Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 159. Köln, 3. Dezember 1848. Zweite Ausgabe.

Bild:
<< vorherige Seite

"den Republikaner von Geburt", welcher der Auserwählte der Königlichen von aller Ewigkeit her geworden. Aber inmitten dieses Treibens taucht eine andere Kandidatur auf, schrecklich und drohend, wie die Juni-Insurrektion. Es ist "die Kandidatur Raspail's". Die Montagnards, die so viel gethan, um Ledru-Rollin als demokratischen Kandidaten durchzubringen, sind bereit, sich einem demokratischen Kongreß aus den Klubs aller Departements bestehend, zu unterwerfen, und Raspail anzuerkennen, wenn er die Majoritat im Kongresse hat. Ochsen und Schurken zittern; die Debats eifern giftiger als je: denn der Insurgent von den Maitagen wird die Juni-Insurrektion wieder zu Macht und Ehren bringen!

Paris, 30. Nov.

An der heutigen Debatte über Italien nehmen folgende Redner Theil: Ledru-Rollin, Montalembert, Senard, Falloux, Montreuil, Treveneue, Pascal (aus Aix), E. Quinet, Jules Favre, Drouin de Lhuys, Sarrans, Billault, Charles Dupin u. A.

Auf den Galerien sind alle Plätze längst vergeben.

-- Das hiesige Kabinet hatte dem Londoner die Maßregeln rücksichtlich Rom's angezeigt und um schleunige Antwort gebeten. Gestern Abend ist ein außerordentlicher Kurier mit dieser Antwort eingetroffen.

-- Bugeaud, Ney (Moskawa) etc. treten in die Kammer und werden von der Rue de Poitiers mit offenen Armen empfangen.

-- Cavaignac vertheilt im heutigen Moniteur wiederholt mehrere Dutzend Ehrenlegionkreuze an Offiziere der Mobilgarde und Linie.

-- Die beiden Oberspione, welche Senard, Exminister des Innern, zur Ueberwachung der spanischen Patrioten in die mittäglichen Gränzdepartements schickte, heißen Vidocq junior und Labrier-Quetier. Ihre Strenge z. B. gegen das Haupt der spanischen Patrioten, Exminister Escosura, ging so weit, daß ihre Gensd'armen sogar die Suppe auf dem Tische Escosura's mit der Säbelspitze umrührten, um sich zu überzeugen, ob auch dort keine Korrespondenzen verborgen?!... Das that die 1848ger Republik gegenüber den Königinnen Isabella und Maria Christine mit ihrem Leibhusar Narvaez!!

Dieses Faktum steht im Moniteur universel vom 30. Novbr.

-- Der Moniteur beginnt heute eine erste offizielle Statistik des Pariser Hungers. Leider ist dieselbe nicht vollständig; sie betrifft nur die Fleischvertheilungen, gegen welche das Dominikanerblatt "Ere nouvelle" einige Beschwerden erhoben hatte. Laut dieser Statistik werden in diesem Augenblick blos an Fleischbons 30,181 Rationen per Tag an 2062 verschiedene Hanshaltungen vertheilt, deren jede 29 Centimen kostet (im Ganzen 1436 Frk 40 Cnt. per Tag). Hinzu treten 2280 Frk. monatliche Gehalte an die Beamten, welche mit Vertheilung der Almosen bearftragt sind. Früher geschah diese Vertheilung durch 400 sogenannte wohlthätige Bürger, welche kein Gehalt bezogen. Da ergab sich aber eine tägliche Schmuggelei von 1892 Fleischrationen, deren Kostenpreis obige Gehalte bei Weitem überstieg. (Moniteur vom 30. Nov.)

-- ".... Cavaignac muß in Anklagezustand versetzt werden! ruft das Blatt Ledru-Rollin's aus und begründet diesen Antrag in folgender Weise: Nach der Verfassung hat der Präsident der Republik kein Recht, ohne Genehmigung der Nationalversammlung auch nur ein Bataillon über die Gränze marschiren zu lassen. Cavaignac, der noch keineswegs Präsident der Republik ist, sondern noch ganz und gar von dem absoluten Willen der Nationalversammlung abhängt, stürzt das Land in eine bewaffnete Intervention, deren Folgen durchaus nicht zu berechnen, da die Gründe, auf denen sie beruht, sich als falsch erwiesen haben. Das Volk von Rom hat ein Ministerium verjagt, an dessen Spitze ein Mann stand, welcher sich rühmte, "die Revolution überall zu ersticken;" es hat die Schweizergarde aufgelös't und eine Nationalversammlung verlangt, welche, aus allgemeinem Stimmrecht hervorgegangen, eine Verfassung entwerfe; nichts ist im Quirinal verändert, wozu das Volk kein Recht hätte. Der Papst ist um kein Haar breit in seiner religiösen Freiheit und Macht geschmälert; er kann seinen Seegen urbi et orbi nach wie vor aussprechen; den Gläubigen die Höllenthore nach wie vor schließen oder öffnen. Aber er darf nicht länger weltlicher Fürst ohne alle Verantwortlichkeit und Regierungskontrolle bleiben. Was soll also Courcelles mit seinen 3500 Mann in der Mündung der Tiber? Hr. Bastide hat das mit seinem Gebieter Cavaignac zu verantworten. Frankreich, das der Reaktion nimmer vergiebt, daß sie seine Schwester, Oberitalien, unter den Schlägen Oestreich's bluten läßt, wird nicht zugeben, daß seine Kinder zu Schergen des Papstthums herabsinken und die gewechselten Wachtposten einer schweizerischen besoldeten Leibgarde einnehmen. Was soll aus dem Prinzip der Volkssouveränetät und Völkerfreiheit werden, wenn eine solche Kabinetspolitik noch länger geübt wird?"

-- Den Hrn. Guizot und Duchatel steht nun kein Hinderniß mehr entgegen, frei und ungehindert nach Frankreich zurückzukehren und dort der Einführung des neuen 4jährigen Königthums beizuwohnen; denn der hiesige Obergerichtshof erließ gestern eine Ordonnanz, wonach der gepflogenen Voruntersuchung gemäß kein Grund zur Verfolgung der Februarminister Louis Philipp's gesetzlich vorliegt. Bravo! Das heißt konsequent handeln.

-- National-Versammlung. Sitzung vom 30. November. Anfang 1 Uhr. Präsident Marrast. Der Zudrang ist sehr stark. Nach Verlesung des Protokolls nimmt Joly das Wort.

Joly: Ein Brief, den ich rücksichtlich der unglücklichen Spanier erhalten, die auf der G[unleserliches Material]elette Montanera in die Verbannung geschickt werden sollten, sich aber im Angesichte der französischen Küste empörten und den Kapitain zur Landung in Bordcaux zwangen, wo sie ausgeliefert worden, meldet mir, daß 15 davon zum Tode, 15 zur Galeerenstrafe und die Uebrigen zur Verbannung in die Havannah verurtheilt worden sind. Die 15 Todesurtheile liegen dem Generalkapitain noch zur Bestätigung vor; ich ersuche den Minister des Aeußern, sich für diese Unglücklichen zu verwenden und ihre Begnadigung zu erwirken.

Stimme: Aber der Minister ist ja noch nicht hier.

Cavaignac, der in diesem Augenblicke in den Saal tritt, verspricht dieses Begnadigungsgesuch, d. h. die Verwandlung der Todesstrafe in Galeerenstrafe sofort abgehen zu lassen.

Hierauf geht die Versammlung zur Tagesordnung über, nämlich zur Debatte über Italien.

Ledru-Rollin: Bürger, Rom ist ruhig. Diese Ruhe war vom Minister des Auswärtigen leicht vorauszusehen. Sie haben die Depesche gelesen. Die ersten Schüsse gegen das Volk fielen von den Schweizern, dann erst schritt die Bürgerwehr ein, dann erst entschied das Volk, die Waffen nicht früher niederzulegen, als bis das Fremden-Ministerium abgedankt habe. Harcourt, unser dortiger Gesandter, schreibt, er wolle erst abwarten, welchen Gang die Ereignisse nähmen, ehe er sein Verfahren einschlüge. Das Volk hatte den Rossi als Fremden getödtet; die Schweizer waren so verhaßt, eben weil sie Fremde sind und in diesem Willen beruhigt es sich nicht früher, als bis das Ministerium gestürzt und die Schweizer entlassen sind. Hoffentlich sehen Sie hierin keine bloße Emeute. Nein, es war eine Revolution, die ein vollkommen zu billigender Fremdenhaß erzeugt hatte. Und in diesem Moment schickt das Ministerium fremde Uniformen nach Rom, wirft es französische Truppen zwischen Papst und Volk! Heißt das nicht eine europäische Gährung herbeiführen? Muß das Volk nicht Eure Truppen hassen? Hättet Ihr (zu Cavaignac gewandt) den Papst oder auch nur seinen hiesigen Nuntius berathen, sie würden Euch selbst von der Expedition abgerathen haben. Erlaube man mir, daß ich den wahren Sinn der Expedition auseinander setze. Man hat Euch gesagt, die Maßregel geschehe lediglich im Interesse und zum Heil der Person des Papstes. Dem ist keineswegs so; wenigstens wäre der Vorwand lächerlich, da Niemand dem Papste etwas zu Leide thun wollte. Die Revolution war nur gegen das weltliche Regiment desselben gerichtet. Wie kam es nun, daß diese Bewegung, die mit dem politischen Morde Rossi's begann, so große Aufregung in Paris verursachte, während die Ermordung Robert Blum's das Ministerium so kalt ließ? Rossi's Blut galt also theurer, als das des Demokraten Blum? Leugnet es nicht, Eure Expedition verräth eine rein politische und nicht kirchliche Farbe. Aber wenn Ihr nun einmal im Verein mit Radetzki handeln wolltet, warum fragtet Ihr nicht erst die National-Versammlung, ob sie eine solche Politik genehmige? Ihr seid nichts als Werkzeug der National-Versammlung. (Unterbrechung.) Nichts als Werkzeug! Ihr kompromittirt das franzosische Volk, ohne daß Ihr vorher seine Vertreter berathschlagtet. (Beifall vom Berge).

Montalembert, einer der Häupter der Ultramontanen, setzt in langer Rede auseinander, daß durchaus keine Analogie zwischen dem Charakter der Februar-Revolution und der römischen Insurrektion (Unterbrechung zur Linken) herrsche. Er lobt die Absicht des Ministeriums, tadelt aber die Art der Ausführung.

Edgar Quinet fürchtet sehr, daß man die französische Republik einer Gefahr zuführe, die er bei Weitem höher anschlägt, als das Kabinet sie sich vorgestellt zu haben scheint.

Charles Dupin vertheidigt die Regierung wegen ihres raschen und weisen Entschlusses.

Jules Favre ist keineswegs der Ansicht, daß die römische Bewegung einen blos religiös-katholischen Charakter trage, wie Montalembert behauptet. Die dortige Entwickelung sei entschieden politisch. Er bedauert das französische Geld, Blut und Ehre.

Dufaure übernimmt die Vertheidigung des Kabinets. Er löst zunächst die oberitalienische Frage von der römischen und weist nach, daß keine Zeit vorhanden gewesen, die National Versammlung vorher zu konsultiren. Er liest mehrere Depeschen. Wir können, wirft man uns vor, fuhr Dufaure nach Verlesung der Depeschen fort, Oesterreich erzürnen und es veranlassen, ebenfalls vor Rom zu erscheinen. Wie aber, wenn uns Oesterreich zuvorgekommen wäre? Dann hatte uns man mit Recht mit Vorwürfen überhäuft und sie wären dann völlig begründet gewesen. Wir wollen keinen Krieg. Wir haben nur unsere Pflicht gethan. Uebrigens fürchtet die Republik den Krieg nicht, sie wurde ihn vielmehr mit Glück fuhren. (Beifall zur Rechten).

Larochejaquelin: Meine Parteistellung ist kritisch. Ich möchte zuerst dem Kriegsminister die Frage stellen: ob die Flotille abgefahren ist?

Minister: Ja!

Larochejaquelin: Wohlan, dann erkläre ich, daß Sie Ihre Vollmachten überschritten. (Sensation. Tumult).

Poujoular: Man spricht von Conciliation zwischen Papst und Volk. Ich besitze Nachrichten, welche melden, daß ein Glied der römischen Kammer den Antrag stellte, dem Papst durch öffentlichen Akt die Unterwerfung zu bezeugen. Lucian Bonaparte, der in Rom eine gewisse ultra-demokratische Rolle spielt, hat sich aber solcher Demonstration widersetzt und der Antrag ist verworfen worden.

Favre ergreift wiederholt das Wort

Cavaignac besteigt die Bühne und erklärt durch Daten, daß die National-Versammlung keineswegs umgangen worden. Am Dienstag sei sie benachrichtigt worden; hatte sie die Schritte nicht genehmigt, dann wäre es immer noch Zeit gewesen, den Befehl zurückzunehmen.

Larochejaquelin will noch sprechen, kann aber des Lärmens wegen nicht. Man schreit: Zur Tagesordnung! Zur Tagesordnung!

Trevenenc schlagt eine sogenannte motivirte Tagesordnung vor, die dem Ministerium günstig ist und mit 480 gegen 63 Stimmen angenommen wird.

Schluß 1/4 vor 6 Uhr.

Nationalversammlung. Sitzung vom 1. December. Anfang 1 1/3 Uhr. Präsident Marrast.

Reibell, ein beruhmter Wasserbaumeister und Deputirter der Manche, reicht Krantheits halber seine Demission ein.

An der Tagesordnung ist das rektifizirte Büdget von 1848. Die Versammlung war bis zum 8. Kapitel des Marine-Büdgets (See-Justiz) vorgeruckt.

Dieses Kapitel wird angenommen.

Ebenso Kapitel 9.

Kapitel 10 (Kosten des bekannten afrikanischen Geschwaders zur Unterdruckung des Sclavenhandels). Dieselben belaufen sich auf 3 Millionen Franken jährlich.

Billault bekämpft diesen Kredit, weil er seinen Zweck nicht erfülle. Diese Geschwader seien zur Unterdrückung des Negerhandels unzureichend. Selbst das englische Parlament uberzeugte sich davon. Es sei also jetzt der günstige Augenblick, die schweren Kosten jener Flotille im Einverstandniß mit dem englischen Kabinet zu verweigern. Statt den Schacher zu tilgen, verschlimmert man nur die Lage der unglücklichen Sklaven, weil man allerlei List gebrauche, um jene Kreuzer zu umgehen.

Dann, ein halber Mohr, theilt diese Ansimt nicht.

Schoelcher, der bekannte Sklavenfreund, halt seine Jungfernrede. Er protestirt mit menschenfreundlicher Warme gegen jede Schwachung jenes Geschwaders, wonach dieser Menschenhandel wieder eine fürchterliche Ausdehnung nehmen wurde.

Lacrosse erklärt sich als keinen Vertheidiger dieses infamen Handwerks, aber er findet den von Frankreich und England adoptirten Modus mangelhaft und gefährlich, weil er die P[unleserliches Material]st unter der Schiffsmannschaft erzeuge.

