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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 157. Köln, 1. Dezember 1848.

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Versicherungs-Gesellschaft hier und vielleicht überall verbreitetes Cirkular sucht im Namen der patriotischen Vereine Unterschriften zu einer Adresse an eine hohe National-Versammlung, Behufs Beschleunigung des Verfassungswerkes.
"Die unterzeichneten Urwähler des Kreises Warendorf können ein solches Unternehmen nur höchst mißbilligen, weil sie nicht allein in der Vollendung des Verfassungswerkes, sondern eben so wesentlich in der Feststellung der durch freie Verfassung bedingten organischen Gesetze die Aufgabe erkennen, die eine hohe National-Versammlung zu lösen hat.

Warendorf, den 15. Oktober 1848.

(Unterschriften.)

Das Volk ist also in der Stadt Warendorf in Westphalen zu der Einsicht gekommen, daß wir ganz etwas Anderes zu thun haben, als blos die Verfassung zu machen, und daß das Andere, was wir zu thun haben, eiliger ist, als die Verfassung. Sie entnehmen hieraus zugleich die Quelle der Petitionen, und es wird Sie nicht mehr wundern, wenn auf solche Weise bei Verbreitung gleichlautender Petitionen eine Masse Unterschriften kommen. Sie werden aber von der andern Seite die große Zahl der Bittschriften berücksichtigen, die von allen Seiten ankommen und dringend dahin gehen, den alten Schutt hinwegzuräumen Sie werden also auch allen den sehr wichtigen Gesetzen, die zu diesem Zweck schon jetzt für die Tagesordnungen vorliegen, so wie den anderen Gesetzen, die nothwendig folgen müssen, z. B. das Gesetz über die Wehrverfassung, über die Geschworenen, über den Unterricht Ihre Beistimmung nicht versagen. Sie werden diese Gesetze nicht beeinträchtigen wollen. Sie werden wahrlich das Gesetz, wodurch die unpassendsten Bestimmungen, welche die Presse jetzt knechten, weggeräumt werden sollen, nicht verzögern wollen. Wie sehr Sie aber allen diesen Gesetzen entgegentreten würden, wenn Sie den Hauptantrag annähmen, das wird Ihnen sofort klar sein, denn es bleiben dann nur zwei Tage in der Woche außer der Verfassung übrig. Der eine Tag ist den Petitionen gewidmet, und ich würde es nicht für verantwortlich halten, daß wir diesen Tag ausfallen lassen, denn es sind auch unter diesen Petitionen manche, die Berücksichtigung verdienen, so daß wir diesen Theil des Geschäftsreglements, dem Lande gegenüber so handhaben müssen, daß wenigstens jetzt endlich der Tag für die Petitionen beobachtet wird. Gehen Sie davon aus, so bleibt nur ein einziger Tag für die Gesetze übrig. Nun haben Sie aber die Erfahrung gemacht, daß stets dringende Anträge, sei es von der einen, sei es von der anderen Seite, gemacht werden, diese werden nie fehlen, sie können nicht fehlen, denn ihre Nothwendigkeit liegt in der jetzigen Organisation der Zustände. Wollte ich z. B. alle diejenigen Anträge machen, wozu ich von vielen Seiten des Landes aufgefordert werde, weil die Leute einsehen, daß mit Petitionen nichts auszurichten ist; wollte ich diese meist begründeten Anträge alle stellen, so würde die Zeit gar nicht ausreichen, und ich kann versichern, Sie würden doch nichts Unwesentliches gethan haben, wenn Sie darauf eingingen.

Ihre Aufgabe besteht ferner darin, ein wachsames Auge über die Verwaltung zu haben, und das können Sie nicht haben, wenn Sie sich absichtlich verschließen wollen, den Stimmen gegenüber, die sich erheben, um die Rechte des Landes zu schützen. Es ist also meines Ermessens unthunlich, in dieser jetzigen gefährlichen Zeit, wo das ganze Land mit Aufregung und Spannung hierher blickt, noch mehr Tage so festzustellen, daß an denselben ausschließlich nichts geschehen soll, als die Berathung der Verfassung. Jetzt haben wir zwei Tage dazu anberaumt, und dieser Beschluß mag gehandhabt werden. Es würde nicht gerechtfertigt sein, wenn man diese Ausschließlichkeit noch weiter ausdehnen wollte; es würden die wichtigen Gesetze, die uns vorliegen, es würde das Interesse des Landes, welches verlangt, daß seine Vertreter ein wachsames Auge auf die Verwaltung haben, dadurch leiden. Wenn nun der Antrag der Abgeordneten Sperling und Bredt einen Tag nachläßt; so sind meiner Ueberzeugung nach auch drei Tage schon zu viel; denn dies entzieht den wichtigen Gesetzen, die uns vorliegen, dann dem Geschwornengesetz und dem Gesetze wegen Organisation der Gerichte und des Heeres, welche gewiß nicht fehlen werden, die Berathung. Es vergrößert überdies die Gefahr, in die wir uns begeben, daß man es wirklich wagen möchte, uns nach Hause zu schicken; denn wie leicht wäre es möglich, daß die Verfassung eher fertig würde, als der organische Grundbau selbst, ehe wir mit dem Hinwegräumen des alten Schuttes fertig werden, der nothwendig erst beseitigt werden muß, bevor die Verfassung in ein kräftiges Leben treten kann. Meiner Ansicht nach müssen die nothwendigen organischen Gesetze vor der schließlichen Annahme der Verfassung erledigt sein. Dies ist auch die Ansicht, welche in dem Berichte der Verfassungskommission ausgesprochen ist. Nehmen Sie diese Ansicht an, so ist von den wichtigen Gesetzen eines so eilig wie das andere, und alle sind eiliger, als der Schlußstein, die Verfassung. Die Verfassung interessirt als künftiges Gerüst für die Repräsentation das Land jetzt noch gar nicht, sondern erst dann, wenn die künftigen Wahlen ausgeführt werden. Die Grundrechte interessiren dieselben auch nicht, denn die eigentlichen Grundrechte sind bereits gegeben. Daß wir, um zu geben, was noch fehlt, alle unsere Kräfte anstrengen, weiß das Land. Das ist ein absichtliches Verkennen, wenn von einer Seite her unsere Wirksamkeit mißkannt wird. Wir sind es uns bewußt, daß wir uns einer vollen Thätigkeit gewidmet haben. Ich ersuche Sie, verwerfen Sie die beiden Anträge, und lassen Sie uns bei dem Beschlusse bleiben, den wir, wohl überlegt, gefaßt haben.

* Berlin, 28. Novbr.

Folgende Bekanntmachung zeigt, auf welch prächtigem konstitutionellen Boden die Märzerrungenschaften weiter entwickelt werden.

Nachdem die Wiedereröffnung der Nationalversammlung am heutigen Tage in Brandenburg stattgefunden hat, kann der Zusammentritt einzelner Abgeordneter, welche sich jener Versammlung nicht angeschlossen haben, zu Berathungen am hiesigen Orte während des Belagerungszustandes ferner nicht geduldet werden.

Indem ich dies zur öffentlichen Kenntniß bringe, weise ich zugleich sämmtliche Inhaber öffentlicher Gastlokale innerhalb des dem Belagerungszustande unterworfenen Bezirks hierdurch gemessenst an, solche Zusammenkünfte bei sich auf keine Weise zu dulden, und werde jedes Lokal, wo dergleichen dennoch vorkommen, sofort und für die Dauer des Belagerungszustandes gänzlich schließen lassen. Angebliche Nichtkenntniß der Eigenschaft der Versammelten als Abgeordneter, wird hierbei als Entschuldigung nicht zugelassen werden. Ebenso sollen auch anderweite Privatlokale, welche von Abgeordneten etwa zu ihren Zusammenkünften besonders gemiethet werden möchten, derselben Maßregel unterworfen sein.

Berlin, den 27. Nov. 1848.

Der Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken.

(gez.) v. Wrangel.

X Brandenburg, 28. Novbr. Klub Brünneck.

Auch heute sind die Tribünen schon früh besetzt; das Publikum, wie gestern.

Bald nach 11 Uhr erschienen die Minister sämmtlich im Ueberrock. Kaum sind sie eingetreten, so tritt Brünneck an sie heran; Brandenburg, Ladenberg, Strotha hören ihm eifrig zu, während Manteuffel mit andern Deputirten konferirt. -- Das Gespräch wird immer lebhafter; Baumstark demonstrirt, Brandenburg hört mit einem unbeschreiblich öden und leeren Gesichtsausdruck zu; Reichensperger gestikulirt sehr eindringlich -- man sieht ihn mit höchst schwieriger bedenklicher Miene die Achseln zucken. -- Manteuffel, der mit dem neu eingetretenen Hansemann und Harkort konferirt, macht ein grimmig verbissenes Gesicht. Allmählig ziehen sich diese kleinere Gruppen zu einem einzigen größeren Klub zusammen, in welchem es außerordentlich aufgeregt hergeht und nur eigentlich die Minister passiv und schweigend sich verhalten.

Um 11 1/2 Uhr erklärt der Präsident v. Brünneck die Sitzung für eröffnet. Er will, von mehreren Seiten privatim dazu aufgefordert, das Protokoll vom 9. November vorlesen lassen; Reichensperger protestirt dagegen, da die Versammlung nicht vollzählig sei; nach kurzer Debatte wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen und angenommen.

Präs. v. Brünneck: "Es sind mehrere Urlaubsgesuche eingegangen" -- ein halblautes Gelächter läßt sich in einem Theile des Saales hören; die Majorität ergreift Verzweiflung, Angst und Schrecken, als sie durch dieses neue Manoeuvre die Zahl der Getreuen noch mehr bedroht sieht; Reichensperger eilt stürmisch auf das Bureau und spricht einige Worte mit dem Präsidenten.

Brünneck: Es wird so eben der Antrag gestellt, die Versammlung auf eine Stunde zu vertagen, damit die Abgeordneten über wichtige Mittheilungen, die uns demnächst zugehen werden, sich vertraulich besprechen können. -- Viele Abgeordnete verlangen lebhaft den Namensaufruf -- Bewegung und Unruhe; fast Lärm im Dom zu Brandenburg.

Pelzer trägt darauf an, man möge genau daran halten, daß sich die Abgeordneten schriftlich um das Wort melden müßten, damit die Versammlung dem Lande zeige, daß sie wie in Berlin, so auch in Brandenburg die Rechte des Volkes, nicht minder aber die Rechte der Krone wahre.

Fleischer: "Ich bitte, wenn uns von irgend einer Seite ein Novum (Strotha sieht bei diesem Worte ganz erstaunt seine Kollegen an) zugehen sollte, dies vor der Abstimmung über die Vertagung mitzutheilen.

Die Versammlung beschließt, ohne darauf einzugehen, die Vertagung auf eine Stunde. -- 12 Uhr.

Die königliche Botschaft enthält eine neue weitere Vertagung bis zum 11. Dezember, wie man sagt, um die Stellvertreter einzuberufen und resp. Neuwahlen zu veranstalten; ein Theil der Versammlung ist damit doch nicht so ganz zufrieden, und besteht darauf, daß die Versammlung wenigstens selbst die Vertagung ausspreche, da die Herren der Regierung das Recht einer einseitigen Vertagung nur als Anhang zu der nach ihrer Meinung nothwendigen Verlegung gestatten. -- Die Abgeordneten treten zu einer vertraulichen Besprechung im Casino zusammen, in Folge deren das Ministerium die königl. Botschaft zurückzieht.

Um 1 1/2 Uhr wird die Sitzung wieder eröffnet, die Minister fehlen. Der Namensaufruf wird veranstaltet; neu zugetreten sind Bergmann und Thüm; der Name "von Vincke" wird vom Schriftführer Daniels zweimal gerufen, aber vergeblich.

Während der Zählung bemerkt der Abg. Dahne, in dem stenographischen Bericht vom 15. November sei er als anwesend angeführt; er müsse jedoch berichten, daß er sowohl wie sein Freund Tietze jener Sitzung nicht beigewohnt hätten. -- Bewegung in der Versammlung. -- Brünneck: "Wir kennen einen solchen Bericht nicht; die Sache muß also auf sich beruhen."

Das Resultat der Stimmzählung ist, daß 159 Abgeordnete anwesend sind.

Brenner erklärt, daß nach seiner Ueberzeugung mehrere Abgeordnete anwesend sein müßten, da er mit einigen derselben hierher gefahren sei, die heute hätten eintreten wollen. Thun schließt sich dem gestrigen Proteste Dahn's an; Bremer bemerkt, mit ewigen Protesten komme man nicht vorwärts.

Der Antrag, die Sitzung bis morgen zu vertagen wird gestellt. -- In demselben Augenblicke treten die Minister herein.

Simons motivirt als Antragsteller seinen Antrag auf Vertagung; ob morgen derselbe Zustand noch sein werde, könne er nicht übersehen. Er kündigt außerdem für Donnerstag den Antrag an, daß die Versammlung das Ministerium ersuchen möge, für die abwesenden Abgeordneten die Stellvertreter einzuberufen.

Ministerpräsident Brandenburg: "Ich bitte um das Wort." -- Dann liest derselbe: "Die so eben verlesenen Anträge stimmen mit dem Wunsche der Regierung, das Werk der Vereinbarung der Verfassung baldigst zu beginnen, überein; wenn also die Versammlung sich bis morgen 11 Uhr vertagen will, so hat die Regierung dagegen nichts zu erinnern." (Bravo und Zischen.) -- Die Vertagung bis morgen 11 Uhr wird mit großer Majorität beschlossen. Schluß 2 1/4 Uhr.

