Neue Rheinische Zeitung. Nr. 160. Köln, 5. Dezember 1848.[Deutschland] [Fortsetzung] nahme, welche sie dem preuß. Volke bewiesen, gedankt zugleich aber auch erwähnt wurde, daß die Majorität des Vertrauens im Volke durchaus entbehrte. Beschlüsse, heißt es darin, welche des Volkes Rechte vernichten, weiß sie zu fassen; durch "Phrasen und Reichskommissare" glaubt sie des Volks Rechte zu garantiren. X Berlin, 1. Dez. Gestern Abend hat Wrangel dem Gastwirth Mylius wirklich das Haus geschlossen, und, nachdem die Soldaten dasselbe von allen menschlichen Wesen gesäubert hatten, die Thüren unter Siegel gelegt. Ein Gardelieutenant rannte vorgestern auf der Straße seinen Ellbogen einem ehrsamen Berliner Bürger in die Rippen. Gleich darauf gab er demselben auch noch eine Maulschelle mit den Worten: "Sie Flegel, können Sie nicht die Augen aufthun, wenn Ihnen ein Offizier begegnet? He da! (zweien in der Nähe stehenden Konstablern zurufend) arretirt mir den Kerl." Gesagt, gethan, der gestoßene und geohrfeigte Mann wurde ins Gefängniß abgeführt. Alle diese Schandthaten geschehen offenbar in keiner andern Absicht, als das Volk zu einem Aufstande zu provoziren, und dann ein Blutbad wie in Wien anzurichten. Man ist auch in der größesten Verlegenheit wegen der Soldaten, die, massenweise in den Kasernen und den öffentlichen Gebäuden zusammengepfercht sind, und vom Ungeziefer fast aufgefressen werden. Die Kerle sind von den Offizieren systematisch für ihren König fanatisirt worden, und sie fragen tagtäglich: (da sie aus ihrer unbehaglichen Lage herauszukommen wünschen) "Geht es denn noch nicht bald los, laßt uns doch endlich drauf schlagen." Dieser Zustand kann natürlich nicht lange mehr fortdauern, da die Soldaten sonst unzufrieden werden, man sie auch weder von Berlin zu verlegen, noch bei den Bürgern einzuquartieren wagt. Der edle v. Gagern scheint sich hier ganz in dem Bereiche des Wahrheitsfreundes Bassermann zu bewegen. Gestern ist er in Brandenburg auf der Tribüne im diplomatischen Korps gesehen worden. Auch soll er sich dort mit den Hauptführern der Rechten angelegentlich unterhalten haben. Bei dem Präsidenten Unruh oder einem andern der hier gebliebenen Abgeordneten hat er sich bis jetzt nicht blicken lassen. Der gute Mann sollte doch das "audiatur et altera pars" nicht außer Augen lassen. Oder will man, wie die Fürsten, absichtlich Augen und Ohren nach der Seite hin verschließen, wo allein die Wahrheit zu finden ist? Es scheint, daß die Herren Reichskommissarien nur Augen für rasches Fahren und schreckhafte Gestalten haben, wie solche der würdige Unterstaatssekretär Bassermann in den Straßen Berlins gesehen haben will. Von den vor einigen Tagen erwähnten Kanonenschlägen dürfte einer noch politische Wichtigkeit erlangen. Dieser flog in der Nähe der Malmenes'schen Knabenerziehungsanstalt auf und war unbekannten Ursprungs. Bemerkenswerth aber ist es, daß in demselben Augenblick wo der furchtbare Knall vernommen wurde, ein Ulanenoffizier mit einem Ulanen an die Thorwache des Schönhäuser Thores hinausgesprengt kam und rief, es sei so eben auf ihn geschossen worden, der Schuß sei aus dem Garten gekommen gekommen und er habe die Kugel pfeifen hören. Man hatte schon den ganzen Tag hindurch mit Verwunderung die ungewöhnlich starke Besetzung dieser Wache betrachtet, natürlich daß jetzt, wo Alles mißtraut, auch Mißtrauen über diesen Auftritt laut wurde. Das Militär durchsuchte die benachbarten Häuser und Gärten, fand aber eben so wenig einen Schützen, als ein Gewehr, als eine Kugelmarke in der geradeüber liegenden Stadtmauer. Auffallen würde es gar nicht, wenn wir morgen nun eine Bekanntmachung läsen, etwa des Inhalts: daß auf Patrouillen und Wachmanschaften außerhalb der Thore scharf geschossen worden sei und daß in Folge dessen verordnet werde. etc. -- -- Es ist jetzt Alles möglich. 14 Berlin, 1. Dez. Am 30. November, Abends 9 Uhr, befanden sich im Speisesaale des Mylius Hotel die unten verzeichneten elf Personen im harmlosen Gespräch beim Glase Bier und Wein. Plötzlich wird die Thür aufgerissen, und hereinstürmte der Major Graf v. Blumenthal, gefolgt von Offizieren und Soldaten, und befahl den Anwesenden, sofort den Saal zu verlassen. Die Protestationen derselben, daß diese Gewaltmaßregel um so weniger gerechtfertigt sei -- da man es nur auf Abgeordnete des Volks abgesehen zu haben scheine -- die Gegenwärtigen aber hiesige Bürger und im Hotel wohnende Fremde seien, wurde nicht berücksichtigt, vielmehr der Befehl unter Androhung der Gewalt wiederholt. Nachdem die Gäste den Saal verlassen, wurde derselbe von einem bereitstehenden Polizeibeamten versiegelt und sämmtliche Anwesende durch die im Hause und vor der Thür stehenden Soldatentrupps förmlich zum Hause hinaus getrieben. Auf die Frage der Vertriebenen: "Bei wem man sich über diesen Vorfall beschweren könne?", entgegnete der Major: "Auf der Kommandantur, wohin Sie mir sogleich folgen können." Dieselben verfügten sich auch dahin, und ließen um Aufnahme eines Protokolls bitten, indem sie sich auf den Major Grafen v. Blumenthal beriefen. Es kam ihnen die Antwort: "Der Hr. Major habe Niemanden herbestellt." Auf das einstimmige Zeugniß der Vertriebenen erfolgte jedoch eine abermalige Meldung, und darauf durch einen Beamten in Begleitung eines Offiziers der Bescheid: "Der Herr Major kann Sie wohl herbestellt haben, aber der Herr General nimmt sie doch nicht an." Auf weiteres Befragen: "Ob es denn für den Bürger gar keine Behörde mehr gäbe, welche seine Beschwerde annähme?", wurde die barsche Antwort: "Zum Polizeipräsidenten." Noch bekunden die Unterzeichneten zu größerer Genauigkeit, daß sie den Major um Aufnhme eines Personenverzeichnisies im Saale vergebens baten, und ihm bemerkten, daß nur drei Abgeordnete unter ihnen seien. Das billige Verlangen der Gäste: ihr angefangenes Abendessen wenigstens im vordern, kleinen Gastzimmer beendigen zu dürfen -- wurde jedoch vom Major barsch verweigert und die gänzliche Entfernung aus dem Hotel befohlen. Berlin am 30. November 1848. (Im Protokoll folgen die Namen, Stand und Wohnort). * Berlin. (Proclamation.) Mitbürger! Als durch die Revolution der Märztage der lange geknechtete Volkswille zur Geltung gekommen war, da habt Ihr die Preußische National-Versammlung hierher entsendet mit dem Auftrage, in gesetzlicher Ordnung den Neubau der Verfassung zu gründen. Es war Euch nicht zu thun um ein leeres Constitutions-Schema, neben welchem die alte Willkür, die alle Pulse des Volkslebens hemmenden alten Werkzeuge der Adels- Beamten- und Militär-Herrschaft in voller Thätigkeit hätten bleiben können. Ihr verlangtet eine neue Begründung, nicht nur in dem eigentlich politischen System, sondern auch im Gemeinde-, Verwaltungs-, Gerichts- und Militär-Wesen. In diesem Sinne hat die National-Versammlung ihre Aufgabe erfaßt und sich mit Ernst und Ausdauer ihrer Lösung gewidmet, mehr gehemmt als gefördert durch die drei rasch auf einander folgenden Ministerien. In die Nothwendigkeit versetzt, an die Stelle des von der öffentlichen Meinung gerichteten Verfassungs-Entwurfs des Ministeriums Camphausen denjenigen der Verfassungs-Commission zu setzen, hatten wir den letzteren durch Bearbeitung in den Abtheilungen und Central-Abtheilungen zur ununterbrochenen Berathung in den Plenar-Versammlungen gereift. Auch die Gemeinde-Ordnung, die bis jetzt noch nicht einmal von dem Ministerium vorgelegte Kreis- und Bezirks-Ordnung wären in kurzer Zeit zur Verhandlung in der Versammlung vorgearbeitet gewesen. Eben so verhielt es sich mit dem Grundsteuer-Gesetze, dessen Zweck dahin ging, der Ungleichheit in der Besteuerung der einzelnen-Provinzen, der Belastung des kleineren Gutsbesitzers vor dem größeren, ein Ende zu machen; wir haben diese Gesetzesvorlage noch in den letzten Tagen des Drangsals zur Berathung im Plenum beendigt. Ein Gesetz über die Abschaffung der Lasten des bäuerlichen Grundbesitzes beschäftigte jetzt eben die Versammlung. Der heilige Ernst ihres Berufs hatte sich mehr und mehr in derselben entwickelt. Der Beschluß vom 7. September über den Stein'schen Antrag zeigte zugleich ihre Entschlossenheit, die eigene Würde zu wahren und an die Reform des ganz außerhalb des Gesetzes der Neuzeit stehenden Offizier-Wesens endlich die Hand zu legen. Klar mußte es allen Privilegirten, allen Büreaukraten, allen Herrendienern, allen Anhängern des alten Militär- und Polizei-Staates werden, daß es mit dieser Versammlung nicht möglich sei, neben dem Scheinbilde des Constitutionalismus, die alte Willkür-Herrschaft fortzusetzen, das Volk wieder um die Früchte der Revolution zu bringen. Daher verdächtigen sie auf jede Weise die National-Versammlung, beschuldigen sie der Unthätigkeit, erhoben das Geschrei nach der bloßen, hohlen Constitutions-Form, beuteten die politische Unreife, die Furcht des Burgers vor dem Proletarier, diese in Deutschland ganz unbegründete Furcht, aus, benutzten einzelne Gesetz-Ueberschreitungen, um vermöge der widergesetzlichen Erfindung des Belagerungs-Zustandes im tiefsten Frieden, ein Werkzeug vorzubereiten zur Unterdrückung der blutig errungenen Freiheiten, der Presse, des Vereinigungs-Rechts. Zur Täuschung der Provinzen deutete man die in Zeiten der Aufregung unvermeidlichen, vereinzelten Excesse dahin, die Versammlung sei terrorisirt. Dichter und dichter, mit steigender Verschwendung der Staatsgelder, wurde zugleich das Netz militärischer Umstrickung um die friedliche Hauptstadt gezogen. Als nun die Versammlung auch in der Berathung der Grundrechte den entschiedenen Willen zeigte, die Früchte der Revolution zur Geltung zu bringen, als sie die Hand an die Feudalrechte legte, Adel, Titel und Orden aufhob, als sie sich des unterdrückten Wiens annahm, da schien es der Reaction die höchste Zeit zu sein, durch Beseitigung dieser Versammlung dem Volke die Hoffnungen zu nichte zu machen, deren Erfüllung nach wenigen Monaten bevorstand. Da trat die Soldatengewalt unverhüllt auf in dem Ministerium Brandenburg Die eigenmächtige Verlegung und Vertagung der Versammlung, das wiederholte gewaltsame Auseinandersprengen derselben durch die Bajonette, die Dictatur Wrangel's, der Belagerungszustand Berlins im Frieden und ohne Aufruhr, die Auflösung und Entwaffnung der Bürgerwehr, die Vernichtung der Preßfreiheit und des Vereinigungsrechts, die Verletzung des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, das sind die Thaten dieser Gewalthaber. -- Wir, Eure Vertreter, haben dem Despotismus den Widerstand geleistet, die in unserer Macht lag. Schritt vor Schritt folgten wir den Maßregeln dieses Ministeriums und erklarten sie für ungesetzlich. Als letzte Waffe des leidenden Widerstandes sprach die National-Versammlung diesem des Hochverraths angeklagten Ministerium die Befugniß ab, Steuern zu erheben und über Staatsgelder zu verfügen. -- Dabei haben wir wiederholt die Hand zur Ausgleichung des Confliktes geboten und nichts weiter verlangt, als die Aenderung des Ministeriums und die ungestörte Fortsetzung unserer Berathungen in Berlin. -- Alles jedoch ohne Erfolg Jetzt, wo die regelmäßige Zusammenkunft der Volksvertreter durch ungesetzliche Gewalt verhindert wird, vereinigt die Regierung die Abgeordneten, welche ihren Auftrag verkennen, zu einer, jedes gesetzlichen Ansehens entbehrenden, Versammlung in Brandenburg. Sie bedenkt nicht, daß Alles, was die Minderheit vornehmen mag, von vornherein null und nichtig ist, daß auch die etwaige Vermehrung der jetzt so geringen Zahl der dort Versammelten an der Gesetzlichkeit nicht das Mindeste ändern könnte, daß die einzige Grundlage derselben die Bajonette bleiben werden. Sollte, wie behauptet wird, die Gewalt im schlimmsten Falle, dem Lande eine Verfassung octroyren (aufdrängen) wollen, so würde eine solche Verfassung nicht die geringste Gültigkeit haben. Denn es ist die Errungenschaft des März, daß nur mit den gewählten Vertretern des Volks die Verfassung festgestellt werden darf. Nur wir, die hier in Berlin constituirte National-Versammlung, sind jetzt diese Vertreter. Jede Auflösung dieser Versammlung ist ungesetzlich und daher rechtlich wirkungslos. Feierlich protestirt die National-Versammlung gegen alle Akte der Regierung, welche durch die außerordentlichen Militär-Anstalten wöchentlich Millionen des Staatsvermögens, vergeudet, lediglich zur Knechtung der Nation. Feierlich erklärt dieselbe, daß die Regierung, ganz abgesehen von der bereits beschlossenen Steuerverweigerung, vom 1. Januar 1849 ab über keinen Pfenning verfügen darf, da wir das Budget noch nicht bewilligt haben. -- Harret Ihr Mitbürger indessen muthig aus, scheidet die Selbstsucht aus Eurer Mitte, stählt Eure moralische Kraft, welcher das gesetzlose