Neue Rheinische Zeitung. Nr. 159. Köln, 3. Dezember 1848.ist. Einer der Thäter hat schon am Nachmittage einem Schenkwirth erklärt, daß sein Lieutenant ihn zum Einhauen gegen die Demokraten aufgefordert habe; auch hat eine Dame gehört, wie ein Offizier den nach der Volksversammlung ziehenden Schaaren zugerufen, sie mögten tapfer zuhauen, leider kennt sie den Offizier nicht. Von den täglich unter unsere Soldaten vertheilten Proklamationen ist mir eine zu Gesicht gekommen, die an Niederträchtigkeit Alles der Art überbietet. Sie enthält ein Sündenregister der preuß. Nationalversammlung. Folgende Pröbchen mögen genügen: "Sie (die Nat.-Vers.) hat die Abschaffung der Todesstrafe beschlossen, so daß der Mörder und der Hochverräther dafür, daß er anderer Leute Leben in die Schanze schlägt, mit heiler Haut davonkommt." Sie hat ein Gesetz über die persönliche Freiheit durchgesetzt, die sogenannte Habeas-Corpus-Akte, wovon hauptsächlich die Spitzbuben und Vagabonden profitiren, die gegen Verhaftungen und Haussuchungen gesichert sind, wenn sie nicht auf der That erwischt werden." Ist in diesen Stellen die Niederträchtigkeit, so ist an der folgenden die Dummheit zu bewundern: "Sie hat den Adel abgeschafft, was eben so lächerlich ist, als wenn sie den Bürgerstand oder den Bauernstand abschaffen wollte." Alle diese Machwerke kommen aus Potsdam, werden aber von den Gebrüdern Coppenrath, Verlegern und Redakteuren des Westf. Merkurs bereitwillig nachgedruckt. Und doch weigerten sich dieselben noch vor wenigen Monaten, die Verhandlungen des entschlafenen konstitutionellen Vereins, der eher ein demokratischer zu nennen war, unter dem Vorwande, gar nichts "Politisches" drucken zu wollen, zu drucken. Ein Beweis von dem politischen Umschwunge des Münsterlandes ist die gestern im Kreise Koesfeld vorgenommene Wahl eines Deputirten und Stellvertreters für Berlin. Es wurden gewählt: der durch seinen Protest gegen die Vornahme von Wahlen zur Reichsversammlung im Großh. Posen bekannte O.-L.-G.-Assessor Fischer, welcher als Stellvertreter unseres Deputirten getreulich in Berlin ausgehalten und sich auf die Linke gesetzt hat; ferner als Stellvertreter der Bauernadvokat Gierse, dessen Wahl bisher die Geistlichen hintertrieben hatten. Es ist dies die erste vernünftige Wahl im Münsterlande; die bisherigen Wahlen gingen lediglich vom katholischen Vereine hierselbst aus, der eben, seitdem er jüngst erklärt hat, der König sei nicht verpflichtet, seine ihm im März "abgedrungenen" Versprechungen zu halten (also eine Rechtfertigung des Meineids), ferner: Blum sei ein Räuber, dem ganz recht geschehen, allen Halt im Volke verloren hat. X Berlin, 30. Nov. Wie Wrangel die Abgeordneten der preußischen Nation, einer Nation von 16 Millionen Menschen behandelt, davon liefert nicht allein das Ihren Lesern schon mitgetheilte Protokoll, sondern auch seine im preußischen Staatsanzeiger erscheinenden Verordnungen und Befehle die schönsten Proben. Am 27. d. M. sind wir nur dreimal mit Bajonetten aus unsern Hotels verjagt worden. Ein Gast (noch dazu nicht Abgeordneter, der bei Mylius logirte) fragte den Führer der Truppe, einen Major v. Pleß: "Aber darf man denn nicht in einem Wirthshause, wo man als Fremder wohnt, essen und trinken, und sich dabei unterhalten?" -- "Jawohl, antwortete der Major v. Pleß, das dürfen Sie, meine Herren, aber die Unterhaltung muß ganz harmlos sein. Geben Sie mir ihr Ehrenwort, nicht über Politik zu sprechen, so können Sie alle ungestört hier bleiben." Das Ehrenwort wurde natürlich geweigert, und die Gäste von den Soldaten vor die Thüre geführt, wo eine ganze Kompagnie Soldaten mit aufgezogenem Hahne aufgestellt war. Bei dieser letzten Exekution entwickelte ein Lieutenant v. Blücher, ein Enkel des Fürsten v. Wahlstadt, eine besondere Thätigkeit. Einer der Soldaten sagte mir leise, auf den Blücher zeigend, "dieser gehört gar nicht zu uns, er hat sich als Freiwilliger gemeldet, um die Herren Abgeordneten zu verjagen, was unsere Offiziere ungern thun. Er war auch mit im Schützenhause, wo man die Herren vertrieben hat." Die sämmtlichen gedruckten Exemplare des Protokolls sind dem Boten, welcher solche den Deputirten zubringen sollte, von den Konstablern auf der Straße geraubt worden. Man erfuhr dadurch, daß solche aus der Druckerei des Abgeordneten Bernardi kommen. In der nämlichen Nacht drang ein Trupp Soldaten in des letztern Haus, zerstörte seine Pressen, und raubte ihre sämmtliche Drucksachen und Manuscripte ohne Unterschied des Gegenstandes und ohne solche zu inventarisiren oder zu versiegeln. Gestern wollten die noch hier anwesenden Deputirten ein gemeinsames Abschiedsmahl bei Mielenz halten. Wrangel hat dies aber dadurch vereitelt, daß er dem Wirth sagen ließ, er werde, wenn das Mahl stattfinde, nicht blos die Gäste auseinandertreiben, sondern auch das Wirthschaftslokal schließen lassen. Auf heute Abend sind wir alle zu einem Souper bei einem Gutsbesitzer zu Moabit bei Berlin eingeladen. Mich soll wundern, ob wir nicht auch dort, aus einem Privathause verjagt werden. Ein Wrangel ist zu allem fähig! So eben, nachdem ich den Brief bereits geschlossen hatte, erfahre ich folgende neue Schandthat des Hrn. Wrangel. Ein Hauptmann mit 30 Mann ist in die Privatwohnung des Abgeordneten Hildenhagen hierselbst eingedrungen, während zwei Kompagnien vor dem Hause aufgestellt waren. Der Hauptmann ließ während der Abwesenheit des Hildenhagen, nachdem er den Hausbewohnern bei Strafe des Erschießens befahl, das Haus nicht eher zu verlassen, bis er dies erlaubt habe, das Schreibpult und mehre verschlossene Schränke des Hildenhagen erbrechen, und nahm sämmtliche darin befindliche Papiere, sogar die Korrespondenz mit seiner Frau heraus, und schleppte solche aus dem Hause, ohne ein Verzeichniß anzufertigen oder die Papiere zu versiegeln. Hildenhagen ist Sekretär der Nationalversammlung. 14 Berlin, 30. November. Es ist ein sehr ekelhaftes Treiben hier drinnen und da draußen. Rohe Gewalt und passiver Widerstand, Hunger und Aufgeblasenheit, superkluge Heuchelei und elende Feigheit. Schon wankt die Consequenz mancher Vereinbarer -- sie weisen die Möglichkeit: dem Gottesgnadendienste im Brandenburger Dome beizuwohnen, nicht mehr wie früher, barsch zurück. Die Einberufung der Stellvertreter wird das Signal zur offenen Parteischeidung geben. -- Nach manchen Fadheiten macht das Benehmen eines bäuerlichen Abgeordneten einen wohlthuenden Eindruck. Der Mann hatte sich als Zuschauer nach Brandenburg begeben, und wird bemerkt. Einer der tagenden Unterthanen, der ihm befreundet ist, geht auf den Zuschauerraum, und bittet ihn, in die Versammlung zu kommen, weil ihn der Minister zu sprechen wünsche. Er folgt und die Excellenz hält ihm eine Pauke, des Inhalts, daß doch eigentlich der Landmann alle Kosten des Umzugs nach Brandenburg zu zahlen habe, falls durch den Eigensinn der Abgeordneten die Versammlung nicht beschlußfähig werde. Des eigenen Interesse wegen müsse er also eintreten etc. Der Bauer schweigt und wird nun vom Alterspräsidenten abordirt, der ihm Vorwürfe macht, daß er beim Namensaufruf seinen Namen nicht genannt habe. Er antwortet: nicht zugegen gewesen zu sein, worauf der Präsident ihn zur nachträglichen Einzeichnung auffordert. J[unleserliches Material] nein, erwidert nun der Mann, ich gehe hin, woher ich kam -- und er geht wieder auf den Zuhörerraum. -- Als Gegensatz hier noch das saubere Benehmen eines bürgerlichen Deputirten. Derselbe soll sich von dem hiesigen Präsidenten Vorschuß-Diäten haben ausbezahlen lassen, dann nach Brandenburg gereist sein, und von dem dortigen Bureau nochmals Diäten verlangt und empfangen haben. Eine hübsche Industrie in unserer Zeit der schweren Noth. Vorgestern schlug ein Freiwilliger einen Offizier, der ihn beleidigte, dermaßen, daß er in's Lazareth getragen werden mußte. Der Freiwillige entfloh. Gestern schlug auf offener Straße ein Offizier einen Civilisten in's Gesicht, und als dieser mit Hülfe Anderer über den Helden her wollte, wurde er verhaftet. Heute zog ein Haufe Volk durch die Straßen, und verlangte stürmisch die Verhaftung des Offiziers. Das erste Zeichen, daß die "Erbitterung" der "schlechten" Bürger zu Tage tritt. Dafür aber manifestirt sich die "Seligkeit" der "guten" Bürger immer schamloser. Für den Pacifikator Wrangel haben sie einen Ehrensäbel bestellt. Es kommt den Andern vor, wie das Kind, das seine Ruthe küsst; denn -- wahrhaftig der Stillstand der Geschäfte, die Verdienstlosigkeit im Belagerungszustande sind rein fabelhafter Natur. -- Morgen wird die Nationalzeitung wieder erscheinen dürfen. * Berlin, 30. November. In der bekannten "Kreuzritterin" lesen wir folgende Mittheilung: "Gestern hat Hr. Heinrich v. Gagern dem General v. Wrangel einen Besuch gesuch gemacht und demselben seine Beistimmung zu den bisher getroffenen Maßregeln zu erkennen gegeben; weniger gleichartig sollen die Ansichten beider Herren in Bezug auf die Anforderungen der Zukunft gewesen sein." In dem nämlichen Blatte (dem Organ der Manteuffel, Brandenburg etc.) heißt es wörtlich: "Die Ansprache des Reichsverwesers: "An das deutsche Volk" wird schwerlich im Allgemeinen den gehofften und beabsichtigten guten Eindruck machen. Abgesehen von dem guten Zweck, ist sie in einem Ton gehalten, welcher schwerlich der Liebe des preußischen Volkes zu seinem angestammten Königshause zusagen dürfte. Wenn die zu Frankfurt versammelten Vertreter des deutschen Volkes, Worte des Friedens gesprochen, so ist dies sehr lobenswerth, wenn sie sich aber über das redliche Wollen unseres hochverehrten Königs mit diktatorischen Befehlen, hinausstellt, so ist diese Stellung eine für jeden treuen Preußen verletzende Die Reichsversammlung verlangt von dem König von Preußen, daß er sich mit Männern umgebe, welche das Vertrauen des Landes genießen. Hätte die Reichsversammlung vorgeschlagen, so hätte sie gezeigt, daß sie es gut meine, aber verlangen kann sie von einem Könige von Preußen nichts. Wo ist denn das Land, welches den Männern, welche der König mit seinem Vertrauen beehrt, nicht eben so viel Vertrauen schenkt? Etwa die Fraktion Unruh und Consorten? Die Reichsversammlung möge sich doch besser von der Stimmung des Landes unterrichten lassen. Alle Bessergesinnten erkennen die Wahl des jetzigen Ministeriums für die zweckmäßigste, und segnen den König dafür. Nur mit einem solchen Ministerium, welches sich nicht durch eine Fraktion Unruh knechten läßt, kann der König seinem Volke die angebotene Freiheit gesetzlich bewahren. Und durch welche ungesetzliche Handlung hätte denn das Ministerium Brandenburg bis jetzt das Vertrauen des Landes verscherzt? Etwa dadurch, daß es der Pöbelherrschaft kräftig entgegentrat, oder einer schwachen und verführten Bürgerwehr die Waffen abnahm, die sie nicht zu rechter Zeit zu brauchen verstand?" Kann die Unverschämtheit weiter getrieben werden? Berlin, 20. Novbr. Die "Ostsee-Zeitung" behauptet zu wissen, der Plan des Ministeriums Brandenburg sei folgender: Die in Brandenburg versammelten Deputirten werden sich von Tag zu Tag vertagen, weil man hofft, diejenigen an der Nationalversammlung festhaltenden Deputirten, welche nicht zur Linken gehören, in ihren Entschlüssen nach und nach wankelmüthig zu machen und zu sich herüberzuziehen. Sollte jedoch bis gegen Ende dieser Woche eine beschlußfähige Kammer nicht zu Stande kommen, so wird das Ministerium eine neue Vertagung auf etwa 14 Tage proklamiren, und in der Zwischenzeit die Stellvertreter einberufen. -- Man hofft dadurch seinen Zweck zu erreichen. -- Wäre die Kammer gestern vollzählig gewesen, so hätte das Ministerium die angekündigte königliche Botschaft verlautbart. Sie enthielt mehrere Gesetzesvorlagen, als: Beschränkung der periodischen Presse durch hohe Kautionen, theilweise Aufhebung des Assoziationsrechtes, für Berlin