Erfurt.

Wir erhalten so eben Einsicht in einen Privatbrief aus Erfurt, welcher erschreckende Details über die furchtbare Erbitterung gibt, mit welcher am 24. d. gekämpft wurde. -- "Auf dem Anger, wo der Kampf am längsten dauerte, ist es entsetzlich zugegangen. -- Viele Menschen sind buchstäblich zerhackt worden. Von Soldaten sind zwanzig und etliche gefallen; darunter neun Kürassiere. Auf Seiten der Bürger mehr als hundert. Der Parteihaß war so mächtig, daß ein Bürger den andern erschoß. Am Abend fuhr man die Todten auf Leiterwagen fort. Von dem Fanatismus des Volkes giebt es ein Beispiel, daß, unweit von unserem Hause, ein einzelner Mensch mit einem Brecheisen auf eine Compagnie Soldaten losging. -- Er wurde natürlich mit Kolben zu Boden geschlagen etc.

* Breslau, den 27. Nov.

Gestern Nachmittag sollte auf dem Neumarkt eine Volksversammlung stattfinden. Plakate ohne Unterschrift hatten dazu eingeladen. Von Seiten der Demokraten wurde vor der Einladung, als von der reactionären Parthei ausgehend, gewarnt. Natürlich fanden sich aber doch eine Menge Menschen ein, die sich bald wieder zerstreut hätten, wenn nicht der schwarzweiße Landwehrverein (der, aus wenig Mitgliedern bestehend, nicht mit dem zahlreichen demokratischen Landwehrverein zu verwechseln ist) angerückt wäre. Ein gewisser Paul v. Nimptsch, ein berüchtigtes Werkzeug des schlesischen Adels- und Beamtenthums, hatte sich an die Spitze gestellt. Es währte nicht lange, so war der Zweck dieser saubern Klique -- Hervorrufung eines Krawals -- wenigstens theilweise erreicht. Es kam alsbald zu einer großartigen Prügelei, von der die Knochen der tapfern Streiter "mit Gott für König und Vaterland" noch längere Zeit zu berichten wissen werden. Ohne das kräftige Einschreiten des demokratisch gesinnten Anger-Bataillons der Bürgerwehr konnte der Plan der Schwarzweißen -- Herbeiziehung des Militärs -- gelingen. Diesmal aber hatten Hr. Nimptsch und seine Schaar wieder pour le Roi de Prusse gearbeitet.

Zum Schluß bemerke ich noch daß dieser schwarzweiße Landwehrverein sich dem kürzlich hier aufgeschossenen Reactionspilze -- dem Verein für "Gesetz und Ordnung" -- angeschlossen hat!

* Stettin, 27. Nov.

Die "Osts.-Z." theilt folgendes Faktum mit:

"Am Sonnabend hatte man in das Fenster der Parterrewohnung des Kaufmanns Guido Fuchs auf der Lastadie von Außen einen Kanonenschlag gelegt; derselbe wurde angezündet und zertrümmerte das Fenster. Vor dem Hause standen viele Landwehrmänner. Allgemein hieß es: Hr. Fuchs schießt auf die Landwehrmänner! Die Leute entdeckten indeß in Zeiten den Zusammenhang. Man sieht, mit welchen Mitteln gearbeitet wird.

Königsberg, den 20. Nov.

Der Aufenthalt des jetzt wohl schon weltbekannten Abgeordneten von Fischhausen, des Fleischermeisters Pieper, am hiesigen Orte gab Anlaß zu einigen ärgerlichen Auftritten. In der Janatzischen Conditorei gerieth er in einen politischen Streit und führte eine Schlägerei herbei, bei welcher einer seiner Gegner so bedrängt wurde, daß er durch die Küche und über den Hof fliehen mußte. Gegen den Redacteur eines hiesigen Lokalblattes (Fliegende Blätter), in welchem er mehrmals persiflirt war, versuchte er ein gefährliches Attentat in dessen Wohnung, und veranlaßte später einen großen Auflauf vor dem Hause des von ihm Angegriffenen, indem er in Aerger und Schimpferei über das Mißlingen seiner Absicht ausbrach. In einigen anderen öffentlichen Lokalen gerieth er ebenfalls mehrfach mit Gästen über politische Fragen in Conflict und bald war er in den paar Tagen seines Aufenthaltes hier so bekannt und beliebt, daß er sich nirgends mehr sehen lassen konnte, ohne verhöhnt, haranguirt oder sonst wie genirt zu werden. Da schickte er sich zur Abreise nach seinem Domizil Fischhausen an. Es war aber die Zeit und die Art seiner Abreise bekannt geworden und als er sich auf dem Posthofe einfand und den Postwagen besteigen wollte, hatte sich bald ein Haufen von 5 bis 600 Menschen eingefunden, der einen großen Lärm gegen den unglücklichen Volksvertreter machte, ihn vielfach verhöhnte, mehrfach seinen Spitznamen Pieper-pack-em ausrief, Schimpfwörter ausstieß und vielleicht gar zu Thätlichkeiten übergegangen wäre, wenn Pieper sich nicht entfernt hätte. Er begab sich bis vors Thor und wollte hier in den Postwagen einsteigen, aber auch das war bald bekannt geworden. Der ganze nun wohl auf 800 Menschen angewachsene Haufen verfolgte ihn bis vors Steindammer Thor, Pieper lief bis Conradshof und suchte hier Schutz. Allein der verfolgende Haufen zog auch bis hierher und immer unter entsetzlichem Geschrei und Gelärme ihm nach, füllte den ganzen vor dem Gasthause befindlichen Garten und verlangte stürmisch die Auslieferung des Verfolgten. Es gelang diesem indeß durch die Küche über den Hof, über Hecken und Zäune zu entkommen. Er floh glücklich unbemerkt bis Carlsruhe und soll hier in den Postwagen eingestiegen und somit den drohenden Händen seiner Verfolger entkommen sein. Er dürfte schwerlich wieder Königsberg mit seiner Gegenwart zu beehren versuchen.

(Elb. Anz.)
Mislowitz, 26. Nov.

An unserer Grenze, etwa eine Meile von hier, bivouaquiren gegenwärtig 12,000 Mann Russen mit 40 Geschützen; ebenso sind an der galizischen Grenze etwa 10,000 Mann aufgestellt.

Was das Leben in Polen selbst anbelangt, so kann ich nur erwähnen, daß alles beim Alten geblieben; ein Kaufmann, der noch vor Kurzem einen Kanonier fragte, wie viel Schüsse in der Minute abgefeuert werden können, wie stark das dorten aufgestellte Corps sei etc., wurde nach erfolgter Anzeige sofort auf echt russische Weise mit 50 Hieben regalirt und mußte ferner noch eine bedeutende Geldstrafe zahlen. Alles Waffentragen und schon deren Besitz ist noch fortwährend, wie Ihnen wohl bekannt, aufs strengste untersagt, selbst die Sensen müssen nach vollendeter Ernte wieder an die Behörden abgeliefert werden, und sogar bis auf die Messer, welche die Fleischer gebrauchen, erstreckt sich die russische Obsorge, diese dürfen blos eine bestimmte Länge und durchaus keine scharfe Spitze haben. Sie werden hieraus ersehen, daß Alles noch vollständig beim Alten geblieben ist. Von russischen Offizieren welche sich tagelang in den Gasthäusern bei ihrem Thee und Branntwein herum sielen, ist durchaus nichts zu erfahren, sei es nun die Furcht vor Denunciation oder daß sie selbst, als willenlose Maschinen, nicht wissen, was mit ihnen vorgenommen wird.

Im Innern des Landes dauert, wie ich aus sicherer Quelle erfahren, der Militär-Despotismus in seiner größten Blüthe fort, Fürst Paskewitsch und Polizeiminister Abramowicz gehen in ihren Maßregeln Hand in Hand und bieten alles auf, den Fremden besonders ihre zärtliche Fürsorge fühlen zu lassen. So weit erstreckt sich die russische Besorgniß, daß jetzt in den etwa noch gestatteten auswärtigen Zeitschriften nicht mehr wie früher die gefährlichen Stellen mit Druckerschwärze überzogen, sondern gleich ganz herausgeschnitten werden und der Besteller für sein schweres Geld manchmal blos ein kleines Stückchen Zeitung erhält; bei der Visitation an der Grenze wird auf's strengste darauf gehalten, daß unter den zum Einpacken der Effekten verwandten Papieren nicht etwa alte Zeitungsblätter sich befinden, alle Bücher der Reisenden werden ohne Ausnahme zurückbehalten und der Besitzer derselben verfällt schwerer Strafe, wenn irgend eines davon den russischen Censur-Gesetzen zuwider lauft.

121 Wien, 26. Nov.

Aus unserer standrechtlichen Tagespresse, die zum Theil selbst ein ultrabestialisches Henkeramt ausübt, über welches sogar das kroatische Militär seinen Abscheu auszusprechen beginnt, und woran nur die vollständigste Verthierung der Bourgeois Vergnügen findet, werden Sie nur die nach der Verstummung der Hingerichteten redigirten Urtheile gewahr, niemals aber Umstände der Hinrichtung. Mehrere Hinrichtungen, zuletzt aber die des Dr. Jellinek, sind zu einem wahren Greuel entartet. Es war noch dunkel am Morgen, als er mit Becher hingerichtet wurde. Letzterer stürzte sofort todt nieder, während Jellinek nur schlecht getroffen zusammensank und, sich in seinen Qualen windend, das entsetzlichste Todesgeschrei ausstieß. Die Soldaten hatten entweder gezittert, oder in der Dunkelheit schlecht gezielt. Der kommandirende Offizier hatte Noth, sie zu bewegen, dem Jellinek nun hinterher noch den Garaus zu machen. Dies geschah dann in der Weise, daß Jellinek, am Boden ringend, durch wiederholte Schüsse und Bajonnettstöße, endlich getödtet wurde. Ich habe keine ruhige Nacht mehr seit solchen Scenen, denn alle meine Träume sind Blut und Entsetzen. Wenn Sie sich erinnern wollen, daß der Radikalismus des Radikalen vornehmlich doch nur in Phrasen bestanden, und daß insbesondere Dr. Jellinek kaum eine radikale Ader besaß, so ist die Hinrichtung dieser Märtyrer kaum begreifbar, wenn nicht die Motive zum Urtheil hinlänglich zu erkennen gäben, wer vor dieser Gewalt ein Verbrecher ist. -- Auch Blum dachte nichts weniger, als an seinen Tod. Er kam wie ein Unwetter über ihn. Blum hätte gerne noch länger gelebt. Der Pardon, den er in der Brigittenau dreimal nachsuchte, ward ihm aber dreimal versagt. So ließ er sich die Augen verbinden, kniete nieder und verröchelte. Wie gesagt, die Tagespresse verschweigt solche standrechtlichen Einzelheiten; sie kennt kein Mitleid. -- Was Fröbel anlangt, so hat seine Broschüre: "Wien, Deutschland und Europa," die man jetzt erst in volle Rücksicht genommen, selbst Windischgrätz mit ihm ausgesöhnt. Die "Presse" und "Wiener Zeitung" preisen, um ihrerseits Fröbel schon jetzt ihre Reverenz zu bezeigen und ihm einige Genugthuung zu geben, in ihren heutigen Nummern diese Schrift dem Publikum unbedingt an; ja, die Wiener Zeitung hatte dies schon im Laufe des Oktober gethan.

Windischgrätz ist mit Jellachich heute zur Armee nach Ungarn abgegangen, und hat die standrechtlichen Zügel der Regierung ad interim an Welden übertragen. Schon gestern reichte der Gemeinderath deshalb eine unterthänigste Adresse ein, worin er sich über das beispiellos milde Walten des Fürsten ausspricht, und unglaublich devote Verheißungen macht. Veranlassung dazu hatte neben der Abreise die sogenannte Aufhebung des Standrechts und Verwandlung in ein bloses Militärgericht gegeben. Mißtrauische, die sich übrigens irren können, wollen in dieser Gnadenbezeigung nur einen Lockvogel erkennen, etwa verborgene Individuen zum Vorschein bringen zu helfen. Jedenfalls wollen sie erst die Tagesereignisse unter Welden, der noch rücksichtsloser sein soll, als Windischgrätz, abwarten, bevor sie Zutrauen gewinnen: Andererseits spricht man von einer baldigen Amnestie.

Der erste Antrag, welchen das neue Ministerium Schwarzenberg-Stadion vor den gefesselten Prometheus Oesterreich's nach Kremsier bringen wird, soll dahin lauten, daß der Reichstag erkläre, die Armee habe sich um das Vaterland verdient gemacht. Unter Latour ist dieser Antrag zweimal durchgefallen, darum wird er diesmal um so gewisser angenommen werden. Er soll den festen Grundstein des neuen Ministeriums bilden, für welches "die Presse" vor Entzücken stets aufjauchzt, indem sie es hundertmal auf jeder Seite "ein starkes" nennt. Sie sehen, die Presse zeigt viel politischen Scharfblick, wenn sie weiß, daß 100,000 Mann mit 300 Kanonen in der That ministeriell stark genug sind, einige arme Demokraten im Stadtgraben niederzuschießen.