Mortreull unterstutzt Billauits Vorschlag. Man möge nach England schreiben.

Verninae, Marine-Minister, verspricht das Geschwader zu vermindern, sobald er sich mit England verständigt haben werde, ohne deshalb den infamen Handel irgendwie zu erleichtern.

Kapitel 10 geht endlich durch.

Die nächsten beiden Kapitel boten nichts Interessantes. Dagegen wurde die Kolonialverwaltung lebhaft besprochen.

Lavavasseur, ein reicher [unleserliches Material]heder aus Dieppe und Havre, will wissen, ob der Minister an die Möglichkeit der Einführung des allgemeinen Stimmrechts in den Kolonien glaube? und so nicht die Eigenthümer (Pflanzer) daselbst die höchste Gefahr laufen? Der Redner verlangt Garantien. Er spricht indessen so heiser, daß man kaum das zehnte Wort versteht.

Dain, der Mohr, hält eine vortreffliche Gegenrede. Die Kolonien verlangten Schulen und wurden sich die Freiheit nimmer entreißen lassen.

Inmitten der Budgetdebatte erscheint Cavaignac.

Cavaignac steigt auf die Bühne; Bürger Repräsentanten! Die Regierung hat so eben folgende Depesche erhalten:

"Marseille, 28. Nov. 6 Uhr. Aus Civita Vecchia vom 24. Nov. 3 Uhr Nachts. Der französische Konsul an den Minister des Auswärtigen in Paris. Der Papst ist plötzlich am 24. Novbr. 5 Uhr Abends von Rom abgereist. Er hat sich auf dem Tenarre eingeschifft und begibt sich nach Frankreich. Rom ist ruhig und indifferent." (Sensation.)

Die Versammlung nimmt die Büdgetdebatte wieder auf.

Poujonlat unterbricht die Büdgetdebatte. Ich erzählte gestern, daß sich Lucian Bonaparte im römischen Parlament einer Ergebenheitsadresse an den Pabst widersetzt habe, die Hr-Potentiani beantragte. Zwei Verwandte Lucianis, welche in diesem Saale sitzen, haben mir vorgeworfen, daß ich das Faktum entstellt hätte. Ich zeigte darauf dem Hr. Peter Bonaparte das betreffende Journal Rom's, welchem ich die Thatsache entnommen und schlug ihm vor, es im Original zu lesen, um sich von der Wahrheit zu überzeugen.

Lyerbette: Aber was geht das die Nationalversammlung an?

Poujoulat: Man fragt, was das die Versammlung angehe? Ich antworte darauf, daß mir daran liegt, als kein Entsteller der Wahrheit zu gelten. (Ah! Ah!)......

Peter Bonaparte nährt sich der Bühne, spricht mit dem Redner einige Worte, worauf letzterer herabsteigt.

Die Versammlung kehrt zum Büdget zurück.

Die Besprechung des Rechtes des Marinebüdgets verfließt ohne Bedeutung.

Man geht zum Finanzbüdget über.

Fould eröffnet die Generaldiskussion mit einer langen Philippika gegen die Goudchauschen und Tronve-Chauvelschen Finanzpläne: Einkommensteuer, Erbschaftssteuer, Abschaffung der lästigen Getränkekontrolle, die Hr. Fould am meisten bedauert u. s. w.

Trouve Chauvel erwidert ihm, daß er am Finanzplan pro 1849 festhalte.

Hier tritt eine neue Unterbrechung ein. (2. Depesche).

Vivien, Staatsbautenminister, zeigt im Namen des Ministeriums an, daß Bürger Freslon, Unterrichts- und Kultusminister, nach Marseille abgeschickt worden, um Pius IX., der von Rom sich nach Gaeta (auf neapolitanischem Gebiet) geflüchtet und die Absicht zu erkennen gegeben habe, nach Frankreich zu kommen. Der Tenare habe ihn dort aufgenommen und nach Marseille gebracht.

Proudhon und Pyat sind nirgend zu sehen.

Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.

Spanien.
Madrid, 24. Novbr.

Die beiden Minister Bravo Murillo und Arrazola scheiden aus dem Kabinet. Ersterer, heißt es, solle zum Präsidenten der Deputirtenkammer erkoren sein, um ihn für das Portefeuille zu entschädigen.

-- Aus den Provinzen nur so viel, daß die Insurrektion noch lange nicht erdrückt ist.

Türkei.
*

Unter dem Befehl des amerikanischen Schiffskapitäns Lynch wurde voriges Frühjahr eine Expedition nach Palästina zur Erforschung des Sees Tiberias und des Todten Meeres unternommen. Die türkische Regierung hatte dazu bereitwillig ihre Erlaubniß und die gemessensten Befehle an die Behörden in Palästina zur Unterstützung der Expedition gegeben. Kapitän Lynch theilt in einem Briefe kurz die Resultate mit, die er bald ausführlicher in einem größeren Werke veröffentlichen wird. Er hatte aus New-York 2 metallene Boote -- ein kupfernes und ein eisernes -- mitgebracht, die er in St. Jean d'Acre landete. Von da wurden sie durch Kameele unter unglaublichen Schwierigkeiten zu Lande weiter geschafft und am 8. April in die blaue Fluth des galiläischen Meeres hinabgelassen. Zum ersten Mal wehte das amerikanische Banner auf diesen Gewässern. Die Schifffahrt auf dem Jordan, der das galiläische und das todte Meer verbindet, war äußerst beschwerlich. Die Expedition hatte 27 gefährliche Stromschnellen zu passiren. Der Jordan macht außerdem unendliche Krümmungen; auf 60 (engl.) Meilen hat er eine Länge von 200 Meilen. Der Unterschied zwischen dem Wasserspiegel der beiden Seen beträgt 2000 F. Einige hundert Schritt von der Mündung ist das Wasser des Jordan süß. Dasjenige des todten Meeres ist ohne Geruch, aber von bitterem, salzigen und eckelhaftem Geschmack. "Wie der nördliche Theil des Sees tief," sagt Lynch, "so ist der südliche seicht. Die größte Tiefe, die wir bis heute (3. Mai) fanden, betrug 1128 engl. Fuß; im südlichen Theil auf einer großen Strecke nur 18 Fuß. In der Nähe des Ufers ist der Grund eine Salzinkrustation; in der Mitte weicher Schlamm mit rechtwinkligen Krystallen, meist Würfeln von reinem Salz. Daß Vögel und Insekten am Ufer gefunden werden, unterliegt keinem Zweifel. Bisweilen erblickten wir Enten auf dem See. Aber in seinen Gewässern fanden wir kein lebendes Wesen. Die höchste Spitze der Westküste ist nach unsern Messungen mehr als 1000 Fuß über dem Wasserspiegel des Sees; und diese Küste steht im gleichen Niveau mit dem Spiegel des Mittelmeeres."

Denkschrift des Berliner Bezirks-Central-Vereins zu dem Bericht, welchen der Abgeordnete und Unterstaatssekretär Herr Bassermann über seine Sendung nach Berlin in der deutschen National-Versammlung erstattet hat.

Die Hauptstadt der preußischen Monarchie ist seit der Märzrevolution häufig und mannigfach Verläumdungen, Schmähungen und Lügen ausgesetzt gewesen, diese traten aber meist namenlos auf, ihre Absicht war leicht zu erkennen, sie zerfielen in sich selbst.

Jetzt erhebt sich nun aber Herr Bassermann, der aus früherer Zeit den Klang eines liberalen Namens trägt, vor der deutschen National-Versammlung im Angesichte von ganz Deutschland mit einer Anklage gegen Berlin, die hinter keinem frühern namenlosen Angriffe zurückbleibt. Die Anklage muß in den Augen der vom Schauplatze entfernter Stehenden an Gewicht gewinnen, weil sie in eine Art offiziellen Gewandes gehüllt ist; denn Herr Bassermann hat seine Erfahrungen gesammelt und seinen Bericht erstattet als offizieller Karakter. -- Die flüchtigen Reiseeindrücke eines Herrn Bassermann konnten leicht ignorirt werden, der offizielle Bericht des Unterstaatssekretairs Bassermann verdient die Beachtung, welche ihm hiermit der Berliner Bezirks-Central-Verein angedeihen läßt.

Es kann diesem Verein, der fern von jeder einseitigen Parteistellung den Kern der hauptstädtischen Bevölkerung in ihren verschiedenen Schichten vertritt, nicht darauf ankommen, die Angriffe, welche Herr Bassermann gegen die preußische National-Versammlung richtet, zu beleuchten oder zu widerlegen -- dies ist ohnehin von anderer Stelle in ausnehmender Weise geschehen -- hier handelt es sich um die Zurückweisung der Reiseeindrücke des Herrn Bassermann, welche auf die Ehre Berlins Flecken zu werfen beabsichtigen.

Herr Bassermann ist am 9. November Abends in Berlin eigetroffen, und hat wahrscheinlich die Stadt am 14. oder 15. d. M. verlassen, er hat sich also in Berlin 5 bis 6 Tage aufgehalten, freilich in einer für Preußen und Deutschland epochemachenden Zeit; aber wie hat Herr Bassermann diese Zeit aufgefaßt und begriffen? "Ihn erschreckte die Bevölkerung, welche er spät Abends am 9. November auf den Straßen erblickte; er sah Gestalten, die er nicht schildern will." -- Die Preßfreiheit Berlins in diesen Tagen ging weit über das hinaus, was Herr Bassermann selbst in Süddeutschland davon gewohnt ist; denn das Unglaubliche hat er gesehen: den "Traum eines Republikaners" und zwar auf rothes Papier gedruckt, was die Spitze alles Schreckens bildet; denn dieses rothe Papier verwirrt die Phantasie des Hrn. Bassermann so weit, daß er daraus später "einen rothen Träumer der Laternenpolitik" emporwachsen läßt. -- Dies ist die schreckliche Seite von den Erfahrungen, welche Herr Bassermann in Berlin gemacht hat; die Rückseite dazu ist die Bassermannsche Wahrnehmung, "daß ihm nach dem Einmarsch der Truppen, also am 10 oder 11. November, die Straßen belebter auch von andern Personen erschienen, daß er bei den Bürgern ein wiedergekehrtes Gefühl der Sicherheit fand." -- Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist. -- Herr Bassermann verkehrte in Berlin mit den Ministern, die er "in der männlichsten Fassung" später mit "ruhig lächelndem Munde" fand; Herr Bassermann "conferirte" auch mit dem Könige, "hörte die Aeußerungen vieler Bürger der Stadt, war den ganzen Tag von Besuchern umlagert" -- der Glückliche -- und, was die Hauptsache, "täglich von einem Abgesandten demokratischer Klubs besucht."

Man erblickt hier den vielseitigen Umgang eines Diplomaten, der aber dessenungeachtet aus den Täuschungen nicht herauskommt. -- Herr Bassermann kommt mit Vorurtheilen nach Berlin; er hält die Berathungen hier nicht mehr für frei -- weil -- hört! -- die Versammlung in der polnischen Frage anders als die Frankfurter geurtheilt hat; statt der Beweggründe der innern Ueberzeugung erkennt er als angehender Diplomat "die Todesbedrohungen der Deputirten, und die Vernagelung des Sitzungssaales" an. Herr Bassermann kehrt auf diesen Punkt wiederholt zurück; es ist ihm Herzenssache, nachzuweisen, daß die Deutsche Einheit und Freiheit in seinem Sinne nicht zu Stande kommen können, so lange die Preußische National-Versammlung unter der Schreckensherrschaft des Berliner Volks stände. -- Wird aber das Preußische und so Gott will, das Deutsche Volk dem Herrn Bassermann glauben, Einheit und Freiheit des ganzen Vaterlandes wären besser berathen, wenn die National-Versammlung unter der Obhut der Bayonnette ihre Beschlüsse faßt! --

Herr Bassermann hat von der Berliner Schreckensherrschaft mancherlei gehört, gesehen im Grunde nichts, wenn man nicht den "auf rothes Papier gedruckten Traum eines Republikaners" dahin rechnet, oder die Gestalten, welche am 9. November die Straßen bevölkerten, die aber Herr Bassermann nicht schildern will."

Wir trauen dem Herrn Unterstaats-Sekretär scharfe Organe der Wahrnehmung zu, wie sie auf diplomatischer Sendung nothwendig sind, aber wir bedauern, daß er seine Beobachtungen, wo sie lehrreich werden konnten, zurückhält. -- "Ihn hat die Bevölkerung auf den Straßen in der Nähe des Sitzungslokales am 9. November erschreckt." Es muß die Berliner Bürgerwehr gewesen sein, die Herrn Bassermann in Schrecken versetzte; denn sie umlagerte zunächst das Sitzungslokal; von großen, wogenden Menschenmassen war außerdem an diesem Abend auf den Straßen Berlins keine Spur wahrzunehmen.

"Der Zustand Berlins, wie er sich äußerlich abspiegelt, ist nach Herrn Bassermann deshalb kein erfreulicher, weil die Tagespresse über das hinausgeht, was man in Süddeutschland sich gefallen läßt." Soll das ein Lob für Süd- oder ein Tadel für Norddeutschland, zumal für Berlin sein? In Süddeutschland hat man die Republik einzuführen versucht: in Berlin träumt höchstens ein Republikaner auf rothem Papier. Wenn Hr. Bassermann aus seinem Bericht nur diesen Punkt fortgelassen hätte, so wäre er wenigstens dem Gelächter ehrlicher Bürger Berlins entgangen; jetzt aber ist er dem Berliner Witz unrettbar verfallen; denn er hat nicht einmal begriffen, daß der Witz sich auch in der Laternenpfahlpolitik üben kann, und so geschmeidig ist, um hintereinander reaktionäre und republikanische Träume zu erzeugen. Die Ersteren sind aber, hoffentlich nach Hrn. Bassermanns Geschmack, bereis für Berlin und Umgegend eingetroffen.

Wenn der Frankfurter Diplomat in Dessau am Stationsplatze und in Luckenwalde die Stärke seiner Apperception bekundet, so zeigt er den Umfang seines Kombinationsvermögens, indem er den Traum des Republikaners ganz nahe an die Gränzen der Wirklichkeit führt und ernsthaft versichert, "es sei mehrere Male so weit gekommen, daß Mitglieder der Rechten der Nationalversammlung nur dem Zufall ihr Leben verdankten."

Wir werden niemals pöbelhafte Exzesse beschönigen wollen, sie nicht für

„den Republikaner von Geburt“, welcher der Auserwählte der Königlichen von aller Ewigkeit her geworden. Aber inmitten dieses Treibens taucht eine andere Kandidatur auf, schrecklich und drohend, wie die Juni-Insurrektion. Es ist „die Kandidatur Raspail's“. Die Montagnards, die so viel gethan, um Ledru-Rollin als demokratischen Kandidaten durchzubringen, sind bereit, sich einem demokratischen Kongreß aus den Klubs aller Departements bestehend, zu unterwerfen, und Raspail anzuerkennen, wenn er die Majoritat im Kongresse hat. Ochsen und Schurken zittern; die Debats eifern giftiger als je: denn der Insurgent von den Maitagen wird die Juni-Insurrektion wieder zu Macht und Ehren bringen!

