turin, 9. Dezbr. Die Ministerkrisis ist noch immer nicht zu Ende. Es scheint gewiß, daß auch Hr. Givia, wie vor ihm Moffa de Lisio, dem Auftrage des Königs, ein neues Kabinet zu bilden, nicht entsprochen hat. Die "Concordia" vom heutigen Tage bittet den König, auf keinen andern Rath, als auf den des Landes zu hören, welches ihm unablässig nur den Namen eines einzigen Mannes (Gioberti) zuruft, der allein fähig ist, Alles zu retten. Französische Republik. 12 Paris, 14. Decbr. "Louis Napoleon Bonaparte wird zum Präsidenten, nicht durch Wahl sondern durch Akklamation ernannt," dies ist der ganze leitende Artikel der Presse, und zur Beweisführung folgen 6 ganze Colonnen, mit Ziffern und den Namen Napoleon und Cavaignac, zwischen denen die Namen Ledru-Rollin und Raspail durchlaufen. In vielen Departements steht Ledru-Rollin zwischen Napoleon und Cavaignac. Dem Ledru-Rollin folgt zunächst Raspail: aber Lamartine, dieses Ideal der deutschen Bourgeoisie, nimmt selbst in den äußersten Enden der Departement's, in den Provinzen, wo die Bourgeoisie einige Aehnlichkeit noch haben möchte mit dem deutschen Spießbürgerthum; selbst in diesen Departements, sage ich, nimmt Lamartine die letzte, die unglücklichste Stelle ein; fast nirgends erhebt sich der Poet über die Einheit, und wenn er ja in die Zehnten hinnübergreift, so verschwindet auch diese Ziffer, vor den enormen Zahlen und Zahlenwerthen, die dem "Kaiser" zufallen. Napoleon überhüpfte die Zehnten, Hunderten, Tausenden, mit einer Leichtigkeit, die wohlthuend ist -- für das Auge, für Herz und Gemüth. Die Journale sind wahre Tabellen geworden, und ten. Die Locken flogen und die Geschichte machte Furore in allen Pariser Salons.““ „Und nach Berlin eilten Sie dann.“ „„Sie machten Ihre diplomatische Reise.““ „Daß Sie unglücklich mit Carlotten waren, Herr Ritter, ich habe es nie geglaubt.“ „„Und wenn Ihre Untergebenen oft seltsame Dinge erzählten, gnädige Frau, so war es reine Verläumdung.““ „Jedenfalls wurden Sie aus Berlin durch den Zorn der Götter vertrieben —“ „Und Ihnen wurde unter Karl X. der Hof untersagt.““ „Aber Sie machten sich nichts daraus; Sie gingen nach Spanien, Lorbeern zu pflücken unter Don Karlos.“ „„Sie, gnädige Frau, reisten unter den interessantesten Umständen nach Florenz, ihren unschuldigen Gatten aufzusuchen, und schon nach wenigen Monaten beschenkten Sie die Welt mit der lieblichsten Tochter —““ „Verzeihen Sie, Herr Ritter — —““ „„Entschuldigen Sie, gnädige Frau — —““ „Aber Sie werden anzüglich, Herr Ritter!“ „„Aber Sie werden verletzend, gnädige Frau!““ „Ich glaubte einen anspruchslosen Knaben in Ihnen zu finden —“ Beide Freunde lachten laut auf und sanken einander in die Arme. „Wir sind aus der zweiten in die erste Rolle gefallen!“ rief der Graf. „„Aus der harmlosen in die maliziöse!““ erwiederte der Ritter. Da wurde die Thüre geöffnet. Man meldete die Ankunft der Herzogin von S. [Deutschland] entlassenen (!) Geißeln haben ein Zeugniß ausstellen müssen, daß sie während ihrer Gefangenschaft vom Militär anständig (!!) behandelt worden sind; dasselbe verlangt man von den auf dem Schub davongebrachten „Fremden.“ Python will Blut! Man hat darum von Neuem eingeschärft, sich in Gast- und Kaffeehäusern aller aufreizenden Reden zu enthalten, obgleich schon längst jeder schweigt. Was die kroatische Ordnung „aufreizende Reden“ nennen kann und will, das werden Sie begreifen. Ein edles Gesicht, ein reines Deutsch, eine Linie über dem Vieh genügen, einen Rebellen zu erkennen und zu erwürgen. Es gibt noch immer Leute, welche laut sagen, man müsse alle Männer von Talent umbringen, und ein k. k. Hofrath äußerte sich in meiner Gegenwart dahin: er hätte gewünscht, das eingestürzte Dach des Odeon hätte nicht sofort alle in diesen ungeheuren Saal Geflüchteten erschlagen und verbrannt, sondern nur lebendig vergraben, damit sie den weit schrecklichern Hungertod erlitten hätten. Das ist authentisch. — Bei Abgabe der Waffen wurde versichert, die Privatwaffen würden seiner Zeit zurückgegeben werden, man sieht indessen überall die Offiziere offen im Besitz derselben. Sie haben sich die schönsten Stücke als bonne prise ohne Weiteres zugeeignet. Mancher Wiener ist darüber höllisch erbost. Solche Dinge sind indessen hier so natürlich wie in Kalabrien. Wie ich Ihnen schon oft geschrieben, übersteigt die Spionage hier an Gemeinheit, Brutalität und Verruchtheit alles, was im übrigen Europa zu irgend einer Zeit — Inquisition und Vehme nicht ausgenommen — jemals bestanden hat. In gewissen Gasthäusern hat man's darin soweit gebracht, daß der Wirth Teller mit den verschiedenen Freiheitsfarben aller Völker hält. Reicht er nur z. B. einen roth oder schwarz-roth-gold geränderten Teller, und ich nehme ihn stillschweigend hin, so wissen die immer anwesenden Spione schon Bescheid. Das hält natürlich nicht lange, aber es wird so auf die mannigfachste Weise versucht. Hierbei fallen mir unwillkührlich immer wieder Schmerling's „noch nicht abgeschaffte alte Gesetze Oesterreich's“ ein. Ich empfehle Ihnen darunter namentlich eine Lektüre des Kriminalkodex aus der Zeit Marie Theresen's, oder, damit ich keine österreichische Majestätsbeleidigung begehe: Maria Theresia's! Nach diesen alten, noch nicht aufgehobenen Gesetzen, wird z. B. jeder sogenannte Vagabund nicht etwa in ein infaches Gefängniß, sondern ohne Umstände in das Gefängniß zur Aburtheilung „schwerer politischer Verbrecher“ gethan. Wer nur in was immer für einer Angelegenheit mit der Polizei — und sie ist jetzt wieder Oesterreich's oberster Götze — zu thun hat, ist vor allem politisch verdächtig und wird darauf zuerst inquirirt; hernach fragt man erst, ob er Jemand ermordet oder bestohlen habe, denn das ist quasi Nebensache. Nach denselben alten Gesetzen des ehrlichen und würdigen Schmerling erhält z. B. der Oesterreicher grundsätzlich nie einen Paß, denn er darf niemals in's sogenannte Ausland reisen. Man ist besorgt, er könnte einen politischen Schnupfen bekommen. Dies gilt insbesondere für Beamte, Studenten, Offiziere, die nicht in den höchsten Chargen stehen. Nur bei Kaufleuten wird eine Ausnahme gemacht. Sie müssen sich unter genauester Angabe aller Details über ihre Zwecke an eine ganze Hierarchie von Beamten mittelst Eingaben wenden, sie müssen eine baare Kaution von wenigstens 500 Fl., und überdies noch einen zahlungsfähigen Bürgen stellen, sie müssen alle möglichen Polizeizeugnisse beibringen, worauf man ihnen denn einen Paß gibt, worin die Frist zur Heimkehr streng festgesetzt wird. Wird die Frist nicht eingehalten, so konfiszirt der Staat, was er kriegen kann, und verurtheilt den Ausbleibenden zu harten Strafen. Das sind z. B. einige von den noch nicht abgeschafften Gesetzen des ehrwürdigen Spekulanten Schmerling, der das ganze Deutschland so gerne wieder zur habsburgischen Dynastie, und unter ihre Scheusale zneückbringen möchte. Zu diesen alten Gesetzen gehören namentlich auch die schändlichen Post- und Mauthgesetze, die alle auf dem Grundsatze beruhen: Spionage. Davon ein andermal. Deutschland kennt diese „alten Gesetze“ noch nicht; einige wohlgemeinte Vorlesungen des Herrn Schmerling würden es schaudern machen. 121 Wien, 10. Dez. Unsere Preß-Bestialität beginnt ernstlich über Preußen zu schimpfen. Der ganz gemeinen Journale nicht zu gedenken, sagt unter andern die „Presse“ von gestern über die Vereinbarer: „Die Mehrzahl der Vertreter hatte weder von Rechten und Gesetzen richtige Begriffe, noch auch von den gewöhnlichsten Grundsätzen der Ehre und Sittlichkeit.“ Dann macht diese Kroatin, denken Sie sich, vom Standpunkte der Freiheit aus! der Krone Vorwürfe, daß sie eine oktroyirte Verfassung gegeben. Wissen Sie, wie das Ding zusammenhängt? Die Olmützer und Potsdamer Kamarilla's haben bisher duce Nicolao im Einverständniß gehandelt. Man wollte die jüngste Vergangenheit seit März ganz ungeschehen machen, um später auch an den Februar zu kommen. Die katzenartig-hitzige Olmützerin ging voran, und fiel in der Hoffnung, die Potsdamerin würde ebenso nachfolgen, mit der bekannten afrikanischen Bestienwuth über das Volk her. Potsdam mit seinem preußischen Pfiffe ließ sie ruhig morden und plündern, ohne ihr in dieser Weise zu folgen. Da ward die Olmützer Katze stutzig, sie bebte zuiück vor dem Zorn und vor der Verachtung Europa's; sie sah, daß Preußen, indem es sie allein rasen ließ, wie eine besoffene Hyäne, den Klügern gespielt hatte. Die von der Krone gegebene Verfassung vollendete den preußischen Pfiff. Ich versichere Sie, man weiß sich vor Ingrimm in Olmütz kaum zu halten; man sieht nicht ein, daß die Bestialität in Preußen andre Formen annehmen muß als in Oestreich, und daß es der preußischen Regierung nicht nur an Energie, sondern an Kroaten fehlt. Preußen, so spricht die Olmützerin, hat jetzt wenigstens das «prae» in Deutschland, daß es gerade keine besoffene Hyäne gewesen. Die „Presse“ hat mit der Augsburgerin Brüderschaft getrunken; sie loben sich gegenseitig. Die Augsburgerin hofft durch diese neue Freundschaft die alte Subsidie wieder zu erhalten. Stadion, dessen Organ die „Presse“ ist, schmunzelt ihr auch zu. Das ist der Lauf der Welt! Hallunken! Hallunken! 