Neue Rheinische Zeitung. Nr. 161. Köln, 6. Dezember 1848. ** Bern, 2. Dez. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Französische Republik. 17 Paris, 2. Dez. Die Entscheidung naht; wehe der Nation, wenn sie sich durch allerhand Firlefanz länger foppen und von der Socialdemokratie abspenstig machen läßt, (Peuple souverain) wie dies leider den Anschein hat. Ein kaiserlicher Hanswurst, ein holzköpfiger Bourgeoisrepublikaner zanken sich um den Präsidentensessel; Gott erbarme sich Frankreichs! Wir wollen keinen der beiden, wir wollen einen Socialdemokraten; aber was soll werden, wenn die hohen Volksbelüger immer und immer oben bleiben und das Volk kindisch und dumm bleibt wie bisher? Es wäre gar nicht unmöglich, bei der schnurrigen Verdumpftheit dieses Volkes durch alle, auf des unsterblichen Robespierre Sturz gefolgte Regierungen, daß die Februarrepublik eines schönen Tages durch das vielgepriesene allgemeine Stimmrecht eben wieder zu Grabe getragen wird. Mit den Banketten beeilt man sich, man weiß nicht, was nach der Mitte dieses Monats zum Weihnachtsgeschenk verabreicht wird. Die Deutschen und Franzosen werden wieder ein kolossales Verbrüderungsfest nächste Woche feiern; morgen ist ein Bankett der Studenten, Polytechniker und sonstiger Schulen, wozu der deutsche Verein drei Einladekarten erhielt, wie das polnische und italienische Comite. Das socialdemokratische französische Studentencomite hat bereits mehrmals den sehnlichen Wunsch ausgesprochen, mit den deutschen Studenten in engste Verbindung zu treten, die auf diesem Wege eingeleitet und unverzüglich weiter betrieben werden wird. Mit ungemeiner Mühe ist es gelungen, einen Theil der Pariser Studentenschaft in die socialistische Richtung zu bringen; jetzt geht es, und man wird nicht mehr die betrübsame Erscheinung sehen, daß der Blousenmann sich achselzuckend vom Studenten abwenden mußte, weil letzterer bei dem bloßen Worte "Arbeitsrecht" oder "Kommunismus" u. s. w. ein rohes oder affektirtes Bourgeoisgelächter aufschlug. 12 Paris, 3 Dec. Die Sache wird mit jedem Tage toller. Was nicht die Parteien für Mittel und Wege anwenden, um ihren Kandidaten durchzubringen. In Paris gibt es sogenannte öffentliche Kartenschläger, die auch schon in "der guten stillen Zeit Guizots" ihr Handwerk trieben und das Publikum belustigten. Diese Charlatans fangen immer ihre Prophezeiungen mit einer Art Komödie in Form eines Monologs an. Man kann diesen Leuten einen gewissen Witz nicht absprechen, und hierdurch sowohl, sowie durch Späße aller Art gelingt es ihnen, einen Kreis von Zuschauern um sich zu sammeln. Erst am Ende rücken sie mit ihrem Handwerke hervor, und dann gelingt es ihnen immer, einige aus dem Kreise zu entführen, um ihnen ihr künftiges Loos für einige Sous zu weissagen. Alle Weissagungen lassen sich auf 2 reduziren: "Großes Unglück wird auf dein Haupt und auf deine Familie kommen, wenn Cavaignac Präsident wird." Oder aber: "Die Welt wird in Trümmer zerfallen, und du wirst vor allen andern untergehen, wenn Napoleon Präsident wird." Die Charlatans sind häufiger als je; das Publikum läßt sich lieber als je weissagen: Soldaten und Bauern zahlen nichts dafür. Man hat voraus für gratuirte Weissagungen gesorgt. Wie den Weissagern, so zerfallen auch die übrigen Marktschreier und Broschüren-Verkäufer in zwei Abtheilungen. Man kennt keine andere Litteratur, als die Bonapartistische und Cavaignacsche, keine andern Bücher als Biographien dieser "beiden großen Männer". Man bonapartisirt und cavaignacisirt an allen Straßenecken, in allen Klubs. Man will mit aller Gewalt die Ochsen entbonapartisiren, und da zeigt z. B. der kleine Hetzel sich sehr erfindungsreich in Anwendung von kleinen Pülverchen und Mittelchen, indem er Briefe von Louis Philipp und Henri V. und Duc de Joinville und allen andern vergangenen, zukünftigen und gegenwärtigen Prätendenten zirkuliren läßt, worin diese Ex-Hoheiten den Cavaignac als einen "regierungsfähigen" tüchtigen Präsidenten ihren vielgeliebten Ex-Mitbürgern anpreisen. Aber die Ochsen sind stierköpfig und bestehen auf dem Ex-Kaiser. Die kleinen Männer, wie Marrast und Hetzel und Bastide und wie die ganze Clique des National heißen mag, wissen recht wohl, daß sie mit Cavaignac aus der Höhe ihrer gegenwärtigen Stellung stürzen in ihre frühere mehr oder weniger prekäre Stellung. Aber das ärgert sie nicht so sehr, als daß sie, die doch bekannt waren für Männer von "Geist und Witz" sich zurückziehen sollen vor einem Ochsen wie Napoleon. Sie können gar nicht begreifen, daß die Bauern sich gar nicht belehren lassen wollen über Napoleon. Nun noch gar Cremieux, der ebenfalls auf die Seite Napoleons getreten ist -- das übersteigt ihre Fassungskraft. Wie gefährlich übrigens Napoleon für Cavaignac wird, geht schon daraus hervor, daß man allenthalben ausschreien läßt: "Verzicht Louis Napoleon auf die Präsidentschaft." Der Marschall Bugeaud, der zum Deputirten ernannt worden, hat sich ebenfalls auf Seite Louis Bonapartes geschlagen. 12 Paris, 3. Dezbr. Pius IX. kommt als politischer Flüchtling nach Paris; die religiöse Seite kommt keineswegs in Betracht, und wie wir bereits erwähnt, besteht die Politik Cavaignac's gerade darin, der Welt glauben zu machen, daß er in Pius IX. der Religion eine Freistätte in Frankreich eröffne. Es scheint, daß der Pabst die Absichten des "künftigen" Präsidenten durchschaut; der ehemalige Reformator, der die Franzosen durch seine kühne Initiative in Erstaunen setzte, weigert sich, den arabischen Leidenschaften eines Ehrgeizigen zum Deckmantel zu dienen: er steht an, nach Paris zu gehen. Freilich sind Cavaignac und Rothschild jetzt allmächtig; letzterer bedarf, um die Curse aufrecht zu halten, eines religiösen Beistandes, der ihm die auf die Bauern erhobenen 45 Centimes eintreiben hilft; und es wäre nicht nnmöglich, daß durch Intriguen aller Art das Widerstreben des Pabstes bekämpft werde. Aber, wie dem auch sein mag: der Pabst gehört keineswegs einem Rothschild und Cavaignac allein an; er gehört allen an, und wenn er nach Paris kömmt, so wird die katholische Partei Napoleons eben so sehr ihn in Anspruch nehmen können, wie Cavaignac. Wer weiß, ob nicht gar Pius IX. eben recht kömmt, um den künftigen Kaiser zu salben, rufen die bonapartistischen Blätter. Doch lassen wir den Pabst und den Kaiser für den Augenblick ruhen und sprechen von der demokratischen Partei. Die demokratischen Klubs, die Volksversammlungen in den Faubourgs werden mit jedem Tage stürmischer und drohender. Die Sozialisten und "Montagnards" sind noch nicht einig über die Wahl eines Kandidaten. Ledru-Rollin besucht alle Volksversammlungen, alle Klubs, und wird allenthalben mit stürmischem Beifall aufgenommen: er spricht wie ein Arbeiter aus dem Foubourg, er spricht dessen Wünsche in einer Sprache aus, die alle Anwesenden hinreißt, und doch stehen die Arbeiter an, ihn zu ihrem Candidaten zu ernennen. "Brüder, sprach Ledru-Rollin in der gestrigen Versammlung des Klubs von Faubourg du Temple, ich bin hier unter Euch gekommen, um mit Euch über etwas ganz anderes zu sprechen, als über die Präsidentschaft. Hätte ich gewußt, daß man hierüber von mir Auskunft verlange, so wäre ich gar nicht gekommen ... Ich verwerfe die Präsidentschaft, weil ich die Ueberzeugung habe, daß in einem revolutionären Lande wie Frankreich, eine Gewalt, die 4 Jahre auf der Nation lastet, den revolutionären Fortschritt hemmen muß. Es kaun einmal in Frankreich nichts Permanentes geben." Ledru-Rollin vertheidigt sich sodann gegen den Vorwurf, er sei ein Socialist, während sein Freund Cabet doch noch am Vorabend der Februarrevolution gesagt habe: "der Ledru-Rollin ist nicht bei Sinnen; der Mann denkt an eine Revolution." Was den 18. April und den 15. Mai anbeträfe, so habe er zwar an diesem Tage den Appel schlagen lassen, aber nicht um die Bourgeoisie, sondern um das Volk zusammenzurufen, damit das Volk nicht in die Hände politischer Intriguanten fiele. Dann kömmt er auf die Juni-Insurrektion zu sprechen und gesteht ein, daß er, Ledru-Rollin, Mitglied der exekutiven Commission, zwar Truppen nach Paris habe kommen lassen, aber lediglich um eine Bonapartistenbewegung zu bekämpfen, und um der Konstruktion von Barrikaden zuvorzukommen, denn er wisse recht gut, daß, wenn einmal Barrikaden aufgebaut, es Ströme von Blut koste, um sie niederzureißen. Er klagt Cavaignac an, einen Weg eingeschlagen zu haben, der dem Vaterlande viel Blut und Thränen gekostet habe. "Glaubt mir, meine Freunde, alle Gewalten der Welt sind für mich nicht so viel werth, als die Sympathien, die Ihr diesen Abend für mich an den Tag legt: ja, alle Gewalten der Welt sind mir nicht so lieb, als eine Kugel in voller Brust; ich würde mit Freuden in Euren Reihen für die Vertheidigung Eurer Freiheiten fallen wollen." In allen diesen Volksversammlungen wird Cavaignac wie Windischgrätz behandelt. Bugeaud ist, wie man weiß, zum Deputirten ernannt worden. Bugeaud ist Marschall, Bugeaud hat in Algier Siege gegen die Beduinen erfochten: Bugeaud mit einem Worte ist Soldat, ein arabischer Soldat und hat die Anlagen zu zwei Cavaignac's in sich, wenn es Noth thut. Dieser Bugeaud steht auf Seiten Napoleons. Changarnier ist ein Freund Bugeaud's, und dazu Kommandant der Bürgergarde von Paris. Die Bürgergarde hat viel Vertrauen zu Changarnier, und Changarnier steht ebenfalls auf Seiten Napoleons. Man spricht vom Bürgerkriege, ein Militärkrieg steht vor der Thüre. Der arabische Krieg in Algier kann von einem Augenblick zum andern Paris zum Kampfplatze wählen, um von Paris aus sich weiter und weiter bis über die französische Gränze zu wälzen. Es ist dies ein allgemeiner Kampf gegen die Araber, gegen die Beduinen, gegen die Cavaignac's und Windischgrätze aller Nationen. * Paris. Schluß der Rede Miroslawski's. Der große Vortheil der Brüderschaft der Köuige bis jetzt war, daß sie den gesunden