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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 155. Köln, 29. November 1848. Zweite Beilage.

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Extra-Blatt zu Nr. 155 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Mittwoch, den 29. November.
Deutschland.
* Köln, 28. Nov., 11 Uhr Abends.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
103 Berlin, 27. November.

Neues Attentat gegen die Abgeordneten. Offizieller Diebstahl. Es war heute Mittag kurz vor 12 Uhr. Im Hotel Mylius waren 60-70 Abgeordnete von der äußersten Linken beim Frühstück im freundschaftlichen Gespräch versammelt, als plötzlich der Major Graf Blumenthal mit seinen Garden in den Saal dringt und im Namen des Gesetzes die Versammelten auffordert das Lokal zu verlassen. Als man den Major befragte, auf Grund welches Gesetzes man sich entfernen solle, und ihm begreiflich machte, daß kein Gesetz existirt, welches sein Verlangen motivire, erklärt der Major, daß er von der höchsten Gewalt den Auftrag habe, die in diesem Saale Anwesenden mit Gewalt zu vertreiben. Auf dem Tische lagen stenographische Berichte und lithographirte Korrespondenzen, welche der Major wegnehmen wollte. Jacoby sagte dem Major, daß er die Wegnahme der Druckschriften für einen Raub ansehen müsse; der Major erwiederte daß er Alles, was er finde, confisciren würde. Als Jacoby wenigstens ein Verzeichniß von dem was der Major confiscirt, aufnehmen wollte, entriß ihm der Major die Schriften und übergab sie einem Soldaten. Jacoby sagte dem Major: fahren Sie nur mit Ihrem Raube fort und verhöhnen Sie alle Gesetze, auch Sie werden einst zur Verantwortung gezogen werden.

Hierauf ließ der Major die anwesenden Abgeordneten, welche den Saal nicht verlassen wollten, mit Gewalt hinaustreiben. Vor der Thür des Hauses standen ungefähr 300 Mann Garden mit geladenen Gewehren, welche eine Menge Menschen herbeilockten, die nur Zeuge der willkürlichen Vertreibung der Abgeordneten waren. Dem Wirth des Hotels, welcher zu dem versammelten Volke heraustrat und sich bitter über diese Gewaltthat beschwerte, indem man seine Gäste vertreibe und allen Gesetzen Hohn spreche, sagte ein junger Lieutenant, wenn er nicht augenblicklich ruhig sei, würde er ihn verhaften lassen, da er aufrührische Reden führe. Obgleich der Wirth nicht schwieg, kam es doch nicht zur Verhaftung, da der Major Befehl zum Abzug gab. Trotzdem sich mehrere hunderte Menschen versammelt hatten, was gegen die Verordnungen des Belagerungszustandes verstößt, wonach nur 20 Menschen auf der Straße zusammenbleiben sollen, bekümmerte sich der tapfere Major Graf Blumenthal nicht darum, er hatte ja seine Heldenthat ausgeführt und 60 Abgeordnete, die Vertreter des Volks, im Namen der bewaffneten Dummheit und des souveränen Schnurrbarts aus einem Privatzimmer vertrieben. -- Dieses freche Auftreten der Soldatenherrschaft hat wieder eine allgemeine Erbitterung hervorgerufen. Das Maaß der Staatsstreiche füllt sich, es wird bald überlaufen. --

Nachmittags 3 1/2 Uhr, als eben mehrere Abgeordnete im Hotel Mylius zu Mittag speis'ten, wiederholte sich die obige Scene, mit der Veränderung, daß sich der Offizier zurückzog, als man ihn fragte, ob man nicht mehr ungestört speisen dürfe. Einen Abgeordneten, welcher die Aeußerung machte: "Diese Tyrannei geht doch zu weit!" wollte der Offiizier sogar verhaften.

Auch bei Mielentz, wo die Fraktion Rodbertus-Berg ihre Zusammenkünfte hält, fand heute ein ähnlicher Vorfall statt. Die anwesenden Abgeordneten wurden aus den Restaurationszimmern vertrieben.

Die Reaktion benutzt diese Vorfälle und verbreitet in der Stadt das Gerücht von einer entdeckten republikanischen Verschwörung, die von der Partei Mylius angestellt sei. Die konfiszirten Papiere sollen die nöthigen Aufschlüsse gegeben haben. Lächerlich, eine Verschwörung bei offenen Thüren, mit gedruckten geheimen Papieren.