121 Wien, 11. Dez. Preußen hat Wien um die deutsche Kaiserkrone geprellt. Die österreichischen Brutes haben den Preußen die Kastanien, d. h. die Kaiserkrone aus dem Feuer geholt. Das hier mit einem Schweife altösterreichischen Gezüchts angekommene Ministerium ereifert sich über den Streich der Berliner Camarilla — die octroyirte Verfassung — über den Manteuffelschen Liberalismus, der zwar in der Sache österreichisch, in der Form aber preußisch ist. Der Krieg mit Ungarn scheint unserer Camarilla nicht mehr recht zu sein; der preußische Streich — die Preußen bleiben liberal im Belagerungszustande — vernichtet all ihre Blutpläne. Sie hatte bereits die Nooot und den Zehnten wieder einfordern lassen, woraus in Oberösterreich, in Krems und Böhmen Bauernaufstände erfolgt sind, die mit Militärgewalt bekämpft werden müssen. So viel ist gewiß, die jetzigen Zwangszustände, diese Zustände der äußersten Bestialität, sind nicht lange mehr haltbar. Die Dynastie hat beim eigentlichen Volke schon längst allen Halt verloren, und es wird dem angehören, der ihm zuerst die Erlösung bringt. Python Windisch-Grätz hat anschlagen lassen, daß man sich im Irrthum befinde, wenn man glaube, das Standrecht sei ganz aufgehoben, es bestehe für alles fort, was in der Proklamation vom 1. November enthalten sei. Zum Beweise läßt er täglich wiederum Unschuldige vor dem Neuthor niederschießen und viele auf 12jährigen Festungsarrest mit Eisen verurtheilen. Unter andern wurden also verdammt Alexander Skarbek von Leszcioski wegen Verbarrikadirung des Schottenviertels und Berichts aus dem ungarischen Lager; ferner Hauptmann Schweizer von der Wieden, weil er seine Kompagnie zum Widerstand begeistert (!) habe. Vorgestern waren überall grüne Plakate angeklebt, die mit furchtbarer Wuth vom Militär und elender Bourgeoisie abgerissen wurden. Es stand darauf: „Dem Windisch-Grätz zum Schmerz, Sind alle Studenten versammelt, wie im März.“ Es ist ganz gewiß, daß die Henkerpartei selbst dies Plakat gemacht hat, um neue Vorwürfe zu haben, wider die Ueberbleibsel der akademischen Legion ihre Bestialität los zu lassen. Die infamsten Dienste thut neben den ganz gemeinen Spionen hierbei immer die Bourgeoisie. Ich saß z. B. gestern im Frankfurter Hof. In einige Ferne speiste ein junger Mann, dem man den Legionär trotz der Verkleidung von der Stirne absehen konnte. Eine gemeine Bourgeoisfamilie saß in der Nähe eines Offiziers an einem andern Tische, und machte den Offizier fortwährend laut darauf aufmerksam, daß dort ein Student sitze, den man packen müsse. Nach einer Weile stand der Offizier auf, trat zu dem Studenten und erkundigte sich, ob er Student sei. Der Student rief ihm ein muthiges. Ja! ich bin Student! zu, glaubte nun aber verloren zu sein. Aber der Offizier ersuchte ihn nur, sich zu hüten, er sitze hier unter niederträchtigem Gesindel, ging dann zu der bestürzten Bourgeoisfamilie zurück, warf ihr ihre niederträchtige Gemeinheit vor, und entfernte sich sofort. Gestern sind mehrere Transporte deutschen Militärs hierher zurück eskortirt worden, weil es sich geweigert, wider die Ungarn zu kämpfen. Kossuth hatte bewilligt, daß Vieh nach Wien geführt werde, weil er dem Volke nicht zürne. 700 Ochsen wurden in Folge dessen eingebracht; Windisch-Grätz jedoch ließ die Verkäufer greifen und ihnen die Ochsen abnehmen. Herr Peuker wird nicht verfehlen, auch diese Landstraßenräuberthat im Frankfurter Froschteich hochzupreisen. Kossuth läßt alle Gefangenen nach ihrer Entwaffnung frei, ja, er beschenkt sie; Python dagegen läßt alle Gefangenen unter Martern umbringen. Man verbreitet aber überall die abscheulichsten Gerüchte über die Magyaren und ihre Grausamkeit. Nach einer entscheidenden Schlappe in Ungarn wird der fürchterlichste Rückschlag hier nicht ausbleiben, besonders in den Finanzen. Die Zwanziger stehen heute 10 pCt. an der Börse, d. h. die Banknoten sind um 10 pCt. gefallen. Die Löhnung des Militärs besteht nur in Papier, das ihm Niemand mehr wechseln will. Die deutschen Soldaten murren schon sehr, und man nimmt alle Verstärkungen nach Ungarn nur unter den Czechen in Böhmen und Mähren. Wir werden die fürchterlichsten Tage erst bekommen, wenn die Schakale ihr Todesröcheln herankommen sehen. Unterdessen bietet man alle Kunst auf, sich den Schein zu geben, als herrschten die freudigsten Zustände; die Zeitungen sind voller Sudeleien über dumme Theaterstücke und unsere schlechten Schauspieler, Sänger u. s. w.; die Wienerin bringt lange Artikel über chinesische Entdeckungen, und Saphir und Bäuerle fahren fort, sich im stinkendsten Kothe zu wälzen. Die Bourgeoisie verlangt Verlängerung des Belagerungszustandes. Die Bourgeoisie ist dieselbe in Wien, Berlin, Köln und Paris. !!! Frankfurt, den 14. Dezember. Sitzung der National-Versammlung. Präsident von Gagern. Tagesordnung: 1) Abstimmung über §. 19 des Entwurfs „der Reichstag.“ Vor derselben zeigt der Präsident der Versammlung an, daß die Thurn- und Taxissche Postverwaltung den Abgeordneten für Briefe, Geldsendungen und Drucksachen Postfreiheit bewilligt. (Eine captatio benevolentiae zu Gunsten des Thurn- und Taxisschen Postmonopols.) Der Justizminister von Mohl antwortet schriftlich auf eine Interpellation des Abgeordneten Joseph aus Sachsen wegen der scheußlichen Ermordung und Verstümmelung von Wiener Studenten durch Auerspergsches Militär. — Das östreichische Justizministerium hat auf die desfallsige Anfrage geantwortet. Es hat hierüber vom General von Auersperg selbst Bericht verlangt. Die Antwort des Generals erklärt die Thatsachen für unwahr, (natürlich!) ihm (Auersperg) sei darüber weder Meldung noch Nachricht zugekommen, eine Untersuchung entbehre daher jeder Grundlage; das Gerücht (!) von der Ermordung von Studenten sei damals viel verbreitet worden, um Erbitterung gegen das Militär hervorzurufen. (Rechts: Hört! Hört! Links: Unruhe.) Somit ist denn wieder eine Interpellation erledigt. Zimmermann von Spandau verlangt, daß die Erklärung des Justizministers dem östreichischen Ausschuß zu klarerer Erörterung überwiesen werde. (Rechts Gelächter.) Meine Herren, dies Gelächter macht die Sache nicht klarer. Präsident frägt, ob Zimmermanns Antrag unterstützt wird. Fröbel (von der Tribüne) der Antrag sei wohl zu unterstützen, denn die Thatsache jener Grausamkeiten lasse sich nicht läugnen. Er habe sie von mindestens 10 und mehr glaubwürdigen Wiener Reichstagsdeputirten, welche einen der verstümmelten Studenten-Leichname gesehen. Ja ein Reichstagsdeputirter sei über den Anblick wahnsinnig geworden. (Unruhe.) Präsident unterbricht Fröbel, er habe nur Zimmermanns Antrag zu unterstützen. Die Versammlung unterstützt Zimmermanns Antrag und beschließt die Verweisung an den östreichischen Ausschuß. Zimmermann protestirt gegen Abstimmung hierüber, die Verweisung verstehe sich von selbst. Schwerin tadelt den Präsidenten, daß er Fröbel das Wort über die Sache selbst verstattet habe, und verlangt, daß er Neubauer aus Wien auch das Wort zur Widerlegung Fröbels verstatten wolle. Neubauer: Man habe jene Studentenleichen im anatomischen Saale nach ihrem Tode absichtlich verstümmelt, und dann zur Erbitterung gegen das Militär herumgetragen. (Rechts Hört! Links Widerspruch) — Fröbel verbleibt bei seiner Meinung. Tagesordnung 1/2 11 Uhr. Vor der Abstimmung über § 19 „des Reichstags“ (den Wortlaut des §. 19 haben Sie in der letzten Sitzung) spricht Dahlmann als Berichterstatter für den Antrag des Verfassungsausschusses (der Majorität) und für das absolute Veto der Reichsgewalt mit wahrhaft triefender Salbung und unter der feierlichsten Erstarrung des ganzen Hauses. Die Gier, mit der man seine Worte einsaugt, ist so groß, daß selbst ein ganz unvorhergesehener Husten den Wuthschrei: „Ruhe!“ herbeiführt. Die Damen sind aufs Aeußerste gerührt. — Alle der Majorität des Ausschusses entgegenstehenden zahlreichen Amendements erklärt Dahlmann, ohne jemand beleidigen zu wollen, ganz kurz für „nichts werth.