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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 159. Köln, 3. Dezember 1848. Zweite Ausgabe.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 159. Köln, Sonntag den 3. Dezember. 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
* Berlin, 1. Dec.

Von den Männern des Volkes in der Nat.-Vers. wird Keiner nach Brandenburg hinübergehen. Zwar hatten in den Berathungen der Fraktion Mylius die Abg. Stein und Reichenbach die Ansicht geltend gemacht, es sei zweckmäßig, nach Brandenburg zu gehen, um dort durch die Macht der Majorität das Ministerium zu stürzen. Es ward aber namentlich von D'Ester, Waldeck, Jakobi darauf hingewiesen, daß das Kabinet Manteuffel sich vor einer spätern Majorität eben so wenig zurückziehen werde, als es vor der fast einstimmig angenommenen Mißtrauensadresse der Nat.-Vers. zurückgetreten sei, daß man also nur eine fruchtlose Inkonsequenz begehen würde, während es dringend nöthig sei, durch unerschütterlich konsequentes Benehmen in den Augen des Volkes, das für Ehrenpunkte ein so feines Gefühl hat, die unbefleckteste Reinheit zu bewahren und sich so der Zukunft und dem, wenn auch verschobenen, doch unausbleiblichen Siege der Volkssache zu bewahren. Diese Ansicht hat denn auch das Uebergewicht erlangt und steht in der Folge davon zu erwarten, daß die hervorragendsten Männer der Linken binnen Kurzem ihr Mandat feierlich niederlegen und Berlin verlassen werden, um in den Provinzen die stillere, aber vielleicht fruchtbringendere Thätigkeit der Propaganda zu beginnen. Ein Gleiches werden auch die Herren Rodbertus, Unruh, Kirchmann, Berg, Schulze (Delitzsch) und andere Häupter des linken Centrums thun. Wenn übrigens das Centrum und einige Gebliebenen der Rechten nach Brandenburg hinübergegangen sind, so hat hierzu die Thätigkeit der zahllosen vom Klub Brünneck hieher gesandten und unablässig thätig gewesenen Emissäre keinen geringen Antheil.

Heute erschien nach vierzehntägiger Unterbrechung auch die Nationalzeitung wieder. Ihr leitender Artikel fordert freilich deu Rücktritt des jetzigen Kabinets und eine demokratisch-konstitutionelle Monarchie, ist aber sonst ganz in jener alten, matten, schwankenden Weise gehalten, welche diesem Organ des Juste-milieu von Anfang an eigen war und aus der nur es in der ersten Hälfte des November durch die Gewalt der Ereignisse herausgedrängt worden.

* Berlin, 30. Nov.

Auf die vom hiesigen reaktionären Magistrat erlassene Ansprache an die Berliner, ist folgende Erklärung erschienen:

"Der Magistrat der Stadt Berlin hat unter dem 21. d. M. eine Ansprache "An unsere Mitbürger" erlassen. Der Bezirks-Central-Verein, zusammengesetzt aus Deputirten der einzelnen Bezirks-Vereine der Stadt Berlin, hält es für seine Pflicht, dem Magistrat hiermit öffentlich entgegenzutreten.

Berlin hat in keinem Moment seit der Revolution auf den Magistrat mit Vertrauen hingeblickt; unsere Mitbürger sind keinen Augenblick darüber zweifelhaft gewesen, daß sie in den Zeiten der Gefahr bei dem Magistrat nur Unentschlossenheit, in den Zeiten der Sicherheit nur Neigung zum Rückschritt erwarten dürften. Niemanden konnte es überraschen, als erst jetzt "da die Aufregung des Augenblicks der vorurtheilsfreien Ueberlegung Raum gegeben hat", der Magistrat mit seiner Meinung hervortrat.

Aber wohl konnte es überraschen, wohl konnte es jeden Freund des Rechts und der Wahrheit tief betrüben, daß die höchste Behörde der Stadt, entgegen der einmüthig geäußerten Willensmeinung der Bürgerschaft, die Nationalversammlung verläugnete, ja nicht genug damit, sie auf's gröbste anklagte, und um diese Anklagen zu stützen, auch die Bevölkerung der Stadt selbst, welche sie hätte vertreten sollen, durch die äußerste Entstellung der Thatsachen vor aller Welt zu brandmarken suchte.

Der Bezirks-Central-Verein kann es unterlassen, die Nationalversammlung zu vertheidigen. Ihre Handlungen wird die Geschichte gerecht zu beurtheilen wissen. Sie wird nicht von einer "Fraktion" sprechen, welche "die Fahne der Gesetzlosigkeit erhoben" und "die Bahn zum Bürgerkriege, zu dem Versuche, eine Republik herzustellen, eröffnet hat." Nein, sie wird von einer vollkommen beschlußfähigen Versammlung der Volksvertreter reden, welche den gesetzlichen Widerstand mit Muth und Konsequenz geübt hat.

Allein der Bezirks-Central-Verein kann es nicht dulden, daß die Haltung Berlins, welches vor Allem befähigt ist, die Vertreter des Volks zu begreifen, irgendwie zweifelhaft erscheinen dürfe, und wenn es ihm auch unmöglich ist, den dunkeln Fleck auszulöschen, welcher durch die Schuld des Magistrats diese glänzenden Blätter der preußischen Geschichte verunziert, so hofft er doch von der Bevölkerung Berlins den Verdacht fern halten zu können, als sei sie an dem Verfahren von Männern betheiligt, welche niemals die Gesinnung der Stadt wahrhaft vertreten haben.

Es ist uns nicht bekannt, daß der Magistrat "seit den Tagen des März das Erwachen unseres Volkes zu nationaler Freiheit und politischer Mündigkeit mit Freude begrüßt hat, daß er sodann zur Feststellung der errungenen Freiheiten und Rechte des Volkes durch seine Mitwirkung an der Entwickelung des öffentlichen Lebens überhaupt, und namentlich bei der Organisation der Bürgerwehr, sowie bei der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung an seinem Theile beigetragen und die schwere Aufgabe zu lösen gesucht habe, in der Zeit allgemeiner Geschäftslosigkeit unseren ärmeren Mitbürgern lohnende Arbeit zu verschaffen.

Im Gegentheil wissen wir nur, daß der Magistrat in einer durchaus zweifelhaften Haltung der Entwickelung der Dinge zugesehen hat, ohne seine Freude oder seine Theilnahme, welche gewiß von den segensreichsten Folgen gewesen sein würde, zu äußern; wir wissen nur, daß die meisten Mitglieder desselben gegen den offenen Ausdruck des Mißtrauens, der ihnen von der Bürgerschaft zu Theil wurde, stumm und zähe auf ihren Sitzen blieben; wir wissen nur, daß die Organisation der Bürgerwehr, welche die erste Bedingung der Sicherung unserer Zustände hätte sein können, von dem Magistrat vollkommen vernachlässigt ist, daß an den Orten, wo es darauf ankam, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, nie ein Magistratsmitglied sich hat sehen lassen, daß endlich das Geld der Bürgerschaft meist an Arbeiten ohne Nutzen und nicht selten an Arbeiten ohne Verdienst verschwendet worden ist.

Es ist eine Unwahrheit, daß die National-Versammlung sich unter den Schutz "der das Sitzungslokal belagernden Massen, denen sie den Ehrennamen Volk beigelegt," gestellt hat und daß dadurch "die National-Versammlung oder die Regierung dem Terrorismus derer, welche jene Massen dirigirten, Preis gegeben war." Die National-Versammlung hat sich unter den Schutz der Bevölkerung Berlins gestellt, und sie durfte wohl erwarten, daß die städtischen Behörden es verstehen würden, an der Spitze dieser Bevölkerung, wo ihr Platz war, für den Schutz der National-Versammlung zu sorgen. Allein die städtischen Behörden glaubten genug gethan zu haben, indem sie einen ungesetzlich konstituirten Körper, dem sie den revolutionären Namen eines Sicherheitsausschusses beilegten zusammensetzten, um ja zur rechten Zeit Militär requiriren zu können. Da sie wußten, daß sie mit der Bevölkerung im Widerspruch waren, so dachten sie natürlich nur daran, sich eine äußere Hülfe zu sichern. Statt Maßregeln zu treffen, durch eine kompakte Organisation der Bürgerwehr und durch eine Stärkung des moralischen Einflusses der städtischen Behörden die Massen der Einwirkung jener gefürchteten Führer zu entziehen, und die Vertreter des Volkes vor jeder Unbill zu sichern, proklamirten sie durch die Installation jenes Sicherheitsausschusses selbst die Anarchie, die ihnen später als Grund für die Rechtfertigung der Gewaltstreiche eines von der ganzen Bevölkerung zurückgewiesenen Ministeriums dienen sollte.

Die Vorwürfe, welche der Magistrat sich nicht scheut, auf die ehrenhafte National-Vrrsammlung zu schleudern, werfen wir auf ihn zurück. Er ist es, der durch seine volksfeindliche Haltung, durch seine Nachlässigkeit und Feigheit die Begriffe von Recht und Ordnung verwirrt, und das Gefühl für Gesittung abstumpft. Er ist es, der sich in den Tagen der Gefahr feig zurückzieht und nach der Herstellung der Ruhe böswillig hervortritt. Er hält jede Reaktion fär unmöglich! Freilich, wenn man selbst die Reaktion ist, wie könnte man sie vor sich sehen?

Berlin, am 25. November 1848.

Der Bezirks-Central-Verein.

* Brandenburg, 1. Dezember, 10 Uhr Vormittags.

Heute Morgen um 9 Uhr sind an hundert Abgeordnete (das ganze linke Centrum, der Rest des Centrums mit dem Präsidenten Unruh und einige von der Linken) hier angekommen. Sie versammelten sich im Saale der Eisenbahn-Restauration um sich über den einzuschlagenden Weg zu berathen. Diese Abgeordnete sind von Berlin mit der Idee hierher gekommen, nur dann hier als National-Versammlung zu berathen, wenn sie für die Anerkennung aller in Berlin vom 9-15. November gefaßten Beschlüsse die Majorität gesichert sehen. In diesem Falle müßte die heutige Sitzung, unter dem Vorsitz des Präsidenten Unruh, mit Verlesung des Protokolls der Sitzung vom 15. November, der zuletzt in Berlin von der National-Versammlung im Mielentzschen Saal abgehaltenen, begonnen werden. -- Die äußerste Linke hat, in consequenter Verfolgung der früher einstimmig gefaßten Beschlüsse, jede Theilnahme an den hiesigen Versammlungen und an den Berathungen mit einem des Hochverraths für schuldig erklärten Ministerium, abgelehnt.