Die Republik kommt, aber ihr Prophet ist Wrangel-Brandenburg.

103 Klub Brüneck im Dom zu Brandenburg.

Erste Sitzung am 27. November. -- Unter dem Schutze zweier Bataillone Infanterie, zweier Schwadronen Kavallerie und vier Kanonen, welche auf dem Marktplatz aufgestellt sind, versammelten sich heute Vormittag die am 9. d. M. aus der Sitzung der Nationalversammlung davongelaufenen Abgeordneten von der rechten Seite. Auch sieht man einige dreißig vom Centrum und rechten Centrum, welche bis zum 15. d. M. den Sitzungen der Nationalversammlung hier beiwohnten.

Um 10 1/2 Uhr erschienen die Minister und Brandenburg erhebt sich und erklärt, daß er die am 9. d. M. in Berlin vertagte Nationalversammlung wieder eröffne. Er ersucht die Versammlung, sich zu konstituiren, da er eine königliche Botschaft mitzutheilen habe. Man möge den Ministern Anzeige davon machen, wenn die Versammlung konstituirt sei. -- Hierauf entfernen sich die Minister und da der Präsidentenstuhl und die Sekretärsitze leer geblieben, ruft man von mehrern Seiten: v. Brüneck möge als Alters-Präsident den Vorsitz übernehmen. Dies geschieht, und die Sekretäre Geßler und v. Borries (von der rechten Seite) übernehmen ihre frühere Stellung wieder.

Nachdem Brüneck etwas quatsches Zeug gesprochen, daß er vor 65 Jahren hier in Brandenburg geboren sei, und dergleichen Persönlichkeiten, verlangen Mehrere den Namensaufruf. Ehe man jedoch dazu kommt, stürmen Mehrere nach der Tribüne, verlesen Proteste u. s. w. Alles in größter Unordnung. Kein Mensch bittet um's Wort. Alles schreit durcheinander wie in einer Kinderstube.

Kühlwetter verliest ein Schreiben Hansemann's, worin er sich entschuldigt, Krankheits halber heute nicht erscheinen zu können, hoffentlich wird ihm dies in den nächsten Tagen möglich sein. (Der Schlaue, er will abwarten, wie es kommt.)

Dahne übergiebt einen Protest, welcher von mehreren Andern unterschrieben ist, worin sie erklären, daß sie der Krone nicht das Recht zugestehen, die Nationalversammlung zu vertagen, zu verlegen oder aufzulösen, daß sie in Folge dessen auch so lange den Berathungen der Nationalversammlung in Berlin beigewohnt, bis sie durch Bajonnette auseinandergetrieben worden, halten sich aber für verpflichtet, sich hier in Brandenburg einzufinden, um eine Ausgleichung des entstandenen Konflikts zu bewirken.

Mehrere andere Proteste in ähnlichem Sinne von Fleischer, Köhler, Zachariä u. A., im Ganzen etwa von 30 Abgeordneten, welche den letzten Sitzungen in Berlin beiwohnten, schließen sich dem erstern an.

Reichensperger und Baumstark bedauern diesen Widerspruch. Riedel hingegen donnert gegen diejenigen, welche protestiren und diejenigen, welche sich nicht hierher verfügten, weil sie sich dadurch eines Vergehens gegen die Gesetze des Staates schuldig machen.

Die Herausforderung, welche in der Rede Riedels lag, bringt bei den protestirenden Mitgliedern eine große Aufregung hervor, welche Bauer aus Berlin zu beschwichtigen sucht, indem er den Schluß der Debatte beantragt. Dies erregt auf den Tribünen, wo sich mehrere Hundert Neugierige aus Berlin eingefunden hatten, allgemeine Heiterkeit. Niemand hatte die Sitzung für eröffnet erklärt. Es lag kein Antrag vor, worüber man hätte debattiren können, wenn man das müßige unparlamentarische Geschwätz Mehrerer nicht so nennen will; dennoch verlangt Bauer den Schluß der Debatte.

Endlich verlangt man von mehreren Seiten, daß der Vorsitzende die Anzahl der Anwesenden verkündige. Brüneck berichtet nach langem Zögern, daß 154 anwesend seien.

Extra-Blatt zu Nr. 155 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Mittwoch, den 29. November.
Deutschland.
* Köln, 28. Nov., 11 Uhr Abends.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
103 Berlin, 27. November.