gänzliche Aufhebung desselben; ferner ein Gesetz, wonach sich die Nationalversammlung nur mit der Berathung der Verfassung zu beschäftigen habe, und endlich ein Tumultgesetz. Diese Botschaft ist einstweilen zurückgelegt worden, da man sie nur einer beschlußfähigen Versammlung vorlegen will. * Berlin, 30. Nov. Wie hier erzählt wird, ist der russische Jaiser gestrn incognito in Potsdam eingetroffen. * Brandenburg, 30. Nov. Versammlung des Klub Brünneck im hiesigen Dome. Die Sitzung beginnt um 11 1/4 Uhr. Es ist kein Minister zu sehen. Auf der Gallerie ist Hr. Gagern nebst vielen Stabsoffizieren. Ein Schreiben Ladenberg's verlesen, daß für die katholischen Klubmitglieder ein Gottesdienst eingerichtet werden wird. Der Namensaufruf ergibt 182 Anwesende, 13 Entschuldigte. Unter den neu Angekommenen bemerkt man die Herren Parrisius, Dunker, Haase (ein alter Burschenschafter a la Brüggemann), v. Wangenheim, Petersen, Elkemann etc. Bornemann erhält das Wort in einer persönlichen Angelegenheit und im Namen seines Freundes Petersen. Ich will von vornherein erklären, daß wir unser Erscheinen nicht mit Protesten und Verwahrungen beginnen wollen. Ich bin kein Freund von Protesten, am wenigsten dann, wenn sie eine freie Handlung begründen sollen. Ich will mich lediglich über das Verfahren aussprechen, das ich seit dem 9. November beobachtet habe. Am 27. November war ich entschlossen, mein Mandat niederzulegen, nicht weil ich in Brandenburg nicht erscheinen wollte, sondern weil ich mich in Konflikte nicht hineinziehen lassen wollte, deren Entstehen ich voraussah. Meine Freunde hielten mich zurück; namentlich aber haben mir Besprechungen mit den Reichskommissarien die Ueberzeugung gegeben, daß das Wohl des Vaterlandes es erheische, hier eine beschlußfähige Versammlung zu Stande zu bringen. Bei dieser Ueberzeugung konnten mich persönliche Rücksichten, am wenigsten die Besorgniß kompromittirt zu erscheinen, nicht zurückhalten, zum Wohle und Frieden des Vaterlandes an ihren Berathungen Theil zu nehmen. -- Meine Herren! Es ist nicht zu leugnen, daß ein fieberhafter Zustand seit lange in der Versammlung geherrscht hat, der eine Krisis nothwendig herbeiführen mußte. Mit dem 31. Oktober glaubte man diese eingetreten, und eine Rückkehr zu einem gesunden Zustande begonnen. Die Regierung hat es anders aufgefaßt. Sie wissen, was daraus entstanden ist. Treue Freunde, die lange zusammengehalten, haben sich getrennt. Es gibt Fälle, meine Herren, wo Jeder in seinem guten Rechte zu sein glauben darf, und aus guten Gründen seinen eigenen Weg geht. Wie ich nicht anstehe auszusprechen, daß ich die ausgeschiedenen Mitglieder für Ehrenmänner halte, so werden Sie mir beistimmen, daß wir, die Zurückgebliebenen, Anspruch darauf haben, von Ihnen für Ehrenmänner gehalten zu werden. (Schwaches Bravo!) Aber auch eine andere Ueberzeugung leitete mich. Nachdem die Majorität sich entschlossen hatte, den Anordnungen der Krone sich nicht zu fügen, glaubte ich, daß es die Pflicht der Gemäßigten sei, auszuharren, um die Vermittlung zu versuchen und die Grundsätze der Mäßigung geltend zu machen. Es ist uns nicht gelungen, und mag es als eine Vermessenheit erscheinen, wir haben das Unsere versucht, um nur gemäßigten Beschlüssen Annahme zu verschaffen. Jetzt kommt es allein darauf an, daß wir, die wir zurückgekehrt sind, mit Ihnen in engster Freundschaft leben. Mögen verschiedene Meinungen unter uns herrschen, eins muß uns beherrschen, die Mäßigung. Decken wir einen Schleier über das Vergangene. Aber halten wir demnächst auch gegen diejenigen, die mit Unmaß kommen, in Eintracht fest zusammen, um den Sieg zu erkämpfen. (Bravo!) Dunker: Auch ich habe keinen Protest vorzutragen, aber ich halte es für Pflicht, eine Erklärung meiner politischen Freunde zu Ihrer Kenntniß zu bringen. -- Der Redner verliest mit Genehmigung der Vers. eine Erklärung, die ungefähr dahin lautet: Die Unterzeichneten, indem sie an den Berathungen der Vers. Theil zu nehmen entschlossen sind, erklären, nach wie vor in der rechtlichen Ueberzeugung zu stehen, daß der Krone die rechtliche Befugniß nicht zusteht, die Versammlung zu verlegen, zu vertagen oder aufzulösen. Sie räumen ein, daß ihre Meinung in Betreff der Verlegung bestritten werden kann. Sie würden wegen dieser Rechtsfrage allein aus Brandenburg nicht weggeblieben sein. Dieses Wegbleiben hatte seinen Grund hauptsächlich in der Fortexistenz des Ministeriums Brandenburg. Dies Ministerium hat sich ungeachtet des entschiedensten Mißtrauens, das noch verstärkt ausgesprochen wurde, durch das Wegbleiben der großen Mehrheit der Versammlung, noch immer nicht zurückgezogen. Die Unterzeichneten halten es deshalb für ihre Pflicht, nicht länger durch ihr Fortbleiben, die Beeinträchtigungen der Volksfreiheit zu gestatten und zuzugeben, daß das Verfassungswerk noch länger verzögert werde. -- Die Erklärung ist unterzeichnet von Steineich, Nethe, Wangenheim, Brehmer, Haase, Kunth, Elkemann, Schadebrod und noch 6-7 anderen aus dem Centrum. -- Der Redner fügt hinzu: Ich spreche persönlich die zuversichtliche Hoffnung aus, daß morgen die Versöhnung in diesen Räumen angebahnt sei und daß diese Krisis zum Heil des Vaterlandes ausschlagen wird. Parrisius: Auch ich habe mich persönlich zu erklären. Ich befinde mich nicht im Einklange mit den beiden Rednern vor mir. Ich bin hierher gekommen, um die Versammlung, soviel an mir liegt, vollzählig zu machen, und um hier den Kampf gegen ein volks- und freiheitsfeindliches Ministerium fortzuführen. (Furchtbarer Lärm. Fortwährender Ruf: zur Ordnung! zur Ordnung!) Ich habe aber noch einen zweiten Standpunkt. Ich denke, die Nat.-Vers. wird die Macht haben, dieses Ministerium zu überwinden. (Neuer endloser Tumult. Wiederholter Ruf zur Ordnung. -- Der Präsident stellt mit der Glocke endlich die Ruhe her.) Meine Herren, ich gebe Ihnen die Versicherung, daß, wie ich fest stehe gegen das Ministerium für das Volk und seine Freiheit, ich, so lange meine physischen Kräfte ausreichen, dahin wirken werde, daß die Freiheiten des Volkes von keiner Seite beschnitten werden. (Murren und Bravos; Lärm.) Bauer (Berlin): Ich erinnere an das, was die beiden vorletzten Redner gesprochen haben. Es waren Worte der Versöhnung. Der letzte Redner hat diesen Weg nicht eingeschlagen. Unter dem Vorwande einer persönlichen Bemerkung hat er denselben Weg betreten, auf welchen seit 7 Monaten zum Unheil des Landes nur Zwiespalt ausgestreut wurde. Ich protestire dagegen, daß hier Charaktere verdächtigt werden und von einem unter uns gesagt werde, daß er nicht für die Freiheit kämpfe. Parrisius will die Tribüne besteigen. (Neuer Lärm. Ruf zur Tagesordnung.) Er verwahrt sich gegen Verdächtigungen. Reichensperger: Es kann nicht gestattet werden, daß hier Jeder von der Tribüne herab Erklärungen über sein persönliches Verhalten gebe. Sollte das zulässig sein, so hätten wir viel eher Grund hier aufzutreten und uns gegen ungerechte Angriffe zu vertheidigen. Auf der Tagesordnung steht der Antrag von Simons. Simons erklärt: Verschiedene Umstände bestimmen mich zu beantragen, daß die Verhandlung des von mir gestellten Antrages bis morgen verschoben werde. -- Genehmigt. Die Sitzung bis morgen Vormittag 11 Uhr vertagt. Schluß der Sitzung 12 1/2 Uhr. 43 Naumburg, 29. Nov. Die rothen Reaktionärs und rothen Monarchisten haben in Erfurt einen vollständigen Sieg errungen, und man hört von Wunderdingen, wie raffinirt und brutal sie ihren Sieg ausbeuten. Wir sahen gestern rothe Plakate an den Straßenecken, worin sie "alle gutgesinnten Einwohner" zu Adressen an das hohe Staats-Ministerium auffordern, um die Beschränkung der Preß- und Vereinigungsfreiheit, sowie den Belagerungszustand immer fortdauern zu lassen. Diese Adressen liegen bei den ausgewählten Bezirksvorstehern zur Unterschrift offen. Es ist eine solche Perfidie kaum zu glauben, aber wir haben die blutrothen Plakate selbst gelesen. Man zweifelt nicht, daß in der noch herrschenden Ueberstürzung und Ueberrumpelung zahlreiche Unterschriften für diese Adresse sich ansammeln werden. Indessen kommt man doch auch schon wieder zur Besinnung und fängt an, über die Ursachen und Wirkungen nachzudenken. Viele Urtheile werden laut, welche den blutigen Konflikt vom 28. d. M. den künstlichen Vorbereitungen einer kleinen Kamarilla zuschreiben. Vor einigen Tagen wurden die im Straßenkampf gefallenen 7 Soldaten mit solchem Pomp beerdigt, der wohl geeignet ist, den Fanatismus der Soldaten und die in ihnen künstlich erzeugte Erbitterung gegen die Bürgerwehr und Arbeiter zu steigern. Die gefallenen neun Bürgerwehrmänner und Arbeiter sollen dagegen wie die Hunde begraben worden sein. -- Die Zuchtruthe des Belagerungszustandes wird mit eiserner Strenge über den unterlegenen Theil der Bevölkerung geschwungen, ein anderer Theil scheint sich dabei wohl zu befinden, denn er petitionirt um die Fortdauer dieses Zustandes. Um sich nur einen Begriff von der Strenge des Belagerungszustandes zu machen, gedenken wir nur des kleinen Faktums, daß um vier Uhr Nachmittags kein Mensch mehr in einem Wirthshause sein darf. Die geschlossenen Gesellschaften und Hotels der vornehmen Herren sind selbstredend keine Wirthshäuser. Die Erbitterung gegen die Garnison soll außerordentlich sein, doch verbeißt sie Jeder, weil er muß, und macht gute Miene zum bösen Spiel. Von den Verhaftungen und standrechtlichen Prozessen erzählt man sich schauderhafte Scenen. Der Kommandant von Erfurt ist der General-Lieutenant von Voß. Posen, 27. Nov. Am gestrigen Abend haben wir hier einen Straßenkrawall erlebt, der leider von Militärpersonen ausging. Das hier stationirte 7. Husarenregiment, von dem jedoch augenblicklich nur zwei Schwadronen in Posen selbst liegen, hat in der letzten Zeit mehrmals seinen Chef gewechselt, und darin mag wohl der Grund zu suchen sein, daß die Exercirübungen nicht so häufig und nicht so streng vorgenommen wurden, als dies sonst wohl zu geschehen pflegt; nun aber hat das Regiment seit einigen Monaten einen Kommandeur, den Major v. Beczwarzowsky, erhalten, welcher es mit dem Dienst -- ob vielleicht auch mit dem sogenannten Kamaschendienste? -- ziemlich streng nehmen soll, weshalb die Husaren sehr unzufrieden sind. So zogen sie dann in Masse gestern Abend zuerst zu dem von ihnen sehr geliebten Major Schimmelpenninck von der Oye und brachten diesem ein lautes Hurrah, wobei sie das Verlangen laut werden ließen, er möge ihr Chef werden. Dann zog die Menge vor die Wohnung des Kommandeurs und stimmte hier eine ziemlich unerquickliche Katzenmusik als Variation zu dem Thema: er möge abdanken, an. Weiter geschah nichts, denn als gleich darauf einige beliebte Offiziere des Regiments hinzukamen, ließen die Husaren sich ohne alle Widersetzlichkeit zum ruhigen Nachhausegehen bewegen; auch das Publikum, das zahlreich durch den Spektakel herbeigelockt war, verhielt sich duraus ruhig und bezeigte seine Theilnahme an dem Auftritt nur durch Lachen. So ist mir der Vorfall von durchaus glaubwürdigen Augenzeugen berichtet worden; alle weitere Ausschmückung gehört daher in's Gebiet der Fabel. Daß die Rädels- ist. Einer der Thäter hat schon am Nachmittage einem Schenkwirth erklärt, daß sein Lieutenant ihn zum Einhauen gegen die Demokraten aufgefordert habe; auch hat eine Dame gehört, wie ein Offizier den nach der Volksversammlung ziehenden Schaaren zugerufen, sie mögten tapfer zuhauen, leider kennt sie den Offizier nicht. Von den täglich unter unsere Soldaten vertheilten Proklamationen ist mir eine zu Gesicht gekommen, die an Niederträchtigkeit Alles der Art überbietet. Sie enthält ein Sündenregister der preuß. Nationalversammlung. Folgende Pröbchen mögen genügen: „Sie (die Nat.-Vers.) hat die Abschaffung der Todesstrafe beschlossen, so daß der Mörder und der Hochverräther dafür, daß er anderer Leute Leben in die Schanze schlägt, mit heiler Haut davonkommt.