Paris, 30. Nov.

An der heutigen Debatte über Italien nehmen folgende Redner Theil: Ledru-Rollin, Montalembert, Senard, Falloux, Montreuil, Treveneue, Pascal (aus Aix), E. Quinet, Jules Favre, Drouin de Lhuys, Sarrans, Billault, Charles Dupin u. A.

Auf den Galerien sind alle Plätze längst vergeben.

— Das hiesige Kabinet hatte dem Londoner die Maßregeln rücksichtlich Rom's angezeigt und um schleunige Antwort gebeten. Gestern Abend ist ein außerordentlicher Kurier mit dieser Antwort eingetroffen.

— Bugeaud, Ney (Moskawa) etc. treten in die Kammer und werden von der Rue de Poitiers mit offenen Armen empfangen.

— Cavaignac vertheilt im heutigen Moniteur wiederholt mehrere Dutzend Ehrenlegionkreuze an Offiziere der Mobilgarde und Linie.

— Die beiden Oberspione, welche Senard, Exminister des Innern, zur Ueberwachung der spanischen Patrioten in die mittäglichen Gränzdepartements schickte, heißen Vidocq junior und Labrièr-Quetier. Ihre Strenge z. B. gegen das Haupt der spanischen Patrioten, Exminister Escosura, ging so weit, daß ihre Gensd'armen sogar die Suppe auf dem Tische Escosura's mit der Säbelspitze umrührten, um sich zu überzeugen, ob auch dort keine Korrespondenzen verborgen?!… Das that die 1848ger Republik gegenüber den Königinnen Isabella und Maria Christine mit ihrem Leibhusar Narvaez!!

Dieses Faktum steht im Moniteur universel vom 30. Novbr.

— Der Moniteur beginnt heute eine erste offizielle Statistik des Pariser Hungers. Leider ist dieselbe nicht vollständig; sie betrifft nur die Fleischvertheilungen, gegen welche das Dominikanerblatt „Ere nouvelle“ einige Beschwerden erhoben hatte. Laut dieser Statistik werden in diesem Augenblick blos an Fleischbons 30,181 Rationen per Tag an 2062 verschiedene Hanshaltungen vertheilt, deren jede 29 Centimen kostet (im Ganzen 1436 Frk 40 Cnt. per Tag). Hinzu treten 2280 Frk. monatliche Gehalte an die Beamten, welche mit Vertheilung der Almosen bearftragt sind. Früher geschah diese Vertheilung durch 400 sogenannte wohlthätige Bürger, welche kein Gehalt bezogen. Da ergab sich aber eine tägliche Schmuggelei von 1892 Fleischrationen, deren Kostenpreis obige Gehalte bei Weitem überstieg. (Moniteur vom 30. Nov.)

— „‥‥ Cavaignac muß in Anklagezustand versetzt werden! ruft das Blatt Ledru-Rollin's aus und begründet diesen Antrag in folgender Weise: Nach der Verfassung hat der Präsident der Republik kein Recht, ohne Genehmigung der Nationalversammlung auch nur ein Bataillon über die Gränze marschiren zu lassen. Cavaignac, der noch keineswegs Präsident der Republik ist, sondern noch ganz und gar von dem absoluten Willen der Nationalversammlung abhängt, stürzt das Land in eine bewaffnete Intervention, deren Folgen durchaus nicht zu berechnen, da die Gründe, auf denen sie beruht, sich als falsch erwiesen haben. Das Volk von Rom hat ein Ministerium verjagt, an dessen Spitze ein Mann stand, welcher sich rühmte, „die Revolution überall zu ersticken;“ es hat die Schweizergarde aufgelös't und eine Nationalversammlung verlangt, welche, aus allgemeinem Stimmrecht hervorgegangen, eine Verfassung entwerfe; nichts ist im Quirinal verändert, wozu das Volk kein Recht hätte. Der Papst ist um kein Haar breit in seiner religiösen Freiheit und Macht geschmälert; er kann seinen Seegen urbi et orbi nach wie vor aussprechen; den Gläubigen die Höllenthore nach wie vor schließen oder öffnen. Aber er darf nicht länger weltlicher Fürst ohne alle Verantwortlichkeit und Regierungskontrolle bleiben. Was soll also Courcelles mit seinen 3500 Mann in der Mündung der Tiber? Hr. Bastide hat das mit seinem Gebieter Cavaignac zu verantworten. Frankreich, das der Reaktion nimmer vergiebt, daß sie seine Schwester, Oberitalien, unter den Schlägen Oestreich's bluten läßt, wird nicht zugeben, daß seine Kinder zu Schergen des Papstthums herabsinken und die gewechselten Wachtposten einer schweizerischen besoldeten Leibgarde einnehmen. Was soll aus dem Prinzip der Volkssouveränetät und Völkerfreiheit werden, wenn eine solche Kabinetspolitik noch länger geübt wird?“

— Den Hrn. Guizot und Duchatel steht nun kein Hinderniß mehr entgegen, frei und ungehindert nach Frankreich zurückzukehren und dort der Einführung des neuen 4jährigen Königthums beizuwohnen; denn der hiesige Obergerichtshof erließ gestern eine Ordonnanz, wonach der gepflogenen Voruntersuchung gemäß kein Grund zur Verfolgung der Februarminister Louis Philipp's gesetzlich vorliegt. Bravo! Das heißt konsequent handeln.

National-Versammlung. Sitzung vom 30. November. Anfang 1 Uhr. Präsident Marrast. Der Zudrang ist sehr stark. Nach Verlesung des Protokolls nimmt Joly das Wort.

Joly: Ein Brief, den ich rücksichtlich der unglücklichen Spanier erhalten, die auf der G[unleserliches Material]elette Montanera in die Verbannung geschickt werden sollten, sich aber im Angesichte der französischen Küste empörten und den Kapitain zur Landung in Bordcaux zwangen, wo sie ausgeliefert worden, meldet mir, daß 15 davon zum Tode, 15 zur Galeerenstrafe und die Uebrigen zur Verbannung in die Havannah verurtheilt worden sind. Die 15 Todesurtheile liegen dem Generalkapitain noch zur Bestätigung vor; ich ersuche den Minister des Aeußern, sich für diese Unglücklichen zu verwenden und ihre Begnadigung zu erwirken.

Stimme: Aber der Minister ist ja noch nicht hier.

Cavaignac, der in diesem Augenblicke in den Saal tritt, verspricht dieses Begnadigungsgesuch, d. h. die Verwandlung der Todesstrafe in Galeerenstrafe sofort abgehen zu lassen.

Hierauf geht die Versammlung zur Tagesordnung über, nämlich zur Debatte über Italien.

Ledru-Rollin: Bürger, Rom ist ruhig. Diese Ruhe war vom Minister des Auswärtigen leicht vorauszusehen. Sie haben die Depesche gelesen. Die ersten Schüsse gegen das Volk fielen von den Schweizern, dann erst schritt die Bürgerwehr ein, dann erst entschied das Volk, die Waffen nicht früher niederzulegen, als bis das Fremden-Ministerium abgedankt habe. Harcourt, unser dortiger Gesandter, schreibt, er wolle erst abwarten, welchen Gang die Ereignisse nähmen, ehe er sein Verfahren einschlüge. Das Volk hatte den Rossi als Fremden getödtet; die Schweizer waren so verhaßt, eben weil sie Fremde sind und in diesem Willen beruhigt es sich nicht früher, als bis das Ministerium gestürzt und die Schweizer entlassen sind. Hoffentlich sehen Sie hierin keine bloße Emeute. Nein, es war eine Revolution, die ein vollkommen zu billigender Fremdenhaß erzeugt hatte. Und in diesem Moment schickt das Ministerium fremde Uniformen nach Rom, wirft es französische Truppen zwischen Papst und Volk! Heißt das nicht eine europäische Gährung herbeiführen? Muß das Volk nicht Eure Truppen hassen? Hättet Ihr (zu Cavaignac gewandt) den Papst oder auch nur seinen hiesigen Nuntius berathen, sie würden Euch selbst von der Expedition abgerathen haben. Erlaube man mir, daß ich den wahren Sinn der Expedition auseinander setze. Man hat Euch gesagt, die Maßregel geschehe lediglich im Interesse und zum Heil der Person des Papstes. Dem ist keineswegs so; wenigstens wäre der Vorwand lächerlich, da Niemand dem Papste etwas zu Leide thun wollte. Die Revolution war nur gegen das weltliche Regiment desselben gerichtet. Wie kam es nun, daß diese Bewegung, die mit dem politischen Morde Rossi's begann, so große Aufregung in Paris verursachte, während die Ermordung Robert Blum's das Ministerium so kalt ließ? Rossi's Blut galt also theurer, als das des Demokraten Blum? Leugnet es nicht, Eure Expedition verräth eine rein politische und nicht kirchliche Farbe. Aber wenn Ihr nun einmal im Verein mit Radetzki handeln wolltet, warum fragtet Ihr nicht erst die National-Versammlung, ob sie eine solche Politik genehmige? Ihr seid nichts als Werkzeug der National-Versammlung. (Unterbrechung.) Nichts als Werkzeug! Ihr kompromittirt das franzosische Volk, ohne daß Ihr vorher seine Vertreter berathschlagtet. (Beifall vom Berge).

Montalembert, einer der Häupter der Ultramontanen, setzt in langer Rede auseinander, daß durchaus keine Analogie zwischen dem Charakter der Februar-Revolution und der römischen Insurrektion (Unterbrechung zur Linken) herrsche. Er lobt die Absicht des Ministeriums, tadelt aber die Art der Ausführung.

Edgar Quinet fürchtet sehr, daß man die französische Republik einer Gefahr zuführe, die er bei Weitem höher anschlägt, als das Kabinet sie sich vorgestellt zu haben scheint.

Charles Dupin vertheidigt die Regierung wegen ihres raschen und weisen Entschlusses.

Jules Favre ist keineswegs der Ansicht, daß die römische Bewegung einen blos religiös-katholischen Charakter trage, wie Montalembert behauptet. Die dortige Entwickelung sei entschieden politisch. Er bedauert das französische Geld, Blut und Ehre.

Dufaure übernimmt die Vertheidigung des Kabinets. Er löst zunächst die oberitalienische Frage von der römischen und weist nach, daß keine Zeit vorhanden gewesen, die National Versammlung vorher zu konsultiren. Er liest mehrere Depeschen. Wir können, wirft man uns vor, fuhr Dufaure nach Verlesung der Depeschen fort, Oesterreich erzürnen und es veranlassen, ebenfalls vor Rom zu erscheinen. Wie aber, wenn uns Oesterreich zuvorgekommen wäre? Dann hatte uns man mit Recht mit Vorwürfen überhäuft und sie wären dann völlig begründet gewesen. Wir wollen keinen Krieg. Wir haben nur unsere Pflicht gethan. Uebrigens fürchtet die Republik den Krieg nicht, sie wurde ihn vielmehr mit Glück fuhren. (Beifall zur Rechten).

Larochejaquelin: Meine Parteistellung ist kritisch. Ich möchte zuerst dem Kriegsminister die Frage stellen: ob die Flotille abgefahren ist?

Minister: Ja!

Larochejaquelin: Wohlan, dann erkläre ich, daß Sie Ihre Vollmachten überschritten. (Sensation. Tumult).

Poujoular: Man spricht von Conciliation zwischen Papst und Volk. Ich besitze Nachrichten, welche melden, daß ein Glied der römischen Kammer den Antrag stellte, dem Papst durch öffentlichen Akt die Unterwerfung zu bezeugen. Lucian Bonaparte, der in Rom eine gewisse ultra-demokratische Rolle spielt, hat sich aber solcher Demonstration widersetzt und der Antrag ist verworfen worden.

Favre ergreift wiederholt das Wort

Cavaignac besteigt die Bühne und erklärt durch Daten, daß die National-Versammlung keineswegs umgangen worden. Am Dienstag sei sie benachrichtigt worden; hatte sie die Schritte nicht genehmigt, dann wäre es immer noch Zeit gewesen, den Befehl zurückzunehmen.

Larochejaquelin will noch sprechen, kann aber des Lärmens wegen nicht. Man schreit: Zur Tagesordnung! Zur Tagesordnung!

Trevenenc schlagt eine sogenannte motivirte Tagesordnung vor, die dem Ministerium günstig ist und mit 480 gegen 63 Stimmen angenommen wird.

Schluß 1/4 vor 6 Uhr.

Nationalversammlung. Sitzung vom 1. December. Anfang 1 1/3 Uhr. Präsident Marrast.

Reibell, ein beruhmter Wasserbaumeister und Deputirter der Manche, reicht Krantheits halber seine Demission ein.

An der Tagesordnung ist das rektifizirte Büdget von 1848. Die Versammlung war bis zum 8. Kapitel des Marine-Büdgets (See-Justiz) vorgeruckt.

Dieses Kapitel wird angenommen.

Ebenso Kapitel 9.

Kapitel 10 (Kosten des bekannten afrikanischen Geschwaders zur Unterdruckung des Sclavenhandels). Dieselben belaufen sich auf 3 Millionen Franken jährlich.

Billault bekämpft diesen Kredit, weil er seinen Zweck nicht erfülle. Diese Geschwader seien zur Unterdrückung des Negerhandels unzureichend. Selbst das englische Parlament uberzeugte sich davon. Es sei also jetzt der günstige Augenblick, die schweren Kosten jener Flotille im Einverstandniß mit dem englischen Kabinet zu verweigern. Statt den Schacher zu tilgen, verschlimmert man nur die Lage der unglücklichen Sklaven, weil man allerlei List gebrauche, um jene Kreuzer zu umgehen.

Dann, ein halber Mohr, theilt diese Ansimt nicht.

Schoelcher, der bekannte Sklavenfreund, halt seine Jungfernrede. Er protestirt mit menschenfreundlicher Warme gegen jede Schwachung jenes Geschwaders, wonach dieser Menschenhandel wieder eine fürchterliche Ausdehnung nehmen wurde.

Lacrosse erklärt sich als keinen Vertheidiger dieses infamen Handwerks, aber er findet den von Frankreich und England adoptirten Modus mangelhaft und gefährlich, weil er die P[unleserliches Material]st unter der Schiffsmannschaft erzeuge.

Mortreull unterstutzt Billauits Vorschlag. Man möge nach England schreiben.

Verninae, Marine-Minister, verspricht das Geschwader zu vermindern, sobald er sich mit England verständigt haben werde, ohne deshalb den infamen Handel irgendwie zu erleichtern.

Kapitel 10 geht endlich durch.

Die nächsten beiden Kapitel boten nichts Interessantes. Dagegen wurde die Kolonialverwaltung lebhaft besprochen.

Lavavasseur, ein reicher [unleserliches Material]heder aus Dieppe und Havre, will wissen, ob der Minister an die Möglichkeit der Einführung des allgemeinen Stimmrechts in den Kolonien glaube? und so nicht die Eigenthümer (Pflanzer) daselbst die höchste Gefahr laufen? Der Redner verlangt Garantien. Er spricht indessen so heiser, daß man kaum das zehnte Wort versteht.