Neues Attentat gegen die Abgeordneten. Offizieller Diebstahl. Es war heute Mittag kurz vor 12 Uhr. Im Hotel Mylius waren 60-70 Abgeordnete von der äußersten Linken beim Frühstück im freundschaftlichen Gespräch versammelt, als plötzlich der Major Graf Blumenthal mit seinen Garden in den Saal dringt und im Namen des Gesetzes die Versammelten auffordert das Lokal zu verlassen. Als man den Major befragte, auf Grund welches Gesetzes man sich entfernen solle, und ihm begreiflich machte, daß kein Gesetz existirt, welches sein Verlangen motivire, erklärt der Major, daß er von der höchsten Gewalt den Auftrag habe, die in diesem Saale Anwesenden mit Gewalt zu vertreiben. Auf dem Tische lagen stenographische Berichte und lithographirte Korrespondenzen, welche der Major wegnehmen wollte. Jacoby sagte dem Major, daß er die Wegnahme der Druckschriften für einen Raub ansehen müsse; der Major erwiederte daß er Alles, was er finde, confisciren würde. Als Jacoby wenigstens ein Verzeichniß von dem was der Major confiscirt, aufnehmen wollte, entriß ihm der Major die Schriften und übergab sie einem Soldaten. Jacoby sagte dem Major: fahren Sie nur mit Ihrem Raube fort und verhöhnen Sie alle Gesetze, auch Sie werden einst zur Verantwortung gezogen werden.

Hierauf ließ der Major die anwesenden Abgeordneten, welche den Saal nicht verlassen wollten, mit Gewalt hinaustreiben. Vor der Thür des Hauses standen ungefähr 300 Mann Garden mit geladenen Gewehren, welche eine Menge Menschen herbeilockten, die nur Zeuge der willkürlichen Vertreibung der Abgeordneten waren. Dem Wirth des Hotels, welcher zu dem versammelten Volke heraustrat und sich bitter über diese Gewaltthat beschwerte, indem man seine Gäste vertreibe und allen Gesetzen Hohn spreche, sagte ein junger Lieutenant, wenn er nicht augenblicklich ruhig sei, würde er ihn verhaften lassen, da er aufrührische Reden führe. Obgleich der Wirth nicht schwieg, kam es doch nicht zur Verhaftung, da der Major Befehl zum Abzug gab. Trotzdem sich mehrere hunderte Menschen versammelt hatten, was gegen die Verordnungen des Belagerungszustandes verstößt, wonach nur 20 Menschen auf der Straße zusammenbleiben sollen, bekümmerte sich der tapfere Major Graf Blumenthal nicht darum, er hatte ja seine Heldenthat ausgeführt und 60 Abgeordnete, die Vertreter des Volks, im Namen der bewaffneten Dummheit und des souveränen Schnurrbarts aus einem Privatzimmer vertrieben. — Dieses freche Auftreten der Soldatenherrschaft hat wieder eine allgemeine Erbitterung hervorgerufen. Das Maaß der Staatsstreiche füllt sich, es wird bald überlaufen. —

Nachmittags 3 1/2 Uhr, als eben mehrere Abgeordnete im Hotel Mylius zu Mittag speis'ten, wiederholte sich die obige Scene, mit der Veränderung, daß sich der Offizier zurückzog, als man ihn fragte, ob man nicht mehr ungestört speisen dürfe. Einen Abgeordneten, welcher die Aeußerung machte: „Diese Tyrannei geht doch zu weit!“ wollte der Offiizier sogar verhaften.

Auch bei Mielentz, wo die Fraktion Rodbertus-Berg ihre Zusammenkünfte hält, fand heute ein ähnlicher Vorfall statt. Die anwesenden Abgeordneten wurden aus den Restaurationszimmern vertrieben.

Die Reaktion benutzt diese Vorfälle und verbreitet in der Stadt das Gerücht von einer entdeckten republikanischen Verschwörung, die von der Partei Mylius angestellt sei. Die konfiszirten Papiere sollen die nöthigen Aufschlüsse gegeben haben. Lächerlich, eine Verschwörung bei offenen Thüren, mit gedruckten geheimen Papieren.

Die Republik kommt, aber ihr Prophet ist Wrangel-Brandenburg.

