Neue Rheinische Zeitung. Nr. 167. Köln, 13. Dezember 1848.seitigen Einverständniß bleibend geordnet ist In diesem Sinne sind die entsprechenden Weisungen dem österreichischen Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt zur weiteren Mittheilung an dieselbe zugegangen. * Krasma, (in Mähren) 5. Dez. In einem Dorfe, nicht weit von hier, nahm die hiesige und die wallachisch-meseritscher Nationalgarde an 56 Husaren nebst 80 Pferden gefangen. Es gelang jedoch 24 Husaren zu entkommen. Sie gehörten sämmtlich zum Palatinal-Regimente, und sind aus Böhmen dersertirt, um in ihrem Vaterlande gegen die Horden des Absolutismus kämpfen zu helfen. Leobschütz, 6. Dezember. In Betreff der desertirten ungarischen Husaren geht uns die Nachricht zu, daß sie bis in die Gegend von Hultschin kamen, dort aber den 4. Dezember frühzeitig von Infanterie und Ulanen aus Ratibor gefangen genommen worden sind. Von Hotzenplotz an sollen sie überall die Hauptstraße vermieden und Seitenwege eingeschlagen, dabei sich aber überall sicherer Führer bedient haben, die sie mit 2 Dukaten belohnten. Es bestätigt sich auch, daß sie an allen Orten wo sie rasteten, Alles, was sie sich verabreichen ließen, auf Heller und Pfennig bezahlten. Hohenasberg, 4. Dezember. Soeben rollte vor unsern Blicken die wahrhaft jammervolle Scene einer Urtheilspublikation sich auf, die das Ergebniß einer 7 monatlichen Untersuchung gegen die noch inhaftirten Soldaten des 8. Regiments ausspricht. Der Eindruck des Vorgangs konnte für die Zuschauer nur derjenige eines verbissenen Ingrimms sein, mußte für die Verurtheilten aber zu dem eines Grolles sich steigern, wie er in einem Carre von starrenden Bajonetten irgend laut werden kann. Als man mit Schließenlassen dagegen drohte, hörten wir aus der Reihe der unglücklichen 25 jungen Männer rufen: "nicht schließen, nein, erschießen" -- und "stille, oder ich steche Sie nieder", antwortete ein anwesender Offizier (Major Bayha, vom 1. Regiment; Hauptmann Schwarz dagegen drohte mit Ohrfeigen!) Ein bis sechs Jahre Arbeitsstrafe wurde der Lohn für die gerechte Beschwerde der jungen Bürgersöhne, die sich in sklavischer Unterwerfung zu Polizeibütteln gegen Freiheit und zu Mördern ihrer Eltern und Geschwister nicht mehr gebrauchen lassen wollten; der Lohn für den kühnen Muth, eine Petition an das Kriegsministerium einzureichen. Französische Republik. 17 Paris, 10. Dez. Ein sehr entschiedenes für "Arbeiter" geschriebenes pariser Socialblatt "La Commune sociale" sagt in ihrer letzten Nummer unter anderm: "In Berlin dauert der Belagerungszustand immer fort, weil keiner von beiden Theilen losschlagen möchte. Uns scheint indessen, das berliner Volk sollte endlich diesem Trödeln ein Ende machen, und wählen zwischen Freiheit und Dienstbarkeit. Es sollte nicht vergessen, daß die Landesfürsten allemal die vom Volk verschleuderte Zögerungsfrist trefflich auszubeuten verstehen; wenn es einst siegt, möge es eingedenk sein des gewaltigen Zornwortes eines unserer berühmtesten Konventmänner: Könige muß man nicht richten, muß man einfach vom Leben zum Tode bringen." -- "Wir wollen die sociale Gleichheit als Zweck, und bedienen uns der politischen als Mittel. Das vom Berliner demokratischen Kongreß Ende Oktober erlassene Manifest, welches sich auf das im Februar bereits vor der Revolution, zu London deutsch gedruckte Manifest der kommunistischen Partei stützt, ist eins der vorgeschrittensten, die je irgendwo erschienen, und man sieht jetzt wie große Macht in Preußen und in Deutschland überhaupt, der Socialismus hat. Die Basis des Manifestes ist ganz kommunistisch, und die sich daraus ergebenden Folgerungen sind nothwendig die Anfänge des Kommunismus; wir wollen demnach mit Freuden es ganz und gar unterschreiben, zumal seine Verwirklichung nicht übermäßig schwierig ist. Die französischen und nicht französischen Kommunisten, sie sämmtlich wollen in der Uebergangsperiode den Staat an Stelle der Banquiers und der Kompagnien setzen. In dem wichtigen deutschen Manifeste ist der Müßiggang verdammt; die vielbelobten Prämien, Renten, Zinsen und Privilegien, die das Kapital sich anmaßt, sind als ein Raub gegen die Arbeit getadelt und abgeschafft. Bei uns und überall stehen die Arbeiter auf der Stufe des dritten Standes vor 1789, sie sind nichts und produciren alles. Dieser Unfug, dieser Hohn der Vernunft muß enden. Auch die achtundvierziger Revolution, gleich der neunundachtziger, wird ihre Nacht vom vierten August feiern, wo die letzte Wurzelfaser der schändlichen Ausbeutung eines Menschen durch den andern ausgereutet werden wird; dann erst haben wir gesellschaftliche Gleichheit, wie unsere Väter politische errangen. Wir rufen die Aufmerksamkeit aller unserer Freunde auf dies deutsche Kongreßmanifest, welches jedenfalls der Ausfluß lange vorher durchgearbeiteter und in die Gemüther eingedrungener Maximen ist; wir empfehlen es angelegentlichst dem ernsten Nachdenken derer, die nicht verstehen wollen, daß tief im Grunde der Revolution die unendlich umfangsreiche Frage des Wohlseins ruht. Während bei uns die Revolution stille hält, sogar einer Reaktion unterliegt, wandelt sie jenseits des Rheins im Riesenschritt." Folgen die verschiedenen Paragraphen, wie sie vor einigen Wochen bereits in allen pariser und departementalen Journalen erschienen, sogar im "Constitutionnel" und "Journal des Debats" erstrer seufzte: "da sähe man, wie weit hegelsche und atheistische Doktrinen führten, wenn sie einmal das ihnen speziell zugehörige Feld der abstrakten Metaphysik verließen." Ledru-Rollin, der auf dem Bankett im Chateau rouge so beredt dem Angedenken R. Blum's huldigte, erhielt ein Bild des "von Windischgrätz geopferten großen Patrioten" wie La Reforme sich ausdrückt, nebst einem Briefe des deutschen Künstlers. Die Niederträchtigkeit der Reaktionspartei steigt jetzt so hoch, daß sie mit Umgehung des Gesetzes mit den Linienoffizieren wegen social-demokratischer Ueberzeugung Händel sucht; z. B. der Kriegsminister Lamoriciere, einst ein eifriger Besucher der saintsimonistischen Vorlesungen, hat so eben den Lieutenant Bouland vom 55. Regiment aufs empörendste behandelt, bloß weil dieser zum s. g. Nationalkongreß der Demokraten als Mitglied in Paris bleiben wollte. Der Minister jagte ihn kurzweg nach seinem Garnisonstädtchen zurück, obschon der Oberst dem jungen Offizier ein gutes Zeugniß und die Erlaubniß, dem Congreß beizuwohnen, ausgestellt hatte. In einer erbaulichen Audienz erklärte Lamoriciere ihm, die am Congreß theilnehmenden Deputirten der äußersten Linken wären Leute, gegen die "wohl nächstens auf den Straßen von Paris mit Flintenschüssen von der Regierung verfahren werden dürfte;" womit das Gerücht zusammenhängt von der durch die Minister Dufaure und Lomoriciere beabsichtigten Provocirung eines Krawalls, der schon gestern in der Kammer als "eine rothe, kommunistische Emeute gegen die mit allergrößter Strenge aufzutreten," pränumerando angezeigt ward. Der Lieutenant berief sich auf die Konstitutionsrechte, die jedem Franzosen die Associationsfreiheit sichern; vergebens; er sagte zuletzt dem afrikanischen Despoten herb die Wahrheit und drohte mit Interpelliren in der Kammer. "Die Jammer wird zur Tagesordnung gehen, ich hab's so schon oft mit Offizieren wegen Politik gemacht," lächelte der Minister. "So werde ich beim Chef der Exekutive mich beschweren." -- "Gut, soviel Sie wollen, aber nur in der hierarchischen Subordinationsreihe; wo nicht, so gibt's vier Tage Arrest." Das sind die Februarerrungenschaften! Das Blatt der Börsenfürsten, Journal des Debats, ruft heute, nachdem es die halb väterliche, halb korporalartige Proklamation Cavaignacs die gestern Abends spät an den Ecken erschien und ruhigen Respekt vor dem Wahlresultat fordert, gepriesen: "Geworfen ist der Würfel, jacta alea est, sprach einer der Prätendenten des Präsidentensessels; Hr. Lamartine war wohl etwas entmuthigt, als er sprach. Die Spaltung im Heerlager der Sozial-Demokraten ist immer größer geworden, sie haben jetzt nicht Ledru-Rollin allein, sondern auch Raspail als Bewerber; so kann Jeder hübsch nach seinem speziellen Temperament votiren, was sehr angenehm ist." La Reforme, das offizielle Blatt des Berges, bringt folgendes: "Stimmt für Ledru-Rollin, Bürger, bewahrt das französische Blut für den Kampf mit den Feinden Frankreichs, die auch die des Menschengeschlechts sind. -- Stimmt wie Ein Mann, wiederholt das große Vereinigungswort unserer Väter in der Revolution des letzten Jahrhunderts: das Vaterland ist in Gefahr! -- Wir verachten alle tückische Herausforderung zu brutalem Bürgerkriege. Es lebe hoch die demokratischsociale Republik! A. Marcellin, Lorreze, A. Boyer, Gosset, Tamar, Arbeiter. Daneben auf derselben Mauer klebte folgendes: "Die Politik des Volkes. Der Centralrath an die demokratisch-sozialen Wähler. Bürger, stimmt für Raspail. Wir sind nicht Kaiserliche noch Königliche, und nicht Agenten des Bürgerkriegs, noch zu Umtrieben besoldet, daher stimmen wir nicht für Bonaparte. Wir sind nicht konservative Republikaner, daher stimmen wir nicht für Cavaignac. Wir sind nicht Verehrer der unfruchtbaren, hohlen revolutionären Bewegung, daher stimmen wir nicht für Ledru-Rollin. Wir sind Sozialreformer, daher stimmen wir für Raspail. -- Wahrscheinlich werden zwei große von Ehrsucht geplagte Fraktionen sich nächstens mit der Waffe in der Faust befehden; der Patron aller Despoten, Bonaparte, und der Mann der engherzigen Bourgeoisrepublik, Cavaignac. Wir wissen, daß wir vor jetzt nur protestiren können. Bürger Sozialreformer, laßt jene Beiden ihren gottlosen Kampf durchfechten; mengt euch nicht hinein; möge auf sie beide das Blut fallen und die Schmach. Aber steht rastlos auf der Wacht, daß Niemand Hand lege an unsern heiligen Hort, die Republik; haltet euer scharfes Schwert bereit, und zaudert nicht, diejenigen unerbittlich zu schlagen, die es wagen sollten. -- Alton Shee, Expair; Genillier, Professor der Mathematik; Pardigon." Cavaignac ist völlig der Vasall der Börsen- und Bankbourgeoisie geworden; faktisch ist, daß seit Wochen bereits Bestellungen in Manufakturen und im Handel mit der Klausel "für den Fall der Nichtwahl des Generals -- ungültig" gemacht wurden. Die Holzköpfe bilden sich steif ein, mit seiner Präsidentur werde jeder Sozialist in die Erde kriechen, folglich Kredit und Schacher wieder auf Erden erscheinen. Die Tuchfabrikanten von Paris haben ihm dies durch eine feierliche Deputation kund gethan, und in allen Zeitungen und in Privatcirkularen sich an ihre Provinzialgeschäftsbrüder gewandt, so daß er in den Fabrikdistrikten auf ziemlich viele Stimmen rechnen darf. Die Wuth der Adelsklique gegen Alton Shee, den ehemaligen Pair der die Barrikade am Palais royal im Februar so tapfer vertheidigen half, schnappt ins groteske über; die Lions und Volksfeinde vom "Corsaire" beehren ihn heute mit folgenden Insulten: "Er nennt sich in den Manifesten seiner Partei einen Theiler (partageux, der bekannte Spottname, der den Sozialreformern im Bauerndialekt gegeben wird) aber der Herr Exgraf irrt wohl; er ist eher ein Accapareur, der seine alten Ehrentitel abwirft, anspeit, mit Füßen tritt, in der Weinjauche der Barrierekneipen herumschleift und somit sich bei den sogenannten reinen Socialisten ein Hurrah erschleicht. Und wäre er ein echter Theiler, bei Gott, er theilte seine zwölftausend Franken Einkommen, die ihm ein unter Napoleon geschaffnes Majorat einbringt." Der altgallische Witz schmettert "wie die Lerche" im Charivari mitten durch das wüste Getümmel; der langweiligste und dürrste aller Philister, der General Cavaignac, wird aufs ergötzlichste als vollendeter Chemiker