Beginnen Eurer Unterdrücker endlich doch unterliegen muß. Es lebe die Freiheit! Es lebe das Vaterland! Berlin, den 27. November 1848. Die Abgeordneten der National-Versammlung: Anwandter. Arnold. Arntz. Bading. Baltzer. Bauer. Bazynskl. Beeck. Behnsch. Berends. v. Berg. Beck. Bliesner. Borchardt. Born. Brill. v. Brodowski. Becker. Bloem. v. Bruchhausen. Bunzel. Baumgart. D'Ester. Dierschke. Dittrich. Döring. Dziadeck. Ebel. Eichner. Elsner. Esser. Nees von Esenbeck. Euler. Friedrich. Funke. Fischer. Gladbach. Gräff. Grün. Grebel Guittienne. Gorzolka. Hänel. Haußmann. Haußmann. Heisig. Herold. Hermann. Hildenhagen. Hildebrandt. Hoferichter. Hoyoll. Horn. Humann. Heinatz. Hahnrieder. Jacoby. Jung. Jung. Juncker. Iwand. Kabus. Kaul. Keiffenheim. Kittelmann. Klingenberg. Kneip. Köhler. Körfgen. Krackrügge. v. Kraszewski. Krause. Krüger. Kuhr. Kunz. Kutzner. Kaliski. Laraß. Laßwitz. Lentz. v. Lipski. v. Lisiecki. Lebermann. Lellek. Maager. Mann. Matze. Matthaei. Meßrich. Mildner. Moldenhauer. Mros. Mülhens. Müller. Müller. Nickel. Otto. Paap. Packeiser. Pankow Pax. Peters. Philipps. Pilet. Pinoff. Plath. Plönnis. Pheiffer. Quandt. Raentsch. Raffauf. Graf Reichenbach. Reinige. Reinicke. Reuter. Richter. Riedel. Riel. Riemann. Rodbertus. Rötscher. Rüdiger. Rochow. Schaffraneck. Schell. Schmidt. Schmidt. Schmidt. Schneider. Schoen. Scholtz. Schornbaum. Schramm. Schramm. Schulz. Schulze. Schultze. Schwickerath. Siebert. Skiba. Sohrweide. Specht. Steffarowicz. Stein. Strybel. Szumann Simon. Schuck. Schafferl. Taczarski. Teichmann. Temme. Teske. Thiede. Toebe. Trapzieski. Ulrich. Vissers. Voigt. Waldeck. Weichsel. Willenberg. Witt. Wollheim. Woday. Wollschläger. Zenker. Zorn. Zeidler. Durch militairische Besetzung des Bureaux der National-Versammlung und der Privatwohnung des Secretairs Hildenhagen, welcher die Sammlung der Unterschriften in Auftrag hatte, ist die weitere Einzeichnung der in Berlin anwesenden Deputirten verhindert worden. * Berlin, 2. Dez. Der Präsident v. Unruh hat gestern von Brandenburg aus sämmtliche Mitglieder der Nationalversammlung zur heutigen Sitzung einberufen. Die hier anwesenden Mitglieder des linken Centrums und ein Theil der Linken, wie Jung, Grebel, Körfgen u. A. sind diesem Rufe heute Morgen gefolgt und nach Brandenburg gereist. Da jedoch die gestern im Dom zurückgebliebene Rechte mit 72 gegen 61 Stimmen beschlossen hat, sich bis Donnerstag zu vertragen, so wird die in Brandenburg versammelte Opposition, unter dem Präsidium Unruh's heute nur eine Privatberathung halten und sich wo möglich mit der Rechten dahin verständigen, daß Montag die Sitzungen der Nationalversammlung unter Vorsitz des Hrn. v. Unruh beginnen können. Dr. A. Hexamer, Mitglied des Central-Ausschusses der deutschen Demokraten, hatte als Schreiber des Justizraths Pfeiffer, von der hiesigen Polizei die Erlaubniß zum bleibenden Aufenthalt. Der neue Polizeipräsident, Hr. Hinkeldey, hat sich jedoch veranlaßt gefunden, Hexamer, ohne Angabe irgend eines Grundes, aus Berlin zu verweisen. Letzterer hat seine bisherige Wohnung verlassen und sich nach seinem Vaterland (was ist des Deutschen Vaterland?) begeben. Am Tage seiner Abreise besuchte er noch einen, im Mylius Hotel Nr. 29 logirenden Freund. Da aber Mylius Hotel, als der gewöhnliche Versammlungsort der Linken, Tag und Nacht von Spionen jeder Art umgeben ist, so wurde auch Hexamers Anwesenheit auf dem Zimmer Nr. 29 dem Polizeipräsidenten hinterbracht. Sofort erschien ein Konstabler, der sich ohne Weiteres nach Nr. 29 begab. Das Zimmer war verschlossen. Er ließ es sich ohne Weiteres öffnen und wollte die dort befindlichen Reise-Effekten eines eben angekommen Fremden, als die Hexamers mit Beschlag belegen. Nur mit Mühe ließ sich der Konstabler überzeugen, daß Hexamer nicht im Hotel wohne und die vorgefundenen Effekten, wie das die Namensbezeichnung beweise, dem Rittmeister Kuhr gehören. So befolgt unsere Polizei die Habeas-Corpus-Acte; sie dringt in Privatwohnungen und verfügt Beschlagnahme ohne richterlichen Befehl. Der vorgestern von einem Polizei-Offizianten, unter Beihülfe einer Kompagnie Soldaten versiegelte Gesellschaftssaal im Hotel Mylius ist gestern Nachmittag, ohne daß der Besitzer einen Schritt deshalb gethan hätte, wieder entsiegelt worden. Die pommersche Landwehr ist heute hier eingerückt, um einige andere von hier abgegangene Bataillone von der Linie zu ersetzen. Der Prinz von Preußen mit seinem Sohne und seiner ganzen Suite war eigens von Babelsberg dazu hierher gekommen, um vereint mit dem General Wrangel diese Landwehrregimente zu empfangen und feierlichst einzuholen. Es war seit dem 18. März das erste Mal, daß der Prinz von Preußen wieder mit stolzen herrischen Blicken durch die Straßen Berlins ritt. Wer dieser prinzlichen Suite, mit ihren Alles zu vernichten drohenden Blicken auf den Straßen heute begegnete, dem ist es klar geworden, daß es noch Menschen gibt, welche seit dem 18. März weder etwas gelernt noch etwas vergessen haben. Frankfurt a. d. O., 27. Nov. Die Steuerverweigerung hat hier, wie in vielen anderen Orten, den Wendepunkt der Gesinnungsostentation herbeigeführt. Eine äußere Veranlassung hierzu geben mehrere traurige Konflikte mit dem Militär, namentlich mit Soldaten des 10. Regiments. Am vergangenen Freitag drangen nämlich circa 80 Mann unter Anführung eines Unteroffiziers, zum Theil bewaffnet, in das Lokal, in welchem der demokratische Verein sich versammelte und überfielen die Anwesenden mit Schlägen und Säbelhieben, so daß sich dieselben flüchten mußten, weil thatsächlich ihr Leben bedroht war. Die Soldaten hatten das Attentat förmlich organisirt. Sektionsweise waren sie vom Kasernenhofe abmarschirt und sektionsweise kehrten sie nach vollbrachter Heldenthat jubelnd und singend zurück. Am anderen Tage erneuten sich die Exzesse, als ein Unteroffizier ein Plakat abriß und dafür von einem Bürger handgreiflich gezüchtigt wurde. Es entstand eine Straßenprügelei, bei welcher sich auch Offiziere als Zuschauer einfanden. Soldaten suchten einen Flüchtiggewordenen in einem Hause, in welches sie gewaltsam eindrangen und alle Protestationen des Wirthes wegen Verletzung des Hausrechts höhnend zurückwiesen. Auch hierbei war ein Major auf dem Hofe unthätiger Zuschauer. -- Die Klage ist freilich eingeleitet, aber man weiß ja, welche Resultate dergleichen Klagen und Untersuchungen haben -- Ausdrücklich müssen wir bemerken, daß die Landwehr, das 8. und 20. Regiment, auf Seiten der Bürger stand. Das 10. Regiment war gestern in der Kaserne konsignirt. -- Fast täglich marschirt hier Landwehr nach Schlesien durch; am Sonnabend das nach Görlitz, gestern das nach Löwenberg, heute das nach Hainau und Bunzlau bestimmte Bataillon. Stettin, 28 Nov. In Colberg will man unter den Artilleristen Bestrebungen entdeckt haben, welche mit der bestehenden militärischen Ordnung nicht im Einklang stehen. Ein Offizier, der früher in die Annekesche Angelegenheit verwickelt war, soll versetzt und eine Anzahl von Unteroffizieren in Untersuchung gezogen seyn. Ein höherer Offizier, welcher die Bestrebungen nicht rechtzeitig entdeckte, ist suspendirt. Die Denunciation erfolgte durch ein Schreiben aus Colberg nach Berlin. Das Stettiner Gen.-Commando muß täglich von hier aus an das Staatsministerium berichten. (B. N.)Posen, 26. Nov. Der Ingenieur-Lieutenannt Rüstow, der Verfasser der kleinen Brochüre: "Brief eines demokratischen Offiziers" ist heute auf Befehl des General v. Steinäcker vom Dienste suspendirt. Die nächste Veranlassung zu dieser Maßregel hat jedenfalls die Betheiligung des genannten Herrn, dessen ausgezeichnete militärische und allgemeine Bildung übrigens von allen Seiten anerkannt wird, am hiesigen demokratischen Verein und an einer Kollekte für die National-Versammlung gegeben. -- Gestern wurden ihm folgende Fragen vorgelegt: haben Sie den Brief eines demokratischen Offiziers verfaßt? Sind Sie Mitglied des hiesigen demokratischen Vereins? Haben Sie für die National-Versammlung 1 Rth. bezahlt? Herr Rüstow beantwortete jede der Fragen mit ja und heute früh wurde ihm eröffnet, daß er wegen schwerer Beleidigung des Offizierstandes und um Excesse zu verhüten, vom Dienst suspendirt sei. Die Bedeutung des letzten Grundes zu begreifen, ist nicht möglich. Von wem befürchtet man Excesse denen vorgebeugt werden soll? Jedenfalls wird Herr Rüstow demnächst vor ein Ehrengericht gestellt werden. So befolgt man den Pfuelschen Ministerial-Erlaß! (Osts. Z.) 33 Brünn, 29. Nov. Von der deutschen Bewegung wird man aus den hiesigen Zeitungen kaum etwas gewahr. Sie bringen blos das, was in ihren Standrechtskram paßt, mit Weglassung alles andern. Und wenn einmal etwas demokratisches berichtet wird, so fällt diese Henker-Presse mit einer wahren Hyänenwuth über die Thatsache her. So z. B. die "Presse" über den Beschluß der Frankfurterin, Blum eine Todtenfeier zu halten, über das toskanische und päbstliche Ministerium. Wer einem seinen französischen Zeitungsabsolutismus mitunter noch Geschmack abgewinnen kann, dem muß es gleichwohl übel werden, wenn er hier unter diese Hetze infamer Literaten kommt, deren hundsföttische Seele fortwährend einen Geifer ausspritzt, dessen Urquelle immer die Gesinnungslosigkeit, der Schachergeist ist. Der Reichstag in Kremsier ist ein Spott geworden; die Czechen behaupten ihre alte Rolle, wofür sie von Frau Sophie gut bezahlt werden sollen. Die Verlesung der Protokolle vom 30. und 31. Oktober ist, weil daraus eine Anerkennung der Revolution gefolgert würde, verworfen worden. Auf Interpellationen wird keine Antwort mehr ertheilt, und dem Reichstag überhaupt nicht erlaubt, zahlreiche Sitzungen zu halten. Es kommen viele Mißtrauensvota der Wähler vor, die meistens freisinnig sind. Darum spruzt auch die infame Presse dagegen; sie will die Umgekehrten, denn der Reichstag soll purifizirt werden. Man will alle Bildung, alle Gesinnung herausgeworfen haben, und dafür blos Czechen und andere Irokesen drinn behalten. Die Aristokratie strengt ihre letzte Kraft an, sich wieder zu Geltung zu bringen, doch es ist aus mit ihr. Sie steckt bis über die Ohren in Schulden, ist gänzlich den Juden zinsbar. In Oesterreich wird sich daher eine Bourgeoisie entwickeln, die, da sie bisher rein wie das Vieh auferzogen worden, an Infamie alles überbieten wird, was der Westen Europa's je hervorgebracht. Vielleicht herrscht sie dann um so kürzere Zeit. Schon Metternich hat sich auf die Bourgeois stützen müssen und die Kamarilla thut es, ungeachtet es anders scheinen mag, noch mehr. Wir wollen sehen, was zuerst zusammenkracht; denn daß Oesterreich in seinem jetzigen Zustande lange verbleibt, ist unmöglich. 121 Wien, 29. Nov. Europa ist voll von dem Zivio, von der siegreichen Macht der Kroaten. -- Kroaten in Italien, Kroaten in Ungarn, Kroaten in Wien. Sie fehlen nur noch in Berlin. Und dennoch ist Kroatien ein kleines und noch dazu menschenleeres Land. Woher also diese ungeheure Kroatenarmee? Darauf antwortet das Volk: die Hälfte dieser Kroaten sind -- Russen, die über Galizien und rundum die Donaufürstenthümer in Bauerntrupps eingeschwärzt, dann eingekleidet und auf diese Weise als Kroaten in die verschiedenen Armeen gebracht worden sind. -- Mir selbst sagte vor einigen Tagen ein slavischer Soldat, indem er auf seine Uniform zeigte: "deutsch", und, indem er nun mit dem Finger das Gesicht berührte: "Nuß". Betteln und diese beiden Worte, das war seine ganze Sprache. -- Danach erwarten Sie mit Sicherheit die Niederlage der armen Magyaren; sie können sich bei dem spartanischsten Muthe nicht zugleich halten, wider Oesterreich und die russisch-türkische Intervention. Die Kroaten der Türkei sind nämlich ebenfalls im österreichischen Heere. Der Gesandte der französischen Bourgeois-Republik benimmt sich dabei, als ob die Sache ganz ohne Bedeutung wäre; sein Sekretariat macht unterdessen sogar recht gute Börsengeschäfte. -- Noch niemals wurde in den Straßen und Häusern soviel gebettelt, als nun; man glaubt sich in Brüssel; die Konkurrenz der Kroaten entzieht dabei dem armen Volke manchen Kreuzer. Statt der vielen politischen Plakate und Zeitungen, die früher Morgens die Straßenecken bedeck- [Deutschland] [Fortsetzung] nahme, welche sie dem preuß. Volke bewiesen, gedankt zugleich aber auch erwähnt wurde, daß die Majorität des Vertrauens im Volke durchaus entbehrte. Beschlüsse, heißt es darin, welche des Volkes Rechte vernichten, weiß sie zu fassen; durch „Phrasen und Reichskommissare“ glaubt sie des Volks Rechte zu garantiren. X Berlin, 1. Dez. Gestern Abend hat Wrangel dem Gastwirth Mylius wirklich das Haus geschlossen, und, nachdem die Soldaten dasselbe von allen menschlichen Wesen gesäubert hatten, die Thüren unter Siegel gelegt. Ein Gardelieutenant rannte vorgestern auf der Straße seinen Ellbogen einem ehrsamen Berliner Bürger in die Rippen. Gleich darauf gab er demselben auch noch eine Maulschelle mit den Worten: „Sie Flegel, können Sie nicht die Augen aufthun, wenn Ihnen ein Offizier begegnet? He da! (zweien in der Nähe stehenden Konstablern zurufend) arretirt mir den Kerl.