Nicht nur Wien, sondern fast alle Städte Oesterreich's werden a la Paris befestigt, um für die Zukunft jede Erhebung unmöglich zu machen. Die abgelieferten Waffen sind darum auch nicht in's Zeughaus, sondern in's Neugebäude gebracht worden. Dieses liegt vor der St. Marxer Linie, auf der Straße nach Ungarn, zwischen Simmering und Wien. Windischgrätz hat daraus bereits ein Fort de Vincennes machen lassen, und die Arbeiten werden fortwährend mit ungeheurer Thätigkeit fortgesetzt. Um die dortigen Blockhäuser liegt eine bedeutende Militärmacht, (großentheils zer-

Versicherungs-Gesellschaft hier und vielleicht überall verbreitetes Cirkular sucht im Namen der patriotischen Vereine Unterschriften zu einer Adresse an eine hohe National-Versammlung, Behufs Beschleunigung des Verfassungswerkes.
„Die unterzeichneten Urwähler des Kreises Warendorf können ein solches Unternehmen nur höchst mißbilligen, weil sie nicht allein in der Vollendung des Verfassungswerkes, sondern eben so wesentlich in der Feststellung der durch freie Verfassung bedingten organischen Gesetze die Aufgabe erkennen, die eine hohe National-Versammlung zu lösen hat.

Warendorf, den 15. Oktober 1848.

(Unterschriften.)

Das Volk ist also in der Stadt Warendorf in Westphalen zu der Einsicht gekommen, daß wir ganz etwas Anderes zu thun haben, als blos die Verfassung zu machen, und daß das Andere, was wir zu thun haben, eiliger ist, als die Verfassung. Sie entnehmen hieraus zugleich die Quelle der Petitionen, und es wird Sie nicht mehr wundern, wenn auf solche Weise bei Verbreitung gleichlautender Petitionen eine Masse Unterschriften kommen. Sie werden aber von der andern Seite die große Zahl der Bittschriften berücksichtigen, die von allen Seiten ankommen und dringend dahin gehen, den alten Schutt hinwegzuräumen Sie werden also auch allen den sehr wichtigen Gesetzen, die zu diesem Zweck schon jetzt für die Tagesordnungen vorliegen, so wie den anderen Gesetzen, die nothwendig folgen müssen, z. B. das Gesetz über die Wehrverfassung, über die Geschworenen, über den Unterricht Ihre Beistimmung nicht versagen. Sie werden diese Gesetze nicht beeinträchtigen wollen. Sie werden wahrlich das Gesetz, wodurch die unpassendsten Bestimmungen, welche die Presse jetzt knechten, weggeräumt werden sollen, nicht verzögern wollen. Wie sehr Sie aber allen diesen Gesetzen entgegentreten würden, wenn Sie den Hauptantrag annähmen, das wird Ihnen sofort klar sein, denn es bleiben dann nur zwei Tage in der Woche außer der Verfassung übrig. Der eine Tag ist den Petitionen gewidmet, und ich würde es nicht für verantwortlich halten, daß wir diesen Tag ausfallen lassen, denn es sind auch unter diesen Petitionen manche, die Berücksichtigung verdienen, so daß wir diesen Theil des Geschäftsreglements, dem Lande gegenüber so handhaben müssen, daß wenigstens jetzt endlich der Tag für die Petitionen beobachtet wird. Gehen Sie davon aus, so bleibt nur ein einziger Tag für die Gesetze übrig. Nun haben Sie aber die Erfahrung gemacht, daß stets dringende Anträge, sei es von der einen, sei es von der anderen Seite, gemacht werden, diese werden nie fehlen, sie können nicht fehlen, denn ihre Nothwendigkeit liegt in der jetzigen Organisation der Zustände. Wollte ich z. B. alle diejenigen Anträge machen, wozu ich von vielen Seiten des Landes aufgefordert werde, weil die Leute einsehen, daß mit Petitionen nichts auszurichten ist; wollte ich diese meist begründeten Anträge alle stellen, so würde die Zeit gar nicht ausreichen, und ich kann versichern, Sie würden doch nichts Unwesentliches gethan haben, wenn Sie darauf eingingen.

Ihre Aufgabe besteht ferner darin, ein wachsames Auge über die Verwaltung zu haben, und das können Sie nicht haben, wenn Sie sich absichtlich verschließen wollen, den Stimmen gegenüber, die sich erheben, um die Rechte des Landes zu schützen. Es ist also meines Ermessens unthunlich, in dieser jetzigen gefährlichen Zeit, wo das ganze Land mit Aufregung und Spannung hierher blickt, noch mehr Tage so festzustellen, daß an denselben ausschließlich nichts geschehen soll, als die Berathung der Verfassung. Jetzt haben wir zwei Tage dazu anberaumt, und dieser Beschluß mag gehandhabt werden. Es würde nicht gerechtfertigt sein, wenn man diese Ausschließlichkeit noch weiter ausdehnen wollte; es würden die wichtigen Gesetze, die uns vorliegen, es würde das Interesse des Landes, welches verlangt, daß seine Vertreter ein wachsames Auge auf die Verwaltung haben, dadurch leiden. Wenn nun der Antrag der Abgeordneten Sperling und Bredt einen Tag nachläßt; so sind meiner Ueberzeugung nach auch drei Tage schon zu viel; denn dies entzieht den wichtigen Gesetzen, die uns vorliegen, dann dem Geschwornengesetz und dem Gesetze wegen Organisation der Gerichte und des Heeres, welche gewiß nicht fehlen werden, die Berathung. Es vergrößert überdies die Gefahr, in die wir uns begeben, daß man es wirklich wagen möchte, uns nach Hause zu schicken; denn wie leicht wäre es möglich, daß die Verfassung eher fertig würde, als der organische Grundbau selbst, ehe wir mit dem Hinwegräumen des alten Schuttes fertig werden, der nothwendig erst beseitigt werden muß, bevor die Verfassung in ein kräftiges Leben treten kann. Meiner Ansicht nach müssen die nothwendigen organischen Gesetze vor der schließlichen Annahme der Verfassung erledigt sein. Dies ist auch die Ansicht, welche in dem Berichte der Verfassungskommission ausgesprochen ist. Nehmen Sie diese Ansicht an, so ist von den wichtigen Gesetzen eines so eilig wie das andere, und alle sind eiliger, als der Schlußstein, die Verfassung. Die Verfassung interessirt als künftiges Gerüst für die Repräsentation das Land jetzt noch gar nicht, sondern erst dann, wenn die künftigen Wahlen ausgeführt werden. Die Grundrechte interessiren dieselben auch nicht, denn die eigentlichen Grundrechte sind bereits gegeben. Daß wir, um zu geben, was noch fehlt, alle unsere Kräfte anstrengen, weiß das Land. Das ist ein absichtliches Verkennen, wenn von einer Seite her unsere Wirksamkeit mißkannt wird. Wir sind es uns bewußt, daß wir uns einer vollen Thätigkeit gewidmet haben. Ich ersuche Sie, verwerfen Sie die beiden Anträge, und lassen Sie uns bei dem Beschlusse bleiben, den wir, wohl überlegt, gefaßt haben.

* Berlin, 28. Novbr.

Folgende Bekanntmachung zeigt, auf welch prächtigem konstitutionellen Boden die Märzerrungenschaften weiter entwickelt werden.

Nachdem die Wiedereröffnung der Nationalversammlung am heutigen Tage in Brandenburg stattgefunden hat, kann der Zusammentritt einzelner Abgeordneter, welche sich jener Versammlung nicht angeschlossen haben, zu Berathungen am hiesigen Orte während des Belagerungszustandes ferner nicht geduldet werden.

Indem ich dies zur öffentlichen Kenntniß bringe, weise ich zugleich sämmtliche Inhaber öffentlicher Gastlokale innerhalb des dem Belagerungszustande unterworfenen Bezirks hierdurch gemessenst an, solche Zusammenkünfte bei sich auf keine Weise zu dulden, und werde jedes Lokal, wo dergleichen dennoch vorkommen, sofort und für die Dauer des Belagerungszustandes gänzlich schließen lassen. Angebliche Nichtkenntniß der Eigenschaft der Versammelten als Abgeordneter, wird hierbei als Entschuldigung nicht zugelassen werden. Ebenso sollen auch anderweite Privatlokale, welche von Abgeordneten etwa zu ihren Zusammenkünften besonders gemiethet werden möchten, derselben Maßregel unterworfen sein.

Berlin, den 27. Nov. 1848.

Der Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken.

(gez.) v. Wrangel.

X Brandenburg, 28. Novbr. Klub Brünneck.

Auch heute sind die Tribünen schon früh besetzt; das Publikum, wie gestern.

Bald nach 11 Uhr erschienen die Minister sämmtlich im Ueberrock. Kaum sind sie eingetreten, so tritt Brünneck an sie heran; Brandenburg, Ladenberg, Strotha hören ihm eifrig zu, während Manteuffel mit andern Deputirten konferirt. — Das Gespräch wird immer lebhafter; Baumstark demonstrirt, Brandenburg hört mit einem unbeschreiblich öden und leeren Gesichtsausdruck zu; Reichensperger gestikulirt sehr eindringlich — man sieht ihn mit höchst schwieriger bedenklicher Miene die Achseln zucken. — Manteuffel, der mit dem neu eingetretenen Hansemann und Harkort konferirt, macht ein grimmig verbissenes Gesicht. Allmählig ziehen sich diese kleinere Gruppen zu einem einzigen größeren Klub zusammen, in welchem es außerordentlich aufgeregt hergeht und nur eigentlich die Minister passiv und schweigend sich verhalten.

Um 11 1/2 Uhr erklärt der Präsident v. Brünneck die Sitzung für eröffnet. Er will, von mehreren Seiten privatim dazu aufgefordert, das Protokoll vom 9. November vorlesen lassen; Reichensperger protestirt dagegen, da die Versammlung nicht vollzählig sei; nach kurzer Debatte wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen und angenommen.

Präs. v. Brünneck: „Es sind mehrere Urlaubsgesuche eingegangen“ — ein halblautes Gelächter läßt sich in einem Theile des Saales hören; die Majorität ergreift Verzweiflung, Angst und Schrecken, als sie durch dieses neue Manoeuvre die Zahl der Getreuen noch mehr bedroht sieht; Reichensperger eilt stürmisch auf das Bureau und spricht einige Worte mit dem Präsidenten.

Brünneck: Es wird so eben der Antrag gestellt, die Versammlung auf eine Stunde zu vertagen, damit die Abgeordneten über wichtige Mittheilungen, die uns demnächst zugehen werden, sich vertraulich besprechen können. — Viele Abgeordnete verlangen lebhaft den Namensaufruf — Bewegung und Unruhe; fast Lärm im Dom zu Brandenburg.

Pelzer trägt darauf an, man möge genau daran halten, daß sich die Abgeordneten schriftlich um das Wort melden müßten, damit die Versammlung dem Lande zeige, daß sie wie in Berlin, so auch in Brandenburg die Rechte des Volkes, nicht minder aber die Rechte der Krone wahre.

Fleischer: „Ich bitte, wenn uns von irgend einer Seite ein Novum (Strotha sieht bei diesem Worte ganz erstaunt seine Kollegen an) zugehen sollte, dies vor der Abstimmung über die Vertagung mitzutheilen.

Die Versammlung beschließt, ohne darauf einzugehen, die Vertagung auf eine Stunde. — 12 Uhr.

Die königliche Botschaft enthält eine neue weitere Vertagung bis zum 11. Dezember, wie man sagt, um die Stellvertreter einzuberufen und resp. Neuwahlen zu veranstalten; ein Theil der Versammlung ist damit doch nicht so ganz zufrieden, und besteht darauf, daß die Versammlung wenigstens selbst die Vertagung ausspreche, da die Herren der Regierung das Recht einer einseitigen Vertagung nur als Anhang zu der nach ihrer Meinung nothwendigen Verlegung gestatten. — Die Abgeordneten treten zu einer vertraulichen Besprechung im Casino zusammen, in Folge deren das Ministerium die königl. Botschaft zurückzieht.

Um 1 1/2 Uhr wird die Sitzung wieder eröffnet, die Minister fehlen. Der Namensaufruf wird veranstaltet; neu zugetreten sind Bergmann und Thüm; der Name „von Vincke“ wird vom Schriftführer Daniels zweimal gerufen, aber vergeblich.

Während der Zählung bemerkt der Abg. Dahne, in dem stenographischen Bericht vom 15. November sei er als anwesend angeführt; er müsse jedoch berichten, daß er sowohl wie sein Freund Tietze jener Sitzung nicht beigewohnt hätten. — Bewegung in der Versammlung. — Brünneck: „Wir kennen einen solchen Bericht nicht; die Sache muß also auf sich beruhen.“

Das Resultat der Stimmzählung ist, daß 159 Abgeordnete anwesend sind.

Brenner erklärt, daß nach seiner Ueberzeugung mehrere Abgeordnete anwesend sein müßten, da er mit einigen derselben hierher gefahren sei, die heute hätten eintreten wollen. Thun schließt sich dem gestrigen Proteste Dahn's an; Bremer bemerkt, mit ewigen Protesten komme man nicht vorwärts.

Der Antrag, die Sitzung bis morgen zu vertagen wird gestellt. — In demselben Augenblicke treten die Minister herein.

Simons motivirt als Antragsteller seinen Antrag auf Vertagung; ob morgen derselbe Zustand noch sein werde, könne er nicht übersehen. Er kündigt außerdem für Donnerstag den Antrag an, daß die Versammlung das Ministerium ersuchen möge, für die abwesenden Abgeordneten die Stellvertreter einzuberufen.