dargestellt, der eine Sauce erfunden, durch die ein weißes Votivblatt nach 48 Stunden im Kasten grün, roth, blau u. s. w. wird, wodurch die scheinbar weißen Zettel Bonaparte's ungültig gemacht würden; Girardin habe diese Unthat entdeckt und Girardin verstehe sich auf dererlei. Es kursiren einige treffliche Karrikaturen: ein Pyrenäenbär tritt düstern Gesichts vor den Stimmkasten und brüllt dem entsetzten Skrutinirer zu: ich als Montagnard (vom Berge) stimme für Ledru-Rollin." Eine andre: Ledru-Rollin steht in schwindelnder Höhe auf einem Gebirge und tief unten ein Bauer in Holzschuhen, Blouse und Zipfelmütze (der nationalen Bauerntracht), der ruft: "Zum Teufel, Herr, ich habe gestimmt und nicht für Sie, ich sehe Sie jetzt erst, warum stehen Sie so verdammt hoch?" Eine andre: ein neugebornes Kind, ganz mit Hautmälern bedeckt, welche Freiheitsmützen, Napoleonshüte, Bergspitzen, Kamphercigarros (a la Raspail) u. s. w. vorstellen; die Hebamme erklärt dies Monstrum dem erschreckten Bourgeois dadurch, daß seine Gemahlin heftige Lust zu votiren gehabt habe. Ueberhaupt ist für Erschütterung des Zwerchfells glücklich durch gewisse Fratzen hier gesorgt: "giebt es etwas burleskeres ("Citoyen" von Dijon) als diesen Bonaparte, für den kein Mensch mehr Sympathie haben kann, wenn er nicht total unwissend, oder so in materielles Elend versunken ist, daß er napoleonische Dukaten annimmt. Das köstlichste aber ist, daß wir diese unsere Worte bereits in Girardin's Blatt vom August 1840 vorfinden, welches ihn jetzt so feurig vertheidigt." Bonaparte "der Kleine" ist Autor des Büchleins: "Vertilgung des Pauperismus." "Nicht übel, Bonaparte der Große hat 20 Jahre vergeblich darüber studirt; der Neffe hat's gelöst. Er sieht die Misere des Landmanns in den kleinen Grundstücken, und will in jeder Gemeinde durch je 10 Arbeiter einen Geschäftsführer, von je 10 Geschäftsführern einen Direktor, für je 10 Direktoren einen Gouverneur ernannt wissen; Unteroffiziers-Hauptmanns-Oberstenrang; die Arbeiter sind einfache Soldaten. Ihnen gibt der Staat 6,127,000 Hectars jetzt unbebauten Landes; sind zu viele Arbeiter in den Industrieen, oder zu wenige, so schickt man sie in diese Militärkolonien oder ruft sie von daher; die Geschäftsführer, in Verbindung mit den Gemeindevorstehern, besorgen diesen Wechselzug von Arbeitern zwischen Land und Fabrik. Die Kolonisten wohnen ärmlich, hart, einfach, aber gesund, und Sold, Kleidung u. s. w. sind militärisch und halten sich am streng Nothwendigen; die Hütten bestehen aus Lehm und Stroh, (also ein verteufelt spartanischer Bursche dieser Prinz Bonaparte!), und das alles kostet jährlich 160 Millionen dem Staate. Also Ihr wollt kein Phalanster? schön, hier kriegt ihr Hütten von Erde. Ihr wollt L. Blanc's sanftmüthiges System nicht? schön, hier kommt der Prinz mit dem Ladestocke. Eure Jungens werden Trommler und Pfeifer, Eure Damen werden Marketenderinnen, Eure Demoisellen laufen den Rekruten nach. Famos! Ihr schreit über Soldatendienst: dann seid Ihr darin bis an Euern Tod." 12 Paris, 10. Dez. Wir haben es gesagt: die Präsidentenwahl ist das Gruppiren der Parteien unter Einem Namen, das Aneinanderreihen von Gleichgesinnten und Gesinnungslosen unter Einer Parole: Die Aufstellung der Gruppen und Truppen in Schlachtordnung. Ihr, die Ihr für Cavaignac oder Napoleon stimmt, stellt Euch diese Seite, Ihr Andern, die Ihr für den Hunger stimmt, auf jene. Der Sieg gehört dem Stärkern. Lassen wir für einen Augenblick Cavaignac und Napoleon, um auf die Hungerseite, die Seite der Arbeit und der Unterdrückung zu schauen, die jetzt sich mit fürchterlichem Getöse vernehmen läßt. In allen Quartiers bilden sich wieder die seit Juni verschwundenen Zusammenrottungen von Tausenden von Blousenmännern; die Blouse ist wieder herrschend geworden; die Blouse, die im Juni massakrirt oder in dumpfe Kellerraume eingesperrt wurde, tritt wieder triumphirend an's Tageslicht, und der furchtsame Krämer, ob Bonapartist ob Cavaignacist, schließt seine Bude und löscht das Gaslicht aus. Geht nur in die Klubs der Faubourgs hin, z. B. im Faubourg Maubert, wo der Arbeiter vor einigen Monaten noch sich und sein Elend und seine ausgehungerte Familie verbergen mußte, und seht wie die Juni-Insurrektion hier siegreich das Haupt erhebt. "Ihr sprecht von Rollin oder Raspail? Wir wollen gar keinen Präsidenten! Haben wir nicht noch nach dem Skeutinium uns zu vereinigen, um eine ganz andere Schlacht zu kämpfen?" Blanqui, Barbes, Sobrier, Alles tritt in den Hintergrund; heute ist das Volk souverän und jeder Arbeiter mit dem bleichen Gesichte ist Mitglied des souveränen Volkes. Die schönen französischen Köpfe drängen sich in schwarzen Massen zusammen. Wo nur Polizeikommissare in den Klubs sich blicken lassen, werden sie gewaltsam herausgetrieben, und die Mobilgardisten stehen das Mitleid der Juni-Insurgenten an. Im Klub der Redoute tritt der Redner Barnabes Chauvelot auf und spricht den Dolch heilig, der die römischen Lande von dem imfamen Rossi befreit hat. Mobilgardisten und Liniensoldaten kommen ungeachtet aller Befehle in diese Klubs, um mit dem Volke zu fraternisiren. Marrast, Mole, Thiers -- alle werden mit der ihnen gebührenden Verachtung behandelte, Mole, Thiers und Bugeaud, die jetzt die Hand desjenigen küssen, den sie vor Kurzem noch mit dem größten Hohne abwiesen! Von Zeit zu Zeit lassen Letztere ihre Klagen ertönen über das gänzliche Verschwinden der "moralischen Kraft." Als nach Besiegung der letzten Aufstände im Jahre 1834 und 1839 die Macht Louis Philipps so fest da stand, daß man auf jeden Versuch zur Umwälzung mit Lächeln herabsah, da war die "moralische Kraft" recht in ihrer Blüthe. Man dachte gar nicht mehr an die Bajonnette Bugeauds und anderer Generäle, welche dieses statu quo durch Niedermetzeln der Arbeiter begründet hatten, und man brauchte nur noch den Abdruck von Bajonnetten, gemahlten Gewehren und Flinten von Zeit zu Zeit in den Städten und Wachtposten auszuhängen und das statu quo aufrecht zu halten. Kam ja ein revolutionärer Wind, so mahlte man einige Flinten dazu, und Alles war abgemacht. Diese gemahlten Flinten -- das war die moralische Kraft, das Statu quo und mit dieser Waffe war es auch, womit man Louis Napoleon "abdeckelte," das heißt ihm den kaiserlichen Hut abschlug. Dieser kaiserliche Hut wird nun von eben den Männern, die ihn früher abschlugen, aufgehoben, als letzte Stütze und man kann sich denken, mit welcher Verachtung die französischen Proletarier, die das französische Blut und den französischen Witz gerettet haben, auf sie herabblicken müssen. In dem Mont-Parnasse spricht man gerade zu von der Vernichtung dieser elenden Clique. Felix Pyat trägt darauf, daß den Armen wiedergegeben werde, was diese unverschämten Herrn des Privilegs ihnen geraubt hätten; Langlois trägt vor, daß die Transportirten und Gefangenen von Vincennes sich wohl um's Vaterland verdient gemacht hätten: Alles deutet darauf hin, daß der Sturz derjenigen Republick, welche nach dem Ausdrucke Pyat's wechselweise eine Polizei-Mütze und eine Schlafmütze auf dem Kopfe trägt, vor der Thüre steht. Auf dem Platze Maubert versammeln sich alle Abende über 10,000 Arbeiter und rufen: Tod der Mobilgarde, Tod den Henkern Cavaignac's. Unter diesen 10,000 befinden sich dis Weiber und Kinder der 10,000 Juni-Besiegten, die in den Cassematten schmachten, und schreien um Rache. Auf dem Platze Vendome, wo Louis-Napoleon wohnt, versammeln sich die Napoleoniten und hier darf der Name Cavaignacs nicht genannt werden. "Bürger, ruft Bernard, in dem Club Batignolles aus, schwere Begebenheiten stehen uns bevor: seid auf Alles gefaßt: und wenn ja Napoleon oder Bonaparte zum Präsidenten ernannt wird, so haltet Eure Dolche in Bereitschaft, denn wir könnten ihrer bedürfen zur Befreiung von einem Tyrannen! Und denn denkt an Eins: wir haben es mit keiner Candidatur zu thun: für uns handelt es sich darum, die gestohlenen Millionen den goldenen Kälbern und ihren Verehrern zu entreißen!" Die Regierung schickt in allen Departements Bulletins mit dem Namen Cavaignac herum, die an den Rändern mit Kronen und Blumen eingefaßt sind. Es mag dies eine jener geistreichen Erfindungen des jetzigen Staatssekretairs und ehemaligen Buchhändlers Hetzels sein; aber es ist dieses so fehl gegriffen, daß selbst der konservative Korrespondent der belgischen Independance diese Maßregel mißbilligt. Cavaignac, ruft Bernard aus, verdient noch eher Kaiser zu sein, als Napoleon; denn Napoleon, der wirkliche Kaiser Napoleon, hat höchstens einige Dutzend Patrioten auf den Stufen der Kirche St. Roch niederschießen lassen, während Cavaignac tausende mit seinen Kartätschen gemordet hat. Dies ist die Stimmung in Paris. Die Arbeiter sind wieder zu Tausenden aus ihren Häusern in die Straße hinabgestiegen. -- -- Paris, 10. Dez. Die Boulevards, der Vendomeplatz, die Eingänge zu den Sektionsurnen und die breitesten Straßen der ganzen Stadt bieten heute das Bild eines Jahrmarktes dar. Die Punkte, auf denen es am lebhaftesten hergeht, sind immer noch der kaiserliche Palast auf dem Vendomeplatze; die Triumphbogen von St. Denis und Martin, so wie die Viertel von St. Jacques und Marcel. In St. Marcel und St. Jacques wollte das Volk den Sturm gegen die Mobilgarde erneuern. Allein Lamoriciere roch den Verrath und verlegte gestern Abend 5 Uhr das 8. Bataillon der Mobilgarde, das gänzlich vernichtet werden sollte, in ein anderes Stadtviertel, nämlich in die Kasernen von Petits-Pures. In Folge dieses Manövers erscheint auch der berüchtigte Maubertusplatz ruhig und auch in jenem ewig revolutionären Viertel dürfte der heute begonnene Wahlakt ohne Blutvergießen vorüber gehen. -- Obgleich heute keine öffentliche Sitzung, so sind doch die Konferenzsääle der Nationalversammlung voll Repräsentanten, die sich namentlich über den Tag und die Proklamation der neuen Präsidenten besprechen. Wie es scheint, will man die Stimmzählung von Algerien und Korsika nicht abwarten, so daß wir noch vor dem 20. d. M. das Resultat kennen werden. -- In Lyon scheint außer der Präsidentenkomödie noch ein anderes Element eine große Gährung unter dem dasigen Proletariat hervorgerufen zu haben. Große Agitation herrscht in dem gefürchteten Viertel der Fabriken und Watiers von Croix-Rousse. Weiber und Kinder steckten am 8. Dezember mehrere Baugerüste in Brand und die Lyoner Journale ("Salut public", ein konservatives Blatt) überraschten uns heute mit folgender Proklamation an die Arbeiter: Proklamation des Maire's von Croix-Rousse in Lyon an die Arbeiter! Bürger! Die Gemeindeverwaltung empfindet sehr tief die allgemeine Aufregung, welche die Nachricht unter Euch hervorgerufen hat, daß die alten Festungsbastionen wieder aufgebaut werden sollen. Sie hat einen Ausschuß zu den betreffenden Behörden gesandt, um ihnen Eure Beunruhigungen mitzutheilen. Der Ausschuß hat die Versicherung erhalten, daß seine Reklamationen unverzüglich an die Exekutivgewalt in Paris berichtet werden sollen. Hoffet und bleibet ruhig. Lyon, 8. December 1848. (gez.) Rejanin, Maire. -- Cavaignac richtete gestern Abend eine lange Proklamation an die Pariser, aus der wir folgende Stellen entnehmen: "Bürger! Morgen ist Jeder von Euch zur Erfüllung des feierlichsten Akts seitigen Einverständniß bleibend geordnet ist In diesem Sinne sind die entsprechenden Weisungen dem österreichischen Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt zur weiteren Mittheilung an dieselbe zugegangen. * Krasma, (in Mähren) 5. Dez. In einem Dorfe, nicht weit von hier, nahm die hiesige und die wallachisch-meseritscher Nationalgarde an 56 Husaren nebst 80 Pferden gefangen. Es gelang jedoch 24 Husaren zu entkommen. Sie