“ Gesagt, gethan, der gestoßene und geohrfeigte Mann wurde ins Gefängniß abgeführt. Alle diese Schandthaten geschehen offenbar in keiner andern Absicht, als das Volk zu einem Aufstande zu provoziren, und dann ein Blutbad wie in Wien anzurichten. Man ist auch in der größesten Verlegenheit wegen der Soldaten, die, massenweise in den Kasernen und den öffentlichen Gebäuden zusammengepfercht sind, und vom Ungeziefer fast aufgefressen werden. Die Kerle sind von den Offizieren systematisch für ihren König fanatisirt worden, und sie fragen tagtäglich: (da sie aus ihrer unbehaglichen Lage herauszukommen wünschen) „Geht es denn noch nicht bald los, laßt uns doch endlich drauf schlagen.“ Dieser Zustand kann natürlich nicht lange mehr fortdauern, da die Soldaten sonst unzufrieden werden, man sie auch weder von Berlin zu verlegen, noch bei den Bürgern einzuquartieren wagt. Der edle v. Gagern scheint sich hier ganz in dem Bereiche des Wahrheitsfreundes Bassermann zu bewegen. Gestern ist er in Brandenburg auf der Tribüne im diplomatischen Korps gesehen worden. Auch soll er sich dort mit den Hauptführern der Rechten angelegentlich unterhalten haben. Bei dem Präsidenten Unruh oder einem andern der hier gebliebenen Abgeordneten hat er sich bis jetzt nicht blicken lassen. Der gute Mann sollte doch das „audiatur et altera pars“ nicht außer Augen lassen. Oder will man, wie die Fürsten, absichtlich Augen und Ohren nach der Seite hin verschließen, wo allein die Wahrheit zu finden ist? Es scheint, daß die Herren Reichskommissarien nur Augen für rasches Fahren und schreckhafte Gestalten haben, wie solche der würdige Unterstaatssekretär Bassermann in den Straßen Berlins gesehen haben will. Von den vor einigen Tagen erwähnten Kanonenschlägen dürfte einer noch politische Wichtigkeit erlangen. Dieser flog in der Nähe der Malmenes'schen Knabenerziehungsanstalt auf und war unbekannten Ursprungs. Bemerkenswerth aber ist es, daß in demselben Augenblick wo der furchtbare Knall vernommen wurde, ein Ulanenoffizier mit einem Ulanen an die Thorwache des Schönhäuser Thores hinausgesprengt kam und rief, es sei so eben auf ihn geschossen worden, der Schuß sei aus dem Garten gekommen gekommen und er habe die Kugel pfeifen hören. Man hatte schon den ganzen Tag hindurch mit Verwunderung die ungewöhnlich starke Besetzung dieser Wache betrachtet, natürlich daß jetzt, wo Alles mißtraut, auch Mißtrauen über diesen Auftritt laut wurde. Das Militär durchsuchte die benachbarten Häuser und Gärten, fand aber eben so wenig einen Schützen, als ein Gewehr, als eine Kugelmarke in der geradeüber liegenden Stadtmauer. Auffallen würde es gar nicht, wenn wir morgen nun eine Bekanntmachung läsen, etwa des Inhalts: daß auf Patrouillen und Wachmanschaften außerhalb der Thore scharf geschossen worden sei und daß in Folge dessen verordnet werde. etc. — — Es ist jetzt Alles möglich. 14 Berlin, 1. Dez. Am 30. November, Abends 9 Uhr, befanden sich im Speisesaale des Mylius Hotel die unten verzeichneten elf Personen im harmlosen Gespräch beim Glase Bier und Wein. Plötzlich wird die Thür aufgerissen, und hereinstürmte der Major Graf v. Blumenthal, gefolgt von Offizieren und Soldaten, und befahl den Anwesenden, sofort den Saal zu verlassen. Die Protestationen derselben, daß diese Gewaltmaßregel um so weniger gerechtfertigt sei — da man es nur auf Abgeordnete des Volks abgesehen zu haben scheine — die Gegenwärtigen aber hiesige Bürger und im Hotel wohnende Fremde seien, wurde nicht berücksichtigt, vielmehr der Befehl unter Androhung der Gewalt wiederholt. Nachdem die Gäste den Saal verlassen, wurde derselbe von einem bereitstehenden Polizeibeamten versiegelt und sämmtliche Anwesende durch die im Hause und vor der Thür stehenden Soldatentrupps förmlich zum Hause hinaus getrieben. Auf die Frage der Vertriebenen: „Bei wem man sich über diesen Vorfall beschweren könne?“, entgegnete der Major: „Auf der Kommandantur, wohin Sie mir sogleich folgen können.“ Dieselben verfügten sich auch dahin, und ließen um Aufnahme eines Protokolls bitten, indem sie sich auf den Major Grafen v. Blumenthal beriefen. Es kam ihnen die Antwort: „Der Hr. Major habe Niemanden herbestellt.“ Auf das einstimmige Zeugniß der Vertriebenen erfolgte jedoch eine abermalige Meldung, und darauf durch einen Beamten in Begleitung eines Offiziers der Bescheid: „Der Herr Major kann Sie wohl herbestellt haben, aber der Herr General nimmt sie doch nicht an.“ Auf weiteres Befragen: „Ob es denn für den Bürger gar keine Behörde mehr gäbe, welche seine Beschwerde annähme?“, wurde die barsche Antwort: „Zum Polizeipräsidenten.“ Noch bekunden die Unterzeichneten zu größerer Genauigkeit, daß sie den Major um Aufnhme eines Personenverzeichnisies im Saale vergebens baten, und ihm bemerkten, daß nur drei Abgeordnete unter ihnen seien. Das billige Verlangen der Gäste: ihr angefangenes Abendessen wenigstens im vordern, kleinen Gastzimmer beendigen zu dürfen — wurde jedoch vom Major barsch verweigert und die gänzliche Entfernung aus dem Hotel befohlen. Berlin am 30. November 1848. (Im Protokoll folgen die Namen, Stand und Wohnort). * Berlin. (Proclamation.) Mitbürger! Als durch die Revolution der Märztage der lange geknechtete Volkswille zur Geltung gekommen war, da habt Ihr die Preußische National-Versammlung hierher entsendet mit dem Auftrage, in gesetzlicher Ordnung den Neubau der Verfassung zu gründen. Es war Euch nicht zu thun um ein leeres Constitutions-Schema, neben welchem die alte Willkür, die alle Pulse des Volkslebens hemmenden alten Werkzeuge der Adels- Beamten- und Militär-Herrschaft in voller Thätigkeit hätten bleiben können. Ihr verlangtet eine neue Begründung, nicht nur in dem eigentlich politischen System, sondern auch im Gemeinde-, Verwaltungs-, Gerichts- und Militär-Wesen. In diesem Sinne hat die National-Versammlung ihre Aufgabe erfaßt und sich mit Ernst und Ausdauer ihrer Lösung gewidmet, mehr gehemmt als gefördert durch die drei rasch auf einander folgenden Ministerien. In die Nothwendigkeit versetzt, an die Stelle des von der öffentlichen Meinung gerichteten Verfassungs-Entwurfs des Ministeriums Camphausen denjenigen der Verfassungs-Commission zu setzen, hatten wir den letzteren durch Bearbeitung in den Abtheilungen und Central-Abtheilungen zur ununterbrochenen Berathung in den Plenar-Versammlungen gereift. Auch die Gemeinde-Ordnung, die bis jetzt noch nicht einmal von dem Ministerium vorgelegte Kreis- und Bezirks-Ordnung wären in kurzer Zeit zur Verhandlung in der Versammlung vorgearbeitet gewesen. Eben so verhielt es sich mit dem Grundsteuer-Gesetze, dessen Zweck dahin ging, der Ungleichheit in der Besteuerung der einzelnen-Provinzen, der Belastung des kleineren Gutsbesitzers vor dem größeren, ein Ende zu machen; wir haben diese Gesetzesvorlage noch in den letzten Tagen des Drangsals zur Berathung im Plenum beendigt. Ein Gesetz über die Abschaffung der Lasten des bäuerlichen Grundbesitzes beschäftigte jetzt eben die Versammlung. Der heilige Ernst ihres Berufs hatte sich mehr und mehr in derselben entwickelt. Der Beschluß vom 7. September über den Stein'schen Antrag zeigte zugleich ihre Entschlossenheit, die eigene Würde zu wahren und an die Reform des ganz außerhalb des Gesetzes der Neuzeit stehenden Offizier-Wesens endlich die Hand zu legen. Klar mußte es allen Privilegirten, allen Büreaukraten, allen Herrendienern, allen Anhängern des alten Militär- und Polizei-Staates werden, daß es mit dieser Versammlung nicht möglich sei, neben dem Scheinbilde des Constitutionalismus, die alte Willkür-Herrschaft fortzusetzen, das Volk wieder um die Früchte der Revolution zu bringen. Daher verdächtigen sie auf jede Weise die National-Versammlung, beschuldigen sie der Unthätigkeit, erhoben das Geschrei nach der bloßen, hohlen Constitutions-Form, beuteten die politische Unreife, die Furcht des Burgers vor dem Proletarier, diese in Deutschland ganz unbegründete Furcht, aus, benutzten einzelne Gesetz-Ueberschreitungen, um vermöge der widergesetzlichen Erfindung des Belagerungs-Zustandes im tiefsten Frieden, ein Werkzeug vorzubereiten zur Unterdrückung der blutig errungenen Freiheiten, der Presse, des Vereinigungs-Rechts. Zur Täuschung der Provinzen deutete man die in Zeiten der Aufregung unvermeidlichen, vereinzelten Excesse dahin, die Versammlung sei terrorisirt. Dichter und dichter, mit steigender Verschwendung der Staatsgelder, wurde zugleich das Netz militärischer Umstrickung um die friedliche Hauptstadt gezogen. Als nun die Versammlung auch in der Berathung der Grundrechte den entschiedenen Willen zeigte, die Früchte der Revolution zur Geltung zu bringen, als sie die Hand an die Feudalrechte legte, Adel, Titel und Orden aufhob, als sie sich des unterdrückten Wiens annahm, da schien es der Reaction die höchste Zeit zu sein, durch Beseitigung dieser Versammlung dem Volke die Hoffnungen zu nichte zu machen, deren Erfüllung nach wenigen Monaten bevorstand. Da trat die Soldatengewalt unverhüllt auf in dem Ministerium Brandenburg Die eigenmächtige Verlegung und Vertagung der Versammlung, das wiederholte gewaltsame Auseinandersprengen derselben durch die Bajonette, die Dictatur Wrangel's, der Belagerungszustand Berlins im Frieden und ohne Aufruhr, die Auflösung und Entwaffnung der Bürgerwehr, die Vernichtung der Preßfreiheit und des Vereinigungsrechts, die Verletzung des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, das sind die Thaten dieser Gewalthaber. — Wir, Eure Vertreter, haben dem Despotismus den Widerstand geleistet, die in unserer Macht lag. Schritt vor Schritt folgten wir den Maßregeln dieses Ministeriums und erklarten sie für ungesetzlich. Als letzte Waffe des leidenden Widerstandes sprach die National-Versammlung diesem des Hochverraths angeklagten Ministerium die Befugniß ab, Steuern zu erheben und über Staatsgelder zu verfügen. — Dabei haben wir wiederholt die Hand zur Ausgleichung des Confliktes geboten und nichts weiter verlangt, als die Aenderung des Ministeriums und die ungestörte Fortsetzung unserer Berathungen in Berlin. — Alles jedoch ohne Erfolg Jetzt, wo die regelmäßige Zusammenkunft der Volksvertreter durch ungesetzliche Gewalt verhindert wird, vereinigt die Regierung die Abgeordneten, welche ihren Auftrag verkennen, zu einer, jedes gesetzlichen Ansehens entbehrenden, Versammlung in Brandenburg. Sie bedenkt nicht, daß Alles, was die Minderheit vornehmen mag, von vornherein null und nichtig ist, daß auch die etwaige Vermehrung der jetzt so geringen Zahl der dort Versammelten an der Gesetzlichkeit nicht das Mindeste ändern könnte, daß die einzige Grundlage derselben die Bajonette bleiben werden. Sollte, wie behauptet wird, die Gewalt im schlimmsten Falle, dem Lande eine Verfassung octroyren (aufdrängen) wollen, so würde eine solche Verfassung nicht die geringste Gültigkeit haben. Denn es ist die Errungenschaft des März, daß nur mit den gewählten Vertretern des Volks die Verfassung festgestellt werden darf. Nur wir, die hier in Berlin constituirte National-Versammlung, sind jetzt diese Vertreter. Jede Auflösung dieser Versammlung ist ungesetzlich und daher rechtlich wirkungslos. Feierlich protestirt die National-Versammlung gegen alle Akte der Regierung, welche durch die außerordentlichen Militär-Anstalten wöchentlich Millionen des Staatsvermögens, vergeudet, lediglich zur Knechtung der Nation. Feierlich erklärt dieselbe, daß die Regierung, ganz abgesehen von der bereits beschlossenen Steuerverweigerung, vom 1. Januar 1849 ab über keinen Pfenning verfügen darf, da wir das Budget noch nicht bewilligt haben. — Harret Ihr Mitbürger indessen muthig aus, scheidet die Selbstsucht aus Eurer Mitte, stählt Eure moralische Kraft, welcher das gesetzlose Beginnen Eurer Unterdrücker endlich doch unterliegen muß. Es lebe die Freiheit! Es lebe das Vaterland! Berlin, den 27. November 1848. Die Abgeordneten der National-Versammlung: Anwandter. Arnold. Arntz. Bading. Baltzer. Bauer. Bazynskl. Beeck. Behnsch. Berends. v. Berg. Beck. Bliesner. Borchardt. Born. Brill. v. Brodowski. Becker. Bloem. v. Bruchhausen. Bunzel. Baumgart. D'Ester. Dierschke. Dittrich. Döring. Dziadeck. Ebel. Eichner. Elsner. Esser. Nees von Esenbeck. Euler. Friedrich. Funke. Fischer. Gladbach. Gräff. Grün. Grebel