Dain, der Mohr, hält eine vortreffliche Gegenrede. Die Kolonien verlangten Schulen und wurden sich die Freiheit nimmer entreißen lassen.

Inmitten der Budgetdebatte erscheint Cavaignac.

Cavaignac steigt auf die Bühne; Bürger Repräsentanten! Die Regierung hat so eben folgende Depesche erhalten:

„Marseille, 28. Nov. 6 Uhr. Aus Civita Vecchia vom 24. Nov. 3 Uhr Nachts. Der französische Konsul an den Minister des Auswärtigen in Paris. Der Papst ist plötzlich am 24. Novbr. 5 Uhr Abends von Rom abgereist. Er hat sich auf dem Tenarre eingeschifft und begibt sich nach Frankreich. Rom ist ruhig und indifferent.“ (Sensation.)

Die Versammlung nimmt die Büdgetdebatte wieder auf.

Poujonlat unterbricht die Büdgetdebatte. Ich erzählte gestern, daß sich Lucian Bonaparte im römischen Parlament einer Ergebenheitsadresse an den Pabst widersetzt habe, die Hr-Potentiani beantragte. Zwei Verwandte Lucianis, welche in diesem Saale sitzen, haben mir vorgeworfen, daß ich das Faktum entstellt hätte. Ich zeigte darauf dem Hr. Peter Bonaparte das betreffende Journal Rom's, welchem ich die Thatsache entnommen und schlug ihm vor, es im Original zu lesen, um sich von der Wahrheit zu überzeugen.

Lyerbette: Aber was geht das die Nationalversammlung an?

Poujoulat: Man fragt, was das die Versammlung angehe? Ich antworte darauf, daß mir daran liegt, als kein Entsteller der Wahrheit zu gelten. (Ah! Ah!)……

Peter Bonaparte nährt sich der Bühne, spricht mit dem Redner einige Worte, worauf letzterer herabsteigt.

Die Versammlung kehrt zum Büdget zurück.

Die Besprechung des Rechtes des Marinebüdgets verfließt ohne Bedeutung.

Man geht zum Finanzbüdget über.

Fould eröffnet die Generaldiskussion mit einer langen Philippika gegen die Goudchauschen und Tronve-Chauvelschen Finanzpläne: Einkommensteuer, Erbschaftssteuer, Abschaffung der lästigen Getränkekontrolle, die Hr. Fould am meisten bedauert u. s. w.

Trouve Chauvel erwidert ihm, daß er am Finanzplan pro 1849 festhalte.

Hier tritt eine neue Unterbrechung ein. (2. Depesche).

Vivien, Staatsbautenminister, zeigt im Namen des Ministeriums an, daß Bürger Freslon, Unterrichts- und Kultusminister, nach Marseille abgeschickt worden, um Pius IX., der von Rom sich nach Gaeta (auf neapolitanischem Gebiet) geflüchtet und die Absicht zu erkennen gegeben habe, nach Frankreich zu kommen. Der Tenare habe ihn dort aufgenommen und nach Marseille gebracht.

Proudhon und Pyat sind nirgend zu sehen.

Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.

Spanien.
Madrid, 24. Novbr.

Die beiden Minister Bravo Murillo und Arrazola scheiden aus dem Kabinet. Ersterer, heißt es, solle zum Präsidenten der Deputirtenkammer erkoren sein, um ihn für das Portefeuille zu entschädigen.

— Aus den Provinzen nur so viel, daß die Insurrektion noch lange nicht erdrückt ist.

Türkei.
*

Unter dem Befehl des amerikanischen Schiffskapitäns Lynch wurde voriges Frühjahr eine Expedition nach Palästina zur Erforschung des Sees Tiberias und des Todten Meeres unternommen. Die türkische Regierung hatte dazu bereitwillig ihre Erlaubniß und die gemessensten Befehle an die Behörden in Palästina zur Unterstützung der Expedition gegeben. Kapitän Lynch theilt in einem Briefe kurz die Resultate mit, die er bald ausführlicher in einem größeren Werke veröffentlichen wird. Er hatte aus New-York 2 metallene Boote — ein kupfernes und ein eisernes — mitgebracht, die er in St. Jean d'Acre landete. Von da wurden sie durch Kameele unter unglaublichen Schwierigkeiten zu Lande weiter geschafft und am 8. April in die blaue Fluth des galiläischen Meeres hinabgelassen. Zum ersten Mal wehte das amerikanische Banner auf diesen Gewässern. Die Schifffahrt auf dem Jordan, der das galiläische und das todte Meer verbindet, war äußerst beschwerlich. Die Expedition hatte 27 gefährliche Stromschnellen zu passiren. Der Jordan macht außerdem unendliche Krümmungen; auf 60 (engl.) Meilen hat er eine Länge von 200 Meilen. Der Unterschied zwischen dem Wasserspiegel der beiden Seen beträgt 2000 F. Einige hundert Schritt von der Mündung ist das Wasser des Jordan süß. Dasjenige des todten Meeres ist ohne Geruch, aber von bitterem, salzigen und eckelhaftem Geschmack. „Wie der nördliche Theil des Sees tief,“ sagt Lynch, „so ist der südliche seicht. Die größte Tiefe, die wir bis heute (3. Mai) fanden, betrug 1128 engl. Fuß; im südlichen Theil auf einer großen Strecke nur 18 Fuß. In der Nähe des Ufers ist der Grund eine Salzinkrustation; in der Mitte weicher Schlamm mit rechtwinkligen Krystallen, meist Würfeln von reinem Salz. Daß Vögel und Insekten am Ufer gefunden werden, unterliegt keinem Zweifel. Bisweilen erblickten wir Enten auf dem See. Aber in seinen Gewässern fanden wir kein lebendes Wesen. Die höchste Spitze der Westküste ist nach unsern Messungen mehr als 1000 Fuß über dem Wasserspiegel des Sees; und diese Küste steht im gleichen Niveau mit dem Spiegel des Mittelmeeres.“

Denkschrift des Berliner Bezirks-Central-Vereins zu dem Bericht, welchen der Abgeordnete und Unterstaatssekretär Herr Bassermann über seine Sendung nach Berlin in der deutschen National-Versammlung erstattet hat.

Die Hauptstadt der preußischen Monarchie ist seit der Märzrevolution häufig und mannigfach Verläumdungen, Schmähungen und Lügen ausgesetzt gewesen, diese traten aber meist namenlos auf, ihre Absicht war leicht zu erkennen, sie zerfielen in sich selbst.

Jetzt erhebt sich nun aber Herr Bassermann, der aus früherer Zeit den Klang eines liberalen Namens trägt, vor der deutschen National-Versammlung im Angesichte von ganz Deutschland mit einer Anklage gegen Berlin, die hinter keinem frühern namenlosen Angriffe zurückbleibt. Die Anklage muß in den Augen der vom Schauplatze entfernter Stehenden an Gewicht gewinnen, weil sie in eine Art offiziellen Gewandes gehüllt ist; denn Herr Bassermann hat seine Erfahrungen gesammelt und seinen Bericht erstattet als offizieller Karakter. — Die flüchtigen Reiseeindrücke eines Herrn Bassermann konnten leicht ignorirt werden, der offizielle Bericht des Unterstaatssekretairs Bassermann verdient die Beachtung, welche ihm hiermit der Berliner Bezirks-Central-Verein angedeihen läßt.

Es kann diesem Verein, der fern von jeder einseitigen Parteistellung den Kern der hauptstädtischen Bevölkerung in ihren verschiedenen Schichten vertritt, nicht darauf ankommen, die Angriffe, welche Herr Bassermann gegen die preußische National-Versammlung richtet, zu beleuchten oder zu widerlegen — dies ist ohnehin von anderer Stelle in ausnehmender Weise geschehen — hier handelt es sich um die Zurückweisung der Reiseeindrücke des Herrn Bassermann, welche auf die Ehre Berlins Flecken zu werfen beabsichtigen.

Herr Bassermann ist am 9. November Abends in Berlin eigetroffen, und hat wahrscheinlich die Stadt am 14. oder 15. d. M. verlassen, er hat sich also in Berlin 5 bis 6 Tage aufgehalten, freilich in einer für Preußen und Deutschland epochemachenden Zeit; aber wie hat Herr Bassermann diese Zeit aufgefaßt und begriffen? „Ihn erschreckte die Bevölkerung, welche er spät Abends am 9. November auf den Straßen erblickte; er sah Gestalten, die er nicht schildern will.“ — Die Preßfreiheit Berlins in diesen Tagen ging weit über das hinaus, was Herr Bassermann selbst in Süddeutschland davon gewohnt ist; denn das Unglaubliche hat er gesehen: den „Traum eines Republikaners“ und zwar auf rothes Papier gedruckt, was die Spitze alles Schreckens bildet; denn dieses rothe Papier verwirrt die Phantasie des Hrn. Bassermann so weit, daß er daraus später „einen rothen Träumer der Laternenpolitik“ emporwachsen läßt. — Dies ist die schreckliche Seite von den Erfahrungen, welche Herr Bassermann in Berlin gemacht hat; die Rückseite dazu ist die Bassermannsche Wahrnehmung, „daß ihm nach dem Einmarsch der Truppen, also am 10 oder 11. November, die Straßen belebter auch von andern Personen erschienen, daß er bei den Bürgern ein wiedergekehrtes Gefühl der Sicherheit fand.“ — Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist. — Herr Bassermann verkehrte in Berlin mit den Ministern, die er „in der männlichsten Fassung“ später mit „ruhig lächelndem Munde“ fand; Herr Bassermann „conferirte“ auch mit dem Könige, „hörte die Aeußerungen vieler Bürger der Stadt, war den ganzen Tag von Besuchern umlagert“ — der Glückliche — und, was die Hauptsache, „täglich von einem Abgesandten demokratischer Klubs besucht.“

Man erblickt hier den vielseitigen Umgang eines Diplomaten, der aber dessenungeachtet aus den Täuschungen nicht herauskommt. — Herr Bassermann kommt mit Vorurtheilen nach Berlin; er hält die Berathungen hier nicht mehr für frei — weil — hört! — die Versammlung in der polnischen Frage anders als die Frankfurter geurtheilt hat; statt der Beweggründe der innern Ueberzeugung erkennt er als angehender Diplomat „die Todesbedrohungen der Deputirten, und die Vernagelung des Sitzungssaales“ an. Herr Bassermann kehrt auf diesen Punkt wiederholt zurück; es ist ihm Herzenssache, nachzuweisen, daß die Deutsche Einheit und Freiheit in seinem Sinne nicht zu Stande kommen können, so lange die Preußische National-Versammlung unter der Schreckensherrschaft des Berliner Volks stände. — Wird aber das Preußische und so Gott will, das Deutsche Volk dem Herrn Bassermann glauben, Einheit und Freiheit des ganzen Vaterlandes wären besser berathen, wenn die National-Versammlung unter der Obhut der Bayonnette ihre Beschlüsse faßt! —

Herr Bassermann hat von der Berliner Schreckensherrschaft mancherlei gehört, gesehen im Grunde nichts, wenn man nicht den „auf rothes Papier gedruckten Traum eines Republikaners“ dahin rechnet, oder die Gestalten, welche am 9. November die Straßen bevölkerten, die aber Herr Bassermann nicht schildern will.“

Wir trauen dem Herrn Unterstaats-Sekretär scharfe Organe der Wahrnehmung zu, wie sie auf diplomatischer Sendung nothwendig sind, aber wir bedauern, daß er seine Beobachtungen, wo sie lehrreich werden konnten, zurückhält. — „Ihn hat die Bevölkerung auf den Straßen in der Nähe des Sitzungslokales am 9. November erschreckt.“ Es muß die Berliner Bürgerwehr gewesen sein, die Herrn Bassermann in Schrecken versetzte; denn sie umlagerte zunächst das Sitzungslokal; von großen, wogenden Menschenmassen war außerdem an diesem Abend auf den Straßen Berlins keine Spur wahrzunehmen.

„Der Zustand Berlins, wie er sich äußerlich abspiegelt, ist nach Herrn Bassermann deshalb kein erfreulicher, weil die Tagespresse über das hinausgeht, was man in Süddeutschland sich gefallen läßt.“ Soll das ein Lob für Süd- oder ein Tadel für Norddeutschland, zumal für Berlin sein? In Süddeutschland hat man die Republik einzuführen versucht: in Berlin träumt höchstens ein Republikaner auf rothem Papier. Wenn Hr. Bassermann aus seinem Bericht nur diesen Punkt fortgelassen hätte, so wäre er wenigstens dem Gelächter ehrlicher Bürger Berlins entgangen; jetzt aber ist er dem Berliner Witz unrettbar verfallen; denn er hat nicht einmal begriffen, daß der Witz sich auch in der Laternenpfahlpolitik üben kann, und so geschmeidig ist, um hintereinander reaktionäre und republikanische Träume zu erzeugen. Die Ersteren sind aber, hoffentlich nach Hrn. Bassermanns Geschmack, bereis für Berlin und Umgegend eingetroffen.

