Neue Rheinische Zeitung. Nr. 151. Köln, 24. November 1848.einiger reaktionärer Burschen gefallen, welche ihm Alles nach ihrer Art anschaulich machten. Auch scheint es, als ob Bassermann nie eine große Stadt wie Berlin, vorher je gesehen, sonst hätte er nicht solche verschrobene Ansichten über unsere Zustände zu Tage fördern können. -- Gestern sind die neuen Reichskommissäre Simson und Hergenhahn angekommen. Heute Abend wird in dem neueingerichteten Bureau der Nationalversammlung eine Zusammenkunft derselben und der Präsidenten und Parteichefs der Abgeordneten stattfinden. Was kann das Resultat dieser Zusammenkunft sein? Gar nichts; denn die entschiedenen Abgeordneten verlangen weiter nichts, als den status quo vom 8. November. Aber auch kein Jota weniger können sie sich als Ehrenmänner gefallen lassen. Diese Bedingung ist auch durch die Entlassung der jetzigen Minister, Aufhebung des Belagerungszustandes und Fortsetzung der Berathungen der Nationalversammlung in Berlin, leicht zu erfüllen. Die Reichskommissäre werden nichts ausrichten und wenn sie den besten Willen haben sollten. Dem Könige gefällt das Ministerium Brandenburg sehr wohl; er ergötzt sich an der Militärherrschaft des General Wrangel und man denkt am Hofe darüber nach, wie dieses glücklich ausgeführte Manöver auf alle Provinzen des Staats zu übertragen ist. Die Preßfreiheit, das Versammlungsrecht, die allgemeine Volksbewaffnung, sie sollen im ganzen Staate ebenso unterdrück werden wie hier. Will die Nationalversammlung nicht "Ordre pariren" und in Brandenburg ihre Sitzungen abhalten, kommt keine beschlußfähige Anzahl Abgeordneter am 27sten in Brandenburg zusammen, so ist es dem Hof noch lieber, man schließt die Bude und die Kamarilla regiert ungestört und ungehindert ohne Nationalversammlung weiter. Was das Volk, was die entschiedenen Mitglieder der Nationalversammlung zu einer solchen Kamarilla-Regierung thun werden, steht dahin. Für's Erste haben bis jetzt 274 Abgeordnete unterschrieben, daß sie Berlin nicht verlassen wollen und zu jeder Sitzung erscheinen, wozu sie vom Präsidium eingeladen werden. Die Zahl der Mitglieder ist bis jetzt täglich gewachsen. Das Präsidium hat gestern die Belle-Etage des Hauses unter den Linden Nr. 62 gemiethet, um daselbst förmlich ein Bureau der Nationalversammlung einzurichten. Der Präsident, in seiner Vertretung einer der Vicepräsidenten, mehrere Sekretäre, die Stenographen, Beamten und Boten der Nationalversammlung, welche alle noch wie früher ihr Amt versehen, sind hier während des ganzen Tages versammelt. Alle Adressen und sonstige Meldungen werden hier abgegeben und Deputationen vom Präsidium empfangen. Ein neues Archiv ist hier angelegt und alle Aktenstücke, welche sich bisher im Kurmärkischen Landschaftshause (in der Spandauerstraße) befanden, wo der Sitz mehrerer Abtheilungen und Kommissionen war, sind nach dem neuen Bureau verlegt worden. So hat sich die Nationalversammlung von Neuem eingerichtet. Die Centralabtheilungen und die Fachkommissionen haben ihre unterbrochenen Arbeiten wieder aufgenommen. Die ausgearbeiteten Berichte werden wie früher gedruckt und an die Abgeordneten vertheilt. Zur Widerlegung der vielen, von der entgegengesetzten Partei verbreiteten Lügen, ist vom Bureau der Nationalversammlung eine lithographirte Correspondenz eingerichtet worden, welche täglich an die Abgeordnete vertheilt wird, damit sie diese Berichte in die Provinzen senden. So lange die Regierung in ihrer Unthätigkeit verbleibt, wird auch die Nationalversammlung ruhig sein, denn augenblicklich sind die Mitglieder des ehemaligen Centrums noch zu keinem enschiedenen Schritt zu bewegen. Wenn aber die Regierung am 27. neue Gewaltstreiche machen wird, so wird auch von der Nationalversammlung ein neuer Schritt vorwärts geschehen müssen. An eine Vereinbarung ist nicht mehr zu denken. Dem Manteuffel haben wir die Erlösung von dieser unglückseligen Camphausen'schen Idee zu verdanken. Das königl. Kammergericht hat in Verfolg seiner Beschlüsse über die Ungesetzlichkeit des hiesigen Kriegs- und Belagerungszustandes in einem heute dem Justizminister übersandten Berichte die Errichtung des durch den General Wrangel eingesetzten Kriegsgerichts für einen Eingriff in die Rechte der bürgerlichen Gerichte erklärt, dagegen protestirt und auf sofortige Aufhebung angetragen. Dieser Tage wurde Jemand von einem ihm befreundeten Soldaten, welcher zur Besatzung des Schauspielhauses gehört, mit in dies Haus genommen. Er fand die Besatzung zum großen Theil in dem Sitzungssaale der Nationalversammlung. Die Soldaten beschäftigten sich vorzugsweise mit einem Kartenspiele, welches s[unleserliches Material]e "Möllendorf'sche Hänger" nennen. An die Rednerbühne war eine Scheibe angeheftet, wonach mit Blaseröhre geschossen wurde. Als ein Offizier die Anwesenheit der Civilperson bemerkte, verlangte er deren Entfernung, welchem aber die Soldaten entschieden entgegentraten; es blieb daher dem Offizier nichts übrig, als sich unmittelbar an den Fremden mit der Bitte zu wenden, derselbe möge den Saal verlassen, weil er, der Offizier, sonst unzweifelhaft kassirt werden würde. * Berlin, 21. Nov. Der neue Polizeipräsident von Berlin (Hr. Hinckeldey) macht in Folge einer "Requisition" des Herrn Wrangel bekannt, daß der Verkauf aller politischen Druckschriften auf öffentlichen Straßen und Plätzen unbedingt verboten ist. Wer dawider handelt, wird nicht blos nach § so und so bestraft, sondern sofort verhaftet. * Berlin, 20. Nov. Es ist schon einigemal des Vertrags gedacht worden, der in Verfolg des Memoire vom 7. Sept. c. von der preußischen Regierung abgeschlossen worden. Trotz der Versicherung des Staats-Anzeigers wiederholen wir, daß jene von der "deutschen Reform" ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgetheilte Denkschrift allerdins ebenso wie der Traktat existirt. Die Abberufung des preußischen General-Consuls für die Donaufürstenthümer (Richthofen), die gerade zur Zeit der Okkupation jener Länder durch russische Truppen erfolgte, wo unsere Handelsinteressen einen energischen Vertreter dringender als je erforderten: diese Abberufung steht mit jenem Vertrage im innigsten Zusammenhange. 61 Wien, 18. Nov. Ich habe meine Korrespondenz unterbrochen, weil Schreiben überhaupt unterbrochen war, und unter dem dictando der k. k. ultima ratio, unter den Banditen-Messern der Szeresaner mich noch jetzt ein solcher degout über die Gräuel, die man Recht nennt, beherrscht, daß ich mich krank fühle. Es gibt viele, die darüber wahnsinnig geworden sind; Sie werden mein Schweigen also sehr begreiflich finden. -- Es ist mir darum auch einstweilen unmöglich, Ihnen die seit dem 26. Oktober im Kampf und Falle Wien's geschehenen Details ausführlich zu berichten. Wenn man gar nichts mehr hat, als die Schauer des Standrechtes, dessen mit Pulver und Blei erzielte Resultate Ihnen ja täglich von der Wiener Zeitung gebracht werden, so muß man auch unter dem Schrecken des Todes von der Hoffnung leben. Cavaignac's, Windischgrätze, Wrangel's das sind die eigentlichen Apostel der Freiheit, denn sie eröffnen wirkliche Aussichten und werden selbst czechisch-kroatischen Nationalitätsstarrsinn zur Versöhnung bringen. Darum [unleserliches Material], wenn die Humanität auch trauern muß. Für die Humanität war aus einer Allianz österreichischer Generale von vornherein nun allerdings nichts zu erwarten, obwohl Windischgrätz gesagt haben soll, die Wiener dürften sich auf seine Großmuth verlassen. Nicht mit Ungeschick hatte man daher noch vor der Einnahme Wien's die Proklamation in den Straßen anheften lassen, welche Napoleon seinem Einzuge in die Stadt im Jahre 1809 hatte vorausgehen lassen. Napoleon war ein wirklicher Feind und ehrte die Humanität, ob aber Windischgrätz wie Napoleon gehandelt und handelt, darüber sind alle Worte überflüssig, wenn man die bei, vor und nach der Einnahme Wien's vorgefallenen Gräuel und die standrechtlichen Tagesneuigkeiten durchmustert, welche die offizielle Presse bringt. Als Welden, der Modenese, seine Berufung zum Gouverneur von Wien erhielt, soll er dieselbe nur unter dem Beding haben annehmen wollen, daß auch er neben Windischgrätz die souveräne Ausübung des Standrechts habe. Es wurde natürlich bewilligt. Welche Seligkeit! Allerdings gibt's der Opfer soviele, daß die eine Hand im Unterzeichnen der Bluturtheile doch ermüden muß und es eines geübten Sekretärs bedarf. -- Die, wie man sagt, zur Vereitelung der kaiserlichen Gnade dem Inhalte des Urtheils entgegen 24 Stunden zu früh geschehene Hinrichtung Messenhauser's hat neues Entsetzen unter alle Gemüther gebracht; ebenso die Brogini's aus Brünn, der einiger in einem Gasthause am 13. gethaner Aeußerungen wegen, gestern erschossen worden ist. Die Straßen sind darum wie verwaist und nur vom Hofrath, dicken Bourgeois und Soldaten betreten. -- Messenhauser ist mit Entschlossenheit gestorben. Freien Blicks schaute er in die Flintenläufe, von denen einer ihm gerade auf's Auge gerichtet wurde und den Schuß in dasselbe führte. Die Jäger schießen, als ob sie nach der Scheibe schössen, und man sieht, wie riesenhaft der Kannibalismus der Menschheit ist, von welchem ich vor den hiesigen Scenen wirklich nur eine schwache Idee hatte. -- Die Proklamationen vom 20. und 23. Oktober, auf den Grund welcher die standrechtlichen Verurtheilungen geschehen, sind niemals zur öffentlichen Kenntniß der Bevölkerung gekommen, da der Reichstag deren Veröffentlichung mit dem Gemeinderath verhinderte und Windischgrätz es nicht der Mühe werth erachtet hat, dieselben nach seinem Einrücken in die Stadt neuerdings bekannt zu geben. Ob die Proklamation vom 1. November zureicht, unbekannten Gesetzen rechtliche Wirksamkeit für die Vergangenheit zu geben, bedarf keiner Beantwortung. Für die Einwohner Wien's kann nur die Proklamation vom 1. November eine bekannte sein; nur sie allein darf zur Anwendung kommen und wer über sie hinaus erschossen wird, ist gemeuchelmordet. Es fällt jedem auf, daß noch nicht ein einziger Jude zur Rechenschaft gezogen worden ist, obwohl gerade die Juden im Interesse ihres Säckels überall an der ungefährdeten Spitze der Bewegung gestanden und das Schwarzgelbthum immer wüthend über dieselben gewesen ist. Bedenkt man indessen, daß Rothschild in Penzing um ein Darlehn von einigen 80 Milliönchens angegangen worden ist und stößt man zufällig auf eine Insertion, wie die folgende in der Presse vorgestern enthaltene: "Die vierte Verlosung des fürstl. Windischgrätz'schen Anlehens erfolgt am 1. Dezember d. J. Partial-Lose dieses Anlehens werden in allen Verwechslungs-Bureaux in Wien verkauft und eingekauft", so dürfte das Räthsel gelöst erscheinen. Die Produkte der Tagespresse sind unlesbar, denn sie sind rein standrechtlich. Die Geißel z. B. hat fortwährend den Strang in der Hand, die Presse aber spricht nur vom Terrorismus der radikalen Partei. Vielleicht ist es Ironie. Sie empfahl bei ihrem Wiederauftreten Milde und Versöhnung, und verdient Lob dafür, wenn sie keine gewöhnliche Krokodilthräne vergossen. Die "Presse" hatte eine biographische Skizze über Robert Blum aus der "Allg. Ober-Ztg." aufgenommen, die Blum als Märtyrer erscheinen läßt; flugs enthält sie heute, -- ich weiß nicht, ob blos aus eigenem Antrieb -- einen Nachtrag, der ihn in einer Rebellen-Silhuette darstellt. Aus dem sogenannten Auslande -- worunter man hier vor Allem Deutschland versteht, -- werden wir wenig Zuverläßiges gewahr. Der Wiener befindet sich in seinen Hoffnungen darauf auch in einer solchen Verzweiflung, daß er, namentlich seit dem Frankfurter Hohngelächter, nichts mehr darauf gibt. Jedermann glaubte, das Ausland, Paris würde bei der Nachricht von Wien's Verbrennung und Ermordung sich im Sturme erheben, weil das Wiedererstarken des feudalen Absolutismus ja selbst die Spielereien der Bourgeoisfreiheit bedroht; nun er sich auch hier getäuscht sieht, muß er sich natürlich, wie unter Metternich in seine eigene Verzweiflung hüllen. Mea virtute me involvo. Er behandelt daher Gerüchte, wie die: Erzherzog Johann werde festbehalten, bis Windischgrätz sich über die Ermordung Blums vor dem Frankfurter Parlament gerechtfertigt, es werde eine Reichsarmee wider ihn aufgeboten, Gerüchte, die namentlich heute zirkuliren, wie Mährchen aus 1001 Nacht. Er ist gewiß, sich nicht zu irren; Basser- Bieder- und Eisenmänner sind keine Windischgrätze. -- Die Ohnmacht der Frankfurter Hanswurste muß sich in einem Guerillakrieg wieder Windischgrätz und Wrangel, diesem neuen Zwillingspaar des Absolutismus, gut ausnehmen. Wer heute erschossen worden ist, weiß ich noch nicht, die gestrige Hinrichtung wegen eines Privatgesprächs hat Kaffee- und Gasthäuser ganz stumm gemacht; die Menschen sitzen beisammen, wie chinesische Balancirfiguren. Wer kann, bleibt zu Hause, ohne indessen sicherer zu sein, weil Hausmeister, Mägde und Hausherrn jedes Ehrengesicht denunziren. Jellachich, so versichert man, soll über die Mißhandlung Wiens unzufrieden sein und ist nach Kroatien zurückgekehrt, um Verstärkung wider Ungarn zu holen. Die Unzufriedenheit mag wohl daher kommen, daß Se. kroatische Majestät durch Windischgrätz entnymbust worden ist. Sie werden es erleben, daß Jellachich nun die erste Gelegenheit ergreifen wird, ein unabhängiges Südslavenreich zu gründen; er sieht, daß die Kamarilla ihn erwischt hat indem sie ihn nur zu ihren Zwecke gebraucht hat. Wenn die Kamarilla fernere Fortschritte macht, so wird aus dem Kroaten- und Czechenreich ebensowenig etwas werden, wie vorläufig noch etwas aus dem Magyaren- Italienischen- Polnischen- und Deutschen Reich etwas geworden ist, mag der Kroat schreien, wie er will, er kenne nur einen Kaiser und einen Gott und Jellachich als Stellvertreter. -- Erwägen Sie die Flüchter des Hof's und fragen Sie sich, warum er immer nur in deutsche Städte geflohen ist. Habsburg-Lothringen wird niemals seinen deutschen Ursprung verleugnen, es weiß, daß es sich im andern Falle mit seinen Wurzeln aus der eignen Erde reißen würde. Auch unter dem Standrecht ereignen sich Heroenthaten, von welchen ich folgende nicht übergehen darf. Ein Akademiker, besser Legionär, kommt mit zwei Kollegen wegen des 31. vor's Kriegsgericht; seine beiden Freunde werden zum Strang verurtheilt, er aber freigesprochen. Der Legionär protestirt gegen seine Freisprechung, erfindet, um das Schicksal seiner Freunde zu theilen, standrechtliche crimina und wird durch die humane Gefälligkeit des Kriegsgerichts aus Kameradschaft mit den andern richtig zusammengeschossen. Ein Schneidergeselle nahm während der Belagerung statt der Nadel lieber die Büchse seines Meisters und vertrat fortwährend dessen Waffendienste zur überaus großen Zufriedenheit desselben. Der Schneidergeselle fehlte niemals an den gefährlichsten Punkten, und da er ein guter Schütze war, so hatte er zuletzt seine sieben Mann nebst einem Offizier niedergestreckt. Am 31. Oktober war er der glücklichste Mensch und harrte aus bis zum Brande und Einzug des Militärs. Man fing ihn auf, schleppte ihn nach Hetzendorf und ließ ihn zwei Tagen mit mehreren Tausend Anderen nahrungslos und gebunden am Boden liegen. Endlich kam er in's Verhör und sollte, da niemand wider ihn zeugte und der Auditeur einen Schneidergesellen für schuldlos halten zu können glaubt, losgelassen werden. Dies rühmliche Ende seiner Thaten verdroß indessen unsern Gesellen dermaßen, daß er dem Auditeur Vorwürfe darüber machte, daß er seinen eigenen Angaben keinen Glauben schenke. Ich will sterben, schrie er ihm zu, denn ich habe rühmlich für die Freiheit gefochten; ich lasse mir so meine Verdienste nicht nehmen. Die Untersuchung wurde erneut und der Schneidergeselle zum Strang verurtheilt. Windischgrätz hatte nicht die Großmuth, -- was sage ich, den Verstand -- diesen Mann zu begnadigen, seinem Muthe einen Wirkungskreis zu geben. In den Kunsthandlungen wird ein wohlgetroffenes Porträt des Hrn. Windischgrätz verkauft, welches, wie die Unterschrift sagt, jedoch nur für seine intimsten Verehrer bestimmt ist, die sich beim Ankauf desselben eigenhändig auf einer Liste unterzeichnen müssen, um es zu erhalten. Windischgrätz sieht in sich den Retter der absoluten Gesammtmonarchie mit konstitutionellem Anstrich, er muß sich daher quasi für einen Gott halten. Der arme Jellachich soll vergehen vor Ingrimm und Anersperg hat seinen Abschied genommen. Das Standrecht wird vor Allem wider solche unerbittlich gehandhabt, die eine militärische Qualität besitzen, mögen sie übergetreten sein oder nicht, sofern sie sich an der Volkssache betheiligt haben. Die übergetretenen Unteroffiziere sollen in Hetzendorf sämmtlich erschossen worden sein. Niemand war nach der Uebergabe am 31. daher auch bedauernswerther, als die armen Grenadiere u. s. w. mit ihrer verrätherischen militärischen Haltung und zum Theil noch in ihren Kleidern. Die wenigsten entkamen, weil man auch jeden packte, der gar keine oder sichtlich ihm nicht anpassende Kleidung trug. Die Uniformen der akademischen Legion wurden sammt Federbüschen und Scherpen im ersten Entsetzen dem Vulkan geopfert. 61 Wien, 19. Novbr. Unser Belagerungszustand ist heute 4 Wochen alt und noch immer hat der Kaiser kein versöhnendes Wort gesprochen. Man wäre zu der Erwartung wenigstens berechtigt, daß an die Stelle des militärischen Standrechts endlich einmal wieder die Civiljustiz trete. -- Wie verlautet, sollen gestern im Schwarzenberg-Garten während des ganzen Tags Menschen erschossen worden sein; man sah ganze Trupps gebundener Gefangenen dorthin schleppen. -- Professor Füster, den die Schwarzgelben den Blutprediger der Aula nennen, ist gestern, wie ich höre, zum Xten Male festgenommen worden. Dem Gerüchte nach sollen sich drei Kerle gefunden haben, welche aussagen, er habe ihnen Geld gegeben, um Latour zu ermorden. Daß sich solche Kerle finden lassen, wenn man sie nur einmal haben will, bedarf keines Wortes. Schon am 4. erzählten mir einige schwarzgelbe Kannibalinnen [unleserliches Material] mit unsäglicher Wollust, Füster sei in Hetzendorf gehängt worden; sie übergossen ihn dabei noch mit einer eckelhaften Sauce, -- Füster hatte sich damals in Baden befunden; das Gasthaus, wo er wohnte, wurde indessen mit Militär umstellt, ohne daß mir bekannt geworden ist, wie die Sache endete. Füster's grimmigste Feinde sind die Pfaffen; sie vigiliren auf ihn, wie die Lüchse auf ihre Beute; sir bringen ihn gewiß an den Strang. Bisher schützte ihn noch seine Abgeordnetenqualität, da man noch keinen Reichstagsdeputirten meines Wissens standrechtlich verfolgt hat. Ob Füster für diesmal davon kommt, muß ich sehr bezweifeln. -- Auch Becher, der Redakteur des Radikalen, ist gestern eingefangen worden. Er soll sich in einem ausgezeichneten Versteck der Vorstädte befunden, dasselbe aber gestern verlassen haben, um nach Ungarn zu entfliehen. Zu diesem Ende sei er in die Stadt und ungarische Staatskanzlei gegangen. Eben beim Eintritt in die letztere wurde er von einer Polizeispionie erkannt, welcher sofort die nächsten Sicherheitswächter herbeirief. Die Kanzlei wurde nun mit Militär umzingelt, durchsucht und Becher im Bett des Büreauwächters aufgefunden. Er soll beim 31. Oktbr. sehr kompromittirt sein und ist daher so unrettbar verloren, daß er nicht einmal erschossen, sondern, wenn's angeht, 12 Mal gehängt wird. Nach einem andern Gerüchte ist Albini hier angekommen und soll einen vollständigen Friedens-Pakt überbringen. Oh weh! Es fehlt nur noch, daß Cavaignac oder Bonaparte Präsident werden und Windischgrätz die Hand reichen. Wenn in Berlin die Wiedereinführung der alten Ordnung via Belagerungszustand ohne wesentlichen Kampf geschieht, so können wir uns hier wenigstens mit einem riesenhaften Widerstande brüsten, der von den k. k. Offizieren durchaus als ungewöhnlich tapfer gehalten anerkannt ist. In Agram, der Hauptstadt Kroatiens wird Jellachich als König des kroatisch-illyrischen Zukunftreiches thronen. Er soll in dieser Beziehung jetzt ganz bestimmte Forderungen machen. Kroatien soll mit allen slavischen Ländern von Ungarn losgerissen und zu einem südslavischen Ganzen gebracht werden, für welches Jellachich ganz außergewöhnliche Freiheiten verlangt haben soll. Man glaubt allgemein, der Belagerungszustand werde so lange dauern, bis Ungarn, wie der offizielle Stil es nennt, pazifizirt und die Kremsirer Verfassung vollendet ist. * Wien, 18. Novbr. Ein neuer Armeebefehl ist erschienen, wegen Einlieferung von Personen, die "die Truppen zum Treubruche zu verleiten" suchen. Zwar halte der Hr. Windischgrätz, heißt es darin, den Erlaß bei dem "bewährten vortrefflichen Geist der Truppen" eigentlich für überflüssig; allein gleichwohl solle bei sämmtlichen Truppenkörpern wiederholt bekannt gemacht werden: "daß jener Mannschaft vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts 25 Fl. ausgezahlt werden, welche einen Emissär oder Aufwiegler zu Stande bringt und ausliefert, der, sei es nun durch Worte oder durch Vertheilung von Plakaten und Flugschriften den Soldaten aufzuwiegeln und zum Treubruche zu verleiten sucht." Selbst in dem Plündern, Morden und Nothzüchtigen, womit sich das kön. kaiserl. Heer vor und nach der Einnahme Wiens erlustigte, liegt nicht die Hälfte so viel Niederträchtigkeit, als in diesem kön. kaiserl. Armeebefehl. Brauchen die Truppen Geld, so packen sie den Ersten Besten beim Kragen, schleppen ihn unter dem Vorwande aufwieglerischer Worte vor das Militärgericht und erhalten dafür Jeder 25 Fl.! Man sieht, Metternich hat seine Leute trefflich eingeschult. Das Delatorenwesen in den schlimmsten Zeiten römischer Kaiserherrschaft ist ein Kinderspiel gewesen vor dem, welches Hr. Windischgrätz durch seine Prämie für Verruchtheit und Habgier zu Stande bringen wird. ** Breslau, 20. Novbr. Der Oberpräsident Pinder ist wegen seiner Erklärung zu Gunsten der Nationalversammlung ab- und durch den Präsidenten der Liegnitzer Regierung (Schleinitz) ersetzt worden. Die Steuerverweigerung organisirt sich durch die ganze Provinz. Jetzt zeigt es sich, welch' großen Nutzen die Rustikal-Vereine mit ihrem Centralausschuß gewähren. Schütte und Chasse sind glücklich hierher gelangt. Was sie über die in und um Wien von den "Stützen der Ordnung" verübten Grausamkeiten und Schändlichkeiten berichten, macht die