Guittienne. Gorzolka. Hänel. Haußmann. Haußmann. Heisig. Herold. Hermann. Hildenhagen. Hildebrandt. Hoferichter. Hoyoll. Horn. Humann. Heinatz. Hahnrieder. Jacoby. Jung. Jung. Juncker. Iwand. Kabus. Kaul. Keiffenheim. Kittelmann. Klingenberg. Kneip. Köhler. Körfgen. Krackrügge. v. Kraszewski. Krause. Krüger. Kuhr. Kunz. Kutzner. Kaliski. Laraß. Laßwitz. Lentz. v. Lipski. v. Lisiecki. Lebermann. Lellek. Maager. Mann. Matze. Matthaei. Meßrich. Mildner. Moldenhauer. Mros. Mülhens. Müller. Müller. Nickel. Otto. Paap. Packeiser. Pankow Pax. Peters. Philipps. Pilet. Pinoff. Plath. Plönnis. Pheiffer. Quandt. Raentsch. Raffauf. Graf Reichenbach. Reinige. Reinicke. Reuter. Richter. Riedel. Riel. Riemann. Rodbertus. Rötscher. Rüdiger. Rochow. Schaffraneck. Schell. Schmidt. Schmidt. Schmidt. Schneider. Schoen. Scholtz. Schornbaum. Schramm. Schramm. Schulz. Schulze. Schultze. Schwickerath. Siebert. Skiba. Sohrweide. Specht. Steffarowicz. Stein. Strybel. Szumann Simon. Schuck. Schafferl. Taczarski. Teichmann. Temme. Teske. Thiede. Toebe. Trapzieski. Ulrich. Vissers. Voigt. Waldeck. Weichsel. Willenberg. Witt. Wollheim. Woday. Wollschläger. Zenker. Zorn. Zeidler. Durch militairische Besetzung des Bureaux der National-Versammlung und der Privatwohnung des Secretairs Hildenhagen, welcher die Sammlung der Unterschriften in Auftrag hatte, ist die weitere Einzeichnung der in Berlin anwesenden Deputirten verhindert worden. * Berlin, 2. Dez. Der Präsident v. Unruh hat gestern von Brandenburg aus sämmtliche Mitglieder der Nationalversammlung zur heutigen Sitzung einberufen. Die hier anwesenden Mitglieder des linken Centrums und ein Theil der Linken, wie Jung, Grebel, Körfgen u. A. sind diesem Rufe heute Morgen gefolgt und nach Brandenburg gereist. Da jedoch die gestern im Dom zurückgebliebene Rechte mit 72 gegen 61 Stimmen beschlossen hat, sich bis Donnerstag zu vertragen, so wird die in Brandenburg versammelte Opposition, unter dem Präsidium Unruh's heute nur eine Privatberathung halten und sich wo möglich mit der Rechten dahin verständigen, daß Montag die Sitzungen der Nationalversammlung unter Vorsitz des Hrn. v. Unruh beginnen können. Dr. A. Hexamer, Mitglied des Central-Ausschusses der deutschen Demokraten, hatte als Schreiber des Justizraths Pfeiffer, von der hiesigen Polizei die Erlaubniß zum bleibenden Aufenthalt. Der neue Polizeipräsident, Hr. Hinkeldey, hat sich jedoch veranlaßt gefunden, Hexamer, ohne Angabe irgend eines Grundes, aus Berlin zu verweisen. Letzterer hat seine bisherige Wohnung verlassen und sich nach seinem Vaterland (was ist des Deutschen Vaterland?) begeben. Am Tage seiner Abreise besuchte er noch einen, im Mylius Hotel Nr. 29 logirenden Freund. Da aber Mylius Hotel, als der gewöhnliche Versammlungsort der Linken, Tag und Nacht von Spionen jeder Art umgeben ist, so wurde auch Hexamers Anwesenheit auf dem Zimmer Nr. 29 dem Polizeipräsidenten hinterbracht. Sofort erschien ein Konstabler, der sich ohne Weiteres nach Nr. 29 begab. Das Zimmer war verschlossen. Er ließ es sich ohne Weiteres öffnen und wollte die dort befindlichen Reise-Effekten eines eben angekommen Fremden, als die Hexamers mit Beschlag belegen. Nur mit Mühe ließ sich der Konstabler überzeugen, daß Hexamer nicht im Hotel wohne und die vorgefundenen Effekten, wie das die Namensbezeichnung beweise, dem Rittmeister Kuhr gehören. So befolgt unsere Polizei die Habeas-Corpus-Acte; sie dringt in Privatwohnungen und verfügt Beschlagnahme ohne richterlichen Befehl. Der vorgestern von einem Polizei-Offizianten, unter Beihülfe einer Kompagnie Soldaten versiegelte Gesellschaftssaal im Hotel Mylius ist gestern Nachmittag, ohne daß der Besitzer einen Schritt deshalb gethan hätte, wieder entsiegelt worden. Die pommersche Landwehr ist heute hier eingerückt, um einige andere von hier abgegangene Bataillone von der Linie zu ersetzen. Der Prinz von Preußen mit seinem Sohne und seiner ganzen Suite war eigens von Babelsberg dazu hierher gekommen, um vereint mit dem General Wrangel diese Landwehrregimente zu empfangen und feierlichst einzuholen. Es war seit dem 18. März das erste Mal, daß der Prinz von Preußen wieder mit stolzen herrischen Blicken durch die Straßen Berlins ritt. Wer dieser prinzlichen Suite, mit ihren Alles zu vernichten drohenden Blicken auf den Straßen heute begegnete, dem ist es klar geworden, daß es noch Menschen gibt, welche seit dem 18. März weder etwas gelernt noch etwas vergessen haben. Frankfurt a. d. O., 27. Nov. Die Steuerverweigerung hat hier, wie in vielen anderen Orten, den Wendepunkt der Gesinnungsostentation herbeigeführt. Eine äußere Veranlassung hierzu geben mehrere traurige Konflikte mit dem Militär, namentlich mit Soldaten des 10. Regiments. Am vergangenen Freitag drangen nämlich circa 80 Mann unter Anführung eines Unteroffiziers, zum Theil bewaffnet, in das Lokal, in welchem der demokratische Verein sich versammelte und überfielen die Anwesenden mit Schlägen und Säbelhieben, so daß sich dieselben flüchten mußten, weil thatsächlich ihr Leben bedroht war. Die Soldaten hatten das Attentat förmlich organisirt. Sektionsweise waren sie vom Kasernenhofe abmarschirt und sektionsweise kehrten sie nach vollbrachter Heldenthat jubelnd und singend zurück. Am anderen Tage erneuten sich die Exzesse, als ein Unteroffizier ein Plakat abriß und dafür von einem Bürger handgreiflich gezüchtigt wurde. Es entstand eine Straßenprügelei, bei welcher sich auch Offiziere als Zuschauer einfanden. Soldaten suchten einen Flüchtiggewordenen in einem Hause, in welches sie gewaltsam eindrangen und alle Protestationen des Wirthes wegen Verletzung des Hausrechts höhnend zurückwiesen. Auch hierbei war ein Major auf dem Hofe unthätiger Zuschauer. — Die Klage ist freilich eingeleitet, aber man weiß ja, welche Resultate dergleichen Klagen und Untersuchungen haben — Ausdrücklich müssen wir bemerken, daß die Landwehr, das 8. und 20. Regiment, auf Seiten der Bürger stand. Das 10. Regiment war gestern in der Kaserne konsignirt. — Fast täglich marschirt hier Landwehr nach Schlesien durch; am Sonnabend das nach Görlitz, gestern das nach Löwenberg, heute das nach Hainau und Bunzlau bestimmte Bataillon. Stettin, 28 Nov. In Colberg will man unter den Artilleristen Bestrebungen entdeckt haben, welche mit der bestehenden militärischen Ordnung nicht im Einklang stehen. Ein Offizier, der früher in die Annekesche Angelegenheit verwickelt war, soll versetzt und eine Anzahl von Unteroffizieren in Untersuchung gezogen seyn. Ein höherer Offizier, welcher die Bestrebungen nicht rechtzeitig entdeckte, ist suspendirt. Die Denunciation erfolgte durch ein Schreiben aus Colberg nach Berlin. Das Stettiner Gen.-Commando muß täglich von hier aus an das Staatsministerium berichten. (B. N.)Posen, 26. Nov. Der Ingenieur-Lieutenannt Rüstow, der Verfasser der kleinen Brochüre: „Brief eines demokratischen Offiziers“ ist heute auf Befehl des General v. Steinäcker vom Dienste suspendirt. Die nächste Veranlassung zu dieser Maßregel hat jedenfalls die Betheiligung des genannten Herrn, dessen ausgezeichnete militärische und allgemeine Bildung übrigens von allen Seiten anerkannt wird, am hiesigen demokratischen Verein und an einer Kollekte für die National-Versammlung gegeben. — Gestern wurden ihm folgende Fragen vorgelegt: haben Sie den Brief eines demokratischen Offiziers verfaßt? Sind Sie Mitglied des hiesigen demokratischen Vereins? Haben Sie für die National-Versammlung 1 Rth. bezahlt? Herr Rüstow beantwortete jede der Fragen mit ja und heute früh wurde ihm eröffnet, daß er wegen schwerer Beleidigung des Offizierstandes und um Excesse zu verhüten, vom Dienst suspendirt sei. Die Bedeutung des letzten Grundes zu begreifen, ist nicht möglich. Von wem befürchtet man Excesse denen vorgebeugt werden soll? Jedenfalls wird Herr Rüstow demnächst vor ein Ehrengericht gestellt werden. So befolgt man den Pfuelschen Ministerial-Erlaß! (Osts. Z.) 33 Brünn, 29. Nov. Von der deutschen Bewegung wird man aus den hiesigen Zeitungen kaum etwas gewahr. Sie bringen blos das, was in ihren Standrechtskram paßt, mit Weglassung alles andern. Und wenn einmal etwas demokratisches berichtet wird, so fällt diese Henker-Presse mit einer wahren Hyänenwuth über die Thatsache her. So z. B. die „Presse“ über den Beschluß der Frankfurterin, Blum eine Todtenfeier zu halten, über das toskanische und päbstliche Ministerium. Wer einem seinen französischen Zeitungsabsolutismus mitunter noch Geschmack abgewinnen kann, dem muß es gleichwohl übel werden, wenn er hier unter diese Hetze infamer Literaten kommt, deren hundsföttische Seele fortwährend einen Geifer ausspritzt, dessen Urquelle immer die Gesinnungslosigkeit, der Schachergeist ist. Der Reichstag in Kremsier ist ein Spott geworden; die Czechen behaupten ihre alte Rolle, wofür sie von Frau Sophie gut bezahlt werden sollen. Die Verlesung der Protokolle vom 30. und 31. Oktober ist, weil daraus eine Anerkennung der Revolution gefolgert würde, verworfen worden. Auf Interpellationen wird keine Antwort mehr ertheilt, und dem Reichstag überhaupt nicht erlaubt, zahlreiche Sitzungen zu halten. Es kommen viele Mißtrauensvota der Wähler vor, die meistens freisinnig sind. Darum spruzt auch die infame Presse dagegen; sie will die Umgekehrten, denn der Reichstag soll purifizirt werden. Man will alle Bildung, alle Gesinnung herausgeworfen haben, und dafür blos Czechen und andere Irokesen drinn behalten. Die Aristokratie strengt ihre letzte Kraft an, sich wieder zu Geltung zu bringen, doch es ist aus mit ihr. Sie steckt bis über die Ohren in Schulden, ist gänzlich den Juden zinsbar. In Oesterreich wird sich daher eine Bourgeoisie entwickeln, die, da sie bisher rein wie das Vieh auferzogen worden, an Infamie alles überbieten wird, was der Westen Europa's je hervorgebracht. Vielleicht herrscht sie dann um so kürzere Zeit. Schon Metternich hat sich auf die Bourgeois stützen müssen und die Kamarilla thut es, ungeachtet es anders scheinen mag, noch mehr. Wir wollen sehen, was zuerst zusammenkracht; denn daß Oesterreich in seinem jetzigen Zustande lange verbleibt, ist unmöglich. 121 Wien, 29. Nov. Europa ist voll von dem Zivio, von der siegreichen Macht der Kroaten. — Kroaten in Italien, Kroaten in Ungarn, Kroaten in Wien. Sie fehlen nur noch in Berlin. Und dennoch ist Kroatien ein kleines und noch dazu menschenleeres Land. Woher also diese ungeheure Kroatenarmee? Darauf antwortet das Volk: die Hälfte dieser Kroaten sind — Russen, die über Galizien und rundum die Donaufürstenthümer in Bauerntrupps eingeschwärzt, dann eingekleidet und auf diese Weise als Kroaten in die verschiedenen Armeen gebracht worden sind. — Mir selbst sagte vor einigen Tagen ein slavischer Soldat, indem er auf seine Uniform zeigte: „deutsch“, und, indem er nun mit dem Finger das Gesicht berührte: „Nuß“. Betteln und diese beiden Worte, das war seine ganze Sprache. — Danach erwarten Sie mit Sicherheit die Niederlage der armen Magyaren; sie können sich bei dem spartanischsten Muthe nicht zugleich halten, wider Oesterreich und die russisch-türkische Intervention. Die Kroaten der Türkei sind nämlich ebenfalls im österreichischen Heere. Der Gesandte der französischen Bourgeois-Republik benimmt sich dabei, als ob die Sache ganz ohne Bedeutung wäre; sein Sekretariat macht unterdessen sogar recht gute Börsengeschäfte. — Noch niemals wurde in den Straßen und Häusern soviel gebettelt, als nun; man glaubt sich in Brüssel; die Konkurrenz der Kroaten entzieht dabei dem armen Volke manchen Kreuzer. Statt der vielen politischen Plakate und Zeitungen, die früher Morgens die Straßenecken bedeck- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="0852"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar160_009" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> nahme, welche sie dem preuß. Volke bewiesen, gedankt zugleich aber auch erwähnt wurde, daß die Majorität des Vertrauens im Volke durchaus entbehrte. Beschlüsse, heißt es darin, welche des Volkes Rechte vernichten, weiß sie zu fassen; durch „Phrasen und Reichskommissare“ glaubt sie des Volks Rechte zu garantiren.</p> </div> <div xml:id="ar160_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 1. Dez.</head> <p>Gestern Abend hat Wrangel dem Gastwirth Mylius wirklich das Haus geschlossen, und, nachdem die Soldaten dasselbe von allen menschlichen Wesen gesäubert hatten, die Thüren unter Siegel gelegt.</p> <p>Ein Gardelieutenant rannte vorgestern auf der Straße seinen Ellbogen einem ehrsamen Berliner Bürger in die Rippen. Gleich darauf gab er demselben auch noch eine Maulschelle mit den Worten: „Sie Flegel, können Sie nicht die Augen aufthun, wenn Ihnen ein Offizier begegnet? He da! (zweien in der Nähe stehenden Konstablern zurufend) arretirt mir den Kerl.