gehörten sämmtlich zum Palatinal-Regimente, und sind aus Böhmen dersertirt, um in ihrem Vaterlande gegen die Horden des Absolutismus kämpfen zu helfen. Leobschütz, 6. Dezember. In Betreff der desertirten ungarischen Husaren geht uns die Nachricht zu, daß sie bis in die Gegend von Hultschin kamen, dort aber den 4. Dezember frühzeitig von Infanterie und Ulanen aus Ratibor gefangen genommen worden sind. Von Hotzenplotz an sollen sie überall die Hauptstraße vermieden und Seitenwege eingeschlagen, dabei sich aber überall sicherer Führer bedient haben, die sie mit 2 Dukaten belohnten. Es bestätigt sich auch, daß sie an allen Orten wo sie rasteten, Alles, was sie sich verabreichen ließen, auf Heller und Pfennig bezahlten. Hohenasberg, 4. Dezember. Soeben rollte vor unsern Blicken die wahrhaft jammervolle Scene einer Urtheilspublikation sich auf, die das Ergebniß einer 7 monatlichen Untersuchung gegen die noch inhaftirten Soldaten des 8. Regiments ausspricht. Der Eindruck des Vorgangs konnte für die Zuschauer nur derjenige eines verbissenen Ingrimms sein, mußte für die Verurtheilten aber zu dem eines Grolles sich steigern, wie er in einem Carré von starrenden Bajonetten irgend laut werden kann. Als man mit Schließenlassen dagegen drohte, hörten wir aus der Reihe der unglücklichen 25 jungen Männer rufen: „nicht schließen, nein, erschießen“ — und „stille, oder ich steche Sie nieder“, antwortete ein anwesender Offizier (Major Bayha, vom 1. Regiment; Hauptmann Schwarz dagegen drohte mit Ohrfeigen!) Ein bis sechs Jahre Arbeitsstrafe wurde der Lohn für die gerechte Beschwerde der jungen Bürgersöhne, die sich in sklavischer Unterwerfung zu Polizeibütteln gegen Freiheit und zu Mördern ihrer Eltern und Geschwister nicht mehr gebrauchen lassen wollten; der Lohn für den kühnen Muth, eine Petition an das Kriegsministerium einzureichen. Französische Republik. 17 Paris, 10. Dez. Ein sehr entschiedenes für „Arbeiter“ geschriebenes pariser Socialblatt „La Commune sociale“ sagt in ihrer letzten Nummer unter anderm: „In Berlin dauert der Belagerungszustand immer fort, weil keiner von beiden Theilen losschlagen möchte. Uns scheint indessen, das berliner Volk sollte endlich diesem Trödeln ein Ende machen, und wählen zwischen Freiheit und Dienstbarkeit. Es sollte nicht vergessen, daß die Landesfürsten allemal die vom Volk verschleuderte Zögerungsfrist trefflich auszubeuten verstehen; wenn es einst siegt, möge es eingedenk sein des gewaltigen Zornwortes eines unserer berühmtesten Konventmänner: Könige muß man nicht richten, muß man einfach vom Leben zum Tode bringen.“ — „Wir wollen die sociale Gleichheit als Zweck, und bedienen uns der politischen als Mittel. Das vom Berliner demokratischen Kongreß Ende Oktober erlassene Manifest, welches sich auf das im Februar bereits vor der Revolution, zu London deutsch gedruckte Manifest der kommunistischen Partei stützt, ist eins der vorgeschrittensten, die je irgendwo erschienen, und man sieht jetzt wie große Macht in Preußen und in Deutschland überhaupt, der Socialismus hat. Die Basis des Manifestes ist ganz kommunistisch, und die sich daraus ergebenden Folgerungen sind nothwendig die Anfänge des Kommunismus; wir wollen demnach mit Freuden es ganz und gar unterschreiben, zumal seine Verwirklichung nicht übermäßig schwierig ist. Die französischen und nicht französischen Kommunisten, sie sämmtlich wollen in der Uebergangsperiode den Staat an Stelle der Banquiers und der Kompagnien setzen. In dem wichtigen deutschen Manifeste ist der Müßiggang verdammt; die vielbelobten Prämien, Renten, Zinsen und Privilegien, die das Kapital sich anmaßt, sind als ein Raub gegen die Arbeit getadelt und abgeschafft. Bei uns und überall stehen die Arbeiter auf der Stufe des dritten Standes vor 1789, sie sind nichts und produciren alles. Dieser Unfug, dieser Hohn der Vernunft muß enden. Auch die achtundvierziger Revolution, gleich der neunundachtziger, wird ihre Nacht vom vierten August feiern, wo die letzte Wurzelfaser der schändlichen Ausbeutung eines Menschen durch den andern ausgereutet werden wird; dann erst haben wir gesellschaftliche Gleichheit, wie unsere Väter politische errangen. Wir rufen die Aufmerksamkeit aller unserer Freunde auf dies deutsche Kongreßmanifest, welches jedenfalls der Ausfluß lange vorher durchgearbeiteter und in die Gemüther eingedrungener Maximen ist; wir empfehlen es angelegentlichst dem ernsten Nachdenken derer, die nicht verstehen wollen, daß tief im Grunde der Revolution die unendlich umfangsreiche Frage des Wohlseins ruht. Während bei uns die Revolution stille hält, sogar einer Reaktion unterliegt, wandelt sie jenseits des Rheins im Riesenschritt.“ Folgen die verschiedenen Paragraphen, wie sie vor einigen Wochen bereits in allen pariser und departementalen Journalen erschienen, sogar im „Constitutionnel“ und „Journal des Debats“ erstrer seufzte: „da sähe man, wie weit hegelsche und atheistische Doktrinen führten, wenn sie einmal das ihnen speziell zugehörige Feld der abstrakten Metaphysik verließen.“ Ledru-Rollin, der auf dem Bankett im Chateau rouge so beredt dem Angedenken R. Blum's huldigte, erhielt ein Bild des „von Windischgrätz geopferten großen Patrioten“ wie La Reforme sich ausdrückt, nebst einem Briefe des deutschen Künstlers. Die Niederträchtigkeit der Reaktionspartei steigt jetzt so hoch, daß sie mit Umgehung des Gesetzes mit den Linienoffizieren wegen social-demokratischer Ueberzeugung Händel sucht; z. B. der Kriegsminister Lamoriciere, einst ein eifriger Besucher der saintsimonistischen Vorlesungen, hat so eben den Lieutenant Bouland vom 55. Regiment aufs empörendste behandelt, bloß weil dieser zum s. g. Nationalkongreß der Demokraten als Mitglied in Paris bleiben wollte. Der Minister jagte ihn kurzweg nach seinem Garnisonstädtchen zurück, obschon der Oberst dem jungen Offizier ein gutes Zeugniß und die Erlaubniß, dem Congreß beizuwohnen, ausgestellt hatte. In einer erbaulichen Audienz erklärte Lamoriciere ihm, die am Congreß theilnehmenden Deputirten der äußersten Linken wären Leute, gegen die „wohl nächstens auf den Straßen von Paris mit Flintenschüssen von der Regierung verfahren werden dürfte;“ womit das Gerücht zusammenhängt von der durch die Minister Dufaure und Lomoriciere beabsichtigten Provocirung eines Krawalls, der schon gestern in der Kammer als „eine rothe, kommunistische Emeute gegen die mit allergrößter Strenge aufzutreten,“ pränumerando angezeigt ward. Der Lieutenant berief sich auf die Konstitutionsrechte, die jedem Franzosen die Associationsfreiheit sichern; vergebens; er sagte zuletzt dem afrikanischen Despoten herb die Wahrheit und drohte mit Interpelliren in der Kammer. „Die Jammer wird zur Tagesordnung gehen, ich hab's so schon oft mit Offizieren wegen Politik gemacht,“ lächelte der Minister. „So werde ich beim Chef der Exekutive mich beschweren.“ — „Gut, soviel Sie wollen, aber nur in der hierarchischen Subordinationsreihe; wo nicht, so gibt's vier Tage Arrest.“ Das sind die Februarerrungenschaften! Das Blatt der Börsenfürsten, Journal des Debats, ruft heute, nachdem es die halb väterliche, halb korporalartige Proklamation Cavaignacs die gestern Abends spät an den Ecken erschien und ruhigen Respekt vor dem Wahlresultat fordert, gepriesen: „Geworfen ist der Würfel, jacta alea est, sprach einer der Prätendenten des Präsidentensessels; Hr. Lamartine war wohl etwas entmuthigt, als er sprach. Die Spaltung im Heerlager der Sozial-Demokraten ist immer größer geworden, sie haben jetzt nicht Ledru-Rollin allein, sondern auch Raspail als Bewerber; so kann Jeder hübsch nach seinem speziellen Temperament votiren, was sehr angenehm ist.“ La Reforme, das offizielle Blatt des Berges, bringt folgendes: „Stimmt für Ledru-Rollin, Bürger, bewahrt das französische Blut für den Kampf mit den Feinden Frankreichs, die auch die des Menschengeschlechts sind. — Stimmt wie Ein Mann, wiederholt das große Vereinigungswort unserer Väter in der Revolution des letzten Jahrhunderts: das Vaterland ist in Gefahr! — Wir verachten alle tückische Herausforderung zu brutalem Bürgerkriege. Es lebe hoch die demokratischsociale Republik! A. Marcellin, Lorreze, A. Boyer, Gosset, Tamar, Arbeiter. Daneben auf derselben Mauer klebte folgendes: „Die Politik des Volkes. Der Centralrath an die demokratisch-sozialen Wähler. Bürger, stimmt für Raspail. Wir sind nicht Kaiserliche noch Königliche, und nicht Agenten des Bürgerkriegs, noch zu Umtrieben besoldet, daher stimmen wir nicht für Bonaparte. Wir sind nicht konservative Republikaner, daher stimmen wir nicht für Cavaignac. Wir sind nicht Verehrer der unfruchtbaren, hohlen revolutionären Bewegung, daher stimmen wir nicht für Ledru-Rollin. Wir sind Sozialreformer, daher stimmen wir für Raspail. — Wahrscheinlich werden zwei große von Ehrsucht geplagte Fraktionen sich nächstens mit der Waffe in der Faust befehden; der Patron aller Despoten, Bonaparte, und der Mann der engherzigen Bourgeoisrepublik, Cavaignac. Wir wissen, daß wir vor jetzt nur protestiren können. Bürger Sozialreformer, laßt jene Beiden ihren gottlosen Kampf durchfechten; mengt euch nicht hinein; möge auf sie beide das Blut fallen und die Schmach. Aber steht rastlos auf der Wacht, daß Niemand Hand lege an unsern heiligen Hort, die Republik; haltet euer scharfes Schwert bereit, und zaudert nicht, diejenigen unerbittlich zu schlagen, die es wagen sollten. — Alton Shee, Expair; Genillier, Professor der Mathematik; Pardigon.“ Cavaignac ist völlig der Vasall der Börsen- und Bankbourgeoisie geworden; faktisch ist, daß seit Wochen bereits Bestellungen in Manufakturen und im Handel mit der Klausel „für den Fall der Nichtwahl des Generals — ungültig“ gemacht wurden. Die Holzköpfe bilden sich steif ein, mit seiner Präsidentur werde jeder Sozialist in die Erde kriechen, folglich Kredit und Schacher wieder auf Erden erscheinen. Die Tuchfabrikanten von Paris haben ihm dies durch eine feierliche Deputation kund gethan, und in allen Zeitungen und in Privatcirkularen sich an ihre Provinzialgeschäftsbrüder gewandt, so daß er in den Fabrikdistrikten auf ziemlich viele Stimmen rechnen darf. Die Wuth der Adelsklique gegen Alton Shee, den ehemaligen Pair der die Barrikade am Palais royal im Februar so tapfer vertheidigen half, schnappt ins groteske über; die Lions und Volksfeinde vom „Corsaire“ beehren ihn heute mit folgenden Insulten: „Er nennt sich in den Manifesten seiner Partei einen Theiler (partageux, der bekannte Spottname, der den Sozialreformern im Bauerndialekt gegeben wird) aber der Herr Exgraf irrt wohl; er ist eher ein Accapareur, der seine alten Ehrentitel abwirft, anspeit, mit Füßen tritt, in der Weinjauche der Barrierekneipen herumschleift und somit sich bei den sogenannten reinen Socialisten ein Hurrah erschleicht. Und wäre er ein echter Theiler, bei Gott, er theilte seine zwölftausend Franken Einkommen, die ihm ein unter Napoleon geschaffnes Majorat einbringt.“ Der altgallische Witz schmettert „wie die Lerche“ im Charivari mitten durch das wüste Getümmel; der langweiligste und dürrste aller Philister, der General Cavaignac, wird aufs ergötzlichste als vollendeter Chemiker dargestellt, der eine Sauce erfunden, durch die ein weißes Votivblatt nach 48 Stunden im Kasten grün, roth, blau u. s. w. wird, wodurch die scheinbar weißen Zettel Bonaparte's ungültig gemacht würden; Girardin habe diese Unthat entdeckt und Girardin verstehe sich auf dererlei. Es kursiren einige treffliche Karrikaturen: ein Pyrenäenbär tritt düstern Gesichts vor den Stimmkasten und brüllt dem entsetzten Skrutinirer zu: ich als Montagnard (vom Berge) stimme für Ledru-Rollin.