Menschenverstand hatten, ihre ganze Politik zurückzuführen, auf diesen Ordnungsruf, den ihr vor 18 Jahrhunderten ein Ungeheuer von Messias vererbt hat. Der Irrthum der kriegführenden Demokratie war, noch naiv zu suchen nach einem Rußland, einem Oestreich, einem Preußen, einem Piemont, einem Lichtenstein, was weiß ich? solch Herzogthum, solch Kabinet, solche Partei, die ganze Fata Morgana der scholastischen Geographie und der offiziellen Diplomatie suchte sie da, wo die alten Verschlinger von all' diesem selbst nichts mehr wahrnehmen, als zwei ungeheure Armeen einander gegenübergestellt, einen Amboß und einen Hammer, und dann in der Mitte Polen. Ja Bürger, Polen, das sind die katalanischen Felder der modernen Zeit, das ist die zwischen den beiden Antagonisten liegende Position, welche die großen Feldherren sich streitig machen am Vorabend großer Schlachten, um sich den Erfolg des andern Tages zu sichern. Und hierin liegt das Geheimniß der instinktiven Sympathie und des wüthenden Hasses, welchen schon der blose Namen dieses Landes heraufbeschwört, eines Landes, dessen Gewicht in der Wagschale der Welt unbegreiflich geblieben ist für den gewöhnlichen Taktiker und die Akrobaten von Profession. "Ich habe Euer Polen gesehen, sagen diese Todtengräber der Menschheit und ich habe hier nur einen Sarg gefunden." Aber ich, antwortet das Wort Lammenais, ich habe hier geahnt und gefühlt eine -- Wiege. Diese Verpflichtung für die europäische Demokratie, Polen wieder aufzuerwecken, um jeden Preis, ist also nicht, Bürger, eine Sache eigensinniger Verbissenheit oder ein Argument des Bürgerkriegs, wie eure tödtlichsten Feinde euch überreden wollten. Nicht als wenn diese Nation mehr werth wäre, wie alle andern. Auch verlangt sie von euch nicht mehr Weihrauch für ihre Tugenden, als Thränen für ihr Mißgeschick und Nachsicht für ihre Fehler. Verflucht sie, verlästert sie, verläumdet sie, wenn ihr den Humor dazu habt, aber, bei der unsterblichen Seele der Menschheit, hört sie an, Brüder, hört sie! Hört sie, weil sie auf dem Vorposten eures bedrohten Reichs steht. Hört sie, weil sie durch ihr Dulden für sich und für die andern, die allgemeine Legende aller im Fegefeuer befindlichen Nationen geworden ist. Hört sie, weil ihre Tugenden, ihr Mißgeschick und ihre Fehler selbst, weil alles an ihr sie in die Schildwache des Unglückes verwandelt hat. Hört sie, weil alle Dolche eurer unversöhnlichen Feinde sich in in ihrem Herzen ein Rendezvous gegeben haben; weil sie euch warnend zumahnt von der Höhe ihrer Schädelstätte herab und weil ein Märtyrer nie lügt. Aber euer Polen, rufen sofort jene schmutzigen Spekulanten, weche die Welt durch die Lotterie gewinnen möchten, jene feigen Kranken, für welche eine Stunde heroischer Kur furchtbarer ist als ein ganzes Leben voll Aengsten und Schrecken; euer Polen, sagen sie, das ist der allgemeine Brand; aber euer Polen, das ist sofort ein Duell anf Leben und Tod mit allen Monarchien; das ist vielleicht der Ruin, der Bankerut alles dessen, was war, zum ausschließlichen Vortheil dessen, was sein will. Wohin denkt ihr Störenfriede? aber ihr schlagt uns damit vor, die Februarrevolution im Ernst zu nehmen? Nun wohl! So sei's dann am Ende, wozu taugen die Hinterhalte, die Schonung, die parlamentarischen Kunststücke am Vorabende des gemeinsamen Untergangs oder des gemeinsamen Triumphs? Ja, Polen, das ist das alles und noch Schlimmeres. Ja, Polen, das ist der Schlund des Curtius; aber es ist nothwendig, daß die demokratische Conföderation eilt, ihr Opfer hier hineinzuschleudern, unter der Gefahr sonst ganz von ihr verschlungen zu werden, sowohl mit dem, was sie war, als mit dem, was sie sein will. Sie muß, und ohne zu warten, diese schmähliche Lücke verstopfen, die unaufhörlich erweitert wird durch die asiatische Sündfluth. In einem Augenblick, wo die Wölbung des europäischen Gebäudes kracht und eure Häupter zu zerschmettern droht, ist es da an der Zeit, den Tarif des Hammers und den Arbeitslohn zu diskutiren? Geht sehn die umsichtigsten, egoistischsten, positivsten Zahlenmenschen der Welt; geht fragen die Kaufleute von Amsterdam, ob sie, um ihre Dämme auszubessern, abwarten, bis der Ocean ihre Comptoire überfluthet! Mieroslawski schließt mit der Ausführung, daß die vielen verunglückten Versuche in Preußen, Oesterreich u. s. w. immer an ihrem Vergehen gegen Polen scheitern, die Monate ihrer Erhebung aber immer mit einer offenen Anerkennung Polens zusammenfallen. Paris, 3. Dezember. (Details über den Papst.) Aus den uns gestern Abend zugegangenen Marseillerblätter vom 29. Nov. sehen wir, daß Se. Heiligkeit sich wahrscheinlich aus dem Quirinal durch geheimen Ausgang am 24. Nov. Abends 5 Uhr in das freie Feld flüchtete, weil sie entgegengesetzter Seits sich hätte durch die ganze Stadt begeben müssen, was man um jeden Preis vermeiden wollte, da sich das Volk der Flucht widersetzt haben würde. Ueber die Landschaft hinter dem Quirinal schlug der Papst und sein Gefolge offenbar den Weg von Terracina ein, von wo sie ihre Reise durch die sogenannten pontinischen Sümpfe bis Gaeta dicht über die römisch neapolitanische Gränze fortsetzten. Was weiter aus Sr. Heiligkeit geworden, darüber enthalten die Blätter durchaus nichts Bestimmtes. Aus der telegraphischen Depesche des Consuls in Civita Vecchia an Bastide erfuhr man nur, daß der Papst den Dämpfer Tenare von dort nach Gaeta eingeladen hatte, um ihn an Bord zu nehmen. Diese Einschiffung soll am 26. Nov. im Laufe des Tags erfolgt sein. Hiermit schließen die Berichte. -- Das Journal des Debats ist sehr besorgt um das Schicksal des Papstes. Am 25. Nov. mußte derselbe in Gaeta eintreffen und man weiß nicht, ob er sich eingeschifft hat auf dem Tenare und wohin er seinen Weg gerichtet? Sieben volle Tage sind verflossen, ohne alle Spur! -- Das Lamartin'sche Bien public sagt: "Man meldet uns so eben (Abends) daß die Regierung eine telegraphische Depesche erhielt, die ihr die Ankunft des Papstes in Marseille anzeigt." -- Der Moniteur, der um 2 Uhr Nachts unter die Presse geht, enthält indessen keine Silbe aus Marseille oder Toulon. -- Die "Genua'r Zeitung" vom 28. Nov. behauptet, der Papst habe sich nach Malta gewandt. Ein Florentiner Blatt läßt ihn in Neapel landen. -- Im Operngange verbreitet sich so eben (Mittags) das Gerücht, daß der König von Neapel den Toskanern und Römern den Krieg erklärt habe. Neapel selbst sei in großer Aufregung. Man eutsinnt sich daß Toskana (Florenz) einen Abgeordneten Siziliens empfangen und das sizilische Wappen über die Thüre der Gesandschaft geheftet hatte. -- Der Kampf zwischen Sozialisten und den sogenannten "reinen" Demokraten, aus Anlaß der Präsidentschaftswahl dauert fort. Wir erwähnten früher daß sich zwei Ausschüsse, Central Comite von Proudhonisten, und ein Wahlkongreß von Ledru-Rollinisten hier gebildet hätten. Die "Revolution" (Ledru-Rollins Blatt) zeigt heute in großer Schrift an, daß der Wahlkongreß von 300 Delegirten aus Paris, den Departements, den Gewerben (?) der Armee und den Kolonien, mit Einstimmigkeit, weniger 3 Stimmen beschlossen habe: den Bürger Ledru-Rollin als einzigen Kandidaen zur Präsidentschaft aufzustellen. Das kommunistische Central Comite erklärt jedoch seinerseits daß die gesammte sozialistische Partei an ihrem Kandidat Raspail festhalte. Wem wird dieser Kampf nützen? -- Auch Rom hat nun seine akademische Legion. Am 10. Nov. ist dieselbe feierlich organisirt worden. -- Die grauhäärige Gazette de France fährt fürchterlich über die Demokratie pacifique her, weil sie es gewagt, gestern schon auszurufen: Es lebe die römische Republik! -- Höre man, wie die bonapartistische Presse die Flucht des Papstes nach Frankreich ausbeutet: "Die Anhänger Cavaignac's deuten die römischen Ereignisse zum besten ihres Kandidaten. Aber im Gegentheile werden sie dem Hr. Louis Bonaparte nützen. Möge ein Volk und ein Genie zu seinem Werkzeug dienen. Jedenfalls führt Gott Pius IX. zu uns wie er uns Pius VII. zu einer anderen Zeit zuführt." -- Es heißt, der Papst werde in Fontainebleau wohnen und nicht in den Tuilerien wie wir gestern berichteten. -- Justizminister Marie vertritt den Unterrichtsminister Freslon interimistisch. -- Louis Bonaparte veröffentlicht heute einen Brief in allen Journalen, worin er erklärt, daß er gegen die Expedition von Civita-Vecchia gestimmt habe, so sehr er auch geneigt sei, alle Maßregeln zu billigen, welche die Freiheit und die Autorität des Papstes bezwecken. -- Hr. Thiers hat sich von seiner Gattin von Tisch und Bett getrennt, obgleich sie noch unter demselben Dach wohnen. -- Abbe Romini ist keineswegs in Paris eingetroffen, um die französische Intervention anzurufen. -- Marrast und der ganze Generalstab der Nationalversammlung wollen Sr. Heiligkeit bis Bourges entgegen fahren, um ihr dort die Pantoffeln zu küssen. -- Marrast besuchte gestern das Vaudevilletheater am Börsenplatz und wurde von einigen Individuen gröblich beleidigt. -- Der National enthält heute einen Artikel gegen den General Changarnier, aus welchem hervorgeht, daß Cavaignac mit dem Plane umgeht, diesen royalistisch-bonapartistisch gesinnten Oberbefehlshaber der Pariser Bürgerwehr abzusetzen. Das wäre ein Ereigniß. * Paris, 3. Dezember 4 Uhr Nachmittags. Die letzten Nachrichten, welche die Regierung erhielt, sind aus Gaeta vom 26 November. An diesem Tage sollte der Papst daselbst anlangen. Der französische Konsul in Civita Vecchia hatte sich auf dem Tenare eingeschifft und war nach Gaeta gefahren, um den Papst abzuholen. Soweit die Regierungsnachrichten. Da indessen das Wetter heute nach langer Zeit zum ersten Male wieder klar ist, so hofft man noch heute auf telegraphische Nachrichten aus Toulon oder Marseille. -- Aus Wien ist ein Kurier eingetroffen, welcher der Regierung anzeigt, daß der Hof von Wien einwilligt, die Mediationsverhandlungen wegen Italien's in Brüssel zu eröffnen. * Paris.