“ Sie hat ein Gesetz über die persönliche Freiheit durchgesetzt, die sogenannte Habeas-Corpus-Akte, wovon hauptsächlich die Spitzbuben und Vagabonden profitiren, die gegen Verhaftungen und Haussuchungen gesichert sind, wenn sie nicht auf der That erwischt werden.“ Ist in diesen Stellen die Niederträchtigkeit, so ist an der folgenden die Dummheit zu bewundern: „Sie hat den Adel abgeschafft, was eben so lächerlich ist, als wenn sie den Bürgerstand oder den Bauernstand abschaffen wollte.“ Alle diese Machwerke kommen aus Potsdam, werden aber von den Gebrüdern Coppenrath, Verlegern und Redakteuren des Westf. Merkurs bereitwillig nachgedruckt. Und doch weigerten sich dieselben noch vor wenigen Monaten, die Verhandlungen des entschlafenen konstitutionellen Vereins, der eher ein demokratischer zu nennen war, unter dem Vorwande, gar nichts „Politisches“ drucken zu wollen, zu drucken. Ein Beweis von dem politischen Umschwunge des Münsterlandes ist die gestern im Kreise Koesfeld vorgenommene Wahl eines Deputirten und Stellvertreters für Berlin. Es wurden gewählt: der durch seinen Protest gegen die Vornahme von Wahlen zur Reichsversammlung im Großh. Posen bekannte O.-L.-G.-Assessor Fischer, welcher als Stellvertreter unseres Deputirten getreulich in Berlin ausgehalten und sich auf die Linke gesetzt hat; ferner als Stellvertreter der Bauernadvokat Gierse, dessen Wahl bisher die Geistlichen hintertrieben hatten. Es ist dies die erste vernünftige Wahl im Münsterlande; die bisherigen Wahlen gingen lediglich vom katholischen Vereine hierselbst aus, der eben, seitdem er jüngst erklärt hat, der König sei nicht verpflichtet, seine ihm im März „abgedrungenen“ Versprechungen zu halten (also eine Rechtfertigung des Meineids), ferner: Blum sei ein Räuber, dem ganz recht geschehen, allen Halt im Volke verloren hat. X Berlin, 30. Nov. Wie Wrangel die Abgeordneten der preußischen Nation, einer Nation von 16 Millionen Menschen behandelt, davon liefert nicht allein das Ihren Lesern schon mitgetheilte Protokoll, sondern auch seine im preußischen Staatsanzeiger erscheinenden Verordnungen und Befehle die schönsten Proben. Am 27. d. M. sind wir nur dreimal mit Bajonetten aus unsern Hotels verjagt worden. Ein Gast (noch dazu nicht Abgeordneter, der bei Mylius logirte) fragte den Führer der Truppe, einen Major v. Pleß: „Aber darf man denn nicht in einem Wirthshause, wo man als Fremder wohnt, essen und trinken, und sich dabei unterhalten?“ — „Jawohl, antwortete der Major v. Pleß, das dürfen Sie, meine Herren, aber die Unterhaltung muß ganz harmlos sein. Geben Sie mir ihr Ehrenwort, nicht über Politik zu sprechen, so können Sie alle ungestört hier bleiben.“ Das Ehrenwort wurde natürlich geweigert, und die Gäste von den Soldaten vor die Thüre geführt, wo eine ganze Kompagnie Soldaten mit aufgezogenem Hahne aufgestellt war. Bei dieser letzten Exekution entwickelte ein Lieutenant v. Blücher, ein Enkel des Fürsten v. Wahlstadt, eine besondere Thätigkeit. Einer der Soldaten sagte mir leise, auf den Blücher zeigend, „dieser gehört gar nicht zu uns, er hat sich als Freiwilliger gemeldet, um die Herren Abgeordneten zu verjagen, was unsere Offiziere ungern thun. Er war auch mit im Schützenhause, wo man die Herren vertrieben hat.“ Die sämmtlichen gedruckten Exemplare des Protokolls sind dem Boten, welcher solche den Deputirten zubringen sollte, von den Konstablern auf der Straße geraubt worden. Man erfuhr dadurch, daß solche aus der Druckerei des Abgeordneten Bernardi kommen. In der nämlichen Nacht drang ein Trupp Soldaten in des letztern Haus, zerstörte seine Pressen, und raubte ihre sämmtliche Drucksachen und Manuscripte ohne Unterschied des Gegenstandes und ohne solche zu inventarisiren oder zu versiegeln. Gestern wollten die noch hier anwesenden Deputirten ein gemeinsames Abschiedsmahl bei Mielenz halten. Wrangel hat dies aber dadurch vereitelt, daß er dem Wirth sagen ließ, er werde, wenn das Mahl stattfinde, nicht blos die Gäste auseinandertreiben, sondern auch das Wirthschaftslokal schließen lassen. Auf heute Abend sind wir alle zu einem Souper bei einem Gutsbesitzer zu Moabit bei Berlin eingeladen. Mich soll wundern, ob wir nicht auch dort, aus einem Privathause verjagt werden. Ein Wrangel ist zu allem fähig! So eben, nachdem ich den Brief bereits geschlossen hatte, erfahre ich folgende neue Schandthat des Hrn. Wrangel. Ein Hauptmann mit 30 Mann ist in die Privatwohnung des Abgeordneten Hildenhagen hierselbst eingedrungen, während zwei Kompagnien vor dem Hause aufgestellt waren. Der Hauptmann ließ während der Abwesenheit des Hildenhagen, nachdem er den Hausbewohnern bei Strafe des Erschießens befahl, das Haus nicht eher zu verlassen, bis er dies erlaubt habe, das Schreibpult und mehre verschlossene Schränke des Hildenhagen erbrechen, und nahm sämmtliche darin befindliche Papiere, sogar die Korrespondenz mit seiner Frau heraus, und schleppte solche aus dem Hause, ohne ein Verzeichniß anzufertigen oder die Papiere zu versiegeln. Hildenhagen ist Sekretär der Nationalversammlung. 14 Berlin, 30. November. Es ist ein sehr ekelhaftes Treiben hier drinnen und da draußen. Rohe Gewalt und passiver Widerstand, Hunger und Aufgeblasenheit, superkluge Heuchelei und elende Feigheit. Schon wankt die Consequenz mancher Vereinbarer — sie weisen die Möglichkeit: dem Gottesgnadendienste im Brandenburger Dome beizuwohnen, nicht mehr wie früher, barsch zurück. Die Einberufung der Stellvertreter wird das Signal zur offenen Parteischeidung geben. — Nach manchen Fadheiten macht das Benehmen eines bäuerlichen Abgeordneten einen wohlthuenden Eindruck. Der Mann hatte sich als Zuschauer nach Brandenburg begeben, und wird bemerkt. Einer der tagenden Unterthanen, der ihm befreundet ist, geht auf den Zuschauerraum, und bittet ihn, in die Versammlung zu kommen, weil ihn der Minister zu sprechen wünsche. Er folgt und die Excellenz hält ihm eine Pauke, des Inhalts, daß doch eigentlich der Landmann alle Kosten des Umzugs nach Brandenburg zu zahlen habe, falls durch den Eigensinn der Abgeordneten die Versammlung nicht beschlußfähig werde. Des eigenen Interesse wegen müsse er also eintreten etc. Der Bauer schweigt und wird nun vom Alterspräsidenten abordirt, der ihm Vorwürfe macht, daß er beim Namensaufruf seinen Namen nicht genannt habe. Er antwortet: nicht zugegen gewesen zu sein, worauf der Präsident ihn zur nachträglichen Einzeichnung auffordert. J[unleserliches Material] nein, erwidert nun der Mann, ich gehe hin, woher ich kam — und er geht wieder auf den Zuhörerraum. — Als Gegensatz hier noch das saubere Benehmen eines bürgerlichen Deputirten. Derselbe soll sich von dem hiesigen Präsidenten Vorschuß-Diäten haben ausbezahlen lassen, dann nach Brandenburg gereist sein, und von dem dortigen Bureau nochmals Diäten verlangt und empfangen haben. Eine hübsche Industrie in unserer Zeit der schweren Noth. Vorgestern schlug ein Freiwilliger einen Offizier, der ihn beleidigte, dermaßen, daß er in's Lazareth getragen werden mußte. Der Freiwillige entfloh. Gestern schlug auf offener Straße ein Offizier einen Civilisten in's Gesicht, und als dieser mit Hülfe Anderer über den Helden her wollte, wurde er verhaftet. Heute zog ein Haufe Volk durch die Straßen, und verlangte stürmisch die Verhaftung des Offiziers. Das erste Zeichen, daß die „Erbitterung“ der „schlechten“ Bürger zu Tage tritt. Dafür aber manifestirt sich die „Seligkeit“ der „guten“ Bürger immer schamloser. Für den Pacifikator Wrangel haben sie einen Ehrensäbel bestellt. Es kommt den Andern vor, wie das Kind, das seine Ruthe küsst; denn — wahrhaftig der Stillstand der Geschäfte, die Verdienstlosigkeit im Belagerungszustande sind rein fabelhafter Natur. — Morgen wird die Nationalzeitung wieder erscheinen dürfen. * Berlin, 30. November. In der bekannten „Kreuzritterin“ lesen wir folgende Mittheilung: „Gestern hat Hr. Heinrich v. Gagern dem General v. Wrangel einen Besuch gesuch gemacht und demselben seine Beistimmung zu den bisher getroffenen Maßregeln zu erkennen gegeben; weniger gleichartig sollen die Ansichten beider Herren in Bezug auf die Anforderungen der Zukunft gewesen sein.“ In dem nämlichen Blatte (dem Organ der Manteuffel, Brandenburg etc.) heißt es wörtlich: „Die Ansprache des Reichsverwesers: „An das deutsche Volk“ wird schwerlich im Allgemeinen den gehofften und beabsichtigten guten Eindruck machen. Abgesehen von dem guten Zweck, ist sie in einem Ton gehalten, welcher schwerlich der Liebe des preußischen Volkes zu seinem angestammten Königshause zusagen dürfte. Wenn die zu Frankfurt versammelten Vertreter des deutschen Volkes, Worte des Friedens gesprochen, so ist dies sehr lobenswerth, wenn sie sich aber über das redliche Wollen unseres hochverehrten Königs mit diktatorischen Befehlen, hinausstellt, so ist diese Stellung eine für jeden treuen Preußen verletzende Die Reichsversammlung verlangt von dem König von Preußen, daß er sich mit Männern umgebe, welche das Vertrauen des Landes genießen. Hätte die Reichsversammlung vorgeschlagen, so hätte sie gezeigt, daß sie es gut meine, aber verlangen kann sie von einem Könige von Preußen nichts. Wo ist denn das Land, welches den Männern, welche der König mit seinem Vertrauen beehrt, nicht eben so viel Vertrauen schenkt? Etwa die Fraktion Unruh und Consorten? Die Reichsversammlung möge sich doch besser von der Stimmung des Landes unterrichten lassen. Alle Bessergesinnten erkennen die Wahl des jetzigen Ministeriums für die zweckmäßigste, und segnen den König dafür. Nur mit einem solchen Ministerium, welches sich nicht durch eine Fraktion Unruh knechten läßt, kann der König seinem Volke die angebotene Freiheit gesetzlich bewahren. Und durch welche ungesetzliche Handlung hätte denn das Ministerium Brandenburg bis jetzt das Vertrauen des Landes verscherzt? Etwa dadurch, daß es der Pöbelherrschaft kräftig entgegentrat, oder einer schwachen und verführten Bürgerwehr die Waffen abnahm, die sie nicht zu rechter Zeit zu brauchen verstand?“ Kann die Unverschämtheit weiter getrieben werden? Berlin, 20. Novbr. Die „Ostsee-Zeitung“ behauptet zu wissen, der Plan des Ministeriums Brandenburg sei folgender: Die in Brandenburg versammelten Deputirten werden sich von Tag zu Tag vertagen, weil man hofft, diejenigen an der Nationalversammlung festhaltenden Deputirten, welche nicht zur Linken gehören, in ihren Entschlüssen nach und nach wankelmüthig zu machen und zu sich herüberzuziehen. Sollte jedoch bis gegen Ende dieser Woche eine beschlußfähige Kammer nicht zu Stande kommen, so wird das Ministerium eine neue Vertagung auf etwa 14 Tage proklamiren, und in der Zwischenzeit die Stellvertreter einberufen. — Man hofft dadurch seinen Zweck zu erreichen. — Wäre die Kammer gestern vollzählig gewesen, so hätte das Ministerium die angekündigte königliche Botschaft verlautbart. Sie enthielt mehrere Gesetzesvorlagen, als: Beschränkung der periodischen Presse durch hohe Kautionen, theilweise Aufhebung des Assoziationsrechtes, für Berlin gänzliche Aufhebung desselben; ferner ein Gesetz, wonach sich die Nationalversammlung nur mit der Berathung der Verfassung zu beschäftigen habe, und endlich ein Tumultgesetz. Diese Botschaft ist einstweilen zurückgelegt worden, da man sie nur einer beschlußfähigen Versammlung vorlegen will. * Berlin, 30. Nov. Wie hier erzählt wird, ist der russische Jaiser gestrn incognito in Potsdam eingetroffen. * Brandenburg, 30. Nov. Versammlung des Klub Brünneck im hiesigen Dome. Die Sitzung beginnt um 11 1/4 Uhr. Es ist kein Minister zu sehen. Auf der Gallerie ist Hr. Gagern nebst vielen Stabsoffizieren. Ein Schreiben Ladenberg's verlesen, daß für die katholischen Klubmitglieder ein Gottesdienst eingerichtet werden wird. Der Namensaufruf ergibt 182 Anwesende, 13 Entschuldigte. Unter