Ministerpräsident Brandenburg: „Ich bitte um das Wort.“ — Dann liest derselbe: „Die so eben verlesenen Anträge stimmen mit dem Wunsche der Regierung, das Werk der Vereinbarung der Verfassung baldigst zu beginnen, überein; wenn also die Versammlung sich bis morgen 11 Uhr vertagen will, so hat die Regierung dagegen nichts zu erinnern.“ (Bravo und Zischen.) — Die Vertagung bis morgen 11 Uhr wird mit großer Majorität beschlossen. Schluß 2 1/4 Uhr.

Erfurt.

Wir erhalten so eben Einsicht in einen Privatbrief aus Erfurt, welcher erschreckende Details über die furchtbare Erbitterung gibt, mit welcher am 24. d. gekämpft wurde. — „Auf dem Anger, wo der Kampf am längsten dauerte, ist es entsetzlich zugegangen. — Viele Menschen sind buchstäblich zerhackt worden. Von Soldaten sind zwanzig und etliche gefallen; darunter neun Kürassiere. Auf Seiten der Bürger mehr als hundert. Der Parteihaß war so mächtig, daß ein Bürger den andern erschoß. Am Abend fuhr man die Todten auf Leiterwagen fort. Von dem Fanatismus des Volkes giebt es ein Beispiel, daß, unweit von unserem Hause, ein einzelner Mensch mit einem Brecheisen auf eine Compagnie Soldaten losging. — Er wurde natürlich mit Kolben zu Boden geschlagen etc.

* Breslau, den 27. Nov.

Gestern Nachmittag sollte auf dem Neumarkt eine Volksversammlung stattfinden. Plakate ohne Unterschrift hatten dazu eingeladen. Von Seiten der Demokraten wurde vor der Einladung, als von der reactionären Parthei ausgehend, gewarnt. Natürlich fanden sich aber doch eine Menge Menschen ein, die sich bald wieder zerstreut hätten, wenn nicht der schwarzweiße Landwehrverein (der, aus wenig Mitgliedern bestehend, nicht mit dem zahlreichen demokratischen Landwehrverein zu verwechseln ist) angerückt wäre. Ein gewisser Paul v. Nimptsch, ein berüchtigtes Werkzeug des schlesischen Adels- und Beamtenthums, hatte sich an die Spitze gestellt. Es währte nicht lange, so war der Zweck dieser saubern Klique — Hervorrufung eines Krawals — wenigstens theilweise erreicht. Es kam alsbald zu einer großartigen Prügelei, von der die Knochen der tapfern Streiter „mit Gott für König und Vaterland“ noch längere Zeit zu berichten wissen werden. Ohne das kräftige Einschreiten des demokratisch gesinnten Anger-Bataillons der Bürgerwehr konnte der Plan der Schwarzweißen — Herbeiziehung des Militärs — gelingen. Diesmal aber hatten Hr. Nimptsch und seine Schaar wieder pour le Roi de Prusse gearbeitet.

Zum Schluß bemerke ich noch daß dieser schwarzweiße Landwehrverein sich dem kürzlich hier aufgeschossenen Reactionspilze — dem Verein für „Gesetz und Ordnung“ — angeschlossen hat!

* Stettin, 27. Nov.

Die „Osts.-Z.“ theilt folgendes Faktum mit:

„Am Sonnabend hatte man in das Fenster der Parterrewohnung des Kaufmanns Guido Fuchs auf der Lastadie von Außen einen Kanonenschlag gelegt; derselbe wurde angezündet und zertrümmerte das Fenster. Vor dem Hause standen viele Landwehrmänner. Allgemein hieß es: Hr. Fuchs schießt auf die Landwehrmänner! Die Leute entdeckten indeß in Zeiten den Zusammenhang. Man sieht, mit welchen Mitteln gearbeitet wird.

Königsberg, den 20. Nov.

Der Aufenthalt des jetzt wohl schon weltbekannten Abgeordneten von Fischhausen, des Fleischermeisters Pieper, am hiesigen Orte gab Anlaß zu einigen ärgerlichen Auftritten. In der Janatzischen Conditorei gerieth er in einen politischen Streit und führte eine Schlägerei herbei, bei welcher einer seiner Gegner so bedrängt wurde, daß er durch die Küche und über den Hof fliehen mußte. Gegen den Redacteur eines hiesigen Lokalblattes (Fliegende Blätter), in welchem er mehrmals persiflirt war, versuchte er ein gefährliches Attentat in dessen Wohnung, und veranlaßte später einen großen Auflauf vor dem Hause des von ihm Angegriffenen, indem er in Aerger und Schimpferei über das Mißlingen seiner Absicht ausbrach. In einigen anderen öffentlichen Lokalen gerieth er ebenfalls mehrfach mit Gästen über politische Fragen in Conflict und bald war er in den paar Tagen seines Aufenthaltes hier so bekannt und beliebt, daß er sich nirgends mehr sehen lassen konnte, ohne verhöhnt, haranguirt oder sonst wie genirt zu werden. Da schickte er sich zur Abreise nach seinem Domizil Fischhausen an. Es war aber die Zeit und die Art seiner Abreise bekannt geworden und als er sich auf dem Posthofe einfand und den Postwagen besteigen wollte, hatte sich bald ein Haufen von 5 bis 600 Menschen eingefunden, der einen großen Lärm gegen den unglücklichen Volksvertreter machte, ihn vielfach verhöhnte, mehrfach seinen Spitznamen Pieper-pack-em ausrief, Schimpfwörter ausstieß und vielleicht gar zu Thätlichkeiten übergegangen wäre, wenn Pieper sich nicht entfernt hätte. Er begab sich bis vors Thor und wollte hier in den Postwagen einsteigen, aber auch das war bald bekannt geworden. Der ganze nun wohl auf 800 Menschen angewachsene Haufen verfolgte ihn bis vors Steindammer Thor, Pieper lief bis Conradshof und suchte hier Schutz. Allein der verfolgende Haufen zog auch bis hierher und immer unter entsetzlichem Geschrei und Gelärme ihm nach, füllte den ganzen vor dem Gasthause befindlichen Garten und verlangte stürmisch die Auslieferung des Verfolgten. Es gelang diesem indeß durch die Küche über den Hof, über Hecken und Zäune zu entkommen. Er floh glücklich unbemerkt bis Carlsruhe und soll hier in den Postwagen eingestiegen und somit den drohenden Händen seiner Verfolger entkommen sein. Er dürfte schwerlich wieder Königsberg mit seiner Gegenwart zu beehren versuchen.

(Elb. Anz.)
Mislowitz, 26. Nov.

An unserer Grenze, etwa eine Meile von hier, bivouaquiren gegenwärtig 12,000 Mann Russen mit 40 Geschützen; ebenso sind an der galizischen Grenze etwa 10,000 Mann aufgestellt.

Was das Leben in Polen selbst anbelangt, so kann ich nur erwähnen, daß alles beim Alten geblieben; ein Kaufmann, der noch vor Kurzem einen Kanonier fragte, wie viel Schüsse in der Minute abgefeuert werden können, wie stark das dorten aufgestellte Corps sei etc., wurde nach erfolgter Anzeige sofort auf echt russische Weise mit 50 Hieben regalirt und mußte ferner noch eine bedeutende Geldstrafe zahlen. Alles Waffentragen und schon deren Besitz ist noch fortwährend, wie Ihnen wohl bekannt, aufs strengste untersagt, selbst die Sensen müssen nach vollendeter Ernte wieder an die Behörden abgeliefert werden, und sogar bis auf die Messer, welche die Fleischer gebrauchen, erstreckt sich die russische Obsorge, diese dürfen blos eine bestimmte Länge und durchaus keine scharfe Spitze haben. Sie werden hieraus ersehen, daß Alles noch vollständig beim Alten geblieben ist. Von russischen Offizieren welche sich tagelang in den Gasthäusern bei ihrem Thee und Branntwein herum sielen, ist durchaus nichts zu erfahren, sei es nun die Furcht vor Denunciation oder daß sie selbst, als willenlose Maschinen, nicht wissen, was mit ihnen vorgenommen wird.

Im Innern des Landes dauert, wie ich aus sicherer Quelle erfahren, der Militär-Despotismus in seiner größten Blüthe fort, Fürst Paskewitsch und Polizeiminister Abramowicz gehen in ihren Maßregeln Hand in Hand und bieten alles auf, den Fremden besonders ihre zärtliche Fürsorge fühlen zu lassen. So weit erstreckt sich die russische Besorgniß, daß jetzt in den etwa noch gestatteten auswärtigen Zeitschriften nicht mehr wie früher die gefährlichen Stellen mit Druckerschwärze überzogen, sondern gleich ganz herausgeschnitten werden und der Besteller für sein schweres Geld manchmal blos ein kleines Stückchen Zeitung erhält; bei der Visitation an der Grenze wird auf's strengste darauf gehalten, daß unter den zum Einpacken der Effekten verwandten Papieren nicht etwa alte Zeitungsblätter sich befinden, alle Bücher der Reisenden werden ohne Ausnahme zurückbehalten und der Besitzer derselben verfällt schwerer Strafe, wenn irgend eines davon den russischen Censur-Gesetzen zuwider lauft.

121 Wien, 26. Nov.

Aus unserer standrechtlichen Tagespresse, die zum Theil selbst ein ultrabestialisches Henkeramt ausübt, über welches sogar das kroatische Militär seinen Abscheu auszusprechen beginnt, und woran nur die vollständigste Verthierung der Bourgeois Vergnügen findet, werden Sie nur die nach der Verstummung der Hingerichteten redigirten Urtheile gewahr, niemals aber Umstände der Hinrichtung. Mehrere Hinrichtungen, zuletzt aber die des Dr. Jellinek, sind zu einem wahren Greuel entartet. Es war noch dunkel am Morgen, als er mit Becher hingerichtet wurde. Letzterer stürzte sofort todt nieder, während Jellinek nur schlecht getroffen zusammensank und, sich in seinen Qualen windend, das entsetzlichste Todesgeschrei ausstieß. Die Soldaten hatten entweder gezittert, oder in der Dunkelheit schlecht gezielt. Der kommandirende Offizier hatte Noth, sie zu bewegen, dem Jellinek nun hinterher noch den Garaus zu machen. Dies geschah dann in der Weise, daß Jellinek, am Boden ringend, durch wiederholte Schüsse und Bajonnettstöße, endlich getödtet wurde. Ich habe keine ruhige Nacht mehr seit solchen Scenen, denn alle meine Träume sind Blut und Entsetzen. Wenn Sie sich erinnern wollen, daß der Radikalismus des Radikalen vornehmlich doch nur in Phrasen bestanden, und daß insbesondere Dr. Jellinek kaum eine radikale Ader besaß, so ist die Hinrichtung dieser Märtyrer kaum begreifbar, wenn nicht die Motive zum Urtheil hinlänglich zu erkennen gäben, wer vor dieser Gewalt ein Verbrecher ist. — Auch Blum dachte nichts weniger, als an seinen Tod. Er kam wie ein Unwetter über ihn. Blum hätte gerne noch länger gelebt. Der Pardon, den er in der Brigittenau dreimal nachsuchte, ward ihm aber dreimal versagt. So ließ er sich die Augen verbinden, kniete nieder und verröchelte. Wie gesagt, die Tagespresse verschweigt solche standrechtlichen Einzelheiten; sie kennt kein Mitleid. — Was Fröbel anlangt, so hat seine Broschüre: „Wien, Deutschland und Europa,“ die man jetzt erst in volle Rücksicht genommen, selbst Windischgrätz mit ihm ausgesöhnt. Die „Presse“ und „Wiener Zeitung“ preisen, um ihrerseits Fröbel schon jetzt ihre Reverenz zu bezeigen und ihm einige Genugthuung zu geben, in ihren heutigen Nummern diese Schrift dem Publikum unbedingt an; ja, die Wiener Zeitung hatte dies schon im Laufe des Oktober gethan.

Windischgrätz ist mit Jellachich heute zur Armee nach Ungarn abgegangen, und hat die standrechtlichen Zügel der Regierung ad interim an Welden übertragen. Schon gestern reichte der Gemeinderath deshalb eine unterthänigste Adresse ein, worin er sich über das beispiellos milde Walten des Fürsten ausspricht, und unglaublich devote Verheißungen macht. Veranlassung dazu hatte neben der Abreise die sogenannte Aufhebung des Standrechts und Verwandlung in ein bloses Militärgericht gegeben. Mißtrauische, die sich übrigens irren können, wollen in dieser Gnadenbezeigung nur einen Lockvogel erkennen, etwa verborgene Individuen zum Vorschein bringen zu helfen. Jedenfalls wollen sie erst die Tagesereignisse unter Welden, der noch rücksichtsloser sein soll, als Windischgrätz, abwarten, bevor sie Zutrauen gewinnen: Andererseits spricht man von einer baldigen Amnestie.

Der erste Antrag, welchen das neue Ministerium Schwarzenberg-Stadion vor den gefesselten Prometheus Oesterreich's nach Kremsier bringen wird, soll dahin lauten, daß der Reichstag erkläre, die Armee habe sich um das Vaterland verdient gemacht. Unter Latour ist dieser Antrag zweimal durchgefallen, darum wird er diesmal um so gewisser angenommen werden. Er soll den festen Grundstein des neuen Ministeriums bilden, für welches „die Presse“ vor Entzücken stets aufjauchzt, indem sie es hundertmal auf jeder Seite „ein starkes“ nennt. Sie sehen, die Presse zeigt viel politischen Scharfblick, wenn sie weiß, daß 100,000 Mann mit 300 Kanonen in der That ministeriell stark genug sind, einige arme Demokraten im Stadtgraben niederzuschießen.