Es ist unglaublich, welche verschiedenartige Mittel von der hier tagenden Partei im Laufe dieser Woche angewendet wurden, um die Versammlung bis zur beschlußfähigen Anzahl von 202 Mitgliedern zu bringen. Emissäre wurden täglich nach Berlin gesendet und verbreiteten dort im Publikum und in den verschiedenen Fraktionen der Abgeordneten daß die Andern nach Brandenburg gingen, ohne daß diese im Entferntesten daran dachten. Am Gravirendsten hat sich der Ex-Minister Milde bei diesen Werbungsversuchen benommen.

Durch solche Mittel war es gelungen täglich mehrere Abgeordnete hierherzuziehen Die tyrannischen Verfolgungen und Gewaltstreiche, denen die Abgeordneten in Berlin unterworfen waren, trugen auch dazu bei, manchen Schwankenden hierher zu treiben.

Versammlung Brandenburg. Fünfte Sitzung. Um 11 Uhr 20 M. erklärt der Alters-Präsident Brünneck die Sitzung für eröffnet. Das Protokoll der gestrigen Sitzung wird verlesen. -- Ein Schreiben des Abgeordneten Lüdecke wird verlesen, womit derselbe sein Mandat niederlegt. Niemeyer aus Halle zeigt an, daß er in dem stenographischen Bericht vom 27. Nov. als fehlend bezeichnet ist, er habe aber schon am 14. Nov. sein Mandat niedergelegt und dies auch damals dem Präsidium der Nationalversammlung angezeigt. Das Ministerium ist in Folge dessen ersucht worden, eine Neuwahl anzuordnen.

Der Namensaufruf beginnt. Während desselben treten über hundert Abgeordnete vom Centrum, linken Centrum und der äußersten Linken ein, namentlich: Kirchmann, Kämpf, Bucher, Schneider, Grebel, Dierschke, Dörk, Kosch, Krackrügge, Matthaei, Schaffraneck, Siebert, Wachsmuth, Weichsel, Borchard II. als Stellvertreter für Borchard I., u. A.

Schneider verlangt das Wort zu einer persönlichen Bemerkung.

Brünneck glaubt, daß da die Versammlung heute beschlußfähig sein wird, man zuerst mit der Konstituirung des Bureau's vorangehen müsse. Es sei auch ein Antrag auf Vertagung gestellt, und das Resultat der Zählung werde bald proklamirt werden. Ich bin der Meinung, daß dies zuerst geschehe und dann sofort zur Konstituirung des Büreau's übergegangen werde, da vorauszusehen ist, daß wir heute beschlußfähig sein werden.

Schneider (zur Geschäftsordnung): Nach der Geschäftsordnung kann das Wort zu persönlichen Bemerkungen jederzeit genommen werden. Dies ist hier auch in den früheren Tagen geschehen, ohne daß die Versammlung vollständig war.

Brünneck: Dies geschah, weil in diesen Tagen die Versammlung nicht vollzählig im Voraus zu erkennen war. Indeß werde ich den Beschluß der Versammlung einholen.

Parrisius (zur Geschäftsordnung): Von den verehrten Mitgliedern, die sich von Anfang an in dieser Versammlung befunden haben, ich nenne z. B. Hrn. Reichensperger, ist anerkannt worden, daß wenngleich die Beschlußunfähigkeit der Nationalversammlung noch nicht feststand, das Wort zu persönlichen Bemerkungen gestattet werden mußte. Sie werden nicht inkonsequent sein, am wenisten, wenn es gilt, die Freiheit dieser Tribüne zu beschränken. Ich verlange, daß die Versammlung darüber beschließe, ob das Bureau erst zu konstituiren oder erst über die Vertagung abgestimmt werde.

Brünneck: Ich werde das Resultat der Zählung zunächst mittheilen; "anwesend sind 260, entschuldigt 11, fehlend 131." Die Versammlung ist vollzählig; ich werde jetzt den Beschluß der Versammlung extrahiren. (Lärmender Widerspruch).

Dahne: Nach § 39 der Geschäftsordnung muß Jedem, der sich zu persönlichen Bemerkungen meldet, vor allen Andern das Wort gegeben werden. Ich protestire gegen jeden Beschluß der Versammlung daüber.

Bauer: (Berlin) Es ist hier ein unnützer Streit. Ehe Sie nicht anerkannt haben, daß wir eine Versammlung sind, d. h. ehe wir nicht konstituirt sind, können Sie nicht das Geschäftsreglement auf uns anwenden. (Lärm vom Berge.) Wenn in dieser Weise wieder verhandelt werden soll, so werden wir die Wünsche des Landes nicht erfüllen können. Ich bitte mich von der Tribüne herab zu widerlegen.

Pelzer: Der § 39 lautet: "Es können die Zulassung zum Worte verlangen:.... 2) Diejenigen, welche über eine persönliche Angelegenheit reden wollen." Daraus folgt nicht, daß die Versammlung Jeden hören müsse. Sollte dies zulässig sein, so würde die ganze Zeit mit persönlichen Bemerkungen hingehen. Was in Berlin geschehen ist, werden wir hier nimmermehr dulden. (Bravo rechts).

Dahne: Wenn Sie Beschluß fassen wollen, über eine persöuliche Bemerkung, so setzen Sie auch eine konstituirte Versammlung voraus.

Kämpf: Es ist gesagt worden, man werde hier nicht dulden, was man in Berlin geduldet habe. Aber das weiß ich, daß Sie gerecht auch hier werden sein wollen. Nicht zehn werdrn hier sein, die den Paragraphen 39 so auslegen werden, wie er eben ausgelegt wurde.

Wachsmuth: Ich frage Sie, meine Herren, ob Sie in diesen drei Tagen sich noch nicht auf die Geschäftsordnung berufen haben, obwohl Sie wußten, daß sie unbeschlußfähig waren. Ich bestreite dem Herrn Oberpräsidenteu das Recht einen Beschluß in dieser Beziehung zu veranlassen.

Brünneck: Ich bin vollkommen dieser Ansicht. Nur heute habe ich geglaubt, das dringende Geschäft der Konstituirung vor allen Dingen vornehmen zu müssen. Ich ertheile übrigens dem Herrn Abgeordneten Schneider das Wort zu einer persönlichen Bemerkung:

Schneider: Im Namen mehrerer meiner politischen Freunde und in meinem eigenen Namen lege ich folgende Erklärung nieder: "Wir Unterzeichnete erklären, daß wir, festhaltend an den Beschluß der Nationalversammlung vom 9. November fortdauernd der Krone das Recht bestreiten, die Nationalversammlung von Berlin zu verlegen, sie zu vertagen oder aufzulösen. Nachdem die Fortsetzung der Berathungen der Nationalversammlung in Berlin durch Militärgewalt verhindert, und versucht worden ist, wenn auch auch auf ungesetzlichem Wege, die hiesige Minorität durch Einberufung der Stellvertreter zu vervollständigen, erscheinen wir hier in Brandenburg, alle andere Rücksichten dem Wohle des Landes opfernd." (Folgen etwa 40 Unterschriften, die Namen v. Unruh, Philips, Plönies, und Schneider an der Spitze.)

Hierbei habe ich zu bemerken, und Ihnen im Auftrage des Präsidiums mitzutheilen, daß die Präsidenten v. Unruh, Philips und Plönies hier nicht haben erscheinen können, weil sie mit der Einberufung der noch fehlenden Mitglieder der Nationalversammlung nach Brandenburg noch beschäftigt sind. (Lachen auf der Rechten. Eine Stimme: "Das ist doch zu arg!)

Brünneck: Es liegt ein Antrag des Abgeordneten Parrisius vor, auf Vertagung der Sitzung bis Montag 10 Uhr. Ich muß bemerken, daß §. 31 sehr genau bestimmt, daß Anträge auf Tagesordnung und Vertagung der Diskussion den Vorzug haben sollen. Es handelt sich hier aber um Vertagung der Sitzung. Ich stelle daher die Frage: ob sofort zur Konstituirung des Bureaux übergegangen werden soll? (Unruhe, von vielen Seiten wird widersprochen. Moritz und Andere verlangen namentliche Abstimmung. Kuhrt, Parrisius, Dunker, Bornemann machen Bemerkungen über die Fragestellung. Der Präsident läutet fortwährend mit der Glocke. Er ruft: Hören Sie doch nur! -- Weichsel: Dies Lokal ist nicht zum Hören. Man kann hier kein Wort verstehn!)

Endlich beginnt der Namensaufruf. Das Resultat ist: 113 für, 145 gegen die Vertagung.

Brünneck: Wir schreiten also sofort zur Konstituirung des Bureaus.

Schneider: (zur Geschäftsordnung.) Ich habe vorher schon darauf aufmerksam gemacht, daß das Präsidium damit beschäftigt ist (Lärm).

Brünneck: Das ist keine Bemerkung zur Geschäftsordnung.

Schneider: Diese wird sofort erfolgen; und ich glaube, daß die Redefreiheit auch in Brandenburg beachtet werden wird. Es sind noch mehrere Mitglieder hierher zu berufen. Als Sekretär der Nat.-Vers. weiß ich, daß über hundert Mitglieder noch nicht berufen sind. Der Antrag auf Vertagung erschien deshalb durchaus nothwendig. Gegenwärtig, da wir sehen, daß Sie auf die Vertagung nicht eingehen wollen, sind wir genöthigt für heute den Saal zu verlassen.

Baumstark. Es ist hier davon die Rede gewesen, daß ein Präsident von Unruh und Vicepräsidenten mit Einberufung von Abgeordneten beschäftigt sind. Wir kennen keinen Präsidenten v. Unruh. Die Wahlen, die am 12. Oktbr. stattgefunden haben, hatten mit dem 12. Novbr. ihre Wirkung verloren. Eine in der Zwischenzeit vorgenommene Wahl können wir nicht anerkennen,

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 159. Köln, Sonntag den 3. Dezember. 1848.

Keine Steuern mehr!!!

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
* Berlin, 1. Dec.