den neu Angekommenen bemerkt man die Herren Parrisius, Dunker, Haase (ein alter Burschenschafter à la Brüggemann), v. Wangenheim, Petersen, Elkemann etc. Bornemann erhält das Wort in einer persönlichen Angelegenheit und im Namen seines Freundes Petersen. Ich will von vornherein erklären, daß wir unser Erscheinen nicht mit Protesten und Verwahrungen beginnen wollen. Ich bin kein Freund von Protesten, am wenigsten dann, wenn sie eine freie Handlung begründen sollen. Ich will mich lediglich über das Verfahren aussprechen, das ich seit dem 9. November beobachtet habe. Am 27. November war ich entschlossen, mein Mandat niederzulegen, nicht weil ich in Brandenburg nicht erscheinen wollte, sondern weil ich mich in Konflikte nicht hineinziehen lassen wollte, deren Entstehen ich voraussah. Meine Freunde hielten mich zurück; namentlich aber haben mir Besprechungen mit den Reichskommissarien die Ueberzeugung gegeben, daß das Wohl des Vaterlandes es erheische, hier eine beschlußfähige Versammlung zu Stande zu bringen. Bei dieser Ueberzeugung konnten mich persönliche Rücksichten, am wenigsten die Besorgniß kompromittirt zu erscheinen, nicht zurückhalten, zum Wohle und Frieden des Vaterlandes an ihren Berathungen Theil zu nehmen. — Meine Herren! Es ist nicht zu leugnen, daß ein fieberhafter Zustand seit lange in der Versammlung geherrscht hat, der eine Krisis nothwendig herbeiführen mußte. Mit dem 31. Oktober glaubte man diese eingetreten, und eine Rückkehr zu einem gesunden Zustande begonnen. Die Regierung hat es anders aufgefaßt. Sie wissen, was daraus entstanden ist. Treue Freunde, die lange zusammengehalten, haben sich getrennt. Es gibt Fälle, meine Herren, wo Jeder in seinem guten Rechte zu sein glauben darf, und aus guten Gründen seinen eigenen Weg geht. Wie ich nicht anstehe auszusprechen, daß ich die ausgeschiedenen Mitglieder für Ehrenmänner halte, so werden Sie mir beistimmen, daß wir, die Zurückgebliebenen, Anspruch darauf haben, von Ihnen für Ehrenmänner gehalten zu werden. (Schwaches Bravo!) Aber auch eine andere Ueberzeugung leitete mich. Nachdem die Majorität sich entschlossen hatte, den Anordnungen der Krone sich nicht zu fügen, glaubte ich, daß es die Pflicht der Gemäßigten sei, auszuharren, um die Vermittlung zu versuchen und die Grundsätze der Mäßigung geltend zu machen. Es ist uns nicht gelungen, und mag es als eine Vermessenheit erscheinen, wir haben das Unsere versucht, um nur gemäßigten Beschlüssen Annahme zu verschaffen. Jetzt kommt es allein darauf an, daß wir, die wir zurückgekehrt sind, mit Ihnen in engster Freundschaft leben. Mögen verschiedene Meinungen unter uns herrschen, eins muß uns beherrschen, die Mäßigung. Decken wir einen Schleier über das Vergangene. Aber halten wir demnächst auch gegen diejenigen, die mit Unmaß kommen, in Eintracht fest zusammen, um den Sieg zu erkämpfen. (Bravo!) Dunker: Auch ich habe keinen Protest vorzutragen, aber ich halte es für Pflicht, eine Erklärung meiner politischen Freunde zu Ihrer Kenntniß zu bringen. — Der Redner verliest mit Genehmigung der Vers. eine Erklärung, die ungefähr dahin lautet: Die Unterzeichneten, indem sie an den Berathungen der Vers. Theil zu nehmen entschlossen sind, erklären, nach wie vor in der rechtlichen Ueberzeugung zu stehen, daß der Krone die rechtliche Befugniß nicht zusteht, die Versammlung zu verlegen, zu vertagen oder aufzulösen. Sie räumen ein, daß ihre Meinung in Betreff der Verlegung bestritten werden kann. Sie würden wegen dieser Rechtsfrage allein aus Brandenburg nicht weggeblieben sein. Dieses Wegbleiben hatte seinen Grund hauptsächlich in der Fortexistenz des Ministeriums Brandenburg. Dies Ministerium hat sich ungeachtet des entschiedensten Mißtrauens, das noch verstärkt ausgesprochen wurde, durch das Wegbleiben der großen Mehrheit der Versammlung, noch immer nicht zurückgezogen. Die Unterzeichneten halten es deshalb für ihre Pflicht, nicht länger durch ihr Fortbleiben, die Beeinträchtigungen der Volksfreiheit zu gestatten und zuzugeben, daß das Verfassungswerk noch länger verzögert werde. — Die Erklärung ist unterzeichnet von Steineich, Nethe, Wangenheim, Brehmer, Haase, Kunth, Elkemann, Schadebrod und noch 6-7 anderen aus dem Centrum. — Der Redner fügt hinzu: Ich spreche persönlich die zuversichtliche Hoffnung aus, daß morgen die Versöhnung in diesen Räumen angebahnt sei und daß diese Krisis zum Heil des Vaterlandes ausschlagen wird. Parrisius: Auch ich habe mich persönlich zu erklären. Ich befinde mich nicht im Einklange mit den beiden Rednern vor mir. Ich bin hierher gekommen, um die Versammlung, soviel an mir liegt, vollzählig zu machen, und um hier den Kampf gegen ein volks- und freiheitsfeindliches Ministerium fortzuführen. (Furchtbarer Lärm. Fortwährender Ruf: zur Ordnung! zur Ordnung!) Ich habe aber noch einen zweiten Standpunkt. Ich denke, die Nat.-Vers. wird die Macht haben, dieses Ministerium zu überwinden. (Neuer endloser Tumult. Wiederholter Ruf zur Ordnung. — Der Präsident stellt mit der Glocke endlich die Ruhe her.) Meine Herren, ich gebe Ihnen die Versicherung, daß, wie ich fest stehe gegen das Ministerium für das Volk und seine Freiheit, ich, so lange meine physischen Kräfte ausreichen, dahin wirken werde, daß die Freiheiten des Volkes von keiner Seite beschnitten werden. (Murren und Bravos; Lärm.) Bauer (Berlin): Ich erinnere an das, was die beiden vorletzten Redner gesprochen haben. Es waren Worte der Versöhnung. Der letzte Redner hat diesen Weg nicht eingeschlagen. Unter dem Vorwande einer persönlichen Bemerkung hat er denselben Weg betreten, auf welchen seit 7 Monaten zum Unheil des Landes nur Zwiespalt ausgestreut wurde. Ich protestire dagegen, daß hier Charaktere verdächtigt werden und von einem unter uns gesagt werde, daß er nicht für die Freiheit kämpfe. Parrisius will die Tribüne besteigen. (Neuer Lärm. Ruf zur Tagesordnung.) Er verwahrt sich gegen Verdächtigungen. Reichensperger: Es kann nicht gestattet werden, daß hier Jeder von der Tribüne herab Erklärungen über sein persönliches Verhalten gebe. Sollte das zulässig sein, so hätten wir viel eher Grund hier aufzutreten und uns gegen ungerechte Angriffe zu vertheidigen. Auf der Tagesordnung steht der Antrag von Simons. Simons erklärt: Verschiedene Umstände bestimmen mich zu beantragen, daß die Verhandlung des von mir gestellten Antrages bis morgen verschoben werde. — Genehmigt. Die Sitzung bis morgen Vormittag 11 Uhr vertagt. Schluß der Sitzung 12 1/2 Uhr. 43 Naumburg, 29. Nov. Die rothen Reaktionärs und rothen Monarchisten haben in Erfurt einen vollständigen Sieg errungen, und man hört von Wunderdingen, wie raffinirt und brutal sie ihren Sieg ausbeuten. Wir sahen gestern rothe Plakate an den Straßenecken, worin sie „alle gutgesinnten Einwohner“ zu Adressen an das hohe Staats-Ministerium auffordern, um die Beschränkung der Preß- und Vereinigungsfreiheit, sowie den Belagerungszustand immer fortdauern zu lassen. Diese Adressen liegen bei den ausgewählten Bezirksvorstehern zur Unterschrift offen. Es ist eine solche Perfidie kaum zu glauben, aber wir haben die blutrothen Plakate selbst gelesen. Man zweifelt nicht, daß in der noch herrschenden Ueberstürzung und Ueberrumpelung zahlreiche Unterschriften für diese Adresse sich ansammeln werden. Indessen kommt man doch auch schon wieder zur Besinnung und fängt an, über die Ursachen und Wirkungen nachzudenken. Viele Urtheile werden laut, welche den blutigen Konflikt vom 28. d. M. den künstlichen Vorbereitungen einer kleinen Kamarilla zuschreiben. Vor einigen Tagen wurden die im Straßenkampf gefallenen 7 Soldaten mit solchem Pomp beerdigt, der wohl geeignet ist, den Fanatismus der Soldaten und die in ihnen künstlich erzeugte Erbitterung gegen die Bürgerwehr und Arbeiter zu steigern. Die gefallenen neun Bürgerwehrmänner und Arbeiter sollen dagegen wie die Hunde begraben worden sein. — Die Zuchtruthe des Belagerungszustandes wird mit eiserner Strenge über den unterlegenen Theil der Bevölkerung geschwungen, ein anderer Theil scheint sich dabei wohl zu befinden, denn er petitionirt um die Fortdauer dieses Zustandes. Um sich nur einen Begriff von der Strenge des Belagerungszustandes zu machen, gedenken wir nur des kleinen Faktums, daß um vier Uhr Nachmittags kein Mensch mehr in einem Wirthshause sein darf. Die geschlossenen Gesellschaften und Hotels der vornehmen Herren sind selbstredend keine Wirthshäuser. Die Erbitterung gegen die Garnison soll außerordentlich sein, doch verbeißt sie Jeder, weil er muß, und macht gute Miene zum bösen Spiel. Von den Verhaftungen und standrechtlichen Prozessen erzählt man sich schauderhafte Scenen. Der Kommandant von Erfurt ist der General-Lieutenant von Voß. Posen, 27. Nov. Am gestrigen Abend haben wir hier einen Straßenkrawall erlebt, der leider von Militärpersonen ausging. Das hier stationirte 7. Husarenregiment, von dem jedoch augenblicklich nur zwei Schwadronen in Posen selbst liegen, hat in der letzten Zeit mehrmals seinen Chef gewechselt, und darin mag wohl der Grund zu suchen sein, daß die Exercirübungen nicht so häufig und nicht so streng vorgenommen wurden, als dies sonst wohl zu geschehen pflegt; nun aber hat das Regiment seit einigen Monaten einen Kommandeur, den Major v. Beczwarzowsky, erhalten, welcher es mit dem Dienst — ob vielleicht auch mit dem sogenannten Kamaschendienste? — ziemlich streng nehmen soll, weshalb die Husaren sehr unzufrieden sind. So zogen sie dann in Masse gestern Abend zuerst zu dem von ihnen sehr geliebten Major Schimmelpenninck von der Oye und brachten diesem ein lautes Hurrah, wobei sie das Verlangen laut werden ließen, er möge ihr Chef werden. Dann zog die Menge vor die Wohnung des Kommandeurs und stimmte hier eine ziemlich unerquickliche Katzenmusik als Variation zu dem Thema: er möge abdanken, an. Weiter geschah nichts, denn als gleich darauf einige beliebte Offiziere des Regiments hinzukamen, ließen die Husaren sich ohne alle Widersetzlichkeit zum ruhigen Nachhausegehen bewegen; auch das Publikum, das zahlreich durch den Spektakel herbeigelockt war, verhielt sich duraus ruhig und bezeigte seine Theilnahme an dem Auftritt nur durch Lachen. So ist mir der Vorfall von durchaus glaubwürdigen Augenzeugen berichtet worden; alle weitere Ausschmückung gehört daher in's Gebiet der Fabel. Daß die Rädels- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar159_012" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0004" n="0843"/> ist. Einer der Thäter hat schon am Nachmittage einem Schenkwirth erklärt, daß sein Lieutenant ihn zum Einhauen gegen die Demokraten aufgefordert habe; auch hat eine Dame gehört, wie ein Offizier den nach der Volksversammlung ziehenden Schaaren zugerufen, sie mögten <hi rendition="#g">tapfer</hi> zuhauen, leider kennt sie den Offizier nicht.</p> <p>Von den täglich unter unsere Soldaten vertheilten Proklamationen ist mir eine zu Gesicht gekommen, die an Niederträchtigkeit Alles der Art überbietet. Sie enthält ein Sündenregister der preuß. Nationalversammlung. Folgende Pröbchen mögen genügen: „Sie (die Nat.-Vers.) hat die <hi rendition="#g">Abschaffung</hi> der <hi rendition="#g">Todesstrafe</hi> beschlossen, so daß der <hi rendition="#g">Mörder</hi> und der <hi rendition="#g">Hochverräther</hi> dafür, daß er anderer Leute <hi rendition="#g">Leben</hi> in die Schanze schlägt, mit <hi rendition="#g">heiler Haut</hi> davonkommt.“ Sie hat ein Gesetz über die <hi rendition="#g">persönliche Freiheit</hi> durchgesetzt, die sogenannte Habeas-Corpus-Akte, wovon hauptsächlich die <hi rendition="#g">Spitzbuben</hi> und <hi rendition="#g">Vagabonden</hi> profitiren, die gegen <hi rendition="#g">Verhaftungen</hi> und <hi rendition="#g">Haussuchungen</hi> gesichert sind, wenn sie nicht auf der That erwischt werden.