“ (Ungeheure Heiterkeit, Beifall.) Die Monarchie sei ohne Zweifel e[i]ne bessere Regierungsform als die Republik. Den Beweis dieses Satzes zu liefern, würde ihm wohl glücken, wenn hier der Ort dazu wäre. (Rechts Bravo — links Ausdruck des Zweifels!) Zur Aufrechthaltung einer starken Monarchie sei aber das absolute Veto ganz unerläßlich. — Eine Krone niederlegen, sei nichts so sehr Erhebliches, aber eine Krone retten, das sei etwas Großes, und das (mit Emphase die Tribüne schlagend) wollen wir thun. (Lautes Bravo unter dem ganzen Heereshaufen der Reaktion.) Nach einer langen und breiten Debatte über die verwickelte Fragestellung der zahlreichen Amendements gelangt man (um 1/4 12 Uhr) zur Abstimmung. 1, Abstimmung durch Namensaufruf über den Eingang des §. 19 nach der Majorität des Ausschusses (Siehe frühere Sitzung) also über das absolute Veto. — Dasselbe wird mit 267 Stimmen gegen 207 verworfen. Mit ja stimmten u. a. Beseler (Schleswig-Holstein), Reichensperger, Riesser, von Soiron, Leue (!), Welker, Wernher, v. Nierstein etc. — Mit nein Jordan von Berlin (!), Mevissen (Unterstaatssekretär), Schneer (der Geschäftsordnungsmann), Schwetschke (!), Sommaruga (!!!), Thinnes, Graf Wartensleben, Werner aus Coblenz, von Wydenbrugk, Wuttke, Rösler aus Wien (!), Kerst. Auf diese Abstimmung folgte große Aufregung und mehrfache Erklärungen, z. B. eine von Jahn, strotzend von Unsinn. Es sind in dieser Abstimmung viele Abgeordnete von der Rechten (besonders Oestreicher) ihrer Partei untreu geworden. — Die Partei Vinke-Radowitz-Bassermann verwahrt sich feierlich gegen die Folgen dieses Beschlusses. von Trutzschlers Antrag (welcher gar kein Veto will) wird abgelehnt. (Nur die entschiedene Linke dafür.) Nauwerks, Schulz von Darmstadt, Claussens Anträge werden verworfen. Ebenso ein Minoritäts-Erachten von Wigard, Mittermeier etc. (mit 276 gegen 196 Stimmen); Anträge von Heisterbergk (mit 269 gegen 195), von Maltzahn's (mit 277 gegen 186) ebenfalls verworfen. Angenommen wurde endlich ein Antrag vom Staatssekretair Fallati (mit 274 Stimmen gegen 187) folgenden Inhalts, welcher also an die Stelle des Eingangs von §. 19 tritt. Er lautet: „Ein Beschluß des Reichstags, welcher die Zustimmung des Reichsoberhauptes nicht erlangt hat, darf in derselben Sitzung nicht wiederholt werden. Ist ein Beschluß vom Reichstage in drei ordentlichen Sitzungen nach einander und nach abermaliger Erwägung unverändert gefaßt worden, so wird er zum Gesetze, auch wenn die Sanktion des Reichsoberhauptes nicht erfolgt, sobald der Reichstag sich schließt.“ Unter die Befugnisse des Reichstages (vorbehaltlich aller auf's Büdget bezüglichen Punkte) gehören Beschlüsse in folgenden Angelegenheiten: 1) Wenn es sich um die Erlassung, Auslegung, Aufhebung oder Abänderung von Reichsgesetzen handelt. 2) Wenn Landesfestungen zu Reichsfestungen erklärt werden. 3) Wenn Handels-, Schiffahrts-Verträge und Ablieferungs-Verträge mit dem Auslande geschlossen werden, sowie überhaupt völkerrechtliche Verträge, insofern sie das Reich belasten. 4) Wenn nichtdeutsche Länder oder Landestheile dem deutschen Zollgebiet angeschlossen, oder einzelne Orte oder Gebietstheile von der Zolllinie ausgeschlossen werden sollen. 5) Wenn deutsche Landestheile abgetreten, oder wenn nichtdeutsche Gebiete dem Reiche einverleibt oder auf andere Weise mit demselben verbunden werden sollen. Mehrere andere Befugnisse die M. Mohl. Hehner und eine Minorität des Verfassungs-Ausschusses diesem Paragraphen beifügen wollten, wurde verworfen. Hierauf führt die Tagesordnung zur zweiten Lesung der Grundrechte. §. 15 und 16. (über Glaubens- und Gewissensfreiheit) bleiben wie in der ersten Fassung. §. 17. Ist verändert worden, und eine Menge Anträge dazu neu eingegeben. Auf die Diskussion wird gleichwohl verzichtet, aber namentliche Abstimmung für die alte Fassung durch Schmidt von Löwenberg vorbehalten. Der Wortlaut des §. in der definitiven Fassung lautet: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. (Neu und mit sehr schwacher Majorität angenommen.) §. 18. (Wie früher ohne Diskussion.) „Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden.“ §. 19. Vom Eide. Ein Amendement von Reichhard: Der Eid ist abgeschafft und es tritt an seine Stelle die feierliche Versicherung, wird mit großer Majorität verworfen. Rheinsteins Antrag: Die Form des Eides soll sein „ich schwöre!“ verworfen. Der §. lautet nach der modifizirten Fassung des Verfassungs-Ausschusses: „Die Formel des Eides soll künftig lauten: „So wahr mir Gott helfe.“ §. 20. (Ohne Diskussion wie früher.) Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilaktes abhängig. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civilaktes stattfinden. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. (Heiterkeit auf der Damentribüne unter Frankfurts Töchtern — aus Zion.) §. 21. (Ohne Diskussion ebenso.) „Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt.“ Somit wurde Artikel V. und mit ihm die heutige Sitzung geschlossen. (Um 3 Uhr.) Nächste Sitzung morgen. Italien. * Turin, 9. Dezbr. Die Ministerkrisis ist noch immer nicht zu Ende. Es scheint gewiß, daß auch Hr. Givia, wie vor ihm Moffa de Lisio, dem Auftrage des Königs, ein neues Kabinet zu bilden, nicht entsprochen hat. Die „Concordia“ vom heutigen Tage bittet den König, auf keinen andern Rath, als auf den des Landes zu hören, welches ihm unablässig nur den Namen eines einzigen Mannes (Gioberti) zuruft, der allein fähig ist, Alles zu retten. Französische Republik. 12 Paris, 14. Decbr. „Louis Napoleon Bonaparte wird zum Präsidenten, nicht durch Wahl sondern durch Akklamation ernannt,“ dies ist der ganze leitende Artikel der Presse, und zur Beweisführung folgen 6 ganze Colonnen, mit Ziffern und den Namen Napoleon und Cavaignac, zwischen denen die Namen Ledru-Rollin und Raspail durchlaufen. In vielen Departements steht Ledru-Rollin zwischen Napoleon und Cavaignac. Dem Ledru-Rollin folgt zunächst Raspail: aber Lamartine, dieses Ideal der deutschen Bourgeoisie, nimmt selbst in den äußersten Enden der Departement's, in den Provinzen, wo die Bourgeoisie einige Aehnlichkeit noch haben möchte mit dem deutschen Spießbürgerthum; selbst in diesen Departements, sage ich, nimmt Lamartine die letzte, die unglücklichste Stelle ein; fast nirgends erhebt sich der Poet über die Einheit, und wenn er ja in die Zehnten hinnübergreift, so verschwindet auch diese Ziffer, vor den enormen Zahlen und Zahlenwerthen, die dem „Kaiser“ zufallen. Napoleon überhüpfte die Zehnten, Hunderten, Tausenden, mit einer Leichtigkeit, die wohlthuend ist — für das Auge, für Herz und Gemüth. Die Journale sind wahre Tabellen geworden, und <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="0921"/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar171-1_013" type="jArticle"> <p>ten. Die Locken flogen und die Geschichte machte Furore in allen Pariser Salons.““</p> <p>„Und nach Berlin eilten Sie dann.“</p> <p>„„Sie machten Ihre diplomatische Reise.““</p> <p>„Daß Sie unglücklich mit Carlotten waren, Herr Ritter, ich habe es nie geglaubt.“</p> <p>„„Und wenn Ihre Untergebenen oft seltsame Dinge erzählten, gnädige Frau, so war es reine Verläumdung.““</p> <p>„Jedenfalls wurden Sie aus Berlin durch den Zorn der Götter vertrieben —“</p> <p>„Und Ihnen wurde unter Karl X. der Hof untersagt.““</p> <p>„Aber Sie machten sich nichts daraus; Sie gingen nach Spanien, Lorbeern zu pflücken unter Don Karlos.“</p> <p>„„Sie, gnädige Frau, reisten unter den interessantesten Umständen nach Florenz, ihren unschuldigen Gatten aufzusuchen, und schon nach wenigen Monaten beschenkten Sie die Welt mit der lieblichsten Tochter —““</p> <p>„Verzeihen Sie, Herr Ritter — —““</p> <p>„„Entschuldigen Sie, gnädige Frau — —““</p> <p>„Aber Sie werden anzüglich, Herr Ritter!“</p> <p>„„Aber Sie werden verletzend, gnädige Frau!““</p> <p>„Ich glaubte einen anspruchslosen Knaben in Ihnen zu finden —“</p> <p>Beide Freunde lachten laut auf und sanken einander in die Arme.</p> <p>„Wir sind aus der zweiten in die erste Rolle gefallen!“ rief der Graf.</p> <p>„„Aus der harmlosen in die maliziöse!““ erwiederte der Ritter.</p> <p>Da wurde die Thüre geöffnet. Man meldete die Ankunft der Herzogin von S.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar171-1_014" type="jArticle"> <p>entlassenen (!) Geißeln haben ein Zeugniß ausstellen müssen, daß sie während ihrer Gefangenschaft vom Militär anständig (!!) behandelt worden sind; dasselbe verlangt man von den auf dem Schub davongebrachten „Fremden.“ Python will Blut!