“ Gesagt, gethan, der gestoßene und geohrfeigte Mann wurde ins Gefängniß abgeführt.</p> <p>Alle diese Schandthaten geschehen offenbar in keiner andern Absicht, als das Volk zu einem Aufstande zu provoziren, und dann ein Blutbad wie in Wien anzurichten. Man ist auch in der größesten Verlegenheit wegen der Soldaten, die, massenweise in den Kasernen und den öffentlichen Gebäuden zusammengepfercht sind, und vom Ungeziefer fast aufgefressen werden. Die Kerle sind von den Offizieren systematisch für ihren König fanatisirt worden, und sie fragen tagtäglich: (da sie aus ihrer unbehaglichen Lage herauszukommen wünschen) „Geht es denn noch nicht bald los, laßt uns doch endlich drauf schlagen.“</p> <p>Dieser Zustand kann natürlich nicht lange mehr fortdauern, da die Soldaten sonst unzufrieden werden, man sie auch weder von Berlin zu verlegen, noch bei den Bürgern einzuquartieren wagt.</p> <p>Der edle v. Gagern scheint sich hier ganz in dem Bereiche des Wahrheitsfreundes Bassermann zu bewegen. Gestern ist er in Brandenburg auf der Tribüne im diplomatischen Korps gesehen worden. Auch soll er sich dort mit den Hauptführern der Rechten angelegentlich unterhalten haben. Bei dem Präsidenten Unruh oder einem andern der hier gebliebenen Abgeordneten hat er sich bis jetzt nicht blicken lassen. Der gute Mann sollte doch das „audiatur et altera pars“ nicht außer Augen lassen. Oder will man, wie die Fürsten, absichtlich Augen und Ohren nach der Seite hin verschließen, wo allein die Wahrheit zu finden ist?</p> <p>Es scheint, daß die Herren Reichskommissarien nur Augen für rasches Fahren und schreckhafte Gestalten haben, wie solche der würdige Unterstaatssekretär Bassermann in den Straßen Berlins gesehen haben will.</p> <p>Von den vor einigen Tagen erwähnten Kanonenschlägen dürfte einer noch politische Wichtigkeit erlangen. Dieser flog in der Nähe der Malmenes'schen Knabenerziehungsanstalt auf und war unbekannten Ursprungs. Bemerkenswerth aber ist es, daß in demselben Augenblick wo der furchtbare Knall vernommen wurde, ein Ulanenoffizier mit einem Ulanen an die Thorwache des Schönhäuser Thores hinausgesprengt kam und rief, es sei so eben auf ihn geschossen worden, der Schuß sei aus dem Garten gekommen gekommen und er habe die Kugel pfeifen hören. Man hatte schon den ganzen Tag hindurch mit Verwunderung die ungewöhnlich starke Besetzung dieser Wache betrachtet, natürlich daß jetzt, wo Alles mißtraut, auch Mißtrauen über diesen Auftritt laut wurde. Das Militär durchsuchte die benachbarten Häuser und Gärten, fand aber eben so wenig einen Schützen, als ein Gewehr, als eine Kugelmarke in der geradeüber liegenden Stadtmauer. Auffallen würde es gar nicht, wenn wir morgen nun eine Bekanntmachung läsen, etwa des Inhalts: daß auf Patrouillen und Wachmanschaften außerhalb der Thore scharf geschossen worden sei und daß in Folge dessen verordnet werde. etc. — — <hi rendition="#g">Es ist jetzt Alles möglich</hi>.</p> </div> <div xml:id="ar160_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Berlin, 1. Dez.</head> <p>Am 30. November, Abends 9 Uhr, befanden sich im Speisesaale des Mylius Hotel die unten verzeichneten <hi rendition="#g">elf</hi> Personen im harmlosen Gespräch beim Glase Bier und Wein. Plötzlich wird die Thür aufgerissen, und hereinstürmte der Major Graf v. Blumenthal, gefolgt von Offizieren und Soldaten, und befahl den Anwesenden, sofort den Saal zu verlassen. Die Protestationen derselben, daß diese Gewaltmaßregel um so weniger gerechtfertigt sei — da man es nur auf Abgeordnete des Volks abgesehen zu haben scheine — die Gegenwärtigen aber hiesige Bürger und im Hotel wohnende Fremde seien, wurde nicht berücksichtigt, vielmehr der Befehl unter Androhung der Gewalt wiederholt. Nachdem die Gäste den Saal verlassen, wurde derselbe von einem bereitstehenden Polizeibeamten versiegelt und sämmtliche Anwesende durch die im Hause und vor der Thür stehenden Soldatentrupps förmlich zum Hause hinaus getrieben. Auf die Frage der Vertriebenen: „Bei wem man sich über diesen Vorfall beschweren könne?“, entgegnete der Major: „Auf der Kommandantur, wohin Sie mir sogleich folgen können.“ Dieselben verfügten sich auch dahin, und ließen um Aufnahme eines Protokolls bitten, indem sie sich auf den Major Grafen v. Blumenthal beriefen. Es kam ihnen die Antwort: „Der Hr. Major habe Niemanden herbestellt.“ Auf das einstimmige Zeugniß der Vertriebenen erfolgte jedoch eine abermalige Meldung, und darauf durch einen Beamten in Begleitung eines Offiziers der Bescheid: „Der Herr Major kann Sie wohl herbestellt haben, aber der Herr General nimmt sie doch nicht an.“ Auf weiteres Befragen: „Ob es denn für den Bürger gar keine Behörde mehr gäbe, welche seine Beschwerde annähme?“, wurde die barsche Antwort: „Zum Polizeipräsidenten.“</p> <p>Noch bekunden die Unterzeichneten zu größerer Genauigkeit, daß sie den Major um Aufnhme eines Personenverzeichnisies im Saale vergebens baten, und ihm bemerkten, daß nur drei Abgeordnete unter ihnen seien.</p> <p>Das billige Verlangen der Gäste: ihr angefangenes Abendessen wenigstens im vordern, kleinen Gastzimmer beendigen zu dürfen — wurde jedoch vom Major barsch verweigert und die gänzliche Entfernung aus dem Hotel befohlen.</p> <p>Berlin am 30. November 1848.</p> <p>(Im Protokoll folgen die Namen, Stand und Wohnort).</p> </div> <div xml:id="ar160_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin.</head> <p>(Proclamation.)</p> <p> <hi rendition="#g">Mitbürger!</hi> </p> <p>Als durch die Revolution der Märztage der lange geknechtete Volkswille zur Geltung gekommen war, da habt Ihr die Preußische National-Versammlung hierher entsendet mit dem Auftrage, in gesetzlicher Ordnung den Neubau der Verfassung zu gründen. Es war Euch nicht zu thun um ein leeres Constitutions-Schema, neben welchem die alte Willkür, die alle Pulse des Volkslebens hemmenden alten Werkzeuge der Adels- Beamten- und Militär-Herrschaft in voller Thätigkeit hätten bleiben können. Ihr verlangtet eine neue Begründung, nicht nur in dem eigentlich politischen System, sondern auch im Gemeinde-, Verwaltungs-, Gerichts- und Militär-Wesen. In diesem Sinne hat die National-Versammlung ihre Aufgabe erfaßt und sich mit Ernst und Ausdauer ihrer Lösung gewidmet, mehr gehemmt als gefördert durch die drei rasch auf einander folgenden Ministerien. In die Nothwendigkeit versetzt, an die Stelle des von der öffentlichen Meinung gerichteten Verfassungs-Entwurfs des Ministeriums Camphausen denjenigen der Verfassungs-Commission zu setzen, hatten wir den letzteren durch Bearbeitung in den Abtheilungen und Central-Abtheilungen zur ununterbrochenen Berathung in den Plenar-Versammlungen gereift. Auch die Gemeinde-Ordnung, die bis jetzt noch nicht einmal von dem Ministerium vorgelegte Kreis- und Bezirks-Ordnung wären in kurzer Zeit zur Verhandlung in der Versammlung vorgearbeitet gewesen. Eben so verhielt es sich mit dem Grundsteuer-Gesetze, dessen Zweck dahin ging, der Ungleichheit in der Besteuerung der einzelnen-Provinzen, der Belastung des kleineren Gutsbesitzers vor dem größeren, ein Ende zu machen; wir haben diese Gesetzesvorlage noch in den letzten Tagen des Drangsals zur Berathung im Plenum beendigt. Ein Gesetz über die Abschaffung der Lasten des bäuerlichen Grundbesitzes beschäftigte jetzt eben die Versammlung. Der heilige Ernst ihres Berufs hatte sich mehr und mehr in derselben entwickelt. Der Beschluß vom 7. September über den <hi rendition="#g">Stein</hi>'schen Antrag zeigte zugleich ihre Entschlossenheit, die eigene Würde zu wahren und an die Reform des ganz außerhalb des Gesetzes der Neuzeit stehenden Offizier-Wesens endlich die Hand zu legen. Klar mußte es allen Privilegirten, allen Büreaukraten, allen Herrendienern, allen Anhängern des alten Militär- und Polizei-Staates werden, daß es mit <hi rendition="#g">dieser</hi> Versammlung nicht möglich sei, neben dem Scheinbilde des Constitutionalismus, die alte Willkür-Herrschaft fortzusetzen, das Volk wieder um die Früchte der Revolution zu bringen. Daher verdächtigen sie auf jede Weise die National-Versammlung, beschuldigen sie der Unthätigkeit, erhoben das Geschrei nach der bloßen, hohlen Constitutions-Form, beuteten die politische Unreife, die Furcht des Burgers vor dem Proletarier, diese in Deutschland ganz unbegründete Furcht, aus, benutzten einzelne Gesetz-Ueberschreitungen, um vermöge der widergesetzlichen Erfindung des Belagerungs-Zustandes im tiefsten Frieden, ein Werkzeug vorzubereiten zur Unterdrückung der blutig errungenen Freiheiten, der Presse, des Vereinigungs-Rechts. Zur Täuschung der Provinzen deutete man die in Zeiten der Aufregung unvermeidlichen, vereinzelten Excesse dahin, die Versammlung sei terrorisirt. Dichter und dichter, mit steigender Verschwendung der Staatsgelder, wurde zugleich das Netz militärischer Umstrickung um die friedliche Hauptstadt gezogen. Als nun die Versammlung auch in der Berathung der Grundrechte den entschiedenen Willen zeigte, die Früchte der Revolution zur Geltung zu bringen, als sie die Hand an die Feudalrechte legte, Adel, Titel und Orden aufhob, als sie sich des unterdrückten Wiens annahm, da schien es der Reaction die höchste Zeit zu sein, durch Beseitigung dieser Versammlung dem Volke die Hoffnungen zu nichte zu machen, deren Erfüllung nach wenigen Monaten bevorstand. Da trat die Soldatengewalt unverhüllt auf in dem Ministerium Brandenburg</p> <p>Die eigenmächtige Verlegung und Vertagung der Versammlung, das wiederholte gewaltsame Auseinandersprengen derselben durch die Bajonette, die Dictatur Wrangel's, der Belagerungszustand Berlins im Frieden und ohne Aufruhr, die Auflösung und Entwaffnung der Bürgerwehr, die Vernichtung der Preßfreiheit und des Vereinigungsrechts, die Verletzung des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, das sind die Thaten dieser Gewalthaber. — Wir, Eure Vertreter, haben dem Despotismus den Widerstand geleistet, die in unserer Macht lag. Schritt vor Schritt folgten wir den Maßregeln dieses Ministeriums und erklarten sie für ungesetzlich. Als letzte Waffe des leidenden Widerstandes sprach die National-Versammlung diesem des Hochverraths angeklagten Ministerium die Befugniß ab, Steuern zu erheben und über Staatsgelder zu verfügen. — Dabei haben wir wiederholt die Hand zur Ausgleichung des Confliktes geboten und nichts weiter verlangt, als die Aenderung des Ministeriums und die ungestörte Fortsetzung unserer Berathungen in Berlin. — Alles jedoch ohne Erfolg</p> <p>Jetzt, wo die regelmäßige Zusammenkunft der Volksvertreter durch ungesetzliche Gewalt verhindert wird, vereinigt die Regierung <hi rendition="#g">die</hi> Abgeordneten, welche ihren Auftrag verkennen, zu einer, jedes gesetzlichen Ansehens entbehrenden, Versammlung in Brandenburg. Sie bedenkt nicht, daß Alles, was die Minderheit vornehmen mag, von vornherein null und nichtig ist, daß auch die etwaige Vermehrung der jetzt so geringen Zahl der dort Versammelten an der Gesetzlichkeit nicht das Mindeste ändern könnte, daß die einzige Grundlage derselben die Bajonette bleiben werden. Sollte, wie behauptet wird, die Gewalt im schlimmsten Falle, dem Lande eine Verfassung octroyren (aufdrängen) wollen, so würde eine solche Verfassung nicht die geringste Gültigkeit haben. Denn es ist die Errungenschaft des März, daß nur mit den gewählten Vertretern des Volks die Verfassung festgestellt werden darf. Nur wir, die hier in Berlin constituirte National-Versammlung, sind jetzt diese Vertreter. Jede Auflösung dieser Versammlung ist ungesetzlich und daher rechtlich wirkungslos. Feierlich protestirt die National-Versammlung gegen alle Akte der Regierung, welche durch die außerordentlichen Militär-Anstalten wöchentlich Millionen des Staatsvermögens, vergeudet, lediglich zur Knechtung der Nation. Feierlich erklärt dieselbe, daß die Regierung, ganz abgesehen von der bereits beschlossenen Steuerverweigerung, vom 1. Januar 1849 ab über keinen Pfenning verfügen darf, da wir das Budget noch nicht bewilligt haben. — Harret Ihr Mitbürger indessen muthig aus, scheidet die Selbstsucht aus Eurer Mitte, stählt Eure moralische Kraft, welcher das gesetzlose Beginnen Eurer Unterdrücker endlich doch unterliegen muß.</p> <p>Es lebe die Freiheit! Es lebe das Vaterland!</p> <p>Berlin, den 27. November 1848.