Haare sträuben. Die preußische Hofparthei lechzt danach, uns recht bald ein ähnliches Schicksal zu bereiten. Thun nur alle Provinzen ihre Schuleigkeit, so wird sie an ihren Gewaltstreichen schmählich zu Grunde gehen. Ratibor, 19. November. Gestern kamen endlich einmal wieder einige Reisende direkt von Pesth hier durch. Dieselben reisen in Deutschland, um Arbeiter für die ungarische Armee anzuwerben. Das Schicksal Ungarns ist, denselben zufolge, wesentlich davon abhängig, daß den Magyaren Zeit verbleibe, ihre irregulairen Truppen in regulaire umzuwandeln. Läßt daher während des Winters das Wetter Kriegsoperationen nicht zu, so ist Ungarn gerettet, indem sich in diesem Falle die Ungarn nach Innen und einiger reaktionärer Burschen gefallen, welche ihm Alles nach ihrer Art anschaulich machten. Auch scheint es, als ob Bassermann nie eine große Stadt wie Berlin, vorher je gesehen, sonst hätte er nicht solche verschrobene Ansichten über unsere Zustände zu Tage fördern können. — Gestern sind die neuen Reichskommissäre Simson und Hergenhahn angekommen. Heute Abend wird in dem neueingerichteten Bureau der Nationalversammlung eine Zusammenkunft derselben und der Präsidenten und Parteichefs der Abgeordneten stattfinden. Was kann das Resultat dieser Zusammenkunft sein? Gar nichts; denn die entschiedenen Abgeordneten verlangen weiter nichts, als den status quo vom 8. November. Aber auch kein Jota weniger können sie sich als Ehrenmänner gefallen lassen. Diese Bedingung ist auch durch die Entlassung der jetzigen Minister, Aufhebung des Belagerungszustandes und Fortsetzung der Berathungen der Nationalversammlung in Berlin, leicht zu erfüllen. Die Reichskommissäre werden nichts ausrichten und wenn sie den besten Willen haben sollten. Dem Könige gefällt das Ministerium Brandenburg sehr wohl; er ergötzt sich an der Militärherrschaft des General Wrangel und man denkt am Hofe darüber nach, wie dieses glücklich ausgeführte Manöver auf alle Provinzen des Staats zu übertragen ist. Die Preßfreiheit, das Versammlungsrecht, die allgemeine Volksbewaffnung, sie sollen im ganzen Staate ebenso unterdrück werden wie hier. Will die Nationalversammlung nicht „Ordre pariren“ und in Brandenburg ihre Sitzungen abhalten, kommt keine beschlußfähige Anzahl Abgeordneter am 27sten in Brandenburg zusammen, so ist es dem Hof noch lieber, man schließt die Bude und die Kamarilla regiert ungestört und ungehindert ohne Nationalversammlung weiter. Was das Volk, was die entschiedenen Mitglieder der Nationalversammlung zu einer solchen Kamarilla-Regierung thun werden, steht dahin. Für's Erste haben bis jetzt 274 Abgeordnete unterschrieben, daß sie Berlin nicht verlassen wollen und zu jeder Sitzung erscheinen, wozu sie vom Präsidium eingeladen werden. Die Zahl der Mitglieder ist bis jetzt täglich gewachsen. Das Präsidium hat gestern die Belle-Etage des Hauses unter den Linden Nr. 62 gemiethet, um daselbst förmlich ein Bureau der Nationalversammlung einzurichten. Der Präsident, in seiner Vertretung einer der Vicepräsidenten, mehrere Sekretäre, die Stenographen, Beamten und Boten der Nationalversammlung, welche alle noch wie früher ihr Amt versehen, sind hier während des ganzen Tages versammelt. Alle Adressen und sonstige Meldungen werden hier abgegeben und Deputationen vom Präsidium empfangen. Ein neues Archiv ist hier angelegt und alle Aktenstücke, welche sich bisher im Kurmärkischen Landschaftshause (in der Spandauerstraße) befanden, wo der Sitz mehrerer Abtheilungen und Kommissionen war, sind nach dem neuen Bureau verlegt worden. So hat sich die Nationalversammlung von Neuem eingerichtet. Die Centralabtheilungen und die Fachkommissionen haben ihre unterbrochenen Arbeiten wieder aufgenommen. Die ausgearbeiteten Berichte werden wie früher gedruckt und an die Abgeordneten vertheilt. Zur Widerlegung der vielen, von der entgegengesetzten Partei verbreiteten Lügen, ist vom Bureau der Nationalversammlung eine lithographirte Correspondenz eingerichtet worden, welche täglich an die Abgeordnete vertheilt wird, damit sie diese Berichte in die Provinzen senden. So lange die Regierung in ihrer Unthätigkeit verbleibt, wird auch die Nationalversammlung ruhig sein, denn augenblicklich sind die Mitglieder des ehemaligen Centrums noch zu keinem enschiedenen Schritt zu bewegen. Wenn aber die Regierung am 27. neue Gewaltstreiche machen wird, so wird auch von der Nationalversammlung ein neuer Schritt vorwärts geschehen müssen. An eine Vereinbarung ist nicht mehr zu denken. Dem Manteuffel haben wir die Erlösung von dieser unglückseligen Camphausen'schen Idee zu verdanken. Das königl. Kammergericht hat in Verfolg seiner Beschlüsse über die Ungesetzlichkeit des hiesigen Kriegs- und Belagerungszustandes in einem heute dem Justizminister übersandten Berichte die Errichtung des durch den General Wrangel eingesetzten Kriegsgerichts für einen Eingriff in die Rechte der bürgerlichen Gerichte erklärt, dagegen protestirt und auf sofortige Aufhebung angetragen. Dieser Tage wurde Jemand von einem ihm befreundeten Soldaten, welcher zur Besatzung des Schauspielhauses gehört, mit in dies Haus genommen. Er fand die Besatzung zum großen Theil in dem Sitzungssaale der Nationalversammlung. Die Soldaten beschäftigten sich vorzugsweise mit einem Kartenspiele, welches s[unleserliches Material]e „Möllendorf'sche Hänger“ nennen. An die Rednerbühne war eine Scheibe angeheftet, wonach mit Blaseröhre geschossen wurde. Als ein Offizier die Anwesenheit der Civilperson bemerkte, verlangte er deren Entfernung, welchem aber die Soldaten entschieden entgegentraten; es blieb daher dem Offizier nichts übrig, als sich unmittelbar an den Fremden mit der Bitte zu wenden, derselbe möge den Saal verlassen, weil er, der Offizier, sonst unzweifelhaft kassirt werden würde. * Berlin, 21. Nov. Der neue Polizeipräsident von Berlin (Hr. Hinckeldey) macht in Folge einer „Requisition“ des Herrn Wrangel bekannt, daß der Verkauf aller politischen Druckschriften auf öffentlichen Straßen und Plätzen unbedingt verboten ist. Wer dawider handelt, wird nicht blos nach § so und so bestraft, sondern sofort verhaftet. * Berlin, 20. Nov. Es ist schon einigemal des Vertrags gedacht worden, der in Verfolg des Memoire vom 7. Sept. c. von der preußischen Regierung abgeschlossen worden. Trotz der Versicherung des Staats-Anzeigers wiederholen wir, daß jene von der „deutschen Reform“ ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgetheilte Denkschrift allerdins ebenso wie der Traktat existirt. Die Abberufung des preußischen General-Consuls für die Donaufürstenthümer (Richthofen), die gerade zur Zeit der Okkupation jener Länder durch russische Truppen erfolgte, wo unsere Handelsinteressen einen energischen Vertreter dringender als je erforderten: diese Abberufung steht mit jenem Vertrage im innigsten Zusammenhange. 61 Wien, 18. Nov. Ich habe meine Korrespondenz unterbrochen, weil Schreiben überhaupt unterbrochen war, und unter dem dictando der k. k. ultima ratio, unter den Banditen-Messern der Szeresaner mich noch jetzt ein solcher dégout über die Gräuel, die man Recht nennt, beherrscht, daß ich mich krank fühle. Es gibt viele, die darüber wahnsinnig geworden sind; Sie werden mein Schweigen also sehr begreiflich finden. — Es ist mir darum auch einstweilen unmöglich, Ihnen die seit dem 26. Oktober im Kampf und Falle Wien's geschehenen Details ausführlich zu berichten. Wenn man gar nichts mehr hat, als die Schauer des Standrechtes, dessen mit Pulver und Blei erzielte Resultate Ihnen ja täglich von der Wiener Zeitung gebracht werden, so muß man auch unter dem Schrecken des Todes von der Hoffnung leben. Cavaignac's, Windischgrätze, Wrangel's das sind die eigentlichen Apostel der Freiheit, denn sie eröffnen wirkliche Aussichten und werden selbst czechisch-kroatischen Nationalitätsstarrsinn zur Versöhnung bringen. Darum [unleserliches Material], wenn die Humanität auch trauern muß. Für die Humanität war aus einer Allianz österreichischer Generale von vornherein nun allerdings nichts zu erwarten, obwohl Windischgrätz gesagt haben soll, die Wiener dürften sich auf seine Großmuth verlassen. Nicht mit Ungeschick hatte man daher noch vor der Einnahme Wien's die Proklamation in den Straßen anheften lassen, welche Napoleon seinem Einzuge in die Stadt im Jahre 1809 hatte vorausgehen lassen. Napoleon war ein wirklicher Feind und ehrte die Humanität, ob aber Windischgrätz wie Napoleon gehandelt und handelt, darüber sind alle Worte überflüssig, wenn man die bei, vor und nach der Einnahme Wien's vorgefallenen Gräuel und die standrechtlichen Tagesneuigkeiten durchmustert, welche die offizielle Presse bringt. Als Welden, der Modenese, seine Berufung zum Gouverneur von Wien erhielt, soll er dieselbe nur unter dem Beding haben annehmen wollen, daß auch er neben Windischgrätz die souveräne Ausübung des Standrechts habe. Es wurde natürlich bewilligt. Welche Seligkeit! Allerdings gibt's der Opfer soviele, daß die eine Hand im Unterzeichnen der Bluturtheile doch ermüden muß und es eines geübten Sekretärs bedarf. — Die, wie man sagt, zur Vereitelung der kaiserlichen Gnade dem Inhalte des Urtheils entgegen 24 Stunden zu früh geschehene Hinrichtung Messenhauser's hat neues Entsetzen unter alle Gemüther gebracht; ebenso die Brogini's aus Brünn, der einiger in einem Gasthause am 13. gethaner Aeußerungen wegen, gestern erschossen worden ist. Die Straßen sind darum wie verwaist und nur vom Hofrath, dicken Bourgeois und Soldaten betreten. — Messenhauser ist mit Entschlossenheit gestorben. Freien Blicks schaute er in die Flintenläufe, von denen einer ihm gerade auf's Auge gerichtet wurde und den Schuß in dasselbe führte. Die Jäger schießen, als ob sie nach der Scheibe schössen, und man sieht, wie riesenhaft der Kannibalismus der Menschheit ist, von welchem ich vor den hiesigen Scenen wirklich nur eine schwache Idee hatte. — Die Proklamationen vom 20. und 23. Oktober, auf den Grund welcher die standrechtlichen Verurtheilungen geschehen, sind niemals zur öffentlichen Kenntniß der Bevölkerung gekommen, da der Reichstag deren Veröffentlichung mit dem Gemeinderath verhinderte und Windischgrätz es nicht der Mühe werth erachtet hat, dieselben nach seinem Einrücken in die Stadt neuerdings bekannt zu geben. Ob die Proklamation vom 1. November zureicht, unbekannten Gesetzen rechtliche Wirksamkeit für die Vergangenheit zu geben, bedarf keiner Beantwortung. Für die Einwohner Wien's kann nur die Proklamation vom 1. November eine bekannte sein; nur sie allein darf zur Anwendung kommen und wer über sie hinaus erschossen wird, ist gemeuchelmordet. Es fällt jedem auf, daß noch nicht ein einziger Jude zur Rechenschaft gezogen worden ist, obwohl gerade die Juden im Interesse ihres Säckels überall an der ungefährdeten Spitze der Bewegung gestanden und das Schwarzgelbthum immer wüthend über dieselben gewesen ist. Bedenkt man indessen, daß Rothschild in Penzing um ein Darlehn von einigen 80 Milliönchens angegangen worden ist und stößt man zufällig auf eine Insertion, wie die folgende in der Presse vorgestern enthaltene: „Die vierte Verlosung des fürstl. Windischgrätz'schen Anlehens erfolgt am 1. Dezember d. J. Partial-Lose dieses Anlehens werden in allen Verwechslungs-Bureaux in Wien verkauft und eingekauft“, so dürfte das Räthsel gelöst erscheinen. Die Produkte der Tagespresse sind unlesbar, denn sie sind rein standrechtlich. Die Geißel z. B. hat fortwährend den Strang in der Hand, die Presse aber spricht nur vom Terrorismus der radikalen Partei. Vielleicht ist es Ironie. Sie empfahl bei ihrem Wiederauftreten Milde und Versöhnung, und verdient Lob dafür, wenn sie keine gewöhnliche Krokodilthräne vergossen. Die „Presse“ hatte eine biographische Skizze über Robert Blum aus der „Allg. Ober-Ztg.