Wenn der Frankfurter Diplomat in Dessau am Stationsplatze und in Luckenwalde die Stärke seiner Apperception bekundet, so zeigt er den Umfang seines Kombinationsvermögens, indem er den Traum des Republikaners ganz nahe an die Gränzen der Wirklichkeit führt und ernsthaft versichert, „es sei mehrere Male so weit gekommen, daß Mitglieder der Rechten der Nationalversammlung nur dem Zufall ihr Leben verdankten.“

Wir werden niemals pöbelhafte Exzesse beschönigen wollen, sie nicht für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div xml:id="ar159-2_013" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0003" n="0849"/>
&#x201E;den Republikaner von Geburt&#x201C;, welcher der Auserwählte der Königlichen von aller Ewigkeit her geworden. Aber inmitten dieses Treibens taucht eine andere Kandidatur auf, schrecklich und drohend, wie die Juni-Insurrektion. Es ist &#x201E;die Kandidatur Raspail's&#x201C;. Die Montagnards, die so viel gethan, um Ledru-Rollin als demokratischen Kandidaten durchzubringen, sind bereit, sich einem demokratischen Kongreß aus den Klubs aller Departements bestehend, zu unterwerfen, und Raspail anzuerkennen, wenn er die Majoritat im Kongresse hat. Ochsen und Schurken zittern; die Debats eifern giftiger als je: denn der Insurgent von den Maitagen wird die Juni-Insurrektion wieder zu Macht und Ehren bringen!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar159-2_014" type="jArticle">
          <head>Paris, 30. Nov.</head>
          <p>An der heutigen Debatte über Italien nehmen folgende Redner Theil: Ledru-Rollin, Montalembert, Senard, Falloux, Montreuil, Treveneue, Pascal (aus Aix), E. Quinet, Jules Favre, Drouin de Lhuys, Sarrans, Billault, Charles Dupin u. A.</p>
          <p>Auf den Galerien sind alle Plätze längst vergeben.</p>
          <p>&#x2014; Das hiesige Kabinet hatte dem Londoner die Maßregeln rücksichtlich Rom's angezeigt und um schleunige Antwort gebeten. Gestern Abend ist ein außerordentlicher Kurier mit dieser Antwort eingetroffen.</p>
          <p>&#x2014; Bugeaud, Ney (Moskawa) etc. treten in die Kammer und werden von der Rue de Poitiers mit offenen Armen empfangen.</p>
          <p>&#x2014; Cavaignac vertheilt im heutigen <hi rendition="#g">Moniteur</hi> wiederholt mehrere Dutzend Ehrenlegionkreuze an Offiziere der Mobilgarde und Linie.</p>
          <p>&#x2014; Die beiden Oberspione, welche Senard, Exminister des Innern, zur Ueberwachung der spanischen Patrioten in die mittäglichen Gränzdepartements schickte, heißen Vidocq junior und Labrièr-Quetier. Ihre Strenge z. B. gegen das Haupt der spanischen Patrioten, Exminister Escosura, ging so weit, daß ihre Gensd'armen sogar die Suppe auf dem Tische Escosura's mit der Säbelspitze umrührten, um sich zu überzeugen, ob auch dort keine Korrespondenzen verborgen?!&#x2026; Das that die 1848ger Republik gegenüber den Königinnen Isabella und Maria Christine mit ihrem Leibhusar Narvaez!!</p>
          <p>Dieses Faktum steht im Moniteur universel vom 30. Novbr.</p>
          <p>&#x2014; Der Moniteur beginnt heute eine erste offizielle Statistik des Pariser Hungers. Leider ist dieselbe nicht vollständig; sie betrifft nur die Fleischvertheilungen, gegen welche das Dominikanerblatt &#x201E;Ere nouvelle&#x201C; einige Beschwerden erhoben hatte. Laut dieser Statistik werden in diesem Augenblick blos an Fleischbons 30,181 Rationen per Tag an 2062 verschiedene Hanshaltungen vertheilt, deren jede 29 Centimen kostet (im Ganzen 1436 Frk 40 Cnt. per Tag). Hinzu treten 2280 Frk. monatliche Gehalte an die Beamten, welche mit Vertheilung der Almosen bearftragt sind. Früher geschah diese Vertheilung durch 400 sogenannte wohlthätige Bürger, welche kein Gehalt bezogen. Da ergab sich aber eine tägliche Schmuggelei von 1892 Fleischrationen, deren Kostenpreis obige Gehalte bei Weitem überstieg. (Moniteur vom 30. Nov.)</p>
          <p>&#x2014; &#x201E;&#x2025;&#x2025; <hi rendition="#g">Cavaignac muß in Anklagezustand versetzt werden</hi>! ruft das Blatt Ledru-Rollin's aus und begründet diesen Antrag in folgender Weise: Nach der Verfassung hat der Präsident der Republik kein Recht, ohne Genehmigung der Nationalversammlung auch nur ein Bataillon über die Gränze marschiren zu lassen. Cavaignac, der noch keineswegs Präsident der Republik ist, sondern noch ganz und gar von dem absoluten Willen der Nationalversammlung abhängt, stürzt das Land in eine bewaffnete Intervention, deren Folgen durchaus nicht zu berechnen, da die Gründe, auf denen sie beruht, sich als falsch erwiesen haben. Das Volk von Rom hat ein Ministerium verjagt, an dessen Spitze ein Mann stand, welcher sich rühmte, &#x201E;die Revolution überall zu ersticken;&#x201C; es hat die Schweizergarde aufgelös't und eine Nationalversammlung verlangt, welche, aus allgemeinem Stimmrecht hervorgegangen, eine Verfassung entwerfe; nichts ist im Quirinal verändert, wozu das Volk kein Recht hätte. Der Papst ist um kein Haar breit in seiner religiösen Freiheit und Macht geschmälert; er kann seinen Seegen urbi et orbi nach wie vor aussprechen; den Gläubigen die Höllenthore nach wie vor schließen oder öffnen. Aber er darf nicht länger <hi rendition="#g">weltlicher</hi> Fürst ohne alle Verantwortlichkeit und Regierungskontrolle bleiben. Was soll also Courcelles mit seinen 3500 Mann in der Mündung der Tiber? Hr. Bastide hat das mit seinem Gebieter Cavaignac zu verantworten. Frankreich, das der Reaktion nimmer vergiebt, daß sie seine Schwester, Oberitalien, unter den Schlägen Oestreich's bluten läßt, wird nicht zugeben, daß seine Kinder zu Schergen des Papstthums herabsinken und die gewechselten Wachtposten einer schweizerischen besoldeten Leibgarde einnehmen. Was soll aus dem Prinzip der Volkssouveränetät und Völkerfreiheit werden, wenn eine solche Kabinetspolitik noch länger geübt wird?&#x201C;</p>
          <p>&#x2014; Den Hrn. Guizot und Duchatel steht nun kein Hinderniß mehr entgegen, frei und ungehindert nach Frankreich zurückzukehren und dort der Einführung des neuen 4jährigen Königthums beizuwohnen; denn der hiesige Obergerichtshof erließ gestern eine Ordonnanz, wonach der gepflogenen Voruntersuchung gemäß kein Grund zur Verfolgung der Februarminister Louis Philipp's gesetzlich vorliegt. Bravo! Das heißt konsequent handeln.</p>
          <p>&#x2014; <hi rendition="#g">National-Versammlung</hi>. Sitzung vom 30. November. Anfang 1 Uhr. Präsident Marrast. Der Zudrang ist sehr stark. Nach Verlesung des Protokolls nimmt Joly das Wort.</p>
          <p><hi rendition="#g">Joly</hi>: Ein Brief, den ich rücksichtlich der unglücklichen Spanier erhalten, die auf der G<gap reason="illegible"/>elette Montanera in die Verbannung geschickt werden sollten, sich aber im Angesichte der französischen Küste empörten und den Kapitain zur Landung in Bordcaux zwangen, wo sie ausgeliefert worden, meldet mir, daß 15 davon zum Tode, 15 zur Galeerenstrafe und die Uebrigen zur Verbannung in die Havannah verurtheilt worden sind. Die 15 Todesurtheile liegen dem Generalkapitain noch zur Bestätigung vor; ich ersuche den Minister des Aeußern, sich für diese Unglücklichen zu verwenden und ihre Begnadigung zu erwirken.</p>
          <p><hi rendition="#g">Stimme</hi>: Aber der Minister ist ja noch nicht hier.</p>
          <p><hi rendition="#g">Cavaignac</hi>, der in diesem Augenblicke in den Saal tritt, verspricht dieses Begnadigungsgesuch, d. h. die Verwandlung der Todesstrafe in Galeerenstrafe sofort abgehen zu lassen.</p>
          <p>Hierauf geht die Versammlung zur Tagesordnung über, nämlich zur Debatte über Italien.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ledru-Rollin</hi>: Bürger, Rom ist ruhig. Diese Ruhe war vom Minister des Auswärtigen leicht vorauszusehen. Sie haben die Depesche gelesen. Die ersten Schüsse gegen das Volk fielen von den Schweizern, dann erst schritt die Bürgerwehr ein, dann erst entschied das Volk, die Waffen nicht früher niederzulegen, als bis das Fremden-Ministerium abgedankt habe. Harcourt, unser dortiger Gesandter, schreibt, er wolle erst abwarten, welchen Gang die Ereignisse nähmen, ehe er sein Verfahren einschlüge. Das Volk hatte den Rossi als Fremden getödtet; die Schweizer waren so verhaßt, eben weil sie Fremde sind und in diesem Willen beruhigt es sich nicht früher, als bis das Ministerium gestürzt und die Schweizer entlassen sind. Hoffentlich sehen Sie hierin keine bloße Emeute. Nein, es war eine Revolution, die ein vollkommen zu billigender Fremdenhaß erzeugt hatte. Und in diesem Moment schickt das Ministerium fremde Uniformen nach Rom, wirft es französische Truppen zwischen Papst und Volk! Heißt das nicht eine europäische Gährung herbeiführen? Muß das Volk nicht Eure Truppen hassen? Hättet Ihr (zu Cavaignac gewandt) den Papst oder auch nur seinen hiesigen Nuntius berathen, sie würden Euch selbst von der Expedition abgerathen haben. Erlaube man mir, daß ich den wahren Sinn der Expedition auseinander setze. Man hat Euch gesagt, die Maßregel geschehe lediglich im Interesse und zum Heil der Person des Papstes. Dem ist keineswegs so; wenigstens wäre der Vorwand lächerlich, da Niemand dem Papste etwas zu Leide thun wollte. Die Revolution war nur gegen das weltliche Regiment desselben gerichtet. Wie kam es nun, daß diese Bewegung, die mit dem politischen Morde Rossi's begann, so große Aufregung in Paris verursachte, während die Ermordung Robert Blum's das Ministerium so kalt ließ? Rossi's Blut galt also theurer, als das des Demokraten Blum? Leugnet es nicht, Eure Expedition verräth eine rein politische und nicht kirchliche Farbe. Aber wenn Ihr nun einmal im Verein mit Radetzki handeln wolltet, warum fragtet Ihr nicht erst die National-Versammlung, ob sie eine solche Politik genehmige? Ihr seid nichts als Werkzeug der National-Versammlung. (Unterbrechung.) Nichts als Werkzeug! Ihr kompromittirt das franzosische Volk, ohne daß Ihr vorher seine Vertreter berathschlagtet. (Beifall vom Berge).</p>
          <p><hi rendition="#g">Montalembert</hi>, einer der Häupter der Ultramontanen, setzt in langer Rede auseinander, daß durchaus keine Analogie zwischen dem Charakter der Februar-Revolution und der römischen Insurrektion (Unterbrechung zur Linken) herrsche. Er lobt die Absicht des Ministeriums, tadelt aber die Art der Ausführung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Edgar Quinet</hi> fürchtet sehr, daß man die französische Republik einer Gefahr zuführe, die er bei Weitem höher anschlägt, als das Kabinet sie sich vorgestellt zu haben scheint.</p>
          <p><hi rendition="#g">Charles Dupin</hi> vertheidigt die Regierung wegen ihres raschen und weisen Entschlusses.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jules Favre</hi> ist keineswegs der Ansicht, daß die römische Bewegung einen blos religiös-katholischen Charakter trage, wie Montalembert behauptet. Die dortige Entwickelung sei entschieden politisch. Er bedauert das französische Geld, Blut und Ehre.</p>
          <p>Dufaure übernimmt die Vertheidigung des Kabinets. Er löst zunächst die oberitalienische Frage von der römischen und weist nach, daß keine Zeit vorhanden gewesen, die National Versammlung vorher zu konsultiren. Er liest mehrere Depeschen. Wir können, wirft man uns vor, fuhr Dufaure nach Verlesung der Depeschen fort, Oesterreich erzürnen und es veranlassen, ebenfalls vor Rom zu erscheinen. Wie aber, wenn uns Oesterreich zuvorgekommen wäre? Dann hatte uns man mit Recht mit Vorwürfen überhäuft und sie wären dann völlig begründet gewesen. Wir wollen keinen Krieg. Wir haben nur unsere Pflicht gethan. Uebrigens fürchtet die Republik den Krieg nicht, sie wurde ihn vielmehr mit Glück fuhren. (Beifall zur Rechten).</p>
          <p><hi rendition="#g">Larochejaquelin:</hi> Meine Parteistellung ist kritisch. Ich möchte zuerst dem Kriegsminister die Frage stellen: ob die Flotille abgefahren ist?</p>
          <p><hi rendition="#g">Minister:</hi> Ja!</p>
          <p><hi rendition="#g">Larochejaquelin:</hi> Wohlan, dann erkläre ich, daß Sie Ihre Vollmachten überschritten. (Sensation. Tumult).</p>
          <p><hi rendition="#g">Poujoular:</hi> Man spricht von Conciliation zwischen Papst und Volk. Ich besitze Nachrichten, welche melden, daß ein Glied der römischen Kammer den Antrag stellte, dem Papst durch öffentlichen Akt die Unterwerfung zu bezeugen. Lucian Bonaparte, der in Rom eine gewisse ultra-demokratische Rolle spielt, hat sich aber solcher Demonstration widersetzt und der Antrag ist verworfen worden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Favre</hi> ergreift wiederholt das Wort</p>
          <p><hi rendition="#g">Cavaignac</hi> besteigt die Bühne und erklärt durch Daten, daß die National-Versammlung keineswegs umgangen worden. Am Dienstag sei sie benachrichtigt worden; hatte sie die Schritte nicht genehmigt, dann wäre es immer noch Zeit gewesen, den Befehl zurückzunehmen.</p>
          <p>Larochejaquelin will noch sprechen, kann aber des Lärmens wegen nicht. Man schreit: Zur Tagesordnung! Zur Tagesordnung!</p>
          <p><hi rendition="#g">Trevenenc</hi> schlagt eine sogenannte motivirte Tagesordnung vor, die dem Ministerium günstig ist und mit 480 gegen 63 Stimmen angenommen wird.</p>
          <p>Schluß 1/4 vor 6 Uhr.</p>
          <p><hi rendition="#g">Nationalversammlung</hi>. Sitzung vom 1. December. Anfang 1 1/3 Uhr. Präsident Marrast.</p>
          <p>Reibell, ein beruhmter Wasserbaumeister und Deputirter der Manche, reicht Krantheits halber seine Demission ein.</p>
          <p>An der Tagesordnung ist das rektifizirte Büdget von 1848. Die Versammlung war bis zum 8. Kapitel des Marine-Büdgets (See-Justiz) vorgeruckt.</p>
          <p>Dieses Kapitel wird angenommen.</p>