Von den Männern des Volkes in der Nat.-Vers. wird Keiner nach Brandenburg hinübergehen. Zwar hatten in den Berathungen der Fraktion Mylius die Abg. Stein und Reichenbach die Ansicht geltend gemacht, es sei zweckmäßig, nach Brandenburg zu gehen, um dort durch die Macht der Majorität das Ministerium zu stürzen. Es ward aber namentlich von D'Ester, Waldeck, Jakobi darauf hingewiesen, daß das Kabinet Manteuffel sich vor einer spätern Majorität eben so wenig zurückziehen werde, als es vor der fast einstimmig angenommenen Mißtrauensadresse der Nat.-Vers. zurückgetreten sei, daß man also nur eine fruchtlose Inkonsequenz begehen würde, während es dringend nöthig sei, durch unerschütterlich konsequentes Benehmen in den Augen des Volkes, das für Ehrenpunkte ein so feines Gefühl hat, die unbefleckteste Reinheit zu bewahren und sich so der Zukunft und dem, wenn auch verschobenen, doch unausbleiblichen Siege der Volkssache zu bewahren. Diese Ansicht hat denn auch das Uebergewicht erlangt und steht in der Folge davon zu erwarten, daß die hervorragendsten Männer der Linken binnen Kurzem ihr Mandat feierlich niederlegen und Berlin verlassen werden, um in den Provinzen die stillere, aber vielleicht fruchtbringendere Thätigkeit der Propaganda zu beginnen. Ein Gleiches werden auch die Herren Rodbertus, Unruh, Kirchmann, Berg, Schulze (Delitzsch) und andere Häupter des linken Centrums thun. Wenn übrigens das Centrum und einige Gebliebenen der Rechten nach Brandenburg hinübergegangen sind, so hat hierzu die Thätigkeit der zahllosen vom Klub Brünneck hieher gesandten und unablässig thätig gewesenen Emissäre keinen geringen Antheil.

Heute erschien nach vierzehntägiger Unterbrechung auch die Nationalzeitung wieder. Ihr leitender Artikel fordert freilich deu Rücktritt des jetzigen Kabinets und eine demokratisch-konstitutionelle Monarchie, ist aber sonst ganz in jener alten, matten, schwankenden Weise gehalten, welche diesem Organ des Juste-milieu von Anfang an eigen war und aus der nur es in der ersten Hälfte des November durch die Gewalt der Ereignisse herausgedrängt worden.

* Berlin, 30. Nov.

Auf die vom hiesigen reaktionären Magistrat erlassene Ansprache an die Berliner, ist folgende Erklärung erschienen:

„Der Magistrat der Stadt Berlin hat unter dem 21. d. M. eine Ansprache „An unsere Mitbürger“ erlassen. Der Bezirks-Central-Verein, zusammengesetzt aus Deputirten der einzelnen Bezirks-Vereine der Stadt Berlin, hält es für seine Pflicht, dem Magistrat hiermit öffentlich entgegenzutreten.

Berlin hat in keinem Moment seit der Revolution auf den Magistrat mit Vertrauen hingeblickt; unsere Mitbürger sind keinen Augenblick darüber zweifelhaft gewesen, daß sie in den Zeiten der Gefahr bei dem Magistrat nur Unentschlossenheit, in den Zeiten der Sicherheit nur Neigung zum Rückschritt erwarten dürften. Niemanden konnte es überraschen, als erst jetzt „da die Aufregung des Augenblicks der vorurtheilsfreien Ueberlegung Raum gegeben hat“, der Magistrat mit seiner Meinung hervortrat.

Aber wohl konnte es überraschen, wohl konnte es jeden Freund des Rechts und der Wahrheit tief betrüben, daß die höchste Behörde der Stadt, entgegen der einmüthig geäußerten Willensmeinung der Bürgerschaft, die Nationalversammlung verläugnete, ja nicht genug damit, sie auf's gröbste anklagte, und um diese Anklagen zu stützen, auch die Bevölkerung der Stadt selbst, welche sie hätte vertreten sollen, durch die äußerste Entstellung der Thatsachen vor aller Welt zu brandmarken suchte.

Der Bezirks-Central-Verein kann es unterlassen, die Nationalversammlung zu vertheidigen. Ihre Handlungen wird die Geschichte gerecht zu beurtheilen wissen. Sie wird nicht von einer „Fraktion“ sprechen, welche „die Fahne der Gesetzlosigkeit erhoben“ und „die Bahn zum Bürgerkriege, zu dem Versuche, eine Republik herzustellen, eröffnet hat.“ Nein, sie wird von einer vollkommen beschlußfähigen Versammlung der Volksvertreter reden, welche den gesetzlichen Widerstand mit Muth und Konsequenz geübt hat.

Allein der Bezirks-Central-Verein kann es nicht dulden, daß die Haltung Berlins, welches vor Allem befähigt ist, die Vertreter des Volks zu begreifen, irgendwie zweifelhaft erscheinen dürfe, und wenn es ihm auch unmöglich ist, den dunkeln Fleck auszulöschen, welcher durch die Schuld des Magistrats diese glänzenden Blätter der preußischen Geschichte verunziert, so hofft er doch von der Bevölkerung Berlins den Verdacht fern halten zu können, als sei sie an dem Verfahren von Männern betheiligt, welche niemals die Gesinnung der Stadt wahrhaft vertreten haben.

Es ist uns nicht bekannt, daß der Magistrat „seit den Tagen des März das Erwachen unseres Volkes zu nationaler Freiheit und politischer Mündigkeit mit Freude begrüßt hat, daß er sodann zur Feststellung der errungenen Freiheiten und Rechte des Volkes durch seine Mitwirkung an der Entwickelung des öffentlichen Lebens überhaupt, und namentlich bei der Organisation der Bürgerwehr, sowie bei der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung an seinem Theile beigetragen und die schwere Aufgabe zu lösen gesucht habe, in der Zeit allgemeiner Geschäftslosigkeit unseren ärmeren Mitbürgern lohnende Arbeit zu verschaffen.

Im Gegentheil wissen wir nur, daß der Magistrat in einer durchaus zweifelhaften Haltung der Entwickelung der Dinge zugesehen hat, ohne seine Freude oder seine Theilnahme, welche gewiß von den segensreichsten Folgen gewesen sein würde, zu äußern; wir wissen nur, daß die meisten Mitglieder desselben gegen den offenen Ausdruck des Mißtrauens, der ihnen von der Bürgerschaft zu Theil wurde, stumm und zähe auf ihren Sitzen blieben; wir wissen nur, daß die Organisation der Bürgerwehr, welche die erste Bedingung der Sicherung unserer Zustände hätte sein können, von dem Magistrat vollkommen vernachlässigt ist, daß an den Orten, wo es darauf ankam, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, nie ein Magistratsmitglied sich hat sehen lassen, daß endlich das Geld der Bürgerschaft meist an Arbeiten ohne Nutzen und nicht selten an Arbeiten ohne Verdienst verschwendet worden ist.

Es ist eine Unwahrheit, daß die National-Versammlung sich unter den Schutz „der das Sitzungslokal belagernden Massen, denen sie den Ehrennamen Volk beigelegt,“ gestellt hat und daß dadurch „die National-Versammlung oder die Regierung dem Terrorismus derer, welche jene Massen dirigirten, Preis gegeben war.“ Die National-Versammlung hat sich unter den Schutz der Bevölkerung Berlins gestellt, und sie durfte wohl erwarten, daß die städtischen Behörden es verstehen würden, an der Spitze dieser Bevölkerung, wo ihr Platz war, für den Schutz der National-Versammlung zu sorgen. Allein die städtischen Behörden glaubten genug gethan zu haben, indem sie einen ungesetzlich konstituirten Körper, dem sie den revolutionären Namen eines Sicherheitsausschusses beilegten zusammensetzten, um ja zur rechten Zeit Militär requiriren zu können. Da sie wußten, daß sie mit der Bevölkerung im Widerspruch waren, so dachten sie natürlich nur daran, sich eine äußere Hülfe zu sichern. Statt Maßregeln zu treffen, durch eine kompakte Organisation der Bürgerwehr und durch eine Stärkung des moralischen Einflusses der städtischen Behörden die Massen der Einwirkung jener gefürchteten Führer zu entziehen, und die Vertreter des Volkes vor jeder Unbill zu sichern, proklamirten sie durch die Installation jenes Sicherheitsausschusses selbst die Anarchie, die ihnen später als Grund für die Rechtfertigung der Gewaltstreiche eines von der ganzen Bevölkerung zurückgewiesenen Ministeriums dienen sollte.

Die Vorwürfe, welche der Magistrat sich nicht scheut, auf die ehrenhafte National-Vrrsammlung zu schleudern, werfen wir auf ihn zurück. Er ist es, der durch seine volksfeindliche Haltung, durch seine Nachlässigkeit und Feigheit die Begriffe von Recht und Ordnung verwirrt, und das Gefühl für Gesittung abstumpft. Er ist es, der sich in den Tagen der Gefahr feig zurückzieht und nach der Herstellung der Ruhe böswillig hervortritt. Er hält jede Reaktion fär unmöglich! Freilich, wenn man selbst die Reaktion ist, wie könnte man sie vor sich sehen?

Berlin, am 25. November 1848.

Der Bezirks-Central-Verein.

* Brandenburg, 1. Dezember, 10 Uhr Vormittags.

Heute Morgen um 9 Uhr sind an hundert Abgeordnete (das ganze linke Centrum, der Rest des Centrums mit dem Präsidenten Unruh und einige von der Linken) hier angekommen. Sie versammelten sich im Saale der Eisenbahn-Restauration um sich über den einzuschlagenden Weg zu berathen. Diese Abgeordnete sind von Berlin mit der Idee hierher gekommen, nur dann hier als National-Versammlung zu berathen, wenn sie für die Anerkennung aller in Berlin vom 9-15. November gefaßten Beschlüsse die Majorität gesichert sehen. In diesem Falle müßte die heutige Sitzung, unter dem Vorsitz des Präsidenten Unruh, mit Verlesung des Protokolls der Sitzung vom 15. November, der zuletzt in Berlin von der National-Versammlung im Mielentzschen Saal abgehaltenen, begonnen werden. — Die äußerste Linke hat, in consequenter Verfolgung der früher einstimmig gefaßten Beschlüsse, jede Theilnahme an den hiesigen Versammlungen und an den Berathungen mit einem des Hochverraths für schuldig erklärten Ministerium, abgelehnt.