Herr Cremieux hat folgenden Brief an das Siecle und den Constitutionel geschrieben. "Ein Brief, unterzeichnet von sechs Repräsentanten aus dem Departement Indre-et-Loire, unterstützt die Candidatur des Generals Cavaignac; das "Siecle" von diesem Morgen theilt diesen Brief, der an das Comite von Tours gerichtet ist, mit, und setzt folgende Note in Form eines Postscpriptum hinzu. "Note: Herr Cremieux hat sich einige Tage Bedenkzeit ausgebeten!" Alle meine Sechs Collegen desavouiren diese seltsame Note; sie wissen, daß ich ohne alle Bedenkzeit dem Comite gleich geantwortet habe: Da Sie nun in Ihrem Journale die kollektive Erklärung zu Gunsten des Generals Cavaignac's aufgenommen haben, so werden Sie hoffentlich die meinige ebenfalls nicht zurückweisen. "Ich stimme für Louis Napoleon. Genehmigen Sie etc. Ad. Cremieux." Die "Assemblee Nationale" spricht sich ebenfalls für die Candidatur Napoleons aus, und verspricht ihm den Anhang aller französischen Marchals und von ungefähr 200 General-Offizieren der Infanterie sowohl als der Marine. ** Bern, 2. Dez. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Französische Republik. 17 Paris, 2. Dez. Die Entscheidung naht; wehe der Nation, wenn sie sich durch allerhand Firlefanz länger foppen und von der Socialdemokratie abspenstig machen läßt, (Peuple souverain) wie dies leider den Anschein hat. Ein kaiserlicher Hanswurst, ein holzköpfiger Bourgeoisrepublikaner zanken sich um den Präsidentensessel; Gott erbarme sich Frankreichs! Wir wollen keinen der beiden, wir wollen einen Socialdemokraten; aber was soll werden, wenn die hohen Volksbelüger immer und immer oben bleiben und das Volk kindisch und dumm bleibt wie bisher? Es wäre gar nicht unmöglich, bei der schnurrigen Verdumpftheit dieses Volkes durch alle, auf des unsterblichen Robespierre Sturz gefolgte Regierungen, daß die Februarrepublik eines schönen Tages durch das vielgepriesene allgemeine Stimmrecht eben wieder zu Grabe getragen wird. Mit den Banketten beeilt man sich, man weiß nicht, was nach der Mitte dieses Monats zum Weihnachtsgeschenk verabreicht wird. Die Deutschen und Franzosen werden wieder ein kolossales Verbrüderungsfest nächste Woche feiern; morgen ist ein Bankett der Studenten, Polytechniker und sonstiger Schulen, wozu der deutsche Verein drei Einladekarten erhielt, wie das polnische und italienische Comite. Das socialdemokratische französische Studentencomite hat bereits mehrmals den sehnlichen Wunsch ausgesprochen, mit den deutschen Studenten in engste Verbindung zu treten, die auf diesem Wege eingeleitet und unverzüglich weiter betrieben werden wird. Mit ungemeiner Mühe ist es gelungen, einen Theil der Pariser Studentenschaft in die socialistische Richtung zu bringen; jetzt geht es, und man wird nicht mehr die betrübsame Erscheinung sehen, daß der Blousenmann sich achselzuckend vom Studenten abwenden mußte, weil letzterer bei dem bloßen Worte „Arbeitsrecht“ oder „Kommunismus“ u. s. w. ein rohes oder affektirtes Bourgeoisgelächter aufschlug. 12 Paris, 3 Dec. Die Sache wird mit jedem Tage toller. Was nicht die Parteien für Mittel und Wege anwenden, um ihren Kandidaten durchzubringen. In Paris gibt es sogenannte öffentliche Kartenschläger, die auch schon in „der guten stillen Zeit Guizots“ ihr Handwerk trieben und das Publikum belustigten. Diese Charlatans fangen immer ihre Prophezeiungen mit einer Art Komödie in Form eines Monologs an. Man kann diesen Leuten einen gewissen Witz nicht absprechen, und hierdurch sowohl, sowie durch Späße aller Art gelingt es ihnen, einen Kreis von Zuschauern um sich zu sammeln. Erst am Ende rücken sie mit ihrem Handwerke hervor, und dann gelingt es ihnen immer, einige aus dem Kreise zu entführen, um ihnen ihr künftiges Loos für einige Sous zu weissagen. Alle Weissagungen lassen sich auf 2 reduziren: „Großes Unglück wird auf dein Haupt und auf deine Familie kommen, wenn Cavaignac Präsident wird.“ Oder aber: „Die Welt wird in Trümmer zerfallen, und du wirst vor allen andern untergehen, wenn Napoleon Präsident wird.“ Die Charlatans sind häufiger als je; das Publikum läßt sich lieber als je weissagen: Soldaten und Bauern zahlen nichts dafür. Man hat voraus für gratuirte Weissagungen gesorgt. Wie den Weissagern, so zerfallen auch die übrigen Marktschreier und Broschüren-Verkäufer in zwei Abtheilungen. Man kennt keine andere Litteratur, als die Bonapartistische und Cavaignacsche, keine andern Bücher als Biographien dieser „beiden großen Männer“. Man bonapartisirt und cavaignacisirt an allen Straßenecken, in allen Klubs. Man will mit aller Gewalt die Ochsen entbonapartisiren, und da zeigt z. B. der kleine Hetzel sich sehr erfindungsreich in Anwendung von kleinen Pülverchen und Mittelchen, indem er Briefe von Louis Philipp und Henri V. und Duc de Joinville und allen andern vergangenen, zukünftigen und gegenwärtigen Prätendenten zirkuliren läßt, worin diese Ex-Hoheiten den Cavaignac als einen „regierungsfähigen“ tüchtigen Präsidenten ihren vielgeliebten Ex-Mitbürgern anpreisen. Aber die Ochsen sind stierköpfig und bestehen auf dem Ex-Kaiser. Die kleinen Männer, wie Marrast und Hetzel und Bastide und wie die ganze Clique des National heißen mag, wissen recht wohl, daß sie mit Cavaignac aus der Höhe ihrer gegenwärtigen Stellung stürzen in ihre frühere mehr oder weniger prekäre Stellung. Aber das ärgert sie nicht so sehr, als daß sie, die doch bekannt waren für Männer von „Geist und Witz“ sich zurückziehen sollen vor einem Ochsen wie Napoleon. Sie können gar nicht begreifen, daß die Bauern sich gar nicht belehren lassen wollen über Napoleon. Nun noch gar Cremieux, der ebenfalls auf die Seite Napoleons getreten ist — das übersteigt ihre Fassungskraft. Wie gefährlich übrigens Napoleon für Cavaignac wird, geht schon daraus hervor, daß man allenthalben ausschreien läßt: „Verzicht Louis Napoleon auf die Präsidentschaft.“ Der Marschall Bugeaud, der zum Deputirten ernannt worden, hat sich ebenfalls auf Seite Louis Bonapartes geschlagen. 12 Paris, 3. Dezbr. Pius IX. kommt als politischer Flüchtling nach Paris; die religiöse Seite kommt keineswegs in Betracht, und wie wir bereits erwähnt, besteht die Politik Cavaignac's gerade darin, der Welt glauben zu machen, daß er in Pius IX. der Religion eine Freistätte in Frankreich eröffne. Es scheint, daß der Pabst die Absichten des „künftigen“ Präsidenten durchschaut; der ehemalige Reformator, der die Franzosen durch seine kühne Initiative in Erstaunen setzte, weigert sich, den arabischen Leidenschaften eines Ehrgeizigen zum Deckmantel zu dienen: er steht an, nach Paris zu gehen. Freilich sind Cavaignac und Rothschild jetzt allmächtig; letzterer bedarf, um die Curse aufrecht zu halten, eines religiösen Beistandes, der ihm die auf die Bauern erhobenen 45 Centimes eintreiben hilft; und es wäre nicht nnmöglich, daß durch Intriguen aller Art das Widerstreben des Pabstes bekämpft werde. Aber, wie dem auch sein mag: der Pabst gehört keineswegs einem Rothschild und Cavaignac allein an; er gehört allen an, und wenn er nach Paris kömmt, so wird die katholische Partei Napoleons eben so sehr ihn in Anspruch nehmen können, wie Cavaignac. Wer weiß, ob nicht gar Pius IX. eben recht kömmt, um den künftigen Kaiser zu salben, rufen die bonapartistischen Blätter. Doch lassen wir den Pabst und den Kaiser für den Augenblick ruhen und sprechen von der demokratischen Partei. Die demokratischen Klubs, die Volksversammlungen in den Faubourgs werden mit jedem Tage stürmischer und drohender. Die Sozialisten und „Montagnards“ sind noch nicht einig über die Wahl eines Kandidaten. Ledru-Rollin besucht alle Volksversammlungen, alle Klubs, und wird allenthalben mit stürmischem Beifall aufgenommen: er spricht wie ein Arbeiter aus dem Foubourg, er spricht dessen Wünsche in einer Sprache aus, die alle Anwesenden hinreißt, und doch stehen die Arbeiter an, ihn zu ihrem Candidaten zu ernennen. „Brüder, sprach Ledru-Rollin in der gestrigen Versammlung des Klubs von Faubourg du Temple, ich bin hier unter Euch gekommen, um mit Euch über etwas ganz anderes zu sprechen, als über die Präsidentschaft. Hätte ich gewußt, daß man hierüber von mir Auskunft verlange, so wäre ich gar nicht gekommen … Ich verwerfe die Präsidentschaft, weil ich die Ueberzeugung habe, daß in einem revolutionären Lande wie Frankreich, eine Gewalt, die 4 Jahre auf der Nation lastet, den revolutionären Fortschritt hemmen muß. Es kaun einmal in Frankreich nichts Permanentes geben.“ Ledru-Rollin vertheidigt sich sodann gegen den Vorwurf, er sei ein Socialist, während sein Freund Cabet doch noch am Vorabend der Februarrevolution gesagt habe: „der Ledru-Rollin ist nicht bei Sinnen; der Mann denkt an eine Revolution.“ Was den 18. April und den 15. Mai anbeträfe, so habe er zwar an diesem Tage den Appel schlagen lassen, aber nicht um die Bourgeoisie, sondern um das Volk zusammenzurufen, damit das Volk nicht in die Hände politischer Intriguanten fiele. Dann kömmt er auf die Juni-Insurrektion zu sprechen und gesteht ein, daß er, Ledru-Rollin, Mitglied der exekutiven Commission, zwar Truppen nach Paris habe kommen lassen, aber lediglich um eine Bonapartistenbewegung zu bekämpfen, und um der Konstruktion von Barrikaden zuvorzukommen, denn er wisse recht gut, daß, wenn einmal Barrikaden aufgebaut, es Ströme von Blut koste, um sie niederzureißen. Er klagt Cavaignac an, einen Weg eingeschlagen zu haben, der dem Vaterlande viel Blut und Thränen gekostet habe. „Glaubt mir, meine Freunde, alle Gewalten der Welt sind für mich nicht so viel werth, als die Sympathien, die Ihr diesen Abend für mich an den Tag legt: ja, alle Gewalten der Welt sind mir nicht so lieb, als eine Kugel in voller Brust; ich würde mit Freuden in Euren Reihen für die Vertheidigung Eurer Freiheiten fallen wollen.