          <p>Ebenso Kapitel 9.</p>
          <p>Kapitel 10 (Kosten des bekannten afrikanischen Geschwaders zur Unterdruckung des Sclavenhandels). Dieselben belaufen sich auf 3 Millionen Franken jährlich.</p>
          <p>Billault bekämpft diesen Kredit, weil er seinen Zweck nicht erfülle. Diese Geschwader seien zur Unterdrückung des Negerhandels unzureichend. Selbst das englische Parlament uberzeugte sich davon. Es sei also jetzt der günstige Augenblick, die schweren Kosten jener Flotille im Einverstandniß mit dem englischen Kabinet zu verweigern. Statt den Schacher zu tilgen, verschlimmert man nur die Lage der unglücklichen Sklaven, weil man allerlei List gebrauche, um jene Kreuzer zu umgehen.</p>
          <p>Dann, ein halber Mohr, theilt diese Ansimt nicht.</p>
          <p>Schoelcher, der bekannte Sklavenfreund, halt seine Jungfernrede. Er protestirt mit menschenfreundlicher Warme gegen jede Schwachung jenes Geschwaders, wonach dieser Menschenhandel wieder eine fürchterliche Ausdehnung nehmen wurde.</p>
          <p>Lacrosse erklärt sich als keinen Vertheidiger dieses infamen Handwerks, aber er findet den von Frankreich und England adoptirten Modus mangelhaft und gefährlich, weil er die P<gap reason="illegible"/>st unter der Schiffsmannschaft erzeuge.</p>
          <p>Mortreull unterstutzt Billauits Vorschlag. Man möge nach England schreiben.</p>
          <p>Verninae, Marine-Minister, verspricht das Geschwader zu vermindern, sobald er sich mit England verständigt haben werde, ohne deshalb den infamen Handel irgendwie zu erleichtern.</p>
          <p>Kapitel 10 geht endlich durch.</p>
          <p>Die nächsten beiden Kapitel boten nichts Interessantes. Dagegen wurde die Kolonialverwaltung lebhaft besprochen.</p>
          <p>Lavavasseur, ein reicher <gap reason="illegible"/>heder aus Dieppe und Havre, will wissen, ob der Minister an die Möglichkeit der Einführung des allgemeinen Stimmrechts in den Kolonien glaube? und so nicht die Eigenthümer (Pflanzer) daselbst die höchste Gefahr laufen? Der Redner verlangt Garantien. Er spricht indessen so heiser, daß man kaum das zehnte Wort versteht.</p>
          <p>Dain, der Mohr, hält eine vortreffliche Gegenrede. Die Kolonien verlangten Schulen und wurden sich die Freiheit nimmer entreißen lassen.</p>
          <p>Inmitten der Budgetdebatte erscheint Cavaignac.</p>
          <p><hi rendition="#g">Cavaignac</hi> steigt auf die Bühne; Bürger Repräsentanten! Die Regierung hat so eben folgende Depesche erhalten:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Marseille, 28. Nov. 6 Uhr. Aus Civita Vecchia vom 24. Nov. 3 Uhr Nachts. Der französische Konsul an den Minister des Auswärtigen in Paris. Der Papst ist plötzlich am 24. Novbr. 5 Uhr Abends von Rom abgereist. Er hat sich auf dem Tenarre eingeschifft und begibt sich nach Frankreich. Rom ist ruhig und indifferent.&#x201C; (Sensation.)</p>
          <p>Die Versammlung nimmt die Büdgetdebatte wieder auf.</p>
          <p><hi rendition="#g">Poujonlat</hi> unterbricht die Büdgetdebatte. Ich erzählte gestern, daß sich Lucian Bonaparte im römischen Parlament einer Ergebenheitsadresse an den Pabst widersetzt habe, die Hr-Potentiani beantragte. Zwei Verwandte Lucianis, welche in diesem Saale sitzen, haben mir vorgeworfen, daß ich das Faktum entstellt hätte. Ich zeigte darauf dem Hr. Peter Bonaparte das betreffende Journal Rom's, welchem ich die Thatsache entnommen und schlug ihm vor, es im Original zu lesen, um sich von der Wahrheit zu überzeugen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Lyerbette:</hi> Aber was geht das die Nationalversammlung an?</p>
          <p><hi rendition="#g">Poujoulat:</hi> Man fragt, was das die Versammlung angehe? Ich antworte darauf, daß mir daran liegt, als kein Entsteller der Wahrheit zu gelten. (Ah! Ah!)&#x2026;&#x2026;</p>
          <p>Peter <hi rendition="#g">Bonaparte</hi> nährt sich der Bühne, spricht mit dem Redner einige Worte, worauf letzterer herabsteigt.</p>
          <p>Die Versammlung kehrt zum Büdget zurück.</p>
          <p>Die Besprechung des Rechtes des Marinebüdgets verfließt ohne Bedeutung.</p>
          <p>Man geht zum Finanzbüdget über.</p>
          <p><hi rendition="#g">Fould</hi> eröffnet die Generaldiskussion mit einer langen Philippika gegen die Goudchauschen und Tronve-Chauvelschen Finanzpläne: Einkommensteuer, Erbschaftssteuer, Abschaffung der lästigen Getränkekontrolle, die Hr. Fould am meisten bedauert u. s. w.</p>
          <p><hi rendition="#g">Trouve Chauvel</hi> erwidert ihm, daß er am Finanzplan pro 1849 festhalte.</p>
          <p>Hier tritt eine neue Unterbrechung ein. (2. Depesche).</p>
          <p><hi rendition="#g">Vivien</hi>, Staatsbautenminister, zeigt im Namen des Ministeriums an, daß Bürger Freslon, Unterrichts- und Kultusminister, nach Marseille abgeschickt worden, um Pius IX., der von Rom sich nach <hi rendition="#g">Gaeta</hi> (auf neapolitanischem Gebiet) geflüchtet und die Absicht zu erkennen gegeben habe, nach Frankreich zu kommen. Der Tenare habe ihn dort aufgenommen und nach Marseille gebracht.</p>
          <p>Proudhon und Pyat sind nirgend zu sehen.</p>
          <p>Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Spanien.</head>
        <div xml:id="ar159-2_015" type="jArticle">
          <head>Madrid, 24. Novbr.</head>
          <p>Die beiden Minister Bravo Murillo und Arrazola scheiden aus dem Kabinet. Ersterer, heißt es, solle zum Präsidenten der Deputirtenkammer erkoren sein, um ihn für das Portefeuille zu entschädigen.</p>
          <p>&#x2014; Aus den Provinzen nur so viel, daß die Insurrektion noch lange nicht erdrückt ist.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Türkei.</head>
        <div xml:id="ar159-2_016" type="jArticle">
          <head>
            <bibl>
              <author>*</author>
            </bibl>
          </head>
          <p>Unter dem Befehl des amerikanischen Schiffskapitäns Lynch wurde voriges Frühjahr eine Expedition nach Palästina zur Erforschung des Sees Tiberias und des Todten Meeres unternommen. Die türkische Regierung hatte dazu bereitwillig ihre Erlaubniß und die gemessensten Befehle an die Behörden in Palästina zur Unterstützung der Expedition gegeben. Kapitän Lynch theilt in einem Briefe kurz die Resultate mit, die er bald ausführlicher in einem größeren Werke veröffentlichen wird. Er hatte aus New-York 2 metallene Boote &#x2014; ein kupfernes und ein eisernes &#x2014; mitgebracht, die er in St. Jean d'Acre landete. Von da wurden sie durch Kameele unter unglaublichen Schwierigkeiten zu Lande weiter geschafft und am 8. April in die blaue Fluth des galiläischen Meeres hinabgelassen. Zum ersten Mal wehte das amerikanische Banner auf diesen Gewässern. Die Schifffahrt auf dem Jordan, der das galiläische und das todte Meer verbindet, war äußerst beschwerlich. Die Expedition hatte 27 gefährliche Stromschnellen zu passiren. Der Jordan macht außerdem unendliche Krümmungen; auf 60 (engl.) Meilen hat er eine Länge von 200 Meilen. Der Unterschied zwischen dem Wasserspiegel der beiden Seen beträgt 2000 F. Einige hundert Schritt von der Mündung ist das Wasser des Jordan süß. Dasjenige des todten Meeres ist ohne Geruch, aber von bitterem, salzigen und eckelhaftem Geschmack. &#x201E;Wie der nördliche Theil des Sees tief,&#x201C; sagt Lynch, &#x201E;so ist der südliche seicht. Die größte Tiefe, die wir bis heute (3. Mai) fanden, betrug 1128 engl. Fuß; im südlichen Theil auf einer großen Strecke nur 18 Fuß. In der Nähe des Ufers ist der Grund eine Salzinkrustation; in der Mitte weicher Schlamm mit rechtwinkligen Krystallen, meist Würfeln von reinem Salz. Daß Vögel und Insekten am Ufer gefunden werden, unterliegt keinem Zweifel. Bisweilen erblickten wir Enten auf dem See. Aber in seinen Gewässern fanden wir kein lebendes Wesen. Die höchste Spitze der Westküste ist nach unsern Messungen mehr als 1000 Fuß über dem Wasserspiegel des Sees; und diese Küste steht im gleichen Niveau mit dem Spiegel des Mittelmeeres.&#x201C;</p>
        </div>
      </div>
      <div type="jReadersLetters" n="1">
        <div xml:id="ar159-2_017" type="jArticle">
          <head>Denkschrift des Berliner Bezirks-Central-Vereins zu dem Bericht, welchen der Abgeordnete und Unterstaatssekretär Herr Bassermann über seine Sendung nach Berlin in der deutschen National-Versammlung erstattet hat.</head>
          <p>Die Hauptstadt der preußischen Monarchie ist seit der Märzrevolution häufig und mannigfach Verläumdungen, Schmähungen und Lügen ausgesetzt gewesen, diese traten aber meist namenlos auf, ihre Absicht war leicht zu erkennen, sie zerfielen in sich selbst.</p>
          <p>Jetzt erhebt sich nun aber Herr Bassermann, der aus früherer Zeit den Klang eines liberalen Namens trägt, vor der deutschen National-Versammlung im Angesichte von ganz Deutschland mit einer Anklage gegen Berlin, die hinter keinem frühern namenlosen Angriffe zurückbleibt. Die Anklage muß in den Augen der vom Schauplatze entfernter Stehenden an Gewicht gewinnen, weil sie in eine Art offiziellen Gewandes gehüllt ist; denn Herr Bassermann hat seine Erfahrungen gesammelt und seinen Bericht erstattet als offizieller Karakter. &#x2014; Die flüchtigen Reiseeindrücke eines Herrn Bassermann konnten leicht ignorirt werden, der offizielle Bericht des Unterstaatssekretairs Bassermann verdient die Beachtung, welche ihm hiermit der Berliner Bezirks-Central-Verein angedeihen läßt.</p>
          <p>Es kann diesem Verein, der fern von jeder einseitigen Parteistellung den Kern der hauptstädtischen Bevölkerung in ihren verschiedenen Schichten vertritt, nicht darauf ankommen, die Angriffe, welche Herr Bassermann gegen die preußische National-Versammlung richtet, zu beleuchten oder zu widerlegen &#x2014; dies ist ohnehin von anderer Stelle in ausnehmender Weise geschehen &#x2014; hier handelt es sich um die Zurückweisung der Reiseeindrücke des Herrn Bassermann, welche auf die Ehre Berlins Flecken zu werfen beabsichtigen.</p>
          <p>Herr Bassermann ist am 9. November Abends in Berlin eigetroffen, und hat wahrscheinlich die Stadt am 14. oder 15. d. M. verlassen, er hat sich also in Berlin 5 bis 6 Tage aufgehalten, freilich in einer für Preußen und Deutschland epochemachenden Zeit; aber wie hat Herr Bassermann diese Zeit aufgefaßt und begriffen? &#x201E;Ihn erschreckte die Bevölkerung, welche er spät Abends am 9. November auf den Straßen erblickte; er sah Gestalten, die er nicht schildern will.&#x201C; &#x2014; Die Preßfreiheit Berlins in diesen Tagen ging weit über das hinaus, was Herr Bassermann selbst in Süddeutschland davon gewohnt ist; denn das Unglaubliche hat er gesehen: den &#x201E;Traum eines Republikaners&#x201C; und zwar auf rothes Papier gedruckt, was die Spitze alles Schreckens bildet; denn dieses rothe Papier verwirrt die Phantasie des Hrn. Bassermann so weit, daß er daraus später &#x201E;einen rothen Träumer der Laternenpolitik&#x201C; emporwachsen läßt. &#x2014; Dies ist die schreckliche Seite von den Erfahrungen, welche Herr Bassermann in Berlin gemacht hat; die Rückseite dazu ist die Bassermannsche Wahrnehmung, &#x201E;daß ihm nach dem Einmarsch der Truppen, also am 10 oder 11. November, die Straßen belebter auch von andern Personen erschienen, daß er bei den Bürgern ein wiedergekehrtes Gefühl der Sicherheit fand.&#x201C; &#x2014; Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist. &#x2014; Herr Bassermann verkehrte in Berlin mit den Ministern, die er &#x201E;in der männlichsten Fassung&#x201C; später mit &#x201E;ruhig lächelndem Munde&#x201C; fand; Herr Bassermann &#x201E;conferirte&#x201C; auch mit dem Könige, &#x201E;hörte die Aeußerungen vieler Bürger der Stadt, war den ganzen Tag von Besuchern umlagert&#x201C; &#x2014; der Glückliche &#x2014; und, was die Hauptsache, &#x201E;täglich von einem Abgesandten demokratischer Klubs besucht.&#x201C;</p>
          <p>Man erblickt hier den vielseitigen Umgang eines Diplomaten, der aber dessenungeachtet aus den Täuschungen nicht herauskommt. &#x2014; Herr Bassermann kommt mit Vorurtheilen nach Berlin; er hält die Berathungen hier nicht mehr für frei &#x2014; weil &#x2014; hört! &#x2014; die Versammlung in der polnischen Frage anders als die Frankfurter geurtheilt hat; statt der Beweggründe der innern Ueberzeugung erkennt er als angehender Diplomat &#x201E;die Todesbedrohungen der Deputirten, und die Vernagelung des Sitzungssaales&#x201C; an. Herr Bassermann kehrt auf diesen Punkt wiederholt zurück; es ist ihm Herzenssache, nachzuweisen, daß die Deutsche Einheit und Freiheit in seinem Sinne nicht zu Stande kommen können, so lange die Preußische National-Versammlung unter der Schreckensherrschaft des Berliner Volks stände. &#x2014; Wird aber das Preußische und so Gott will, das Deutsche Volk dem Herrn Bassermann glauben, Einheit und Freiheit des ganzen Vaterlandes wären besser berathen, wenn die National-Versammlung unter der Obhut der Bayonnette ihre Beschlüsse faßt! &#x2014;</p>
          <p>Herr Bassermann hat von der Berliner Schreckensherrschaft mancherlei gehört, gesehen im Grunde nichts, wenn man nicht den &#x201E;auf rothes Papier gedruckten Traum eines Republikaners&#x201C; dahin rechnet, oder die Gestalten, welche am 9. November die Straßen bevölkerten, die aber Herr Bassermann nicht schildern will.&#x201C;</p>
          <p>Wir trauen dem Herrn Unterstaats-Sekretär scharfe Organe der Wahrnehmung zu, wie sie auf diplomatischer Sendung nothwendig sind, aber wir bedauern, daß er seine Beobachtungen, wo sie lehrreich werden konnten, zurückhält. &#x2014; &#x201E;Ihn hat die Bevölkerung auf den Straßen in der Nähe des Sitzungslokales am 9. November erschreckt.&#x201C; Es muß die Berliner Bürgerwehr gewesen sein, die Herrn Bassermann in Schrecken versetzte; denn sie umlagerte zunächst das Sitzungslokal; von großen, wogenden Menschenmassen war außerdem an diesem Abend auf den Straßen Berlins keine Spur wahrzunehmen.</p>