“ aufgenommen, die Blum als Märtyrer erscheinen läßt; flugs enthält sie heute, — ich weiß nicht, ob blos aus eigenem Antrieb — einen Nachtrag, der ihn in einer Rebellen-Silhuette darstellt. Aus dem sogenannten Auslande — worunter man hier vor Allem Deutschland versteht, — werden wir wenig Zuverläßiges gewahr. Der Wiener befindet sich in seinen Hoffnungen darauf auch in einer solchen Verzweiflung, daß er, namentlich seit dem Frankfurter Hohngelächter, nichts mehr darauf gibt. Jedermann glaubte, das Ausland, Paris würde bei der Nachricht von Wien's Verbrennung und Ermordung sich im Sturme erheben, weil das Wiedererstarken des feudalen Absolutismus ja selbst die Spielereien der Bourgeoisfreiheit bedroht; nun er sich auch hier getäuscht sieht, muß er sich natürlich, wie unter Metternich in seine eigene Verzweiflung hüllen. Mea virtute me involvo. Er behandelt daher Gerüchte, wie die: Erzherzog Johann werde festbehalten, bis Windischgrätz sich über die Ermordung Blums vor dem Frankfurter Parlament gerechtfertigt, es werde eine Reichsarmee wider ihn aufgeboten, Gerüchte, die namentlich heute zirkuliren, wie Mährchen aus 1001 Nacht. Er ist gewiß, sich nicht zu irren; Basser- Bieder- und Eisenmänner sind keine Windischgrätze. — Die Ohnmacht der Frankfurter Hanswurste muß sich in einem Guerillakrieg wieder Windischgrätz und Wrangel, diesem neuen Zwillingspaar des Absolutismus, gut ausnehmen. Wer heute erschossen worden ist, weiß ich noch nicht, die gestrige Hinrichtung wegen eines Privatgesprächs hat Kaffee- und Gasthäuser ganz stumm gemacht; die Menschen sitzen beisammen, wie chinesische Balancirfiguren. Wer kann, bleibt zu Hause, ohne indessen sicherer zu sein, weil Hausmeister, Mägde und Hausherrn jedes Ehrengesicht denunziren. Jellachich, so versichert man, soll über die Mißhandlung Wiens unzufrieden sein und ist nach Kroatien zurückgekehrt, um Verstärkung wider Ungarn zu holen. Die Unzufriedenheit mag wohl daher kommen, daß Se. kroatische Majestät durch Windischgrätz entnymbust worden ist. Sie werden es erleben, daß Jellachich nun die erste Gelegenheit ergreifen wird, ein unabhängiges Südslavenreich zu gründen; er sieht, daß die Kamarilla ihn erwischt hat indem sie ihn nur zu ihren Zwecke gebraucht hat. Wenn die Kamarilla fernere Fortschritte macht, so wird aus dem Kroaten- und Czechenreich ebensowenig etwas werden, wie vorläufig noch etwas aus dem Magyaren- Italienischen- Polnischen- und Deutschen Reich etwas geworden ist, mag der Kroat schreien, wie er will, er kenne nur einen Kaiser und einen Gott und Jellachich als Stellvertreter. — Erwägen Sie die Flüchter des Hof's und fragen Sie sich, warum er immer nur in deutsche Städte geflohen ist. Habsburg-Lothringen wird niemals seinen deutschen Ursprung verleugnen, es weiß, daß es sich im andern Falle mit seinen Wurzeln aus der eignen Erde reißen würde. Auch unter dem Standrecht ereignen sich Heroenthaten, von welchen ich folgende nicht übergehen darf. Ein Akademiker, besser Legionär, kommt mit zwei Kollegen wegen des 31. vor's Kriegsgericht; seine beiden Freunde werden zum Strang verurtheilt, er aber freigesprochen. Der Legionär protestirt gegen seine Freisprechung, erfindet, um das Schicksal seiner Freunde zu theilen, standrechtliche crimina und wird durch die humane Gefälligkeit des Kriegsgerichts aus Kameradschaft mit den andern richtig zusammengeschossen. Ein Schneidergeselle nahm während der Belagerung statt der Nadel lieber die Büchse seines Meisters und vertrat fortwährend dessen Waffendienste zur überaus großen Zufriedenheit desselben. Der Schneidergeselle fehlte niemals an den gefährlichsten Punkten, und da er ein guter Schütze war, so hatte er zuletzt seine sieben Mann nebst einem Offizier niedergestreckt. Am 31. Oktober war er der glücklichste Mensch und harrte aus bis zum Brande und Einzug des Militärs. Man fing ihn auf, schleppte ihn nach Hetzendorf und ließ ihn zwei Tagen mit mehreren Tausend Anderen nahrungslos und gebunden am Boden liegen. Endlich kam er in's Verhör und sollte, da niemand wider ihn zeugte und der Auditeur einen Schneidergesellen für schuldlos halten zu können glaubt, losgelassen werden. Dies rühmliche Ende seiner Thaten verdroß indessen unsern Gesellen dermaßen, daß er dem Auditeur Vorwürfe darüber machte, daß er seinen eigenen Angaben keinen Glauben schenke. Ich will sterben, schrie er ihm zu, denn ich habe rühmlich für die Freiheit gefochten; ich lasse mir so meine Verdienste nicht nehmen. Die Untersuchung wurde erneut und der Schneidergeselle zum Strang verurtheilt. Windischgrätz hatte nicht die Großmuth, — was sage ich, den Verstand — diesen Mann zu begnadigen, seinem Muthe einen Wirkungskreis zu geben. In den Kunsthandlungen wird ein wohlgetroffenes Porträt des Hrn. Windischgrätz verkauft, welches, wie die Unterschrift sagt, jedoch nur für seine intimsten Verehrer bestimmt ist, die sich beim Ankauf desselben eigenhändig auf einer Liste unterzeichnen müssen, um es zu erhalten. Windischgrätz sieht in sich den Retter der absoluten Gesammtmonarchie mit konstitutionellem Anstrich, er muß sich daher quasi für einen Gott halten. Der arme Jellachich soll vergehen vor Ingrimm und Anersperg hat seinen Abschied genommen. Das Standrecht wird vor Allem wider solche unerbittlich gehandhabt, die eine militärische Qualität besitzen, mögen sie übergetreten sein oder nicht, sofern sie sich an der Volkssache betheiligt haben. Die übergetretenen Unteroffiziere sollen in Hetzendorf sämmtlich erschossen worden sein. Niemand war nach der Uebergabe am 31. daher auch bedauernswerther, als die armen Grenadiere u. s. w. mit ihrer verrätherischen militärischen Haltung und zum Theil noch in ihren Kleidern. Die wenigsten entkamen, weil man auch jeden packte, der gar keine oder sichtlich ihm nicht anpassende Kleidung trug. Die Uniformen der akademischen Legion wurden sammt Federbüschen und Scherpen im ersten Entsetzen dem Vulkan geopfert. 61 Wien, 19. Novbr. Unser Belagerungszustand ist heute 4 Wochen alt und noch immer hat der Kaiser kein versöhnendes Wort gesprochen. Man wäre zu der Erwartung wenigstens berechtigt, daß an die Stelle des militärischen Standrechts endlich einmal wieder die Civiljustiz trete. — Wie verlautet, sollen gestern im Schwarzenberg-Garten während des ganzen Tags Menschen erschossen worden sein; man sah ganze Trupps gebundener Gefangenen dorthin schleppen. — Professor Füster, den die Schwarzgelben den Blutprediger der Aula nennen, ist gestern, wie ich höre, zum Xten Male festgenommen worden. Dem Gerüchte nach sollen sich drei Kerle gefunden haben, welche aussagen, er habe ihnen Geld gegeben, um Latour zu ermorden. Daß sich solche Kerle finden lassen, wenn man sie nur einmal haben will, bedarf keines Wortes. Schon am 4. erzählten mir einige schwarzgelbe Kannibalinnen [unleserliches Material] mit unsäglicher Wollust, Füster sei in Hetzendorf gehängt worden; sie übergossen ihn dabei noch mit einer eckelhaften Sauce, — Füster hatte sich damals in Baden befunden; das Gasthaus, wo er wohnte, wurde indessen mit Militär umstellt, ohne daß mir bekannt geworden ist, wie die Sache endete. Füster's grimmigste Feinde sind die Pfaffen; sie vigiliren auf ihn, wie die Lüchse auf ihre Beute; sir bringen ihn gewiß an den Strang. Bisher schützte ihn noch seine Abgeordnetenqualität, da man noch keinen Reichstagsdeputirten meines Wissens standrechtlich verfolgt hat. Ob Füster für diesmal davon kommt, muß ich sehr bezweifeln. — Auch Becher, der Redakteur des Radikalen, ist gestern eingefangen worden. Er soll sich in einem ausgezeichneten Versteck der Vorstädte befunden, dasselbe aber gestern verlassen haben, um nach Ungarn zu entfliehen. Zu diesem Ende sei er in die Stadt und ungarische Staatskanzlei gegangen. Eben beim Eintritt in die letztere wurde er von einer Polizeispionie erkannt, welcher sofort die nächsten Sicherheitswächter herbeirief. Die Kanzlei wurde nun mit Militär umzingelt, durchsucht und Becher im Bett des Büreauwächters aufgefunden. Er soll beim 31. Oktbr. sehr kompromittirt sein und ist daher so unrettbar verloren, daß er nicht einmal erschossen, sondern, wenn's angeht, 12 Mal gehängt wird. Nach einem andern Gerüchte ist Albini hier angekommen und soll einen vollständigen Friedens-Pakt überbringen. Oh weh! Es fehlt nur noch, daß Cavaignac oder Bonaparte Präsident werden und Windischgrätz die Hand reichen. Wenn in Berlin die Wiedereinführung der alten Ordnung via Belagerungszustand ohne wesentlichen Kampf geschieht, so können wir uns hier wenigstens mit einem riesenhaften Widerstande brüsten, der von den k. k. Offizieren durchaus als ungewöhnlich tapfer gehalten anerkannt ist. In Agram, der Hauptstadt Kroatiens wird Jellachich als König des kroatisch-illyrischen Zukunftreiches thronen. Er soll in dieser Beziehung jetzt ganz bestimmte Forderungen machen. Kroatien soll mit allen slavischen Ländern von Ungarn losgerissen und zu einem südslavischen Ganzen gebracht werden, für welches Jellachich ganz außergewöhnliche Freiheiten verlangt haben soll. Man glaubt allgemein, der Belagerungszustand werde so lange dauern, bis Ungarn, wie der offizielle Stil es nennt, pazifizirt und die Kremsirer Verfassung vollendet ist. * Wien, 18. Novbr. Ein neuer Armeebefehl ist erschienen, wegen Einlieferung von Personen, die „die Truppen zum Treubruche zu verleiten“ suchen. Zwar halte der Hr. Windischgrätz, heißt es darin, den Erlaß bei dem „bewährten vortrefflichen Geist der Truppen“ eigentlich für überflüssig; allein gleichwohl solle bei sämmtlichen Truppenkörpern wiederholt bekannt gemacht werden: „daß jener Mannschaft vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts 25 Fl. ausgezahlt werden, welche einen Emissär oder Aufwiegler zu Stande bringt und ausliefert, der, sei es nun durch Worte oder durch Vertheilung von Plakaten und Flugschriften den Soldaten aufzuwiegeln und zum Treubruche zu verleiten sucht.