“ In allen diesen Volksversammlungen wird Cavaignac wie Windischgrätz behandelt. Bugeaud ist, wie man weiß, zum Deputirten ernannt worden. Bugeaud ist Marschall, Bugeaud hat in Algier Siege gegen die Beduinen erfochten: Bugeaud mit einem Worte ist Soldat, ein arabischer Soldat und hat die Anlagen zu zwei Cavaignac's in sich, wenn es Noth thut. Dieser Bugeaud steht auf Seiten Napoleons. Changarnier ist ein Freund Bugeaud's, und dazu Kommandant der Bürgergarde von Paris. Die Bürgergarde hat viel Vertrauen zu Changarnier, und Changarnier steht ebenfalls auf Seiten Napoleons. Man spricht vom Bürgerkriege, ein Militärkrieg steht vor der Thüre. Der arabische Krieg in Algier kann von einem Augenblick zum andern Paris zum Kampfplatze wählen, um von Paris aus sich weiter und weiter bis über die französische Gränze zu wälzen. Es ist dies ein allgemeiner Kampf gegen die Araber, gegen die Beduinen, gegen die Cavaignac's und Windischgrätze aller Nationen. * Paris. Schluß der Rede Miroslawski's. Der große Vortheil der Brüderschaft der Köuige bis jetzt war, daß sie den gesunden Menschenverstand hatten, ihre ganze Politik zurückzuführen, auf diesen Ordnungsruf, den ihr vor 18 Jahrhunderten ein Ungeheuer von Messias vererbt hat. Der Irrthum der kriegführenden Demokratie war, noch naiv zu suchen nach einem Rußland, einem Oestreich, einem Preußen, einem Piemont, einem Lichtenstein, was weiß ich? solch Herzogthum, solch Kabinet, solche Partei, die ganze Fata Morgana der scholastischen Geographie und der offiziellen Diplomatie suchte sie da, wo die alten Verschlinger von all' diesem selbst nichts mehr wahrnehmen, als zwei ungeheure Armeen einander gegenübergestellt, einen Amboß und einen Hammer, und dann in der Mitte Polen. Ja Bürger, Polen, das sind die katalanischen Felder der modernen Zeit, das ist die zwischen den beiden Antagonisten liegende Position, welche die großen Feldherren sich streitig machen am Vorabend großer Schlachten, um sich den Erfolg des andern Tages zu sichern. Und hierin liegt das Geheimniß der instinktiven Sympathie und des wüthenden Hasses, welchen schon der blose Namen dieses Landes heraufbeschwört, eines Landes, dessen Gewicht in der Wagschale der Welt unbegreiflich geblieben ist für den gewöhnlichen Taktiker und die Akrobaten von Profession. „Ich habe Euer Polen gesehen, sagen diese Todtengräber der Menschheit und ich habe hier nur einen Sarg gefunden.“ Aber ich, antwortet das Wort Lammenais, ich habe hier geahnt und gefühlt eine — Wiege. Diese Verpflichtung für die europäische Demokratie, Polen wieder aufzuerwecken, um jeden Preis, ist also nicht, Bürger, eine Sache eigensinniger Verbissenheit oder ein Argument des Bürgerkriegs, wie eure tödtlichsten Feinde euch überreden wollten. Nicht als wenn diese Nation mehr werth wäre, wie alle andern. Auch verlangt sie von euch nicht mehr Weihrauch für ihre Tugenden, als Thränen für ihr Mißgeschick und Nachsicht für ihre Fehler. Verflucht sie, verlästert sie, verläumdet sie, wenn ihr den Humor dazu habt, aber, bei der unsterblichen Seele der Menschheit, hört sie an, Brüder, hört sie! Hört sie, weil sie auf dem Vorposten eures bedrohten Reichs steht. Hört sie, weil sie durch ihr Dulden für sich und für die andern, die allgemeine Legende aller im Fegefeuer befindlichen Nationen geworden ist. Hört sie, weil ihre Tugenden, ihr Mißgeschick und ihre Fehler selbst, weil alles an ihr sie in die Schildwache des Unglückes verwandelt hat. Hört sie, weil alle Dolche eurer unversöhnlichen Feinde sich in in ihrem Herzen ein Rendezvous gegeben haben; weil sie euch warnend zumahnt von der Höhe ihrer Schädelstätte herab und weil ein Märtyrer nie lügt. Aber euer Polen, rufen sofort jene schmutzigen Spekulanten, weche die Welt durch die Lotterie gewinnen möchten, jene feigen Kranken, für welche eine Stunde heroischer Kur furchtbarer ist als ein ganzes Leben voll Aengsten und Schrecken; euer Polen, sagen sie, das ist der allgemeine Brand; aber euer Polen, das ist sofort ein Duell anf Leben und Tod mit allen Monarchien; das ist vielleicht der Ruin, der Bankerut alles dessen, was war, zum ausschließlichen Vortheil dessen, was sein will. Wohin denkt ihr Störenfriede? aber ihr schlagt uns damit vor, die Februarrevolution im Ernst zu nehmen? Nun wohl! So sei's dann am Ende, wozu taugen die Hinterhalte, die Schonung, die parlamentarischen Kunststücke am Vorabende des gemeinsamen Untergangs oder des gemeinsamen Triumphs? Ja, Polen, das ist das alles und noch Schlimmeres. Ja, Polen, das ist der Schlund des Curtius; aber es ist nothwendig, daß die demokratische Conföderation eilt, ihr Opfer hier hineinzuschleudern, unter der Gefahr sonst ganz von ihr verschlungen zu werden, sowohl mit dem, was sie war, als mit dem, was sie sein will. Sie muß, und ohne zu warten, diese schmähliche Lücke verstopfen, die unaufhörlich erweitert wird durch die asiatische Sündfluth. In einem Augenblick, wo die Wölbung des europäischen Gebäudes kracht und eure Häupter zu zerschmettern droht, ist es da an der Zeit, den Tarif des Hammers und den Arbeitslohn zu diskutiren? Geht sehn die umsichtigsten, egoistischsten, positivsten Zahlenmenschen der Welt; geht fragen die Kaufleute von Amsterdam, ob sie, um ihre Dämme auszubessern, abwarten, bis der Ocean ihre Comptoire überfluthet! Mieroslawski schließt mit der Ausführung, daß die vielen verunglückten Versuche in Preußen, Oesterreich u. s. w. immer an ihrem Vergehen gegen Polen scheitern, die Monate ihrer Erhebung aber immer mit einer offenen Anerkennung Polens zusammenfallen. Paris, 3. Dezember. (Details über den Papst.) Aus den uns gestern Abend zugegangenen Marseillerblätter vom 29. Nov. sehen wir, daß Se. Heiligkeit sich wahrscheinlich aus dem Quirinal durch geheimen Ausgang am 24. Nov. Abends 5 Uhr in das freie Feld flüchtete, weil sie entgegengesetzter Seits sich hätte durch die ganze Stadt begeben müssen, was man um jeden Preis vermeiden wollte, da sich das Volk der Flucht widersetzt haben würde. Ueber die Landschaft hinter dem Quirinal schlug der Papst und sein Gefolge offenbar den Weg von Terracina ein, von wo sie ihre Reise durch die sogenannten pontinischen Sümpfe bis Gaeta dicht über die römisch neapolitanische Gränze fortsetzten. Was weiter aus Sr. Heiligkeit geworden, darüber enthalten die Blätter durchaus nichts Bestimmtes. Aus der telegraphischen Depesche des Consuls in Civita Vecchia an Bastide erfuhr man nur, daß der Papst den Dämpfer Tenare von dort nach Gaeta eingeladen hatte, um ihn an Bord zu nehmen. Diese Einschiffung soll am 26. Nov. im Laufe des Tags erfolgt sein. Hiermit schließen die Berichte. — Das Journal des Debats ist sehr besorgt um das Schicksal des Papstes. Am 25. Nov. mußte derselbe in Gaeta eintreffen und man weiß nicht, ob er sich eingeschifft hat auf dem Tenare und wohin er seinen Weg gerichtet? Sieben volle Tage sind verflossen, ohne alle Spur! — Das Lamartin'sche Bien public sagt: „Man meldet uns so eben (Abends) daß die Regierung eine telegraphische Depesche erhielt, die ihr die Ankunft des Papstes in Marseille anzeigt.“ — Der Moniteur, der um 2 Uhr Nachts unter die Presse geht, enthält indessen keine Silbe aus Marseille oder Toulon. — Die „Genua'r Zeitung“ vom 28. Nov. behauptet, der Papst habe sich nach Malta gewandt. Ein Florentiner Blatt läßt ihn in Neapel landen. — Im Operngange verbreitet sich so eben (Mittags) das Gerücht, daß der König von Neapel den Toskanern und Römern den Krieg erklärt habe. Neapel selbst sei in großer Aufregung. Man eutsinnt sich daß Toskana (Florenz) einen Abgeordneten Siziliens empfangen und das sizilische Wappen über die Thüre der Gesandschaft geheftet hatte. — Der Kampf zwischen Sozialisten und den sogenannten „reinen“ Demokraten, aus Anlaß der Präsidentschaftswahl dauert fort. Wir erwähnten früher daß sich zwei Ausschüsse, Central Comite von Proudhonisten, und ein Wahlkongreß von Ledru-Rollinisten hier gebildet hätten. Die „Revolution“ (Ledru-Rollins Blatt) zeigt heute in großer Schrift an, daß der Wahlkongreß von 300 Delegirten aus Paris, den Departements, den Gewerben (?) der Armee und den Kolonien, mit Einstimmigkeit, weniger 3 Stimmen beschlossen habe: den Bürger Ledru-Rollin als einzigen Kandidaen zur Präsidentschaft aufzustellen. Das kommunistische Central Comite erklärt jedoch seinerseits daß die gesammte sozialistische Partei an ihrem Kandidat Raspail festhalte. Wem wird dieser Kampf nützen? — Auch Rom hat nun seine akademische Legion. Am 10. Nov. ist dieselbe feierlich organisirt worden. — Die grauhäärige Gazette de France fährt fürchterlich über die Demokratie pacifique her, weil sie es gewagt, gestern schon auszurufen: Es lebe die römische Republik! — Höre man, wie die bonapartistische Presse die Flucht des Papstes nach Frankreich ausbeutet: „Die Anhänger Cavaignac's deuten die römischen Ereignisse zum besten ihres Kandidaten. Aber im Gegentheile werden sie dem Hr. Louis Bonaparte nützen. Möge ein Volk und ein Genie zu seinem Werkzeug dienen. Jedenfalls führt Gott Pius IX. zu uns wie er uns Pius VII. zu einer anderen Zeit zuführt.“ — Es heißt, der Papst werde in Fontainebleau wohnen und nicht in den Tuilerien wie wir gestern berichteten. — Justizminister Marie vertritt den Unterrichtsminister Freslon interimistisch. — Louis Bonaparte veröffentlicht heute einen Brief in allen Journalen, worin er erklärt, daß er gegen die Expedition von Civita-Vecchia gestimmt habe, so sehr er auch geneigt sei, alle Maßregeln zu billigen, welche die Freiheit und die Autorität des Papstes bezwecken. — Hr. Thiers hat sich von seiner Gattin von Tisch und Bett getrennt, obgleich sie noch unter demselben Dach wohnen. — Abbe Romini ist keineswegs in Paris eingetroffen, um die französische Intervention anzurufen. — Marrast und der ganze Generalstab der Nationalversammlung wollen Sr. Heiligkeit bis Bourges entgegen fahren, um ihr dort die Pantoffeln zu küssen. — Marrast besuchte gestern das Vaudevilletheater am Börsenplatz und wurde von einigen Individuen gröblich beleidigt. — Der National enthält heute einen Artikel gegen den General Changarnier, aus welchem hervorgeht, daß Cavaignac mit dem Plane umgeht, diesen royalistisch-bonapartistisch gesinnten Oberbefehlshaber der Pariser Bürgerwehr abzusetzen. Das wäre ein Ereigniß. * Paris, 3. Dezember 4 Uhr Nachmittags. Die letzten Nachrichten, welche die Regierung erhielt, sind aus Gaeta vom 26 November. An diesem Tage sollte der Papst daselbst anlangen. Der französische Konsul in Civita Vecchia hatte sich auf dem Tenare eingeschifft und war nach Gaeta gefahren, um den Papst abzuholen. Soweit die Regierungsnachrichten. Da indessen das Wetter heute nach langer Zeit zum ersten Male wieder klar ist, so hofft man noch heute auf telegraphische Nachrichten aus Toulon oder Marseille. — Aus Wien ist ein Kurier eingetroffen, welcher der Regierung anzeigt, daß der Hof von Wien einwilligt, die Mediationsverhandlungen wegen Italien's in Brüssel zu eröffnen. * Paris.