</p> <p>Man hat darum von Neuem eingeschärft, sich in Gast- und Kaffeehäusern aller aufreizenden Reden zu enthalten, obgleich schon längst jeder schweigt. Was die kroatische Ordnung „aufreizende Reden“ nennen kann und will, das werden Sie begreifen. Ein edles Gesicht, ein reines Deutsch, eine Linie über dem Vieh genügen, einen Rebellen zu erkennen und zu erwürgen. Es gibt noch immer Leute, welche laut sagen, man müsse alle Männer von Talent umbringen, und ein k. k. Hofrath äußerte sich in meiner Gegenwart dahin: er hätte gewünscht, das eingestürzte Dach des Odeon hätte nicht sofort alle in diesen ungeheuren Saal Geflüchteten erschlagen und verbrannt, sondern nur lebendig vergraben, damit sie den weit schrecklichern Hungertod erlitten hätten. Das ist authentisch. — Bei Abgabe der Waffen wurde versichert, die Privatwaffen würden seiner Zeit zurückgegeben werden, man sieht indessen überall die Offiziere offen im Besitz derselben. Sie haben sich die schönsten Stücke als bonne prise ohne Weiteres zugeeignet. Mancher Wiener ist darüber höllisch erbost. Solche Dinge sind indessen hier so natürlich wie in Kalabrien. Wie ich Ihnen schon oft geschrieben, übersteigt die Spionage hier an Gemeinheit, Brutalität und Verruchtheit alles, was im übrigen Europa zu irgend einer Zeit — Inquisition und Vehme nicht ausgenommen — jemals bestanden hat. In gewissen Gasthäusern hat man's darin soweit gebracht, daß der Wirth Teller mit den verschiedenen Freiheitsfarben aller Völker hält. Reicht er nur z. B. einen roth oder schwarz-roth-gold geränderten Teller, und ich nehme ihn stillschweigend hin, so wissen die immer anwesenden Spione schon Bescheid. Das hält natürlich nicht lange, aber es wird so auf die mannigfachste Weise versucht. Hierbei fallen mir unwillkührlich immer wieder Schmerling's „noch nicht abgeschaffte alte Gesetze Oesterreich's“ ein. Ich empfehle Ihnen darunter namentlich eine Lektüre des Kriminalkodex aus der Zeit Marie Theresen's, oder, damit ich keine österreichische Majestätsbeleidigung begehe: <hi rendition="#g">Maria Theresia's!</hi> Nach diesen alten, noch nicht aufgehobenen Gesetzen, wird z. B. jeder sogenannte Vagabund nicht etwa in ein infaches Gefängniß, sondern ohne Umstände in das Gefängniß zur Aburtheilung „schwerer politischer Verbrecher“ gethan. Wer nur in was immer für einer Angelegenheit mit der Polizei — und sie ist jetzt wieder Oesterreich's oberster Götze — zu thun hat, ist vor allem politisch verdächtig und wird darauf zuerst inquirirt; hernach fragt man erst, ob er Jemand ermordet oder bestohlen habe, denn das ist quasi Nebensache. Nach denselben alten Gesetzen des ehrlichen und würdigen Schmerling erhält z. B. der Oesterreicher grundsätzlich nie einen Paß, denn er darf niemals in's sogenannte Ausland reisen. Man ist besorgt, er könnte einen politischen Schnupfen bekommen. Dies gilt insbesondere für Beamte, Studenten, Offiziere, die nicht in den höchsten Chargen stehen. Nur bei Kaufleuten wird eine Ausnahme gemacht. Sie müssen sich unter genauester Angabe aller Details über ihre Zwecke an eine ganze Hierarchie von Beamten mittelst Eingaben wenden, sie müssen eine baare Kaution von wenigstens 500 Fl., und überdies noch einen zahlungsfähigen Bürgen stellen, sie müssen alle möglichen Polizeizeugnisse beibringen, worauf man ihnen denn einen Paß gibt, worin die Frist zur Heimkehr streng festgesetzt wird. Wird die Frist nicht eingehalten, so konfiszirt der Staat, was er kriegen kann, und verurtheilt den Ausbleibenden zu harten Strafen. Das sind z. B. einige von den noch nicht abgeschafften Gesetzen des ehrwürdigen Spekulanten Schmerling, der das ganze Deutschland so gerne wieder zur habsburgischen Dynastie, und unter ihre Scheusale zneückbringen möchte. Zu diesen alten Gesetzen gehören namentlich auch die schändlichen Post- und Mauthgesetze, die alle auf dem Grundsatze beruhen: Spionage. Davon ein andermal.</p> <p>Deutschland kennt diese „alten Gesetze“ noch nicht; einige wohlgemeinte Vorlesungen des Herrn Schmerling würden es schaudern machen.</p> </div> <div xml:id="ar171-1_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 10. Dez.</head> <p>Unsere Preß-Bestialität beginnt ernstlich über Preußen zu schimpfen. Der ganz gemeinen Journale nicht zu gedenken, sagt unter andern die „Presse“ von gestern über die Vereinbarer: „Die Mehrzahl der Vertreter hatte weder von Rechten und Gesetzen richtige Begriffe, noch auch von den gewöhnlichsten Grundsätzen der Ehre und Sittlichkeit.“ Dann macht diese Kroatin, denken Sie sich, vom Standpunkte der Freiheit aus! der Krone Vorwürfe, daß sie eine oktroyirte Verfassung gegeben. Wissen Sie, wie das Ding zusammenhängt? Die Olmützer und Potsdamer Kamarilla's haben bisher duce Nicolao im Einverständniß gehandelt. Man wollte die jüngste Vergangenheit seit März ganz ungeschehen machen, um später auch an den Februar zu kommen. Die katzenartig-hitzige Olmützerin ging voran, und fiel in der Hoffnung, die Potsdamerin würde ebenso nachfolgen, mit der bekannten afrikanischen Bestienwuth über das Volk her. Potsdam mit seinem preußischen Pfiffe ließ sie ruhig morden und plündern, ohne ihr in dieser Weise zu folgen. Da ward die Olmützer Katze stutzig, sie bebte zuiück vor dem Zorn und vor der Verachtung Europa's; sie sah, daß Preußen, indem es sie allein rasen ließ, wie eine besoffene Hyäne, den Klügern gespielt hatte. Die von der Krone gegebene Verfassung vollendete den preußischen Pfiff. Ich versichere Sie, man weiß sich vor Ingrimm in Olmütz kaum zu halten; <hi rendition="#g">man sieht nicht ein, daß die Bestialität in Preußen andre Formen annehmen muß als in Oestreich, und daß es der preußischen Regierung nicht nur an Energie, sondern an Kroaten fehlt.</hi> </p> <p>Preußen, so spricht die Olmützerin, hat jetzt wenigstens das «prae» in Deutschland, daß es gerade keine besoffene Hyäne gewesen.</p> <p>Die „Presse“ hat mit der Augsburgerin Brüderschaft getrunken; sie loben sich gegenseitig. Die Augsburgerin hofft durch diese neue Freundschaft die alte Subsidie wieder zu erhalten. Stadion, dessen Organ die „Presse“ ist, schmunzelt ihr auch zu. Das ist der Lauf der Welt! Hallunken! Hallunken!</p> </div> <div xml:id="ar171-1_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 11. Dez.</head> <p>Preußen hat Wien um die deutsche Kaiserkrone geprellt. Die österreichischen Brutes haben den Preußen die Kastanien, d. h. die Kaiserkrone aus dem Feuer geholt. Das hier mit einem Schweife altösterreichischen Gezüchts angekommene Ministerium ereifert sich über den Streich der Berliner Camarilla — die octroyirte Verfassung — über den Manteuffelschen Liberalismus, der zwar in der <hi rendition="#g">Sache</hi> österreichisch, in der Form aber preußisch ist. Der Krieg mit Ungarn scheint unserer Camarilla nicht mehr recht zu sein; der preußische Streich — die Preußen bleiben liberal im Belagerungszustande — vernichtet all ihre Blutpläne. Sie hatte bereits die Nooot und den Zehnten wieder einfordern lassen, woraus in Oberösterreich, in Krems und Böhmen Bauernaufstände erfolgt sind, die mit Militärgewalt bekämpft werden müssen. So viel ist gewiß, die jetzigen Zwangszustände, diese Zustände der äußersten Bestialität, sind nicht lange mehr haltbar. Die Dynastie hat beim eigentlichen Volke schon längst allen Halt verloren, und es wird dem angehören, der ihm zuerst die Erlösung bringt.</p> <p>Python Windisch-Grätz hat anschlagen lassen, daß man sich im Irrthum befinde, wenn man glaube, das Standrecht sei ganz aufgehoben, es bestehe für alles fort, was in der Proklamation vom 1. November enthalten sei. Zum Beweise läßt er täglich wiederum Unschuldige vor dem Neuthor niederschießen und viele auf 12jährigen Festungsarrest mit Eisen verurtheilen. Unter andern wurden also verdammt Alexander Skarbek von Leszcioski wegen Verbarrikadirung des Schottenviertels und Berichts aus dem ungarischen Lager; ferner Hauptmann Schweizer von der Wieden, weil er seine Kompagnie zum Widerstand begeistert (!) habe. Vorgestern waren überall grüne Plakate angeklebt, die mit furchtbarer Wuth vom Militär und elender Bourgeoisie abgerissen wurden. Es stand darauf:</p> <lg type="poem"> <l>„Dem Windisch-Grätz zum Schmerz,</l><lb/> <l>Sind alle Studenten versammelt, wie im März.“</l><lb/> </lg> <p>Es ist ganz gewiß, daß die Henkerpartei selbst dies Plakat gemacht hat, um neue Vorwürfe zu haben, wider die Ueberbleibsel der akademischen Legion ihre Bestialität los zu lassen. Die infamsten Dienste thut neben den ganz gemeinen Spionen hierbei immer die Bourgeoisie. Ich saß z. B. gestern im Frankfurter Hof. In einige Ferne speiste ein junger Mann, dem man den Legionär trotz der Verkleidung von der Stirne absehen konnte. Eine gemeine Bourgeoisfamilie saß in der Nähe eines Offiziers an einem andern Tische, und machte den Offizier fortwährend laut darauf aufmerksam, daß dort ein Student sitze, den man packen müsse. Nach einer Weile stand der Offizier auf, trat zu dem Studenten und erkundigte sich, ob er Student sei. Der Student rief ihm ein muthiges. Ja! ich bin Student! zu, glaubte nun aber verloren zu sein. Aber der Offizier ersuchte ihn nur, sich zu hüten, er sitze hier unter niederträchtigem Gesindel, ging dann zu der bestürzten Bourgeoisfamilie zurück, warf ihr ihre niederträchtige Gemeinheit vor, und entfernte sich sofort.