“ Eine andre: Ledru-Rollin steht in schwindelnder Höhe auf einem Gebirge und tief unten ein Bauer in Holzschuhen, Blouse und Zipfelmütze (der nationalen Bauerntracht), der ruft: „Zum Teufel, Herr, ich habe gestimmt und nicht für Sie, ich sehe Sie jetzt erst, warum stehen Sie so verdammt hoch?“ Eine andre: ein neugebornes Kind, ganz mit Hautmälern bedeckt, welche Freiheitsmützen, Napoleonshüte, Bergspitzen, Kamphercigarros (à la Raspail) u. s. w. vorstellen; die Hebamme erklärt dies Monstrum dem erschreckten Bourgeois dadurch, daß seine Gemahlin heftige Lust zu votiren gehabt habe. Ueberhaupt ist für Erschütterung des Zwerchfells glücklich durch gewisse Fratzen hier gesorgt: „giebt es etwas burleskeres („Citoyen“ von Dijon) als diesen Bonaparte, für den kein Mensch mehr Sympathie haben kann, wenn er nicht total unwissend, oder so in materielles Elend versunken ist, daß er napoleonische Dukaten annimmt. Das köstlichste aber ist, daß wir diese unsere Worte bereits in Girardin's Blatt vom August 1840 vorfinden, welches ihn jetzt so feurig vertheidigt.“ Bonaparte „der Kleine“ ist Autor des Büchleins: „Vertilgung des Pauperismus.“ „Nicht übel, Bonaparte der Große hat 20 Jahre vergeblich darüber studirt; der Neffe hat's gelöst. Er sieht die Misere des Landmanns in den kleinen Grundstücken, und will in jeder Gemeinde durch je 10 Arbeiter einen Geschäftsführer, von je 10 Geschäftsführern einen Direktor, für je 10 Direktoren einen Gouverneur ernannt wissen; Unteroffiziers-Hauptmanns-Oberstenrang; die Arbeiter sind einfache Soldaten. Ihnen gibt der Staat 6,127,000 Hectars jetzt unbebauten Landes; sind zu viele Arbeiter in den Industrieen, oder zu wenige, so schickt man sie in diese Militärkolonien oder ruft sie von daher; die Geschäftsführer, in Verbindung mit den Gemeindevorstehern, besorgen diesen Wechselzug von Arbeitern zwischen Land und Fabrik. Die Kolonisten wohnen ärmlich, hart, einfach, aber gesund, und Sold, Kleidung u. s. w. sind militärisch und halten sich am streng Nothwendigen; die Hütten bestehen aus Lehm und Stroh, (also ein verteufelt spartanischer Bursche dieser Prinz Bonaparte!), und das alles kostet jährlich 160 Millionen dem Staate. Also Ihr wollt kein Phalanster? schön, hier kriegt ihr Hütten von Erde. Ihr wollt L. Blanc's sanftmüthiges System nicht? schön, hier kommt der Prinz mit dem Ladestocke. Eure Jungens werden Trommler und Pfeifer, Eure Damen werden Marketenderinnen, Eure Demoisellen laufen den Rekruten nach. Famos! Ihr schreit über Soldatendienst: dann seid Ihr darin bis an Euern Tod.“ 12 Paris, 10. Dez. Wir haben es gesagt: die Präsidentenwahl ist das Gruppiren der Parteien unter Einem Namen, das Aneinanderreihen von Gleichgesinnten und Gesinnungslosen unter Einer Parole: Die Aufstellung der Gruppen und Truppen in Schlachtordnung. Ihr, die Ihr für Cavaignac oder Napoleon stimmt, stellt Euch diese Seite, Ihr Andern, die Ihr für den Hunger stimmt, auf jene. Der Sieg gehört dem Stärkern. Lassen wir für einen Augenblick Cavaignac und Napoleon, um auf die Hungerseite, die Seite der Arbeit und der Unterdrückung zu schauen, die jetzt sich mit fürchterlichem Getöse vernehmen läßt. In allen Quartiers bilden sich wieder die seit Juni verschwundenen Zusammenrottungen von Tausenden von Blousenmännern; die Blouse ist wieder herrschend geworden; die Blouse, die im Juni massakrirt oder in dumpfe Kellerraume eingesperrt wurde, tritt wieder triumphirend an's Tageslicht, und der furchtsame Krämer, ob Bonapartist ob Cavaignacist, schließt seine Bude und löscht das Gaslicht aus. Geht nur in die Klubs der Faubourgs hin, z. B. im Faubourg Maubert, wo der Arbeiter vor einigen Monaten noch sich und sein Elend und seine ausgehungerte Familie verbergen mußte, und seht wie die Juni-Insurrektion hier siegreich das Haupt erhebt. „Ihr sprecht von Rollin oder Raspail? Wir wollen gar keinen Präsidenten! Haben wir nicht noch nach dem Skeutinium uns zu vereinigen, um eine ganz andere Schlacht zu kämpfen?“ Blanqui, Barbés, Sobrier, Alles tritt in den Hintergrund; heute ist das Volk souverän und jeder Arbeiter mit dem bleichen Gesichte ist Mitglied des souveränen Volkes. Die schönen französischen Köpfe drängen sich in schwarzen Massen zusammen. Wo nur Polizeikommissare in den Klubs sich blicken lassen, werden sie gewaltsam herausgetrieben, und die Mobilgardisten stehen das Mitleid der Juni-Insurgenten an. Im Klub der Redoute tritt der Redner Barnabés Chauvelot auf und spricht den Dolch heilig, der die römischen Lande von dem imfamen Rossi befreit hat. Mobilgardisten und Liniensoldaten kommen ungeachtet aller Befehle in diese Klubs, um mit dem Volke zu fraternisiren. Marrast, Molé, Thiers — alle werden mit der ihnen gebührenden Verachtung behandelte, Molé, Thiers und Bugeaud, die jetzt die Hand desjenigen küssen, den sie vor Kurzem noch mit dem größten Hohne abwiesen! Von Zeit zu Zeit lassen Letztere ihre Klagen ertönen über das gänzliche Verschwinden der „moralischen Kraft.“ Als nach Besiegung der letzten Aufstände im Jahre 1834 und 1839 die Macht Louis Philipps so fest da stand, daß man auf jeden Versuch zur Umwälzung mit Lächeln herabsah, da war die „moralische Kraft“ recht in ihrer Blüthe. Man dachte gar nicht mehr an die Bajonnette Bugeauds und anderer Generäle, welche dieses statu quo durch Niedermetzeln der Arbeiter begründet hatten, und man brauchte nur noch den Abdruck von Bajonnetten, gemahlten Gewehren und Flinten von Zeit zu Zeit in den Städten und Wachtposten auszuhängen und das statu quo aufrecht zu halten. Kam ja ein revolutionärer Wind, so mahlte man einige Flinten dazu, und Alles war abgemacht. Diese gemahlten Flinten — das war die moralische Kraft, das Statu quo und mit dieser Waffe war es auch, womit man Louis Napoleon „abdeckelte,“ das heißt ihm den kaiserlichen Hut abschlug. Dieser kaiserliche Hut wird nun von eben den Männern, die ihn früher abschlugen, aufgehoben, als letzte Stütze und man kann sich denken, mit welcher Verachtung die französischen Proletarier, die das französische Blut und den französischen Witz gerettet haben, auf sie herabblicken müssen. In dem Mont-Parnasse spricht man gerade zu von der Vernichtung dieser elenden Clique. Felix Pyat trägt darauf, daß den Armen wiedergegeben werde, was diese unverschämten Herrn des Privilegs ihnen geraubt hätten; Langlois trägt vor, daß die Transportirten und Gefangenen von Vincennes sich wohl um's Vaterland verdient gemacht hätten: Alles deutet darauf hin, daß der Sturz derjenigen Republick, welche nach dem Ausdrucke Pyat's wechselweise eine Polizei-Mütze und eine Schlafmütze auf dem Kopfe trägt, vor der Thüre steht. Auf dem Platze Maubert versammeln sich alle Abende über 10,000 Arbeiter und rufen: Tod der Mobilgarde, Tod den Henkern Cavaignac's. Unter diesen 10,000 befinden sich dis Weiber und Kinder der 10,000 Juni-Besiegten, die in den Cassematten schmachten, und schreien um Rache. Auf dem Platze Vendome, wo Louis-Napoleon wohnt, versammeln sich die Napoleoniten und hier darf der Name Cavaignacs nicht genannt werden. „Bürger, ruft Bernard, in dem Club Batignolles aus, schwere Begebenheiten stehen uns bevor: seid auf Alles gefaßt: und wenn ja Napoleon oder Bonaparte zum Präsidenten ernannt wird, so haltet Eure Dolche in Bereitschaft, denn wir könnten ihrer bedürfen zur Befreiung von einem Tyrannen! Und denn denkt an Eins: wir haben es mit keiner Candidatur zu thun: für uns handelt es sich darum, die gestohlenen Millionen den goldenen Kälbern und ihren Verehrern zu entreißen!“ Die Regierung schickt in allen Departements Bulletins mit dem Namen Cavaignac herum, die an den Rändern mit Kronen und Blumen eingefaßt sind. Es mag dies eine jener geistreichen Erfindungen des jetzigen Staatssekretairs und ehemaligen Buchhändlers Hetzels sein; aber es ist dieses so fehl gegriffen, daß selbst der konservative Korrespondent der belgischen Independance diese Maßregel mißbilligt. Cavaignac, ruft Bernard aus, verdient noch eher Kaiser zu sein, als Napoleon; denn Napoleon, der wirkliche Kaiser Napoleon, hat höchstens einige Dutzend Patrioten auf den Stufen der Kirche St. Roch niederschießen lassen, während Cavaignac tausende mit seinen Kartätschen gemordet hat. Dies ist die Stimmung in Paris. Die Arbeiter sind wieder zu Tausenden aus ihren Häusern in die Straße hinabgestiegen. — — Paris, 10. Dez. Die Boulevards, der Vendomeplatz, die Eingänge zu den Sektionsurnen und die breitesten Straßen der ganzen Stadt bieten heute das Bild eines Jahrmarktes dar. Die Punkte, auf denen es am lebhaftesten hergeht, sind immer noch der kaiserliche Palast auf dem Vendomeplatze; die Triumphbogen von St. Denis und Martin, so wie die Viertel von St. Jacques und Marcel. In St. Marcel und St. Jacques wollte das Volk den Sturm gegen die Mobilgarde erneuern. Allein Lamoriciere roch den Verrath und verlegte gestern Abend 5 Uhr das 8. Bataillon der Mobilgarde, das gänzlich vernichtet werden sollte, in ein anderes Stadtviertel, nämlich in die Kasernen von Petits-Pures. In Folge dieses Manövers erscheint auch der berüchtigte Maubertusplatz ruhig und auch in jenem ewig revolutionären Viertel dürfte der heute begonnene Wahlakt ohne Blutvergießen vorüber gehen. — Obgleich heute keine öffentliche Sitzung, so sind doch die Konferenzsääle der Nationalversammlung voll Repräsentanten, die sich namentlich über den Tag und die Proklamation der neuen Präsidenten besprechen. Wie es scheint, will man die Stimmzählung von Algerien und Korsika nicht abwarten, so daß wir noch vor dem 20. d. M. das Resultat kennen werden. — In Lyon scheint außer der Präsidentenkomödie noch ein anderes Element eine große Gährung unter dem dasigen Proletariat hervorgerufen zu haben. Große Agitation herrscht in dem gefürchteten Viertel der Fabriken und Watiers von Croix-Rousse. Weiber und Kinder steckten am 8. Dezember mehrere Baugerüste in Brand und die Lyoner Journale („Salut public“, ein konservatives Blatt) überraschten uns heute mit folgender Proklamation an die Arbeiter: Proklamation des Maire's von Croix-Rousse in Lyon an die Arbeiter! Bürger! Die Gemeindeverwaltung empfindet sehr tief die allgemeine Aufregung, welche die Nachricht unter Euch hervorgerufen hat, daß die alten Festungsbastionen wieder aufgebaut werden sollen. Sie hat einen Ausschuß zu den betreffenden Behörden gesandt, um ihnen Eure Beunruhigungen mitzutheilen. Der Ausschuß hat die Versicherung erhalten, daß seine Reklamationen unverzüglich an die Exekutivgewalt in Paris berichtet werden sollen. Hoffet und bleibet ruhig. Lyon, 8. December 1848. (gez.) Rejanin, Maire. — Cavaignac richtete gestern Abend eine lange Proklamation an die Pariser, aus der wir folgende Stellen entnehmen: „Bürger! Morgen ist Jeder von Euch zur Erfüllung des feierlichsten Akts <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar167_007" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0897"/> seitigen Einverständniß bleibend geordnet ist In diesem Sinne sind die entsprechenden Weisungen dem österreichischen Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt zur weiteren Mittheilung an dieselbe zugegangen.</p> </div> <div xml:id="ar167_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Krasma, (in Mähren) 5. Dez.</head> <p>In einem Dorfe, nicht weit von hier, nahm die hiesige und die wallachisch-meseritscher Nationalgarde an 56 Husaren nebst 80 Pferden gefangen. Es gelang jedoch 24 Husaren zu entkommen. Sie gehörten sämmtlich zum Palatinal-Regimente, und sind aus Böhmen dersertirt, um in ihrem Vaterlande gegen die Horden des Absolutismus kämpfen zu helfen.</p> </div> <div xml:id="ar167_009" type="jArticle"> <head>Leobschütz, 6. Dezember.