103 Klub Brüneck im Dom zu Brandenburg.

Erste Sitzung am 27. November. — Unter dem Schutze zweier Bataillone Infanterie, zweier Schwadronen Kavallerie und vier Kanonen, welche auf dem Marktplatz aufgestellt sind, versammelten sich heute Vormittag die am 9. d. M. aus der Sitzung der Nationalversammlung davongelaufenen Abgeordneten von der rechten Seite. Auch sieht man einige dreißig vom Centrum und rechten Centrum, welche bis zum 15. d. M. den Sitzungen der Nationalversammlung hier beiwohnten.

Um 10 1/2 Uhr erschienen die Minister und Brandenburg erhebt sich und erklärt, daß er die am 9. d. M. in Berlin vertagte Nationalversammlung wieder eröffne. Er ersucht die Versammlung, sich zu konstituiren, da er eine königliche Botschaft mitzutheilen habe. Man möge den Ministern Anzeige davon machen, wenn die Versammlung konstituirt sei. — Hierauf entfernen sich die Minister und da der Präsidentenstuhl und die Sekretärsitze leer geblieben, ruft man von mehrern Seiten: v. Brüneck möge als Alters-Präsident den Vorsitz übernehmen. Dies geschieht, und die Sekretäre Geßler und v. Borries (von der rechten Seite) übernehmen ihre frühere Stellung wieder.

Nachdem Brüneck etwas quatsches Zeug gesprochen, daß er vor 65 Jahren hier in Brandenburg geboren sei, und dergleichen Persönlichkeiten, verlangen Mehrere den Namensaufruf. Ehe man jedoch dazu kommt, stürmen Mehrere nach der Tribüne, verlesen Proteste u. s. w. Alles in größter Unordnung. Kein Mensch bittet um's Wort. Alles schreit durcheinander wie in einer Kinderstube.

Kühlwetter verliest ein Schreiben Hansemann's, worin er sich entschuldigt, Krankheits halber heute nicht erscheinen zu können, hoffentlich wird ihm dies in den nächsten Tagen möglich sein. (Der Schlaue, er will abwarten, wie es kommt.)

Dahne übergiebt einen Protest, welcher von mehreren Andern unterschrieben ist, worin sie erklären, daß sie der Krone nicht das Recht zugestehen, die Nationalversammlung zu vertagen, zu verlegen oder aufzulösen, daß sie in Folge dessen auch so lange den Berathungen der Nationalversammlung in Berlin beigewohnt, bis sie durch Bajonnette auseinandergetrieben worden, halten sich aber für verpflichtet, sich hier in Brandenburg einzufinden, um eine Ausgleichung des entstandenen Konflikts zu bewirken.

Mehrere andere Proteste in ähnlichem Sinne von Fleischer, Köhler, Zachariä u. A., im Ganzen etwa von 30 Abgeordneten, welche den letzten Sitzungen in Berlin beiwohnten, schließen sich dem erstern an.

Reichensperger und Baumstark bedauern diesen Widerspruch. Riedel hingegen donnert gegen diejenigen, welche protestiren und diejenigen, welche sich nicht hierher verfügten, weil sie sich dadurch eines Vergehens gegen die Gesetze des Staates schuldig machen.

Die Herausforderung, welche in der Rede Riedels lag, bringt bei den protestirenden Mitgliedern eine große Aufregung hervor, welche Bauer aus Berlin zu beschwichtigen sucht, indem er den Schluß der Debatte beantragt. Dies erregt auf den Tribünen, wo sich mehrere Hundert Neugierige aus Berlin eingefunden hatten, allgemeine Heiterkeit. Niemand hatte die Sitzung für eröffnet erklärt. Es lag kein Antrag vor, worüber man hätte debattiren können, wenn man das müßige unparlamentarische Geschwätz Mehrerer nicht so nennen will; dennoch verlangt Bauer den Schluß der Debatte.

Endlich verlangt man von mehreren Seiten, daß der Vorsitzende die Anzahl der Anwesenden verkündige. Brüneck berichtet nach langem Zögern, daß 154 anwesend seien.