Nicht nur Wien, sondern fast alle Städte Oesterreich's werden à la Paris befestigt, um für die Zukunft jede Erhebung unmöglich zu machen. Die abgelieferten Waffen sind darum auch nicht in's Zeughaus, sondern in's Neugebäude gebracht worden. Dieses liegt vor der St. Marxer Linie, auf der Straße nach Ungarn, zwischen Simmering und Wien. Windischgrätz hat daraus bereits ein Fort de Vincennes machen lassen, und die Arbeiten werden fortwährend mit ungeheurer Thätigkeit fortgesetzt. Um die dortigen Blockhäuser liegt eine bedeutende Militärmacht, (großentheils zer-

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Versicherungs-Gesellschaft hier und vielleicht überall verbreitetes Cirkular sucht im Namen der patriotischen Vereine Unterschriften zu einer Adresse an eine hohe National-Versammlung, Behufs Beschleunigung des Verfassungswerkes.<lb/>
&#x201E;Die unterzeichneten Urwähler des Kreises Warendorf können ein solches Unternehmen nur höchst mißbilligen, weil sie nicht allein in der Vollendung des Verfassungswerkes, sondern eben so wesentlich in der Feststellung der durch freie Verfassung bedingten organischen Gesetze die Aufgabe erkennen, die eine hohe National-Versammlung zu lösen hat.</p>
          <p>Warendorf, den 15. Oktober 1848.</p>
          <p>(Unterschriften.)</p>
          <p>Das Volk ist also in der Stadt Warendorf in Westphalen zu der Einsicht gekommen, daß wir ganz etwas Anderes zu thun haben, als blos die Verfassung zu machen, und daß das Andere, was wir zu thun haben, eiliger ist, als die Verfassung. Sie entnehmen hieraus zugleich die Quelle der Petitionen, und es wird Sie nicht mehr wundern, wenn auf solche Weise bei Verbreitung gleichlautender Petitionen eine Masse Unterschriften kommen. Sie werden aber von der andern Seite die große Zahl der Bittschriften berücksichtigen, die von allen Seiten ankommen und dringend dahin gehen, den alten Schutt hinwegzuräumen Sie werden also auch allen den sehr wichtigen Gesetzen, die zu diesem Zweck schon jetzt für die Tagesordnungen vorliegen, so wie den anderen Gesetzen, die nothwendig folgen müssen, z. B. das Gesetz über die Wehrverfassung, über die Geschworenen, über den Unterricht Ihre Beistimmung nicht versagen. Sie werden diese Gesetze nicht beeinträchtigen wollen. Sie werden wahrlich das Gesetz, wodurch die unpassendsten Bestimmungen, welche die Presse jetzt knechten, weggeräumt werden sollen, nicht verzögern wollen. Wie sehr Sie aber allen diesen Gesetzen entgegentreten würden, wenn Sie den Hauptantrag annähmen, das wird Ihnen sofort klar sein, denn es bleiben dann nur zwei Tage in der Woche außer der Verfassung übrig. Der eine Tag ist den Petitionen gewidmet, und ich würde es nicht für verantwortlich halten, daß wir diesen Tag ausfallen lassen, denn es sind auch unter diesen Petitionen manche, die Berücksichtigung verdienen, so daß wir diesen Theil des Geschäftsreglements, dem Lande gegenüber so handhaben müssen, daß wenigstens jetzt endlich der Tag für die Petitionen beobachtet wird. Gehen Sie davon aus, so bleibt nur ein einziger Tag für die Gesetze übrig. Nun haben Sie aber die Erfahrung gemacht, daß stets dringende Anträge, sei es von der einen, sei es von der anderen Seite, gemacht werden, diese werden nie fehlen, sie können nicht fehlen, denn ihre Nothwendigkeit liegt in der jetzigen Organisation der Zustände. Wollte ich z. B. alle diejenigen Anträge machen, wozu ich von vielen Seiten des Landes aufgefordert werde, weil die Leute einsehen, daß mit Petitionen nichts auszurichten ist; wollte ich diese meist begründeten Anträge alle stellen, so würde die Zeit gar nicht ausreichen, und ich kann versichern, Sie würden doch nichts Unwesentliches gethan haben, wenn Sie darauf eingingen.</p>
          <p>Ihre Aufgabe besteht ferner darin, ein wachsames Auge über die Verwaltung zu haben, und das können Sie nicht haben, wenn Sie sich absichtlich verschließen wollen, den Stimmen gegenüber, die sich erheben, um die Rechte des Landes zu schützen. Es ist also meines Ermessens unthunlich, in dieser jetzigen gefährlichen Zeit, wo das ganze Land mit Aufregung und Spannung hierher blickt, noch mehr Tage so festzustellen, daß an denselben ausschließlich nichts geschehen soll, als die Berathung der Verfassung. Jetzt haben wir zwei Tage dazu anberaumt, und dieser Beschluß mag gehandhabt werden. Es würde nicht gerechtfertigt sein, wenn man diese Ausschließlichkeit noch weiter ausdehnen wollte; es würden die wichtigen Gesetze, die uns vorliegen, es würde das Interesse des Landes, welches verlangt, daß seine Vertreter ein wachsames Auge auf die Verwaltung haben, dadurch leiden. Wenn nun der Antrag der Abgeordneten Sperling und Bredt einen Tag nachläßt; so sind meiner Ueberzeugung nach auch drei Tage schon zu viel; denn dies entzieht den wichtigen Gesetzen, die uns vorliegen, dann dem Geschwornengesetz und dem Gesetze wegen Organisation der Gerichte und des Heeres, welche gewiß nicht fehlen werden, die Berathung. Es vergrößert überdies die Gefahr, in die wir uns begeben, daß man es wirklich wagen möchte, uns nach Hause zu schicken; denn wie leicht wäre es möglich, daß die Verfassung eher fertig würde, als der organische Grundbau selbst, ehe wir mit dem Hinwegräumen des alten Schuttes fertig werden, der nothwendig erst beseitigt werden muß, bevor die Verfassung in ein kräftiges Leben treten kann. Meiner Ansicht nach müssen die nothwendigen organischen Gesetze vor der schließlichen Annahme der Verfassung erledigt sein. Dies ist auch die Ansicht, welche in dem Berichte der Verfassungskommission ausgesprochen ist. Nehmen Sie diese Ansicht an, so ist von den wichtigen Gesetzen eines so eilig wie das andere, und alle sind eiliger, als der Schlußstein, die Verfassung. Die Verfassung interessirt als künftiges Gerüst für die Repräsentation das Land jetzt noch gar nicht, sondern erst dann, wenn die künftigen Wahlen ausgeführt werden. Die Grundrechte interessiren dieselben auch nicht, denn die eigentlichen Grundrechte sind bereits gegeben. Daß wir, um zu geben, was noch fehlt, alle unsere Kräfte anstrengen, weiß das Land. Das ist ein absichtliches Verkennen, wenn von einer Seite her unsere Wirksamkeit mißkannt wird. Wir sind es uns bewußt, daß wir uns einer vollen Thätigkeit gewidmet haben. Ich ersuche Sie, verwerfen Sie die beiden Anträge, und lassen Sie uns bei dem Beschlusse bleiben, den wir, wohl überlegt, gefaßt haben.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 28. Novbr.</head>
          <p>Folgende Bekanntmachung zeigt, auf welch prächtigem konstitutionellen Boden die Märzerrungenschaften weiter entwickelt werden.</p>
          <p>Nachdem die Wiedereröffnung der Nationalversammlung am heutigen Tage in Brandenburg stattgefunden hat, kann der Zusammentritt einzelner Abgeordneter, welche sich jener Versammlung nicht angeschlossen haben, zu Berathungen am hiesigen Orte während des Belagerungszustandes ferner nicht geduldet werden.</p>
          <p>Indem ich dies zur öffentlichen Kenntniß bringe, weise ich zugleich sämmtliche Inhaber öffentlicher Gastlokale innerhalb des dem Belagerungszustande unterworfenen Bezirks hierdurch gemessenst an, solche Zusammenkünfte bei sich auf keine Weise zu dulden, und werde jedes Lokal, wo dergleichen dennoch vorkommen, sofort und für die Dauer des Belagerungszustandes gänzlich schließen lassen. Angebliche Nichtkenntniß der Eigenschaft der Versammelten als Abgeordneter, wird hierbei als Entschuldigung nicht zugelassen werden. Ebenso sollen auch anderweite Privatlokale, welche von Abgeordneten etwa zu ihren Zusammenkünften besonders gemiethet werden möchten, derselben Maßregel unterworfen sein.</p>
          <p>Berlin, den 27. Nov. 1848.</p>
          <p>Der Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken.</p>
          <p>(gez.) v. Wrangel.</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Brandenburg, 28. Novbr. <hi rendition="#b">Klub Brünneck.</hi> </head>
          <p>Auch heute sind die Tribünen schon früh besetzt; das Publikum, wie gestern.</p>
          <p>Bald nach 11 Uhr erschienen die Minister sämmtlich im Ueberrock. Kaum sind sie eingetreten, so tritt <hi rendition="#g">Brünneck</hi> an sie heran; <hi rendition="#g">Brandenburg, Ladenberg, Strotha</hi> hören ihm eifrig zu, während <hi rendition="#g">Manteuffel</hi> mit andern Deputirten konferirt. &#x2014; Das Gespräch wird immer lebhafter; <hi rendition="#g">Baumstark</hi> demonstrirt, Brandenburg hört mit einem unbeschreiblich öden und leeren Gesichtsausdruck zu; <hi rendition="#g">Reichensperger</hi> gestikulirt sehr eindringlich &#x2014; man sieht ihn mit höchst schwieriger bedenklicher Miene die Achseln zucken. &#x2014; Manteuffel, der mit dem neu eingetretenen <hi rendition="#g">Hansemann</hi> und <hi rendition="#g">Harkort</hi> konferirt, macht ein grimmig verbissenes Gesicht. Allmählig ziehen sich diese kleinere Gruppen zu einem einzigen größeren Klub zusammen, in welchem es außerordentlich aufgeregt hergeht und nur eigentlich die Minister passiv und schweigend sich verhalten.</p>
          <p>Um 11 1/2 Uhr erklärt der Präsident <hi rendition="#g">v. Brünneck</hi> die Sitzung für eröffnet. Er will, von mehreren Seiten privatim dazu aufgefordert, das Protokoll vom 9. November vorlesen lassen; <hi rendition="#g">Reichensperger</hi> protestirt dagegen, da die Versammlung nicht vollzählig sei; nach kurzer Debatte wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen und angenommen.</p>
          <p>Präs. <hi rendition="#g">v. Brünneck:</hi> &#x201E;Es sind <hi rendition="#g">mehrere Urlaubsgesuche</hi> eingegangen&#x201C; &#x2014; ein halblautes Gelächter läßt sich in einem Theile des Saales hören; die Majorität ergreift Verzweiflung, Angst und Schrecken, als sie durch dieses neue Manoeuvre die Zahl der Getreuen noch mehr bedroht sieht; <hi rendition="#g">Reichensperger</hi> eilt stürmisch auf das Bureau und spricht einige Worte mit dem Präsidenten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brünneck:</hi> Es wird so eben der Antrag gestellt, die Versammlung auf eine Stunde zu vertagen, damit die Abgeordneten über wichtige Mittheilungen, die uns demnächst zugehen werden, sich vertraulich besprechen können. &#x2014; Viele Abgeordnete verlangen lebhaft den Namensaufruf &#x2014; Bewegung und Unruhe; fast Lärm im Dom zu Brandenburg.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pelzer</hi> trägt darauf an, man möge genau daran halten, daß sich die Abgeordneten schriftlich um das Wort melden müßten, damit die Versammlung dem Lande zeige, daß sie wie in Berlin, so auch in Brandenburg die Rechte des Volkes, nicht minder aber die Rechte der Krone wahre.</p>
          <p><hi rendition="#g">Fleischer:</hi> &#x201E;Ich bitte, wenn uns von irgend einer Seite ein Novum (Strotha sieht bei diesem Worte ganz erstaunt seine Kollegen an) zugehen sollte, dies vor der Abstimmung über die Vertagung mitzutheilen.</p>
          <p>Die Versammlung beschließt, ohne darauf einzugehen, die Vertagung auf eine Stunde. &#x2014; 12 Uhr.</p>
          <p>Die königliche Botschaft enthält eine neue weitere Vertagung bis zum 11. Dezember, wie man sagt, um die Stellvertreter einzuberufen und resp. Neuwahlen zu veranstalten; ein Theil der Versammlung ist damit doch nicht so ganz zufrieden, und besteht darauf, daß die Versammlung wenigstens selbst die Vertagung ausspreche, da die Herren der Regierung das Recht einer einseitigen Vertagung nur als Anhang zu der nach ihrer Meinung nothwendigen Verlegung gestatten. &#x2014; Die Abgeordneten treten zu einer vertraulichen Besprechung im Casino zusammen, in Folge deren das Ministerium die königl. Botschaft zurückzieht.</p>
          <p>Um 1 1/2 Uhr wird die Sitzung wieder eröffnet, die Minister fehlen. Der Namensaufruf wird veranstaltet; neu zugetreten sind <hi rendition="#g">Bergmann</hi> und <hi rendition="#g">Thüm;</hi> der Name &#x201E;von <hi rendition="#g">Vincke</hi>&#x201C; wird vom Schriftführer Daniels zweimal gerufen, aber vergeblich.</p>