</p> <p>Gestern sind mehrere Transporte deutschen Militärs hierher zurück eskortirt worden, weil es sich geweigert, wider die Ungarn zu kämpfen.</p> <p>Kossuth hatte bewilligt, daß Vieh nach Wien geführt werde, weil er dem Volke nicht zürne. 700 Ochsen wurden in Folge dessen eingebracht; Windisch-Grätz jedoch ließ die Verkäufer greifen und ihnen die Ochsen abnehmen. Herr Peuker wird nicht verfehlen, auch diese Landstraßenräuberthat im Frankfurter Froschteich hochzupreisen.</p> <p>Kossuth läßt alle Gefangenen nach ihrer Entwaffnung frei, ja, er beschenkt sie; Python dagegen läßt alle Gefangenen unter Martern umbringen. Man verbreitet aber überall die abscheulichsten Gerüchte über die Magyaren und ihre Grausamkeit. Nach einer entscheidenden Schlappe in Ungarn wird der fürchterlichste Rückschlag hier nicht ausbleiben, besonders in den Finanzen. Die Zwanziger stehen heute 10 pCt. an der Börse, d. h. die Banknoten sind um 10 pCt. gefallen. Die Löhnung des Militärs besteht nur in Papier, das ihm Niemand mehr wechseln will. Die deutschen Soldaten murren schon sehr, und man nimmt alle Verstärkungen nach Ungarn nur unter den Czechen in Böhmen und Mähren. Wir werden die fürchterlichsten Tage erst bekommen, wenn die Schakale ihr Todesröcheln herankommen sehen. Unterdessen bietet man alle Kunst auf, sich den Schein zu geben, als herrschten die freudigsten Zustände; die Zeitungen sind voller Sudeleien über dumme Theaterstücke und unsere schlechten Schauspieler, Sänger u. s. w.; die Wienerin bringt lange Artikel über chinesische Entdeckungen, und Saphir und Bäuerle fahren fort, sich im stinkendsten Kothe zu wälzen. Die Bourgeoisie verlangt Verlängerung des Belagerungszustandes. Die Bourgeoisie ist dieselbe in Wien, Berlin, Köln und Paris.</p> </div> <div xml:id="ar171-1_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, den 14. Dezember.</head> <p>Sitzung der National-Versammlung. Präsident von Gagern.</p> <p>Tagesordnung:</p> <p rendition="#et">1) Abstimmung über §. 19 des Entwurfs „der Reichstag.“<lb/> 2) Fortsetzung der 2ten Lesung der Grundrechte</p> <p>Vor derselben zeigt der Präsident der Versammlung an, daß die Thurn- und Taxissche Postverwaltung den Abgeordneten für Briefe, Geldsendungen und Drucksachen Postfreiheit bewilligt. (Eine captatio benevolentiae zu Gunsten des Thurn- und Taxisschen Postmonopols.)</p> <p>Der Justizminister <hi rendition="#g">von Mohl</hi> antwortet schriftlich auf eine Interpellation des Abgeordneten Joseph aus Sachsen wegen der scheußlichen Ermordung und Verstümmelung von Wiener Studenten durch Auerspergsches Militär. — Das östreichische Justizministerium hat auf die desfallsige Anfrage geantwortet. Es hat hierüber vom General von Auersperg selbst Bericht verlangt. Die Antwort des Generals erklärt die Thatsachen für unwahr, (natürlich!) ihm (Auersperg) sei darüber weder Meldung noch Nachricht zugekommen, eine Untersuchung entbehre daher jeder Grundlage; das Gerücht (!) von der Ermordung von Studenten sei damals viel verbreitet worden, um Erbitterung gegen das Militär hervorzurufen. (Rechts: Hört! Hört! Links: Unruhe.)</p> <p>Somit ist denn wieder eine Interpellation erledigt.</p> <p><hi rendition="#g">Zimmermann</hi> von Spandau verlangt, daß die Erklärung des Justizministers dem östreichischen Ausschuß zu klarerer Erörterung überwiesen werde. (Rechts Gelächter.) Meine Herren, dies Gelächter macht die Sache nicht klarer.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> frägt, ob Zimmermanns Antrag unterstützt wird.</p> <p><hi rendition="#g">Fröbel</hi> (von der Tribüne) der Antrag sei wohl zu unterstützen, denn die Thatsache jener Grausamkeiten lasse sich nicht läugnen. 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Den Beweis dieses Satzes zu liefern, würde ihm wohl glücken, wenn hier der Ort dazu wäre. (Rechts Bravo — links Ausdruck des Zweifels!) Zur Aufrechthaltung einer starken Monarchie sei aber das absolute Veto ganz unerläßlich. — Eine Krone niederlegen, sei nichts so sehr Erhebliches, aber eine Krone retten, das sei etwas Großes, und <hi rendition="#g">das</hi> (mit Emphase die Tribüne schlagend) wollen wir thun. (Lautes Bravo unter dem ganzen Heereshaufen der Reaktion.)</p> <p>Nach einer langen und breiten Debatte über die verwickelte Fragestellung der zahlreichen Amendements gelangt man (um 1/4 12 Uhr) zur Abstimmung.</p> <p>1, Abstimmung durch Namensaufruf über den Eingang des §. 19 nach der Majorität des Ausschusses (Siehe frühere Sitzung) also über das <hi rendition="#g">absolute Veto</hi>. — Dasselbe wird mit 267 Stimmen gegen 207 verworfen.</p> <p>Mit <hi rendition="#g">ja</hi> stimmten u. a. Beseler (Schleswig-Holstein), Reichensperger, Riesser, von Soiron, Leue (!), Welker, Wernher, v. Nierstein etc. — Mit <hi rendition="#g">nein</hi> Jordan von Berlin (!), Mevissen (Unterstaatssekretär), Schneer (der Geschäftsordnungsmann), Schwetschke (!), Sommaruga (!!!), Thinnes, Graf Wartensleben, Werner aus Coblenz, von Wydenbrugk, Wuttke, Rösler aus Wien (!), Kerst. Auf diese Abstimmung folgte große Aufregung und mehrfache Erklärungen, z. B. eine von Jahn, strotzend von Unsinn. Es sind in dieser Abstimmung viele Abgeordnete von der Rechten (besonders Oestreicher) ihrer Partei untreu geworden. — Die Partei Vinke-Radowitz-Bassermann verwahrt sich feierlich gegen die Folgen dieses Beschlusses.</p> <p><hi rendition="#g">von Trutzschlers</hi> Antrag (welcher gar kein Veto will) wird abgelehnt. (Nur die entschiedene Linke dafür.)</p> <p><hi rendition="#g">Nauwerks</hi>, Schulz von Darmstadt, Claussens Anträge werden verworfen. Ebenso ein Minoritäts-Erachten von Wigard, Mittermeier etc. (mit 276 gegen 196 Stimmen); Anträge von Heisterbergk (mit 269 gegen 195), von Maltzahn's (mit 277 gegen 186) ebenfalls verworfen.</p> <p>Angenommen wurde endlich ein Antrag vom Staatssekretair Fallati (mit 274 Stimmen gegen 187) folgenden Inhalts, welcher also an die Stelle des Eingangs von §. 19 tritt. Er lautet:</p> <p rendition="#et">„Ein Beschluß des Reichstags, welcher die Zustimmung des Reichsoberhauptes nicht erlangt hat, darf in derselben Sitzung nicht wiederholt werden. Ist ein Beschluß vom Reichstage in drei ordentlichen Sitzungen nach einander und nach abermaliger Erwägung unverändert gefaßt worden, so wird er zum Gesetze, auch wenn die Sanktion des Reichsoberhauptes nicht erfolgt, sobald der Reichstag sich schließt.“</p> <p>Unter die Befugnisse des Reichstages (vorbehaltlich aller auf's Büdget bezüglichen Punkte) gehören Beschlüsse in folgenden Angelegenheiten:</p> <p>1) Wenn es sich um die Erlassung, Auslegung, Aufhebung oder Abänderung von Reichsgesetzen handelt.</p> <p>2) Wenn Landesfestungen zu Reichsfestungen erklärt werden.</p> <p>3) Wenn Handels-, Schiffahrts-Verträge und Ablieferungs-Verträge mit dem Auslande geschlossen werden, sowie überhaupt völkerrechtliche Verträge, insofern sie das Reich belasten.</p> <p>4) Wenn nichtdeutsche Länder oder Landestheile dem deutschen Zollgebiet angeschlossen, oder einzelne Orte oder Gebietstheile von der Zolllinie ausgeschlossen werden sollen.</p> <p>5) Wenn deutsche Landestheile abgetreten, oder wenn nichtdeutsche Gebiete dem Reiche einverleibt oder auf andere Weise mit demselben verbunden werden sollen.</p> <p>Mehrere andere Befugnisse die M. Mohl. Hehner und eine Minorität des Verfassungs-Ausschusses diesem Paragraphen beifügen wollten, wurde verworfen.</p> <p>Hierauf führt die Tagesordnung zur zweiten Lesung der Grundrechte. §. 15 und 16. (über Glaubens- und Gewissensfreiheit) bleiben wie in der ersten Fassung.</p> <p>§. 17. Ist verändert worden, und eine Menge Anträge dazu neu eingegeben. Auf die Diskussion wird gleichwohl verzichtet, aber namentliche Abstimmung für die alte Fassung durch Schmidt von Löwenberg vorbehalten. Der Wortlaut des §. in der definitiven Fassung lautet:</p> <p rendition="#et">„Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. (<hi rendition="#g">Neu</hi> und mit sehr schwacher Majorität angenommen.)<lb/> „Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat. (Mit 241 Stimmen gegen 194 wieder angenommen.)