“ Selbst in dem Plündern, Morden und Nothzüchtigen, womit sich das kön. kaiserl. Heer vor und nach der Einnahme Wiens erlustigte, liegt nicht die Hälfte so viel Niederträchtigkeit, als in diesem kön. kaiserl. Armeebefehl. Brauchen die Truppen Geld, so packen sie den Ersten Besten beim Kragen, schleppen ihn unter dem Vorwande aufwieglerischer Worte vor das Militärgericht und erhalten dafür Jeder 25 Fl.! Man sieht, Metternich hat seine Leute trefflich eingeschult. Das Delatorenwesen in den schlimmsten Zeiten römischer Kaiserherrschaft ist ein Kinderspiel gewesen vor dem, welches Hr. Windischgrätz durch seine Prämie für Verruchtheit und Habgier zu Stande bringen wird. ** Breslau, 20. Novbr. Der Oberpräsident Pinder ist wegen seiner Erklärung zu Gunsten der Nationalversammlung ab- und durch den Präsidenten der Liegnitzer Regierung (Schleinitz) ersetzt worden. Die Steuerverweigerung organisirt sich durch die ganze Provinz. Jetzt zeigt es sich, welch' großen Nutzen die Rustikal-Vereine mit ihrem Centralausschuß gewähren. Schütte und Chasse sind glücklich hierher gelangt. Was sie über die in und um Wien von den „Stützen der Ordnung“ verübten Grausamkeiten und Schändlichkeiten berichten, macht die Haare sträuben. Die preußische Hofparthei lechzt danach, uns recht bald ein ähnliches Schicksal zu bereiten. Thun nur alle Provinzen ihre Schuleigkeit, so wird sie an ihren Gewaltstreichen schmählich zu Grunde gehen. Ratibor, 19. November. Gestern kamen endlich einmal wieder einige Reisende direkt von Pesth hier durch. Dieselben reisen in Deutschland, um Arbeiter für die ungarische Armee anzuwerben. Das Schicksal Ungarns ist, denselben zufolge, wesentlich davon abhängig, daß den Magyaren Zeit verbleibe, ihre irregulairen Truppen in regulaire umzuwandeln. Läßt daher während des Winters das Wetter Kriegsoperationen nicht zu, so ist Ungarn gerettet, indem sich in diesem Falle die Ungarn nach Innen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar151_007" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0792"/> einiger reaktionärer Burschen gefallen, welche ihm Alles nach ihrer Art anschaulich machten. Auch scheint es, als ob <hi rendition="#g">Bassermann</hi> nie eine große Stadt wie Berlin, vorher je gesehen, sonst hätte er nicht solche verschrobene Ansichten über unsere Zustände zu Tage fördern können. — Gestern sind die neuen Reichskommissäre <hi rendition="#g">Simson</hi> und <hi rendition="#g">Hergenhahn</hi> angekommen.</p> <p>Heute Abend wird in dem neueingerichteten Bureau der Nationalversammlung eine Zusammenkunft derselben und der Präsidenten und Parteichefs der Abgeordneten stattfinden. Was kann das Resultat dieser Zusammenkunft sein? Gar nichts; denn die entschiedenen Abgeordneten verlangen weiter nichts, als den status quo vom 8. November. Aber auch kein Jota weniger können sie sich als Ehrenmänner gefallen lassen. Diese Bedingung ist auch durch die Entlassung der jetzigen Minister, Aufhebung des Belagerungszustandes und Fortsetzung der Berathungen der Nationalversammlung in Berlin, leicht zu erfüllen. Die Reichskommissäre werden nichts ausrichten und wenn sie den besten Willen haben sollten. Dem Könige gefällt das Ministerium Brandenburg sehr wohl; er ergötzt sich an der Militärherrschaft des General <hi rendition="#g">Wrangel</hi> und man denkt am Hofe darüber nach, wie dieses glücklich ausgeführte Manöver auf alle Provinzen des Staats zu übertragen ist. Die Preßfreiheit, das Versammlungsrecht, die allgemeine Volksbewaffnung, sie sollen im ganzen Staate ebenso unterdrück werden wie hier. Will die Nationalversammlung nicht „Ordre pariren“ und in Brandenburg ihre Sitzungen abhalten, kommt keine beschlußfähige Anzahl Abgeordneter am 27sten in Brandenburg zusammen, so ist es dem Hof noch lieber, man schließt die Bude und die Kamarilla regiert ungestört und ungehindert ohne Nationalversammlung weiter.</p> <p>Was das Volk, was die entschiedenen Mitglieder der Nationalversammlung zu einer solchen Kamarilla-Regierung thun werden, steht dahin. Für's Erste haben bis jetzt 274 Abgeordnete unterschrieben, daß sie Berlin nicht verlassen wollen und zu jeder Sitzung erscheinen, wozu sie vom Präsidium eingeladen werden. Die Zahl der Mitglieder ist bis jetzt täglich gewachsen. Das Präsidium hat gestern die Belle-Etage des Hauses unter den Linden Nr. 62 gemiethet, um daselbst förmlich ein Bureau der Nationalversammlung einzurichten. Der Präsident, in seiner Vertretung einer der Vicepräsidenten, mehrere Sekretäre, die Stenographen, Beamten und Boten der Nationalversammlung, welche alle noch wie früher ihr Amt versehen, sind hier während des ganzen Tages versammelt. Alle Adressen und sonstige Meldungen werden hier abgegeben und Deputationen vom Präsidium empfangen. Ein neues Archiv ist hier angelegt und alle Aktenstücke, welche sich bisher im Kurmärkischen Landschaftshause (in der Spandauerstraße) befanden, wo der Sitz mehrerer Abtheilungen und Kommissionen war, sind nach dem neuen Bureau verlegt worden. So hat sich die Nationalversammlung von Neuem eingerichtet. Die Centralabtheilungen und die Fachkommissionen haben ihre unterbrochenen Arbeiten wieder aufgenommen. Die ausgearbeiteten Berichte werden wie früher gedruckt und an die Abgeordneten vertheilt. Zur Widerlegung der vielen, von der entgegengesetzten Partei verbreiteten Lügen, ist vom Bureau der Nationalversammlung eine lithographirte Correspondenz eingerichtet worden, welche täglich an die Abgeordnete vertheilt wird, damit sie diese Berichte in die Provinzen senden.</p> <p>So lange die Regierung in ihrer Unthätigkeit verbleibt, wird auch die Nationalversammlung ruhig sein, denn augenblicklich sind die Mitglieder des ehemaligen Centrums noch zu keinem enschiedenen Schritt zu bewegen. Wenn aber die Regierung am 27. neue Gewaltstreiche machen wird, so wird auch von der Nationalversammlung ein neuer Schritt vorwärts geschehen müssen. <hi rendition="#g">An eine Vereinbarung ist nicht mehr zu denken</hi>. Dem <hi rendition="#g">Manteuffel</hi> haben wir die Erlösung von dieser unglückseligen Camphausen'schen Idee zu verdanken.</p> <p>Das königl. Kammergericht hat in Verfolg seiner Beschlüsse über die Ungesetzlichkeit des hiesigen Kriegs- und Belagerungszustandes in einem heute dem Justizminister übersandten Berichte die Errichtung des durch den General Wrangel eingesetzten Kriegsgerichts für einen Eingriff in die Rechte der bürgerlichen Gerichte erklärt, dagegen protestirt und auf sofortige Aufhebung angetragen.</p> <p>Dieser Tage wurde Jemand von einem ihm befreundeten Soldaten, welcher zur Besatzung des Schauspielhauses gehört, mit in dies Haus genommen. Er fand die Besatzung zum großen Theil in dem Sitzungssaale der Nationalversammlung. Die Soldaten beschäftigten sich vorzugsweise mit einem Kartenspiele, welches s<gap reason="illegible"/>e „Möllendorf'sche Hänger“ nennen. An die Rednerbühne war eine Scheibe angeheftet, wonach mit Blaseröhre geschossen wurde. Als ein Offizier die Anwesenheit der Civilperson bemerkte, verlangte er deren Entfernung, welchem aber die Soldaten entschieden entgegentraten; es blieb daher dem Offizier nichts übrig, als sich unmittelbar an den Fremden mit der Bitte zu wenden, derselbe möge den Saal verlassen, weil er, der Offizier, sonst unzweifelhaft kassirt werden würde.</p> </div> <div xml:id="ar151_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 21. Nov.</head> <p>Der neue Polizeipräsident von Berlin (Hr. Hinckeldey) macht in Folge einer „Requisition“ des Herrn Wrangel bekannt, daß der Verkauf <hi rendition="#g">aller</hi> politischen Druckschriften auf öffentlichen Straßen und Plätzen <hi rendition="#g">unbedingt</hi> verboten ist. Wer dawider handelt, wird nicht blos nach § so und so bestraft, sondern sofort verhaftet.</p> </div> <div xml:id="ar151_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 20. Nov.</head> <p>Es ist schon einigemal des Vertrags gedacht worden, der in Verfolg des Memoire vom 7. Sept. c. von der preußischen Regierung abgeschlossen worden. Trotz der Versicherung des Staats-Anzeigers wiederholen wir, daß jene von der „deutschen Reform“ ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgetheilte Denkschrift allerdins ebenso wie der Traktat existirt. Die Abberufung des preußischen General-Consuls für die Donaufürstenthümer (Richthofen), die gerade zur Zeit der Okkupation jener Länder durch russische Truppen erfolgte, wo unsere Handelsinteressen einen energischen Vertreter dringender als je erforderten: diese Abberufung steht mit jenem Vertrage im innigsten Zusammenhange.</p> </div> <div xml:id="ar151_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 18. Nov.</head> <p>Ich habe meine Korrespondenz unterbrochen, weil Schreiben überhaupt unterbrochen war, und unter dem dictando der k. k. ultima ratio, unter den Banditen-Messern der Szeresaner mich noch jetzt ein solcher dégout über die Gräuel, die man Recht nennt, beherrscht, daß ich mich krank fühle. Es gibt viele, die darüber wahnsinnig geworden sind; Sie werden mein Schweigen also sehr begreiflich finden. — Es ist mir darum auch einstweilen unmöglich, Ihnen die seit dem 26. Oktober im Kampf und Falle Wien's geschehenen Details ausführlich zu berichten.</p> <p>Wenn man gar nichts mehr hat, als die Schauer des Standrechtes, dessen mit Pulver und Blei erzielte Resultate Ihnen ja täglich von der Wiener Zeitung gebracht werden, so muß man auch unter dem Schrecken des Todes von der Hoffnung leben.</p> <p>Cavaignac's, Windischgrätze, Wrangel's das sind die eigentlichen Apostel der Freiheit, denn sie eröffnen wirkliche Aussichten und werden selbst czechisch-kroatischen Nationalitätsstarrsinn zur Versöhnung bringen. Darum <gap reason="illegible"/>, wenn die Humanität auch trauern muß.</p> <p>Für die Humanität war aus einer Allianz österreichischer Generale von vornherein nun allerdings nichts zu erwarten, obwohl Windischgrätz gesagt haben soll, die Wiener dürften sich auf seine Großmuth verlassen. Nicht mit Ungeschick hatte man daher noch vor der Einnahme Wien's die Proklamation in den Straßen anheften lassen, welche Napoleon seinem Einzuge in die Stadt im Jahre 1809 hatte vorausgehen lassen. Napoleon war ein wirklicher Feind und ehrte die Humanität, ob aber Windischgrätz wie Napoleon gehandelt und handelt, darüber sind alle Worte überflüssig, wenn man die bei, vor und nach der Einnahme Wien's vorgefallenen Gräuel und die standrechtlichen Tagesneuigkeiten durchmustert, welche die offizielle Presse bringt.</p> <p>Als Welden, der Modenese, seine Berufung zum Gouverneur von Wien erhielt, soll er dieselbe nur unter dem Beding haben annehmen wollen, daß auch er neben Windischgrätz die souveräne Ausübung des Standrechts habe. Es wurde natürlich bewilligt. Welche Seligkeit! Allerdings gibt's der Opfer soviele, daß die eine Hand im Unterzeichnen der Bluturtheile doch ermüden muß und es eines geübten Sekretärs bedarf. — Die, wie man sagt, zur Vereitelung der kaiserlichen Gnade dem Inhalte des Urtheils entgegen 24 Stunden zu früh geschehene Hinrichtung Messenhauser's hat neues Entsetzen unter alle Gemüther gebracht; ebenso die Brogini's aus Brünn, der einiger in einem Gasthause am 13. gethaner Aeußerungen wegen, gestern erschossen worden ist. Die Straßen sind darum wie verwaist und nur vom Hofrath, dicken Bourgeois und Soldaten betreten. — Messenhauser ist mit Entschlossenheit gestorben. Freien Blicks schaute er in die Flintenläufe, von denen einer ihm gerade auf's Auge gerichtet wurde und den Schuß in dasselbe führte. Die Jäger schießen, als ob sie nach der Scheibe schössen, und man sieht, wie riesenhaft der Kannibalismus der Menschheit ist, von welchem ich vor den hiesigen Scenen wirklich nur eine schwache Idee hatte. — Die Proklamationen vom 20. und 23. Oktober, auf den Grund welcher die standrechtlichen Verurtheilungen geschehen, sind niemals zur öffentlichen Kenntniß der Bevölkerung gekommen, da der Reichstag deren Veröffentlichung mit dem Gemeinderath verhinderte und Windischgrätz es nicht der Mühe werth erachtet hat, dieselben nach seinem Einrücken in die Stadt neuerdings bekannt zu geben. Ob die Proklamation vom 1. November zureicht, unbekannten Gesetzen rechtliche Wirksamkeit für die Vergangenheit zu geben, bedarf keiner Beantwortung. Für die Einwohner Wien's kann nur die Proklamation vom 1. November eine bekannte sein; nur sie allein darf zur Anwendung kommen und wer über sie hinaus erschossen wird, ist gemeuchelmordet.