“ Ist in diesen Stellen die Niederträchtigkeit, so ist an der folgenden die Dummheit zu bewundern: „Sie hat den Adel abgeschafft, was eben so lächerlich ist, als wenn sie den Bürgerstand oder den Bauernstand abschaffen wollte.“ Alle diese Machwerke kommen aus Potsdam, werden aber von den Gebrüdern <hi rendition="#g">Coppenrath,</hi> Verlegern und Redakteuren des Westf. Merkurs bereitwillig nachgedruckt. Und doch weigerten sich dieselben noch vor wenigen Monaten, die Verhandlungen des entschlafenen konstitutionellen Vereins, der eher ein demokratischer zu nennen war, unter dem Vorwande, gar nichts „Politisches“ drucken zu wollen, zu drucken.</p> <p>Ein Beweis von dem politischen Umschwunge des Münsterlandes ist die gestern im Kreise Koesfeld vorgenommene Wahl eines Deputirten und Stellvertreters für Berlin. Es wurden gewählt: der durch seinen Protest gegen die Vornahme von Wahlen zur Reichsversammlung im Großh. Posen bekannte O.-L.-G.-Assessor <hi rendition="#g">Fischer,</hi> welcher als Stellvertreter unseres Deputirten getreulich in Berlin ausgehalten und sich auf die <hi rendition="#g">Linke</hi> gesetzt hat; ferner als Stellvertreter der Bauernadvokat <hi rendition="#g">Gierse,</hi> dessen Wahl bisher die Geistlichen hintertrieben hatten. Es ist dies die erste vernünftige Wahl im Münsterlande; die bisherigen Wahlen gingen lediglich vom katholischen Vereine hierselbst aus, der eben, seitdem er jüngst erklärt hat, der König sei nicht verpflichtet, seine ihm im März „abgedrungenen“ Versprechungen zu halten (also eine Rechtfertigung des <hi rendition="#g">Meineids</hi>), ferner: <hi rendition="#g">Blum</hi> sei ein <hi rendition="#g">Räuber,</hi> dem ganz recht geschehen, allen Halt im Volke verloren hat.</p> </div> <div xml:id="ar159_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 30. Nov.</head> <p>Wie Wrangel die Abgeordneten der preußischen Nation, einer Nation von 16 Millionen Menschen behandelt, davon liefert nicht allein das Ihren Lesern schon mitgetheilte Protokoll, sondern auch seine im preußischen Staatsanzeiger erscheinenden Verordnungen und Befehle die schönsten Proben.</p> <p>Am 27. d. M. sind wir nur dreimal mit Bajonetten aus unsern Hotels verjagt worden.</p> <p>Ein Gast (noch dazu nicht Abgeordneter, der bei Mylius logirte) fragte den Führer der Truppe, einen Major v. <hi rendition="#g">Pleß:</hi> „Aber darf man denn nicht in einem Wirthshause, wo man als Fremder wohnt, essen und trinken, und sich dabei unterhalten?“ — „Jawohl, antwortete der Major v. Pleß, das dürfen Sie, meine Herren, aber die Unterhaltung muß ganz harmlos sein. Geben Sie mir ihr Ehrenwort, nicht über Politik zu sprechen, so können Sie alle ungestört hier bleiben.“ Das Ehrenwort wurde natürlich geweigert, und die Gäste von den Soldaten vor die Thüre geführt, wo eine ganze Kompagnie Soldaten mit aufgezogenem Hahne aufgestellt war.</p> <p>Bei dieser letzten Exekution entwickelte ein Lieutenant v. Blücher, ein Enkel des Fürsten v. Wahlstadt, eine besondere Thätigkeit. Einer der Soldaten sagte mir leise, auf den Blücher zeigend, „dieser gehört gar nicht zu uns, er hat sich als Freiwilliger gemeldet, um die Herren Abgeordneten zu verjagen, was unsere Offiziere ungern thun. Er war auch mit im Schützenhause, wo man die Herren vertrieben hat.“</p> <p>Die sämmtlichen gedruckten Exemplare des Protokolls sind dem Boten, welcher solche den Deputirten zubringen sollte, von den Konstablern auf der Straße geraubt worden. Man erfuhr dadurch, daß solche aus der Druckerei des Abgeordneten Bernardi kommen. In der nämlichen Nacht drang ein Trupp Soldaten in des letztern Haus, zerstörte seine Pressen, und raubte ihre sämmtliche Drucksachen und Manuscripte ohne Unterschied des Gegenstandes und ohne solche zu inventarisiren oder zu versiegeln.</p> <p>Gestern wollten die noch hier anwesenden Deputirten ein gemeinsames Abschiedsmahl bei Mielenz halten. Wrangel hat dies aber dadurch vereitelt, daß er dem Wirth sagen ließ, er werde, wenn das Mahl stattfinde, nicht blos die Gäste auseinandertreiben, sondern auch das Wirthschaftslokal schließen lassen.</p> <p>Auf heute Abend sind wir alle zu einem Souper bei einem Gutsbesitzer zu Moabit bei Berlin eingeladen. Mich soll wundern, ob wir nicht auch dort, aus einem Privathause verjagt werden. Ein Wrangel ist zu allem fähig!</p> <p>So eben, nachdem ich den Brief bereits geschlossen hatte, erfahre ich folgende neue Schandthat des Hrn. Wrangel. Ein Hauptmann mit 30 Mann ist in die Privatwohnung des Abgeordneten Hildenhagen hierselbst eingedrungen, während zwei Kompagnien vor dem Hause aufgestellt waren.</p> <p>Der Hauptmann ließ während der Abwesenheit des Hildenhagen, nachdem er den Hausbewohnern bei Strafe des Erschießens befahl, das Haus nicht eher zu verlassen, bis er dies erlaubt habe, das Schreibpult und mehre verschlossene Schränke des Hildenhagen erbrechen, und nahm sämmtliche darin befindliche Papiere, sogar die Korrespondenz mit seiner Frau heraus, und schleppte solche aus dem Hause, ohne ein Verzeichniß anzufertigen oder die Papiere zu versiegeln. Hildenhagen ist Sekretär der Nationalversammlung.</p> </div> <div xml:id="ar159_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Berlin, 30. November.</head> <p>Es ist ein sehr ekelhaftes Treiben hier drinnen und da draußen. Rohe Gewalt und passiver Widerstand, Hunger und Aufgeblasenheit, superkluge Heuchelei und elende Feigheit. Schon wankt die <hi rendition="#g">Consequenz</hi> mancher Vereinbarer — sie weisen die <hi rendition="#g">Möglichkeit:</hi> dem Gottesgnadendienste im Brandenburger Dome beizuwohnen, nicht mehr wie früher, <hi rendition="#g">barsch</hi> zurück. Die Einberufung der Stellvertreter wird das Signal zur offenen Parteischeidung geben. — Nach manchen Fadheiten macht das Benehmen eines bäuerlichen Abgeordneten einen wohlthuenden Eindruck. Der Mann hatte sich als <hi rendition="#g">Zuschauer</hi> nach Brandenburg begeben, und wird bemerkt. Einer der tagenden Unterthanen, der ihm befreundet ist, geht auf den Zuschauerraum, und bittet ihn, in die Versammlung zu kommen, weil ihn der Minister zu sprechen wünsche. Er folgt und die Excellenz hält ihm eine Pauke, des Inhalts, daß doch eigentlich der Landmann alle Kosten des Umzugs nach Brandenburg zu zahlen habe, falls durch den Eigensinn der Abgeordneten die Versammlung nicht beschlußfähig werde. Des eigenen Interesse wegen müsse er also eintreten etc. Der Bauer schweigt und wird nun vom Alterspräsidenten abordirt, der ihm Vorwürfe macht, daß er beim Namensaufruf seinen Namen nicht genannt habe. Er antwortet: nicht zugegen gewesen zu sein, worauf der Präsident ihn zur nachträglichen Einzeichnung auffordert. J<gap reason="illegible"/> nein, erwidert nun der Mann, ich gehe hin, woher ich kam — und er geht wieder auf den Zuhörerraum. — Als Gegensatz hier noch das saubere Benehmen eines bürgerlichen Deputirten. Derselbe soll sich von dem hiesigen Präsidenten Vorschuß-Diäten haben ausbezahlen lassen, dann nach Brandenburg gereist sein, und von dem dortigen Bureau nochmals Diäten verlangt und empfangen haben. Eine hübsche Industrie in unserer Zeit der schweren Noth.</p> <p>Vorgestern schlug ein Freiwilliger einen Offizier, der ihn beleidigte, dermaßen, daß er in's Lazareth getragen werden mußte. Der Freiwillige entfloh. Gestern schlug auf offener Straße ein Offizier einen Civilisten in's Gesicht, und als dieser mit Hülfe Anderer über den Helden her wollte, wurde er verhaftet. Heute zog ein Haufe Volk durch die Straßen, und verlangte stürmisch die Verhaftung des Offiziers. Das erste Zeichen, daß die „Erbitterung“ der „schlechten“ Bürger zu Tage tritt. Dafür aber manifestirt sich die „Seligkeit“ der „guten“ Bürger immer schamloser. Für den Pacifikator Wrangel haben sie einen Ehrensäbel bestellt. Es kommt den Andern vor, wie das Kind, das seine Ruthe küsst; denn — wahrhaftig der Stillstand der Geschäfte, die Verdienstlosigkeit im Belagerungszustande sind rein fabelhafter Natur. — Morgen wird die Nationalzeitung wieder erscheinen dürfen.</p> </div> <div xml:id="ar159_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 30. November.</head> <p>In der bekannten „Kreuzritterin“ lesen wir folgende Mittheilung:</p> <p>„Gestern hat Hr. Heinrich v. Gagern dem General v. Wrangel einen Besuch gesuch gemacht und demselben <hi rendition="#g">seine Beistimmung zu den bisher getroffenen Maßregeln zu erkennen gegeben;</hi> weniger gleichartig sollen die Ansichten beider Herren in Bezug auf die Anforderungen der Zukunft gewesen sein.“</p> <p>In dem nämlichen Blatte (dem Organ der Manteuffel, Brandenburg etc.) heißt es wörtlich:</p> <p>„Die Ansprache des Reichsverwesers: „An das deutsche Volk“ wird schwerlich im Allgemeinen den gehofften und beabsichtigten guten Eindruck machen. Abgesehen von dem guten Zweck, ist sie in einem Ton gehalten, welcher schwerlich der Liebe des preußischen Volkes zu seinem angestammten Königshause zusagen dürfte. Wenn die zu Frankfurt versammelten Vertreter des deutschen Volkes, Worte des Friedens gesprochen, so ist dies sehr lobenswerth, wenn sie sich aber über das redliche Wollen unseres hochverehrten Königs mit diktatorischen Befehlen, hinausstellt, so ist diese Stellung eine für jeden treuen Preußen verletzende Die Reichsversammlung verlangt von dem König von Preußen, daß er sich mit Männern umgebe, welche das Vertrauen des Landes genießen. Hätte die Reichsversammlung <hi rendition="#g">vorgeschlagen</hi>, so hätte sie gezeigt, daß sie es gut meine, aber verlangen kann sie von einem Könige von Preußen <hi rendition="#g">nichts</hi>. Wo ist denn das Land, welches den Männern, welche der König mit seinem Vertrauen beehrt, nicht eben so viel Vertrauen schenkt? Etwa die Fraktion Unruh und Consorten? Die Reichsversammlung möge sich doch besser von der Stimmung des Landes unterrichten lassen. Alle Bessergesinnten erkennen die Wahl des jetzigen Ministeriums für die zweckmäßigste, und segnen den König dafür. Nur mit einem solchen Ministerium, welches sich nicht durch eine Fraktion Unruh knechten läßt, kann der König seinem Volke die angebotene Freiheit gesetzlich bewahren. Und durch welche ungesetzliche Handlung hätte denn das Ministerium Brandenburg bis jetzt das Vertrauen des Landes verscherzt? Etwa dadurch, daß es der Pöbelherrschaft kräftig entgegentrat, oder einer schwachen und verführten Bürgerwehr die Waffen abnahm, die sie nicht zu rechter Zeit zu brauchen verstand?“</p> <p>Kann die Unverschämtheit weiter getrieben werden?</p> </div> <div xml:id="ar159_016" type="jArticle"> <head>Berlin, 20. Novbr.</head> <p>Die „Ostsee-Zeitung“ behauptet zu wissen, der Plan des Ministeriums Brandenburg sei folgender: Die in Brandenburg versammelten Deputirten werden sich von Tag zu Tag vertagen, weil man hofft, diejenigen an der Nationalversammlung festhaltenden Deputirten, welche nicht zur Linken gehören, in ihren Entschlüssen nach und nach wankelmüthig zu machen und zu sich herüberzuziehen. Sollte jedoch bis gegen Ende dieser Woche eine beschlußfähige Kammer nicht zu Stande kommen, so wird das Ministerium eine neue Vertagung auf etwa 14 Tage proklamiren, und in der Zwischenzeit die Stellvertreter einberufen. — Man hofft dadurch seinen Zweck zu erreichen. — Wäre die Kammer gestern vollzählig gewesen, so hätte das Ministerium die angekündigte königliche Botschaft verlautbart. Sie enthielt mehrere Gesetzesvorlagen, als: Beschränkung der periodischen Presse durch hohe Kautionen, theilweise Aufhebung des Assoziationsrechtes, für Berlin gänzliche Aufhebung desselben; ferner ein Gesetz, wonach sich die Nationalversammlung nur mit der Berathung der Verfassung zu beschäftigen habe, und endlich ein Tumultgesetz. Diese Botschaft ist einstweilen zurückgelegt worden, da man sie nur einer beschlußfähigen Versammlung vorlegen will.</p> </div> <div xml:id="ar159_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 30. Nov.