</p> <p>Die Abgeordneten der National-Versammlung:</p> <p>Anwandter. Arnold. Arntz. Bading. Baltzer. Bauer. Bazynskl. Beeck. Behnsch. Berends. v. Berg. Beck. Bliesner. Borchardt. Born. Brill. v. Brodowski. Becker. Bloem. v. Bruchhausen. Bunzel. Baumgart. D'Ester. Dierschke. Dittrich. Döring. Dziadeck. Ebel. Eichner. Elsner. Esser. Nees von Esenbeck. Euler. Friedrich. Funke. Fischer. Gladbach. Gräff. Grün. Grebel Guittienne. Gorzolka. Hänel. Haußmann. Haußmann. Heisig. Herold. Hermann. Hildenhagen. Hildebrandt. Hoferichter. Hoyoll. Horn. Humann. Heinatz. Hahnrieder. Jacoby. Jung. Jung. Juncker. Iwand. Kabus. Kaul. Keiffenheim. Kittelmann. Klingenberg. Kneip. Köhler. Körfgen. Krackrügge. v. Kraszewski. Krause. Krüger. Kuhr. Kunz. Kutzner. Kaliski. Laraß. Laßwitz. Lentz. v. Lipski. v. Lisiecki. Lebermann. Lellek. Maager. Mann. Matze. Matthaei. Meßrich. Mildner. Moldenhauer. Mros. Mülhens. Müller. Müller. Nickel. Otto. Paap. Packeiser. Pankow Pax. Peters. Philipps. Pilet. Pinoff. Plath. Plönnis. Pheiffer. Quandt. Raentsch. Raffauf. Graf Reichenbach. Reinige. Reinicke. Reuter. Richter. Riedel. Riel. Riemann. Rodbertus. Rötscher. Rüdiger. Rochow. Schaffraneck. Schell. Schmidt. Schmidt. Schmidt. Schneider. Schoen. Scholtz. Schornbaum. Schramm. Schramm. Schulz. Schulze. Schultze. Schwickerath. Siebert. Skiba. Sohrweide. Specht. Steffarowicz. Stein. Strybel. Szumann Simon. Schuck. Schafferl. Taczarski. Teichmann. Temme. Teske. Thiede. Toebe. Trapzieski. Ulrich. Vissers. Voigt. Waldeck. Weichsel. Willenberg. Witt. Wollheim. Woday. Wollschläger. Zenker. Zorn. Zeidler.</p> <p>Durch militairische Besetzung des Bureaux der National-Versammlung und der Privatwohnung des Secretairs Hildenhagen, welcher die Sammlung der Unterschriften in Auftrag hatte, ist die weitere Einzeichnung der in Berlin anwesenden Deputirten verhindert worden.</p> </div> <div xml:id="ar160_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 2. Dez.</head> <p>Der Präsident v. Unruh hat gestern von Brandenburg aus sämmtliche Mitglieder der Nationalversammlung zur heutigen Sitzung einberufen. Die hier anwesenden Mitglieder des linken Centrums und ein Theil der Linken, wie Jung, Grebel, Körfgen u. A. sind diesem Rufe heute Morgen gefolgt und nach Brandenburg gereist. Da jedoch die gestern im Dom zurückgebliebene Rechte mit 72 gegen 61 Stimmen beschlossen hat, sich bis Donnerstag zu vertragen, so wird die in Brandenburg versammelte Opposition, unter dem Präsidium Unruh's heute nur eine Privatberathung halten und sich wo möglich mit der Rechten dahin verständigen, daß Montag die Sitzungen der Nationalversammlung unter Vorsitz des Hrn. v. Unruh beginnen können.</p> <p>Dr. A. Hexamer, Mitglied des Central-Ausschusses der deutschen Demokraten, hatte als Schreiber des Justizraths Pfeiffer, von der hiesigen Polizei die Erlaubniß zum bleibenden Aufenthalt. Der neue Polizeipräsident, Hr. Hinkeldey, hat sich jedoch veranlaßt gefunden, Hexamer, ohne Angabe irgend eines Grundes, aus Berlin zu verweisen. Letzterer hat seine bisherige Wohnung verlassen und sich nach seinem Vaterland (was ist des Deutschen Vaterland?) begeben. Am Tage seiner Abreise besuchte er noch einen, im Mylius Hotel Nr. 29 logirenden Freund. Da aber Mylius Hotel, als der gewöhnliche Versammlungsort der Linken, Tag und Nacht von Spionen jeder Art umgeben ist, so wurde auch Hexamers Anwesenheit auf dem Zimmer Nr. 29 dem Polizeipräsidenten hinterbracht. Sofort erschien ein Konstabler, der sich ohne Weiteres nach Nr. 29 begab. Das Zimmer war verschlossen. Er ließ es sich ohne Weiteres öffnen und wollte die dort befindlichen Reise-Effekten eines eben angekommen Fremden, als die Hexamers mit Beschlag belegen. Nur mit Mühe ließ sich der Konstabler überzeugen, daß Hexamer nicht im Hotel wohne und die vorgefundenen Effekten, wie das die Namensbezeichnung beweise, dem Rittmeister Kuhr gehören. So befolgt unsere Polizei die Habeas-Corpus-Acte; sie dringt in Privatwohnungen und verfügt Beschlagnahme ohne richterlichen Befehl.</p> <p>Der vorgestern von einem Polizei-Offizianten, unter Beihülfe einer Kompagnie Soldaten versiegelte Gesellschaftssaal im Hotel Mylius ist gestern Nachmittag, ohne daß der Besitzer einen Schritt deshalb gethan hätte, wieder entsiegelt worden.</p> <p>Die pommersche Landwehr ist heute hier eingerückt, um einige andere von hier abgegangene Bataillone von der Linie zu ersetzen. Der Prinz von Preußen mit seinem Sohne und seiner ganzen Suite war eigens von Babelsberg dazu hierher gekommen, um vereint mit dem General Wrangel diese Landwehrregimente zu empfangen und feierlichst einzuholen. Es war seit dem 18. März das erste Mal, daß der Prinz von Preußen wieder mit stolzen herrischen Blicken durch die Straßen Berlins ritt. Wer dieser prinzlichen Suite, mit ihren Alles zu vernichten drohenden Blicken auf den Straßen heute begegnete, dem ist es klar geworden, daß es noch Menschen gibt, welche seit dem 18. März weder etwas gelernt noch etwas vergessen haben.</p> </div> <div xml:id="ar160_014" type="jArticle"> <head>Frankfurt a. d. O., 27. Nov.</head> <p>Die Steuerverweigerung hat hier, wie in vielen anderen Orten, den Wendepunkt der Gesinnungsostentation herbeigeführt. Eine äußere Veranlassung hierzu geben mehrere traurige Konflikte mit dem Militär, namentlich mit Soldaten des 10. Regiments. Am vergangenen Freitag drangen nämlich circa 80 Mann unter Anführung eines Unteroffiziers, zum Theil bewaffnet, in das Lokal, in welchem der demokratische Verein sich versammelte und überfielen die Anwesenden mit Schlägen und Säbelhieben, so daß sich dieselben flüchten mußten, weil thatsächlich ihr Leben bedroht war. Die Soldaten hatten das Attentat förmlich organisirt. Sektionsweise waren sie vom Kasernenhofe abmarschirt und sektionsweise kehrten sie nach vollbrachter Heldenthat jubelnd und singend zurück. Am anderen Tage erneuten sich die Exzesse, als ein Unteroffizier ein Plakat abriß und dafür von einem Bürger handgreiflich gezüchtigt wurde. Es entstand eine Straßenprügelei, bei welcher sich auch Offiziere als Zuschauer einfanden. Soldaten suchten einen Flüchtiggewordenen in einem Hause, in welches sie gewaltsam eindrangen und alle Protestationen des Wirthes wegen Verletzung des Hausrechts höhnend zurückwiesen. Auch hierbei war ein Major auf dem Hofe unthätiger Zuschauer. — Die Klage ist freilich eingeleitet, aber man weiß ja, welche Resultate dergleichen Klagen und Untersuchungen haben — Ausdrücklich müssen wir bemerken, daß die Landwehr, das 8. und 20. Regiment, auf Seiten der Bürger stand. Das 10. Regiment war gestern in der Kaserne konsignirt. — Fast täglich marschirt hier Landwehr nach Schlesien durch; am Sonnabend das nach Görlitz, gestern das nach Löwenberg, heute das nach Hainau und Bunzlau bestimmte Bataillon.</p> </div> <div xml:id="ar160_015" type="jArticle"> <head>Stettin, 28 Nov.</head> <p>In Colberg will man unter den Artilleristen Bestrebungen entdeckt haben, welche mit der bestehenden militärischen Ordnung nicht im Einklang stehen. Ein Offizier, der früher in die Annekesche Angelegenheit verwickelt war, soll versetzt und eine Anzahl von Unteroffizieren in Untersuchung gezogen seyn. Ein höherer Offizier, welcher die Bestrebungen nicht rechtzeitig entdeckte, ist suspendirt. Die Denunciation erfolgte durch ein Schreiben aus Colberg nach Berlin. Das Stettiner Gen.-Commando muß täglich von hier aus an das Staatsministerium berichten.</p> <bibl>(B. N.)</bibl> </div> <div xml:id="ar160_016" type="jArticle"> <head>Posen, 26. Nov.</head> <p>Der Ingenieur-Lieutenannt Rüstow, der Verfasser der kleinen Brochüre: „Brief eines demokratischen Offiziers“ ist heute auf Befehl des General v. Steinäcker vom Dienste suspendirt. Die nächste Veranlassung zu dieser Maßregel hat jedenfalls die Betheiligung des genannten Herrn, dessen ausgezeichnete militärische und allgemeine Bildung übrigens von allen Seiten anerkannt wird, am hiesigen demokratischen Verein und an einer Kollekte für die National-Versammlung gegeben. — Gestern wurden ihm folgende Fragen vorgelegt: haben Sie den Brief eines demokratischen Offiziers verfaßt? Sind Sie Mitglied des hiesigen demokratischen Vereins? Haben Sie für die National-Versammlung 1 Rth. bezahlt? Herr Rüstow beantwortete jede der Fragen mit ja und heute früh wurde ihm eröffnet, daß er wegen schwerer Beleidigung des Offizierstandes und um Excesse zu verhüten, vom Dienst suspendirt sei. Die Bedeutung des letzten Grundes zu begreifen, ist nicht möglich. Von wem befürchtet man Excesse denen vorgebeugt werden soll? Jedenfalls wird Herr Rüstow demnächst vor ein Ehrengericht gestellt werden. So befolgt man den Pfuelschen Ministerial-Erlaß!</p> <bibl>(Osts. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar160_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>33</author></bibl> Brünn, 29. Nov.</head> <p>Von der deutschen Bewegung wird man aus den hiesigen Zeitungen kaum etwas gewahr. Sie bringen blos das, was in ihren Standrechtskram paßt, mit Weglassung alles andern. Und wenn einmal etwas demokratisches berichtet wird, so fällt diese Henker-Presse mit einer wahren Hyänenwuth über die Thatsache her. So z. B. die „Presse“ über den Beschluß der Frankfurterin, Blum eine Todtenfeier zu halten, über das toskanische und päbstliche Ministerium. Wer einem seinen französischen Zeitungsabsolutismus mitunter noch Geschmack abgewinnen kann, dem muß es gleichwohl übel werden, wenn er hier unter diese Hetze infamer Literaten kommt, deren hundsföttische Seele fortwährend einen Geifer ausspritzt, dessen Urquelle immer die Gesinnungslosigkeit, der Schachergeist ist.</p> <p>Der Reichstag in Kremsier ist ein Spott geworden; die Czechen behaupten ihre alte Rolle, wofür sie von Frau Sophie gut bezahlt werden sollen. Die Verlesung der Protokolle vom 30. und 31. Oktober ist, weil daraus eine Anerkennung der Revolution gefolgert würde, verworfen worden. Auf Interpellationen wird keine Antwort mehr ertheilt, und dem Reichstag überhaupt nicht erlaubt, zahlreiche Sitzungen zu halten. Es kommen viele Mißtrauensvota der Wähler vor, die meistens freisinnig sind. Darum spruzt auch die infame Presse dagegen; sie will die Umgekehrten, denn der Reichstag soll purifizirt werden. Man will alle Bildung, alle Gesinnung herausgeworfen haben, und dafür blos Czechen und andere Irokesen drinn behalten.</p> <p>Die Aristokratie strengt ihre letzte Kraft an, sich wieder zu Geltung zu bringen, doch es ist aus mit ihr. Sie steckt bis über die Ohren in Schulden, ist gänzlich den Juden zinsbar. In Oesterreich wird sich daher eine Bourgeoisie entwickeln, die, da sie bisher rein wie das Vieh auferzogen worden, an Infamie alles überbieten wird, was der Westen Europa's je hervorgebracht. Vielleicht herrscht sie dann um so kürzere Zeit. Schon Metternich hat sich auf die Bourgeois stützen müssen und die Kamarilla thut es, ungeachtet es anders scheinen mag, noch mehr. Wir wollen sehen, was zuerst zusammenkracht; denn daß Oesterreich in seinem jetzigen Zustande lange verbleibt, ist unmöglich.</p> </div> <div xml:id="ar160_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 29. Nov.</head> <p>Europa ist voll von dem Zivio, von der siegreichen Macht der Kroaten. — Kroaten in Italien, Kroaten in Ungarn, Kroaten in Wien. Sie fehlen nur noch in Berlin. Und dennoch ist Kroatien ein kleines und noch dazu menschenleeres Land. Woher also diese ungeheure Kroatenarmee? Darauf antwortet das Volk: die Hälfte dieser Kroaten sind — <hi rendition="#g">Russen</hi>, die über Galizien und rundum die Donaufürstenthümer in Bauerntrupps eingeschwärzt, dann eingekleidet und auf diese Weise als Kroaten in die verschiedenen Armeen gebracht worden sind. — Mir selbst sagte vor einigen Tagen ein slavischer Soldat, indem er auf seine Uniform zeigte: „deutsch“, und, indem er nun mit dem Finger das Gesicht berührte: „Nuß“. Betteln und diese beiden Worte, das war seine ganze Sprache. — Danach erwarten Sie mit Sicherheit die Niederlage der armen Magyaren; sie können sich bei dem spartanischsten Muthe nicht zugleich halten, wider Oesterreich und die russisch-türkische Intervention. Die Kroaten der Türkei sind nämlich ebenfalls im österreichischen Heere. Der Gesandte der französischen Bourgeois-Republik benimmt sich dabei, als ob die Sache ganz ohne Bedeutung wäre; sein Sekretariat macht unterdessen sogar recht gute Börsengeschäfte. — Noch niemals wurde in den Straßen und Häusern soviel gebettelt, als nun; man glaubt sich in Brüssel; die Konkurrenz der Kroaten entzieht dabei dem armen Volke manchen Kreuzer. Statt der vielen politischen Plakate und Zeitungen, die früher Morgens die Straßenecken bedeck- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0852/0002]
[Deutschland] [Fortsetzung] nahme, welche sie dem preuß. Volke bewiesen, gedankt zugleich aber auch erwähnt wurde, daß die Majorität des Vertrauens im Volke durchaus entbehrte. Beschlüsse, heißt es darin, welche des Volkes Rechte vernichten, weiß sie zu fassen; durch „Phrasen und Reichskommissare“ glaubt sie des Volks Rechte zu garantiren.