Es ist unglaublich, welche verschiedenartige Mittel von der hier tagenden Partei im Laufe dieser Woche angewendet wurden, um die Versammlung bis zur beschlußfähigen Anzahl von 202 Mitgliedern zu bringen. Emissäre wurden täglich nach Berlin gesendet und verbreiteten dort im Publikum und in den verschiedenen Fraktionen der Abgeordneten daß die Andern nach Brandenburg gingen, ohne daß diese im Entferntesten daran dachten. Am Gravirendsten hat sich der Ex-Minister Milde bei diesen Werbungsversuchen benommen.

Durch solche Mittel war es gelungen täglich mehrere Abgeordnete hierherzuziehen Die tyrannischen Verfolgungen und Gewaltstreiche, denen die Abgeordneten in Berlin unterworfen waren, trugen auch dazu bei, manchen Schwankenden hierher zu treiben.

Versammlung Brandenburg. Fünfte Sitzung. Um 11 Uhr 20 M. erklärt der Alters-Präsident Brünneck die Sitzung für eröffnet. Das Protokoll der gestrigen Sitzung wird verlesen. — Ein Schreiben des Abgeordneten Lüdecke wird verlesen, womit derselbe sein Mandat niederlegt. Niemeyer aus Halle zeigt an, daß er in dem stenographischen Bericht vom 27. Nov. als fehlend bezeichnet ist, er habe aber schon am 14. Nov. sein Mandat niedergelegt und dies auch damals dem Präsidium der Nationalversammlung angezeigt. Das Ministerium ist in Folge dessen ersucht worden, eine Neuwahl anzuordnen.

Der Namensaufruf beginnt. Während desselben treten über hundert Abgeordnete vom Centrum, linken Centrum und der äußersten Linken ein, namentlich: Kirchmann, Kämpf, Bucher, Schneider, Grebel, Dierschke, Dörk, Kosch, Krackrügge, Matthaei, Schaffraneck, Siebert, Wachsmuth, Weichsel, Borchard II. als Stellvertreter für Borchard I., u. A.

Schneider verlangt das Wort zu einer persönlichen Bemerkung.

Brünneck glaubt, daß da die Versammlung heute beschlußfähig sein wird, man zuerst mit der Konstituirung des Bureau's vorangehen müsse. Es sei auch ein Antrag auf Vertagung gestellt, und das Resultat der Zählung werde bald proklamirt werden. Ich bin der Meinung, daß dies zuerst geschehe und dann sofort zur Konstituirung des Büreau's übergegangen werde, da vorauszusehen ist, daß wir heute beschlußfähig sein werden.

Schneider (zur Geschäftsordnung): Nach der Geschäftsordnung kann das Wort zu persönlichen Bemerkungen jederzeit genommen werden. Dies ist hier auch in den früheren Tagen geschehen, ohne daß die Versammlung vollständig war.

Brünneck: Dies geschah, weil in diesen Tagen die Versammlung nicht vollzählig im Voraus zu erkennen war. Indeß werde ich den Beschluß der Versammlung einholen.

Parrisius (zur Geschäftsordnung): Von den verehrten Mitgliedern, die sich von Anfang an in dieser Versammlung befunden haben, ich nenne z. B. Hrn. Reichensperger, ist anerkannt worden, daß wenngleich die Beschlußunfähigkeit der Nationalversammlung noch nicht feststand, das Wort zu persönlichen Bemerkungen gestattet werden mußte. Sie werden nicht inkonsequent sein, am wenisten, wenn es gilt, die Freiheit dieser Tribüne zu beschränken. Ich verlange, daß die Versammlung darüber beschließe, ob das Bureau erst zu konstituiren oder erst über die Vertagung abgestimmt werde.

Brünneck: Ich werde das Resultat der Zählung zunächst mittheilen; „anwesend sind 260, entschuldigt 11, fehlend 131.“ Die Versammlung ist vollzählig; ich werde jetzt den Beschluß der Versammlung extrahiren. (Lärmender Widerspruch).

Dahne: Nach § 39 der Geschäftsordnung muß Jedem, der sich zu persönlichen Bemerkungen meldet, vor allen Andern das Wort gegeben werden. Ich protestire gegen jeden Beschluß der Versammlung daüber.

Bauer: (Berlin) Es ist hier ein unnützer Streit. Ehe Sie nicht anerkannt haben, daß wir eine Versammlung sind, d. h. ehe wir nicht konstituirt sind, können Sie nicht das Geschäftsreglement auf uns anwenden. (Lärm vom Berge.) Wenn in dieser Weise wieder verhandelt werden soll, so werden wir die Wünsche des Landes nicht erfüllen können. Ich bitte mich von der Tribüne herab zu widerlegen.

Pelzer: Der § 39 lautet: „Es können die Zulassung zum Worte verlangen:‥‥ 2) Diejenigen, welche über eine persönliche Angelegenheit reden wollen.“ Daraus folgt nicht, daß die Versammlung Jeden hören müsse. Sollte dies zulässig sein, so würde die ganze Zeit mit persönlichen Bemerkungen hingehen. Was in Berlin geschehen ist, werden wir hier nimmermehr dulden. (Bravo rechts).

Dahne: Wenn Sie Beschluß fassen wollen, über eine persöuliche Bemerkung, so setzen Sie auch eine konstituirte Versammlung voraus.

Kämpf: Es ist gesagt worden, man werde hier nicht dulden, was man in Berlin geduldet habe. Aber das weiß ich, daß Sie gerecht auch hier werden sein wollen. Nicht zehn werdrn hier sein, die den Paragraphen 39 so auslegen werden, wie er eben ausgelegt wurde.

Wachsmuth: Ich frage Sie, meine Herren, ob Sie in diesen drei Tagen sich noch nicht auf die Geschäftsordnung berufen haben, obwohl Sie wußten, daß sie unbeschlußfähig waren. Ich bestreite dem Herrn Oberpräsidenteu das Recht einen Beschluß in dieser Beziehung zu veranlassen.

Brünneck: Ich bin vollkommen dieser Ansicht. Nur heute habe ich geglaubt, das dringende Geschäft der Konstituirung vor allen Dingen vornehmen zu müssen. Ich ertheile übrigens dem Herrn Abgeordneten Schneider das Wort zu einer persönlichen Bemerkung:

Schneider: Im Namen mehrerer meiner politischen Freunde und in meinem eigenen Namen lege ich folgende Erklärung nieder: „Wir Unterzeichnete erklären, daß wir, festhaltend an den Beschluß der Nationalversammlung vom 9. November fortdauernd der Krone das Recht bestreiten, die Nationalversammlung von Berlin zu verlegen, sie zu vertagen oder aufzulösen. Nachdem die Fortsetzung der Berathungen der Nationalversammlung in Berlin durch Militärgewalt verhindert, und versucht worden ist, wenn auch auch auf ungesetzlichem Wege, die hiesige Minorität durch Einberufung der Stellvertreter zu vervollständigen, erscheinen wir hier in Brandenburg, alle andere Rücksichten dem Wohle des Landes opfernd.“ (Folgen etwa 40 Unterschriften, die Namen v. Unruh, Philips, Plönies, und Schneider an der Spitze.)

Hierbei habe ich zu bemerken, und Ihnen im Auftrage des Präsidiums mitzutheilen, daß die Präsidenten v. Unruh, Philips und Plönies hier nicht haben erscheinen können, weil sie mit der Einberufung der noch fehlenden Mitglieder der Nationalversammlung nach Brandenburg noch beschäftigt sind. (Lachen auf der Rechten. Eine Stimme: „Das ist doch zu arg!)

Brünneck: Es liegt ein Antrag des Abgeordneten Parrisius vor, auf Vertagung der Sitzung bis Montag 10 Uhr. Ich muß bemerken, daß §. 31 sehr genau bestimmt, daß Anträge auf Tagesordnung und Vertagung der Diskussion den Vorzug haben sollen. Es handelt sich hier aber um Vertagung der Sitzung. Ich stelle daher die Frage: ob sofort zur Konstituirung des Bureaux übergegangen werden soll? (Unruhe, von vielen Seiten wird widersprochen. Moritz und Andere verlangen namentliche Abstimmung. Kuhrt, Parrisius, Dunker, Bornemann machen Bemerkungen über die Fragestellung. Der Präsident läutet fortwährend mit der Glocke. Er ruft: Hören Sie doch nur! — Weichsel: Dies Lokal ist nicht zum Hören. Man kann hier kein Wort verstehn!)

Endlich beginnt der Namensaufruf. Das Resultat ist: 113 für, 145 gegen die Vertagung.

Brünneck: Wir schreiten also sofort zur Konstituirung des Bureaus.

Schneider: (zur Geschäftsordnung.) Ich habe vorher schon darauf aufmerksam gemacht, daß das Präsidium damit beschäftigt ist (Lärm).

Brünneck: Das ist keine Bemerkung zur Geschäftsordnung.

Schneider: Diese wird sofort erfolgen; und ich glaube, daß die Redefreiheit auch in Brandenburg beachtet werden wird. Es sind noch mehrere Mitglieder hierher zu berufen. Als Sekretär der Nat.-Vers. weiß ich, daß über hundert Mitglieder noch nicht berufen sind. Der Antrag auf Vertagung erschien deshalb durchaus nothwendig. Gegenwärtig, da wir sehen, daß Sie auf die Vertagung nicht eingehen wollen, sind wir genöthigt für heute den Saal zu verlassen.