<lb/> „Es besteht fernerhin keine Staatskirche.<lb/> „Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden.<lb/> „Einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.“</p> <p>§. 18. (Wie früher ohne Diskussion.)</p> <p rendition="#et">„Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden.“</p> <p>§. 19. Vom Eide.</p> <p>Ein Amendement von Reichhard: Der Eid ist abgeschafft und es tritt an seine Stelle die feierliche Versicherung, wird mit großer Majorität verworfen. Rheinsteins Antrag: Die Form des Eides soll sein „ich schwöre!“ verworfen. Der §. lautet nach der modifizirten Fassung des Verfassungs-Ausschusses:</p> <p rendition="#et">„Die Formel des Eides soll künftig lauten: „So wahr mir Gott helfe.“</p> <p>§. 20. (Ohne Diskussion wie früher.)</p> <p>Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilaktes abhängig. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civilaktes stattfinden. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. (Heiterkeit auf der Damentribüne unter Frankfurts Töchtern — aus Zion.)</p> <p>§. 21. (Ohne Diskussion ebenso.)</p> <p rendition="#et">„Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt.“</p> <p>Somit wurde Artikel V. und mit ihm die heutige Sitzung geschlossen. (Um 3 Uhr.) Nächste Sitzung morgen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar171-1_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 9. Dezbr.</head> <p>Die Ministerkrisis ist noch immer nicht zu Ende. Es scheint gewiß, daß auch Hr. Givia, wie vor ihm Moffa de Lisio, dem Auftrage des Königs, ein neues Kabinet zu bilden, nicht entsprochen hat. Die „Concordia“ vom heutigen Tage bittet den König, auf keinen andern Rath, als auf den des Landes zu hören, welches ihm unablässig nur den Namen eines einzigen Mannes (Gioberti) zuruft, der allein fähig ist, Alles zu retten.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar171-1_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 14. Decbr.</head> <p>„Louis Napoleon Bonaparte wird zum Präsidenten, nicht durch Wahl sondern durch Akklamation ernannt,“ dies ist der ganze leitende Artikel der Presse, und zur Beweisführung folgen 6 ganze Colonnen, mit Ziffern und den Namen Napoleon und Cavaignac, zwischen denen die Namen Ledru-Rollin und Raspail durchlaufen.</p> <p>In vielen Departements steht Ledru-Rollin zwischen Napoleon und Cavaignac. Dem Ledru-Rollin folgt zunächst Raspail: aber Lamartine, dieses Ideal der deutschen Bourgeoisie, nimmt selbst in den äußersten Enden der Departement's, in den Provinzen, wo die Bourgeoisie einige Aehnlichkeit noch haben möchte mit dem deutschen Spießbürgerthum; selbst in diesen Departements, sage ich, nimmt Lamartine die letzte, die unglücklichste Stelle ein; fast nirgends erhebt sich der Poet über die Einheit, und wenn er ja in die Zehnten hinnübergreift, so verschwindet auch diese Ziffer, vor den enormen Zahlen und Zahlenwerthen, die dem „Kaiser“ zufallen.</p> <p>Napoleon überhüpfte die Zehnten, Hunderten, Tausenden, mit einer Leichtigkeit, die wohlthuend ist — für das Auge, für Herz und Gemüth. Die Journale sind wahre Tabellen geworden, und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0921/0003]
ten. Die Locken flogen und die Geschichte machte Furore in allen Pariser Salons.““
„Und nach Berlin eilten Sie dann.“
„„Sie machten Ihre diplomatische Reise.““
„Daß Sie unglücklich mit Carlotten waren, Herr Ritter, ich habe es nie geglaubt.“
„„Und wenn Ihre Untergebenen oft seltsame Dinge erzählten, gnädige Frau, so war es reine Verläumdung.““
„Jedenfalls wurden Sie aus Berlin durch den Zorn der Götter vertrieben —“
„Und Ihnen wurde unter Karl X. der Hof untersagt.““
„Aber Sie machten sich nichts daraus; Sie gingen nach Spanien, Lorbeern zu pflücken unter Don Karlos.“
„„Sie, gnädige Frau, reisten unter den interessantesten Umständen nach Florenz, ihren unschuldigen Gatten aufzusuchen, und schon nach wenigen Monaten beschenkten Sie die Welt mit der lieblichsten Tochter —““
„Verzeihen Sie, Herr Ritter — —““
„„Entschuldigen Sie, gnädige Frau — —““
„Aber Sie werden anzüglich, Herr Ritter!“
„„Aber Sie werden verletzend, gnädige Frau!““
„Ich glaubte einen anspruchslosen Knaben in Ihnen zu finden —“
Beide Freunde lachten laut auf und sanken einander in die Arme.
„Wir sind aus der zweiten in die erste Rolle gefallen!“ rief der Graf.
„„Aus der harmlosen in die maliziöse!““ erwiederte der Ritter.
Da wurde die Thüre geöffnet. Man meldete die Ankunft der Herzogin von S.
[Deutschland] entlassenen (!) Geißeln haben ein Zeugniß ausstellen müssen, daß sie während ihrer Gefangenschaft vom Militär anständig (!!) behandelt worden sind; dasselbe verlangt man von den auf dem Schub davongebrachten „Fremden.“ Python will Blut!
Man hat darum von Neuem eingeschärft, sich in Gast- und Kaffeehäusern aller aufreizenden Reden zu enthalten, obgleich schon längst jeder schweigt. Was die kroatische Ordnung „aufreizende Reden“ nennen kann und will, das werden Sie begreifen. Ein edles Gesicht, ein reines Deutsch, eine Linie über dem Vieh genügen, einen Rebellen zu erkennen und zu erwürgen. Es gibt noch immer Leute, welche laut sagen, man müsse alle Männer von Talent umbringen, und ein k. k. Hofrath äußerte sich in meiner Gegenwart dahin: er hätte gewünscht, das eingestürzte Dach des Odeon hätte nicht sofort alle in diesen ungeheuren Saal Geflüchteten erschlagen und verbrannt, sondern nur lebendig vergraben, damit sie den weit schrecklichern Hungertod erlitten hätten. Das ist authentisch. — Bei Abgabe der Waffen wurde versichert, die Privatwaffen würden seiner Zeit zurückgegeben werden, man sieht indessen überall die Offiziere offen im Besitz derselben. Sie haben sich die schönsten Stücke als bonne prise ohne Weiteres zugeeignet. Mancher Wiener ist darüber höllisch erbost. Solche Dinge sind indessen hier so natürlich wie in Kalabrien. Wie ich Ihnen schon oft geschrieben, übersteigt die Spionage hier an Gemeinheit, Brutalität und Verruchtheit alles, was im übrigen Europa zu irgend einer Zeit — Inquisition und Vehme nicht ausgenommen — jemals bestanden hat. In gewissen Gasthäusern hat man's darin soweit gebracht, daß der Wirth Teller mit den verschiedenen Freiheitsfarben aller Völker hält. Reicht er nur z. B. einen roth oder schwarz-roth-gold geränderten Teller, und ich nehme ihn stillschweigend hin, so wissen die immer anwesenden Spione schon Bescheid. Das hält natürlich nicht lange, aber es wird so auf die mannigfachste Weise versucht. Hierbei fallen mir unwillkührlich immer wieder Schmerling's „noch nicht abgeschaffte alte Gesetze Oesterreich's“ ein. Ich empfehle Ihnen darunter namentlich eine Lektüre des Kriminalkodex aus der Zeit Marie Theresen's, oder, damit ich keine österreichische Majestätsbeleidigung begehe: Maria Theresia's! Nach diesen alten, noch nicht aufgehobenen Gesetzen, wird z. B. jeder sogenannte Vagabund nicht etwa in ein infaches Gefängniß, sondern ohne Umstände in das Gefängniß zur Aburtheilung „schwerer politischer Verbrecher“ gethan. Wer nur in was immer für einer Angelegenheit mit der Polizei — und sie ist jetzt wieder Oesterreich's oberster Götze — zu thun hat, ist vor allem politisch verdächtig und wird darauf zuerst inquirirt; hernach fragt man erst, ob er Jemand ermordet oder bestohlen habe, denn das ist quasi Nebensache. Nach denselben alten Gesetzen des ehrlichen und würdigen Schmerling erhält z. B. der Oesterreicher grundsätzlich nie einen Paß, denn er darf niemals in's sogenannte Ausland reisen. Man ist besorgt, er könnte einen politischen Schnupfen bekommen. Dies gilt insbesondere für Beamte, Studenten, Offiziere, die nicht in den höchsten Chargen stehen. Nur bei Kaufleuten wird eine Ausnahme gemacht. Sie müssen sich unter genauester Angabe aller Details über ihre Zwecke an eine ganze Hierarchie von Beamten mittelst Eingaben wenden, sie müssen eine baare Kaution von wenigstens 500 Fl., und überdies noch einen zahlungsfähigen Bürgen stellen, sie müssen alle möglichen Polizeizeugnisse beibringen, worauf man ihnen denn einen Paß gibt, worin die Frist zur Heimkehr streng festgesetzt wird. Wird die Frist nicht eingehalten, so konfiszirt der Staat, was er kriegen kann, und verurtheilt den Ausbleibenden zu harten Strafen. Das sind z. B. einige von den noch nicht abgeschafften Gesetzen des ehrwürdigen Spekulanten Schmerling, der das ganze Deutschland so gerne wieder zur habsburgischen Dynastie, und unter ihre Scheusale zneückbringen möchte. Zu diesen alten Gesetzen gehören namentlich auch die schändlichen Post- und Mauthgesetze, die alle auf dem Grundsatze beruhen: Spionage. Davon ein andermal.