</head> <p>Wie hier erzählt wird, ist der russische Jaiser gestrn incognito in Potsdam eingetroffen.</p> </div> <div xml:id="ar159_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Brandenburg, 30. Nov.</head> <p>Versammlung des Klub Brünneck im hiesigen Dome. Die Sitzung beginnt um 11 1/4 Uhr. Es ist kein Minister zu sehen. Auf der Gallerie ist Hr. <hi rendition="#g">Gagern</hi> nebst vielen Stabsoffizieren. Ein Schreiben Ladenberg's verlesen, daß für die katholischen Klubmitglieder ein Gottesdienst eingerichtet werden wird.</p> <p>Der Namensaufruf ergibt 182 Anwesende, 13 Entschuldigte. Unter den neu Angekommenen bemerkt man die Herren Parrisius, Dunker, Haase (ein alter Burschenschafter à la Brüggemann), v. Wangenheim, Petersen, Elkemann etc.</p> <p><hi rendition="#g">Bornemann</hi> erhält das Wort in einer persönlichen Angelegenheit und im Namen seines Freundes Petersen.</p> <p>Ich will von vornherein erklären, daß wir unser Erscheinen nicht mit Protesten und Verwahrungen beginnen wollen. Ich bin kein Freund von Protesten, am wenigsten dann, wenn sie eine freie Handlung begründen sollen. Ich will mich lediglich über das Verfahren aussprechen, das ich seit dem 9. November beobachtet habe. Am 27. November war ich entschlossen, mein Mandat niederzulegen, nicht weil ich in Brandenburg nicht erscheinen wollte, sondern weil ich mich in Konflikte nicht hineinziehen lassen wollte, deren Entstehen ich voraussah. Meine Freunde hielten mich zurück; namentlich aber haben mir Besprechungen mit den Reichskommissarien die Ueberzeugung gegeben, daß das Wohl des Vaterlandes es erheische, hier eine beschlußfähige Versammlung zu Stande zu bringen. Bei dieser Ueberzeugung konnten mich persönliche Rücksichten, am wenigsten die Besorgniß kompromittirt zu erscheinen, nicht zurückhalten, zum Wohle und Frieden des Vaterlandes an ihren Berathungen Theil zu nehmen. — Meine Herren! Es ist nicht zu leugnen, daß ein fieberhafter Zustand seit lange in der Versammlung geherrscht hat, der eine Krisis nothwendig herbeiführen mußte. Mit dem 31. Oktober glaubte man diese eingetreten, und eine Rückkehr zu einem gesunden Zustande begonnen. Die Regierung hat es anders aufgefaßt. Sie wissen, was daraus entstanden ist. Treue Freunde, die lange zusammengehalten, haben sich getrennt. Es gibt Fälle, meine Herren, wo Jeder in seinem guten Rechte zu sein glauben darf, und aus guten Gründen seinen eigenen Weg geht. Wie ich nicht anstehe auszusprechen, daß ich die ausgeschiedenen Mitglieder für Ehrenmänner halte, so werden Sie mir beistimmen, daß wir, die Zurückgebliebenen, Anspruch darauf haben, von Ihnen für Ehrenmänner gehalten zu werden. (Schwaches Bravo!) Aber auch eine andere Ueberzeugung leitete mich. Nachdem die Majorität sich entschlossen hatte, den Anordnungen der Krone sich nicht zu fügen, glaubte ich, daß es die Pflicht der Gemäßigten sei, auszuharren, um die Vermittlung zu versuchen und die Grundsätze der Mäßigung geltend zu machen. Es ist uns nicht gelungen, und mag es als eine Vermessenheit erscheinen, wir haben das Unsere versucht, um nur gemäßigten Beschlüssen Annahme zu verschaffen. Jetzt kommt es allein darauf an, daß wir, die wir zurückgekehrt sind, mit Ihnen in engster Freundschaft leben. Mögen verschiedene Meinungen unter uns herrschen, eins muß uns beherrschen, die Mäßigung. Decken wir einen Schleier über das Vergangene. Aber halten wir demnächst auch gegen diejenigen, die mit Unmaß kommen, in Eintracht fest zusammen, um den Sieg zu erkämpfen. (Bravo!)</p> <p><hi rendition="#g">Dunker:</hi> Auch ich habe keinen Protest vorzutragen, aber ich halte es für Pflicht, eine Erklärung meiner politischen Freunde zu Ihrer Kenntniß zu bringen. — Der Redner verliest mit Genehmigung der Vers. eine Erklärung, die ungefähr dahin lautet: Die Unterzeichneten, indem sie an den Berathungen der Vers. Theil zu nehmen entschlossen sind, erklären, nach wie vor in der rechtlichen Ueberzeugung zu stehen, daß der Krone die rechtliche Befugniß nicht zusteht, die Versammlung zu verlegen, zu vertagen oder aufzulösen. Sie räumen ein, daß ihre Meinung in Betreff der Verlegung bestritten werden kann. Sie würden wegen dieser Rechtsfrage allein aus Brandenburg nicht weggeblieben sein. Dieses Wegbleiben hatte seinen Grund hauptsächlich in der Fortexistenz des Ministeriums Brandenburg. Dies Ministerium hat sich ungeachtet des entschiedensten Mißtrauens, das noch verstärkt ausgesprochen wurde, durch das Wegbleiben der großen Mehrheit der Versammlung, noch immer nicht zurückgezogen. Die Unterzeichneten halten es deshalb für ihre Pflicht, nicht länger durch ihr Fortbleiben, die Beeinträchtigungen der Volksfreiheit zu gestatten und zuzugeben, daß das Verfassungswerk noch länger verzögert werde. — Die Erklärung ist unterzeichnet von <hi rendition="#g">Steineich, Nethe, Wangenheim, Brehmer, Haase, Kunth, Elkemann, Schadebrod</hi> und noch 6-7 anderen aus dem Centrum. — Der Redner fügt hinzu: Ich spreche persönlich die zuversichtliche Hoffnung aus, daß morgen die Versöhnung in diesen Räumen angebahnt sei und daß diese Krisis zum Heil des Vaterlandes ausschlagen wird.</p> <p><hi rendition="#g">Parrisius:</hi> Auch ich habe mich persönlich zu erklären. Ich befinde mich nicht im Einklange mit den beiden Rednern vor mir. Ich bin hierher gekommen, um die Versammlung, soviel an mir liegt, vollzählig zu machen, und um hier den Kampf gegen ein volks- und freiheitsfeindliches Ministerium fortzuführen. (Furchtbarer Lärm. Fortwährender Ruf: zur Ordnung! zur Ordnung!) Ich habe aber noch einen zweiten Standpunkt. Ich denke, die Nat.-Vers. wird die Macht haben, dieses Ministerium zu überwinden. (Neuer endloser Tumult. Wiederholter Ruf zur Ordnung. — Der Präsident stellt mit der Glocke endlich die Ruhe her.) Meine Herren, ich gebe Ihnen die Versicherung, daß, wie ich fest stehe gegen das Ministerium für das Volk und seine Freiheit, ich, so lange meine physischen Kräfte ausreichen, dahin wirken werde, daß die Freiheiten des Volkes von keiner Seite beschnitten werden. (Murren und Bravos; Lärm.)</p> <p><hi rendition="#g">Bauer</hi> (Berlin): Ich erinnere an das, was die beiden vorletzten Redner gesprochen haben. Es waren Worte der Versöhnung. Der letzte Redner hat diesen Weg nicht eingeschlagen. Unter dem Vorwande einer persönlichen Bemerkung hat er denselben Weg betreten, auf welchen seit 7 Monaten zum Unheil des Landes nur Zwiespalt ausgestreut wurde. Ich protestire dagegen, daß hier Charaktere verdächtigt werden und von einem unter uns gesagt werde, daß er nicht für die Freiheit kämpfe.</p> <p><hi rendition="#g">Parrisius</hi> will die Tribüne besteigen. (Neuer Lärm. Ruf zur Tagesordnung.) Er verwahrt sich gegen Verdächtigungen.</p> <p><hi rendition="#g">Reichensperger:</hi> Es kann nicht gestattet werden, daß hier Jeder von der Tribüne herab Erklärungen über sein persönliches Verhalten gebe. Sollte das zulässig sein, so hätten wir viel eher Grund hier aufzutreten und uns gegen ungerechte Angriffe zu vertheidigen.</p> <p>Auf der Tagesordnung steht der Antrag von Simons. <hi rendition="#g">Simons</hi> erklärt: Verschiedene Umstände bestimmen mich zu beantragen, daß die Verhandlung des von mir gestellten Antrages bis morgen verschoben werde. — Genehmigt. Die Sitzung bis morgen Vormittag 11 Uhr vertagt. Schluß der Sitzung 12 1/2 Uhr.</p> </div> <div xml:id="ar159_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>43</author></bibl> Naumburg, 29. Nov.</head> <p>Die rothen Reaktionärs und rothen Monarchisten haben in Erfurt einen vollständigen Sieg errungen, und man hört von Wunderdingen, wie raffinirt und brutal sie ihren Sieg ausbeuten. Wir sahen gestern rothe Plakate an den Straßenecken, worin sie „alle gutgesinnten Einwohner“ zu Adressen an das hohe Staats-Ministerium auffordern, um die Beschränkung der Preß- und Vereinigungsfreiheit, sowie den Belagerungszustand immer <hi rendition="#g">fortdauern</hi> zu lassen. Diese Adressen liegen bei den ausgewählten Bezirksvorstehern zur Unterschrift offen. Es ist eine solche Perfidie kaum zu glauben, aber wir haben die blutrothen Plakate selbst gelesen. Man zweifelt nicht, daß in der noch herrschenden Ueberstürzung und Ueberrumpelung zahlreiche Unterschriften für diese Adresse sich ansammeln werden. Indessen kommt man doch auch schon wieder zur Besinnung und fängt an, über die Ursachen und Wirkungen nachzudenken. Viele Urtheile werden laut, welche den blutigen Konflikt vom 28. d. M. den künstlichen Vorbereitungen einer kleinen Kamarilla zuschreiben. Vor einigen Tagen wurden die im Straßenkampf gefallenen 7 Soldaten mit solchem Pomp beerdigt, der wohl geeignet ist, den Fanatismus der Soldaten und die in ihnen künstlich erzeugte Erbitterung gegen die Bürgerwehr und Arbeiter zu steigern. Die gefallenen neun Bürgerwehrmänner und Arbeiter sollen dagegen wie die Hunde begraben worden sein. — Die Zuchtruthe des Belagerungszustandes wird mit eiserner Strenge über den unterlegenen Theil der Bevölkerung geschwungen, ein anderer Theil scheint sich dabei wohl zu befinden, denn er petitionirt um die Fortdauer dieses Zustandes. Um sich nur einen Begriff von der Strenge des Belagerungszustandes zu machen, gedenken wir nur des kleinen Faktums, daß um <hi rendition="#g">vier Uhr Nachmittags</hi> kein Mensch mehr in einem Wirthshause sein darf. Die geschlossenen Gesellschaften und Hotels der vornehmen Herren sind selbstredend keine Wirthshäuser. Die Erbitterung gegen die Garnison soll außerordentlich sein, doch verbeißt sie Jeder, weil er muß, und macht gute Miene zum bösen Spiel. Von den Verhaftungen und standrechtlichen Prozessen erzählt man sich schauderhafte Scenen.</p> <p>Der Kommandant von Erfurt ist der General-Lieutenant von Voß.</p> </div> <div xml:id="ar159_020" type="jArticle"> <head>Posen, 27. Nov.</head> <p>Am gestrigen Abend haben wir hier einen Straßenkrawall erlebt, der leider von Militärpersonen ausging. Das hier stationirte 7. Husarenregiment, von dem jedoch augenblicklich nur zwei Schwadronen in Posen selbst liegen, hat in der letzten Zeit mehrmals seinen Chef gewechselt, und darin mag wohl der Grund zu suchen sein, daß die Exercirübungen nicht so häufig und nicht so streng vorgenommen wurden, als dies sonst wohl zu geschehen pflegt; nun aber hat das Regiment seit einigen Monaten einen Kommandeur, den Major v. Beczwarzowsky, erhalten, welcher es mit dem Dienst — ob vielleicht auch mit dem sogenannten Kamaschendienste? — ziemlich streng nehmen soll, weshalb die Husaren sehr unzufrieden sind. So zogen sie dann in Masse gestern Abend zuerst zu dem von ihnen sehr geliebten Major Schimmelpenninck von der Oye und brachten diesem ein lautes Hurrah, wobei sie das Verlangen laut werden ließen, er möge ihr Chef werden. Dann zog die Menge vor die Wohnung des Kommandeurs und stimmte hier eine ziemlich unerquickliche Katzenmusik als Variation zu dem Thema: er möge abdanken, an. Weiter geschah nichts, denn als gleich darauf einige beliebte Offiziere des Regiments hinzukamen, ließen die Husaren sich ohne alle Widersetzlichkeit zum ruhigen Nachhausegehen bewegen; auch das Publikum, das zahlreich durch den Spektakel herbeigelockt war, verhielt sich duraus ruhig und bezeigte seine Theilnahme an dem Auftritt nur durch Lachen. So ist mir der Vorfall von durchaus glaubwürdigen Augenzeugen berichtet worden; alle weitere Ausschmückung gehört daher in's Gebiet der Fabel. Daß die Rädels- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0843/0004]
ist. Einer der Thäter hat schon am Nachmittage einem Schenkwirth erklärt, daß sein Lieutenant ihn zum Einhauen gegen die Demokraten aufgefordert habe; auch hat eine Dame gehört, wie ein Offizier den nach der Volksversammlung ziehenden Schaaren zugerufen, sie mögten tapfer zuhauen, leider kennt sie den Offizier nicht.