Baumstark. Es ist hier davon die Rede gewesen, daß ein Präsident von Unruh und Vicepräsidenten mit Einberufung von Abgeordneten beschäftigt sind. Wir kennen keinen Präsidenten v. Unruh. Die Wahlen, die am 12. Oktbr. stattgefunden haben, hatten mit dem 12. Novbr. ihre Wirkung verloren. Eine in der Zwischenzeit vorgenommene Wahl können wir nicht anerkennen,

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 159. Köln, Sonntag den 3. Dezember. 1848.</docDate>
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        <epigraph>
          <p> <hi rendition="#b">Keine Steuern mehr!!!</hi> </p>
        </epigraph>
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      <div rendition="#red">
        <p> <hi rendition="#b">Zweite Ausgabe.</hi> </p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 1. Dec.</head>
          <p>Von den Männern des Volkes in der Nat.-Vers. wird Keiner nach Brandenburg hinübergehen. Zwar hatten in den Berathungen der Fraktion Mylius die Abg. Stein und Reichenbach die Ansicht geltend gemacht, es sei zweckmäßig, nach Brandenburg zu gehen, um dort durch die Macht der Majorität das Ministerium zu stürzen. Es ward aber namentlich von D'Ester, Waldeck, Jakobi darauf hingewiesen, daß das Kabinet Manteuffel sich vor einer spätern Majorität eben so wenig zurückziehen werde, als es vor der fast einstimmig angenommenen Mißtrauensadresse der Nat.-Vers. zurückgetreten sei, daß man also nur eine fruchtlose Inkonsequenz begehen würde, während es dringend nöthig sei, durch unerschütterlich konsequentes Benehmen in den Augen des Volkes, das für Ehrenpunkte ein so feines Gefühl hat, die unbefleckteste Reinheit zu bewahren und sich so der Zukunft und dem, wenn auch verschobenen, doch unausbleiblichen Siege der Volkssache zu bewahren. Diese Ansicht hat denn auch das Uebergewicht erlangt und steht in der Folge davon zu erwarten, daß die hervorragendsten Männer der Linken binnen Kurzem ihr Mandat feierlich niederlegen und Berlin verlassen werden, um in den Provinzen die stillere, aber vielleicht fruchtbringendere Thätigkeit der Propaganda zu beginnen. Ein Gleiches werden auch die Herren Rodbertus, Unruh, Kirchmann, Berg, Schulze (Delitzsch) und andere Häupter des linken Centrums thun. Wenn übrigens das Centrum und einige Gebliebenen der Rechten nach Brandenburg hinübergegangen sind, so hat hierzu die Thätigkeit der zahllosen vom Klub Brünneck hieher gesandten und unablässig thätig gewesenen Emissäre keinen geringen Antheil.</p>
          <p>Heute erschien nach vierzehntägiger Unterbrechung auch die Nationalzeitung wieder. Ihr leitender Artikel fordert freilich deu Rücktritt des jetzigen Kabinets und eine demokratisch-konstitutionelle Monarchie, ist aber sonst ganz in jener alten, matten, schwankenden Weise gehalten, welche diesem Organ des Juste-milieu von Anfang an eigen war und aus der nur es in der ersten Hälfte des November durch die Gewalt der Ereignisse herausgedrängt worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar159-2_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 30. Nov.</head>
          <p>Auf die vom hiesigen reaktionären Magistrat erlassene Ansprache an die Berliner, ist folgende Erklärung erschienen:</p>
          <p>&#x201E;Der Magistrat der Stadt Berlin hat unter dem 21. d. M. eine Ansprache &#x201E;An unsere Mitbürger&#x201C; erlassen. Der Bezirks-Central-Verein, zusammengesetzt aus Deputirten der einzelnen Bezirks-Vereine der Stadt Berlin, hält es für seine Pflicht, dem Magistrat hiermit öffentlich entgegenzutreten.</p>
          <p>Berlin hat in keinem Moment seit der Revolution auf den Magistrat mit Vertrauen hingeblickt; unsere Mitbürger sind keinen Augenblick darüber zweifelhaft gewesen, daß sie in den Zeiten der Gefahr bei dem Magistrat nur Unentschlossenheit, in den Zeiten der Sicherheit nur Neigung zum Rückschritt erwarten dürften. Niemanden konnte es überraschen, als erst jetzt &#x201E;da die Aufregung des Augenblicks der vorurtheilsfreien Ueberlegung Raum gegeben hat&#x201C;, der Magistrat mit seiner Meinung hervortrat.</p>
          <p>Aber wohl konnte es überraschen, wohl konnte es jeden Freund des Rechts und der Wahrheit tief betrüben, daß die höchste Behörde der Stadt, entgegen der einmüthig geäußerten Willensmeinung der Bürgerschaft, die Nationalversammlung verläugnete, ja nicht genug damit, sie auf's gröbste anklagte, und um diese Anklagen zu stützen, auch die Bevölkerung der Stadt selbst, welche sie hätte vertreten sollen, durch die äußerste Entstellung der Thatsachen vor aller Welt zu brandmarken suchte.</p>
          <p>Der Bezirks-Central-Verein kann es unterlassen, die Nationalversammlung zu vertheidigen. Ihre Handlungen wird die Geschichte gerecht zu beurtheilen wissen. Sie wird nicht von einer &#x201E;Fraktion&#x201C; sprechen, welche &#x201E;die Fahne der Gesetzlosigkeit erhoben&#x201C; und &#x201E;die Bahn zum Bürgerkriege, zu dem Versuche, eine Republik herzustellen, eröffnet hat.&#x201C; Nein, sie wird von einer vollkommen beschlußfähigen Versammlung der Volksvertreter reden, welche den gesetzlichen Widerstand mit Muth und Konsequenz geübt hat.</p>
          <p>Allein der Bezirks-Central-Verein kann es nicht dulden, daß die Haltung Berlins, welches vor Allem befähigt ist, die Vertreter des Volks zu begreifen, irgendwie zweifelhaft erscheinen dürfe, und wenn es ihm auch unmöglich ist, den dunkeln Fleck auszulöschen, welcher durch die Schuld des Magistrats diese glänzenden Blätter der preußischen Geschichte verunziert, so hofft er doch von der Bevölkerung Berlins den Verdacht fern halten zu können, als sei sie an dem Verfahren von Männern betheiligt, welche niemals die Gesinnung der Stadt wahrhaft vertreten haben.</p>
          <p>Es ist uns nicht bekannt, daß der Magistrat &#x201E;seit den Tagen des März das Erwachen unseres Volkes zu nationaler Freiheit und politischer Mündigkeit mit Freude begrüßt hat, daß er sodann zur Feststellung der errungenen Freiheiten und Rechte des Volkes durch seine Mitwirkung an der Entwickelung des öffentlichen Lebens überhaupt, und namentlich bei der Organisation der Bürgerwehr, sowie bei der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung an seinem Theile beigetragen und die schwere Aufgabe zu lösen gesucht habe, in der Zeit allgemeiner Geschäftslosigkeit unseren ärmeren Mitbürgern lohnende Arbeit zu verschaffen.</p>
          <p>Im Gegentheil wissen wir nur, daß der Magistrat in einer durchaus zweifelhaften Haltung der Entwickelung der Dinge zugesehen hat, ohne seine Freude oder seine Theilnahme, welche gewiß von den segensreichsten Folgen gewesen sein würde, zu äußern; wir wissen nur, daß die meisten Mitglieder desselben gegen den offenen Ausdruck des Mißtrauens, der ihnen von der Bürgerschaft zu Theil wurde, stumm und zähe auf ihren Sitzen blieben; wir wissen nur, daß die Organisation der Bürgerwehr, welche die erste Bedingung der Sicherung unserer Zustände hätte sein können, von dem Magistrat vollkommen vernachlässigt ist, daß an den Orten, wo es darauf ankam, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, nie ein Magistratsmitglied sich hat sehen lassen, daß endlich das Geld der Bürgerschaft meist an Arbeiten ohne Nutzen und nicht selten an Arbeiten ohne Verdienst verschwendet worden ist.</p>
          <p>Es ist eine Unwahrheit, daß die National-Versammlung sich unter den Schutz &#x201E;der das Sitzungslokal belagernden Massen, denen sie den Ehrennamen Volk beigelegt,&#x201C; gestellt hat und daß dadurch &#x201E;die National-Versammlung oder die Regierung dem Terrorismus derer, welche jene Massen dirigirten, Preis gegeben war.&#x201C; Die National-Versammlung hat sich unter den Schutz der Bevölkerung Berlins gestellt, und sie durfte wohl erwarten, daß die städtischen Behörden es verstehen würden, an der Spitze dieser Bevölkerung, wo ihr Platz war, für den Schutz der National-Versammlung zu sorgen. Allein die städtischen Behörden glaubten genug gethan zu haben, indem sie einen ungesetzlich konstituirten Körper, dem sie den revolutionären Namen eines Sicherheitsausschusses beilegten zusammensetzten, um ja zur rechten Zeit Militär requiriren zu können. Da sie wußten, daß sie mit der Bevölkerung im Widerspruch waren, so dachten sie natürlich nur daran, sich eine äußere Hülfe zu sichern. Statt Maßregeln zu treffen, durch eine kompakte Organisation der Bürgerwehr und durch eine Stärkung des moralischen Einflusses der städtischen Behörden die Massen der Einwirkung jener gefürchteten Führer zu entziehen, und die Vertreter des Volkes vor jeder Unbill zu sichern, proklamirten sie durch die Installation jenes Sicherheitsausschusses selbst die Anarchie, die ihnen später als Grund für die Rechtfertigung der Gewaltstreiche eines von der ganzen Bevölkerung zurückgewiesenen Ministeriums dienen sollte.</p>
          <p>Die Vorwürfe, welche der Magistrat sich nicht scheut, auf die ehrenhafte National-Vrrsammlung zu schleudern, werfen wir auf ihn zurück. Er ist es, der durch seine volksfeindliche Haltung, durch seine Nachlässigkeit und Feigheit die Begriffe von Recht und Ordnung verwirrt, und das Gefühl für Gesittung abstumpft. Er ist es, der sich in den Tagen der Gefahr feig zurückzieht und nach der Herstellung der Ruhe böswillig hervortritt. Er hält jede Reaktion fär unmöglich! Freilich, wenn man selbst die Reaktion ist, wie könnte man sie vor sich sehen?</p>
          <p>Berlin, am 25. November 1848.</p>
          <p><hi rendition="#g">Der Bezirks-Central-Verein</hi>.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Brandenburg, 1. Dezember, 10 Uhr Vormittags.</head>