          <p>&#x201E;Der Zustand Berlins, wie er sich äußerlich abspiegelt, ist nach Herrn Bassermann deshalb kein erfreulicher, weil die Tagespresse über das hinausgeht, was man in Süddeutschland sich gefallen läßt.&#x201C; Soll das ein Lob für Süd- oder ein Tadel für Norddeutschland, zumal für Berlin sein? In Süddeutschland hat man die Republik einzuführen versucht: in Berlin träumt höchstens ein Republikaner auf rothem Papier. Wenn Hr. Bassermann aus seinem Bericht nur diesen Punkt fortgelassen hätte, so wäre er wenigstens dem Gelächter ehrlicher Bürger Berlins entgangen; jetzt aber ist er dem Berliner Witz unrettbar verfallen; denn er hat nicht einmal begriffen, daß der Witz sich auch in der Laternenpfahlpolitik üben kann, und so geschmeidig ist, um hintereinander reaktionäre und republikanische Träume zu erzeugen. Die Ersteren sind aber, hoffentlich nach Hrn. Bassermanns Geschmack, bereis für Berlin und Umgegend eingetroffen.</p>
          <p>Wenn der Frankfurter Diplomat in Dessau am Stationsplatze und in Luckenwalde die Stärke seiner Apperception bekundet, so zeigt er den Umfang seines Kombinationsvermögens, indem er den Traum des Republikaners ganz nahe an die Gränzen der Wirklichkeit führt und ernsthaft versichert, &#x201E;es sei mehrere Male so weit gekommen, daß Mitglieder der Rechten der Nationalversammlung nur dem Zufall ihr Leben verdankten.&#x201C;</p>
          <p>Wir werden niemals pöbelhafte Exzesse beschönigen wollen, sie nicht für
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0849/0003] „den Republikaner von Geburt“, welcher der Auserwählte der Königlichen von aller Ewigkeit her geworden. Aber inmitten dieses Treibens taucht eine andere Kandidatur auf, schrecklich und drohend, wie die Juni-Insurrektion. Es ist „die Kandidatur Raspail's“. Die Montagnards, die so viel gethan, um Ledru-Rollin als demokratischen Kandidaten durchzubringen, sind bereit, sich einem demokratischen Kongreß aus den Klubs aller Departements bestehend, zu unterwerfen, und Raspail anzuerkennen, wenn er die Majoritat im Kongresse hat. Ochsen und Schurken zittern; die Debats eifern giftiger als je: denn der Insurgent von den Maitagen wird die Juni-Insurrektion wieder zu Macht und Ehren bringen! Paris, 30. Nov. An der heutigen Debatte über Italien nehmen folgende Redner Theil: Ledru-Rollin, Montalembert, Senard, Falloux, Montreuil, Treveneue, Pascal (aus Aix), E. Quinet, Jules Favre, Drouin de Lhuys, Sarrans, Billault, Charles Dupin u. A. Auf den Galerien sind alle Plätze längst vergeben. — Das hiesige Kabinet hatte dem Londoner die Maßregeln rücksichtlich Rom's angezeigt und um schleunige Antwort gebeten. Gestern Abend ist ein außerordentlicher Kurier mit dieser Antwort eingetroffen. — Bugeaud, Ney (Moskawa) etc. treten in die Kammer und werden von der Rue de Poitiers mit offenen Armen empfangen. — Cavaignac vertheilt im heutigen Moniteur wiederholt mehrere Dutzend Ehrenlegionkreuze an Offiziere der Mobilgarde und Linie. — Die beiden Oberspione, welche Senard, Exminister des Innern, zur Ueberwachung der spanischen Patrioten in die mittäglichen Gränzdepartements schickte, heißen Vidocq junior und Labrièr-Quetier. Ihre Strenge z. B. gegen das Haupt der spanischen Patrioten, Exminister Escosura, ging so weit, daß ihre Gensd'armen sogar die Suppe auf dem Tische Escosura's mit der Säbelspitze umrührten, um sich zu überzeugen, ob auch dort keine Korrespondenzen verborgen?!… Das that die 1848ger Republik gegenüber den Königinnen Isabella und Maria Christine mit ihrem Leibhusar Narvaez!! Dieses Faktum steht im Moniteur universel vom 30. Novbr. — Der Moniteur beginnt heute eine erste offizielle Statistik des Pariser Hungers. Leider ist dieselbe nicht vollständig; sie betrifft nur die Fleischvertheilungen, gegen welche das Dominikanerblatt „Ere nouvelle“ einige Beschwerden erhoben hatte. Laut dieser Statistik werden in diesem Augenblick blos an Fleischbons 30,181 Rationen per Tag an 2062 verschiedene Hanshaltungen vertheilt, deren jede 29 Centimen kostet (im Ganzen 1436 Frk 40 Cnt. per Tag). Hinzu treten 2280 Frk. monatliche Gehalte an die Beamten, welche mit Vertheilung der Almosen bearftragt sind. Früher geschah diese Vertheilung durch 400 sogenannte wohlthätige Bürger, welche kein Gehalt bezogen. Da ergab sich aber eine tägliche Schmuggelei von 1892 Fleischrationen, deren Kostenpreis obige Gehalte bei Weitem überstieg. (Moniteur vom 30. Nov.) — „‥‥ Cavaignac muß in Anklagezustand versetzt werden! ruft das Blatt Ledru-Rollin's aus und begründet diesen Antrag in folgender Weise: Nach der Verfassung hat der Präsident der Republik kein Recht, ohne Genehmigung der Nationalversammlung auch nur ein Bataillon über die Gränze marschiren zu lassen. Cavaignac, der noch keineswegs Präsident der Republik ist, sondern noch ganz und gar von dem absoluten Willen der Nationalversammlung abhängt, stürzt das Land in eine bewaffnete Intervention, deren Folgen durchaus nicht zu berechnen, da die Gründe, auf denen sie beruht, sich als falsch erwiesen haben. Das Volk von Rom hat ein Ministerium verjagt, an dessen Spitze ein Mann stand, welcher sich rühmte, „die Revolution überall zu ersticken;“ es hat die Schweizergarde aufgelös't und eine Nationalversammlung verlangt, welche, aus allgemeinem Stimmrecht hervorgegangen, eine Verfassung entwerfe; nichts ist im Quirinal verändert, wozu das Volk kein Recht hätte. Der Papst ist um kein Haar breit in seiner religiösen Freiheit und Macht geschmälert; er kann seinen Seegen urbi et orbi nach wie vor aussprechen; den Gläubigen die Höllenthore nach wie vor schließen oder öffnen. Aber er darf nicht länger weltlicher Fürst ohne alle Verantwortlichkeit und Regierungskontrolle bleiben. Was soll also Courcelles mit seinen 3500 Mann in der Mündung der Tiber? Hr. Bastide hat das mit seinem Gebieter Cavaignac zu verantworten. Frankreich, das der Reaktion nimmer vergiebt, daß sie seine Schwester, Oberitalien, unter den Schlägen Oestreich's bluten läßt, wird nicht zugeben, daß seine Kinder zu Schergen des Papstthums herabsinken und die gewechselten Wachtposten einer schweizerischen besoldeten Leibgarde einnehmen. Was soll aus dem Prinzip der Volkssouveränetät und Völkerfreiheit werden, wenn eine solche Kabinetspolitik noch länger geübt wird?“ — Den Hrn. Guizot und Duchatel steht nun kein Hinderniß mehr entgegen, frei und ungehindert nach Frankreich zurückzukehren und dort der Einführung des neuen 4jährigen Königthums beizuwohnen; denn der hiesige Obergerichtshof erließ gestern eine Ordonnanz, wonach der gepflogenen Voruntersuchung gemäß kein Grund zur Verfolgung der Februarminister Louis Philipp's gesetzlich vorliegt. Bravo! Das heißt konsequent handeln. — National-Versammlung. Sitzung vom 30. November. Anfang 1 Uhr. Präsident Marrast. Der Zudrang ist sehr stark. Nach Verlesung des Protokolls nimmt Joly das Wort. Joly: Ein Brief, den ich rücksichtlich der unglücklichen Spanier erhalten, die auf der G_ elette Montanera in die Verbannung geschickt werden sollten, sich aber im Angesichte der französischen Küste empörten und den Kapitain zur Landung in Bordcaux zwangen, wo sie ausgeliefert worden, meldet mir, daß 15 davon zum Tode, 15 zur Galeerenstrafe und die Uebrigen zur Verbannung in die Havannah verurtheilt worden sind. Die 15 Todesurtheile liegen dem Generalkapitain noch zur Bestätigung vor; ich ersuche den Minister des Aeußern, sich für diese Unglücklichen zu verwenden und ihre Begnadigung zu erwirken. Stimme: Aber der Minister ist ja noch nicht hier. Cavaignac, der in diesem Augenblicke in den Saal tritt, verspricht dieses Begnadigungsgesuch, d. h. die Verwandlung der Todesstrafe in Galeerenstrafe sofort abgehen zu lassen. Hierauf geht die Versammlung zur Tagesordnung über, nämlich zur Debatte über Italien. Ledru-Rollin: Bürger, Rom ist ruhig. Diese Ruhe war vom Minister des Auswärtigen leicht vorauszusehen. Sie haben die Depesche gelesen. Die ersten Schüsse gegen das Volk fielen von den Schweizern, dann erst schritt die Bürgerwehr ein, dann erst entschied das Volk, die Waffen nicht früher niederzulegen, als bis das Fremden-Ministerium abgedankt habe. Harcourt, unser dortiger Gesandter, schreibt, er wolle erst abwarten, welchen Gang die Ereignisse nähmen, ehe er sein Verfahren einschlüge. Das Volk hatte den Rossi als Fremden getödtet; die Schweizer waren so verhaßt, eben weil sie Fremde sind und in diesem Willen beruhigt es sich nicht früher, als bis das Ministerium gestürzt und die Schweizer entlassen sind. Hoffentlich sehen Sie hierin keine bloße Emeute. Nein, es war eine Revolution, die ein vollkommen zu billigender Fremdenhaß erzeugt hatte. Und in diesem Moment schickt das Ministerium fremde Uniformen nach Rom, wirft es französische Truppen zwischen Papst und Volk! Heißt das nicht eine europäische Gährung herbeiführen? Muß das Volk nicht Eure Truppen hassen? Hättet Ihr (zu Cavaignac gewandt) den Papst oder auch nur seinen hiesigen Nuntius berathen, sie würden Euch selbst von der Expedition abgerathen haben. Erlaube man mir, daß ich den wahren Sinn der Expedition auseinander setze. Man hat Euch gesagt, die Maßregel geschehe lediglich im Interesse und zum Heil der Person des Papstes. Dem ist keineswegs so; wenigstens wäre der Vorwand lächerlich, da Niemand dem Papste etwas zu Leide thun wollte. Die Revolution war nur gegen das weltliche Regiment desselben gerichtet. Wie kam es nun, daß diese Bewegung, die mit dem politischen Morde Rossi's begann, so große Aufregung in Paris verursachte, während die Ermordung Robert Blum's das Ministerium so kalt ließ? Rossi's Blut galt also theurer, als das des Demokraten Blum? Leugnet es nicht, Eure Expedition verräth eine rein politische und nicht kirchliche Farbe. Aber wenn Ihr nun einmal im Verein mit Radetzki handeln wolltet, warum fragtet Ihr nicht erst die National-Versammlung, ob sie eine solche Politik genehmige? Ihr seid nichts als Werkzeug der National-Versammlung. (Unterbrechung.) Nichts als Werkzeug! Ihr kompromittirt das franzosische Volk, ohne daß Ihr vorher seine Vertreter berathschlagtet. (Beifall vom Berge). Montalembert, einer der Häupter der Ultramontanen, setzt in langer Rede auseinander, daß durchaus keine Analogie zwischen dem Charakter der Februar-Revolution und der römischen Insurrektion (Unterbrechung zur Linken) herrsche. Er lobt die Absicht des Ministeriums, tadelt aber die Art der Ausführung. Edgar Quinet fürchtet sehr, daß man die französische Republik einer Gefahr zuführe, die er bei Weitem höher anschlägt, als das Kabinet sie sich vorgestellt zu haben scheint. Charles Dupin vertheidigt die Regierung wegen ihres raschen und weisen Entschlusses. Jules Favre ist keineswegs der Ansicht, daß die römische Bewegung einen blos religiös-katholischen Charakter trage, wie Montalembert behauptet. Die dortige Entwickelung sei entschieden politisch. Er bedauert das französische Geld, Blut und Ehre. Dufaure übernimmt die Vertheidigung des Kabinets. Er löst zunächst die oberitalienische Frage von der römischen und weist nach, daß keine Zeit vorhanden gewesen, die National Versammlung vorher zu konsultiren. Er liest mehrere Depeschen. Wir können, wirft man uns vor, fuhr Dufaure nach Verlesung der Depeschen fort, Oesterreich erzürnen und es veranlassen, ebenfalls vor Rom zu erscheinen. Wie aber, wenn uns Oesterreich zuvorgekommen wäre? Dann hatte uns man mit Recht mit Vorwürfen überhäuft und sie wären dann völlig begründet gewesen. Wir wollen keinen Krieg. Wir haben nur unsere Pflicht gethan. Uebrigens fürchtet die Republik den Krieg nicht, sie wurde ihn vielmehr mit Glück fuhren. (Beifall zur Rechten). Larochejaquelin: Meine Parteistellung ist kritisch. Ich möchte zuerst dem Kriegsminister die Frage stellen: ob die Flotille abgefahren ist? Minister: Ja! Larochejaquelin: Wohlan, dann erkläre ich, daß Sie Ihre Vollmachten überschritten. (Sensation. Tumult). Poujoular: Man spricht von Conciliation zwischen Papst und Volk. Ich besitze Nachrichten, welche melden, daß ein Glied der römischen Kammer den Antrag stellte, dem Papst durch öffentlichen Akt die Unterwerfung zu bezeugen. Lucian Bonaparte, der in Rom eine gewisse ultra-demokratische Rolle spielt, hat sich aber solcher Demonstration widersetzt und der Antrag ist verworfen worden. Favre ergreift wiederholt das Wort Cavaignac besteigt die Bühne und erklärt durch Daten, daß die National-Versammlung keineswegs umgangen worden. Am Dienstag sei sie benachrichtigt worden; hatte sie die Schritte nicht genehmigt, dann wäre es immer noch Zeit gewesen, den Befehl zurückzunehmen. Larochejaquelin will noch sprechen, kann aber des Lärmens wegen nicht. Man schreit: Zur Tagesordnung! Zur Tagesordnung! Trevenenc schlagt eine sogenannte motivirte Tagesordnung vor, die dem Ministerium günstig ist und mit 480 gegen 63 Stimmen angenommen wird. Schluß 1/4 vor 6 Uhr. Nationalversammlung. Sitzung vom 1. December. Anfang 1 1/3 Uhr. Präsident Marrast. Reibell, ein beruhmter Wasserbaumeister und Deputirter der Manche, reicht Krantheits halber seine Demission ein. An der Tagesordnung ist das rektifizirte Büdget von 1848. Die Versammlung war bis zum 8. Kapitel des Marine-Büdgets (See-Justiz) vorgeruckt. Dieses Kapitel wird angenommen. Ebenso Kapitel 9. Kapitel 10 (Kosten des bekannten afrikanischen Geschwaders zur Unterdruckung des Sclavenhandels). Dieselben belaufen sich auf 3 Millionen Franken jährlich. Billault bekämpft diesen Kredit, weil er seinen Zweck nicht erfülle. Diese