Deutschland kennt diese „alten Gesetze“ noch nicht; einige wohlgemeinte Vorlesungen des Herrn Schmerling würden es schaudern machen.
121 Wien, 10. Dez. Unsere Preß-Bestialität beginnt ernstlich über Preußen zu schimpfen. Der ganz gemeinen Journale nicht zu gedenken, sagt unter andern die „Presse“ von gestern über die Vereinbarer: „Die Mehrzahl der Vertreter hatte weder von Rechten und Gesetzen richtige Begriffe, noch auch von den gewöhnlichsten Grundsätzen der Ehre und Sittlichkeit.“ Dann macht diese Kroatin, denken Sie sich, vom Standpunkte der Freiheit aus! der Krone Vorwürfe, daß sie eine oktroyirte Verfassung gegeben. Wissen Sie, wie das Ding zusammenhängt? Die Olmützer und Potsdamer Kamarilla's haben bisher duce Nicolao im Einverständniß gehandelt. Man wollte die jüngste Vergangenheit seit März ganz ungeschehen machen, um später auch an den Februar zu kommen. Die katzenartig-hitzige Olmützerin ging voran, und fiel in der Hoffnung, die Potsdamerin würde ebenso nachfolgen, mit der bekannten afrikanischen Bestienwuth über das Volk her. Potsdam mit seinem preußischen Pfiffe ließ sie ruhig morden und plündern, ohne ihr in dieser Weise zu folgen. Da ward die Olmützer Katze stutzig, sie bebte zuiück vor dem Zorn und vor der Verachtung Europa's; sie sah, daß Preußen, indem es sie allein rasen ließ, wie eine besoffene Hyäne, den Klügern gespielt hatte. Die von der Krone gegebene Verfassung vollendete den preußischen Pfiff. Ich versichere Sie, man weiß sich vor Ingrimm in Olmütz kaum zu halten; man sieht nicht ein, daß die Bestialität in Preußen andre Formen annehmen muß als in Oestreich, und daß es der preußischen Regierung nicht nur an Energie, sondern an Kroaten fehlt.
Preußen, so spricht die Olmützerin, hat jetzt wenigstens das «prae» in Deutschland, daß es gerade keine besoffene Hyäne gewesen.
Die „Presse“ hat mit der Augsburgerin Brüderschaft getrunken; sie loben sich gegenseitig. Die Augsburgerin hofft durch diese neue Freundschaft die alte Subsidie wieder zu erhalten. Stadion, dessen Organ die „Presse“ ist, schmunzelt ihr auch zu. Das ist der Lauf der Welt! Hallunken! Hallunken!
121 Wien, 11. Dez. Preußen hat Wien um die deutsche Kaiserkrone geprellt. Die österreichischen Brutes haben den Preußen die Kastanien, d. h. die Kaiserkrone aus dem Feuer geholt. Das hier mit einem Schweife altösterreichischen Gezüchts angekommene Ministerium ereifert sich über den Streich der Berliner Camarilla — die octroyirte Verfassung — über den Manteuffelschen Liberalismus, der zwar in der Sache österreichisch, in der Form aber preußisch ist. Der Krieg mit Ungarn scheint unserer Camarilla nicht mehr recht zu sein; der preußische Streich — die Preußen bleiben liberal im Belagerungszustande — vernichtet all ihre Blutpläne. Sie hatte bereits die Nooot und den Zehnten wieder einfordern lassen, woraus in Oberösterreich, in Krems und Böhmen Bauernaufstände erfolgt sind, die mit Militärgewalt bekämpft werden müssen. So viel ist gewiß, die jetzigen Zwangszustände, diese Zustände der äußersten Bestialität, sind nicht lange mehr haltbar. Die Dynastie hat beim eigentlichen Volke schon längst allen Halt verloren, und es wird dem angehören, der ihm zuerst die Erlösung bringt.
Python Windisch-Grätz hat anschlagen lassen, daß man sich im Irrthum befinde, wenn man glaube, das Standrecht sei ganz aufgehoben, es bestehe für alles fort, was in der Proklamation vom 1. November enthalten sei. Zum Beweise läßt er täglich wiederum Unschuldige vor dem Neuthor niederschießen und viele auf 12jährigen Festungsarrest mit Eisen verurtheilen. Unter andern wurden also verdammt Alexander Skarbek von Leszcioski wegen Verbarrikadirung des Schottenviertels und Berichts aus dem ungarischen Lager; ferner Hauptmann Schweizer von der Wieden, weil er seine Kompagnie zum Widerstand begeistert (!) habe. Vorgestern waren überall grüne Plakate angeklebt, die mit furchtbarer Wuth vom Militär und elender Bourgeoisie abgerissen wurden. Es stand darauf:
„Dem Windisch-Grätz zum Schmerz,
Sind alle Studenten versammelt, wie im März.“
Es ist ganz gewiß, daß die Henkerpartei selbst dies Plakat gemacht hat, um neue Vorwürfe zu haben, wider die Ueberbleibsel der akademischen Legion ihre Bestialität los zu lassen. Die infamsten Dienste thut neben den ganz gemeinen Spionen hierbei immer die Bourgeoisie. Ich saß z. B. gestern im Frankfurter Hof. In einige Ferne speiste ein junger Mann, dem man den Legionär trotz der Verkleidung von der Stirne absehen konnte. Eine gemeine Bourgeoisfamilie saß in der Nähe eines Offiziers an einem andern Tische, und machte den Offizier fortwährend laut darauf aufmerksam, daß dort ein Student sitze, den man packen müsse. Nach einer Weile stand der Offizier auf, trat zu dem Studenten und erkundigte sich, ob er Student sei. Der Student rief ihm ein muthiges. Ja! ich bin Student! zu, glaubte nun aber verloren zu sein. Aber der Offizier ersuchte ihn nur, sich zu hüten, er sitze hier unter niederträchtigem Gesindel, ging dann zu der bestürzten Bourgeoisfamilie zurück, warf ihr ihre niederträchtige Gemeinheit vor, und entfernte sich sofort.
Gestern sind mehrere Transporte deutschen Militärs hierher zurück eskortirt worden, weil es sich geweigert, wider die Ungarn zu kämpfen.
Kossuth hatte bewilligt, daß Vieh nach Wien geführt werde, weil er dem Volke nicht zürne. 700 Ochsen wurden in Folge dessen eingebracht; Windisch-Grätz jedoch ließ die Verkäufer greifen und ihnen die Ochsen abnehmen. Herr Peuker wird nicht verfehlen, auch diese Landstraßenräuberthat im Frankfurter Froschteich hochzupreisen.
Kossuth läßt alle Gefangenen nach ihrer Entwaffnung frei, ja, er beschenkt sie; Python dagegen läßt alle Gefangenen unter Martern umbringen. Man verbreitet aber überall die abscheulichsten Gerüchte über die Magyaren und ihre Grausamkeit. Nach einer entscheidenden Schlappe in Ungarn wird der fürchterlichste Rückschlag hier nicht ausbleiben, besonders in den Finanzen. Die Zwanziger stehen heute 10 pCt. an der Börse, d. h. die Banknoten sind um 10 pCt. gefallen. Die Löhnung des Militärs besteht nur in Papier, das ihm Niemand mehr wechseln will. Die deutschen Soldaten murren schon sehr, und man nimmt alle Verstärkungen nach Ungarn nur unter den Czechen in Böhmen und Mähren. Wir werden die fürchterlichsten Tage erst bekommen, wenn die Schakale ihr Todesröcheln herankommen sehen. Unterdessen bietet man alle Kunst auf, sich den Schein zu geben, als herrschten die freudigsten Zustände; die Zeitungen sind voller Sudeleien über dumme Theaterstücke und unsere schlechten Schauspieler, Sänger u. s. w.; die Wienerin bringt lange Artikel über chinesische Entdeckungen, und Saphir und Bäuerle fahren fort, sich im stinkendsten Kothe zu wälzen. Die Bourgeoisie verlangt Verlängerung des Belagerungszustandes. Die Bourgeoisie ist dieselbe in Wien, Berlin, Köln und Paris.
!!! Frankfurt, den 14. Dezember. Sitzung der National-Versammlung. Präsident von Gagern.
Tagesordnung:
1) Abstimmung über §. 19 des Entwurfs „der Reichstag.“
2) Fortsetzung der 2ten Lesung der Grundrechte
Vor derselben zeigt der Präsident der Versammlung an, daß die Thurn- und Taxissche Postverwaltung den Abgeordneten für Briefe, Geldsendungen und Drucksachen Postfreiheit bewilligt. (Eine captatio benevolentiae zu Gunsten des Thurn- und Taxisschen Postmonopols.)
Der Justizminister von Mohl antwortet schriftlich auf eine Interpellation des Abgeordneten Joseph aus Sachsen wegen der scheußlichen Ermordung und Verstümmelung von Wiener Studenten durch Auerspergsches Militär. — Das östreichische Justizministerium hat auf die desfallsige Anfrage geantwortet. Es hat hierüber vom General von Auersperg selbst Bericht verlangt. Die Antwort des Generals erklärt die Thatsachen für unwahr, (natürlich!) ihm (Auersperg) sei darüber weder Meldung noch Nachricht zugekommen, eine Untersuchung entbehre daher jeder Grundlage; das Gerücht (!) von der Ermordung von Studenten sei damals viel verbreitet worden, um Erbitterung gegen das Militär hervorzurufen. (Rechts: Hört! Hört! Links: Unruhe.)
Somit ist denn wieder eine Interpellation erledigt.
Zimmermann von Spandau verlangt, daß die Erklärung des Justizministers dem östreichischen Ausschuß zu klarerer Erörterung überwiesen werde. (Rechts Gelächter.) Meine Herren, dies Gelächter macht die Sache nicht klarer.
Präsident frägt, ob Zimmermanns Antrag unterstützt wird.