          <p>Heute Morgen um 9 Uhr sind an hundert Abgeordnete (das ganze linke Centrum, der Rest des Centrums mit dem Präsidenten Unruh und einige von der Linken) hier angekommen. Sie versammelten sich im Saale der Eisenbahn-Restauration um sich über den einzuschlagenden Weg zu berathen. Diese Abgeordnete sind von Berlin mit der Idee hierher gekommen, nur dann hier als National-Versammlung zu berathen, wenn sie für die Anerkennung aller in Berlin vom 9-15. November gefaßten Beschlüsse die Majorität gesichert sehen. In diesem Falle müßte die heutige Sitzung, unter dem Vorsitz des Präsidenten Unruh, mit Verlesung des Protokolls der Sitzung vom 15. November, der zuletzt in Berlin von der National-Versammlung im Mielentzschen Saal abgehaltenen, begonnen werden. &#x2014; Die äußerste Linke hat, in consequenter Verfolgung der früher einstimmig gefaßten Beschlüsse, jede Theilnahme an den hiesigen Versammlungen und an den Berathungen mit einem des Hochverraths für schuldig erklärten Ministerium, abgelehnt.</p>
          <p>Es ist unglaublich, welche verschiedenartige Mittel von der hier tagenden Partei im Laufe dieser Woche angewendet wurden, um die Versammlung bis zur beschlußfähigen Anzahl von 202 Mitgliedern zu bringen. Emissäre wurden täglich nach Berlin gesendet und verbreiteten dort im Publikum und in den verschiedenen Fraktionen der Abgeordneten daß die Andern nach Brandenburg gingen, ohne daß diese im Entferntesten daran dachten. Am Gravirendsten hat sich der Ex-Minister Milde bei diesen Werbungsversuchen benommen.</p>
          <p>Durch solche Mittel war es gelungen täglich mehrere Abgeordnete hierherzuziehen Die tyrannischen Verfolgungen und Gewaltstreiche, denen die Abgeordneten in Berlin unterworfen waren, trugen auch dazu bei, manchen Schwankenden hierher zu treiben.</p>
          <p><hi rendition="#b">Versammlung Brandenburg.</hi> Fünfte Sitzung. Um 11 Uhr 20 M. erklärt der Alters-Präsident Brünneck die Sitzung für eröffnet. Das Protokoll der gestrigen Sitzung wird verlesen. &#x2014; Ein Schreiben des Abgeordneten Lüdecke wird verlesen, womit derselbe sein Mandat niederlegt. Niemeyer aus Halle zeigt an, daß er in dem stenographischen Bericht vom 27. Nov. als fehlend bezeichnet ist, er habe aber schon am 14. Nov. sein Mandat niedergelegt und dies auch damals dem Präsidium der Nationalversammlung angezeigt. Das Ministerium ist in Folge dessen ersucht worden, eine Neuwahl anzuordnen.</p>
          <p>Der Namensaufruf beginnt. Während desselben treten über hundert Abgeordnete vom Centrum, linken Centrum und der äußersten Linken ein, namentlich: Kirchmann, Kämpf, Bucher, Schneider, Grebel, Dierschke, Dörk, Kosch, Krackrügge, Matthaei, Schaffraneck, Siebert, Wachsmuth, Weichsel, Borchard II. als Stellvertreter für Borchard I., u. A.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schneider</hi> verlangt das Wort zu einer persönlichen Bemerkung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brünneck</hi> glaubt, daß da die Versammlung heute beschlußfähig sein wird, man zuerst mit der Konstituirung des Bureau's vorangehen müsse. Es sei auch ein Antrag auf Vertagung gestellt, und das Resultat der Zählung werde bald proklamirt werden. Ich bin der Meinung, daß dies zuerst geschehe und dann sofort zur Konstituirung des Büreau's übergegangen werde, da vorauszusehen ist, daß wir heute beschlußfähig sein werden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schneider</hi> (zur Geschäftsordnung): Nach der Geschäftsordnung kann das Wort zu persönlichen Bemerkungen jederzeit genommen werden. Dies ist hier auch in den früheren Tagen geschehen, ohne daß die Versammlung vollständig war.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brünneck:</hi> Dies geschah, weil in diesen Tagen die Versammlung nicht vollzählig im Voraus zu erkennen war. Indeß werde ich den Beschluß der Versammlung einholen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Parrisius</hi> (zur Geschäftsordnung): Von den verehrten Mitgliedern, die sich von Anfang an in dieser Versammlung befunden haben, ich nenne z. B. Hrn. Reichensperger, ist anerkannt worden, daß wenngleich die Beschlußunfähigkeit der Nationalversammlung noch nicht feststand, das Wort zu persönlichen Bemerkungen gestattet werden mußte. Sie werden nicht inkonsequent sein, am wenisten, wenn es gilt, die Freiheit dieser Tribüne zu beschränken. Ich verlange, daß die Versammlung darüber beschließe, ob das Bureau erst zu konstituiren oder erst über die Vertagung abgestimmt werde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brünneck:</hi> Ich werde das Resultat der Zählung zunächst mittheilen; &#x201E;anwesend sind 260, entschuldigt 11, fehlend 131.&#x201C; Die Versammlung ist vollzählig; ich werde jetzt den Beschluß der Versammlung extrahiren. (Lärmender Widerspruch).</p>
          <p><hi rendition="#g">Dahne:</hi> Nach § 39 der Geschäftsordnung muß Jedem, der sich zu persönlichen Bemerkungen meldet, vor allen Andern das Wort gegeben werden. Ich protestire gegen jeden Beschluß der Versammlung daüber.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bauer:</hi> (Berlin) Es ist hier ein unnützer Streit. Ehe Sie nicht anerkannt haben, daß wir eine Versammlung sind, d. h. ehe wir nicht konstituirt sind, können Sie nicht das Geschäftsreglement auf uns anwenden. (Lärm vom Berge.) Wenn in dieser Weise wieder verhandelt werden soll, so werden wir die Wünsche des Landes nicht erfüllen können. Ich bitte mich von der Tribüne herab zu widerlegen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pelzer:</hi> Der § 39 lautet: &#x201E;Es <hi rendition="#g">können</hi> die Zulassung zum Worte verlangen:&#x2025;&#x2025; 2) Diejenigen, welche über eine persönliche Angelegenheit reden wollen.&#x201C; Daraus folgt nicht, daß die Versammlung Jeden hören müsse. Sollte dies zulässig sein, so würde die ganze Zeit mit persönlichen Bemerkungen hingehen. Was in Berlin geschehen ist, werden wir hier nimmermehr dulden. (Bravo rechts).</p>
          <p><hi rendition="#g">Dahne:</hi> Wenn Sie Beschluß fassen wollen, über eine persöuliche Bemerkung, so setzen Sie auch eine konstituirte Versammlung voraus.</p>
          <p><hi rendition="#g">Kämpf:</hi> Es ist gesagt worden, man werde hier nicht dulden, was man in Berlin geduldet habe. Aber das weiß ich, daß Sie gerecht auch hier werden sein <hi rendition="#g">wollen</hi>. Nicht zehn werdrn hier sein, die den Paragraphen 39 so auslegen werden, wie er eben ausgelegt wurde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wachsmuth:</hi> Ich frage Sie, meine Herren, ob Sie in diesen drei Tagen sich noch nicht auf die Geschäftsordnung berufen haben, obwohl Sie wußten, daß sie unbeschlußfähig waren. Ich bestreite dem Herrn Oberpräsidenteu das Recht einen Beschluß in dieser Beziehung zu veranlassen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brünneck:</hi> Ich bin vollkommen dieser Ansicht. Nur heute habe ich geglaubt, das dringende Geschäft der Konstituirung vor allen Dingen vornehmen zu müssen. Ich ertheile übrigens dem Herrn Abgeordneten Schneider das Wort zu einer persönlichen Bemerkung:</p>
          <p><hi rendition="#g">Schneider:</hi> Im Namen mehrerer meiner politischen Freunde und in meinem eigenen Namen lege ich folgende Erklärung nieder: &#x201E;Wir Unterzeichnete erklären, daß wir, festhaltend an den Beschluß der Nationalversammlung vom 9. November fortdauernd der Krone das Recht bestreiten, die Nationalversammlung von Berlin zu verlegen, sie zu vertagen oder aufzulösen. Nachdem die Fortsetzung der Berathungen der Nationalversammlung in Berlin durch Militärgewalt verhindert, und versucht worden ist, wenn auch auch auf ungesetzlichem Wege, die hiesige Minorität durch Einberufung der Stellvertreter zu vervollständigen, erscheinen wir hier in Brandenburg, alle andere Rücksichten dem Wohle des Landes opfernd.&#x201C; (Folgen etwa 40 Unterschriften, die Namen v. Unruh, Philips, Plönies, und Schneider an der Spitze.)</p>
          <p>Hierbei habe ich zu bemerken, und Ihnen im Auftrage des Präsidiums mitzutheilen, daß die Präsidenten v. Unruh, Philips und Plönies hier nicht haben erscheinen können, weil sie mit der Einberufung der noch fehlenden Mitglieder der Nationalversammlung nach Brandenburg noch beschäftigt sind. (Lachen auf der Rechten. Eine Stimme: &#x201E;Das ist doch zu arg!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Brünneck:</hi> Es liegt ein Antrag des Abgeordneten Parrisius vor, auf Vertagung der Sitzung bis Montag 10 Uhr. Ich muß bemerken, daß §. 31 sehr genau bestimmt, daß Anträge auf Tagesordnung und Vertagung der Diskussion den Vorzug haben sollen. Es handelt sich hier aber um Vertagung der Sitzung. Ich stelle daher die Frage: ob sofort zur Konstituirung des Bureaux übergegangen werden soll? (Unruhe, von vielen Seiten wird widersprochen. Moritz und Andere verlangen namentliche Abstimmung. Kuhrt, Parrisius, Dunker, Bornemann machen Bemerkungen über die Fragestellung. Der Präsident läutet fortwährend mit der Glocke. Er ruft: Hören Sie doch nur! &#x2014; Weichsel: Dies Lokal ist nicht zum Hören. Man kann hier kein Wort verstehn!)</p>
          <p>Endlich beginnt der Namensaufruf. Das Resultat ist: 113 für, 145 gegen die Vertagung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brünneck:</hi> Wir schreiten also sofort zur Konstituirung des Bureaus.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schneider:</hi> (zur Geschäftsordnung.) Ich habe vorher schon darauf aufmerksam gemacht, daß das Präsidium damit beschäftigt ist (Lärm).</p>