</head> <p>In Betreff der desertirten ungarischen Husaren geht uns die Nachricht zu, daß sie bis in die Gegend von Hultschin kamen, dort aber den 4. Dezember frühzeitig von Infanterie und Ulanen aus Ratibor gefangen genommen worden sind. Von Hotzenplotz an sollen sie überall die Hauptstraße vermieden und Seitenwege eingeschlagen, dabei sich aber überall sicherer Führer bedient haben, die sie mit 2 Dukaten belohnten. Es bestätigt sich auch, daß sie an allen Orten wo sie rasteten, Alles, was sie sich verabreichen ließen, auf Heller und Pfennig bezahlten.</p> </div> <div xml:id="ar167_010" type="jArticle"> <head>Hohenasberg, 4. Dezember.</head> <p>Soeben rollte vor unsern Blicken die wahrhaft jammervolle Scene einer Urtheilspublikation sich auf, die das Ergebniß einer 7 monatlichen Untersuchung gegen die noch inhaftirten Soldaten des 8. Regiments ausspricht. Der Eindruck des Vorgangs konnte für die Zuschauer nur derjenige eines verbissenen Ingrimms sein, mußte für die Verurtheilten aber zu dem eines Grolles sich steigern, wie er in einem Carré von starrenden Bajonetten irgend laut werden kann. Als man mit Schließenlassen dagegen drohte, hörten wir aus der Reihe der unglücklichen 25 jungen Männer rufen: „nicht schließen, nein, <hi rendition="#g">erschießen</hi>“ — und „stille, oder ich steche Sie nieder“, antwortete ein anwesender Offizier (Major Bayha, vom 1. Regiment; Hauptmann Schwarz dagegen drohte mit Ohrfeigen!) Ein bis sechs Jahre Arbeitsstrafe wurde der Lohn für die gerechte Beschwerde der jungen Bürgersöhne, die sich in sklavischer Unterwerfung zu Polizeibütteln gegen Freiheit und zu Mördern ihrer Eltern und Geschwister nicht mehr gebrauchen lassen wollten; der Lohn für den kühnen Muth, eine Petition an das Kriegsministerium einzureichen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar167_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 10. Dez.</head> <p>Ein sehr entschiedenes für „Arbeiter“ geschriebenes pariser Socialblatt „La Commune sociale“ sagt in ihrer letzten Nummer unter anderm:</p> <p>„In Berlin dauert der Belagerungszustand immer fort, weil keiner von beiden Theilen losschlagen möchte. Uns scheint indessen, das berliner Volk sollte endlich diesem Trödeln ein Ende machen, und wählen zwischen Freiheit und Dienstbarkeit. Es sollte nicht vergessen, daß die Landesfürsten allemal die vom Volk verschleuderte Zögerungsfrist trefflich auszubeuten verstehen; wenn es einst siegt, möge es eingedenk sein des gewaltigen Zornwortes eines unserer berühmtesten Konventmänner: <hi rendition="#g">Könige muß man nicht richten, muß man einfach vom Leben zum Tode bringen</hi>.“ — „Wir wollen die sociale Gleichheit als Zweck, und bedienen uns der politischen als Mittel. Das vom Berliner demokratischen Kongreß Ende Oktober erlassene Manifest, welches sich auf das im Februar bereits vor der Revolution, zu London deutsch gedruckte Manifest der kommunistischen Partei stützt, ist eins der vorgeschrittensten, die je irgendwo erschienen, und man sieht jetzt wie große Macht in Preußen und in Deutschland überhaupt, der Socialismus hat. Die Basis des Manifestes ist ganz kommunistisch, und die sich daraus ergebenden Folgerungen sind nothwendig die Anfänge des Kommunismus; wir wollen demnach mit Freuden es ganz und gar unterschreiben, zumal seine Verwirklichung nicht übermäßig schwierig ist. Die französischen und nicht französischen Kommunisten, sie sämmtlich wollen in der Uebergangsperiode den Staat an Stelle der Banquiers und der Kompagnien setzen. In dem wichtigen deutschen Manifeste ist der Müßiggang verdammt; die vielbelobten Prämien, Renten, Zinsen und Privilegien, die das Kapital sich anmaßt, sind als ein Raub gegen die Arbeit getadelt und abgeschafft. Bei uns und überall stehen die Arbeiter auf der Stufe des dritten Standes vor 1789, <hi rendition="#g">sie sind nichts</hi> und <hi rendition="#g">produciren alles</hi>. Dieser Unfug, dieser Hohn der Vernunft muß enden. Auch die achtundvierziger Revolution, gleich der <hi rendition="#g">neunundachtziger,</hi> wird ihre Nacht vom vierten August feiern, wo die letzte Wurzelfaser der schändlichen Ausbeutung eines Menschen durch den andern ausgereutet werden wird; dann erst haben wir gesellschaftliche Gleichheit, wie unsere Väter politische errangen. Wir rufen die Aufmerksamkeit aller unserer Freunde auf dies deutsche Kongreßmanifest, welches jedenfalls der Ausfluß lange vorher durchgearbeiteter und in die Gemüther eingedrungener Maximen ist; wir empfehlen es angelegentlichst dem ernsten Nachdenken derer, die nicht verstehen wollen, daß tief im Grunde der Revolution die unendlich umfangsreiche Frage des Wohlseins ruht. Während bei uns die Revolution stille hält, sogar einer Reaktion unterliegt, wandelt sie jenseits des Rheins im Riesenschritt.“ Folgen die verschiedenen Paragraphen, wie sie vor einigen Wochen bereits in allen pariser und departementalen Journalen erschienen, sogar im „Constitutionnel“ und „Journal des Debats“ erstrer seufzte: „da sähe man, wie weit hegelsche und atheistische Doktrinen führten, wenn sie einmal das ihnen speziell zugehörige Feld der abstrakten Metaphysik verließen.“</p> <p>Ledru-Rollin, der auf dem Bankett im Chateau rouge so beredt dem Angedenken R. Blum's huldigte, erhielt ein Bild des „von Windischgrätz geopferten großen Patrioten“ wie La Reforme sich ausdrückt, nebst einem Briefe des deutschen Künstlers.</p> <p>Die Niederträchtigkeit der Reaktionspartei steigt jetzt so hoch, daß sie mit Umgehung des Gesetzes mit den Linienoffizieren wegen social-demokratischer Ueberzeugung Händel sucht; z. B. der Kriegsminister Lamoriciere, einst ein eifriger Besucher der saintsimonistischen Vorlesungen, hat so eben den Lieutenant Bouland vom 55. Regiment aufs empörendste behandelt, bloß weil dieser zum s. g. Nationalkongreß der Demokraten als Mitglied in Paris bleiben wollte. Der Minister jagte ihn kurzweg nach seinem Garnisonstädtchen zurück, obschon der Oberst dem jungen Offizier ein gutes Zeugniß und die Erlaubniß, dem Congreß beizuwohnen, ausgestellt hatte. In einer erbaulichen Audienz erklärte Lamoriciere ihm, die am Congreß theilnehmenden Deputirten der äußersten Linken wären Leute, gegen die „wohl nächstens auf den Straßen von Paris mit Flintenschüssen von der Regierung verfahren werden dürfte;“ womit das Gerücht zusammenhängt von der durch die Minister Dufaure und Lomoriciere beabsichtigten Provocirung eines Krawalls, der schon gestern in der Kammer als „eine rothe, kommunistische Emeute gegen die mit allergrößter Strenge aufzutreten,“ pränumerando angezeigt ward. Der Lieutenant berief sich auf die Konstitutionsrechte, die jedem Franzosen die Associationsfreiheit sichern; vergebens; er sagte zuletzt dem afrikanischen Despoten herb die Wahrheit und drohte mit Interpelliren in der Kammer. „Die Jammer wird zur Tagesordnung gehen, ich hab's so schon oft mit Offizieren wegen Politik gemacht,“ lächelte der Minister. „So werde ich beim Chef der Exekutive mich beschweren.“ — „Gut, soviel Sie wollen, aber nur in der hierarchischen Subordinationsreihe; wo nicht, so gibt's <hi rendition="#g">vier Tage Arrest</hi>.“</p> <p>Das sind die Februarerrungenschaften!</p> <p>Das Blatt der Börsenfürsten, Journal des Debats, ruft heute, nachdem es die halb väterliche, halb korporalartige Proklamation Cavaignacs die gestern Abends spät an den Ecken erschien und ruhigen Respekt vor dem Wahlresultat fordert, gepriesen: „Geworfen ist der Würfel, jacta alea est, sprach einer der Prätendenten des Präsidentensessels; Hr. Lamartine war wohl etwas entmuthigt, als er sprach. Die Spaltung im Heerlager der Sozial-Demokraten ist immer größer geworden, sie haben jetzt nicht Ledru-Rollin allein, sondern auch Raspail als Bewerber; so kann Jeder hübsch nach seinem speziellen Temperament votiren, was sehr angenehm ist.“ La Reforme, das offizielle Blatt des Berges, bringt folgendes: „Stimmt für Ledru-Rollin, Bürger, bewahrt das französische Blut für den Kampf mit den Feinden Frankreichs, die auch die des Menschengeschlechts sind. — Stimmt wie Ein Mann, wiederholt das große Vereinigungswort unserer Väter in der Revolution des letzten Jahrhunderts: <hi rendition="#g">das Vaterland ist in Gefahr</hi>! — Wir verachten alle tückische Herausforderung zu brutalem Bürgerkriege. Es lebe hoch die demokratischsociale Republik! A. Marcellin, Lorreze, A. Boyer, Gosset, Tamar, Arbeiter. Daneben auf derselben Mauer klebte folgendes: „<hi rendition="#g">Die Politik des Volkes</hi>. Der Centralrath an die demokratisch-sozialen Wähler. Bürger, stimmt für Raspail. Wir sind nicht Kaiserliche noch Königliche, und nicht Agenten des Bürgerkriegs, noch zu Umtrieben besoldet, daher stimmen wir nicht für Bonaparte. Wir sind nicht konservative Republikaner, daher stimmen wir nicht für Cavaignac. Wir sind nicht Verehrer der unfruchtbaren, hohlen revolutionären Bewegung, daher stimmen wir nicht für Ledru-Rollin. Wir sind Sozialreformer, daher stimmen wir für Raspail. — Wahrscheinlich werden zwei große von Ehrsucht geplagte Fraktionen sich nächstens mit der Waffe in der Faust befehden; der Patron aller Despoten, Bonaparte, und der Mann der engherzigen Bourgeoisrepublik, Cavaignac. Wir wissen, daß wir vor jetzt nur protestiren können. Bürger Sozialreformer, laßt jene Beiden ihren gottlosen Kampf durchfechten; <hi rendition="#g">mengt euch nicht hinein;</hi> möge auf sie beide das Blut fallen und die Schmach. <hi rendition="#g">Aber steht rastlos auf der Wacht, daß Niemand Hand lege an unsern heiligen Hort, die Republik;</hi> haltet euer scharfes Schwert bereit, und zaudert nicht, diejenigen unerbittlich zu schlagen, die es wagen sollten. — <hi rendition="#g">Alton Shee,</hi> Expair; <hi rendition="#g">Genillier,</hi> Professor der Mathematik; <hi rendition="#g">Pardigon</hi>.“</p> <p>Cavaignac ist völlig der Vasall der Börsen- und Bankbourgeoisie geworden; faktisch ist, daß seit Wochen bereits Bestellungen in Manufakturen und im Handel mit der Klausel „für den Fall der Nichtwahl des Generals — ungültig“ gemacht wurden. Die Holzköpfe bilden sich steif ein, mit seiner Präsidentur werde jeder Sozialist in die Erde kriechen, folglich Kredit und Schacher wieder auf Erden erscheinen. Die Tuchfabrikanten von Paris haben ihm dies durch eine feierliche Deputation kund gethan, und in allen Zeitungen und in Privatcirkularen sich an ihre Provinzialgeschäftsbrüder gewandt, so daß er in den Fabrikdistrikten auf ziemlich viele Stimmen rechnen darf.</p> <p>Die Wuth der Adelsklique gegen Alton Shee, den ehemaligen Pair der die Barrikade am Palais royal im Februar so tapfer vertheidigen half, schnappt ins groteske über; die Lions und Volksfeinde vom „Corsaire“ beehren ihn heute mit folgenden Insulten: „Er nennt sich in den Manifesten seiner Partei einen <hi rendition="#g">Theiler</hi> (partageux, der bekannte Spottname, der den Sozialreformern im Bauerndialekt gegeben wird) aber der Herr Exgraf irrt wohl; er ist eher ein Accapareur, der seine alten Ehrentitel abwirft, anspeit, mit Füßen tritt, in der Weinjauche der Barrierekneipen herumschleift und somit sich bei den sogenannten <hi rendition="#g">reinen</hi> Socialisten ein Hurrah erschleicht. Und wäre er ein echter Theiler, bei Gott, er theilte seine zwölftausend Franken Einkommen, die ihm ein unter Napoleon geschaffnes Majorat einbringt.“ Der altgallische Witz schmettert „wie die Lerche“ im Charivari mitten durch das wüste Getümmel; der langweiligste und dürrste aller Philister, der General Cavaignac, wird aufs ergötzlichste als vollendeter Chemiker dargestellt, der eine Sauce erfunden, durch die ein weißes Votivblatt nach 48 Stunden im Kasten grün, roth, blau u. s. w. wird, wodurch die scheinbar weißen Zettel Bonaparte's ungültig gemacht würden; Girardin habe diese Unthat entdeckt und Girardin verstehe sich auf dererlei. Es kursiren einige treffliche Karrikaturen: ein Pyrenäenbär tritt düstern Gesichts vor den Stimmkasten und brüllt dem entsetzten Skrutinirer zu: ich als Montagnard (vom Berge) stimme für Ledru-Rollin.