Herr Cremieux hat folgenden Brief an das Siecle und den Constitutionel geschrieben. „Ein Brief, unterzeichnet von sechs Repräsentanten aus dem Departement Indre-et-Loire, unterstützt die Candidatur des Generals Cavaignac; das „Siecle“ von diesem Morgen theilt diesen Brief, der an das Comite von Tours gerichtet ist, mit, und setzt folgende Note in Form eines Postscpriptum hinzu. „Note: Herr Cremieux hat sich einige Tage Bedenkzeit ausgebeten!“ Alle meine Sechs Collegen desavouiren diese seltsame Note; sie wissen, daß ich ohne alle Bedenkzeit dem Comite gleich geantwortet habe: Da Sie nun in Ihrem Journale die kollektive Erklärung zu Gunsten des Generals Cavaignac's aufgenommen haben, so werden Sie hoffentlich die meinige ebenfalls nicht zurückweisen. „Ich stimme für Louis Napoleon. Genehmigen Sie etc. Ad. Cremieux.“ Die „Assemblee Nationale“ spricht sich ebenfalls für die Candidatur Napoleons aus, und verspricht ihm den Anhang aller französischen Marchals und von ungefähr 200 General-Offizieren der Infanterie sowohl als der Marine. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="0859"/> <div xml:id="ar161_019_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Der Bundesrat und die auswärtigen Gesandten – ..., vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8. </bibl> </note> <head><bibl><author>**</author></bibl> Bern, 2. Dez.</head> <gap reason="copyright"/> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar161_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 2. Dez.</head> <p>Die Entscheidung naht; wehe der Nation, wenn sie sich durch allerhand Firlefanz länger foppen und von der Socialdemokratie abspenstig machen läßt, (Peuple souverain) wie dies leider den Anschein hat. Ein kaiserlicher Hanswurst, ein holzköpfiger Bourgeoisrepublikaner zanken sich um den Präsidentensessel; Gott erbarme sich Frankreichs! Wir wollen keinen der beiden, wir wollen einen Socialdemokraten; aber was soll werden, wenn die hohen Volksbelüger immer und immer oben bleiben und das Volk kindisch und dumm bleibt wie bisher? Es wäre gar nicht unmöglich, bei der schnurrigen Verdumpftheit dieses Volkes durch alle, auf des unsterblichen Robespierre Sturz gefolgte Regierungen, daß die Februarrepublik eines schönen Tages durch das vielgepriesene allgemeine Stimmrecht eben wieder zu Grabe getragen wird. Mit den Banketten beeilt man sich, man weiß nicht, was nach der Mitte dieses Monats zum Weihnachtsgeschenk verabreicht wird. Die Deutschen und Franzosen werden wieder ein kolossales Verbrüderungsfest nächste Woche feiern; morgen ist ein Bankett der Studenten, Polytechniker und sonstiger Schulen, wozu der deutsche Verein drei Einladekarten erhielt, wie das polnische und italienische Comite. Das socialdemokratische französische Studentencomite hat bereits mehrmals den sehnlichen Wunsch ausgesprochen, mit den deutschen Studenten in engste Verbindung zu treten, die auf diesem Wege eingeleitet und unverzüglich weiter betrieben werden wird. Mit ungemeiner Mühe ist es gelungen, einen Theil der Pariser Studentenschaft in die socialistische Richtung zu bringen; jetzt geht es, und man wird nicht mehr die betrübsame Erscheinung sehen, daß der Blousenmann sich achselzuckend vom Studenten abwenden mußte, weil letzterer bei dem bloßen Worte „Arbeitsrecht“ oder „Kommunismus“ u. s. w. ein rohes oder affektirtes Bourgeoisgelächter aufschlug.</p> </div> <div xml:id="ar161_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 3 Dec.</head> <p>Die Sache wird mit jedem Tage toller. Was nicht die Parteien für Mittel und Wege anwenden, um ihren Kandidaten durchzubringen. In Paris gibt es sogenannte öffentliche Kartenschläger, die auch schon in „der guten stillen Zeit Guizots“ ihr Handwerk trieben und das Publikum belustigten. Diese Charlatans fangen immer ihre Prophezeiungen mit einer Art Komödie in Form eines Monologs an. Man kann diesen Leuten einen gewissen Witz nicht absprechen, und hierdurch sowohl, sowie durch Späße aller Art gelingt es ihnen, einen Kreis von Zuschauern um sich zu sammeln. Erst am Ende rücken sie mit ihrem Handwerke hervor, und dann gelingt es ihnen immer, einige aus dem Kreise zu entführen, um ihnen ihr künftiges Loos für einige Sous zu weissagen. Alle Weissagungen lassen sich auf 2 reduziren: „Großes Unglück wird auf dein Haupt und auf deine Familie kommen, wenn Cavaignac Präsident wird.“</p> <p>Oder aber: „Die Welt wird in Trümmer zerfallen, und du wirst vor allen andern untergehen, wenn Napoleon Präsident wird.“ Die Charlatans sind häufiger als je; das Publikum läßt sich lieber als je weissagen: Soldaten und Bauern zahlen nichts dafür. Man hat voraus für gratuirte Weissagungen gesorgt. Wie den Weissagern, so zerfallen auch die übrigen Marktschreier und Broschüren-Verkäufer in zwei Abtheilungen. Man kennt keine andere Litteratur, als die Bonapartistische und Cavaignacsche, keine andern Bücher als Biographien dieser „beiden großen Männer“. Man bonapartisirt und cavaignacisirt an allen Straßenecken, in allen Klubs. Man will mit aller Gewalt die Ochsen entbonapartisiren, und da zeigt z. B. der kleine Hetzel sich sehr erfindungsreich in Anwendung von kleinen Pülverchen und Mittelchen, indem er Briefe von Louis Philipp und Henri V. und Duc de Joinville und allen andern vergangenen, zukünftigen und gegenwärtigen Prätendenten zirkuliren läßt, worin diese Ex-Hoheiten den Cavaignac als einen „regierungsfähigen“ tüchtigen Präsidenten ihren vielgeliebten Ex-Mitbürgern anpreisen. Aber die Ochsen sind stierköpfig und bestehen auf dem Ex-Kaiser. Die kleinen Männer, wie Marrast und Hetzel und Bastide und wie die ganze Clique des National heißen mag, wissen recht wohl, daß sie mit Cavaignac aus der Höhe ihrer gegenwärtigen Stellung stürzen in ihre frühere mehr oder weniger prekäre Stellung. Aber das ärgert sie nicht so sehr, als daß sie, die doch bekannt waren für Männer von „Geist und Witz“ sich zurückziehen sollen vor einem Ochsen wie Napoleon. Sie können gar nicht begreifen, daß die Bauern sich gar nicht belehren lassen wollen über Napoleon. Nun noch gar Cremieux, der ebenfalls auf die Seite Napoleons getreten ist — das übersteigt ihre Fassungskraft. Wie gefährlich übrigens Napoleon für Cavaignac wird, geht schon daraus hervor, daß man allenthalben ausschreien läßt: „Verzicht Louis Napoleon auf die Präsidentschaft.“ Der Marschall Bugeaud, der zum Deputirten ernannt worden, hat sich ebenfalls auf Seite Louis Bonapartes geschlagen.</p> </div> <div xml:id="ar161_022" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 3. Dezbr.</head> <p>Pius IX. kommt als <hi rendition="#g">politischer</hi> Flüchtling nach Paris; die religiöse Seite kommt keineswegs in Betracht, und wie wir bereits erwähnt, besteht die Politik Cavaignac's gerade darin, der Welt glauben zu machen, daß er in Pius IX. der Religion eine Freistätte in Frankreich eröffne. Es scheint, daß der Pabst die Absichten des „künftigen“ Präsidenten durchschaut; der ehemalige Reformator, der die Franzosen durch seine kühne Initiative in Erstaunen setzte, weigert sich, den arabischen Leidenschaften eines Ehrgeizigen zum Deckmantel zu dienen: er steht an, nach Paris zu gehen. Freilich sind Cavaignac und Rothschild jetzt allmächtig; letzterer bedarf, um die Curse aufrecht zu halten, eines religiösen Beistandes, der ihm die auf die Bauern erhobenen 45 Centimes eintreiben hilft; und es wäre nicht nnmöglich, daß durch Intriguen aller Art das Widerstreben des Pabstes bekämpft werde. Aber, wie dem auch sein mag: der Pabst gehört keineswegs einem Rothschild und Cavaignac allein an; er gehört allen an, und wenn er nach Paris kömmt, so wird die katholische Partei Napoleons eben so sehr ihn in Anspruch nehmen können, wie Cavaignac. Wer weiß, ob nicht gar Pius IX. eben recht kömmt, um den künftigen Kaiser zu salben, rufen die bonapartistischen Blätter.</p> <p>Doch lassen wir den Pabst und den Kaiser für den Augenblick ruhen und sprechen von der demokratischen Partei. Die demokratischen Klubs, die Volksversammlungen in den Faubourgs werden mit jedem Tage stürmischer und drohender. Die Sozialisten und „Montagnards“ sind noch nicht einig über die Wahl eines Kandidaten.</p> <p>Ledru-Rollin besucht alle Volksversammlungen, alle Klubs, und wird allenthalben mit stürmischem Beifall aufgenommen: er spricht wie ein Arbeiter aus dem Foubourg, er spricht dessen Wünsche in einer Sprache aus, die alle Anwesenden hinreißt, und doch stehen die Arbeiter an, ihn zu ihrem Candidaten zu ernennen. „Brüder, sprach Ledru-Rollin in der gestrigen Versammlung des Klubs von Faubourg du Temple, ich bin hier unter Euch gekommen, um mit Euch über etwas ganz anderes zu sprechen, als über die Präsidentschaft. Hätte ich gewußt, daß man hierüber von mir Auskunft verlange, so wäre ich gar nicht gekommen … Ich verwerfe die Präsidentschaft, weil ich die Ueberzeugung habe, daß in einem revolutionären Lande wie Frankreich, eine Gewalt, die 4 Jahre auf der Nation lastet, den revolutionären Fortschritt hemmen muß. Es kaun einmal in Frankreich nichts Permanentes geben.“</p> <p>Ledru-Rollin vertheidigt sich sodann gegen den Vorwurf, er sei ein Socialist, während sein Freund Cabet doch noch am Vorabend der Februarrevolution gesagt habe: „der Ledru-Rollin ist nicht bei Sinnen; der Mann denkt an eine Revolution.“</p> <p>Was den 18. April und den 15. Mai anbeträfe, so habe er zwar an diesem Tage den Appel schlagen lassen, aber nicht um die Bourgeoisie, sondern um das Volk zusammenzurufen, damit das Volk nicht in die Hände politischer Intriguanten fiele. Dann kömmt er auf die Juni-Insurrektion zu sprechen und gesteht ein, daß er, Ledru-Rollin, Mitglied der exekutiven Commission, zwar Truppen nach Paris habe kommen lassen, aber lediglich um eine Bonapartistenbewegung zu bekämpfen, und um der Konstruktion von Barrikaden zuvorzukommen, denn er wisse recht gut, daß, wenn einmal Barrikaden aufgebaut, es Ströme von Blut koste, um sie niederzureißen. Er klagt Cavaignac an, einen Weg eingeschlagen zu haben, der dem Vaterlande viel Blut und Thränen gekostet habe. „Glaubt mir, meine Freunde, alle Gewalten der Welt sind für mich nicht so viel werth, als die Sympathien, die Ihr diesen Abend für mich an den Tag legt: ja, alle Gewalten der Welt sind mir nicht so lieb, als eine Kugel in voller Brust; ich würde mit Freuden in Euren Reihen für die Vertheidigung Eurer Freiheiten fallen wollen.“</p> <p>In allen diesen Volksversammlungen wird Cavaignac wie Windischgrätz behandelt. Bugeaud ist, wie man weiß, zum Deputirten ernannt worden. Bugeaud ist Marschall, Bugeaud hat in Algier Siege gegen die Beduinen erfochten: Bugeaud mit einem Worte ist Soldat, ein arabischer Soldat und hat die Anlagen zu zwei Cavaignac's in sich, wenn es Noth thut. Dieser Bugeaud steht auf Seiten Napoleons. Changarnier ist ein Freund Bugeaud's, und dazu Kommandant der Bürgergarde von Paris. Die Bürgergarde hat viel Vertrauen zu Changarnier, und Changarnier steht ebenfalls auf Seiten Napoleons. Man spricht vom Bürgerkriege, ein Militärkrieg steht vor der Thüre. Der arabische Krieg in Algier kann von einem Augenblick zum andern Paris zum Kampfplatze wählen, um von Paris aus sich weiter und weiter bis über die französische Gränze zu wälzen. Es ist dies ein allgemeiner Kampf gegen die Araber, gegen die Beduinen, gegen die Cavaignac's und Windischgrätze aller Nationen.</p> </div> <div xml:id="ar161_023" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris.</head> <p>Schluß der Rede Miroslawski's.</p> <p>Der große Vortheil der Brüderschaft der Köuige bis jetzt war, daß sie den gesunden Menschenverstand hatten, ihre ganze Politik zurückzuführen, auf diesen Ordnungsruf, den ihr vor 18 Jahrhunderten ein Ungeheuer von Messias vererbt hat. Der Irrthum der kriegführenden Demokratie war, noch naiv zu suchen nach einem Rußland, einem Oestreich, einem Preußen, einem Piemont, einem Lichtenstein, was weiß ich? solch Herzogthum, solch Kabinet, solche Partei, die ganze Fata Morgana der scholastischen Geographie und der offiziellen Diplomatie suchte sie da, wo die alten Verschlinger von all' diesem selbst nichts mehr wahrnehmen, als zwei ungeheure Armeen einander gegenübergestellt, einen Amboß und einen Hammer, und dann in der Mitte Polen.</p> <p>Ja Bürger, Polen, das sind die katalanischen Felder der modernen Zeit, das ist die zwischen den beiden Antagonisten liegende Position, welche die großen Feldherren sich streitig machen am Vorabend großer Schlachten, um sich den Erfolg des andern Tages zu sichern.