          <p><hi rendition="#g">Brünneck:</hi> Das ist keine Bemerkung zur Geschäftsordnung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schneider:</hi> Diese wird sofort erfolgen; und ich glaube, daß die Redefreiheit auch in Brandenburg beachtet werden wird. Es sind noch mehrere Mitglieder hierher zu berufen. Als Sekretär der Nat.-Vers. weiß ich, daß über hundert Mitglieder noch nicht berufen sind. Der Antrag auf Vertagung erschien deshalb durchaus nothwendig. Gegenwärtig, da wir sehen, daß Sie auf die Vertagung nicht eingehen wollen, sind wir genöthigt für heute den Saal zu verlassen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Baumstark</hi>. Es ist hier davon die Rede gewesen, daß ein Präsident von <hi rendition="#g">Unruh</hi> und Vicepräsidenten mit Einberufung von Abgeordneten beschäftigt sind. Wir kennen keinen Präsidenten v. <hi rendition="#g">Unruh</hi>. Die Wahlen, die am 12. Oktbr. stattgefunden haben, hatten mit dem 12. Novbr. ihre Wirkung verloren. Eine in der Zwischenzeit vorgenommene Wahl können wir nicht anerkennen,
</p>
        </div>
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</TEI>
[0847/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 159. Köln, Sonntag den 3. Dezember. 1848. Keine Steuern mehr!!! Zweite Ausgabe. Deutschland. * Berlin, 1. Dec. Von den Männern des Volkes in der Nat.-Vers. wird Keiner nach Brandenburg hinübergehen. Zwar hatten in den Berathungen der Fraktion Mylius die Abg. Stein und Reichenbach die Ansicht geltend gemacht, es sei zweckmäßig, nach Brandenburg zu gehen, um dort durch die Macht der Majorität das Ministerium zu stürzen. Es ward aber namentlich von D'Ester, Waldeck, Jakobi darauf hingewiesen, daß das Kabinet Manteuffel sich vor einer spätern Majorität eben so wenig zurückziehen werde, als es vor der fast einstimmig angenommenen Mißtrauensadresse der Nat.-Vers. zurückgetreten sei, daß man also nur eine fruchtlose Inkonsequenz begehen würde, während es dringend nöthig sei, durch unerschütterlich konsequentes Benehmen in den Augen des Volkes, das für Ehrenpunkte ein so feines Gefühl hat, die unbefleckteste Reinheit zu bewahren und sich so der Zukunft und dem, wenn auch verschobenen, doch unausbleiblichen Siege der Volkssache zu bewahren. Diese Ansicht hat denn auch das Uebergewicht erlangt und steht in der Folge davon zu erwarten, daß die hervorragendsten Männer der Linken binnen Kurzem ihr Mandat feierlich niederlegen und Berlin verlassen werden, um in den Provinzen die stillere, aber vielleicht fruchtbringendere Thätigkeit der Propaganda zu beginnen. Ein Gleiches werden auch die Herren Rodbertus, Unruh, Kirchmann, Berg, Schulze (Delitzsch) und andere Häupter des linken Centrums thun. Wenn übrigens das Centrum und einige Gebliebenen der Rechten nach Brandenburg hinübergegangen sind, so hat hierzu die Thätigkeit der zahllosen vom Klub Brünneck hieher gesandten und unablässig thätig gewesenen Emissäre keinen geringen Antheil. Heute erschien nach vierzehntägiger Unterbrechung auch die Nationalzeitung wieder. Ihr leitender Artikel fordert freilich deu Rücktritt des jetzigen Kabinets und eine demokratisch-konstitutionelle Monarchie, ist aber sonst ganz in jener alten, matten, schwankenden Weise gehalten, welche diesem Organ des Juste-milieu von Anfang an eigen war und aus der nur es in der ersten Hälfte des November durch die Gewalt der Ereignisse herausgedrängt worden. * Berlin, 30. Nov. Auf die vom hiesigen reaktionären Magistrat erlassene Ansprache an die Berliner, ist folgende Erklärung erschienen: „Der Magistrat der Stadt Berlin hat unter dem 21. d. M. eine Ansprache „An unsere Mitbürger“ erlassen. Der Bezirks-Central-Verein, zusammengesetzt aus Deputirten der einzelnen Bezirks-Vereine der Stadt Berlin, hält es für seine Pflicht, dem Magistrat hiermit öffentlich entgegenzutreten. Berlin hat in keinem Moment seit der Revolution auf den Magistrat mit Vertrauen hingeblickt; unsere Mitbürger sind keinen Augenblick darüber zweifelhaft gewesen, daß sie in den Zeiten der Gefahr bei dem Magistrat nur Unentschlossenheit, in den Zeiten der Sicherheit nur Neigung zum Rückschritt erwarten dürften. Niemanden konnte es überraschen, als erst jetzt „da die Aufregung des Augenblicks der vorurtheilsfreien Ueberlegung Raum gegeben hat“, der Magistrat mit seiner Meinung hervortrat. Aber wohl konnte es überraschen, wohl konnte es jeden Freund des Rechts und der Wahrheit tief betrüben, daß die höchste Behörde der Stadt, entgegen der einmüthig geäußerten Willensmeinung der Bürgerschaft, die Nationalversammlung verläugnete, ja nicht genug damit, sie auf's gröbste anklagte, und um diese Anklagen zu stützen, auch die Bevölkerung der Stadt selbst, welche sie hätte vertreten sollen, durch die äußerste Entstellung der Thatsachen vor aller Welt zu brandmarken suchte. Der Bezirks-Central-Verein kann es unterlassen, die Nationalversammlung zu vertheidigen. Ihre Handlungen wird die Geschichte gerecht zu beurtheilen wissen. Sie wird nicht von einer „Fraktion“ sprechen, welche „die Fahne der Gesetzlosigkeit erhoben“ und „die Bahn zum Bürgerkriege, zu dem Versuche, eine Republik herzustellen, eröffnet hat.“ Nein, sie wird von einer vollkommen beschlußfähigen Versammlung der Volksvertreter reden, welche den gesetzlichen Widerstand mit Muth und Konsequenz geübt hat. Allein der Bezirks-Central-Verein kann es nicht dulden, daß die Haltung Berlins, welches vor Allem befähigt ist, die Vertreter des Volks zu begreifen, irgendwie zweifelhaft erscheinen dürfe, und wenn es ihm auch unmöglich ist, den dunkeln Fleck auszulöschen, welcher durch die Schuld des Magistrats diese glänzenden Blätter der preußischen Geschichte verunziert, so hofft er doch von der Bevölkerung Berlins den Verdacht fern halten zu können, als sei sie an dem Verfahren von Männern betheiligt, welche niemals die Gesinnung der Stadt wahrhaft vertreten haben. Es ist uns nicht bekannt, daß der Magistrat „seit den Tagen des März das Erwachen unseres Volkes zu nationaler Freiheit und politischer Mündigkeit mit Freude begrüßt hat, daß er sodann zur Feststellung der errungenen Freiheiten und Rechte des Volkes durch seine Mitwirkung an der Entwickelung des öffentlichen Lebens überhaupt, und namentlich bei der Organisation der Bürgerwehr, sowie bei der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung an seinem Theile beigetragen und die schwere Aufgabe zu lösen gesucht habe, in der Zeit allgemeiner Geschäftslosigkeit unseren ärmeren Mitbürgern lohnende Arbeit zu verschaffen. Im Gegentheil wissen wir nur, daß der Magistrat in einer durchaus zweifelhaften Haltung der Entwickelung der Dinge zugesehen hat, ohne seine Freude oder seine Theilnahme, welche gewiß von den segensreichsten Folgen gewesen sein würde, zu äußern; wir wissen nur, daß die meisten Mitglieder desselben gegen den offenen Ausdruck des Mißtrauens, der ihnen von der Bürgerschaft zu Theil wurde, stumm und zähe auf ihren Sitzen blieben; wir wissen nur, daß die Organisation der Bürgerwehr, welche die erste Bedingung der Sicherung unserer Zustände hätte sein können, von dem Magistrat vollkommen vernachlässigt ist, daß an den Orten, wo es darauf ankam, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, nie ein Magistratsmitglied sich hat sehen lassen, daß endlich das Geld der Bürgerschaft meist an Arbeiten ohne Nutzen und nicht selten an Arbeiten ohne Verdienst verschwendet worden ist. Es ist eine Unwahrheit, daß die National-Versammlung sich unter den Schutz „der das Sitzungslokal belagernden Massen, denen sie den Ehrennamen Volk beigelegt,“ gestellt hat und daß dadurch „die National-Versammlung oder die Regierung dem Terrorismus derer, welche jene Massen dirigirten, Preis gegeben war.“ Die National-Versammlung hat sich unter den Schutz der Bevölkerung Berlins gestellt, und sie durfte wohl erwarten, daß die städtischen Behörden es verstehen würden, an der Spitze dieser Bevölkerung, wo ihr Platz war, für den Schutz der National-Versammlung zu sorgen. Allein die städtischen Behörden glaubten genug gethan zu haben, indem sie einen ungesetzlich konstituirten Körper, dem sie den revolutionären Namen eines Sicherheitsausschusses beilegten zusammensetzten, um ja zur rechten Zeit Militär requiriren zu können. Da sie wußten, daß sie mit der Bevölkerung im Widerspruch waren, so dachten sie natürlich nur daran, sich eine äußere Hülfe zu sichern. Statt Maßregeln zu treffen, durch eine kompakte Organisation der Bürgerwehr und durch eine Stärkung des moralischen Einflusses der städtischen Behörden die Massen der Einwirkung jener gefürchteten Führer zu entziehen, und die Vertreter des Volkes vor jeder Unbill zu sichern, proklamirten sie durch die Installation jenes Sicherheitsausschusses selbst die Anarchie, die ihnen später als Grund für die Rechtfertigung der Gewaltstreiche eines von der ganzen Bevölkerung zurückgewiesenen Ministeriums dienen sollte. Die Vorwürfe, welche der Magistrat sich nicht scheut, auf die ehrenhafte National-Vrrsammlung zu schleudern, werfen wir auf ihn zurück. Er ist es, der durch seine volksfeindliche Haltung, durch seine Nachlässigkeit und Feigheit die Begriffe von Recht und Ordnung verwirrt, und das Gefühl für Gesittung abstumpft. Er ist es, der sich in den Tagen der Gefahr feig zurückzieht und nach der Herstellung der Ruhe böswillig hervortritt. Er hält jede Reaktion fär unmöglich! Freilich, wenn man selbst die Reaktion ist, wie könnte man sie vor sich sehen? Berlin, am 25. November 