“ Eine andre: Ledru-Rollin steht in schwindelnder Höhe auf einem Gebirge und tief unten ein Bauer in Holzschuhen, Blouse und Zipfelmütze (der nationalen Bauerntracht), der ruft: „Zum Teufel, Herr, ich habe gestimmt und nicht für Sie, ich sehe Sie jetzt erst, warum stehen Sie so verdammt hoch?“ Eine andre: ein neugebornes Kind, ganz mit Hautmälern bedeckt, welche Freiheitsmützen, Napoleonshüte, Bergspitzen, Kamphercigarros (à la Raspail) u. s. w. vorstellen; die Hebamme erklärt dies Monstrum dem erschreckten Bourgeois dadurch, daß seine Gemahlin heftige Lust zu votiren gehabt habe. Ueberhaupt ist für Erschütterung des Zwerchfells glücklich durch gewisse Fratzen hier gesorgt: „giebt es etwas burleskeres („Citoyen“ von Dijon) als diesen Bonaparte, für den kein Mensch mehr Sympathie haben kann, wenn er nicht total unwissend, oder so in materielles Elend versunken ist, daß er napoleonische Dukaten annimmt. Das köstlichste aber ist, daß wir diese unsere Worte bereits in Girardin's Blatt vom August 1840 vorfinden, welches ihn jetzt so feurig vertheidigt.“ Bonaparte „der Kleine“ ist Autor des Büchleins: „Vertilgung des Pauperismus.“ „Nicht übel, Bonaparte der Große hat 20 Jahre vergeblich darüber studirt; der Neffe hat's gelöst. Er sieht die Misere des Landmanns in den kleinen Grundstücken, und will in jeder Gemeinde durch je 10 Arbeiter einen Geschäftsführer, von je 10 Geschäftsführern einen Direktor, für je 10 Direktoren einen Gouverneur ernannt wissen; Unteroffiziers-Hauptmanns-Oberstenrang; die Arbeiter sind einfache Soldaten. Ihnen gibt der Staat 6,127,000 Hectars jetzt unbebauten Landes; sind zu viele Arbeiter in den Industrieen, oder zu wenige, so schickt man sie in diese Militärkolonien oder ruft sie von daher; die Geschäftsführer, in Verbindung mit den Gemeindevorstehern, besorgen diesen Wechselzug von Arbeitern zwischen Land und Fabrik. Die Kolonisten wohnen ärmlich, hart, einfach, aber gesund, und Sold, Kleidung u. s. w. sind militärisch und halten sich am streng Nothwendigen; die Hütten bestehen aus Lehm und Stroh, (also ein verteufelt spartanischer Bursche dieser Prinz Bonaparte!), und das alles kostet jährlich 160 Millionen dem Staate. Also Ihr wollt kein Phalanster? schön, hier kriegt ihr Hütten von Erde. Ihr wollt L. Blanc's sanftmüthiges System nicht? schön, hier kommt der Prinz mit dem Ladestocke. Eure Jungens werden Trommler und Pfeifer, Eure Damen werden Marketenderinnen, Eure Demoisellen laufen den Rekruten nach. Famos! Ihr schreit über Soldatendienst: dann seid Ihr darin bis an Euern Tod.“</p> </div> <div xml:id="ar167_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 10. Dez.</head> <p>Wir haben es gesagt: die Präsidentenwahl ist das Gruppiren der Parteien unter Einem Namen, das Aneinanderreihen von Gleichgesinnten und Gesinnungslosen unter Einer Parole: <hi rendition="#g">Die Aufstellung der Gruppen und Truppen in Schlachtordnung</hi>. Ihr, die Ihr für Cavaignac oder Napoleon stimmt, stellt Euch diese Seite, Ihr Andern, die Ihr für den Hunger stimmt, auf jene. Der Sieg gehört dem Stärkern. Lassen wir für einen Augenblick Cavaignac und Napoleon, um auf die Hungerseite, die Seite der Arbeit und der Unterdrückung zu schauen, die jetzt sich mit fürchterlichem Getöse vernehmen läßt. In allen Quartiers bilden sich wieder die seit Juni verschwundenen Zusammenrottungen von Tausenden von Blousenmännern; die Blouse ist wieder herrschend geworden; die Blouse, die im Juni massakrirt oder in dumpfe Kellerraume eingesperrt wurde, tritt wieder triumphirend an's Tageslicht, und der furchtsame Krämer, ob Bonapartist ob Cavaignacist, schließt seine Bude und löscht das Gaslicht aus. Geht nur in die Klubs der Faubourgs hin, z. B. im Faubourg Maubert, wo der Arbeiter vor einigen Monaten noch sich und sein Elend und seine ausgehungerte Familie verbergen mußte, und seht wie die Juni-Insurrektion hier siegreich das Haupt erhebt. „Ihr sprecht von Rollin oder Raspail? Wir wollen gar keinen Präsidenten! Haben wir nicht noch nach dem Skeutinium uns zu vereinigen, um eine ganz andere Schlacht zu kämpfen?“ Blanqui, Barbés, Sobrier, Alles tritt in den Hintergrund; heute ist das Volk souverän und jeder Arbeiter mit dem bleichen Gesichte ist Mitglied des souveränen Volkes. Die schönen französischen Köpfe drängen sich in schwarzen Massen zusammen. Wo nur Polizeikommissare in den Klubs sich blicken lassen, werden sie gewaltsam herausgetrieben, und die Mobilgardisten stehen das Mitleid der Juni-Insurgenten an. Im Klub der Redoute tritt der Redner Barnabés Chauvelot auf und spricht den Dolch heilig, der die römischen Lande von dem imfamen Rossi befreit hat. Mobilgardisten und Liniensoldaten kommen ungeachtet aller Befehle in diese Klubs, um mit dem Volke zu fraternisiren. Marrast, Molé, Thiers — alle werden mit der ihnen gebührenden Verachtung behandelte, Molé, Thiers und Bugeaud, die jetzt die Hand desjenigen küssen, den sie vor Kurzem noch mit dem größten Hohne abwiesen! Von Zeit zu Zeit lassen Letztere ihre Klagen ertönen über das gänzliche Verschwinden der „moralischen Kraft.“ Als nach Besiegung der letzten Aufstände im Jahre 1834 und 1839 die Macht Louis Philipps so fest da stand, daß man auf jeden Versuch zur Umwälzung mit Lächeln herabsah, da war die „moralische Kraft“ recht in ihrer Blüthe. Man dachte gar nicht mehr an die Bajonnette Bugeauds und anderer Generäle, welche dieses statu quo durch Niedermetzeln der Arbeiter begründet hatten, und man brauchte nur noch den Abdruck von Bajonnetten, gemahlten Gewehren und Flinten von Zeit zu Zeit in den Städten und Wachtposten auszuhängen und das statu quo aufrecht zu halten.</p> <p>Kam ja ein revolutionärer Wind, so mahlte man einige Flinten dazu, und Alles war abgemacht. Diese gemahlten Flinten — das war die moralische Kraft, das Statu quo und mit dieser Waffe war es auch, womit man Louis Napoleon „abdeckelte,“ das heißt ihm den kaiserlichen Hut abschlug. Dieser kaiserliche Hut wird nun von eben den Männern, die ihn früher abschlugen, aufgehoben, als letzte Stütze und man kann sich denken, mit welcher Verachtung die französischen Proletarier, die das französische Blut und den französischen Witz gerettet haben, auf sie herabblicken müssen. In dem Mont-Parnasse spricht man gerade zu von der Vernichtung dieser elenden Clique. Felix Pyat trägt darauf, daß den Armen wiedergegeben werde, was diese unverschämten Herrn des Privilegs ihnen geraubt hätten; Langlois trägt vor, daß die Transportirten und Gefangenen von Vincennes sich wohl um's Vaterland verdient gemacht hätten: Alles deutet darauf hin, daß der Sturz derjenigen Republick, welche nach dem Ausdrucke Pyat's wechselweise eine Polizei-Mütze und eine Schlafmütze auf dem Kopfe trägt, vor der Thüre steht. Auf dem Platze Maubert versammeln sich alle Abende über 10,000 Arbeiter und rufen: Tod der Mobilgarde, Tod den Henkern Cavaignac's. Unter diesen 10,000 befinden sich dis Weiber und Kinder der 10,000 Juni-Besiegten, die in den Cassematten schmachten, und schreien um Rache. Auf dem Platze Vendome, wo Louis-Napoleon wohnt, versammeln sich die Napoleoniten und hier darf der Name Cavaignacs nicht genannt werden.</p> <p>„Bürger, ruft Bernard, in dem Club Batignolles aus, schwere Begebenheiten stehen uns bevor: seid auf Alles gefaßt: und wenn ja Napoleon oder Bonaparte zum Präsidenten ernannt wird, so haltet Eure Dolche in Bereitschaft, denn wir könnten ihrer bedürfen zur Befreiung von einem Tyrannen! Und denn denkt an Eins: wir haben es mit keiner Candidatur zu thun: für uns handelt es sich darum, die gestohlenen Millionen den goldenen Kälbern und ihren Verehrern zu entreißen!“</p> <p>Die Regierung schickt in allen Departements Bulletins mit dem Namen Cavaignac herum, die an den Rändern mit Kronen und Blumen eingefaßt sind. Es mag dies eine jener geistreichen Erfindungen des jetzigen Staatssekretairs und ehemaligen Buchhändlers Hetzels sein; aber es ist dieses so fehl gegriffen, daß selbst der konservative Korrespondent der belgischen Independance diese Maßregel mißbilligt. Cavaignac, ruft Bernard aus, verdient noch eher Kaiser zu sein, als Napoleon; denn Napoleon, der wirkliche Kaiser Napoleon, hat höchstens einige Dutzend Patrioten auf den Stufen der Kirche St. Roch niederschießen lassen, während Cavaignac tausende mit seinen Kartätschen gemordet hat.</p> <p>Dies ist die Stimmung in Paris. Die Arbeiter sind wieder zu Tausenden aus ihren Häusern in die Straße hinabgestiegen. — —</p> </div> <div xml:id="ar167_013" type="jArticle"> <head>Paris, 10. Dez.</head> <p>Die Boulevards, der Vendomeplatz, die Eingänge zu den Sektionsurnen und die breitesten Straßen der ganzen Stadt bieten heute das Bild eines Jahrmarktes dar. Die Punkte, auf denen es am lebhaftesten hergeht, sind immer noch der kaiserliche Palast auf dem Vendomeplatze; die Triumphbogen von St. Denis und Martin, so wie die Viertel von St. Jacques und Marcel.</p> <p>In St. Marcel und St. Jacques wollte das Volk den Sturm gegen die Mobilgarde erneuern. Allein Lamoriciere roch den Verrath und verlegte gestern Abend 5 Uhr das 8. Bataillon der Mobilgarde, das gänzlich vernichtet werden sollte, in ein anderes Stadtviertel, nämlich in die Kasernen von Petits-Pures. In Folge dieses Manövers erscheint auch der berüchtigte Maubertusplatz ruhig und auch in jenem ewig revolutionären Viertel dürfte der heute begonnene Wahlakt ohne Blutvergießen vorüber gehen.</p> <p>— Obgleich heute keine öffentliche Sitzung, so sind doch die Konferenzsääle der Nationalversammlung voll Repräsentanten, die sich namentlich über den Tag und die Proklamation der neuen Präsidenten besprechen. Wie es scheint, will man die Stimmzählung von Algerien und Korsika nicht abwarten, so daß wir noch vor dem 20. d. M. das Resultat kennen werden.</p> <p>— In <hi rendition="#g">Lyon</hi> scheint außer der Präsidentenkomödie noch ein anderes Element eine große Gährung unter dem dasigen Proletariat hervorgerufen zu haben. Große Agitation herrscht in dem gefürchteten Viertel der Fabriken und Watiers von Croix-Rousse. Weiber und Kinder steckten am 8. Dezember mehrere Baugerüste in Brand und die Lyoner Journale („Salut public“, ein konservatives Blatt) überraschten uns heute mit folgender Proklamation an die Arbeiter:</p> <p>Proklamation des Maire's von Croix-Rousse in Lyon an die Arbeiter!</p> <p>Bürger! Die Gemeindeverwaltung empfindet sehr tief die allgemeine Aufregung, welche die Nachricht unter Euch hervorgerufen hat, daß die alten Festungsbastionen wieder aufgebaut werden sollen. Sie hat einen Ausschuß zu den betreffenden Behörden gesandt, um ihnen Eure Beunruhigungen mitzutheilen. Der Ausschuß hat die Versicherung erhalten, daß seine Reklamationen unverzüglich an die Exekutivgewalt in Paris berichtet werden sollen. Hoffet und bleibet ruhig.</p> <p>Lyon, 8. December 1848.</p> <p>(gez.) <hi rendition="#g">Rejanin,</hi> Maire.</p> <p>— Cavaignac richtete gestern Abend eine lange Proklamation an die Pariser, aus der wir folgende Stellen entnehmen:</p> <p>„Bürger! Morgen ist Jeder von Euch zur Erfüllung des feierlichsten Akts </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0897/0003]
seitigen Einverständniß bleibend geordnet ist In diesem Sinne sind die entsprechenden Weisungen dem österreichischen Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt zur weiteren Mittheilung an dieselbe zugegangen.