Von den täglich unter unsere Soldaten vertheilten Proklamationen ist mir eine zu Gesicht gekommen, die an Niederträchtigkeit Alles der Art überbietet. Sie enthält ein Sündenregister der preuß. Nationalversammlung. Folgende Pröbchen mögen genügen: „Sie (die Nat.-Vers.) hat die Abschaffung der Todesstrafe beschlossen, so daß der Mörder und der Hochverräther dafür, daß er anderer Leute Leben in die Schanze schlägt, mit heiler Haut davonkommt.“ Sie hat ein Gesetz über die persönliche Freiheit durchgesetzt, die sogenannte Habeas-Corpus-Akte, wovon hauptsächlich die Spitzbuben und Vagabonden profitiren, die gegen Verhaftungen und Haussuchungen gesichert sind, wenn sie nicht auf der That erwischt werden.“ Ist in diesen Stellen die Niederträchtigkeit, so ist an der folgenden die Dummheit zu bewundern: „Sie hat den Adel abgeschafft, was eben so lächerlich ist, als wenn sie den Bürgerstand oder den Bauernstand abschaffen wollte.“ Alle diese Machwerke kommen aus Potsdam, werden aber von den Gebrüdern Coppenrath, Verlegern und Redakteuren des Westf. Merkurs bereitwillig nachgedruckt. Und doch weigerten sich dieselben noch vor wenigen Monaten, die Verhandlungen des entschlafenen konstitutionellen Vereins, der eher ein demokratischer zu nennen war, unter dem Vorwande, gar nichts „Politisches“ drucken zu wollen, zu drucken.
Ein Beweis von dem politischen Umschwunge des Münsterlandes ist die gestern im Kreise Koesfeld vorgenommene Wahl eines Deputirten und Stellvertreters für Berlin. Es wurden gewählt: der durch seinen Protest gegen die Vornahme von Wahlen zur Reichsversammlung im Großh. Posen bekannte O.-L.-G.-Assessor Fischer, welcher als Stellvertreter unseres Deputirten getreulich in Berlin ausgehalten und sich auf die Linke gesetzt hat; ferner als Stellvertreter der Bauernadvokat Gierse, dessen Wahl bisher die Geistlichen hintertrieben hatten. Es ist dies die erste vernünftige Wahl im Münsterlande; die bisherigen Wahlen gingen lediglich vom katholischen Vereine hierselbst aus, der eben, seitdem er jüngst erklärt hat, der König sei nicht verpflichtet, seine ihm im März „abgedrungenen“ Versprechungen zu halten (also eine Rechtfertigung des Meineids), ferner: Blum sei ein Räuber, dem ganz recht geschehen, allen Halt im Volke verloren hat.
X Berlin, 30. Nov. Wie Wrangel die Abgeordneten der preußischen Nation, einer Nation von 16 Millionen Menschen behandelt, davon liefert nicht allein das Ihren Lesern schon mitgetheilte Protokoll, sondern auch seine im preußischen Staatsanzeiger erscheinenden Verordnungen und Befehle die schönsten Proben.
Am 27. d. M. sind wir nur dreimal mit Bajonetten aus unsern Hotels verjagt worden.
Ein Gast (noch dazu nicht Abgeordneter, der bei Mylius logirte) fragte den Führer der Truppe, einen Major v. Pleß: „Aber darf man denn nicht in einem Wirthshause, wo man als Fremder wohnt, essen und trinken, und sich dabei unterhalten?“ — „Jawohl, antwortete der Major v. Pleß, das dürfen Sie, meine Herren, aber die Unterhaltung muß ganz harmlos sein. Geben Sie mir ihr Ehrenwort, nicht über Politik zu sprechen, so können Sie alle ungestört hier bleiben.“ Das Ehrenwort wurde natürlich geweigert, und die Gäste von den Soldaten vor die Thüre geführt, wo eine ganze Kompagnie Soldaten mit aufgezogenem Hahne aufgestellt war.
Bei dieser letzten Exekution entwickelte ein Lieutenant v. Blücher, ein Enkel des Fürsten v. Wahlstadt, eine besondere Thätigkeit. Einer der Soldaten sagte mir leise, auf den Blücher zeigend, „dieser gehört gar nicht zu uns, er hat sich als Freiwilliger gemeldet, um die Herren Abgeordneten zu verjagen, was unsere Offiziere ungern thun. Er war auch mit im Schützenhause, wo man die Herren vertrieben hat.“
Die sämmtlichen gedruckten Exemplare des Protokolls sind dem Boten, welcher solche den Deputirten zubringen sollte, von den Konstablern auf der Straße geraubt worden. Man erfuhr dadurch, daß solche aus der Druckerei des Abgeordneten Bernardi kommen. In der nämlichen Nacht drang ein Trupp Soldaten in des letztern Haus, zerstörte seine Pressen, und raubte ihre sämmtliche Drucksachen und Manuscripte ohne Unterschied des Gegenstandes und ohne solche zu inventarisiren oder zu versiegeln.
Gestern wollten die noch hier anwesenden Deputirten ein gemeinsames Abschiedsmahl bei Mielenz halten. Wrangel hat dies aber dadurch vereitelt, daß er dem Wirth sagen ließ, er werde, wenn das Mahl stattfinde, nicht blos die Gäste auseinandertreiben, sondern auch das Wirthschaftslokal schließen lassen.
Auf heute Abend sind wir alle zu einem Souper bei einem Gutsbesitzer zu Moabit bei Berlin eingeladen. Mich soll wundern, ob wir nicht auch dort, aus einem Privathause verjagt werden. Ein Wrangel ist zu allem fähig!
So eben, nachdem ich den Brief bereits geschlossen hatte, erfahre ich folgende neue Schandthat des Hrn. Wrangel. Ein Hauptmann mit 30 Mann ist in die Privatwohnung des Abgeordneten Hildenhagen hierselbst eingedrungen, während zwei Kompagnien vor dem Hause aufgestellt waren.
Der Hauptmann ließ während der Abwesenheit des Hildenhagen, nachdem er den Hausbewohnern bei Strafe des Erschießens befahl, das Haus nicht eher zu verlassen, bis er dies erlaubt habe, das Schreibpult und mehre verschlossene Schränke des Hildenhagen erbrechen, und nahm sämmtliche darin befindliche Papiere, sogar die Korrespondenz mit seiner Frau heraus, und schleppte solche aus dem Hause, ohne ein Verzeichniß anzufertigen oder die Papiere zu versiegeln. Hildenhagen ist Sekretär der Nationalversammlung.
14 Berlin, 30. November. Es ist ein sehr ekelhaftes Treiben hier drinnen und da draußen. Rohe Gewalt und passiver Widerstand, Hunger und Aufgeblasenheit, superkluge Heuchelei und elende Feigheit. Schon wankt die Consequenz mancher Vereinbarer — sie weisen die Möglichkeit: dem Gottesgnadendienste im Brandenburger Dome beizuwohnen, nicht mehr wie früher, barsch zurück. Die Einberufung der Stellvertreter wird das Signal zur offenen Parteischeidung geben. — Nach manchen Fadheiten macht das Benehmen eines bäuerlichen Abgeordneten einen wohlthuenden Eindruck. Der Mann hatte sich als Zuschauer nach Brandenburg begeben, und wird bemerkt. Einer der tagenden Unterthanen, der ihm befreundet ist, geht auf den Zuschauerraum, und bittet ihn, in die Versammlung zu kommen, weil ihn der Minister zu sprechen wünsche. Er folgt und die Excellenz hält ihm eine Pauke, des Inhalts, daß doch eigentlich der Landmann alle Kosten des Umzugs nach Brandenburg zu zahlen habe, falls durch den Eigensinn der Abgeordneten die Versammlung nicht beschlußfähig werde. Des eigenen Interesse wegen müsse er also eintreten etc. Der Bauer schweigt und wird nun vom Alterspräsidenten abordirt, der ihm Vorwürfe macht, daß er beim Namensaufruf seinen Namen nicht genannt habe. Er antwortet: nicht zugegen gewesen zu sein, worauf der Präsident ihn zur nachträglichen Einzeichnung auffordert. J_ nein, erwidert nun der Mann, ich gehe hin, woher ich kam — und er geht wieder auf den Zuhörerraum. — Als Gegensatz hier noch das saubere Benehmen eines bürgerlichen Deputirten. Derselbe soll sich von dem hiesigen Präsidenten Vorschuß-Diäten haben ausbezahlen lassen, dann nach Brandenburg gereist sein, und von dem dortigen Bureau nochmals Diäten verlangt und empfangen haben. Eine hübsche Industrie in unserer Zeit der schweren Noth.
Vorgestern schlug ein Freiwilliger einen Offizier, der ihn beleidigte, dermaßen, daß er in's Lazareth getragen werden mußte. Der Freiwillige entfloh. Gestern schlug auf offener Straße ein Offizier einen Civilisten in's Gesicht, und als dieser mit Hülfe Anderer über den Helden her wollte, wurde er verhaftet. Heute zog ein Haufe Volk durch die Straßen, und verlangte stürmisch die Verhaftung des Offiziers. Das erste Zeichen, daß die „Erbitterung“ der „schlechten“ Bürger zu Tage tritt. Dafür aber manifestirt sich die „Seligkeit“ der „guten“ Bürger immer schamloser. Für den Pacifikator Wrangel haben sie einen Ehrensäbel bestellt. Es kommt den Andern vor, wie das Kind, das seine Ruthe küsst; denn — wahrhaftig der Stillstand der Geschäfte, die Verdienstlosigkeit im Belagerungszustande sind rein fabelhafter Natur. — Morgen wird die Nationalzeitung wieder erscheinen dürfen.
* Berlin, 30. November. In der bekannten „Kreuzritterin“ lesen wir folgende Mittheilung:
„Gestern hat Hr. Heinrich v. Gagern dem General v. Wrangel einen Besuch gesuch gemacht und demselben seine Beistimmung zu den bisher getroffenen Maßregeln zu erkennen gegeben; weniger gleichartig sollen die Ansichten beider Herren in Bezug auf die Anforderungen der Zukunft gewesen sein.“
In dem nämlichen Blatte (dem Organ der Manteuffel, Brandenburg etc.) heißt es wörtlich:
„Die Ansprache des Reichsverwesers: „An das deutsche Volk“ wird schwerlich im Allgemeinen den gehofften und beabsichtigten guten Eindruck machen. Abgesehen von dem guten Zweck, ist sie in einem Ton gehalten, welcher schwerlich der Liebe des preußischen Volkes zu seinem angestammten Königshause zusagen dürfte. Wenn die zu Frankfurt versammelten Vertreter des deutschen Volkes, Worte des Friedens gesprochen, so ist dies sehr lobenswerth, wenn sie sich aber über das redliche Wollen unseres hochverehrten Königs mit diktatorischen Befehlen, hinausstellt, so ist diese Stellung eine für jeden treuen Preußen verletzende Die Reichsversammlung verlangt von dem König von Preußen, daß er sich mit Männern umgebe, welche das Vertrauen des Landes genießen. Hätte die Reichsversammlung vorgeschlagen, so hätte sie gezeigt, daß sie es gut meine, aber verlangen kann sie von einem Könige von Preußen nichts. Wo ist denn das Land, welches den Männern, welche der König mit seinem Vertrauen beehrt, nicht eben so viel Vertrauen schenkt? Etwa die Fraktion Unruh und Consorten? Die Reichsversammlung möge sich doch besser von der Stimmung des Landes unterrichten lassen. Alle Bessergesinnten erkennen die Wahl des jetzigen Ministeriums für die zweckmäßigste, und segnen den König dafür. Nur mit einem solchen Ministerium, welches sich nicht durch eine Fraktion Unruh knechten läßt, kann der König seinem Volke die angebotene Freiheit gesetzlich bewahren. Und durch welche ungesetzliche Handlung hätte denn das Ministerium Brandenburg bis jetzt das Vertrauen des Landes verscherzt? Etwa dadurch, daß es der Pöbelherrschaft kräftig entgegentrat, oder einer schwachen und verführten Bürgerwehr die Waffen abnahm, die sie nicht zu rechter Zeit zu brauchen verstand?“
Kann die Unverschämtheit weiter getrieben werden?