</p> <p>Es fällt jedem auf, daß noch nicht ein einziger Jude zur Rechenschaft gezogen worden ist, obwohl gerade die Juden im Interesse ihres Säckels überall an der ungefährdeten Spitze der Bewegung gestanden und das Schwarzgelbthum immer wüthend über dieselben gewesen ist. Bedenkt man indessen, daß Rothschild in Penzing um ein Darlehn von einigen 80 Milliönchens angegangen worden ist und stößt man zufällig auf eine Insertion, wie die folgende in der Presse vorgestern enthaltene: „Die vierte Verlosung des fürstl. Windischgrätz'schen Anlehens erfolgt am 1. Dezember d. J. Partial-Lose dieses Anlehens werden in allen Verwechslungs-Bureaux in Wien verkauft und eingekauft“, so dürfte das Räthsel gelöst erscheinen.</p> <p>Die Produkte der Tagespresse sind unlesbar, denn sie sind rein standrechtlich. Die Geißel z. B. hat fortwährend den Strang in der Hand, die Presse aber spricht nur vom Terrorismus der radikalen Partei. Vielleicht ist es Ironie. Sie empfahl bei ihrem Wiederauftreten Milde und Versöhnung, und verdient Lob dafür, wenn sie keine gewöhnliche Krokodilthräne vergossen. Die „Presse“ hatte eine biographische Skizze über Robert Blum aus der „Allg. Ober-Ztg.“ aufgenommen, die Blum als Märtyrer erscheinen läßt; flugs enthält sie heute, — ich weiß nicht, ob blos aus eigenem Antrieb — einen Nachtrag, der ihn in einer Rebellen-Silhuette darstellt.</p> <p>Aus dem sogenannten Auslande — worunter man hier vor Allem Deutschland versteht, — werden wir wenig Zuverläßiges gewahr. Der Wiener befindet sich in seinen Hoffnungen darauf auch in einer solchen Verzweiflung, daß er, namentlich seit dem Frankfurter Hohngelächter, nichts mehr darauf gibt. Jedermann glaubte, das Ausland, Paris würde bei der Nachricht von Wien's Verbrennung und Ermordung sich im Sturme erheben, weil das Wiedererstarken des feudalen Absolutismus ja selbst die Spielereien der Bourgeoisfreiheit bedroht; nun er sich auch hier getäuscht sieht, muß er sich natürlich, wie unter Metternich in seine eigene Verzweiflung hüllen. Mea virtute me involvo. Er behandelt daher Gerüchte, wie die: Erzherzog Johann werde festbehalten, bis Windischgrätz sich über die Ermordung Blums vor dem Frankfurter Parlament gerechtfertigt, es werde eine Reichsarmee wider ihn aufgeboten, Gerüchte, die namentlich heute zirkuliren, wie Mährchen aus 1001 Nacht. Er ist gewiß, sich nicht zu irren; Basser- Bieder- und Eisenmänner sind keine Windischgrätze. — Die Ohnmacht der Frankfurter Hanswurste muß sich in einem Guerillakrieg wieder Windischgrätz und Wrangel, diesem neuen Zwillingspaar des Absolutismus, gut ausnehmen.</p> <p>Wer heute erschossen worden ist, weiß ich noch nicht, die gestrige Hinrichtung wegen eines Privatgesprächs hat Kaffee- und Gasthäuser ganz stumm gemacht; die Menschen sitzen beisammen, wie chinesische Balancirfiguren. Wer kann, bleibt zu Hause, ohne indessen sicherer zu sein, weil Hausmeister, Mägde und Hausherrn jedes Ehrengesicht denunziren.</p> <p>Jellachich, so versichert man, soll über die Mißhandlung Wiens unzufrieden sein und ist nach Kroatien zurückgekehrt, um Verstärkung wider Ungarn zu holen. Die Unzufriedenheit mag wohl daher kommen, daß Se. kroatische Majestät durch Windischgrätz entnymbust worden ist. Sie werden es erleben, daß Jellachich nun die erste Gelegenheit ergreifen wird, ein unabhängiges Südslavenreich zu gründen; er sieht, daß die Kamarilla ihn erwischt hat indem sie ihn nur zu ihren Zwecke gebraucht hat. Wenn die Kamarilla fernere Fortschritte macht, so wird aus dem Kroaten- und Czechenreich ebensowenig etwas werden, wie vorläufig noch etwas aus dem Magyaren- Italienischen- Polnischen- und Deutschen Reich etwas geworden ist, mag der Kroat schreien, wie er will, er kenne nur einen Kaiser und einen Gott und Jellachich als Stellvertreter. — Erwägen Sie die Flüchter des Hof's und fragen Sie sich, warum er immer nur in deutsche Städte geflohen ist. Habsburg-Lothringen wird niemals seinen deutschen Ursprung verleugnen, es weiß, daß es sich im andern Falle mit seinen Wurzeln aus der eignen Erde reißen würde.</p> <p>Auch unter dem Standrecht ereignen sich Heroenthaten, von welchen ich folgende nicht übergehen darf. Ein Akademiker, besser Legionär, kommt mit zwei Kollegen wegen des 31. vor's Kriegsgericht; seine beiden Freunde werden zum Strang verurtheilt, er aber freigesprochen. Der Legionär protestirt gegen seine Freisprechung, erfindet, um das Schicksal seiner Freunde zu theilen, standrechtliche crimina und wird durch die humane Gefälligkeit des Kriegsgerichts aus Kameradschaft mit den andern richtig zusammengeschossen. Ein Schneidergeselle nahm während der Belagerung statt der Nadel lieber die Büchse seines Meisters und vertrat fortwährend dessen Waffendienste zur überaus großen Zufriedenheit desselben. Der Schneidergeselle fehlte niemals an den gefährlichsten Punkten, und da er ein guter Schütze war, so hatte er zuletzt seine sieben Mann nebst einem Offizier niedergestreckt. Am 31. Oktober war er der glücklichste Mensch und harrte aus bis zum Brande und Einzug des Militärs. Man fing ihn auf, schleppte ihn nach Hetzendorf und ließ ihn zwei Tagen mit mehreren Tausend Anderen nahrungslos und gebunden am Boden liegen. Endlich kam er in's Verhör und sollte, da niemand wider ihn zeugte und der Auditeur einen Schneidergesellen für schuldlos halten zu können glaubt, losgelassen werden. Dies rühmliche Ende seiner Thaten verdroß indessen unsern Gesellen dermaßen, daß er dem Auditeur Vorwürfe darüber machte, daß er seinen eigenen Angaben keinen Glauben schenke. Ich will sterben, schrie er ihm zu, denn ich habe rühmlich für die Freiheit gefochten; ich lasse mir so meine Verdienste nicht nehmen. Die Untersuchung wurde erneut und der Schneidergeselle zum Strang verurtheilt. Windischgrätz hatte nicht die Großmuth, — was sage ich, den Verstand — diesen Mann zu begnadigen, seinem Muthe einen Wirkungskreis zu geben.</p> <p>In den Kunsthandlungen wird ein wohlgetroffenes Porträt des Hrn. Windischgrätz verkauft, welches, wie die Unterschrift sagt, jedoch nur für seine intimsten Verehrer bestimmt ist, die sich beim Ankauf desselben eigenhändig auf einer Liste unterzeichnen müssen, um es zu erhalten. Windischgrätz sieht in sich den Retter der absoluten Gesammtmonarchie mit konstitutionellem Anstrich, er muß sich daher quasi für einen Gott halten. Der arme Jellachich soll vergehen vor Ingrimm und Anersperg hat seinen Abschied genommen.</p> <p>Das Standrecht wird vor Allem wider solche unerbittlich gehandhabt, die eine militärische Qualität besitzen, mögen sie übergetreten sein oder nicht, sofern sie sich an der Volkssache betheiligt haben. Die übergetretenen Unteroffiziere sollen in Hetzendorf sämmtlich erschossen worden sein. Niemand war nach der Uebergabe am 31. daher auch bedauernswerther, als die armen Grenadiere u. s. w. mit ihrer verrätherischen militärischen Haltung und zum Theil noch in ihren Kleidern. Die wenigsten entkamen, weil man auch jeden packte, der gar keine oder sichtlich ihm nicht anpassende Kleidung trug. Die Uniformen der akademischen Legion wurden sammt Federbüschen und Scherpen im ersten Entsetzen dem Vulkan geopfert.</p> </div> <div xml:id="ar151_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 19. Novbr.</head> <p>Unser Belagerungszustand ist heute 4 Wochen alt und noch immer hat der Kaiser kein versöhnendes Wort gesprochen. Man wäre zu der Erwartung wenigstens berechtigt, daß an die Stelle des militärischen Standrechts endlich einmal wieder die Civiljustiz trete. — Wie verlautet, sollen gestern im Schwarzenberg-Garten während des ganzen Tags Menschen erschossen worden sein; man sah ganze Trupps gebundener Gefangenen dorthin schleppen. — Professor Füster, den die Schwarzgelben den Blutprediger der Aula nennen, ist gestern, wie ich höre, zum Xten Male festgenommen worden. Dem Gerüchte nach sollen sich drei Kerle gefunden haben, welche aussagen, er habe ihnen Geld gegeben, um Latour zu ermorden. Daß sich solche Kerle finden <hi rendition="#g">lassen</hi>, wenn man sie nur einmal haben will, bedarf keines Wortes. Schon am 4. erzählten mir einige schwarzgelbe Kannibalinnen <gap reason="illegible"/> mit unsäglicher Wollust, Füster sei in Hetzendorf gehängt worden; sie übergossen ihn dabei noch mit einer eckelhaften Sauce, — Füster hatte sich damals in Baden befunden; das Gasthaus, wo er wohnte, wurde indessen mit Militär umstellt, ohne daß mir bekannt geworden ist, wie die Sache endete. Füster's grimmigste Feinde sind die Pfaffen; sie vigiliren auf ihn, wie die Lüchse auf ihre Beute; sir bringen ihn gewiß an den Strang. Bisher schützte ihn noch seine Abgeordnetenqualität, da man noch keinen Reichstagsdeputirten meines Wissens standrechtlich verfolgt hat. Ob Füster für diesmal davon kommt, muß ich sehr bezweifeln. — Auch <hi rendition="#g">Becher</hi>, der Redakteur des Radikalen, ist gestern eingefangen worden. Er soll sich in einem ausgezeichneten Versteck der Vorstädte befunden, dasselbe aber gestern verlassen haben, um nach Ungarn zu entfliehen. Zu diesem Ende sei er in die Stadt und ungarische Staatskanzlei gegangen. Eben beim Eintritt in die letztere wurde er von einer Polizeispionie erkannt, welcher sofort die nächsten Sicherheitswächter herbeirief. Die Kanzlei wurde nun mit Militär umzingelt, durchsucht und Becher im Bett des Büreauwächters aufgefunden. Er soll beim 31. Oktbr. sehr kompromittirt sein und ist daher so unrettbar verloren, daß er nicht einmal erschossen, sondern, wenn's angeht, 12 Mal gehängt wird.</p> <p>Nach einem andern Gerüchte ist Albini hier angekommen und soll einen vollständigen Friedens-Pakt überbringen. Oh weh! Es fehlt nur noch, daß Cavaignac oder Bonaparte Präsident werden und Windischgrätz die Hand reichen.</p> <p>Wenn in Berlin die Wiedereinführung der alten Ordnung via Belagerungszustand ohne wesentlichen Kampf geschieht, so können wir uns hier wenigstens mit einem riesenhaften Widerstande brüsten, der von den k. k. Offizieren durchaus als ungewöhnlich tapfer gehalten anerkannt ist.</p> <p>In Agram, der Hauptstadt Kroatiens wird Jellachich als König des kroatisch-illyrischen Zukunftreiches thronen. Er soll in dieser Beziehung jetzt ganz bestimmte Forderungen machen. Kroatien soll mit allen slavischen Ländern von Ungarn losgerissen und zu einem südslavischen Ganzen gebracht werden, für welches Jellachich ganz außergewöhnliche Freiheiten verlangt haben soll.