* Krasma, (in Mähren) 5. Dez. In einem Dorfe, nicht weit von hier, nahm die hiesige und die wallachisch-meseritscher Nationalgarde an 56 Husaren nebst 80 Pferden gefangen. Es gelang jedoch 24 Husaren zu entkommen. Sie gehörten sämmtlich zum Palatinal-Regimente, und sind aus Böhmen dersertirt, um in ihrem Vaterlande gegen die Horden des Absolutismus kämpfen zu helfen.
Leobschütz, 6. Dezember. In Betreff der desertirten ungarischen Husaren geht uns die Nachricht zu, daß sie bis in die Gegend von Hultschin kamen, dort aber den 4. Dezember frühzeitig von Infanterie und Ulanen aus Ratibor gefangen genommen worden sind. Von Hotzenplotz an sollen sie überall die Hauptstraße vermieden und Seitenwege eingeschlagen, dabei sich aber überall sicherer Führer bedient haben, die sie mit 2 Dukaten belohnten. Es bestätigt sich auch, daß sie an allen Orten wo sie rasteten, Alles, was sie sich verabreichen ließen, auf Heller und Pfennig bezahlten.
Hohenasberg, 4. Dezember. Soeben rollte vor unsern Blicken die wahrhaft jammervolle Scene einer Urtheilspublikation sich auf, die das Ergebniß einer 7 monatlichen Untersuchung gegen die noch inhaftirten Soldaten des 8. Regiments ausspricht. Der Eindruck des Vorgangs konnte für die Zuschauer nur derjenige eines verbissenen Ingrimms sein, mußte für die Verurtheilten aber zu dem eines Grolles sich steigern, wie er in einem Carré von starrenden Bajonetten irgend laut werden kann. Als man mit Schließenlassen dagegen drohte, hörten wir aus der Reihe der unglücklichen 25 jungen Männer rufen: „nicht schließen, nein, erschießen“ — und „stille, oder ich steche Sie nieder“, antwortete ein anwesender Offizier (Major Bayha, vom 1. Regiment; Hauptmann Schwarz dagegen drohte mit Ohrfeigen!) Ein bis sechs Jahre Arbeitsstrafe wurde der Lohn für die gerechte Beschwerde der jungen Bürgersöhne, die sich in sklavischer Unterwerfung zu Polizeibütteln gegen Freiheit und zu Mördern ihrer Eltern und Geschwister nicht mehr gebrauchen lassen wollten; der Lohn für den kühnen Muth, eine Petition an das Kriegsministerium einzureichen.
Französische Republik. 17 Paris, 10. Dez. Ein sehr entschiedenes für „Arbeiter“ geschriebenes pariser Socialblatt „La Commune sociale“ sagt in ihrer letzten Nummer unter anderm:
„In Berlin dauert der Belagerungszustand immer fort, weil keiner von beiden Theilen losschlagen möchte. Uns scheint indessen, das berliner Volk sollte endlich diesem Trödeln ein Ende machen, und wählen zwischen Freiheit und Dienstbarkeit. Es sollte nicht vergessen, daß die Landesfürsten allemal die vom Volk verschleuderte Zögerungsfrist trefflich auszubeuten verstehen; wenn es einst siegt, möge es eingedenk sein des gewaltigen Zornwortes eines unserer berühmtesten Konventmänner: Könige muß man nicht richten, muß man einfach vom Leben zum Tode bringen.“ — „Wir wollen die sociale Gleichheit als Zweck, und bedienen uns der politischen als Mittel. Das vom Berliner demokratischen Kongreß Ende Oktober erlassene Manifest, welches sich auf das im Februar bereits vor der Revolution, zu London deutsch gedruckte Manifest der kommunistischen Partei stützt, ist eins der vorgeschrittensten, die je irgendwo erschienen, und man sieht jetzt wie große Macht in Preußen und in Deutschland überhaupt, der Socialismus hat. Die Basis des Manifestes ist ganz kommunistisch, und die sich daraus ergebenden Folgerungen sind nothwendig die Anfänge des Kommunismus; wir wollen demnach mit Freuden es ganz und gar unterschreiben, zumal seine Verwirklichung nicht übermäßig schwierig ist. Die französischen und nicht französischen Kommunisten, sie sämmtlich wollen in der Uebergangsperiode den Staat an Stelle der Banquiers und der Kompagnien setzen. In dem wichtigen deutschen Manifeste ist der Müßiggang verdammt; die vielbelobten Prämien, Renten, Zinsen und Privilegien, die das Kapital sich anmaßt, sind als ein Raub gegen die Arbeit getadelt und abgeschafft. Bei uns und überall stehen die Arbeiter auf der Stufe des dritten Standes vor 1789, sie sind nichts und produciren alles. Dieser Unfug, dieser Hohn der Vernunft muß enden. Auch die achtundvierziger Revolution, gleich der neunundachtziger, wird ihre Nacht vom vierten August feiern, wo die letzte Wurzelfaser der schändlichen Ausbeutung eines Menschen durch den andern ausgereutet werden wird; dann erst haben wir gesellschaftliche Gleichheit, wie unsere Väter politische errangen. Wir rufen die Aufmerksamkeit aller unserer Freunde auf dies deutsche Kongreßmanifest, welches jedenfalls der Ausfluß lange vorher durchgearbeiteter und in die Gemüther eingedrungener Maximen ist; wir empfehlen es angelegentlichst dem ernsten Nachdenken derer, die nicht verstehen wollen, daß tief im Grunde der Revolution die unendlich umfangsreiche Frage des Wohlseins ruht. Während bei uns die Revolution stille hält, sogar einer Reaktion unterliegt, wandelt sie jenseits des Rheins im Riesenschritt.“ Folgen die verschiedenen Paragraphen, wie sie vor einigen Wochen bereits in allen pariser und departementalen Journalen erschienen, sogar im „Constitutionnel“ und „Journal des Debats“ erstrer seufzte: „da sähe man, wie weit hegelsche und atheistische Doktrinen führten, wenn sie einmal das ihnen speziell zugehörige Feld der abstrakten Metaphysik verließen.“
Ledru-Rollin, der auf dem Bankett im Chateau rouge so beredt dem Angedenken R. Blum's huldigte, erhielt ein Bild des „von Windischgrätz geopferten großen Patrioten“ wie La Reforme sich ausdrückt, nebst einem Briefe des deutschen Künstlers.
Die Niederträchtigkeit der Reaktionspartei steigt jetzt so hoch, daß sie mit Umgehung des Gesetzes mit den Linienoffizieren wegen social-demokratischer Ueberzeugung Händel sucht; z. B. der Kriegsminister Lamoriciere, einst ein eifriger Besucher der saintsimonistischen Vorlesungen, hat so eben den Lieutenant Bouland vom 55. Regiment aufs empörendste behandelt, bloß weil dieser zum s. g. Nationalkongreß der Demokraten als Mitglied in Paris bleiben wollte. Der Minister jagte ihn kurzweg nach seinem Garnisonstädtchen zurück, obschon der Oberst dem jungen Offizier ein gutes Zeugniß und die Erlaubniß, dem Congreß beizuwohnen, ausgestellt hatte. In einer erbaulichen Audienz erklärte Lamoriciere ihm, die am Congreß theilnehmenden Deputirten der äußersten Linken wären Leute, gegen die „wohl nächstens auf den Straßen von Paris mit Flintenschüssen von der Regierung verfahren werden dürfte;“ womit das Gerücht zusammenhängt von der durch die Minister Dufaure und Lomoriciere beabsichtigten Provocirung eines Krawalls, der schon gestern in der Kammer als „eine rothe, kommunistische Emeute gegen die mit allergrößter Strenge aufzutreten,“ pränumerando angezeigt ward. Der Lieutenant berief sich auf die Konstitutionsrechte, die jedem Franzosen die Associationsfreiheit sichern; vergebens; er sagte zuletzt dem afrikanischen Despoten herb die Wahrheit und drohte mit Interpelliren in der Kammer. „Die Jammer wird zur Tagesordnung gehen, ich hab's so schon oft mit Offizieren wegen Politik gemacht,“ lächelte der Minister. „So werde ich beim Chef der Exekutive mich beschweren.“ — „Gut, soviel Sie wollen, aber nur in der hierarchischen Subordinationsreihe; wo nicht, so gibt's vier Tage Arrest.“
Das sind die Februarerrungenschaften!
Das Blatt der Börsenfürsten, Journal des Debats, ruft heute, nachdem es die halb väterliche, halb korporalartige Proklamation Cavaignacs die gestern Abends spät an den Ecken erschien und ruhigen Respekt vor dem Wahlresultat fordert, gepriesen: „Geworfen ist der Würfel, jacta alea est, sprach einer der Prätendenten des Präsidentensessels; Hr. Lamartine war wohl etwas entmuthigt, als er sprach. Die Spaltung im Heerlager der Sozial-Demokraten ist immer größer geworden, sie haben jetzt nicht Ledru-Rollin allein, sondern auch Raspail als Bewerber; so kann Jeder hübsch nach seinem speziellen Temperament votiren, was sehr angenehm ist.“ La Reforme, das offizielle Blatt des Berges, bringt folgendes: „Stimmt für Ledru-Rollin, Bürger, bewahrt das französische Blut für den Kampf mit den Feinden Frankreichs, die auch die des Menschengeschlechts sind. — Stimmt wie Ein Mann, wiederholt das große Vereinigungswort unserer Väter in der Revolution des letzten Jahrhunderts: das Vaterland ist in Gefahr! — Wir verachten alle tückische Herausforderung zu brutalem Bürgerkriege. Es lebe hoch die demokratischsociale Republik! A. Marcellin, Lorreze, A. Boyer, Gosset, Tamar, Arbeiter. Daneben auf derselben Mauer klebte folgendes: „Die Politik des Volkes. Der Centralrath an die demokratisch-sozialen Wähler. Bürger, stimmt für Raspail. Wir sind nicht Kaiserliche noch Königliche, und nicht Agenten des Bürgerkriegs, noch zu Umtrieben besoldet, daher stimmen wir nicht für Bonaparte. Wir sind nicht konservative Republikaner, daher stimmen wir nicht für Cavaignac. Wir sind nicht Verehrer der unfruchtbaren, hohlen revolutionären Bewegung, daher stimmen wir nicht für Ledru-Rollin. Wir sind Sozialreformer, daher stimmen wir für Raspail. — Wahrscheinlich werden zwei große von Ehrsucht geplagte Fraktionen sich nächstens mit der Waffe in der Faust befehden; der Patron aller Despoten, Bonaparte, und der Mann der engherzigen Bourgeoisrepublik, Cavaignac. Wir wissen, daß wir vor jetzt nur protestiren können. Bürger Sozialreformer, laßt jene Beiden ihren gottlosen Kampf durchfechten; mengt euch nicht hinein; möge auf sie beide das Blut fallen und die Schmach. Aber steht rastlos auf der Wacht, daß Niemand Hand lege an unsern heiligen Hort, die Republik; haltet euer scharfes Schwert bereit, und zaudert nicht, diejenigen unerbittlich zu schlagen, die es wagen sollten. — Alton Shee, Expair; Genillier, Professor der Mathematik; Pardigon.“
Cavaignac ist völlig der Vasall der Börsen- und Bankbourgeoisie geworden; faktisch ist, daß seit Wochen bereits Bestellungen in Manufakturen und im Handel mit der Klausel „für den Fall der Nichtwahl des Generals — ungültig“ gemacht wurden. Die Holzköpfe bilden sich steif ein, mit seiner Präsidentur werde jeder Sozialist in die Erde kriechen, folglich Kredit und Schacher wieder auf Erden erscheinen. Die Tuchfabrikanten von Paris haben ihm dies durch eine feierliche Deputation kund gethan, und in allen Zeitungen und in Privatcirkularen sich an ihre Provinzialgeschäftsbrüder gewandt, so daß er in den Fabrikdistrikten auf ziemlich viele Stimmen rechnen darf.