</p> <p>Und hierin liegt das Geheimniß der instinktiven Sympathie und des wüthenden Hasses, welchen schon der blose Namen dieses Landes heraufbeschwört, eines Landes, dessen Gewicht in der Wagschale der Welt unbegreiflich geblieben ist für den gewöhnlichen Taktiker und die Akrobaten von Profession. „Ich habe Euer Polen gesehen, sagen diese Todtengräber der Menschheit und ich habe hier nur einen <hi rendition="#g">Sarg</hi> gefunden.“ Aber ich, antwortet das Wort Lammenais, ich habe hier geahnt und gefühlt eine — <hi rendition="#g">Wiege</hi>.</p> <p>Diese Verpflichtung für die europäische Demokratie, Polen wieder aufzuerwecken, um jeden Preis, ist also nicht, Bürger, eine Sache eigensinniger Verbissenheit oder ein Argument des Bürgerkriegs, wie eure tödtlichsten Feinde euch überreden wollten. Nicht als wenn diese Nation mehr werth wäre, wie alle andern. Auch verlangt sie von euch nicht mehr Weihrauch für ihre Tugenden, als Thränen für ihr Mißgeschick und Nachsicht für ihre Fehler. Verflucht sie, verlästert sie, verläumdet sie, wenn ihr den Humor dazu habt, aber, bei der unsterblichen Seele der Menschheit, hört sie an, Brüder, hört sie!</p> <p>Hört sie, weil sie auf dem Vorposten eures bedrohten Reichs steht. Hört sie, weil sie durch ihr Dulden für sich und für die andern, die allgemeine Legende aller im Fegefeuer befindlichen Nationen geworden ist.</p> <p>Hört sie, weil ihre Tugenden, ihr Mißgeschick und ihre Fehler selbst, weil alles an ihr sie in die Schildwache des Unglückes verwandelt hat.</p> <p>Hört sie, weil alle Dolche eurer unversöhnlichen Feinde sich in in ihrem Herzen ein Rendezvous gegeben haben; weil sie euch warnend zumahnt von der Höhe ihrer Schädelstätte herab und weil ein Märtyrer nie lügt.</p> <p>Aber euer Polen, rufen sofort jene schmutzigen Spekulanten, weche die Welt durch die Lotterie gewinnen möchten, jene feigen Kranken, für welche eine Stunde heroischer Kur furchtbarer ist als ein ganzes Leben voll Aengsten und Schrecken; euer Polen, sagen sie, das ist der allgemeine Brand; aber euer Polen, das ist sofort ein Duell anf Leben und Tod mit allen Monarchien; das ist vielleicht der Ruin, der Bankerut alles dessen, was war, zum ausschließlichen Vortheil dessen, was sein will. Wohin denkt ihr Störenfriede? aber ihr schlagt uns damit vor, die Februarrevolution im Ernst zu nehmen?</p> <p>Nun wohl! So sei's dann am Ende, wozu taugen die Hinterhalte, die Schonung, die parlamentarischen Kunststücke am Vorabende des gemeinsamen Untergangs oder des gemeinsamen Triumphs? Ja, Polen, das ist das alles und noch Schlimmeres. Ja, Polen, das ist der Schlund des Curtius; aber es ist nothwendig, daß die demokratische Conföderation eilt, ihr Opfer hier hineinzuschleudern, unter der Gefahr sonst ganz von ihr verschlungen zu werden, sowohl mit dem, was sie war, als mit dem, was sie sein will. Sie muß, und ohne zu warten, diese schmähliche Lücke verstopfen, die unaufhörlich erweitert wird durch die asiatische Sündfluth. In einem Augenblick, wo die Wölbung des europäischen Gebäudes kracht und eure Häupter zu zerschmettern droht, ist es da an der Zeit, den Tarif des Hammers und den Arbeitslohn zu diskutiren?</p> <p>Geht sehn die umsichtigsten, egoistischsten, positivsten Zahlenmenschen der Welt; geht fragen die Kaufleute von Amsterdam, ob sie, um ihre Dämme auszubessern, abwarten, bis der Ocean ihre Comptoire überfluthet!</p> <p>Mieroslawski schließt mit der Ausführung, daß die vielen verunglückten Versuche in Preußen, Oesterreich u. s. w. immer an ihrem Vergehen gegen Polen scheitern, die Monate ihrer Erhebung aber immer mit einer offenen Anerkennung Polens zusammenfallen.</p> </div> <div xml:id="ar161_024" type="jArticle"> <head>Paris, 3. Dezember.</head> <p>(Details über den Papst.) Aus den uns gestern Abend zugegangenen Marseillerblätter vom 29. Nov. sehen wir, daß Se. Heiligkeit sich wahrscheinlich aus dem Quirinal durch geheimen Ausgang am 24. Nov. Abends 5 Uhr in das freie Feld flüchtete, weil sie entgegengesetzter Seits sich hätte durch die ganze Stadt begeben müssen, was man um jeden Preis vermeiden wollte, da sich das Volk der Flucht widersetzt haben würde. Ueber die Landschaft hinter dem Quirinal schlug der Papst und sein Gefolge offenbar den Weg von Terracina ein, von wo sie ihre Reise durch die sogenannten pontinischen Sümpfe bis Gaeta dicht über die römisch neapolitanische Gränze fortsetzten. Was weiter aus Sr. Heiligkeit geworden, darüber enthalten die Blätter durchaus nichts Bestimmtes. Aus der telegraphischen Depesche des Consuls in Civita Vecchia an Bastide erfuhr man nur, daß der Papst den Dämpfer Tenare von dort nach Gaeta eingeladen hatte, um ihn an Bord zu nehmen. Diese Einschiffung soll am 26. Nov. im Laufe des Tags erfolgt sein. Hiermit schließen die Berichte.</p> <p>— Das Journal des Debats ist sehr besorgt um das Schicksal des Papstes. Am 25. Nov. mußte derselbe in Gaeta eintreffen und man weiß nicht, ob er sich eingeschifft hat auf dem Tenare und wohin er seinen Weg gerichtet? Sieben volle Tage sind verflossen, ohne alle Spur!</p> <p>— Das Lamartin'sche Bien public sagt:</p> <p>„Man meldet uns so eben (Abends) daß die Regierung eine telegraphische Depesche erhielt, die ihr die Ankunft des Papstes in Marseille anzeigt.“</p> <p>— Der Moniteur, der um 2 Uhr Nachts unter die Presse geht, enthält indessen keine Silbe aus Marseille oder Toulon.</p> <p>— Die „Genua'r Zeitung“ vom 28. Nov. behauptet, der Papst habe sich nach Malta gewandt. Ein Florentiner Blatt läßt ihn in Neapel landen.</p> <p>— Im Operngange verbreitet sich so eben (Mittags) das Gerücht, daß der König von Neapel den Toskanern und Römern den Krieg erklärt habe. Neapel selbst sei in großer Aufregung.</p> <p>Man eutsinnt sich daß Toskana (Florenz) einen Abgeordneten Siziliens empfangen und das sizilische Wappen über die Thüre der Gesandschaft geheftet hatte.</p> <p>— Der Kampf zwischen Sozialisten und den sogenannten „reinen“ Demokraten, aus Anlaß der Präsidentschaftswahl dauert fort. Wir erwähnten früher daß sich zwei Ausschüsse, Central Comite von Proudhonisten, und ein Wahlkongreß von Ledru-Rollinisten hier gebildet hätten. Die „Revolution“ (Ledru-Rollins Blatt) zeigt heute in großer Schrift an, daß der Wahlkongreß von 300 Delegirten aus Paris, den Departements, den Gewerben (?) der Armee und den Kolonien, mit Einstimmigkeit, weniger 3 Stimmen beschlossen habe: den Bürger Ledru-Rollin als einzigen Kandidaen zur Präsidentschaft aufzustellen.</p> <p>Das kommunistische Central Comite erklärt jedoch seinerseits daß die gesammte sozialistische Partei an ihrem Kandidat Raspail festhalte.</p> <p>Wem wird dieser Kampf nützen?</p> <p>— Auch Rom hat nun seine akademische Legion. Am 10. Nov. ist dieselbe feierlich organisirt worden.</p> <p>— Die grauhäärige Gazette de France fährt fürchterlich über die Demokratie pacifique her, weil sie es gewagt, gestern schon auszurufen: Es lebe die römische Republik!</p> <p>— Höre man, wie die bonapartistische Presse die Flucht des Papstes nach Frankreich ausbeutet:</p> <p>„Die Anhänger Cavaignac's deuten die römischen Ereignisse zum besten ihres Kandidaten. Aber im Gegentheile werden sie dem Hr. Louis Bonaparte nützen. Möge ein Volk und ein Genie zu seinem Werkzeug dienen. Jedenfalls führt Gott Pius IX. zu uns wie er uns Pius VII. zu einer anderen Zeit zuführt.“</p> <p>— Es heißt, der Papst werde in Fontainebleau wohnen und nicht in den Tuilerien wie wir gestern berichteten.</p> <p>— Justizminister Marie vertritt den Unterrichtsminister Freslon interimistisch.</p> <p>— Louis Bonaparte veröffentlicht heute einen Brief in allen Journalen, worin er erklärt, daß er <hi rendition="#g">gegen</hi> die Expedition von Civita-Vecchia gestimmt habe, so sehr er auch geneigt sei, alle Maßregeln zu billigen, welche die Freiheit und die Autorität des Papstes bezwecken.</p> <p>— Hr. Thiers hat sich von seiner Gattin von Tisch und Bett getrennt, obgleich sie noch unter demselben Dach wohnen.</p> <p>— Abbe Romini ist keineswegs in Paris eingetroffen, um die französische Intervention anzurufen.</p> <p>— Marrast und der ganze Generalstab der Nationalversammlung wollen Sr. Heiligkeit bis Bourges entgegen fahren, um ihr dort die Pantoffeln zu küssen.</p> <p>— Marrast besuchte gestern das Vaudevilletheater am Börsenplatz und wurde von einigen Individuen gröblich beleidigt.</p> <p>— Der National enthält heute einen Artikel gegen den General Changarnier, aus welchem hervorgeht, daß Cavaignac mit dem Plane umgeht, diesen royalistisch-bonapartistisch gesinnten Oberbefehlshaber der Pariser Bürgerwehr abzusetzen. Das wäre ein Ereigniß.</p> </div> <div xml:id="ar161_025" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 3. Dezember 4 Uhr Nachmittags.</head> <p>Die letzten Nachrichten, welche die Regierung erhielt, sind aus Gaeta vom 26 November. An diesem Tage sollte der Papst daselbst anlangen.</p> <p>Der französische Konsul in Civita Vecchia hatte sich auf dem Tenare eingeschifft und war nach Gaeta gefahren, um den Papst abzuholen.</p> <p>Soweit die Regierungsnachrichten. Da indessen das Wetter heute nach langer Zeit zum ersten Male wieder klar ist, so hofft man noch heute auf telegraphische Nachrichten aus Toulon oder Marseille.</p> <p>— Aus Wien ist ein Kurier eingetroffen, welcher der Regierung anzeigt, daß der Hof von Wien einwilligt, die Mediationsverhandlungen wegen Italien's in Brüssel zu eröffnen.</p> </div> <div xml:id="ar161_026" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris.</head> <p>Herr Cremieux hat folgenden Brief an das Siecle und den Constitutionel geschrieben.</p> <p>„Ein Brief, unterzeichnet von sechs Repräsentanten aus dem Departement Indre-et-Loire, unterstützt die Candidatur des Generals Cavaignac; das „Siecle“ von diesem Morgen theilt diesen Brief, der an das Comite von Tours gerichtet ist, mit, und setzt folgende Note in Form eines Postscpriptum hinzu.</p> <p>„Note: Herr Cremieux hat sich einige Tage Bedenkzeit ausgebeten!“</p> <p>Alle meine Sechs Collegen desavouiren diese seltsame Note; sie wissen, daß ich ohne alle Bedenkzeit dem Comite gleich geantwortet habe: Da Sie nun in Ihrem Journale die kollektive Erklärung zu Gunsten des Generals Cavaignac's aufgenommen haben, so werden Sie hoffentlich die meinige ebenfalls nicht zurückweisen.</p> <p>„Ich stimme für Louis Napoleon.</p> <p>Genehmigen Sie etc. Ad. Cremieux.“</p> <p>Die „Assemblee Nationale“ spricht sich ebenfalls für die Candidatur Napoleons aus, und verspricht ihm den Anhang aller französischen Marchals und von ungefähr 200 General-Offizieren der Infanterie sowohl als der Marine.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0859/0003]
** Bern, 2. Dez. _ Französische Republik. 17 Paris, 2. Dez. Die Entscheidung naht; wehe der Nation, wenn sie sich durch allerhand Firlefanz länger foppen und von der Socialdemokratie abspenstig machen läßt, (Peuple souverain) wie dies leider den Anschein hat. Ein kaiserlicher Hanswurst, ein holzköpfiger Bourgeoisrepublikaner zanken sich um den Präsidentensessel; Gott erbarme sich Frankreichs! Wir wollen keinen der beiden, wir wollen einen Socialdemokraten; aber was soll werden, wenn die hohen Volksbelüger immer und immer oben bleiben und das Volk kindisch und dumm bleibt wie bisher? Es wäre gar nicht unmöglich, bei der schnurrigen Verdumpftheit dieses Volkes durch alle, auf des unsterblichen Robespierre Sturz gefolgte Regierungen, daß die Februarrepublik eines schönen Tages durch das vielgepriesene allgemeine Stimmrecht eben wieder zu Grabe getragen wird. Mit den Banketten beeilt man sich, man weiß nicht, was nach der Mitte dieses Monats zum Weihnachtsgeschenk verabreicht wird. Die Deutschen und Franzosen werden wieder ein kolossales Verbrüderungsfest nächste Woche feiern; morgen ist ein Bankett der Studenten, Polytechniker und sonstiger Schulen, wozu der deutsche Verein drei Einladekarten erhielt, wie das polnische und italienische Comite. Das socialdemokratische französische Studentencomite hat bereits mehrmals den sehnlichen Wunsch ausgesprochen, mit den deutschen Studenten in engste Verbindung zu treten, die auf diesem Wege eingeleitet und unverzüglich weiter betrieben werden wird. Mit ungemeiner Mühe ist es gelungen, einen Theil der Pariser Studentenschaft in die socialistische Richtung zu bringen; jetzt geht es, und man wird nicht mehr die betrübsame Erscheinung sehen, daß der Blousenmann sich achselzuckend vom Studenten abwenden mußte, weil letzterer bei dem bloßen Worte „Arbeitsrecht“ oder „Kommunismus“ u. s. w. ein rohes oder affektirtes Bourgeoisgelächter aufschlug.