</p> <p>Man glaubt allgemein, der Belagerungszustand werde so lange dauern, bis Ungarn, wie der offizielle Stil es nennt, pazifizirt und die Kremsirer Verfassung vollendet ist.</p> </div> <div xml:id="ar151_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 18. Novbr.</head> <p>Ein neuer Armeebefehl ist erschienen, wegen Einlieferung von Personen, die „die Truppen zum Treubruche zu verleiten“ suchen. Zwar halte der Hr. Windischgrätz, heißt es darin, den Erlaß bei dem „bewährten vortrefflichen Geist der Truppen“ eigentlich für überflüssig; allein gleichwohl solle bei sämmtlichen Truppenkörpern wiederholt bekannt gemacht werden:</p> <p rendition="#et">„daß jener Mannschaft vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts 25 Fl. ausgezahlt werden, welche einen Emissär oder Aufwiegler zu Stande bringt und ausliefert, der, sei es nun durch <hi rendition="#g">Worte</hi> oder durch Vertheilung von Plakaten und Flugschriften den Soldaten aufzuwiegeln und zum Treubruche zu verleiten sucht.“</p> <p>Selbst in dem Plündern, Morden und Nothzüchtigen, womit sich das kön. kaiserl. Heer vor und nach der Einnahme Wiens erlustigte, liegt nicht die Hälfte so viel Niederträchtigkeit, als in diesem kön. kaiserl. Armeebefehl. Brauchen die Truppen Geld, so packen sie den Ersten Besten beim Kragen, schleppen ihn unter dem Vorwande aufwieglerischer Worte vor das Militärgericht und erhalten dafür Jeder 25 Fl.! Man sieht, Metternich hat seine Leute trefflich eingeschult. Das Delatorenwesen in den schlimmsten Zeiten römischer Kaiserherrschaft ist ein Kinderspiel gewesen vor dem, welches Hr. Windischgrätz durch seine Prämie für Verruchtheit und Habgier zu Stande bringen wird.</p> </div> <div xml:id="ar151_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl> Breslau, 20. Novbr.</head> <p>Der Oberpräsident Pinder ist wegen seiner Erklärung zu Gunsten der Nationalversammlung ab- und durch den Präsidenten der Liegnitzer Regierung (Schleinitz) ersetzt worden. Die Steuerverweigerung organisirt sich durch die ganze Provinz. Jetzt zeigt es sich, welch' großen Nutzen die Rustikal-Vereine mit ihrem Centralausschuß gewähren. Schütte und Chasse sind glücklich hierher gelangt. Was sie über die in und um Wien von den „Stützen der Ordnung“ verübten Grausamkeiten und Schändlichkeiten berichten, macht die Haare sträuben. Die preußische Hofparthei lechzt danach, uns recht bald ein ähnliches Schicksal zu bereiten. Thun nur <hi rendition="#g">alle</hi> Provinzen ihre Schuleigkeit, so wird sie an ihren Gewaltstreichen schmählich zu Grunde gehen.</p> </div> <div xml:id="ar151_014" type="jArticle"> <head>Ratibor, 19. November.</head> <p>Gestern kamen endlich einmal wieder einige Reisende direkt von Pesth hier durch. Dieselben reisen in Deutschland, um Arbeiter für die ungarische Armee anzuwerben. Das Schicksal Ungarns ist, denselben zufolge, wesentlich davon abhängig, daß den Magyaren Zeit verbleibe, ihre irregulairen Truppen in regulaire umzuwandeln. Läßt daher während des Winters das Wetter Kriegsoperationen nicht zu, so ist Ungarn gerettet, indem sich in diesem Falle die Ungarn nach Innen und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0792/0002]
einiger reaktionärer Burschen gefallen, welche ihm Alles nach ihrer Art anschaulich machten. Auch scheint es, als ob Bassermann nie eine große Stadt wie Berlin, vorher je gesehen, sonst hätte er nicht solche verschrobene Ansichten über unsere Zustände zu Tage fördern können. — Gestern sind die neuen Reichskommissäre Simson und Hergenhahn angekommen.
Heute Abend wird in dem neueingerichteten Bureau der Nationalversammlung eine Zusammenkunft derselben und der Präsidenten und Parteichefs der Abgeordneten stattfinden. Was kann das Resultat dieser Zusammenkunft sein? Gar nichts; denn die entschiedenen Abgeordneten verlangen weiter nichts, als den status quo vom 8. November. Aber auch kein Jota weniger können sie sich als Ehrenmänner gefallen lassen. Diese Bedingung ist auch durch die Entlassung der jetzigen Minister, Aufhebung des Belagerungszustandes und Fortsetzung der Berathungen der Nationalversammlung in Berlin, leicht zu erfüllen. Die Reichskommissäre werden nichts ausrichten und wenn sie den besten Willen haben sollten. Dem Könige gefällt das Ministerium Brandenburg sehr wohl; er ergötzt sich an der Militärherrschaft des General Wrangel und man denkt am Hofe darüber nach, wie dieses glücklich ausgeführte Manöver auf alle Provinzen des Staats zu übertragen ist. Die Preßfreiheit, das Versammlungsrecht, die allgemeine Volksbewaffnung, sie sollen im ganzen Staate ebenso unterdrück werden wie hier. Will die Nationalversammlung nicht „Ordre pariren“ und in Brandenburg ihre Sitzungen abhalten, kommt keine beschlußfähige Anzahl Abgeordneter am 27sten in Brandenburg zusammen, so ist es dem Hof noch lieber, man schließt die Bude und die Kamarilla regiert ungestört und ungehindert ohne Nationalversammlung weiter.
Was das Volk, was die entschiedenen Mitglieder der Nationalversammlung zu einer solchen Kamarilla-Regierung thun werden, steht dahin. Für's Erste haben bis jetzt 274 Abgeordnete unterschrieben, daß sie Berlin nicht verlassen wollen und zu jeder Sitzung erscheinen, wozu sie vom Präsidium eingeladen werden. Die Zahl der Mitglieder ist bis jetzt täglich gewachsen. Das Präsidium hat gestern die Belle-Etage des Hauses unter den Linden Nr. 62 gemiethet, um daselbst förmlich ein Bureau der Nationalversammlung einzurichten. Der Präsident, in seiner Vertretung einer der Vicepräsidenten, mehrere Sekretäre, die Stenographen, Beamten und Boten der Nationalversammlung, welche alle noch wie früher ihr Amt versehen, sind hier während des ganzen Tages versammelt. Alle Adressen und sonstige Meldungen werden hier abgegeben und Deputationen vom Präsidium empfangen. Ein neues Archiv ist hier angelegt und alle Aktenstücke, welche sich bisher im Kurmärkischen Landschaftshause (in der Spandauerstraße) befanden, wo der Sitz mehrerer Abtheilungen und Kommissionen war, sind nach dem neuen Bureau verlegt worden. So hat sich die Nationalversammlung von Neuem eingerichtet. Die Centralabtheilungen und die Fachkommissionen haben ihre unterbrochenen Arbeiten wieder aufgenommen. Die ausgearbeiteten Berichte werden wie früher gedruckt und an die Abgeordneten vertheilt. Zur Widerlegung der vielen, von der entgegengesetzten Partei verbreiteten Lügen, ist vom Bureau der Nationalversammlung eine lithographirte Correspondenz eingerichtet worden, welche täglich an die Abgeordnete vertheilt wird, damit sie diese Berichte in die Provinzen senden.
So lange die Regierung in ihrer Unthätigkeit verbleibt, wird auch die Nationalversammlung ruhig sein, denn augenblicklich sind die Mitglieder des ehemaligen Centrums noch zu keinem enschiedenen Schritt zu bewegen. Wenn aber die Regierung am 27. neue Gewaltstreiche machen wird, so wird auch von der Nationalversammlung ein neuer Schritt vorwärts geschehen müssen. An eine Vereinbarung ist nicht mehr zu denken. Dem Manteuffel haben wir die Erlösung von dieser unglückseligen Camphausen'schen Idee zu verdanken.
Das königl. Kammergericht hat in Verfolg seiner Beschlüsse über die Ungesetzlichkeit des hiesigen Kriegs- und Belagerungszustandes in einem heute dem Justizminister übersandten Berichte die Errichtung des durch den General Wrangel eingesetzten Kriegsgerichts für einen Eingriff in die Rechte der bürgerlichen Gerichte erklärt, dagegen protestirt und auf sofortige Aufhebung angetragen.
Dieser Tage wurde Jemand von einem ihm befreundeten Soldaten, welcher zur Besatzung des Schauspielhauses gehört, mit in dies Haus genommen. Er fand die Besatzung zum großen Theil in dem Sitzungssaale der Nationalversammlung. Die Soldaten beschäftigten sich vorzugsweise mit einem Kartenspiele, welches s_ e „Möllendorf'sche Hänger“ nennen. An die Rednerbühne war eine Scheibe angeheftet, wonach mit Blaseröhre geschossen wurde. Als ein Offizier die Anwesenheit der Civilperson bemerkte, verlangte er deren Entfernung, welchem aber die Soldaten entschieden entgegentraten; es blieb daher dem Offizier nichts übrig, als sich unmittelbar an den Fremden mit der Bitte zu wenden, derselbe möge den Saal verlassen, weil er, der Offizier, sonst unzweifelhaft kassirt werden würde.
* Berlin, 21. Nov. Der neue Polizeipräsident von Berlin (Hr. Hinckeldey) macht in Folge einer „Requisition“ des Herrn Wrangel bekannt, daß der Verkauf aller politischen Druckschriften auf öffentlichen Straßen und Plätzen unbedingt verboten ist. Wer dawider handelt, wird nicht blos nach § so und so bestraft, sondern sofort verhaftet.
* Berlin, 20. Nov. Es ist schon einigemal des Vertrags gedacht worden, der in Verfolg des Memoire vom 7. Sept. c. von der preußischen Regierung abgeschlossen worden. Trotz der Versicherung des Staats-Anzeigers wiederholen wir, daß jene von der „deutschen Reform“ ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgetheilte Denkschrift allerdins ebenso wie der Traktat existirt. Die Abberufung des preußischen General-Consuls für die Donaufürstenthümer (Richthofen), die gerade zur Zeit der Okkupation jener Länder durch russische Truppen erfolgte, wo unsere Handelsinteressen einen energischen Vertreter dringender als je erforderten: diese Abberufung steht mit jenem Vertrage im innigsten Zusammenhange.
61 Wien, 18. Nov. Ich habe meine Korrespondenz unterbrochen, weil Schreiben überhaupt unterbrochen war, und unter dem dictando der k. k. ultima ratio, unter den Banditen-Messern der Szeresaner mich noch jetzt ein solcher dégout über die Gräuel, die man Recht nennt, beherrscht, daß ich mich krank fühle. Es gibt viele, die darüber wahnsinnig geworden sind; Sie werden mein Schweigen also sehr begreiflich finden. — Es ist mir darum auch einstweilen unmöglich, Ihnen die seit dem 26. Oktober im Kampf und Falle Wien's geschehenen Details ausführlich zu berichten.
Wenn man gar nichts mehr hat, als die Schauer des Standrechtes, dessen mit Pulver und Blei erzielte Resultate Ihnen ja täglich von der Wiener Zeitung gebracht werden, so muß man auch unter dem Schrecken des Todes von der Hoffnung leben.
Cavaignac's, Windischgrätze, Wrangel's das sind die eigentlichen Apostel der Freiheit, denn sie eröffnen wirkliche Aussichten und werden selbst czechisch-kroatischen Nationalitätsstarrsinn zur Versöhnung bringen. Darum _ , wenn die Humanität auch trauern muß.
Für die Humanität war aus einer Allianz österreichischer Generale von vornherein nun allerdings nichts zu erwarten, obwohl Windischgrätz gesagt haben soll, die Wiener dürften sich auf seine Großmuth verlassen. Nicht mit Ungeschick hatte man daher noch vor der Einnahme Wien's die Proklamation in den Straßen anheften lassen, welche Napoleon seinem Einzuge in die Stadt im Jahre 1809 hatte vorausgehen lassen. Napoleon war ein wirklicher Feind und ehrte die Humanität, ob aber Windischgrätz wie Napoleon gehandelt und handelt, darüber sind alle Worte überflüssig, wenn man die bei, vor und nach der Einnahme Wien's vorgefallenen Gräuel und die standrechtlichen Tagesneuigkeiten durchmustert, welche die offizielle Presse bringt.