          <p>Während der Zählung bemerkt der Abg. <hi rendition="#g">Dahne,</hi> in dem stenographischen Bericht vom 15. November sei er als anwesend angeführt; er müsse jedoch berichten, daß er sowohl wie sein Freund <hi rendition="#g">Tietze</hi> jener Sitzung nicht beigewohnt hätten. &#x2014; Bewegung in der Versammlung. &#x2014; <hi rendition="#g">Brünneck:</hi> &#x201E;Wir kennen einen solchen Bericht nicht; die Sache muß also auf sich beruhen.&#x201C;</p>
          <p>Das Resultat der Stimmzählung ist, daß 159 Abgeordnete anwesend sind.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brenner</hi> erklärt, daß nach seiner Ueberzeugung mehrere Abgeordnete anwesend sein müßten, da er mit einigen derselben hierher gefahren sei, die heute hätten eintreten wollen. <hi rendition="#g">Thun</hi> schließt sich dem gestrigen Proteste <hi rendition="#g">Dahn's</hi> an; <hi rendition="#g">Bremer</hi> bemerkt, mit ewigen Protesten komme man nicht vorwärts.</p>
          <p>Der Antrag, die Sitzung bis morgen zu vertagen wird gestellt. &#x2014; In demselben Augenblicke treten die Minister herein.</p>
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          <head>Erfurt.</head>
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          <p>Zum Schluß bemerke ich noch daß dieser schwarzweiße Landwehrverein sich dem kürzlich hier aufgeschossenen Reactionspilze &#x2014; dem Verein für &#x201E;Gesetz und Ordnung&#x201C; &#x2014; angeschlossen hat!</p>
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          <head>Königsberg, den 20. Nov.</head>
          <p>Der Aufenthalt des jetzt wohl schon weltbekannten Abgeordneten von Fischhausen, des Fleischermeisters Pieper, am hiesigen Orte gab Anlaß zu einigen ärgerlichen Auftritten. In der Janatzischen Conditorei gerieth er in einen politischen Streit und führte eine Schlägerei herbei, bei welcher einer seiner Gegner so bedrängt wurde, daß er durch die Küche und über den Hof fliehen mußte. Gegen den Redacteur eines hiesigen Lokalblattes (Fliegende Blätter), in welchem er mehrmals persiflirt war, versuchte er ein gefährliches Attentat in dessen Wohnung, und veranlaßte später einen großen Auflauf vor dem Hause des von ihm Angegriffenen, indem er in Aerger und Schimpferei über das Mißlingen seiner Absicht ausbrach. In einigen anderen öffentlichen Lokalen gerieth er ebenfalls mehrfach mit Gästen über politische Fragen in Conflict und bald war er in den paar Tagen seines Aufenthaltes hier so bekannt und beliebt, daß er sich nirgends mehr sehen lassen konnte, ohne verhöhnt, haranguirt oder sonst wie genirt zu werden. Da schickte er sich zur Abreise nach seinem Domizil Fischhausen an. Es war aber die Zeit und die Art seiner Abreise bekannt geworden und als er sich auf dem Posthofe einfand und den Postwagen besteigen wollte, hatte sich bald ein Haufen von 5 bis 600 Menschen eingefunden, der einen großen Lärm gegen den unglücklichen Volksvertreter machte, ihn vielfach verhöhnte, mehrfach seinen Spitznamen Pieper-pack-em ausrief, Schimpfwörter ausstieß und vielleicht gar zu Thätlichkeiten übergegangen wäre, wenn Pieper sich nicht entfernt hätte. Er begab sich bis vors Thor und wollte hier in den Postwagen einsteigen, aber auch das war bald bekannt geworden. Der ganze nun wohl auf 800 Menschen angewachsene Haufen verfolgte ihn bis vors Steindammer Thor, Pieper lief bis Conradshof und suchte hier Schutz. Allein der verfolgende Haufen zog auch bis hierher und immer unter entsetzlichem Geschrei und Gelärme ihm nach, füllte den ganzen vor dem Gasthause befindlichen Garten und verlangte stürmisch die Auslieferung des Verfolgten. Es gelang diesem indeß durch die Küche über den Hof, über Hecken und Zäune zu entkommen. Er floh glücklich unbemerkt bis Carlsruhe und soll hier in den Postwagen eingestiegen und somit den drohenden Händen seiner Verfolger entkommen sein. Er dürfte schwerlich wieder Königsberg mit seiner Gegenwart zu beehren versuchen.</p>
          <bibl>(Elb. Anz.)</bibl>
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          <head>Mislowitz, 26. Nov.</head>
          <p>An unserer Grenze, etwa eine Meile von hier, bivouaquiren gegenwärtig 12,000 Mann Russen mit 40 Geschützen; ebenso sind an der galizischen Grenze etwa 10,000 Mann aufgestellt.</p>
          <p>Was das Leben in Polen selbst anbelangt, so kann ich nur erwähnen, daß alles beim Alten geblieben; ein Kaufmann, der noch vor Kurzem einen Kanonier fragte, wie viel Schüsse in der Minute abgefeuert werden können, wie stark das dorten aufgestellte Corps sei etc., wurde nach erfolgter Anzeige sofort auf echt russische Weise mit 50 Hieben regalirt und mußte ferner noch eine bedeutende Geldstrafe zahlen. Alles Waffentragen und schon deren Besitz ist noch fortwährend, wie Ihnen wohl bekannt, aufs strengste untersagt, selbst die Sensen müssen nach vollendeter Ernte wieder an die Behörden abgeliefert werden, und sogar bis auf die Messer, welche die Fleischer gebrauchen, erstreckt sich die russische Obsorge, diese dürfen blos eine bestimmte Länge und durchaus keine scharfe Spitze haben. Sie werden hieraus ersehen, daß Alles noch vollständig beim Alten geblieben ist. Von russischen Offizieren welche sich tagelang in den Gasthäusern bei ihrem Thee und Branntwein herum sielen, ist durchaus nichts zu erfahren, sei es nun die Furcht vor Denunciation oder daß sie selbst, als willenlose Maschinen, nicht wissen, was mit ihnen vorgenommen wird.</p>
          <p>Im Innern des Landes dauert, wie ich aus sicherer Quelle erfahren, der Militär-Despotismus in seiner größten Blüthe fort, Fürst Paskewitsch und Polizeiminister Abramowicz gehen in ihren Maßregeln Hand in Hand und bieten alles auf, den Fremden besonders ihre zärtliche Fürsorge fühlen zu lassen. So weit erstreckt sich die russische Besorgniß, daß jetzt in den etwa noch gestatteten auswärtigen Zeitschriften nicht mehr wie früher die gefährlichen Stellen mit Druckerschwärze überzogen, sondern gleich ganz herausgeschnitten werden und der Besteller für sein schweres Geld manchmal blos ein kleines Stückchen Zeitung erhält; bei der Visitation an der Grenze wird auf's strengste darauf gehalten, daß unter den zum Einpacken der Effekten verwandten Papieren nicht etwa alte Zeitungsblätter sich befinden, alle Bücher der Reisenden werden ohne Ausnahme zurückbehalten und der Besitzer derselben verfällt schwerer Strafe, wenn irgend eines davon den russischen Censur-Gesetzen zuwider lauft.</p>
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          <head><bibl><author>121</author></bibl> Wien, 26. Nov.</head>
          <p>Aus unserer standrechtlichen Tagespresse, die zum Theil selbst ein ultrabestialisches Henkeramt ausübt, über welches sogar das kroatische Militär seinen Abscheu auszusprechen beginnt, und woran nur die vollständigste Verthierung der Bourgeois Vergnügen findet, werden Sie nur die nach der Verstummung der Hingerichteten redigirten Urtheile gewahr, niemals aber Umstände der Hinrichtung. Mehrere Hinrichtungen, zuletzt aber die des Dr. Jellinek, sind zu einem wahren Greuel entartet. Es war noch dunkel am Morgen, als er mit Becher hingerichtet wurde. Letzterer stürzte sofort todt nieder, während Jellinek nur schlecht getroffen zusammensank und, sich in seinen Qualen windend, das entsetzlichste Todesgeschrei ausstieß. Die Soldaten hatten entweder gezittert, oder in der Dunkelheit schlecht gezielt. Der kommandirende Offizier hatte Noth, sie zu bewegen, dem Jellinek nun hinterher noch den Garaus zu machen. Dies geschah dann in der Weise, daß Jellinek, am Boden ringend, durch wiederholte Schüsse und Bajonnettstöße, endlich getödtet wurde. Ich habe keine ruhige Nacht mehr seit solchen Scenen, denn alle meine Träume sind Blut und Entsetzen. Wenn Sie sich erinnern wollen, daß der Radikalismus des Radikalen vornehmlich doch nur in Phrasen bestanden, und daß insbesondere Dr. Jellinek kaum eine radikale Ader besaß, so ist die Hinrichtung dieser Märtyrer kaum begreifbar, wenn nicht die Motive zum Urtheil hinlänglich zu erkennen gäben, wer vor dieser Gewalt ein Verbrecher ist. &#x2014; Auch Blum dachte nichts weniger, als an seinen Tod. Er kam wie ein Unwetter über ihn. Blum hätte gerne noch länger gelebt. Der Pardon, den er in der Brigittenau dreimal nachsuchte, ward ihm aber dreimal versagt. So ließ er sich die Augen verbinden, kniete nieder und verröchelte. Wie gesagt, die Tagespresse verschweigt solche standrechtlichen Einzelheiten; sie kennt kein Mitleid. &#x2014; Was Fröbel anlangt, so hat seine Broschüre: &#x201E;Wien, Deutschland und Europa,&#x201C; die man jetzt erst in volle Rücksicht genommen, selbst Windischgrätz mit ihm ausgesöhnt. Die &#x201E;Presse&#x201C; und &#x201E;Wiener Zeitung&#x201C; preisen, um ihrerseits Fröbel schon jetzt ihre Reverenz zu bezeigen und ihm einige Genugthuung zu geben, in ihren heutigen Nummern diese Schrift dem Publikum unbedingt an; ja, die Wiener Zeitung hatte dies schon im Laufe des Oktober gethan.</p>
          <p>Windischgrätz ist mit Jellachich heute zur Armee nach Ungarn abgegangen, und hat die standrechtlichen Zügel der Regierung ad interim an Welden übertragen. Schon gestern reichte der Gemeinderath deshalb eine unterthänigste Adresse ein, worin er sich über das beispiellos milde Walten des Fürsten ausspricht, und unglaublich devote Verheißungen macht. Veranlassung dazu hatte neben der Abreise die sogenannte Aufhebung des Standrechts und Verwandlung in ein bloses Militärgericht gegeben. Mißtrauische, die sich übrigens irren können, wollen in dieser Gnadenbezeigung nur einen Lockvogel erkennen, etwa verborgene Individuen zum Vorschein bringen zu helfen. Jedenfalls wollen sie erst die Tagesereignisse unter Welden, der noch rücksichtsloser sein soll, als Windischgrätz, abwarten, bevor sie Zutrauen gewinnen: Andererseits spricht man von einer baldigen Amnestie.</p>
          <p>Der erste Antrag, welchen das neue Ministerium Schwarzenberg-Stadion vor den gefesselten Prometheus Oesterreich's nach Kremsier bringen wird, soll dahin lauten, daß der Reichstag erkläre, die Armee habe sich um das Vaterland verdient gemacht. Unter Latour ist dieser Antrag zweimal durchgefallen, darum wird er diesmal um so gewisser angenommen werden. Er soll den festen Grundstein des neuen Ministeriums bilden, für welches &#x201E;die Presse&#x201C; vor Entzücken stets aufjauchzt, indem sie es hundertmal auf jeder Seite &#x201E;ein starkes&#x201C; nennt. Sie sehen, die Presse zeigt viel politischen Scharfblick, wenn sie weiß, daß 100,000 Mann mit 300 Kanonen in der That ministeriell stark genug sind, einige arme Demokraten im Stadtgraben niederzuschießen.</p>
          <p>Nicht nur Wien, sondern fast alle Städte Oesterreich's werden à la Paris befestigt, um für die Zukunft jede Erhebung unmöglich zu machen. Die abgelieferten Waffen sind darum auch nicht in's Zeughaus, sondern in's Neugebäude gebracht worden. Dieses liegt vor der St. Marxer Linie, auf der Straße nach Ungarn, zwischen Simmering und Wien. Windischgrätz hat daraus bereits ein Fort de Vincennes machen lassen, und die Arbeiten werden fortwährend mit ungeheurer Thätigkeit fortgesetzt. Um die dortigen Blockhäuser liegt eine bedeutende Militärmacht, (großentheils zer-
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</TEI>