Geschwader seien zur Unterdrückung des Negerhandels unzureichend. Selbst das englische Parlament uberzeugte sich davon. Es sei also jetzt der günstige Augenblick, die schweren Kosten jener Flotille im Einverstandniß mit dem englischen Kabinet zu verweigern. Statt den Schacher zu tilgen, verschlimmert man nur die Lage der unglücklichen Sklaven, weil man allerlei List gebrauche, um jene Kreuzer zu umgehen. Dann, ein halber Mohr, theilt diese Ansimt nicht. Schoelcher, der bekannte Sklavenfreund, halt seine Jungfernrede. Er protestirt mit menschenfreundlicher Warme gegen jede Schwachung jenes Geschwaders, wonach dieser Menschenhandel wieder eine fürchterliche Ausdehnung nehmen wurde. Lacrosse erklärt sich als keinen Vertheidiger dieses infamen Handwerks, aber er findet den von Frankreich und England adoptirten Modus mangelhaft und gefährlich, weil er die P_ st unter der Schiffsmannschaft erzeuge. Mortreull unterstutzt Billauits Vorschlag. Man möge nach England schreiben. Verninae, Marine-Minister, verspricht das Geschwader zu vermindern, sobald er sich mit England verständigt haben werde, ohne deshalb den infamen Handel irgendwie zu erleichtern. Kapitel 10 geht endlich durch. Die nächsten beiden Kapitel boten nichts Interessantes. Dagegen wurde die Kolonialverwaltung lebhaft besprochen. Lavavasseur, ein reicher _ heder aus Dieppe und Havre, will wissen, ob der Minister an die Möglichkeit der Einführung des allgemeinen Stimmrechts in den Kolonien glaube? und so nicht die Eigenthümer (Pflanzer) daselbst die höchste Gefahr laufen? Der Redner verlangt Garantien. Er spricht indessen so heiser, daß man kaum das zehnte Wort versteht. Dain, der Mohr, hält eine vortreffliche Gegenrede. Die Kolonien verlangten Schulen und wurden sich die Freiheit nimmer entreißen lassen. Inmitten der Budgetdebatte erscheint Cavaignac. Cavaignac steigt auf die Bühne; Bürger Repräsentanten! Die Regierung hat so eben folgende Depesche erhalten: „Marseille, 28. Nov. 6 Uhr. Aus Civita Vecchia vom 24. Nov. 3 Uhr Nachts. Der französische Konsul an den Minister des Auswärtigen in Paris. Der Papst ist plötzlich am 24. Novbr. 5 Uhr Abends von Rom abgereist. Er hat sich auf dem Tenarre eingeschifft und begibt sich nach Frankreich. Rom ist ruhig und indifferent.“ (Sensation.) Die Versammlung nimmt die Büdgetdebatte wieder auf. Poujonlat unterbricht die Büdgetdebatte. Ich erzählte gestern, daß sich Lucian Bonaparte im römischen Parlament einer Ergebenheitsadresse an den Pabst widersetzt habe, die Hr-Potentiani beantragte. Zwei Verwandte Lucianis, welche in diesem Saale sitzen, haben mir vorgeworfen, daß ich das Faktum entstellt hätte. Ich zeigte darauf dem Hr. Peter Bonaparte das betreffende Journal Rom's, welchem ich die Thatsache entnommen und schlug ihm vor, es im Original zu lesen, um sich von der Wahrheit zu überzeugen. Lyerbette: Aber was geht das die Nationalversammlung an? Poujoulat: Man fragt, was das die Versammlung angehe? Ich antworte darauf, daß mir daran liegt, als kein Entsteller der Wahrheit zu gelten. (Ah! Ah!)…… Peter Bonaparte nährt sich der Bühne, spricht mit dem Redner einige Worte, worauf letzterer herabsteigt. Die Versammlung kehrt zum Büdget zurück. Die Besprechung des Rechtes des Marinebüdgets verfließt ohne Bedeutung. Man geht zum Finanzbüdget über. Fould eröffnet die Generaldiskussion mit einer langen Philippika gegen die Goudchauschen und Tronve-Chauvelschen Finanzpläne: Einkommensteuer, Erbschaftssteuer, Abschaffung der lästigen Getränkekontrolle, die Hr. Fould am meisten bedauert u. s. w. Trouve Chauvel erwidert ihm, daß er am Finanzplan pro 1849 festhalte. Hier tritt eine neue Unterbrechung ein. (2. Depesche). Vivien, Staatsbautenminister, zeigt im Namen des Ministeriums an, daß Bürger Freslon, Unterrichts- und Kultusminister, nach Marseille abgeschickt worden, um Pius IX., der von Rom sich nach Gaeta (auf neapolitanischem Gebiet) geflüchtet und die Absicht zu erkennen gegeben habe, nach Frankreich zu kommen. Der Tenare habe ihn dort aufgenommen und nach Marseille gebracht. Proudhon und Pyat sind nirgend zu sehen. Die Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen. Spanien. Madrid, 24. Novbr. Die beiden Minister Bravo Murillo und Arrazola scheiden aus dem Kabinet. Ersterer, heißt es, solle zum Präsidenten der Deputirtenkammer erkoren sein, um ihn für das Portefeuille zu entschädigen. — Aus den Provinzen nur so viel, daß die Insurrektion noch lange nicht erdrückt ist. Türkei. * Unter dem Befehl des amerikanischen Schiffskapitäns Lynch wurde voriges Frühjahr eine Expedition nach Palästina zur Erforschung des Sees Tiberias und des Todten Meeres unternommen. Die türkische Regierung hatte dazu bereitwillig ihre Erlaubniß und die gemessensten Befehle an die Behörden in Palästina zur Unterstützung der Expedition gegeben. Kapitän Lynch theilt in einem Briefe kurz die Resultate mit, die er bald ausführlicher in einem größeren Werke veröffentlichen wird. Er hatte aus New-York 2 metallene Boote — ein kupfernes und ein eisernes — mitgebracht, die er in St. Jean d'Acre landete. Von da wurden sie durch Kameele unter unglaublichen Schwierigkeiten zu Lande weiter geschafft und am 8. April in die blaue Fluth des galiläischen Meeres hinabgelassen. Zum ersten Mal wehte das amerikanische Banner auf diesen Gewässern. Die Schifffahrt auf dem Jordan, der das galiläische und das todte Meer verbindet, war äußerst beschwerlich. Die Expedition hatte 27 gefährliche Stromschnellen zu passiren. Der Jordan macht außerdem unendliche Krümmungen; auf 60 (engl.) Meilen hat er eine Länge von 200 Meilen. Der Unterschied zwischen dem Wasserspiegel der beiden Seen beträgt 2000 F. Einige hundert Schritt von der Mündung ist das Wasser des Jordan süß. Dasjenige des todten Meeres ist ohne Geruch, aber von bitterem, salzigen und eckelhaftem Geschmack. „Wie der nördliche Theil des Sees tief,“ sagt Lynch, „so ist der südliche seicht. Die größte Tiefe, die wir bis heute (3. Mai) fanden, betrug 1128 engl. Fuß; im südlichen Theil auf einer großen Strecke nur 18 Fuß. In der Nähe des Ufers ist der Grund eine Salzinkrustation; in der Mitte weicher Schlamm mit rechtwinkligen Krystallen, meist Würfeln von reinem Salz. Daß Vögel und Insekten am Ufer gefunden werden, unterliegt keinem Zweifel. Bisweilen erblickten wir Enten auf dem See. Aber in seinen Gewässern fanden wir kein lebendes Wesen. Die höchste Spitze der Westküste ist nach unsern Messungen mehr als 1000 Fuß über dem Wasserspiegel des Sees; und diese Küste steht im gleichen Niveau mit dem Spiegel des Mittelmeeres.“ Denkschrift des Berliner Bezirks-Central-Vereins zu dem Bericht, welchen der Abgeordnete und Unterstaatssekretär Herr Bassermann über seine Sendung nach Berlin in der deutschen National-Versammlung erstattet hat. Die Hauptstadt der preußischen Monarchie ist seit der Märzrevolution häufig und mannigfach Verläumdungen, Schmähungen und Lügen ausgesetzt gewesen, diese traten aber meist namenlos auf, ihre Absicht war leicht zu erkennen, sie zerfielen in sich selbst. Jetzt erhebt sich nun aber Herr Bassermann, der aus früherer Zeit den Klang eines liberalen Namens trägt, vor der deutschen National-Versammlung im Angesichte von ganz Deutschland mit einer Anklage gegen Berlin, die hinter keinem frühern namenlosen Angriffe zurückbleibt. Die Anklage muß in den Augen der vom Schauplatze entfernter Stehenden an Gewicht gewinnen, weil sie in eine Art offiziellen Gewandes gehüllt ist; denn Herr Bassermann hat seine Erfahrungen gesammelt und seinen Bericht erstattet als offizieller Karakter. — Die flüchtigen Reiseeindrücke eines Herrn Bassermann konnten leicht ignorirt werden, der offizielle Bericht des Unterstaatssekretairs Bassermann verdient die Beachtung, welche ihm hiermit der Berliner Bezirks-Central-Verein angedeihen läßt. Es kann diesem Verein, der fern von jeder einseitigen Parteistellung den Kern der hauptstädtischen Bevölkerung in ihren verschiedenen Schichten vertritt, nicht darauf ankommen, die Angriffe, welche Herr Bassermann gegen die preußische National-Versammlung richtet, zu beleuchten oder zu widerlegen — dies ist ohnehin von anderer Stelle in ausnehmender Weise geschehen — hier handelt es sich um die Zurückweisung der Reiseeindrücke des Herrn Bassermann, welche auf die Ehre Berlins Flecken zu werfen beabsichtigen. Herr Bassermann ist am 9. November Abends in Berlin eigetroffen, und hat wahrscheinlich die Stadt am 14. oder 15. d. M. verlassen, er hat sich also in Berlin 5 bis 6 Tage aufgehalten, freilich in einer für Preußen und Deutschland epochemachenden Zeit; aber wie hat Herr Bassermann diese Zeit aufgefaßt und begriffen? „Ihn erschreckte die Bevölkerung, welche er spät Abends am 9. November auf den Straßen erblickte; er sah Gestalten, die er nicht schildern will.“ — Die Preßfreiheit Berlins in diesen Tagen ging weit über das hinaus, was Herr Bassermann selbst in Süddeutschland davon gewohnt ist; denn das Unglaubliche hat er gesehen: den „Traum eines Republikaners“ und zwar auf rothes Papier gedruckt, was die Spitze alles Schreckens bildet; denn dieses rothe Papier verwirrt die Phantasie des Hrn. Bassermann so weit, daß er daraus später „einen rothen Träumer der Laternenpolitik“ emporwachsen läßt. — Dies ist die schreckliche Seite von den Erfahrungen, welche Herr Bassermann in Berlin gemacht hat; die Rückseite dazu ist die Bassermannsche Wahrnehmung, „daß ihm nach dem Einmarsch der Truppen, also am 10 oder 11. November, die Straßen belebter auch von andern Personen erschienen, daß er bei den Bürgern ein wiedergekehrtes Gefühl der Sicherheit fand.“ — Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist. — Herr Bassermann verkehrte in Berlin mit den Ministern, die er „in der männlichsten Fassung“ später mit „ruhig lächelndem Munde“ fand; Herr Bassermann „conferirte“ auch mit dem Könige, „hörte die Aeußerungen vieler Bürger der Stadt, war den ganzen Tag von Besuchern umlagert“ — der Glückliche — und, was die Hauptsache, „täglich von einem Abgesandten demokratischer Klubs besucht.“ Man erblickt hier den vielseitigen Umgang eines Diplomaten, der aber dessenungeachtet aus den Täuschungen nicht herauskommt. — Herr Bassermann kommt mit Vorurtheilen nach Berlin; er hält die Berathungen hier nicht mehr für frei — weil — hört! — die Versammlung in der polnischen Frage anders als die Frankfurter geurtheilt hat; statt der Beweggründe der innern Ueberzeugung erkennt er als angehender Diplomat „die Todesbedrohungen der Deputirten, und die Vernagelung des Sitzungssaales“ an. Herr Bassermann kehrt auf diesen Punkt wiederholt zurück; es ist ihm Herzenssache, nachzuweisen, daß die Deutsche Einheit und Freiheit in seinem Sinne nicht zu Stande kommen können, so lange die Preußische National-Versammlung unter der Schreckensherrschaft des Berliner Volks stände. — Wird aber das Preußische und so Gott will, das Deutsche Volk dem Herrn Bassermann glauben, Einheit und Freiheit des ganzen Vaterlandes wären besser berathen, wenn die National-Versammlung unter der Obhut der Bayonnette ihre Beschlüsse faßt! — Herr Bassermann hat von der Berliner Schreckensherrschaft mancherlei gehört, gesehen im Grunde nichts, wenn man nicht den „auf rothes Papier gedruckten Traum eines Republikaners“ dahin rechnet, oder die Gestalten, welche am 9. November die Straßen bevölkerten, die aber Herr Bassermann nicht schildern will.“ Wir trauen dem Herrn Unterstaats-Sekretär scharfe Organe der Wahrnehmung zu, wie sie auf diplomatischer Sendung nothwendig sind, aber wir bedauern, daß er seine Beobachtungen, wo sie lehrreich werden konnten, zurückhält. — „Ihn hat die Bevölkerung auf den Straßen in der Nähe des Sitzungslokales am 9. November erschreckt.“ Es muß die Berliner Bürgerwehr gewesen sein, die Herrn Bassermann in Schrecken versetzte; denn sie umlagerte zunächst das Sitzungslokal; von großen, wogenden Menschenmassen war außerdem an diesem Abend auf den Straßen Berlins keine Spur wahrzunehmen. „Der Zustand Berlins, wie er sich äußerlich abspiegelt, ist nach Herrn Bassermann deshalb kein erfreulicher, weil die Tagespresse über das hinausgeht, was man in Süddeutschland sich gefallen läßt.“ Soll das ein Lob für Süd- oder ein Tadel für Norddeutschland, zumal für Berlin sein? In Süddeutschland hat man die Republik einzuführen versucht: in Berlin träumt höchstens ein Republikaner auf rothem Papier. Wenn Hr. Bassermann aus seinem Bericht nur diesen Punkt fortgelassen hätte, so wäre er wenigstens dem Gelächter ehrlicher Bürger Berlins entgangen; jetzt aber ist er dem Berliner Witz unrettbar verfallen; denn er hat nicht einmal begriffen, daß der Witz sich auch in der Laternenpfahlpolitik üben kann, und so geschmeidig ist, um hintereinander reaktionäre und republikanische Träume zu erzeugen. Die Ersteren sind aber, hoffentlich nach Hrn. Bassermanns Geschmack, bereis für Berlin und Umgegend eingetroffen. Wenn der Frankfurter Diplomat in Dessau am Stationsplatze und in Luckenwalde die Stärke seiner Apperception bekundet, so zeigt er den Umfang seines Kombinationsvermögens, indem er den Traum des Republikaners ganz nahe an die Gränzen der Wirklichkeit führt und ernsthaft versichert, „es sei mehrere Male so weit gekommen, daß Mitglieder der Rechten der Nationalversammlung nur dem Zufall ihr Leben verdankten.“ Wir werden niemals pöbelhafte Exzesse beschönigen wollen, sie nicht für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz159ii_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz159ii_1848/3
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 159. Köln, 3. Dezember 1848. Zweite Ausgabe, S. 0849. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz159ii_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.