Die Wuth der Adelsklique gegen Alton Shee, den ehemaligen Pair der die Barrikade am Palais royal im Februar so tapfer vertheidigen half, schnappt ins groteske über; die Lions und Volksfeinde vom „Corsaire“ beehren ihn heute mit folgenden Insulten: „Er nennt sich in den Manifesten seiner Partei einen Theiler (partageux, der bekannte Spottname, der den Sozialreformern im Bauerndialekt gegeben wird) aber der Herr Exgraf irrt wohl; er ist eher ein Accapareur, der seine alten Ehrentitel abwirft, anspeit, mit Füßen tritt, in der Weinjauche der Barrierekneipen herumschleift und somit sich bei den sogenannten reinen Socialisten ein Hurrah erschleicht. Und wäre er ein echter Theiler, bei Gott, er theilte seine zwölftausend Franken Einkommen, die ihm ein unter Napoleon geschaffnes Majorat einbringt.“ Der altgallische Witz schmettert „wie die Lerche“ im Charivari mitten durch das wüste Getümmel; der langweiligste und dürrste aller Philister, der General Cavaignac, wird aufs ergötzlichste als vollendeter Chemiker dargestellt, der eine Sauce erfunden, durch die ein weißes Votivblatt nach 48 Stunden im Kasten grün, roth, blau u. s. w. wird, wodurch die scheinbar weißen Zettel Bonaparte's ungültig gemacht würden; Girardin habe diese Unthat entdeckt und Girardin verstehe sich auf dererlei. Es kursiren einige treffliche Karrikaturen: ein Pyrenäenbär tritt düstern Gesichts vor den Stimmkasten und brüllt dem entsetzten Skrutinirer zu: ich als Montagnard (vom Berge) stimme für Ledru-Rollin.“ Eine andre: Ledru-Rollin steht in schwindelnder Höhe auf einem Gebirge und tief unten ein Bauer in Holzschuhen, Blouse und Zipfelmütze (der nationalen Bauerntracht), der ruft: „Zum Teufel, Herr, ich habe gestimmt und nicht für Sie, ich sehe Sie jetzt erst, warum stehen Sie so verdammt hoch?“ Eine andre: ein neugebornes Kind, ganz mit Hautmälern bedeckt, welche Freiheitsmützen, Napoleonshüte, Bergspitzen, Kamphercigarros (à la Raspail) u. s. w. vorstellen; die Hebamme erklärt dies Monstrum dem erschreckten Bourgeois dadurch, daß seine Gemahlin heftige Lust zu votiren gehabt habe. Ueberhaupt ist für Erschütterung des Zwerchfells glücklich durch gewisse Fratzen hier gesorgt: „giebt es etwas burleskeres („Citoyen“ von Dijon) als diesen Bonaparte, für den kein Mensch mehr Sympathie haben kann, wenn er nicht total unwissend, oder so in materielles Elend versunken ist, daß er napoleonische Dukaten annimmt. Das köstlichste aber ist, daß wir diese unsere Worte bereits in Girardin's Blatt vom August 1840 vorfinden, welches ihn jetzt so feurig vertheidigt.“ Bonaparte „der Kleine“ ist Autor des Büchleins: „Vertilgung des Pauperismus.“ „Nicht übel, Bonaparte der Große hat 20 Jahre vergeblich darüber studirt; der Neffe hat's gelöst. Er sieht die Misere des Landmanns in den kleinen Grundstücken, und will in jeder Gemeinde durch je 10 Arbeiter einen Geschäftsführer, von je 10 Geschäftsführern einen Direktor, für je 10 Direktoren einen Gouverneur ernannt wissen; Unteroffiziers-Hauptmanns-Oberstenrang; die Arbeiter sind einfache Soldaten. Ihnen gibt der Staat 6,127,000 Hectars jetzt unbebauten Landes; sind zu viele Arbeiter in den Industrieen, oder zu wenige, so schickt man sie in diese Militärkolonien oder ruft sie von daher; die Geschäftsführer, in Verbindung mit den Gemeindevorstehern, besorgen diesen Wechselzug von Arbeitern zwischen Land und Fabrik. Die Kolonisten wohnen ärmlich, hart, einfach, aber gesund, und Sold, Kleidung u. s. w. sind militärisch und halten sich am streng Nothwendigen; die Hütten bestehen aus Lehm und Stroh, (also ein verteufelt spartanischer Bursche dieser Prinz Bonaparte!), und das alles kostet jährlich 160 Millionen dem Staate. Also Ihr wollt kein Phalanster? schön, hier kriegt ihr Hütten von Erde. Ihr wollt L. Blanc's sanftmüthiges System nicht? schön, hier kommt der Prinz mit dem Ladestocke. Eure Jungens werden Trommler und Pfeifer, Eure Damen werden Marketenderinnen, Eure Demoisellen laufen den Rekruten nach. Famos! Ihr schreit über Soldatendienst: dann seid Ihr darin bis an Euern Tod.“
12 Paris, 10. Dez. Wir haben es gesagt: die Präsidentenwahl ist das Gruppiren der Parteien unter Einem Namen, das Aneinanderreihen von Gleichgesinnten und Gesinnungslosen unter Einer Parole: Die Aufstellung der Gruppen und Truppen in Schlachtordnung. Ihr, die Ihr für Cavaignac oder Napoleon stimmt, stellt Euch diese Seite, Ihr Andern, die Ihr für den Hunger stimmt, auf jene. Der Sieg gehört dem Stärkern. Lassen wir für einen Augenblick Cavaignac und Napoleon, um auf die Hungerseite, die Seite der Arbeit und der Unterdrückung zu schauen, die jetzt sich mit fürchterlichem Getöse vernehmen läßt. In allen Quartiers bilden sich wieder die seit Juni verschwundenen Zusammenrottungen von Tausenden von Blousenmännern; die Blouse ist wieder herrschend geworden; die Blouse, die im Juni massakrirt oder in dumpfe Kellerraume eingesperrt wurde, tritt wieder triumphirend an's Tageslicht, und der furchtsame Krämer, ob Bonapartist ob Cavaignacist, schließt seine Bude und löscht das Gaslicht aus. Geht nur in die Klubs der Faubourgs hin, z. B. im Faubourg Maubert, wo der Arbeiter vor einigen Monaten noch sich und sein Elend und seine ausgehungerte Familie verbergen mußte, und seht wie die Juni-Insurrektion hier siegreich das Haupt erhebt. „Ihr sprecht von Rollin oder Raspail? Wir wollen gar keinen Präsidenten! Haben wir nicht noch nach dem Skeutinium uns zu vereinigen, um eine ganz andere Schlacht zu kämpfen?“ Blanqui, Barbés, Sobrier, Alles tritt in den Hintergrund; heute ist das Volk souverän und jeder Arbeiter mit dem bleichen Gesichte ist Mitglied des souveränen Volkes. Die schönen französischen Köpfe drängen sich in schwarzen Massen zusammen. Wo nur Polizeikommissare in den Klubs sich blicken lassen, werden sie gewaltsam herausgetrieben, und die Mobilgardisten stehen das Mitleid der Juni-Insurgenten an. Im Klub der Redoute tritt der Redner Barnabés Chauvelot auf und spricht den Dolch heilig, der die römischen Lande von dem imfamen Rossi befreit hat. Mobilgardisten und Liniensoldaten kommen ungeachtet aller Befehle in diese Klubs, um mit dem Volke zu fraternisiren. Marrast, Molé, Thiers — alle werden mit der ihnen gebührenden Verachtung behandelte, Molé, Thiers und Bugeaud, die jetzt die Hand desjenigen küssen, den sie vor Kurzem noch mit dem größten Hohne abwiesen! Von Zeit zu Zeit lassen Letztere ihre Klagen ertönen über das gänzliche Verschwinden der „moralischen Kraft.“ Als nach Besiegung der letzten Aufstände im Jahre 1834 und 1839 die Macht Louis Philipps so fest da stand, daß man auf jeden Versuch zur Umwälzung mit Lächeln herabsah, da war die „moralische Kraft“ recht in ihrer Blüthe. Man dachte gar nicht mehr an die Bajonnette Bugeauds und anderer Generäle, welche dieses statu quo durch Niedermetzeln der Arbeiter begründet hatten, und man brauchte nur noch den Abdruck von Bajonnetten, gemahlten Gewehren und Flinten von Zeit zu Zeit in den Städten und Wachtposten auszuhängen und das statu quo aufrecht zu halten.
Kam ja ein revolutionärer Wind, so mahlte man einige Flinten dazu, und Alles war abgemacht. Diese gemahlten Flinten — das war die moralische Kraft, das Statu quo und mit dieser Waffe war es auch, womit man Louis Napoleon „abdeckelte,“ das heißt ihm den kaiserlichen Hut abschlug. Dieser kaiserliche Hut wird nun von eben den Männern, die ihn früher abschlugen, aufgehoben, als letzte Stütze und man kann sich denken, mit welcher Verachtung die französischen Proletarier, die das französische Blut und den französischen Witz gerettet haben, auf sie herabblicken müssen. In dem Mont-Parnasse spricht man gerade zu von der Vernichtung dieser elenden Clique. Felix Pyat trägt darauf, daß den Armen wiedergegeben werde, was diese unverschämten Herrn des Privilegs ihnen geraubt hätten; Langlois trägt vor, daß die Transportirten und Gefangenen von Vincennes sich wohl um's Vaterland verdient gemacht hätten: Alles deutet darauf hin, daß der Sturz derjenigen Republick, welche nach dem Ausdrucke Pyat's wechselweise eine Polizei-Mütze und eine Schlafmütze auf dem Kopfe trägt, vor der Thüre steht. Auf dem Platze Maubert versammeln sich alle Abende über 10,000 Arbeiter und rufen: Tod der Mobilgarde, Tod den Henkern Cavaignac's. Unter diesen 10,000 befinden sich dis Weiber und Kinder der 10,000 Juni-Besiegten, die in den Cassematten schmachten, und schreien um Rache. Auf dem Platze Vendome, wo Louis-Napoleon wohnt, versammeln sich die Napoleoniten und hier darf der Name Cavaignacs nicht genannt werden.
„Bürger, ruft Bernard, in dem Club Batignolles aus, schwere Begebenheiten stehen uns bevor: seid auf Alles gefaßt: und wenn ja Napoleon oder Bonaparte zum Präsidenten ernannt wird, so haltet Eure Dolche in Bereitschaft, denn wir könnten ihrer bedürfen zur Befreiung von einem Tyrannen! Und denn denkt an Eins: wir haben es mit keiner Candidatur zu thun: für uns handelt es sich darum, die gestohlenen Millionen den goldenen Kälbern und ihren Verehrern zu entreißen!“
Die Regierung schickt in allen Departements Bulletins mit dem Namen Cavaignac herum, die an den Rändern mit Kronen und Blumen eingefaßt sind. Es mag dies eine jener geistreichen Erfindungen des jetzigen Staatssekretairs und ehemaligen Buchhändlers Hetzels sein; aber es ist dieses so fehl gegriffen, daß selbst der konservative Korrespondent der belgischen Independance diese Maßregel mißbilligt. Cavaignac, ruft Bernard aus, verdient noch eher Kaiser zu sein, als Napoleon; denn Napoleon, der wirkliche Kaiser Napoleon, hat höchstens einige Dutzend Patrioten auf den Stufen der Kirche St. Roch niederschießen lassen, während Cavaignac tausende mit seinen Kartätschen gemordet hat.
Dies ist die Stimmung in Paris. Die Arbeiter sind wieder zu Tausenden aus ihren Häusern in die Straße hinabgestiegen. — —
Paris, 10. Dez. Die Boulevards, der Vendomeplatz, die Eingänge zu den Sektionsurnen und die breitesten Straßen der ganzen Stadt bieten heute das Bild eines Jahrmarktes dar. Die Punkte, auf denen es am lebhaftesten hergeht, sind immer noch der kaiserliche Palast auf dem Vendomeplatze; die Triumphbogen von St. Denis und Martin, so wie die Viertel von St. Jacques und Marcel.
In St. Marcel und St. Jacques wollte das Volk den Sturm gegen die Mobilgarde erneuern. Allein Lamoriciere roch den Verrath und verlegte gestern Abend 5 Uhr das 8. Bataillon der Mobilgarde, das gänzlich vernichtet werden sollte, in ein anderes Stadtviertel, nämlich in die Kasernen von Petits-Pures. In Folge dieses Manövers erscheint auch der berüchtigte Maubertusplatz ruhig und auch in jenem ewig revolutionären Viertel dürfte der heute begonnene Wahlakt ohne Blutvergießen vorüber gehen.
— Obgleich heute keine öffentliche Sitzung, so sind doch die Konferenzsääle der Nationalversammlung voll Repräsentanten, die sich namentlich über den Tag und die Proklamation der neuen Präsidenten besprechen. Wie es scheint, will man die Stimmzählung von Algerien und Korsika nicht abwarten, so daß wir noch vor dem 20. d. M. das Resultat kennen werden.
— In Lyon scheint außer der Präsidentenkomödie noch ein anderes Element eine große Gährung unter dem dasigen Proletariat hervorgerufen zu haben. Große Agitation herrscht in dem gefürchteten Viertel der Fabriken und Watiers von Croix-Rousse. Weiber und Kinder steckten am 8. Dezember mehrere Baugerüste in Brand und die Lyoner Journale („Salut public“, ein konservatives Blatt) überraschten uns heute mit folgender Proklamation an die Arbeiter:
Proklamation des Maire's von Croix-Rousse in Lyon an die Arbeiter!
Bürger! Die Gemeindeverwaltung empfindet sehr tief die allgemeine Aufregung, welche die Nachricht unter Euch hervorgerufen hat, daß die alten Festungsbastionen wieder aufgebaut werden sollen. Sie hat einen Ausschuß zu den betreffenden Behörden gesandt, um ihnen Eure Beunruhigungen mitzutheilen. Der Ausschuß hat die Versicherung erhalten, daß seine Reklamationen unverzüglich an die Exekutivgewalt in Paris berichtet werden sollen. Hoffet und bleibet ruhig.
Lyon, 8. December 1848.
(gez.) Rejanin, Maire.
— Cavaignac richtete gestern Abend eine lange Proklamation an die Pariser, aus der wir folgende Stellen entnehmen:
„Bürger! Morgen ist Jeder von Euch zur Erfüllung des feierlichsten Akts
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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