Berlin, 20. Novbr. Die „Ostsee-Zeitung“ behauptet zu wissen, der Plan des Ministeriums Brandenburg sei folgender: Die in Brandenburg versammelten Deputirten werden sich von Tag zu Tag vertagen, weil man hofft, diejenigen an der Nationalversammlung festhaltenden Deputirten, welche nicht zur Linken gehören, in ihren Entschlüssen nach und nach wankelmüthig zu machen und zu sich herüberzuziehen. Sollte jedoch bis gegen Ende dieser Woche eine beschlußfähige Kammer nicht zu Stande kommen, so wird das Ministerium eine neue Vertagung auf etwa 14 Tage proklamiren, und in der Zwischenzeit die Stellvertreter einberufen. — Man hofft dadurch seinen Zweck zu erreichen. — Wäre die Kammer gestern vollzählig gewesen, so hätte das Ministerium die angekündigte königliche Botschaft verlautbart. Sie enthielt mehrere Gesetzesvorlagen, als: Beschränkung der periodischen Presse durch hohe Kautionen, theilweise Aufhebung des Assoziationsrechtes, für Berlin gänzliche Aufhebung desselben; ferner ein Gesetz, wonach sich die Nationalversammlung nur mit der Berathung der Verfassung zu beschäftigen habe, und endlich ein Tumultgesetz. Diese Botschaft ist einstweilen zurückgelegt worden, da man sie nur einer beschlußfähigen Versammlung vorlegen will.
* Berlin, 30. Nov. Wie hier erzählt wird, ist der russische Jaiser gestrn incognito in Potsdam eingetroffen.
* Brandenburg, 30. Nov. Versammlung des Klub Brünneck im hiesigen Dome. Die Sitzung beginnt um 11 1/4 Uhr. Es ist kein Minister zu sehen. Auf der Gallerie ist Hr. Gagern nebst vielen Stabsoffizieren. Ein Schreiben Ladenberg's verlesen, daß für die katholischen Klubmitglieder ein Gottesdienst eingerichtet werden wird.
Der Namensaufruf ergibt 182 Anwesende, 13 Entschuldigte. Unter den neu Angekommenen bemerkt man die Herren Parrisius, Dunker, Haase (ein alter Burschenschafter à la Brüggemann), v. Wangenheim, Petersen, Elkemann etc.
Bornemann erhält das Wort in einer persönlichen Angelegenheit und im Namen seines Freundes Petersen.
Ich will von vornherein erklären, daß wir unser Erscheinen nicht mit Protesten und Verwahrungen beginnen wollen. Ich bin kein Freund von Protesten, am wenigsten dann, wenn sie eine freie Handlung begründen sollen. Ich will mich lediglich über das Verfahren aussprechen, das ich seit dem 9. November beobachtet habe. Am 27. November war ich entschlossen, mein Mandat niederzulegen, nicht weil ich in Brandenburg nicht erscheinen wollte, sondern weil ich mich in Konflikte nicht hineinziehen lassen wollte, deren Entstehen ich voraussah. Meine Freunde hielten mich zurück; namentlich aber haben mir Besprechungen mit den Reichskommissarien die Ueberzeugung gegeben, daß das Wohl des Vaterlandes es erheische, hier eine beschlußfähige Versammlung zu Stande zu bringen. Bei dieser Ueberzeugung konnten mich persönliche Rücksichten, am wenigsten die Besorgniß kompromittirt zu erscheinen, nicht zurückhalten, zum Wohle und Frieden des Vaterlandes an ihren Berathungen Theil zu nehmen. — Meine Herren! Es ist nicht zu leugnen, daß ein fieberhafter Zustand seit lange in der Versammlung geherrscht hat, der eine Krisis nothwendig herbeiführen mußte. Mit dem 31. Oktober glaubte man diese eingetreten, und eine Rückkehr zu einem gesunden Zustande begonnen. Die Regierung hat es anders aufgefaßt. Sie wissen, was daraus entstanden ist. Treue Freunde, die lange zusammengehalten, haben sich getrennt. Es gibt Fälle, meine Herren, wo Jeder in seinem guten Rechte zu sein glauben darf, und aus guten Gründen seinen eigenen Weg geht. Wie ich nicht anstehe auszusprechen, daß ich die ausgeschiedenen Mitglieder für Ehrenmänner halte, so werden Sie mir beistimmen, daß wir, die Zurückgebliebenen, Anspruch darauf haben, von Ihnen für Ehrenmänner gehalten zu werden. (Schwaches Bravo!) Aber auch eine andere Ueberzeugung leitete mich. Nachdem die Majorität sich entschlossen hatte, den Anordnungen der Krone sich nicht zu fügen, glaubte ich, daß es die Pflicht der Gemäßigten sei, auszuharren, um die Vermittlung zu versuchen und die Grundsätze der Mäßigung geltend zu machen. Es ist uns nicht gelungen, und mag es als eine Vermessenheit erscheinen, wir haben das Unsere versucht, um nur gemäßigten Beschlüssen Annahme zu verschaffen. Jetzt kommt es allein darauf an, daß wir, die wir zurückgekehrt sind, mit Ihnen in engster Freundschaft leben. Mögen verschiedene Meinungen unter uns herrschen, eins muß uns beherrschen, die Mäßigung. Decken wir einen Schleier über das Vergangene. Aber halten wir demnächst auch gegen diejenigen, die mit Unmaß kommen, in Eintracht fest zusammen, um den Sieg zu erkämpfen. (Bravo!)
Dunker: Auch ich habe keinen Protest vorzutragen, aber ich halte es für Pflicht, eine Erklärung meiner politischen Freunde zu Ihrer Kenntniß zu bringen. — Der Redner verliest mit Genehmigung der Vers. eine Erklärung, die ungefähr dahin lautet: Die Unterzeichneten, indem sie an den Berathungen der Vers. Theil zu nehmen entschlossen sind, erklären, nach wie vor in der rechtlichen Ueberzeugung zu stehen, daß der Krone die rechtliche Befugniß nicht zusteht, die Versammlung zu verlegen, zu vertagen oder aufzulösen. Sie räumen ein, daß ihre Meinung in Betreff der Verlegung bestritten werden kann. Sie würden wegen dieser Rechtsfrage allein aus Brandenburg nicht weggeblieben sein. Dieses Wegbleiben hatte seinen Grund hauptsächlich in der Fortexistenz des Ministeriums Brandenburg. Dies Ministerium hat sich ungeachtet des entschiedensten Mißtrauens, das noch verstärkt ausgesprochen wurde, durch das Wegbleiben der großen Mehrheit der Versammlung, noch immer nicht zurückgezogen. Die Unterzeichneten halten es deshalb für ihre Pflicht, nicht länger durch ihr Fortbleiben, die Beeinträchtigungen der Volksfreiheit zu gestatten und zuzugeben, daß das Verfassungswerk noch länger verzögert werde. — Die Erklärung ist unterzeichnet von Steineich, Nethe, Wangenheim, Brehmer, Haase, Kunth, Elkemann, Schadebrod und noch 6-7 anderen aus dem Centrum. — Der Redner fügt hinzu: Ich spreche persönlich die zuversichtliche Hoffnung aus, daß morgen die Versöhnung in diesen Räumen angebahnt sei und daß diese Krisis zum Heil des Vaterlandes ausschlagen wird.
Parrisius: Auch ich habe mich persönlich zu erklären. Ich befinde mich nicht im Einklange mit den beiden Rednern vor mir. Ich bin hierher gekommen, um die Versammlung, soviel an mir liegt, vollzählig zu machen, und um hier den Kampf gegen ein volks- und freiheitsfeindliches Ministerium fortzuführen. (Furchtbarer Lärm. Fortwährender Ruf: zur Ordnung! zur Ordnung!) Ich habe aber noch einen zweiten Standpunkt. Ich denke, die Nat.-Vers. wird die Macht haben, dieses Ministerium zu überwinden. (Neuer endloser Tumult. Wiederholter Ruf zur Ordnung. — Der Präsident stellt mit der Glocke endlich die Ruhe her.) Meine Herren, ich gebe Ihnen die Versicherung, daß, wie ich fest stehe gegen das Ministerium für das Volk und seine Freiheit, ich, so lange meine physischen Kräfte ausreichen, dahin wirken werde, daß die Freiheiten des Volkes von keiner Seite beschnitten werden. (Murren und Bravos; Lärm.)
Bauer (Berlin): Ich erinnere an das, was die beiden vorletzten Redner gesprochen haben. Es waren Worte der Versöhnung. Der letzte Redner hat diesen Weg nicht eingeschlagen. Unter dem Vorwande einer persönlichen Bemerkung hat er denselben Weg betreten, auf welchen seit 7 Monaten zum Unheil des Landes nur Zwiespalt ausgestreut wurde. Ich protestire dagegen, daß hier Charaktere verdächtigt werden und von einem unter uns gesagt werde, daß er nicht für die Freiheit kämpfe.
Parrisius will die Tribüne besteigen. (Neuer Lärm. Ruf zur Tagesordnung.) Er verwahrt sich gegen Verdächtigungen.
Reichensperger: Es kann nicht gestattet werden, daß hier Jeder von der Tribüne herab Erklärungen über sein persönliches Verhalten gebe. Sollte das zulässig sein, so hätten wir viel eher Grund hier aufzutreten und uns gegen ungerechte Angriffe zu vertheidigen.
Auf der Tagesordnung steht der Antrag von Simons. Simons erklärt: Verschiedene Umstände bestimmen mich zu beantragen, daß die Verhandlung des von mir gestellten Antrages bis morgen verschoben werde. — Genehmigt. Die Sitzung bis morgen Vormittag 11 Uhr vertagt. Schluß der Sitzung 12 1/2 Uhr.
43 Naumburg, 29. Nov. Die rothen Reaktionärs und rothen Monarchisten haben in Erfurt einen vollständigen Sieg errungen, und man hört von Wunderdingen, wie raffinirt und brutal sie ihren Sieg ausbeuten. Wir sahen gestern rothe Plakate an den Straßenecken, worin sie „alle gutgesinnten Einwohner“ zu Adressen an das hohe Staats-Ministerium auffordern, um die Beschränkung der Preß- und Vereinigungsfreiheit, sowie den Belagerungszustand immer fortdauern zu lassen. Diese Adressen liegen bei den ausgewählten Bezirksvorstehern zur Unterschrift offen. Es ist eine solche Perfidie kaum zu glauben, aber wir haben die blutrothen Plakate selbst gelesen. Man zweifelt nicht, daß in der noch herrschenden Ueberstürzung und Ueberrumpelung zahlreiche Unterschriften für diese Adresse sich ansammeln werden. Indessen kommt man doch auch schon wieder zur Besinnung und fängt an, über die Ursachen und Wirkungen nachzudenken. Viele Urtheile werden laut, welche den blutigen Konflikt vom 28. d. M. den künstlichen Vorbereitungen einer kleinen Kamarilla zuschreiben. Vor einigen Tagen wurden die im Straßenkampf gefallenen 7 Soldaten mit solchem Pomp beerdigt, der wohl geeignet ist, den Fanatismus der Soldaten und die in ihnen künstlich erzeugte Erbitterung gegen die Bürgerwehr und Arbeiter zu steigern. Die gefallenen neun Bürgerwehrmänner und Arbeiter sollen dagegen wie die Hunde begraben worden sein. — Die Zuchtruthe des Belagerungszustandes wird mit eiserner Strenge über den unterlegenen Theil der Bevölkerung geschwungen, ein anderer Theil scheint sich dabei wohl zu befinden, denn er petitionirt um die Fortdauer dieses Zustandes. Um sich nur einen Begriff von der Strenge des Belagerungszustandes zu machen, gedenken wir nur des kleinen Faktums, daß um vier Uhr Nachmittags kein Mensch mehr in einem Wirthshause sein darf. Die geschlossenen Gesellschaften und Hotels der vornehmen Herren sind selbstredend keine Wirthshäuser. Die Erbitterung gegen die Garnison soll außerordentlich sein, doch verbeißt sie Jeder, weil er muß, und macht gute Miene zum bösen Spiel. Von den Verhaftungen und standrechtlichen Prozessen erzählt man sich schauderhafte Scenen.
Der Kommandant von Erfurt ist der General-Lieutenant von Voß.
Posen, 27. Nov. Am gestrigen Abend haben wir hier einen Straßenkrawall erlebt, der leider von Militärpersonen ausging. Das hier stationirte 7. Husarenregiment, von dem jedoch augenblicklich nur zwei Schwadronen in Posen selbst liegen, hat in der letzten Zeit mehrmals seinen Chef gewechselt, und darin mag wohl der Grund zu suchen sein, daß die Exercirübungen nicht so häufig und nicht so streng vorgenommen wurden, als dies sonst wohl zu geschehen pflegt; nun aber hat das Regiment seit einigen Monaten einen Kommandeur, den Major v. Beczwarzowsky, erhalten, welcher es mit dem Dienst — ob vielleicht auch mit dem sogenannten Kamaschendienste? — ziemlich streng nehmen soll, weshalb die Husaren sehr unzufrieden sind. So zogen sie dann in Masse gestern Abend zuerst zu dem von ihnen sehr geliebten Major Schimmelpenninck von der Oye und brachten diesem ein lautes Hurrah, wobei sie das Verlangen laut werden ließen, er möge ihr Chef werden. Dann zog die Menge vor die Wohnung des Kommandeurs und stimmte hier eine ziemlich unerquickliche Katzenmusik als Variation zu dem Thema: er möge abdanken, an. Weiter geschah nichts, denn als gleich darauf einige beliebte Offiziere des Regiments hinzukamen, ließen die Husaren sich ohne alle Widersetzlichkeit zum ruhigen Nachhausegehen bewegen; auch das Publikum, das zahlreich durch den Spektakel herbeigelockt war, verhielt sich duraus ruhig und bezeigte seine Theilnahme an dem Auftritt nur durch Lachen. So ist mir der Vorfall von durchaus glaubwürdigen Augenzeugen berichtet worden; alle weitere Ausschmückung gehört daher in's Gebiet der Fabel. Daß die Rädels-
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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