1848. Der Bezirks-Central-Verein. * Brandenburg, 1. Dezember, 10 Uhr Vormittags. Heute Morgen um 9 Uhr sind an hundert Abgeordnete (das ganze linke Centrum, der Rest des Centrums mit dem Präsidenten Unruh und einige von der Linken) hier angekommen. Sie versammelten sich im Saale der Eisenbahn-Restauration um sich über den einzuschlagenden Weg zu berathen. Diese Abgeordnete sind von Berlin mit der Idee hierher gekommen, nur dann hier als National-Versammlung zu berathen, wenn sie für die Anerkennung aller in Berlin vom 9-15. November gefaßten Beschlüsse die Majorität gesichert sehen. In diesem Falle müßte die heutige Sitzung, unter dem Vorsitz des Präsidenten Unruh, mit Verlesung des Protokolls der Sitzung vom 15. November, der zuletzt in Berlin von der National-Versammlung im Mielentzschen Saal abgehaltenen, begonnen werden. — Die äußerste Linke hat, in consequenter Verfolgung der früher einstimmig gefaßten Beschlüsse, jede Theilnahme an den hiesigen Versammlungen und an den Berathungen mit einem des Hochverraths für schuldig erklärten Ministerium, abgelehnt. Es ist unglaublich, welche verschiedenartige Mittel von der hier tagenden Partei im Laufe dieser Woche angewendet wurden, um die Versammlung bis zur beschlußfähigen Anzahl von 202 Mitgliedern zu bringen. Emissäre wurden täglich nach Berlin gesendet und verbreiteten dort im Publikum und in den verschiedenen Fraktionen der Abgeordneten daß die Andern nach Brandenburg gingen, ohne daß diese im Entferntesten daran dachten. Am Gravirendsten hat sich der Ex-Minister Milde bei diesen Werbungsversuchen benommen. Durch solche Mittel war es gelungen täglich mehrere Abgeordnete hierherzuziehen Die tyrannischen Verfolgungen und Gewaltstreiche, denen die Abgeordneten in Berlin unterworfen waren, trugen auch dazu bei, manchen Schwankenden hierher zu treiben. Versammlung Brandenburg. Fünfte Sitzung. Um 11 Uhr 20 M. erklärt der Alters-Präsident Brünneck die Sitzung für eröffnet. Das Protokoll der gestrigen Sitzung wird verlesen. — Ein Schreiben des Abgeordneten Lüdecke wird verlesen, womit derselbe sein Mandat niederlegt. Niemeyer aus Halle zeigt an, daß er in dem stenographischen Bericht vom 27. Nov. als fehlend bezeichnet ist, er habe aber schon am 14. Nov. sein Mandat niedergelegt und dies auch damals dem Präsidium der Nationalversammlung angezeigt. Das Ministerium ist in Folge dessen ersucht worden, eine Neuwahl anzuordnen. Der Namensaufruf beginnt. Während desselben treten über hundert Abgeordnete vom Centrum, linken Centrum und der äußersten Linken ein, namentlich: Kirchmann, Kämpf, Bucher, Schneider, Grebel, Dierschke, Dörk, Kosch, Krackrügge, Matthaei, Schaffraneck, Siebert, Wachsmuth, Weichsel, Borchard II. als Stellvertreter für Borchard I., u. A. Schneider verlangt das Wort zu einer persönlichen Bemerkung. Brünneck glaubt, daß da die Versammlung heute beschlußfähig sein wird, man zuerst mit der Konstituirung des Bureau's vorangehen müsse. Es sei auch ein Antrag auf Vertagung gestellt, und das Resultat der Zählung werde bald proklamirt werden. Ich bin der Meinung, daß dies zuerst geschehe und dann sofort zur Konstituirung des Büreau's übergegangen werde, da vorauszusehen ist, daß wir heute beschlußfähig sein werden. Schneider (zur Geschäftsordnung): Nach der Geschäftsordnung kann das Wort zu persönlichen Bemerkungen jederzeit genommen werden. Dies ist hier auch in den früheren Tagen geschehen, ohne daß die Versammlung vollständig war. Brünneck: Dies geschah, weil in diesen Tagen die Versammlung nicht vollzählig im Voraus zu erkennen war. Indeß werde ich den Beschluß der Versammlung einholen. Parrisius (zur Geschäftsordnung): Von den verehrten Mitgliedern, die sich von Anfang an in dieser Versammlung befunden haben, ich nenne z. B. Hrn. Reichensperger, ist anerkannt worden, daß wenngleich die Beschlußunfähigkeit der Nationalversammlung noch nicht feststand, das Wort zu persönlichen Bemerkungen gestattet werden mußte. Sie werden nicht inkonsequent sein, am wenisten, wenn es gilt, die Freiheit dieser Tribüne zu beschränken. Ich verlange, daß die Versammlung darüber beschließe, ob das Bureau erst zu konstituiren oder erst über die Vertagung abgestimmt werde. Brünneck: Ich werde das Resultat der Zählung zunächst mittheilen; „anwesend sind 260, entschuldigt 11, fehlend 131.“ Die Versammlung ist vollzählig; ich werde jetzt den Beschluß der Versammlung extrahiren. (Lärmender Widerspruch). Dahne: Nach § 39 der Geschäftsordnung muß Jedem, der sich zu persönlichen Bemerkungen meldet, vor allen Andern das Wort gegeben werden. Ich protestire gegen jeden Beschluß der Versammlung daüber. Bauer: (Berlin) Es ist hier ein unnützer Streit. Ehe Sie nicht anerkannt haben, daß wir eine Versammlung sind, d. h. ehe wir nicht konstituirt sind, können Sie nicht das Geschäftsreglement auf uns anwenden. (Lärm vom Berge.) Wenn in dieser Weise wieder verhandelt werden soll, so werden wir die Wünsche des Landes nicht erfüllen können. Ich bitte mich von der Tribüne herab zu widerlegen. Pelzer: Der § 39 lautet: „Es können die Zulassung zum Worte verlangen:‥‥ 2) Diejenigen, welche über eine persönliche Angelegenheit reden wollen.“ Daraus folgt nicht, daß die Versammlung Jeden hören müsse. Sollte dies zulässig sein, so würde die ganze Zeit mit persönlichen Bemerkungen hingehen. Was in Berlin geschehen ist, werden wir hier nimmermehr dulden. (Bravo rechts). Dahne: Wenn Sie Beschluß fassen wollen, über eine persöuliche Bemerkung, so setzen Sie auch eine konstituirte Versammlung voraus. Kämpf: Es ist gesagt worden, man werde hier nicht dulden, was man in Berlin geduldet habe. Aber das weiß ich, daß Sie gerecht auch hier werden sein wollen. Nicht zehn werdrn hier sein, die den Paragraphen 39 so auslegen werden, wie er eben ausgelegt wurde. Wachsmuth: Ich frage Sie, meine Herren, ob Sie in diesen drei Tagen sich noch nicht auf die Geschäftsordnung berufen haben, obwohl Sie wußten, daß sie unbeschlußfähig waren. Ich bestreite dem Herrn Oberpräsidenteu das Recht einen Beschluß in dieser Beziehung zu veranlassen. Brünneck: Ich bin vollkommen dieser Ansicht. Nur heute habe ich geglaubt, das dringende Geschäft der Konstituirung vor allen Dingen vornehmen zu müssen. Ich ertheile übrigens dem Herrn Abgeordneten Schneider das Wort zu einer persönlichen Bemerkung: Schneider: Im Namen mehrerer meiner politischen Freunde und in meinem eigenen Namen lege ich folgende Erklärung nieder: „Wir Unterzeichnete erklären, daß wir, festhaltend an den Beschluß der Nationalversammlung vom 9. November fortdauernd der Krone das Recht bestreiten, die Nationalversammlung von Berlin zu verlegen, sie zu vertagen oder aufzulösen. Nachdem die Fortsetzung der Berathungen der Nationalversammlung in Berlin durch Militärgewalt verhindert, und versucht worden ist, wenn auch auch auf ungesetzlichem Wege, die hiesige Minorität durch Einberufung der Stellvertreter zu vervollständigen, erscheinen wir hier in Brandenburg, alle andere Rücksichten dem Wohle des Landes opfernd.“ (Folgen etwa 40 Unterschriften, die Namen v. Unruh, Philips, Plönies, und Schneider an der Spitze.) Hierbei habe ich zu bemerken, und Ihnen im Auftrage des Präsidiums mitzutheilen, daß die Präsidenten v. Unruh, Philips und Plönies hier nicht haben erscheinen können, weil sie mit der Einberufung der noch fehlenden Mitglieder der Nationalversammlung nach Brandenburg noch beschäftigt sind. (Lachen auf der Rechten. Eine Stimme: „Das ist doch zu arg!) Brünneck: Es liegt ein Antrag des Abgeordneten Parrisius vor, auf Vertagung der Sitzung bis Montag 10 Uhr. Ich muß bemerken, daß §. 31 sehr genau bestimmt, daß Anträge auf Tagesordnung und Vertagung der Diskussion den Vorzug haben sollen. Es handelt sich hier aber um Vertagung der Sitzung. Ich stelle daher die Frage: ob sofort zur Konstituirung des Bureaux übergegangen werden soll? (Unruhe, von vielen Seiten wird widersprochen. Moritz und Andere verlangen namentliche Abstimmung. Kuhrt, Parrisius, Dunker, Bornemann machen Bemerkungen über die Fragestellung. Der Präsident läutet fortwährend mit der Glocke. Er ruft: Hören Sie doch nur! — Weichsel: Dies Lokal ist nicht zum Hören. Man kann hier kein Wort verstehn!) Endlich beginnt der Namensaufruf. Das Resultat ist: 113 für, 145 gegen die Vertagung. Brünneck: Wir schreiten also sofort zur Konstituirung des Bureaus. Schneider: (zur Geschäftsordnung.) Ich habe vorher schon darauf aufmerksam gemacht, daß das Präsidium damit beschäftigt ist (Lärm). Brünneck: Das ist keine Bemerkung zur Geschäftsordnung. Schneider: Diese wird sofort erfolgen; und ich glaube, daß die Redefreiheit auch in Brandenburg beachtet werden wird. Es sind noch mehrere Mitglieder hierher zu berufen. Als Sekretär der Nat.-Vers. weiß ich, daß über hundert Mitglieder noch nicht berufen sind. Der Antrag auf Vertagung erschien deshalb durchaus nothwendig. Gegenwärtig, da wir sehen, daß Sie auf die Vertagung nicht eingehen wollen, sind wir genöthigt für heute den Saal zu verlassen. Baumstark. Es ist hier davon die Rede gewesen, daß ein Präsident von Unruh und Vicepräsidenten mit Einberufung von Abgeordneten beschäftigt sind. Wir kennen keinen Präsidenten v. Unruh. Die Wahlen, die am 12. Oktbr. stattgefunden haben, hatten mit dem 12. Novbr. ihre Wirkung verloren. Eine in der Zwischenzeit vorgenommene Wahl können wir nicht anerkennen,

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 159. Köln, 3. Dezember 1848. Zweite Ausgabe, S. 0847. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz159ii_1848/1>, abgerufen am 03.12.2024.