[0832/0002] Versicherungs-Gesellschaft hier und vielleicht überall verbreitetes Cirkular sucht im Namen der patriotischen Vereine Unterschriften zu einer Adresse an eine hohe National-Versammlung, Behufs Beschleunigung des Verfassungswerkes. „Die unterzeichneten Urwähler des Kreises Warendorf können ein solches Unternehmen nur höchst mißbilligen, weil sie nicht allein in der Vollendung des Verfassungswerkes, sondern eben so wesentlich in der Feststellung der durch freie Verfassung bedingten organischen Gesetze die Aufgabe erkennen, die eine hohe National-Versammlung zu lösen hat. Warendorf, den 15. Oktober 1848. (Unterschriften.) Das Volk ist also in der Stadt Warendorf in Westphalen zu der Einsicht gekommen, daß wir ganz etwas Anderes zu thun haben, als blos die Verfassung zu machen, und daß das Andere, was wir zu thun haben, eiliger ist, als die Verfassung. Sie entnehmen hieraus zugleich die Quelle der Petitionen, und es wird Sie nicht mehr wundern, wenn auf solche Weise bei Verbreitung gleichlautender Petitionen eine Masse Unterschriften kommen. Sie werden aber von der andern Seite die große Zahl der Bittschriften berücksichtigen, die von allen Seiten ankommen und dringend dahin gehen, den alten Schutt hinwegzuräumen Sie werden also auch allen den sehr wichtigen Gesetzen, die zu diesem Zweck schon jetzt für die Tagesordnungen vorliegen, so wie den anderen Gesetzen, die nothwendig folgen müssen, z. B. das Gesetz über die Wehrverfassung, über die Geschworenen, über den Unterricht Ihre Beistimmung nicht versagen. Sie werden diese Gesetze nicht beeinträchtigen wollen. Sie werden wahrlich das Gesetz, wodurch die unpassendsten Bestimmungen, welche die Presse jetzt knechten, weggeräumt werden sollen, nicht verzögern wollen. Wie sehr Sie aber allen diesen Gesetzen entgegentreten würden, wenn Sie den Hauptantrag annähmen, das wird Ihnen sofort klar sein, denn es bleiben dann nur zwei Tage in der Woche außer der Verfassung übrig. Der eine Tag ist den Petitionen gewidmet, und ich würde es nicht für verantwortlich halten, daß wir diesen Tag ausfallen lassen, denn es sind auch unter diesen Petitionen manche, die Berücksichtigung verdienen, so daß wir diesen Theil des Geschäftsreglements, dem Lande gegenüber so handhaben müssen, daß wenigstens jetzt endlich der Tag für die Petitionen beobachtet wird. Gehen Sie davon aus, so bleibt nur ein einziger Tag für die Gesetze übrig. Nun haben Sie aber die Erfahrung gemacht, daß stets dringende Anträge, sei es von der einen, sei es von der anderen Seite, gemacht werden, diese werden nie fehlen, sie können nicht fehlen, denn ihre Nothwendigkeit liegt in der jetzigen Organisation der Zustände. Wollte ich z. B. alle diejenigen Anträge machen, wozu ich von vielen Seiten des Landes aufgefordert werde, weil die Leute einsehen, daß mit Petitionen nichts auszurichten ist; wollte ich diese meist begründeten Anträge alle stellen, so würde die Zeit gar nicht ausreichen, und ich kann versichern, Sie würden doch nichts Unwesentliches gethan haben, wenn Sie darauf eingingen. Ihre Aufgabe besteht ferner darin, ein wachsames Auge über die Verwaltung zu haben, und das können Sie nicht haben, wenn Sie sich absichtlich verschließen wollen, den Stimmen gegenüber, die sich erheben, um die Rechte des Landes zu schützen. Es ist also meines Ermessens unthunlich, in dieser jetzigen gefährlichen Zeit, wo das ganze Land mit Aufregung und Spannung hierher blickt, noch mehr Tage so festzustellen, daß an denselben ausschließlich nichts geschehen soll, als die Berathung der Verfassung. Jetzt haben wir zwei Tage dazu anberaumt, und dieser Beschluß mag gehandhabt werden. Es würde nicht gerechtfertigt sein, wenn man diese Ausschließlichkeit noch weiter ausdehnen wollte; es würden die wichtigen Gesetze, die uns vorliegen, es würde das Interesse des Landes, welches verlangt, daß seine Vertreter ein wachsames Auge auf die Verwaltung haben, dadurch leiden. Wenn nun der Antrag der Abgeordneten Sperling und Bredt einen Tag nachläßt; so sind meiner Ueberzeugung nach auch drei Tage schon zu viel; denn dies entzieht den wichtigen Gesetzen, die uns vorliegen, dann dem Geschwornengesetz und dem Gesetze wegen Organisation der Gerichte und des Heeres, welche gewiß nicht fehlen werden, die Berathung. Es vergrößert überdies die Gefahr, in die wir uns begeben, daß man es wirklich wagen möchte, uns nach Hause zu schicken; denn wie leicht wäre es möglich, daß die Verfassung eher fertig würde, als der organische Grundbau selbst, ehe wir mit dem Hinwegräumen des alten Schuttes fertig werden, der nothwendig erst beseitigt werden muß, bevor die Verfassung in ein kräftiges Leben treten kann. Meiner Ansicht nach müssen die nothwendigen organischen Gesetze vor der schließlichen Annahme der Verfassung erledigt sein. Dies ist auch die Ansicht, welche in dem Berichte der Verfassungskommission ausgesprochen ist. Nehmen Sie diese Ansicht an, so ist von den wichtigen Gesetzen eines so eilig wie das andere, und alle sind eiliger, als der Schlußstein, die Verfassung. Die Verfassung interessirt als künftiges Gerüst für die Repräsentation das Land jetzt noch gar nicht, sondern erst dann, wenn die künftigen Wahlen ausgeführt werden. Die Grundrechte interessiren dieselben auch nicht, denn die eigentlichen Grundrechte sind bereits gegeben. Daß wir, um zu geben, was noch fehlt, alle unsere Kräfte anstrengen, weiß das Land. Das ist ein absichtliches Verkennen, wenn von einer Seite her unsere Wirksamkeit mißkannt wird. Wir sind es uns bewußt, daß wir uns einer vollen Thätigkeit gewidmet haben. Ich ersuche Sie, verwerfen Sie die beiden Anträge, und lassen Sie uns bei dem Beschlusse bleiben, den wir, wohl überlegt, gefaßt haben. * Berlin, 28. Novbr. Folgende Bekanntmachung zeigt, auf welch prächtigem konstitutionellen Boden die Märzerrungenschaften weiter entwickelt werden. Nachdem die Wiedereröffnung der Nationalversammlung am heutigen Tage in Brandenburg stattgefunden hat, kann der Zusammentritt einzelner Abgeordneter, welche sich jener Versammlung nicht angeschlossen haben, zu Berathungen am hiesigen Orte während des Belagerungszustandes ferner nicht geduldet werden. Indem ich dies zur öffentlichen Kenntniß bringe, weise ich zugleich sämmtliche Inhaber öffentlicher Gastlokale innerhalb des dem Belagerungszustande unterworfenen Bezirks hierdurch gemessenst an, solche Zusammenkünfte bei sich auf keine Weise zu dulden, und werde jedes Lokal, wo dergleichen dennoch vorkommen, sofort und für die Dauer des Belagerungszustandes gänzlich schließen lassen. Angebliche Nichtkenntniß der Eigenschaft der Versammelten als Abgeordneter, wird hierbei als Entschuldigung nicht zugelassen werden. Ebenso sollen auch anderweite Privatlokale, welche von Abgeordneten etwa zu ihren Zusammenkünften besonders gemiethet werden möchten, derselben Maßregel unterworfen sein. Berlin, den 27. Nov. 1848. Der Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken. (gez.) v. Wrangel. X Brandenburg, 28. Novbr. Klub Brünneck. Auch heute sind die Tribünen schon früh besetzt; das Publikum, wie gestern. Bald nach 11 Uhr erschienen die Minister sämmtlich im Ueberrock. Kaum sind sie eingetreten, so tritt Brünneck an sie heran; Brandenburg, Ladenberg, Strotha hören ihm eifrig zu, während Manteuffel mit andern Deputirten konferirt. — Das Gespräch wird immer lebhafter; Baumstark demonstrirt, Brandenburg hört mit einem unbeschreiblich öden und leeren Gesichtsausdruck zu; Reichensperger gestikulirt sehr eindringlich — man sieht ihn mit höchst schwieriger bedenklicher Miene die Achseln zucken. — Manteuffel, der mit dem neu eingetretenen Hansemann und Harkort konferirt, macht ein grimmig verbissenes Gesicht. Allmählig ziehen sich diese kleinere Gruppen zu einem einzigen größeren Klub zusammen, in welchem es außerordentlich aufgeregt hergeht und nur eigentlich die Minister passiv und schweigend sich verhalten. Um 11 1/2 Uhr erklärt der Präsident v. Brünneck die Sitzung für eröffnet. Er will, von mehreren Seiten privatim dazu aufgefordert, das Protokoll vom 9. November vorlesen lassen; Reichensperger protestirt dagegen, da die Versammlung nicht vollzählig sei; nach kurzer Debatte wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen und angenommen. Präs. v. Brünneck: „Es sind mehrere Urlaubsgesuche eingegangen“ — ein halblautes Gelächter läßt sich in einem Theile des Saales hören; die Majorität ergreift Verzweiflung, Angst und Schrecken, als sie durch dieses neue Manoeuvre die Zahl der Getreuen noch mehr bedroht sieht; Reichensperger eilt stürmisch auf das Bureau und spricht einige Worte mit dem Präsidenten. Brünneck: Es wird so eben der Antrag gestellt, die Versammlung auf eine Stunde zu vertagen, damit die Abgeordneten über wichtige Mittheilungen, die uns demnächst zugehen werden, sich vertraulich besprechen können. — Viele Abgeordnete verlangen lebhaft den Namensaufruf — Bewegung und Unruhe; fast Lärm im Dom zu Brandenburg. Pelzer trägt darauf an, man möge genau daran halten, daß sich die Abgeordneten schriftlich um das Wort melden müßten, damit die Versammlung dem Lande zeige, daß sie wie in Berlin, so auch in Brandenburg die Rechte des Volkes, nicht minder aber die Rechte der Krone wahre. Fleischer: „Ich bitte, wenn uns von irgend einer Seite ein Novum (Strotha sieht bei diesem Worte ganz erstaunt seine Kollegen an) zugehen sollte, dies vor der Abstimmung über die Vertagung mitzutheilen. Die Versammlung beschließt, ohne darauf einzugehen, die Vertagung auf eine Stunde. — 12 Uhr. Die königliche Botschaft enthält eine neue weitere Vertagung bis zum 11. Dezember, wie man sagt, um die Stellvertreter einzuberufen und resp. Neuwahlen zu veranstalten; ein Theil der Versammlung ist damit doch nicht so ganz zufrieden, und besteht darauf, daß die Versammlung wenigstens selbst die Vertagung ausspreche, da die Herren der Regierung das Recht einer einseitigen Vertagung nur als Anhang zu der nach ihrer Meinung nothwendigen Verlegung gestatten. — Die Abgeordneten treten zu einer vertraulichen Besprechung im Casino zusammen, in Folge deren das Ministerium die königl. Botschaft zurückzieht. Um 1 1/2 Uhr wird die Sitzung wieder eröffnet, die Minister fehlen. Der Namensaufruf wird veranstaltet; neu zugetreten sind Bergmann und Thüm; der Name „von Vincke“ wird vom Schriftführer Daniels zweimal gerufen, aber vergeblich. Während der Zählung bemerkt der Abg. Dahne, in dem stenographischen Bericht vom 15. November sei er als anwesend angeführt; er müsse jedoch berichten, daß er sowohl wie sein Freund Tietze jener Sitzung nicht beigewohnt hätten. — Bewegung in der Versammlung. — Brünneck: „Wir kennen einen solchen Bericht nicht; die Sache muß also auf sich beruhen.“ Das Resultat der Stimmzählung ist, daß 159 Abgeordnete anwesend sind. Brenner erklärt, daß nach seiner Ueberzeugung mehrere Abgeordnete anwesend sein müßten, da er mit einigen derselben hierher gefahren sei, die heute hätten eintreten wollen. Thun schließt sich dem gestrigen Proteste Dahn's an; Bremer bemerkt, mit ewigen Protesten komme man nicht vorwärts. Der Antrag, die Sitzung bis morgen zu vertagen wird gestellt. — In demselben Augenblicke treten die Minister herein. Simons motivirt als Antragsteller seinen Antrag auf Vertagung; ob morgen derselbe Zustand noch sein werde, könne er nicht übersehen. Er kündigt außerdem für Donnerstag den Antrag an, daß die Versammlung das Ministerium ersuchen möge, für die abwesenden Abgeordneten die Stellvertreter einzuberufen. Ministerpräsident Brandenburg: „Ich bitte um das Wort.“ — Dann liest derselbe: „Die so eben verlesenen Anträge stimmen mit dem Wunsche der Regierung, das Werk der Vereinbarung der Verfassung baldigst zu beginnen, überein; wenn also die Versammlung sich bis morgen 11 Uhr vertagen will, so hat die Regierung dagegen nichts zu erinnern.