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          <p>Mehrere andere Proteste in ähnlichem Sinne von Fleischer, Köhler, Zachariä u. A., im Ganzen etwa von 30 Abgeordneten, welche den letzten Sitzungen in Berlin beiwohnten, schließen sich dem erstern an.</p>
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          <p>Endlich verlangt man von mehreren Seiten, daß der Vorsitzende die Anzahl der Anwesenden verkündige. Brüneck berichtet nach langem Zögern, daß 154 anwesend seien.</p>
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[0823/0001] Extra-Blatt zu Nr. 155 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Mittwoch, den 29. November. Deutschland. * Köln, 28. Nov., 11 Uhr Abends. _ 103 Berlin, 27. November. Neues Attentat gegen die Abgeordneten. Offizieller Diebstahl. Es war heute Mittag kurz vor 12 Uhr. Im Hotel Mylius waren 60-70 Abgeordnete von der äußersten Linken beim Frühstück im freundschaftlichen Gespräch versammelt, als plötzlich der Major Graf Blumenthal mit seinen Garden in den Saal dringt und im Namen des Gesetzes die Versammelten auffordert das Lokal zu verlassen. Als man den Major befragte, auf Grund welches Gesetzes man sich entfernen solle, und ihm begreiflich machte, daß kein Gesetz existirt, welches sein Verlangen motivire, erklärt der Major, daß er von der höchsten Gewalt den Auftrag habe, die in diesem Saale Anwesenden mit Gewalt zu vertreiben. Auf dem Tische lagen stenographische Berichte und lithographirte Korrespondenzen, welche der Major wegnehmen wollte. Jacoby sagte dem Major, daß er die Wegnahme der Druckschriften für einen Raub ansehen müsse; der Major erwiederte daß er Alles, was er finde, confisciren würde. Als Jacoby wenigstens ein Verzeichniß von dem was der Major confiscirt, aufnehmen wollte, entriß ihm der Major die Schriften und übergab sie einem Soldaten. Jacoby sagte dem Major: fahren Sie nur mit Ihrem Raube fort und verhöhnen Sie alle Gesetze, auch Sie werden einst zur Verantwortung gezogen werden. Hierauf ließ der Major die anwesenden Abgeordneten, welche den Saal nicht verlassen wollten, mit Gewalt hinaustreiben. Vor der Thür des Hauses standen ungefähr 300 Mann Garden mit geladenen Gewehren, welche eine Menge Menschen herbeilockten, die nur Zeuge der willkürlichen Vertreibung der Abgeordneten waren. Dem Wirth des Hotels, welcher zu dem versammelten Volke heraustrat und sich bitter über diese Gewaltthat beschwerte, indem man seine Gäste vertreibe und allen Gesetzen Hohn spreche, sagte ein junger Lieutenant, wenn er nicht augenblicklich ruhig sei, würde er ihn verhaften lassen, da er aufrührische Reden führe. Obgleich der Wirth nicht schwieg, kam es doch nicht zur Verhaftung, da der Major Befehl zum Abzug gab. Trotzdem sich mehrere hunderte Menschen versammelt hatten, was gegen die Verordnungen des Belagerungszustandes verstößt, wonach nur 20 Menschen auf der Straße zusammenbleiben sollen, bekümmerte sich der tapfere Major Graf Blumenthal nicht darum, er hatte ja seine Heldenthat ausgeführt und 60 Abgeordnete, die Vertreter des Volks, im Namen der bewaffneten Dummheit und des souveränen Schnurrbarts aus einem Privatzimmer vertrieben. — Dieses freche Auftreten der Soldatenherrschaft hat wieder eine allgemeine Erbitterung hervorgerufen. Das Maaß der Staatsstreiche füllt sich, es wird bald überlaufen. — Nachmittags 3 1/2 Uhr, als eben mehrere Abgeordnete im Hotel Mylius zu Mittag speis'ten, wiederholte sich die obige Scene, mit der Veränderung, daß sich der Offizier zurückzog, als man ihn fragte, ob man nicht mehr ungestört speisen dürfe. Einen Abgeordneten, welcher die Aeußerung machte: „Diese Tyrannei geht doch zu weit!“ wollte der Offiizier sogar verhaften. Auch bei Mielentz, wo die Fraktion Rodbertus-Berg ihre Zusammenkünfte hält, fand heute ein ähnlicher Vorfall statt. Die anwesenden Abgeordneten wurden aus den Restaurationszimmern vertrieben. Die Reaktion benutzt diese Vorfälle und verbreitet in der Stadt das Gerücht von einer entdeckten republikanischen Verschwörung, die von der Partei Mylius angestellt sei. Die konfiszirten Papiere sollen die nöthigen Aufschlüsse gegeben haben. Lächerlich, eine Verschwörung bei offenen Thüren, mit gedruckten geheimen Papieren. Die Republik kommt, aber ihr Prophet ist Wrangel-Brandenburg. 