X Berlin, 1. Dez. Gestern Abend hat Wrangel dem Gastwirth Mylius wirklich das Haus geschlossen, und, nachdem die Soldaten dasselbe von allen menschlichen Wesen gesäubert hatten, die Thüren unter Siegel gelegt.
Ein Gardelieutenant rannte vorgestern auf der Straße seinen Ellbogen einem ehrsamen Berliner Bürger in die Rippen. Gleich darauf gab er demselben auch noch eine Maulschelle mit den Worten: „Sie Flegel, können Sie nicht die Augen aufthun, wenn Ihnen ein Offizier begegnet? He da! (zweien in der Nähe stehenden Konstablern zurufend) arretirt mir den Kerl.“ Gesagt, gethan, der gestoßene und geohrfeigte Mann wurde ins Gefängniß abgeführt.
Alle diese Schandthaten geschehen offenbar in keiner andern Absicht, als das Volk zu einem Aufstande zu provoziren, und dann ein Blutbad wie in Wien anzurichten. Man ist auch in der größesten Verlegenheit wegen der Soldaten, die, massenweise in den Kasernen und den öffentlichen Gebäuden zusammengepfercht sind, und vom Ungeziefer fast aufgefressen werden. Die Kerle sind von den Offizieren systematisch für ihren König fanatisirt worden, und sie fragen tagtäglich: (da sie aus ihrer unbehaglichen Lage herauszukommen wünschen) „Geht es denn noch nicht bald los, laßt uns doch endlich drauf schlagen.“
Dieser Zustand kann natürlich nicht lange mehr fortdauern, da die Soldaten sonst unzufrieden werden, man sie auch weder von Berlin zu verlegen, noch bei den Bürgern einzuquartieren wagt.
Der edle v. Gagern scheint sich hier ganz in dem Bereiche des Wahrheitsfreundes Bassermann zu bewegen. Gestern ist er in Brandenburg auf der Tribüne im diplomatischen Korps gesehen worden. Auch soll er sich dort mit den Hauptführern der Rechten angelegentlich unterhalten haben. Bei dem Präsidenten Unruh oder einem andern der hier gebliebenen Abgeordneten hat er sich bis jetzt nicht blicken lassen. Der gute Mann sollte doch das „audiatur et altera pars“ nicht außer Augen lassen. Oder will man, wie die Fürsten, absichtlich Augen und Ohren nach der Seite hin verschließen, wo allein die Wahrheit zu finden ist?
Es scheint, daß die Herren Reichskommissarien nur Augen für rasches Fahren und schreckhafte Gestalten haben, wie solche der würdige Unterstaatssekretär Bassermann in den Straßen Berlins gesehen haben will.
Von den vor einigen Tagen erwähnten Kanonenschlägen dürfte einer noch politische Wichtigkeit erlangen. Dieser flog in der Nähe der Malmenes'schen Knabenerziehungsanstalt auf und war unbekannten Ursprungs. Bemerkenswerth aber ist es, daß in demselben Augenblick wo der furchtbare Knall vernommen wurde, ein Ulanenoffizier mit einem Ulanen an die Thorwache des Schönhäuser Thores hinausgesprengt kam und rief, es sei so eben auf ihn geschossen worden, der Schuß sei aus dem Garten gekommen gekommen und er habe die Kugel pfeifen hören. Man hatte schon den ganzen Tag hindurch mit Verwunderung die ungewöhnlich starke Besetzung dieser Wache betrachtet, natürlich daß jetzt, wo Alles mißtraut, auch Mißtrauen über diesen Auftritt laut wurde. Das Militär durchsuchte die benachbarten Häuser und Gärten, fand aber eben so wenig einen Schützen, als ein Gewehr, als eine Kugelmarke in der geradeüber liegenden Stadtmauer. Auffallen würde es gar nicht, wenn wir morgen nun eine Bekanntmachung läsen, etwa des Inhalts: daß auf Patrouillen und Wachmanschaften außerhalb der Thore scharf geschossen worden sei und daß in Folge dessen verordnet werde. etc. — — Es ist jetzt Alles möglich.
14 Berlin, 1. Dez. Am 30. November, Abends 9 Uhr, befanden sich im Speisesaale des Mylius Hotel die unten verzeichneten elf Personen im harmlosen Gespräch beim Glase Bier und Wein. Plötzlich wird die Thür aufgerissen, und hereinstürmte der Major Graf v. Blumenthal, gefolgt von Offizieren und Soldaten, und befahl den Anwesenden, sofort den Saal zu verlassen. Die Protestationen derselben, daß diese Gewaltmaßregel um so weniger gerechtfertigt sei — da man es nur auf Abgeordnete des Volks abgesehen zu haben scheine — die Gegenwärtigen aber hiesige Bürger und im Hotel wohnende Fremde seien, wurde nicht berücksichtigt, vielmehr der Befehl unter Androhung der Gewalt wiederholt. Nachdem die Gäste den Saal verlassen, wurde derselbe von einem bereitstehenden Polizeibeamten versiegelt und sämmtliche Anwesende durch die im Hause und vor der Thür stehenden Soldatentrupps förmlich zum Hause hinaus getrieben. Auf die Frage der Vertriebenen: „Bei wem man sich über diesen Vorfall beschweren könne?“, entgegnete der Major: „Auf der Kommandantur, wohin Sie mir sogleich folgen können.“ Dieselben verfügten sich auch dahin, und ließen um Aufnahme eines Protokolls bitten, indem sie sich auf den Major Grafen v. Blumenthal beriefen. Es kam ihnen die Antwort: „Der Hr. Major habe Niemanden herbestellt.“ Auf das einstimmige Zeugniß der Vertriebenen erfolgte jedoch eine abermalige Meldung, und darauf durch einen Beamten in Begleitung eines Offiziers der Bescheid: „Der Herr Major kann Sie wohl herbestellt haben, aber der Herr General nimmt sie doch nicht an.“ Auf weiteres Befragen: „Ob es denn für den Bürger gar keine Behörde mehr gäbe, welche seine Beschwerde annähme?“, wurde die barsche Antwort: „Zum Polizeipräsidenten.“
Noch bekunden die Unterzeichneten zu größerer Genauigkeit, daß sie den Major um Aufnhme eines Personenverzeichnisies im Saale vergebens baten, und ihm bemerkten, daß nur drei Abgeordnete unter ihnen seien.
Das billige Verlangen der Gäste: ihr angefangenes Abendessen wenigstens im vordern, kleinen Gastzimmer beendigen zu dürfen — wurde jedoch vom Major barsch verweigert und die gänzliche Entfernung aus dem Hotel befohlen.
Berlin am 30. November 1848.
(Im Protokoll folgen die Namen, Stand und Wohnort).
* Berlin. (Proclamation.)
Mitbürger!
Als durch die Revolution der Märztage der lange geknechtete Volkswille zur Geltung gekommen war, da habt Ihr die Preußische National-Versammlung hierher entsendet mit dem Auftrage, in gesetzlicher Ordnung den Neubau der Verfassung zu gründen. Es war Euch nicht zu thun um ein leeres Constitutions-Schema, neben welchem die alte Willkür, die alle Pulse des Volkslebens hemmenden alten Werkzeuge der Adels- Beamten- und Militär-Herrschaft in voller Thätigkeit hätten bleiben können. Ihr verlangtet eine neue Begründung, nicht nur in dem eigentlich politischen System, sondern auch im Gemeinde-, Verwaltungs-, Gerichts- und Militär-Wesen. In diesem Sinne hat die National-Versammlung ihre Aufgabe erfaßt und sich mit Ernst und Ausdauer ihrer Lösung gewidmet, mehr gehemmt als gefördert durch die drei rasch auf einander folgenden Ministerien. In die Nothwendigkeit versetzt, an die Stelle des von der öffentlichen Meinung gerichteten Verfassungs-Entwurfs des Ministeriums Camphausen denjenigen der Verfassungs-Commission zu setzen, hatten wir den letzteren durch Bearbeitung in den Abtheilungen und Central-Abtheilungen zur ununterbrochenen Berathung in den Plenar-Versammlungen gereift. Auch die Gemeinde-Ordnung, die bis jetzt noch nicht einmal von dem Ministerium vorgelegte Kreis- und Bezirks-Ordnung wären in kurzer Zeit zur Verhandlung in der Versammlung vorgearbeitet gewesen. Eben so verhielt es sich mit dem Grundsteuer-Gesetze, dessen Zweck dahin ging, der Ungleichheit in der Besteuerung der einzelnen-Provinzen, der Belastung des kleineren Gutsbesitzers vor dem größeren, ein Ende zu machen; wir haben diese Gesetzesvorlage noch in den letzten Tagen des Drangsals zur Berathung im Plenum beendigt. Ein Gesetz über die Abschaffung der Lasten des bäuerlichen Grundbesitzes beschäftigte jetzt eben die Versammlung. Der heilige Ernst ihres Berufs hatte sich mehr und mehr in derselben entwickelt. Der Beschluß vom 7. September über den Stein'schen Antrag zeigte zugleich ihre Entschlossenheit, die eigene Würde zu wahren und an die Reform des ganz außerhalb des Gesetzes der Neuzeit stehenden Offizier-Wesens endlich die Hand zu legen. Klar mußte es allen Privilegirten, allen Büreaukraten, allen Herrendienern, allen Anhängern des alten Militär- und Polizei-Staates werden, daß es mit dieser Versammlung nicht möglich sei, neben dem Scheinbilde des Constitutionalismus, die alte Willkür-Herrschaft fortzusetzen, das Volk wieder um die Früchte der Revolution zu bringen. Daher verdächtigen sie auf jede Weise die National-Versammlung, beschuldigen sie der Unthätigkeit, erhoben das Geschrei nach der bloßen, hohlen Constitutions-Form, beuteten die politische Unreife, die Furcht des Burgers vor dem Proletarier, diese in Deutschland ganz unbegründete Furcht, aus, benutzten einzelne Gesetz-Ueberschreitungen, um vermöge der widergesetzlichen Erfindung des Belagerungs-Zustandes im tiefsten Frieden, ein Werkzeug vorzubereiten zur Unterdrückung der blutig errungenen Freiheiten, der Presse, des Vereinigungs-Rechts. Zur Täuschung der Provinzen deutete man die in Zeiten der Aufregung unvermeidlichen, vereinzelten Excesse dahin, die Versammlung sei terrorisirt. Dichter und dichter, mit steigender Verschwendung der Staatsgelder, wurde zugleich das Netz militärischer Umstrickung um die friedliche Hauptstadt gezogen. Als nun die Versammlung auch in der Berathung der Grundrechte den entschiedenen Willen zeigte, die Früchte der Revolution zur Geltung zu bringen, als sie die Hand an die Feudalrechte legte, Adel, Titel und Orden aufhob, als sie sich des unterdrückten Wiens annahm, da schien es der Reaction die höchste Zeit zu sein, durch Beseitigung dieser Versammlung dem Volke die Hoffnungen zu nichte zu machen, deren Erfüllung nach wenigen Monaten bevorstand. Da trat die Soldatengewalt unverhüllt auf in dem Ministerium Brandenburg
Die eigenmächtige Verlegung und Vertagung der Versammlung, das wiederholte gewaltsame Auseinandersprengen derselben durch die Bajonette, die Dictatur Wrangel's, der Belagerungszustand Berlins im Frieden und ohne Aufruhr, die Auflösung und Entwaffnung der Bürgerwehr, die Vernichtung der Preßfreiheit und des Vereinigungsrechts, die Verletzung des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, das sind die Thaten dieser Gewalthaber. — Wir, Eure Vertreter, haben dem Despotismus den Widerstand geleistet, die in unserer Macht lag. Schritt vor Schritt folgten wir den Maßregeln dieses Ministeriums und erklarten sie für ungesetzlich. Als letzte Waffe des leidenden Widerstandes sprach die National-Versammlung diesem des Hochverraths angeklagten Ministerium die Befugniß ab, Steuern zu erheben und über Staatsgelder zu verfügen. — Dabei haben wir wiederholt die Hand zur Ausgleichung des Confliktes geboten und nichts weiter verlangt, als die Aenderung des Ministeriums und die ungestörte Fortsetzung unserer Berathungen in Berlin. — Alles jedoch ohne Erfolg
Jetzt, wo die regelmäßige Zusammenkunft der Volksvertreter durch ungesetzliche Gewalt verhindert wird, vereinigt die Regierung die Abgeordneten, welche ihren Auftrag verkennen, zu einer, jedes gesetzlichen Ansehens entbehrenden, Versammlung in Brandenburg. Sie bedenkt nicht, daß Alles, was die Minderheit vornehmen mag, von vornherein null und nichtig ist, daß auch die etwaige Vermehrung der jetzt so geringen Zahl der dort Versammelten an der Gesetzlichkeit nicht das Mindeste ändern könnte, daß die einzige Grundlage derselben die Bajonette bleiben werden. Sollte, wie behauptet wird, die Gewalt im schlimmsten Falle, dem Lande eine Verfassung octroyren (aufdrängen) wollen, so würde eine solche Verfassung nicht die geringste Gültigkeit haben. Denn es ist die Errungenschaft des März, daß nur mit den gewählten Vertretern des Volks die Verfassung festgestellt werden darf. Nur wir, die hier in Berlin constituirte National-Versammlung, sind jetzt diese Vertreter. Jede Auflösung dieser Versammlung ist ungesetzlich und daher rechtlich wirkungslos. Feierlich protestirt die National-Versammlung gegen alle Akte der Regierung, welche durch die außerordentlichen Militär-Anstalten wöchentlich Millionen des Staatsvermögens, vergeudet, lediglich zur Knechtung der Nation. Feierlich erklärt dieselbe, daß die Regierung, ganz abgesehen von der bereits beschlossenen Steuerverweigerung, vom 1. Januar 1849 ab über keinen Pfenning verfügen darf, da wir das Budget noch nicht bewilligt haben. — Harret Ihr Mitbürger indessen muthig aus, scheidet die Selbstsucht aus Eurer Mitte, stählt Eure moralische Kraft, welcher das gesetzlose Beginnen Eurer Unterdrücker endlich doch unterliegen muß.