“ (Bravo und Zischen.) — Die Vertagung bis morgen 11 Uhr wird mit großer Majorität beschlossen. Schluß 2 1/4 Uhr. Erfurt. Wir erhalten so eben Einsicht in einen Privatbrief aus Erfurt, welcher erschreckende Details über die furchtbare Erbitterung gibt, mit welcher am 24. d. gekämpft wurde. — „Auf dem Anger, wo der Kampf am längsten dauerte, ist es entsetzlich zugegangen. — Viele Menschen sind buchstäblich zerhackt worden. Von Soldaten sind zwanzig und etliche gefallen; darunter neun Kürassiere. Auf Seiten der Bürger mehr als hundert. Der Parteihaß war so mächtig, daß ein Bürger den andern erschoß. Am Abend fuhr man die Todten auf Leiterwagen fort. Von dem Fanatismus des Volkes giebt es ein Beispiel, daß, unweit von unserem Hause, ein einzelner Mensch mit einem Brecheisen auf eine Compagnie Soldaten losging. — Er wurde natürlich mit Kolben zu Boden geschlagen etc. * Breslau, den 27. Nov. Gestern Nachmittag sollte auf dem Neumarkt eine Volksversammlung stattfinden. Plakate ohne Unterschrift hatten dazu eingeladen. Von Seiten der Demokraten wurde vor der Einladung, als von der reactionären Parthei ausgehend, gewarnt. Natürlich fanden sich aber doch eine Menge Menschen ein, die sich bald wieder zerstreut hätten, wenn nicht der schwarzweiße Landwehrverein (der, aus wenig Mitgliedern bestehend, nicht mit dem zahlreichen demokratischen Landwehrverein zu verwechseln ist) angerückt wäre. Ein gewisser Paul v. Nimptsch, ein berüchtigtes Werkzeug des schlesischen Adels- und Beamtenthums, hatte sich an die Spitze gestellt. Es währte nicht lange, so war der Zweck dieser saubern Klique — Hervorrufung eines Krawals — wenigstens theilweise erreicht. Es kam alsbald zu einer großartigen Prügelei, von der die Knochen der tapfern Streiter „mit Gott für König und Vaterland“ noch längere Zeit zu berichten wissen werden. Ohne das kräftige Einschreiten des demokratisch gesinnten Anger-Bataillons der Bürgerwehr konnte der Plan der Schwarzweißen — Herbeiziehung des Militärs — gelingen. Diesmal aber hatten Hr. Nimptsch und seine Schaar wieder pour le Roi de Prusse gearbeitet. Zum Schluß bemerke ich noch daß dieser schwarzweiße Landwehrverein sich dem kürzlich hier aufgeschossenen Reactionspilze — dem Verein für „Gesetz und Ordnung“ — angeschlossen hat! * Stettin, 27. Nov. Die „Osts.-Z.“ theilt folgendes Faktum mit: „Am Sonnabend hatte man in das Fenster der Parterrewohnung des Kaufmanns Guido Fuchs auf der Lastadie von Außen einen Kanonenschlag gelegt; derselbe wurde angezündet und zertrümmerte das Fenster. Vor dem Hause standen viele Landwehrmänner. Allgemein hieß es: Hr. Fuchs schießt auf die Landwehrmänner! Die Leute entdeckten indeß in Zeiten den Zusammenhang. Man sieht, mit welchen Mitteln gearbeitet wird. Königsberg, den 20. Nov. Der Aufenthalt des jetzt wohl schon weltbekannten Abgeordneten von Fischhausen, des Fleischermeisters Pieper, am hiesigen Orte gab Anlaß zu einigen ärgerlichen Auftritten. In der Janatzischen Conditorei gerieth er in einen politischen Streit und führte eine Schlägerei herbei, bei welcher einer seiner Gegner so bedrängt wurde, daß er durch die Küche und über den Hof fliehen mußte. Gegen den Redacteur eines hiesigen Lokalblattes (Fliegende Blätter), in welchem er mehrmals persiflirt war, versuchte er ein gefährliches Attentat in dessen Wohnung, und veranlaßte später einen großen Auflauf vor dem Hause des von ihm Angegriffenen, indem er in Aerger und Schimpferei über das Mißlingen seiner Absicht ausbrach. In einigen anderen öffentlichen Lokalen gerieth er ebenfalls mehrfach mit Gästen über politische Fragen in Conflict und bald war er in den paar Tagen seines Aufenthaltes hier so bekannt und beliebt, daß er sich nirgends mehr sehen lassen konnte, ohne verhöhnt, haranguirt oder sonst wie genirt zu werden. Da schickte er sich zur Abreise nach seinem Domizil Fischhausen an. Es war aber die Zeit und die Art seiner Abreise bekannt geworden und als er sich auf dem Posthofe einfand und den Postwagen besteigen wollte, hatte sich bald ein Haufen von 5 bis 600 Menschen eingefunden, der einen großen Lärm gegen den unglücklichen Volksvertreter machte, ihn vielfach verhöhnte, mehrfach seinen Spitznamen Pieper-pack-em ausrief, Schimpfwörter ausstieß und vielleicht gar zu Thätlichkeiten übergegangen wäre, wenn Pieper sich nicht entfernt hätte. Er begab sich bis vors Thor und wollte hier in den Postwagen einsteigen, aber auch das war bald bekannt geworden. Der ganze nun wohl auf 800 Menschen angewachsene Haufen verfolgte ihn bis vors Steindammer Thor, Pieper lief bis Conradshof und suchte hier Schutz. Allein der verfolgende Haufen zog auch bis hierher und immer unter entsetzlichem Geschrei und Gelärme ihm nach, füllte den ganzen vor dem Gasthause befindlichen Garten und verlangte stürmisch die Auslieferung des Verfolgten. Es gelang diesem indeß durch die Küche über den Hof, über Hecken und Zäune zu entkommen. Er floh glücklich unbemerkt bis Carlsruhe und soll hier in den Postwagen eingestiegen und somit den drohenden Händen seiner Verfolger entkommen sein. Er dürfte schwerlich wieder Königsberg mit seiner Gegenwart zu beehren versuchen. (Elb. Anz.) Mislowitz, 26. Nov. An unserer Grenze, etwa eine Meile von hier, bivouaquiren gegenwärtig 12,000 Mann Russen mit 40 Geschützen; ebenso sind an der galizischen Grenze etwa 10,000 Mann aufgestellt. Was das Leben in Polen selbst anbelangt, so kann ich nur erwähnen, daß alles beim Alten geblieben; ein Kaufmann, der noch vor Kurzem einen Kanonier fragte, wie viel Schüsse in der Minute abgefeuert werden können, wie stark das dorten aufgestellte Corps sei etc., wurde nach erfolgter Anzeige sofort auf echt russische Weise mit 50 Hieben regalirt und mußte ferner noch eine bedeutende Geldstrafe zahlen. Alles Waffentragen und schon deren Besitz ist noch fortwährend, wie Ihnen wohl bekannt, aufs strengste untersagt, selbst die Sensen müssen nach vollendeter Ernte wieder an die Behörden abgeliefert werden, und sogar bis auf die Messer, welche die Fleischer gebrauchen, erstreckt sich die russische Obsorge, diese dürfen blos eine bestimmte Länge und durchaus keine scharfe Spitze haben. Sie werden hieraus ersehen, daß Alles noch vollständig beim Alten geblieben ist. Von russischen Offizieren welche sich tagelang in den Gasthäusern bei ihrem Thee und Branntwein herum sielen, ist durchaus nichts zu erfahren, sei es nun die Furcht vor Denunciation oder daß sie selbst, als willenlose Maschinen, nicht wissen, was mit ihnen vorgenommen wird. Im Innern des Landes dauert, wie ich aus sicherer Quelle erfahren, der Militär-Despotismus in seiner größten Blüthe fort, Fürst Paskewitsch und Polizeiminister Abramowicz gehen in ihren Maßregeln Hand in Hand und bieten alles auf, den Fremden besonders ihre zärtliche Fürsorge fühlen zu lassen. So weit erstreckt sich die russische Besorgniß, daß jetzt in den etwa noch gestatteten auswärtigen Zeitschriften nicht mehr wie früher die gefährlichen Stellen mit Druckerschwärze überzogen, sondern gleich ganz herausgeschnitten werden und der Besteller für sein schweres Geld manchmal blos ein kleines Stückchen Zeitung erhält; bei der Visitation an der Grenze wird auf's strengste darauf gehalten, daß unter den zum Einpacken der Effekten verwandten Papieren nicht etwa alte Zeitungsblätter sich befinden, alle Bücher der Reisenden werden ohne Ausnahme zurückbehalten und der Besitzer derselben verfällt schwerer Strafe, wenn irgend eines davon den russischen Censur-Gesetzen zuwider lauft. 121 Wien, 26. Nov. Aus unserer standrechtlichen Tagespresse, die zum Theil selbst ein ultrabestialisches Henkeramt ausübt, über welches sogar das kroatische Militär seinen Abscheu auszusprechen beginnt, und woran nur die vollständigste Verthierung der Bourgeois Vergnügen findet, werden Sie nur die nach der Verstummung der Hingerichteten redigirten Urtheile gewahr, niemals aber Umstände der Hinrichtung. Mehrere Hinrichtungen, zuletzt aber die des Dr. Jellinek, sind zu einem wahren Greuel entartet. Es war noch dunkel am Morgen, als er mit Becher hingerichtet wurde. Letzterer stürzte sofort todt nieder, während Jellinek nur schlecht getroffen zusammensank und, sich in seinen Qualen windend, das entsetzlichste Todesgeschrei ausstieß. Die Soldaten hatten entweder gezittert, oder in der Dunkelheit schlecht gezielt. Der kommandirende Offizier hatte Noth, sie zu bewegen, dem Jellinek nun hinterher noch den Garaus zu machen. Dies geschah dann in der Weise, daß Jellinek, am Boden ringend, durch wiederholte Schüsse und Bajonnettstöße, endlich getödtet wurde. Ich habe keine ruhige Nacht mehr seit solchen Scenen, denn alle meine Träume sind Blut und Entsetzen. Wenn Sie sich erinnern wollen, daß der Radikalismus des Radikalen vornehmlich doch nur in Phrasen bestanden, und daß insbesondere Dr. Jellinek kaum eine radikale Ader besaß, so ist die Hinrichtung dieser Märtyrer kaum begreifbar, wenn nicht die Motive zum Urtheil hinlänglich zu erkennen gäben, wer vor dieser Gewalt ein Verbrecher ist. — Auch Blum dachte nichts weniger, als an seinen Tod. Er kam wie ein Unwetter über ihn. Blum hätte gerne noch länger gelebt. Der Pardon, den er in der Brigittenau dreimal nachsuchte, ward ihm aber dreimal versagt. So ließ er sich die Augen verbinden, kniete nieder und verröchelte. Wie gesagt, die Tagespresse verschweigt solche standrechtlichen Einzelheiten; sie kennt kein Mitleid. — Was Fröbel anlangt, so hat seine Broschüre: „Wien, Deutschland und Europa,“ die man jetzt erst in volle Rücksicht genommen, selbst Windischgrätz mit ihm ausgesöhnt. Die „Presse“ und „Wiener Zeitung“ preisen, um ihrerseits Fröbel schon jetzt ihre Reverenz zu bezeigen und ihm einige Genugthuung zu geben, in ihren heutigen Nummern diese Schrift dem Publikum unbedingt an; ja, die Wiener Zeitung hatte dies schon im Laufe des Oktober gethan. Windischgrätz ist mit Jellachich heute zur Armee nach Ungarn abgegangen, und hat die standrechtlichen Zügel der Regierung ad interim an Welden übertragen. Schon gestern reichte der Gemeinderath deshalb eine unterthänigste Adresse ein, worin er sich über das beispiellos milde Walten des Fürsten ausspricht, und unglaublich devote Verheißungen macht. Veranlassung dazu hatte neben der Abreise die sogenannte Aufhebung des Standrechts und Verwandlung in ein bloses Militärgericht gegeben. Mißtrauische, die sich übrigens irren können, wollen in dieser Gnadenbezeigung nur einen Lockvogel erkennen, etwa verborgene Individuen zum Vorschein bringen zu helfen. Jedenfalls wollen sie erst die Tagesereignisse unter Welden, der noch rücksichtsloser sein soll, als Windischgrätz, abwarten, bevor sie Zutrauen gewinnen: Andererseits spricht man von einer baldigen Amnestie. Der erste Antrag, welchen das neue Ministerium Schwarzenberg-Stadion vor den gefesselten Prometheus Oesterreich's nach Kremsier bringen wird, soll dahin lauten, daß der Reichstag erkläre, die Armee habe sich um das Vaterland verdient gemacht. Unter Latour ist dieser Antrag zweimal durchgefallen, darum wird er diesmal um so gewisser angenommen werden. Er soll den festen Grundstein des neuen Ministeriums bilden, für welches „die Presse“ vor Entzücken stets aufjauchzt, indem sie es hundertmal auf jeder Seite „ein starkes“ nennt. Sie sehen, die Presse zeigt viel politischen Scharfblick, wenn sie weiß, daß 100,000 Mann mit 300 Kanonen in der That ministeriell stark genug sind, einige arme Demokraten im Stadtgraben niederzuschießen. Nicht nur Wien, sondern fast alle Städte Oesterreich's werden à la Paris befestigt, um für die Zukunft jede Erhebung unmöglich zu machen. Die abgelieferten Waffen sind darum auch nicht in's Zeughaus, sondern in's Neugebäude gebracht worden. Dieses liegt vor der St. Marxer Linie, auf der Straße nach Ungarn, zwischen Simmering und Wien. Windischgrätz hat daraus bereits ein Fort de Vincennes machen lassen, und die Arbeiten werden fortwährend mit ungeheurer Thätigkeit fortgesetzt. Um die dortigen Blockhäuser liegt eine bedeutende Militärmacht, (großentheils zer-

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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 157. Köln, 1. Dezember 1848, S. 0832. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz157_1848/2>, abgerufen am 24.11.2024.