12 Paris, 3 Dec. Die Sache wird mit jedem Tage toller. Was nicht die Parteien für Mittel und Wege anwenden, um ihren Kandidaten durchzubringen. In Paris gibt es sogenannte öffentliche Kartenschläger, die auch schon in „der guten stillen Zeit Guizots“ ihr Handwerk trieben und das Publikum belustigten. Diese Charlatans fangen immer ihre Prophezeiungen mit einer Art Komödie in Form eines Monologs an. Man kann diesen Leuten einen gewissen Witz nicht absprechen, und hierdurch sowohl, sowie durch Späße aller Art gelingt es ihnen, einen Kreis von Zuschauern um sich zu sammeln. Erst am Ende rücken sie mit ihrem Handwerke hervor, und dann gelingt es ihnen immer, einige aus dem Kreise zu entführen, um ihnen ihr künftiges Loos für einige Sous zu weissagen. Alle Weissagungen lassen sich auf 2 reduziren: „Großes Unglück wird auf dein Haupt und auf deine Familie kommen, wenn Cavaignac Präsident wird.“
Oder aber: „Die Welt wird in Trümmer zerfallen, und du wirst vor allen andern untergehen, wenn Napoleon Präsident wird.“ Die Charlatans sind häufiger als je; das Publikum läßt sich lieber als je weissagen: Soldaten und Bauern zahlen nichts dafür. Man hat voraus für gratuirte Weissagungen gesorgt. Wie den Weissagern, so zerfallen auch die übrigen Marktschreier und Broschüren-Verkäufer in zwei Abtheilungen. Man kennt keine andere Litteratur, als die Bonapartistische und Cavaignacsche, keine andern Bücher als Biographien dieser „beiden großen Männer“. Man bonapartisirt und cavaignacisirt an allen Straßenecken, in allen Klubs. Man will mit aller Gewalt die Ochsen entbonapartisiren, und da zeigt z. B. der kleine Hetzel sich sehr erfindungsreich in Anwendung von kleinen Pülverchen und Mittelchen, indem er Briefe von Louis Philipp und Henri V. und Duc de Joinville und allen andern vergangenen, zukünftigen und gegenwärtigen Prätendenten zirkuliren läßt, worin diese Ex-Hoheiten den Cavaignac als einen „regierungsfähigen“ tüchtigen Präsidenten ihren vielgeliebten Ex-Mitbürgern anpreisen. Aber die Ochsen sind stierköpfig und bestehen auf dem Ex-Kaiser. Die kleinen Männer, wie Marrast und Hetzel und Bastide und wie die ganze Clique des National heißen mag, wissen recht wohl, daß sie mit Cavaignac aus der Höhe ihrer gegenwärtigen Stellung stürzen in ihre frühere mehr oder weniger prekäre Stellung. Aber das ärgert sie nicht so sehr, als daß sie, die doch bekannt waren für Männer von „Geist und Witz“ sich zurückziehen sollen vor einem Ochsen wie Napoleon. Sie können gar nicht begreifen, daß die Bauern sich gar nicht belehren lassen wollen über Napoleon. Nun noch gar Cremieux, der ebenfalls auf die Seite Napoleons getreten ist — das übersteigt ihre Fassungskraft. Wie gefährlich übrigens Napoleon für Cavaignac wird, geht schon daraus hervor, daß man allenthalben ausschreien läßt: „Verzicht Louis Napoleon auf die Präsidentschaft.“ Der Marschall Bugeaud, der zum Deputirten ernannt worden, hat sich ebenfalls auf Seite Louis Bonapartes geschlagen.
12 Paris, 3. Dezbr. Pius IX. kommt als politischer Flüchtling nach Paris; die religiöse Seite kommt keineswegs in Betracht, und wie wir bereits erwähnt, besteht die Politik Cavaignac's gerade darin, der Welt glauben zu machen, daß er in Pius IX. der Religion eine Freistätte in Frankreich eröffne. Es scheint, daß der Pabst die Absichten des „künftigen“ Präsidenten durchschaut; der ehemalige Reformator, der die Franzosen durch seine kühne Initiative in Erstaunen setzte, weigert sich, den arabischen Leidenschaften eines Ehrgeizigen zum Deckmantel zu dienen: er steht an, nach Paris zu gehen. Freilich sind Cavaignac und Rothschild jetzt allmächtig; letzterer bedarf, um die Curse aufrecht zu halten, eines religiösen Beistandes, der ihm die auf die Bauern erhobenen 45 Centimes eintreiben hilft; und es wäre nicht nnmöglich, daß durch Intriguen aller Art das Widerstreben des Pabstes bekämpft werde. Aber, wie dem auch sein mag: der Pabst gehört keineswegs einem Rothschild und Cavaignac allein an; er gehört allen an, und wenn er nach Paris kömmt, so wird die katholische Partei Napoleons eben so sehr ihn in Anspruch nehmen können, wie Cavaignac. Wer weiß, ob nicht gar Pius IX. eben recht kömmt, um den künftigen Kaiser zu salben, rufen die bonapartistischen Blätter.
Doch lassen wir den Pabst und den Kaiser für den Augenblick ruhen und sprechen von der demokratischen Partei. Die demokratischen Klubs, die Volksversammlungen in den Faubourgs werden mit jedem Tage stürmischer und drohender. Die Sozialisten und „Montagnards“ sind noch nicht einig über die Wahl eines Kandidaten.
Ledru-Rollin besucht alle Volksversammlungen, alle Klubs, und wird allenthalben mit stürmischem Beifall aufgenommen: er spricht wie ein Arbeiter aus dem Foubourg, er spricht dessen Wünsche in einer Sprache aus, die alle Anwesenden hinreißt, und doch stehen die Arbeiter an, ihn zu ihrem Candidaten zu ernennen. „Brüder, sprach Ledru-Rollin in der gestrigen Versammlung des Klubs von Faubourg du Temple, ich bin hier unter Euch gekommen, um mit Euch über etwas ganz anderes zu sprechen, als über die Präsidentschaft. Hätte ich gewußt, daß man hierüber von mir Auskunft verlange, so wäre ich gar nicht gekommen … Ich verwerfe die Präsidentschaft, weil ich die Ueberzeugung habe, daß in einem revolutionären Lande wie Frankreich, eine Gewalt, die 4 Jahre auf der Nation lastet, den revolutionären Fortschritt hemmen muß. Es kaun einmal in Frankreich nichts Permanentes geben.“
Ledru-Rollin vertheidigt sich sodann gegen den Vorwurf, er sei ein Socialist, während sein Freund Cabet doch noch am Vorabend der Februarrevolution gesagt habe: „der Ledru-Rollin ist nicht bei Sinnen; der Mann denkt an eine Revolution.“
Was den 18. April und den 15. Mai anbeträfe, so habe er zwar an diesem Tage den Appel schlagen lassen, aber nicht um die Bourgeoisie, sondern um das Volk zusammenzurufen, damit das Volk nicht in die Hände politischer Intriguanten fiele. Dann kömmt er auf die Juni-Insurrektion zu sprechen und gesteht ein, daß er, Ledru-Rollin, Mitglied der exekutiven Commission, zwar Truppen nach Paris habe kommen lassen, aber lediglich um eine Bonapartistenbewegung zu bekämpfen, und um der Konstruktion von Barrikaden zuvorzukommen, denn er wisse recht gut, daß, wenn einmal Barrikaden aufgebaut, es Ströme von Blut koste, um sie niederzureißen. Er klagt Cavaignac an, einen Weg eingeschlagen zu haben, der dem Vaterlande viel Blut und Thränen gekostet habe. „Glaubt mir, meine Freunde, alle Gewalten der Welt sind für mich nicht so viel werth, als die Sympathien, die Ihr diesen Abend für mich an den Tag legt: ja, alle Gewalten der Welt sind mir nicht so lieb, als eine Kugel in voller Brust; ich würde mit Freuden in Euren Reihen für die Vertheidigung Eurer Freiheiten fallen wollen.“
In allen diesen Volksversammlungen wird Cavaignac wie Windischgrätz behandelt. Bugeaud ist, wie man weiß, zum Deputirten ernannt worden. Bugeaud ist Marschall, Bugeaud hat in Algier Siege gegen die Beduinen erfochten: Bugeaud mit einem Worte ist Soldat, ein arabischer Soldat und hat die Anlagen zu zwei Cavaignac's in sich, wenn es Noth thut. Dieser Bugeaud steht auf Seiten Napoleons. Changarnier ist ein Freund Bugeaud's, und dazu Kommandant der Bürgergarde von Paris. Die Bürgergarde hat viel Vertrauen zu Changarnier, und Changarnier steht ebenfalls auf Seiten Napoleons. Man spricht vom Bürgerkriege, ein Militärkrieg steht vor der Thüre. Der arabische Krieg in Algier kann von einem Augenblick zum andern Paris zum Kampfplatze wählen, um von Paris aus sich weiter und weiter bis über die französische Gränze zu wälzen. Es ist dies ein allgemeiner Kampf gegen die Araber, gegen die Beduinen, gegen die Cavaignac's und Windischgrätze aller Nationen.
* Paris. Schluß der Rede Miroslawski's.
Der große Vortheil der Brüderschaft der Köuige bis jetzt war, daß sie den gesunden Menschenverstand hatten, ihre ganze Politik zurückzuführen, auf diesen Ordnungsruf, den ihr vor 18 Jahrhunderten ein Ungeheuer von Messias vererbt hat. Der Irrthum der kriegführenden Demokratie war, noch naiv zu suchen nach einem Rußland, einem Oestreich, einem Preußen, einem Piemont, einem Lichtenstein, was weiß ich? solch Herzogthum, solch Kabinet, solche Partei, die ganze Fata Morgana der scholastischen Geographie und der offiziellen Diplomatie suchte sie da, wo die alten Verschlinger von all' diesem selbst nichts mehr wahrnehmen, als zwei ungeheure Armeen einander gegenübergestellt, einen Amboß und einen Hammer, und dann in der Mitte Polen.