Es lebe die Freiheit! Es lebe das Vaterland!
Berlin, den 27. November 1848.
Die Abgeordneten der National-Versammlung:
Anwandter. Arnold. Arntz. Bading. Baltzer. Bauer. Bazynskl. Beeck. Behnsch. Berends. v. Berg. Beck. Bliesner. Borchardt. Born. Brill. v. Brodowski. Becker. Bloem. v. Bruchhausen. Bunzel. Baumgart. D'Ester. Dierschke. Dittrich. Döring. Dziadeck. Ebel. Eichner. Elsner. Esser. Nees von Esenbeck. Euler. Friedrich. Funke. Fischer. Gladbach. Gräff. Grün. Grebel Guittienne. Gorzolka. Hänel. Haußmann. Haußmann. Heisig. Herold. Hermann. Hildenhagen. Hildebrandt. Hoferichter. Hoyoll. Horn. Humann. Heinatz. Hahnrieder. Jacoby. Jung. Jung. Juncker. Iwand. Kabus. Kaul. Keiffenheim. Kittelmann. Klingenberg. Kneip. Köhler. Körfgen. Krackrügge. v. Kraszewski. Krause. Krüger. Kuhr. Kunz. Kutzner. Kaliski. Laraß. Laßwitz. Lentz. v. Lipski. v. Lisiecki. Lebermann. Lellek. Maager. Mann. Matze. Matthaei. Meßrich. Mildner. Moldenhauer. Mros. Mülhens. Müller. Müller. Nickel. Otto. Paap. Packeiser. Pankow Pax. Peters. Philipps. Pilet. Pinoff. Plath. Plönnis. Pheiffer. Quandt. Raentsch. Raffauf. Graf Reichenbach. Reinige. Reinicke. Reuter. Richter. Riedel. Riel. Riemann. Rodbertus. Rötscher. Rüdiger. Rochow. Schaffraneck. Schell. Schmidt. Schmidt. Schmidt. Schneider. Schoen. Scholtz. Schornbaum. Schramm. Schramm. Schulz. Schulze. Schultze. Schwickerath. Siebert. Skiba. Sohrweide. Specht. Steffarowicz. Stein. Strybel. Szumann Simon. Schuck. Schafferl. Taczarski. Teichmann. Temme. Teske. Thiede. Toebe. Trapzieski. Ulrich. Vissers. Voigt. Waldeck. Weichsel. Willenberg. Witt. Wollheim. Woday. Wollschläger. Zenker. Zorn. Zeidler.
Durch militairische Besetzung des Bureaux der National-Versammlung und der Privatwohnung des Secretairs Hildenhagen, welcher die Sammlung der Unterschriften in Auftrag hatte, ist die weitere Einzeichnung der in Berlin anwesenden Deputirten verhindert worden.
* Berlin, 2. Dez. Der Präsident v. Unruh hat gestern von Brandenburg aus sämmtliche Mitglieder der Nationalversammlung zur heutigen Sitzung einberufen. Die hier anwesenden Mitglieder des linken Centrums und ein Theil der Linken, wie Jung, Grebel, Körfgen u. A. sind diesem Rufe heute Morgen gefolgt und nach Brandenburg gereist. Da jedoch die gestern im Dom zurückgebliebene Rechte mit 72 gegen 61 Stimmen beschlossen hat, sich bis Donnerstag zu vertragen, so wird die in Brandenburg versammelte Opposition, unter dem Präsidium Unruh's heute nur eine Privatberathung halten und sich wo möglich mit der Rechten dahin verständigen, daß Montag die Sitzungen der Nationalversammlung unter Vorsitz des Hrn. v. Unruh beginnen können.
Dr. A. Hexamer, Mitglied des Central-Ausschusses der deutschen Demokraten, hatte als Schreiber des Justizraths Pfeiffer, von der hiesigen Polizei die Erlaubniß zum bleibenden Aufenthalt. Der neue Polizeipräsident, Hr. Hinkeldey, hat sich jedoch veranlaßt gefunden, Hexamer, ohne Angabe irgend eines Grundes, aus Berlin zu verweisen. Letzterer hat seine bisherige Wohnung verlassen und sich nach seinem Vaterland (was ist des Deutschen Vaterland?) begeben. Am Tage seiner Abreise besuchte er noch einen, im Mylius Hotel Nr. 29 logirenden Freund. Da aber Mylius Hotel, als der gewöhnliche Versammlungsort der Linken, Tag und Nacht von Spionen jeder Art umgeben ist, so wurde auch Hexamers Anwesenheit auf dem Zimmer Nr. 29 dem Polizeipräsidenten hinterbracht. Sofort erschien ein Konstabler, der sich ohne Weiteres nach Nr. 29 begab. Das Zimmer war verschlossen. Er ließ es sich ohne Weiteres öffnen und wollte die dort befindlichen Reise-Effekten eines eben angekommen Fremden, als die Hexamers mit Beschlag belegen. Nur mit Mühe ließ sich der Konstabler überzeugen, daß Hexamer nicht im Hotel wohne und die vorgefundenen Effekten, wie das die Namensbezeichnung beweise, dem Rittmeister Kuhr gehören. So befolgt unsere Polizei die Habeas-Corpus-Acte; sie dringt in Privatwohnungen und verfügt Beschlagnahme ohne richterlichen Befehl.
Der vorgestern von einem Polizei-Offizianten, unter Beihülfe einer Kompagnie Soldaten versiegelte Gesellschaftssaal im Hotel Mylius ist gestern Nachmittag, ohne daß der Besitzer einen Schritt deshalb gethan hätte, wieder entsiegelt worden.
Die pommersche Landwehr ist heute hier eingerückt, um einige andere von hier abgegangene Bataillone von der Linie zu ersetzen. Der Prinz von Preußen mit seinem Sohne und seiner ganzen Suite war eigens von Babelsberg dazu hierher gekommen, um vereint mit dem General Wrangel diese Landwehrregimente zu empfangen und feierlichst einzuholen. Es war seit dem 18. März das erste Mal, daß der Prinz von Preußen wieder mit stolzen herrischen Blicken durch die Straßen Berlins ritt. Wer dieser prinzlichen Suite, mit ihren Alles zu vernichten drohenden Blicken auf den Straßen heute begegnete, dem ist es klar geworden, daß es noch Menschen gibt, welche seit dem 18. März weder etwas gelernt noch etwas vergessen haben.
Frankfurt a. d. O., 27. Nov. Die Steuerverweigerung hat hier, wie in vielen anderen Orten, den Wendepunkt der Gesinnungsostentation herbeigeführt. Eine äußere Veranlassung hierzu geben mehrere traurige Konflikte mit dem Militär, namentlich mit Soldaten des 10. Regiments. Am vergangenen Freitag drangen nämlich circa 80 Mann unter Anführung eines Unteroffiziers, zum Theil bewaffnet, in das Lokal, in welchem der demokratische Verein sich versammelte und überfielen die Anwesenden mit Schlägen und Säbelhieben, so daß sich dieselben flüchten mußten, weil thatsächlich ihr Leben bedroht war. Die Soldaten hatten das Attentat förmlich organisirt. Sektionsweise waren sie vom Kasernenhofe abmarschirt und sektionsweise kehrten sie nach vollbrachter Heldenthat jubelnd und singend zurück. Am anderen Tage erneuten sich die Exzesse, als ein Unteroffizier ein Plakat abriß und dafür von einem Bürger handgreiflich gezüchtigt wurde. Es entstand eine Straßenprügelei, bei welcher sich auch Offiziere als Zuschauer einfanden. Soldaten suchten einen Flüchtiggewordenen in einem Hause, in welches sie gewaltsam eindrangen und alle Protestationen des Wirthes wegen Verletzung des Hausrechts höhnend zurückwiesen. Auch hierbei war ein Major auf dem Hofe unthätiger Zuschauer. — Die Klage ist freilich eingeleitet, aber man weiß ja, welche Resultate dergleichen Klagen und Untersuchungen haben — Ausdrücklich müssen wir bemerken, daß die Landwehr, das 8. und 20. Regiment, auf Seiten der Bürger stand. Das 10. Regiment war gestern in der Kaserne konsignirt. — Fast täglich marschirt hier Landwehr nach Schlesien durch; am Sonnabend das nach Görlitz, gestern das nach Löwenberg, heute das nach Hainau und Bunzlau bestimmte Bataillon.
Stettin, 28 Nov. In Colberg will man unter den Artilleristen Bestrebungen entdeckt haben, welche mit der bestehenden militärischen Ordnung nicht im Einklang stehen. Ein Offizier, der früher in die Annekesche Angelegenheit verwickelt war, soll versetzt und eine Anzahl von Unteroffizieren in Untersuchung gezogen seyn. Ein höherer Offizier, welcher die Bestrebungen nicht rechtzeitig entdeckte, ist suspendirt. Die Denunciation erfolgte durch ein Schreiben aus Colberg nach Berlin. Das Stettiner Gen.-Commando muß täglich von hier aus an das Staatsministerium berichten.
(B. N.) Posen, 26. Nov. Der Ingenieur-Lieutenannt Rüstow, der Verfasser der kleinen Brochüre: „Brief eines demokratischen Offiziers“ ist heute auf Befehl des General v. Steinäcker vom Dienste suspendirt. Die nächste Veranlassung zu dieser Maßregel hat jedenfalls die Betheiligung des genannten Herrn, dessen ausgezeichnete militärische und allgemeine Bildung übrigens von allen Seiten anerkannt wird, am hiesigen demokratischen Verein und an einer Kollekte für die National-Versammlung gegeben. — Gestern wurden ihm folgende Fragen vorgelegt: haben Sie den Brief eines demokratischen Offiziers verfaßt? Sind Sie Mitglied des hiesigen demokratischen Vereins? Haben Sie für die National-Versammlung 1 Rth. bezahlt? Herr Rüstow beantwortete jede der Fragen mit ja und heute früh wurde ihm eröffnet, daß er wegen schwerer Beleidigung des Offizierstandes und um Excesse zu verhüten, vom Dienst suspendirt sei. Die Bedeutung des letzten Grundes zu begreifen, ist nicht möglich. Von wem befürchtet man Excesse denen vorgebeugt werden soll? Jedenfalls wird Herr Rüstow demnächst vor ein Ehrengericht gestellt werden. So befolgt man den Pfuelschen Ministerial-Erlaß!
(Osts. Z.) 33 Brünn, 29. Nov. Von der deutschen Bewegung wird man aus den hiesigen Zeitungen kaum etwas gewahr. Sie bringen blos das, was in ihren Standrechtskram paßt, mit Weglassung alles andern. Und wenn einmal etwas demokratisches berichtet wird, so fällt diese Henker-Presse mit einer wahren Hyänenwuth über die Thatsache her. So z. B. die „Presse“ über den Beschluß der Frankfurterin, Blum eine Todtenfeier zu halten, über das toskanische und päbstliche Ministerium. Wer einem seinen französischen Zeitungsabsolutismus mitunter noch Geschmack abgewinnen kann, dem muß es gleichwohl übel werden, wenn er hier unter diese Hetze infamer Literaten kommt, deren hundsföttische Seele fortwährend einen Geifer ausspritzt, dessen Urquelle immer die Gesinnungslosigkeit, der Schachergeist ist.
Der Reichstag in Kremsier ist ein Spott geworden; die Czechen behaupten ihre alte Rolle, wofür sie von Frau Sophie gut bezahlt werden sollen. Die Verlesung der Protokolle vom 30. und 31. Oktober ist, weil daraus eine Anerkennung der Revolution gefolgert würde, verworfen worden. Auf Interpellationen wird keine Antwort mehr ertheilt, und dem Reichstag überhaupt nicht erlaubt, zahlreiche Sitzungen zu halten. Es kommen viele Mißtrauensvota der Wähler vor, die meistens freisinnig sind. Darum spruzt auch die infame Presse dagegen; sie will die Umgekehrten, denn der Reichstag soll purifizirt werden. Man will alle Bildung, alle Gesinnung herausgeworfen haben, und dafür blos Czechen und andere Irokesen drinn behalten.
Die Aristokratie strengt ihre letzte Kraft an, sich wieder zu Geltung zu bringen, doch es ist aus mit ihr. Sie steckt bis über die Ohren in Schulden, ist gänzlich den Juden zinsbar. In Oesterreich wird sich daher eine Bourgeoisie entwickeln, die, da sie bisher rein wie das Vieh auferzogen worden, an Infamie alles überbieten wird, was der Westen Europa's je hervorgebracht. Vielleicht herrscht sie dann um so kürzere Zeit. Schon Metternich hat sich auf die Bourgeois stützen müssen und die Kamarilla thut es, ungeachtet es anders scheinen mag, noch mehr. Wir wollen sehen, was zuerst zusammenkracht; denn daß Oesterreich in seinem jetzigen Zustande lange verbleibt, ist unmöglich.
121 Wien, 29. Nov. Europa ist voll von dem Zivio, von der siegreichen Macht der Kroaten. — Kroaten in Italien, Kroaten in Ungarn, Kroaten in Wien. Sie fehlen nur noch in Berlin. Und dennoch ist Kroatien ein kleines und noch dazu menschenleeres Land. Woher also diese ungeheure Kroatenarmee? Darauf antwortet das Volk: die Hälfte dieser Kroaten sind — Russen, die über Galizien und rundum die Donaufürstenthümer in Bauerntrupps eingeschwärzt, dann eingekleidet und auf diese Weise als Kroaten in die verschiedenen Armeen gebracht worden sind. — Mir selbst sagte vor einigen Tagen ein slavischer Soldat, indem er auf seine Uniform zeigte: „deutsch“, und, indem er nun mit dem Finger das Gesicht berührte: „Nuß“. Betteln und diese beiden Worte, das war seine ganze Sprache. — Danach erwarten Sie mit Sicherheit die Niederlage der armen Magyaren; sie können sich bei dem spartanischsten Muthe nicht zugleich halten, wider Oesterreich und die russisch-türkische Intervention. Die Kroaten der Türkei sind nämlich ebenfalls im österreichischen Heere. Der Gesandte der französischen Bourgeois-Republik benimmt sich dabei, als ob die Sache ganz ohne Bedeutung wäre; sein Sekretariat macht unterdessen sogar recht gute Börsengeschäfte. — Noch niemals wurde in den Straßen und Häusern soviel gebettelt, als nun; man glaubt sich in Brüssel; die Konkurrenz der Kroaten entzieht dabei dem armen Volke manchen Kreuzer. Statt der vielen politischen Plakate und Zeitungen, die früher Morgens die Straßenecken bedeck-
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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