Fröbel (von der Tribüne) der Antrag sei wohl zu unterstützen, denn die Thatsache jener Grausamkeiten lasse sich nicht läugnen. Er habe sie von mindestens 10 und mehr glaubwürdigen Wiener Reichstagsdeputirten, welche einen der verstümmelten Studenten-Leichname gesehen. Ja ein Reichstagsdeputirter sei über den Anblick wahnsinnig geworden. (Unruhe.) Präsident unterbricht Fröbel, er habe nur Zimmermanns Antrag zu unterstützen. Die Versammlung unterstützt Zimmermanns Antrag und beschließt die Verweisung an den östreichischen Ausschuß.
Zimmermann protestirt gegen Abstimmung hierüber, die Verweisung verstehe sich von selbst.
Schwerin tadelt den Präsidenten, daß er Fröbel das Wort über die Sache selbst verstattet habe, und verlangt, daß er Neubauer aus Wien auch das Wort zur Widerlegung Fröbels verstatten wolle.
Neubauer: Man habe jene Studentenleichen im anatomischen Saale nach ihrem Tode absichtlich verstümmelt, und dann zur Erbitterung gegen das Militär herumgetragen. (Rechts Hört! Links Widerspruch) — Fröbel verbleibt bei seiner Meinung.
Tagesordnung 1/2 11 Uhr.
Vor der Abstimmung über § 19 „des Reichstags“ (den Wortlaut des §. 19 haben Sie in der letzten Sitzung) spricht Dahlmann als Berichterstatter für den Antrag des Verfassungsausschusses (der Majorität) und für das absolute Veto der Reichsgewalt mit wahrhaft triefender Salbung und unter der feierlichsten Erstarrung des ganzen Hauses. Die Gier, mit der man seine Worte einsaugt, ist so groß, daß selbst ein ganz unvorhergesehener Husten den Wuthschrei: „Ruhe!“ herbeiführt. Die Damen sind aufs Aeußerste gerührt. — Alle der Majorität des Ausschusses entgegenstehenden zahlreichen Amendements erklärt Dahlmann, ohne jemand beleidigen zu wollen, ganz kurz für „nichts werth.“ (Ungeheure Heiterkeit, Beifall.) Die Monarchie sei ohne Zweifel e[i]ne bessere Regierungsform als die Republik. Den Beweis dieses Satzes zu liefern, würde ihm wohl glücken, wenn hier der Ort dazu wäre. (Rechts Bravo — links Ausdruck des Zweifels!) Zur Aufrechthaltung einer starken Monarchie sei aber das absolute Veto ganz unerläßlich. — Eine Krone niederlegen, sei nichts so sehr Erhebliches, aber eine Krone retten, das sei etwas Großes, und das (mit Emphase die Tribüne schlagend) wollen wir thun. (Lautes Bravo unter dem ganzen Heereshaufen der Reaktion.)
Nach einer langen und breiten Debatte über die verwickelte Fragestellung der zahlreichen Amendements gelangt man (um 1/4 12 Uhr) zur Abstimmung.
1, Abstimmung durch Namensaufruf über den Eingang des §. 19 nach der Majorität des Ausschusses (Siehe frühere Sitzung) also über das absolute Veto. — Dasselbe wird mit 267 Stimmen gegen 207 verworfen.
Mit ja stimmten u. a. Beseler (Schleswig-Holstein), Reichensperger, Riesser, von Soiron, Leue (!), Welker, Wernher, v. Nierstein etc. — Mit nein Jordan von Berlin (!), Mevissen (Unterstaatssekretär), Schneer (der Geschäftsordnungsmann), Schwetschke (!), Sommaruga (!!!), Thinnes, Graf Wartensleben, Werner aus Coblenz, von Wydenbrugk, Wuttke, Rösler aus Wien (!), Kerst. Auf diese Abstimmung folgte große Aufregung und mehrfache Erklärungen, z. B. eine von Jahn, strotzend von Unsinn. Es sind in dieser Abstimmung viele Abgeordnete von der Rechten (besonders Oestreicher) ihrer Partei untreu geworden. — Die Partei Vinke-Radowitz-Bassermann verwahrt sich feierlich gegen die Folgen dieses Beschlusses.
von Trutzschlers Antrag (welcher gar kein Veto will) wird abgelehnt. (Nur die entschiedene Linke dafür.)
Nauwerks, Schulz von Darmstadt, Claussens Anträge werden verworfen. Ebenso ein Minoritäts-Erachten von Wigard, Mittermeier etc. (mit 276 gegen 196 Stimmen); Anträge von Heisterbergk (mit 269 gegen 195), von Maltzahn's (mit 277 gegen 186) ebenfalls verworfen.
Angenommen wurde endlich ein Antrag vom Staatssekretair Fallati (mit 274 Stimmen gegen 187) folgenden Inhalts, welcher also an die Stelle des Eingangs von §. 19 tritt. Er lautet:
„Ein Beschluß des Reichstags, welcher die Zustimmung des Reichsoberhauptes nicht erlangt hat, darf in derselben Sitzung nicht wiederholt werden. Ist ein Beschluß vom Reichstage in drei ordentlichen Sitzungen nach einander und nach abermaliger Erwägung unverändert gefaßt worden, so wird er zum Gesetze, auch wenn die Sanktion des Reichsoberhauptes nicht erfolgt, sobald der Reichstag sich schließt.“
Unter die Befugnisse des Reichstages (vorbehaltlich aller auf's Büdget bezüglichen Punkte) gehören Beschlüsse in folgenden Angelegenheiten:
1) Wenn es sich um die Erlassung, Auslegung, Aufhebung oder Abänderung von Reichsgesetzen handelt.
2) Wenn Landesfestungen zu Reichsfestungen erklärt werden.
3) Wenn Handels-, Schiffahrts-Verträge und Ablieferungs-Verträge mit dem Auslande geschlossen werden, sowie überhaupt völkerrechtliche Verträge, insofern sie das Reich belasten.
4) Wenn nichtdeutsche Länder oder Landestheile dem deutschen Zollgebiet angeschlossen, oder einzelne Orte oder Gebietstheile von der Zolllinie ausgeschlossen werden sollen.
5) Wenn deutsche Landestheile abgetreten, oder wenn nichtdeutsche Gebiete dem Reiche einverleibt oder auf andere Weise mit demselben verbunden werden sollen.
Mehrere andere Befugnisse die M. Mohl. Hehner und eine Minorität des Verfassungs-Ausschusses diesem Paragraphen beifügen wollten, wurde verworfen.
Hierauf führt die Tagesordnung zur zweiten Lesung der Grundrechte. §. 15 und 16. (über Glaubens- und Gewissensfreiheit) bleiben wie in der ersten Fassung.
§. 17. Ist verändert worden, und eine Menge Anträge dazu neu eingegeben. Auf die Diskussion wird gleichwohl verzichtet, aber namentliche Abstimmung für die alte Fassung durch Schmidt von Löwenberg vorbehalten. Der Wortlaut des §. in der definitiven Fassung lautet:
„Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. (Neu und mit sehr schwacher Majorität angenommen.)
„Keine Religionsgesellschaft genießt vor andern Vorrechte durch den Staat. (Mit 241 Stimmen gegen 194 wieder angenommen.)
„Es besteht fernerhin keine Staatskirche.
„Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden.
„Einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.“
§. 18. (Wie früher ohne Diskussion.)
„Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden.“
§. 19. Vom Eide.
Ein Amendement von Reichhard: Der Eid ist abgeschafft und es tritt an seine Stelle die feierliche Versicherung, wird mit großer Majorität verworfen. Rheinsteins Antrag: Die Form des Eides soll sein „ich schwöre!“ verworfen. Der §. lautet nach der modifizirten Fassung des Verfassungs-Ausschusses:
„Die Formel des Eides soll künftig lauten: „So wahr mir Gott helfe.“
§. 20. (Ohne Diskussion wie früher.)
Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilaktes abhängig. Die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civilaktes stattfinden. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. (Heiterkeit auf der Damentribüne unter Frankfurts Töchtern — aus Zion.)
§. 21. (Ohne Diskussion ebenso.)
„Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt.“
Somit wurde Artikel V. und mit ihm die heutige Sitzung geschlossen. (Um 3 Uhr.) Nächste Sitzung morgen.
Italien. * Turin, 9. Dezbr. Die Ministerkrisis ist noch immer nicht zu Ende. Es scheint gewiß, daß auch Hr. Givia, wie vor ihm Moffa de Lisio, dem Auftrage des Königs, ein neues Kabinet zu bilden, nicht entsprochen hat. Die „Concordia“ vom heutigen Tage bittet den König, auf keinen andern Rath, als auf den des Landes zu hören, welches ihm unablässig nur den Namen eines einzigen Mannes (Gioberti) zuruft, der allein fähig ist, Alles zu retten.
Französische Republik. 12 Paris, 14. Decbr. „Louis Napoleon Bonaparte wird zum Präsidenten, nicht durch Wahl sondern durch Akklamation ernannt,“ dies ist der ganze leitende Artikel der Presse, und zur Beweisführung folgen 6 ganze Colonnen, mit Ziffern und den Namen Napoleon und Cavaignac, zwischen denen die Namen Ledru-Rollin und Raspail durchlaufen.
In vielen Departements steht Ledru-Rollin zwischen Napoleon und Cavaignac. Dem Ledru-Rollin folgt zunächst Raspail: aber Lamartine, dieses Ideal der deutschen Bourgeoisie, nimmt selbst in den äußersten Enden der Departement's, in den Provinzen, wo die Bourgeoisie einige Aehnlichkeit noch haben möchte mit dem deutschen Spießbürgerthum; selbst in diesen Departements, sage ich, nimmt Lamartine die letzte, die unglücklichste Stelle ein; fast nirgends erhebt sich der Poet über die Einheit, und wenn er ja in die Zehnten hinnübergreift, so verschwindet auch diese Ziffer, vor den enormen Zahlen und Zahlenwerthen, die dem „Kaiser“ zufallen.
Napoleon überhüpfte die Zehnten, Hunderten, Tausenden, mit einer Leichtigkeit, die wohlthuend ist — für das Auge, für Herz und Gemüth. Die Journale sind wahre Tabellen geworden, und
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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