Ja Bürger, Polen, das sind die katalanischen Felder der modernen Zeit, das ist die zwischen den beiden Antagonisten liegende Position, welche die großen Feldherren sich streitig machen am Vorabend großer Schlachten, um sich den Erfolg des andern Tages zu sichern.
Und hierin liegt das Geheimniß der instinktiven Sympathie und des wüthenden Hasses, welchen schon der blose Namen dieses Landes heraufbeschwört, eines Landes, dessen Gewicht in der Wagschale der Welt unbegreiflich geblieben ist für den gewöhnlichen Taktiker und die Akrobaten von Profession. „Ich habe Euer Polen gesehen, sagen diese Todtengräber der Menschheit und ich habe hier nur einen Sarg gefunden.“ Aber ich, antwortet das Wort Lammenais, ich habe hier geahnt und gefühlt eine — Wiege.
Diese Verpflichtung für die europäische Demokratie, Polen wieder aufzuerwecken, um jeden Preis, ist also nicht, Bürger, eine Sache eigensinniger Verbissenheit oder ein Argument des Bürgerkriegs, wie eure tödtlichsten Feinde euch überreden wollten. Nicht als wenn diese Nation mehr werth wäre, wie alle andern. Auch verlangt sie von euch nicht mehr Weihrauch für ihre Tugenden, als Thränen für ihr Mißgeschick und Nachsicht für ihre Fehler. Verflucht sie, verlästert sie, verläumdet sie, wenn ihr den Humor dazu habt, aber, bei der unsterblichen Seele der Menschheit, hört sie an, Brüder, hört sie!
Hört sie, weil sie auf dem Vorposten eures bedrohten Reichs steht. Hört sie, weil sie durch ihr Dulden für sich und für die andern, die allgemeine Legende aller im Fegefeuer befindlichen Nationen geworden ist.
Hört sie, weil ihre Tugenden, ihr Mißgeschick und ihre Fehler selbst, weil alles an ihr sie in die Schildwache des Unglückes verwandelt hat.
Hört sie, weil alle Dolche eurer unversöhnlichen Feinde sich in in ihrem Herzen ein Rendezvous gegeben haben; weil sie euch warnend zumahnt von der Höhe ihrer Schädelstätte herab und weil ein Märtyrer nie lügt.
Aber euer Polen, rufen sofort jene schmutzigen Spekulanten, weche die Welt durch die Lotterie gewinnen möchten, jene feigen Kranken, für welche eine Stunde heroischer Kur furchtbarer ist als ein ganzes Leben voll Aengsten und Schrecken; euer Polen, sagen sie, das ist der allgemeine Brand; aber euer Polen, das ist sofort ein Duell anf Leben und Tod mit allen Monarchien; das ist vielleicht der Ruin, der Bankerut alles dessen, was war, zum ausschließlichen Vortheil dessen, was sein will. Wohin denkt ihr Störenfriede? aber ihr schlagt uns damit vor, die Februarrevolution im Ernst zu nehmen?
Nun wohl! So sei's dann am Ende, wozu taugen die Hinterhalte, die Schonung, die parlamentarischen Kunststücke am Vorabende des gemeinsamen Untergangs oder des gemeinsamen Triumphs? Ja, Polen, das ist das alles und noch Schlimmeres. Ja, Polen, das ist der Schlund des Curtius; aber es ist nothwendig, daß die demokratische Conföderation eilt, ihr Opfer hier hineinzuschleudern, unter der Gefahr sonst ganz von ihr verschlungen zu werden, sowohl mit dem, was sie war, als mit dem, was sie sein will. Sie muß, und ohne zu warten, diese schmähliche Lücke verstopfen, die unaufhörlich erweitert wird durch die asiatische Sündfluth. In einem Augenblick, wo die Wölbung des europäischen Gebäudes kracht und eure Häupter zu zerschmettern droht, ist es da an der Zeit, den Tarif des Hammers und den Arbeitslohn zu diskutiren?
Geht sehn die umsichtigsten, egoistischsten, positivsten Zahlenmenschen der Welt; geht fragen die Kaufleute von Amsterdam, ob sie, um ihre Dämme auszubessern, abwarten, bis der Ocean ihre Comptoire überfluthet!
Mieroslawski schließt mit der Ausführung, daß die vielen verunglückten Versuche in Preußen, Oesterreich u. s. w. immer an ihrem Vergehen gegen Polen scheitern, die Monate ihrer Erhebung aber immer mit einer offenen Anerkennung Polens zusammenfallen.
Paris, 3. Dezember. (Details über den Papst.) Aus den uns gestern Abend zugegangenen Marseillerblätter vom 29. Nov. sehen wir, daß Se. Heiligkeit sich wahrscheinlich aus dem Quirinal durch geheimen Ausgang am 24. Nov. Abends 5 Uhr in das freie Feld flüchtete, weil sie entgegengesetzter Seits sich hätte durch die ganze Stadt begeben müssen, was man um jeden Preis vermeiden wollte, da sich das Volk der Flucht widersetzt haben würde. Ueber die Landschaft hinter dem Quirinal schlug der Papst und sein Gefolge offenbar den Weg von Terracina ein, von wo sie ihre Reise durch die sogenannten pontinischen Sümpfe bis Gaeta dicht über die römisch neapolitanische Gränze fortsetzten. Was weiter aus Sr. Heiligkeit geworden, darüber enthalten die Blätter durchaus nichts Bestimmtes. Aus der telegraphischen Depesche des Consuls in Civita Vecchia an Bastide erfuhr man nur, daß der Papst den Dämpfer Tenare von dort nach Gaeta eingeladen hatte, um ihn an Bord zu nehmen. Diese Einschiffung soll am 26. Nov. im Laufe des Tags erfolgt sein. Hiermit schließen die Berichte.
— Das Journal des Debats ist sehr besorgt um das Schicksal des Papstes. Am 25. Nov. mußte derselbe in Gaeta eintreffen und man weiß nicht, ob er sich eingeschifft hat auf dem Tenare und wohin er seinen Weg gerichtet? Sieben volle Tage sind verflossen, ohne alle Spur!
— Das Lamartin'sche Bien public sagt:
„Man meldet uns so eben (Abends) daß die Regierung eine telegraphische Depesche erhielt, die ihr die Ankunft des Papstes in Marseille anzeigt.“
— Der Moniteur, der um 2 Uhr Nachts unter die Presse geht, enthält indessen keine Silbe aus Marseille oder Toulon.
— Die „Genua'r Zeitung“ vom 28. Nov. behauptet, der Papst habe sich nach Malta gewandt. Ein Florentiner Blatt läßt ihn in Neapel landen.
— Im Operngange verbreitet sich so eben (Mittags) das Gerücht, daß der König von Neapel den Toskanern und Römern den Krieg erklärt habe. Neapel selbst sei in großer Aufregung.
Man eutsinnt sich daß Toskana (Florenz) einen Abgeordneten Siziliens empfangen und das sizilische Wappen über die Thüre der Gesandschaft geheftet hatte.
— Der Kampf zwischen Sozialisten und den sogenannten „reinen“ Demokraten, aus Anlaß der Präsidentschaftswahl dauert fort. Wir erwähnten früher daß sich zwei Ausschüsse, Central Comite von Proudhonisten, und ein Wahlkongreß von Ledru-Rollinisten hier gebildet hätten. Die „Revolution“ (Ledru-Rollins Blatt) zeigt heute in großer Schrift an, daß der Wahlkongreß von 300 Delegirten aus Paris, den Departements, den Gewerben (?) der Armee und den Kolonien, mit Einstimmigkeit, weniger 3 Stimmen beschlossen habe: den Bürger Ledru-Rollin als einzigen Kandidaen zur Präsidentschaft aufzustellen.
Das kommunistische Central Comite erklärt jedoch seinerseits daß die gesammte sozialistische Partei an ihrem Kandidat Raspail festhalte.
Wem wird dieser Kampf nützen?
— Auch Rom hat nun seine akademische Legion. Am 10. Nov. ist dieselbe feierlich organisirt worden.
— Die grauhäärige Gazette de France fährt fürchterlich über die Demokratie pacifique her, weil sie es gewagt, gestern schon auszurufen: Es lebe die römische Republik!
— Höre man, wie die bonapartistische Presse die Flucht des Papstes nach Frankreich ausbeutet:
„Die Anhänger Cavaignac's deuten die römischen Ereignisse zum besten ihres Kandidaten. Aber im Gegentheile werden sie dem Hr. Louis Bonaparte nützen. Möge ein Volk und ein Genie zu seinem Werkzeug dienen. Jedenfalls führt Gott Pius IX. zu uns wie er uns Pius VII. zu einer anderen Zeit zuführt.“
— Es heißt, der Papst werde in Fontainebleau wohnen und nicht in den Tuilerien wie wir gestern berichteten.
— Justizminister Marie vertritt den Unterrichtsminister Freslon interimistisch.
— Louis Bonaparte veröffentlicht heute einen Brief in allen Journalen, worin er erklärt, daß er gegen die Expedition von Civita-Vecchia gestimmt habe, so sehr er auch geneigt sei, alle Maßregeln zu billigen, welche die Freiheit und die Autorität des Papstes bezwecken.
— Hr. Thiers hat sich von seiner Gattin von Tisch und Bett getrennt, obgleich sie noch unter demselben Dach wohnen.
— Abbe Romini ist keineswegs in Paris eingetroffen, um die französische Intervention anzurufen.
— Marrast und der ganze Generalstab der Nationalversammlung wollen Sr. Heiligkeit bis Bourges entgegen fahren, um ihr dort die Pantoffeln zu küssen.
— Marrast besuchte gestern das Vaudevilletheater am Börsenplatz und wurde von einigen Individuen gröblich beleidigt.
— Der National enthält heute einen Artikel gegen den General Changarnier, aus welchem hervorgeht, daß Cavaignac mit dem Plane umgeht, diesen royalistisch-bonapartistisch gesinnten Oberbefehlshaber der Pariser Bürgerwehr abzusetzen. Das wäre ein Ereigniß.
* Paris, 3. Dezember 4 Uhr Nachmittags. Die letzten Nachrichten, welche die Regierung erhielt, sind aus Gaeta vom 26 November. An diesem Tage sollte der Papst daselbst anlangen.
Der französische Konsul in Civita Vecchia hatte sich auf dem Tenare eingeschifft und war nach Gaeta gefahren, um den Papst abzuholen.
Soweit die Regierungsnachrichten. Da indessen das Wetter heute nach langer Zeit zum ersten Male wieder klar ist, so hofft man noch heute auf telegraphische Nachrichten aus Toulon oder Marseille.
— Aus Wien ist ein Kurier eingetroffen, welcher der Regierung anzeigt, daß der Hof von Wien einwilligt, die Mediationsverhandlungen wegen Italien's in Brüssel zu eröffnen.
* Paris. Herr Cremieux hat folgenden Brief an das Siecle und den Constitutionel geschrieben.
„Ein Brief, unterzeichnet von sechs Repräsentanten aus dem Departement Indre-et-Loire, unterstützt die Candidatur des Generals Cavaignac; das „Siecle“ von diesem Morgen theilt diesen Brief, der an das Comite von Tours gerichtet ist, mit, und setzt folgende Note in Form eines Postscpriptum hinzu.
„Note: Herr Cremieux hat sich einige Tage Bedenkzeit ausgebeten!“
Alle meine Sechs Collegen desavouiren diese seltsame Note; sie wissen, daß ich ohne alle Bedenkzeit dem Comite gleich geantwortet habe: Da Sie nun in Ihrem Journale die kollektive Erklärung zu Gunsten des Generals Cavaignac's aufgenommen haben, so werden Sie hoffentlich die meinige ebenfalls nicht zurückweisen.
„Ich stimme für Louis Napoleon.
Genehmigen Sie etc. Ad. Cremieux.“
Die „Assemblee Nationale“ spricht sich ebenfalls für die Candidatur Napoleons aus, und verspricht ihm den Anhang aller französischen Marchals und von ungefähr 200 General-Offizieren der Infanterie sowohl als der Marine.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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