103 Klub Brüneck im Dom zu Brandenburg. Erste Sitzung am 27. November. — Unter dem Schutze zweier Bataillone Infanterie, zweier Schwadronen Kavallerie und vier Kanonen, welche auf dem Marktplatz aufgestellt sind, versammelten sich heute Vormittag die am 9. d. M. aus der Sitzung der Nationalversammlung davongelaufenen Abgeordneten von der rechten Seite. Auch sieht man einige dreißig vom Centrum und rechten Centrum, welche bis zum 15. d. M. den Sitzungen der Nationalversammlung hier beiwohnten. Um 10 1/2 Uhr erschienen die Minister und Brandenburg erhebt sich und erklärt, daß er die am 9. d. M. in Berlin vertagte Nationalversammlung wieder eröffne. Er ersucht die Versammlung, sich zu konstituiren, da er eine königliche Botschaft mitzutheilen habe. Man möge den Ministern Anzeige davon machen, wenn die Versammlung konstituirt sei. — Hierauf entfernen sich die Minister und da der Präsidentenstuhl und die Sekretärsitze leer geblieben, ruft man von mehrern Seiten: v. Brüneck möge als Alters-Präsident den Vorsitz übernehmen. Dies geschieht, und die Sekretäre Geßler und v. Borries (von der rechten Seite) übernehmen ihre frühere Stellung wieder. Nachdem Brüneck etwas quatsches Zeug gesprochen, daß er vor 65 Jahren hier in Brandenburg geboren sei, und dergleichen Persönlichkeiten, verlangen Mehrere den Namensaufruf. Ehe man jedoch dazu kommt, stürmen Mehrere nach der Tribüne, verlesen Proteste u. s. w. Alles in größter Unordnung. Kein Mensch bittet um's Wort. Alles schreit durcheinander wie in einer Kinderstube. Kühlwetter verliest ein Schreiben Hansemann's, worin er sich entschuldigt, Krankheits halber heute nicht erscheinen zu können, hoffentlich wird ihm dies in den nächsten Tagen möglich sein. (Der Schlaue, er will abwarten, wie es kommt.) Dahne übergiebt einen Protest, welcher von mehreren Andern unterschrieben ist, worin sie erklären, daß sie der Krone nicht das Recht zugestehen, die Nationalversammlung zu vertagen, zu verlegen oder aufzulösen, daß sie in Folge dessen auch so lange den Berathungen der Nationalversammlung in Berlin beigewohnt, bis sie durch Bajonnette auseinandergetrieben worden, halten sich aber für verpflichtet, sich hier in Brandenburg einzufinden, um eine Ausgleichung des entstandenen Konflikts zu bewirken. Mehrere andere Proteste in ähnlichem Sinne von Fleischer, Köhler, Zachariä u. A., im Ganzen etwa von 30 Abgeordneten, welche den letzten Sitzungen in Berlin beiwohnten, schließen sich dem erstern an. Reichensperger und Baumstark bedauern diesen Widerspruch. Riedel hingegen donnert gegen diejenigen, welche protestiren und diejenigen, welche sich nicht hierher verfügten, weil sie sich dadurch eines Vergehens gegen die Gesetze des Staates schuldig machen. Die Herausforderung, welche in der Rede Riedels lag, bringt bei den protestirenden Mitgliedern eine große Aufregung hervor, welche Bauer aus Berlin zu beschwichtigen sucht, indem er den Schluß der Debatte beantragt. Dies erregt auf den Tribünen, wo sich mehrere Hundert Neugierige aus Berlin eingefunden hatten, allgemeine Heiterkeit. Niemand hatte die Sitzung für eröffnet erklärt. Es lag kein Antrag vor, worüber man hätte debattiren können, wenn man das müßige unparlamentarische Geschwätz Mehrerer nicht so nennen will; dennoch verlangt Bauer den Schluß der Debatte. Endlich verlangt man von mehreren Seiten, daß der Vorsitzende die Anzahl der Anwesenden verkündige. Brüneck berichtet nach langem Zögern, daß 154 anwesend seien.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 155. Köln, 29. November 1848. Zweite Beilage, S. 0823. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz155b2_1848/1>, abgerufen am 23.11.2024.