Als Welden, der Modenese, seine Berufung zum Gouverneur von Wien erhielt, soll er dieselbe nur unter dem Beding haben annehmen wollen, daß auch er neben Windischgrätz die souveräne Ausübung des Standrechts habe. Es wurde natürlich bewilligt. Welche Seligkeit! Allerdings gibt's der Opfer soviele, daß die eine Hand im Unterzeichnen der Bluturtheile doch ermüden muß und es eines geübten Sekretärs bedarf. — Die, wie man sagt, zur Vereitelung der kaiserlichen Gnade dem Inhalte des Urtheils entgegen 24 Stunden zu früh geschehene Hinrichtung Messenhauser's hat neues Entsetzen unter alle Gemüther gebracht; ebenso die Brogini's aus Brünn, der einiger in einem Gasthause am 13. gethaner Aeußerungen wegen, gestern erschossen worden ist. Die Straßen sind darum wie verwaist und nur vom Hofrath, dicken Bourgeois und Soldaten betreten. — Messenhauser ist mit Entschlossenheit gestorben. Freien Blicks schaute er in die Flintenläufe, von denen einer ihm gerade auf's Auge gerichtet wurde und den Schuß in dasselbe führte. Die Jäger schießen, als ob sie nach der Scheibe schössen, und man sieht, wie riesenhaft der Kannibalismus der Menschheit ist, von welchem ich vor den hiesigen Scenen wirklich nur eine schwache Idee hatte. — Die Proklamationen vom 20. und 23. Oktober, auf den Grund welcher die standrechtlichen Verurtheilungen geschehen, sind niemals zur öffentlichen Kenntniß der Bevölkerung gekommen, da der Reichstag deren Veröffentlichung mit dem Gemeinderath verhinderte und Windischgrätz es nicht der Mühe werth erachtet hat, dieselben nach seinem Einrücken in die Stadt neuerdings bekannt zu geben. Ob die Proklamation vom 1. November zureicht, unbekannten Gesetzen rechtliche Wirksamkeit für die Vergangenheit zu geben, bedarf keiner Beantwortung. Für die Einwohner Wien's kann nur die Proklamation vom 1. November eine bekannte sein; nur sie allein darf zur Anwendung kommen und wer über sie hinaus erschossen wird, ist gemeuchelmordet.
Es fällt jedem auf, daß noch nicht ein einziger Jude zur Rechenschaft gezogen worden ist, obwohl gerade die Juden im Interesse ihres Säckels überall an der ungefährdeten Spitze der Bewegung gestanden und das Schwarzgelbthum immer wüthend über dieselben gewesen ist. Bedenkt man indessen, daß Rothschild in Penzing um ein Darlehn von einigen 80 Milliönchens angegangen worden ist und stößt man zufällig auf eine Insertion, wie die folgende in der Presse vorgestern enthaltene: „Die vierte Verlosung des fürstl. Windischgrätz'schen Anlehens erfolgt am 1. Dezember d. J. Partial-Lose dieses Anlehens werden in allen Verwechslungs-Bureaux in Wien verkauft und eingekauft“, so dürfte das Räthsel gelöst erscheinen.
Die Produkte der Tagespresse sind unlesbar, denn sie sind rein standrechtlich. Die Geißel z. B. hat fortwährend den Strang in der Hand, die Presse aber spricht nur vom Terrorismus der radikalen Partei. Vielleicht ist es Ironie. Sie empfahl bei ihrem Wiederauftreten Milde und Versöhnung, und verdient Lob dafür, wenn sie keine gewöhnliche Krokodilthräne vergossen. Die „Presse“ hatte eine biographische Skizze über Robert Blum aus der „Allg. Ober-Ztg.“ aufgenommen, die Blum als Märtyrer erscheinen läßt; flugs enthält sie heute, — ich weiß nicht, ob blos aus eigenem Antrieb — einen Nachtrag, der ihn in einer Rebellen-Silhuette darstellt.
Aus dem sogenannten Auslande — worunter man hier vor Allem Deutschland versteht, — werden wir wenig Zuverläßiges gewahr. Der Wiener befindet sich in seinen Hoffnungen darauf auch in einer solchen Verzweiflung, daß er, namentlich seit dem Frankfurter Hohngelächter, nichts mehr darauf gibt. Jedermann glaubte, das Ausland, Paris würde bei der Nachricht von Wien's Verbrennung und Ermordung sich im Sturme erheben, weil das Wiedererstarken des feudalen Absolutismus ja selbst die Spielereien der Bourgeoisfreiheit bedroht; nun er sich auch hier getäuscht sieht, muß er sich natürlich, wie unter Metternich in seine eigene Verzweiflung hüllen. Mea virtute me involvo. Er behandelt daher Gerüchte, wie die: Erzherzog Johann werde festbehalten, bis Windischgrätz sich über die Ermordung Blums vor dem Frankfurter Parlament gerechtfertigt, es werde eine Reichsarmee wider ihn aufgeboten, Gerüchte, die namentlich heute zirkuliren, wie Mährchen aus 1001 Nacht. Er ist gewiß, sich nicht zu irren; Basser- Bieder- und Eisenmänner sind keine Windischgrätze. — Die Ohnmacht der Frankfurter Hanswurste muß sich in einem Guerillakrieg wieder Windischgrätz und Wrangel, diesem neuen Zwillingspaar des Absolutismus, gut ausnehmen.
Wer heute erschossen worden ist, weiß ich noch nicht, die gestrige Hinrichtung wegen eines Privatgesprächs hat Kaffee- und Gasthäuser ganz stumm gemacht; die Menschen sitzen beisammen, wie chinesische Balancirfiguren. Wer kann, bleibt zu Hause, ohne indessen sicherer zu sein, weil Hausmeister, Mägde und Hausherrn jedes Ehrengesicht denunziren.
Jellachich, so versichert man, soll über die Mißhandlung Wiens unzufrieden sein und ist nach Kroatien zurückgekehrt, um Verstärkung wider Ungarn zu holen. Die Unzufriedenheit mag wohl daher kommen, daß Se. kroatische Majestät durch Windischgrätz entnymbust worden ist. Sie werden es erleben, daß Jellachich nun die erste Gelegenheit ergreifen wird, ein unabhängiges Südslavenreich zu gründen; er sieht, daß die Kamarilla ihn erwischt hat indem sie ihn nur zu ihren Zwecke gebraucht hat. Wenn die Kamarilla fernere Fortschritte macht, so wird aus dem Kroaten- und Czechenreich ebensowenig etwas werden, wie vorläufig noch etwas aus dem Magyaren- Italienischen- Polnischen- und Deutschen Reich etwas geworden ist, mag der Kroat schreien, wie er will, er kenne nur einen Kaiser und einen Gott und Jellachich als Stellvertreter. — Erwägen Sie die Flüchter des Hof's und fragen Sie sich, warum er immer nur in deutsche Städte geflohen ist. Habsburg-Lothringen wird niemals seinen deutschen Ursprung verleugnen, es weiß, daß es sich im andern Falle mit seinen Wurzeln aus der eignen Erde reißen würde.
Auch unter dem Standrecht ereignen sich Heroenthaten, von welchen ich folgende nicht übergehen darf. Ein Akademiker, besser Legionär, kommt mit zwei Kollegen wegen des 31. vor's Kriegsgericht; seine beiden Freunde werden zum Strang verurtheilt, er aber freigesprochen. Der Legionär protestirt gegen seine Freisprechung, erfindet, um das Schicksal seiner Freunde zu theilen, standrechtliche crimina und wird durch die humane Gefälligkeit des Kriegsgerichts aus Kameradschaft mit den andern richtig zusammengeschossen. Ein Schneidergeselle nahm während der Belagerung statt der Nadel lieber die Büchse seines Meisters und vertrat fortwährend dessen Waffendienste zur überaus großen Zufriedenheit desselben. Der Schneidergeselle fehlte niemals an den gefährlichsten Punkten, und da er ein guter Schütze war, so hatte er zuletzt seine sieben Mann nebst einem Offizier niedergestreckt. Am 31. Oktober war er der glücklichste Mensch und harrte aus bis zum Brande und Einzug des Militärs. Man fing ihn auf, schleppte ihn nach Hetzendorf und ließ ihn zwei Tagen mit mehreren Tausend Anderen nahrungslos und gebunden am Boden liegen. Endlich kam er in's Verhör und sollte, da niemand wider ihn zeugte und der Auditeur einen Schneidergesellen für schuldlos halten zu können glaubt, losgelassen werden. Dies rühmliche Ende seiner Thaten verdroß indessen unsern Gesellen dermaßen, daß er dem Auditeur Vorwürfe darüber machte, daß er seinen eigenen Angaben keinen Glauben schenke. Ich will sterben, schrie er ihm zu, denn ich habe rühmlich für die Freiheit gefochten; ich lasse mir so meine Verdienste nicht nehmen. Die Untersuchung wurde erneut und der Schneidergeselle zum Strang verurtheilt. Windischgrätz hatte nicht die Großmuth, — was sage ich, den Verstand — diesen Mann zu begnadigen, seinem Muthe einen Wirkungskreis zu geben.
In den Kunsthandlungen wird ein wohlgetroffenes Porträt des Hrn. Windischgrätz verkauft, welches, wie die Unterschrift sagt, jedoch nur für seine intimsten Verehrer bestimmt ist, die sich beim Ankauf desselben eigenhändig auf einer Liste unterzeichnen müssen, um es zu erhalten. Windischgrätz sieht in sich den Retter der absoluten Gesammtmonarchie mit konstitutionellem Anstrich, er muß sich daher quasi für einen Gott halten. Der arme Jellachich soll vergehen vor Ingrimm und Anersperg hat seinen Abschied genommen.
Das Standrecht wird vor Allem wider solche unerbittlich gehandhabt, die eine militärische Qualität besitzen, mögen sie übergetreten sein oder nicht, sofern sie sich an der Volkssache betheiligt haben. Die übergetretenen Unteroffiziere sollen in Hetzendorf sämmtlich erschossen worden sein. Niemand war nach der Uebergabe am 31. daher auch bedauernswerther, als die armen Grenadiere u. s. w. mit ihrer verrätherischen militärischen Haltung und zum Theil noch in ihren Kleidern. Die wenigsten entkamen, weil man auch jeden packte, der gar keine oder sichtlich ihm nicht anpassende Kleidung trug. Die Uniformen der akademischen Legion wurden sammt Federbüschen und Scherpen im ersten Entsetzen dem Vulkan geopfert.
61 Wien, 19. Novbr. Unser Belagerungszustand ist heute 4 Wochen alt und noch immer hat der Kaiser kein versöhnendes Wort gesprochen. Man wäre zu der Erwartung wenigstens berechtigt, daß an die Stelle des militärischen Standrechts endlich einmal wieder die Civiljustiz trete. — Wie verlautet, sollen gestern im Schwarzenberg-Garten während des ganzen Tags Menschen erschossen worden sein; man sah ganze Trupps gebundener Gefangenen dorthin schleppen. — Professor Füster, den die Schwarzgelben den Blutprediger der Aula nennen, ist gestern, wie ich höre, zum Xten Male festgenommen worden. Dem Gerüchte nach sollen sich drei Kerle gefunden haben, welche aussagen, er habe ihnen Geld gegeben, um Latour zu ermorden. Daß sich solche Kerle finden lassen, wenn man sie nur einmal haben will, bedarf keines Wortes. Schon am 4. erzählten mir einige schwarzgelbe Kannibalinnen _ mit unsäglicher Wollust, Füster sei in Hetzendorf gehängt worden; sie übergossen ihn dabei noch mit einer eckelhaften Sauce, — Füster hatte sich damals in Baden befunden; das Gasthaus, wo er wohnte, wurde indessen mit Militär umstellt, ohne daß mir bekannt geworden ist, wie die Sache endete. Füster's grimmigste Feinde sind die Pfaffen; sie vigiliren auf ihn, wie die Lüchse auf ihre Beute; sir bringen ihn gewiß an den Strang. Bisher schützte ihn noch seine Abgeordnetenqualität, da man noch keinen Reichstagsdeputirten meines Wissens standrechtlich verfolgt hat. Ob Füster für diesmal davon kommt, muß ich sehr bezweifeln. — Auch Becher, der Redakteur des Radikalen, ist gestern eingefangen worden. Er soll sich in einem ausgezeichneten Versteck der Vorstädte befunden, dasselbe aber gestern verlassen haben, um nach Ungarn zu entfliehen. Zu diesem Ende sei er in die Stadt und ungarische Staatskanzlei gegangen. Eben beim Eintritt in die letztere wurde er von einer Polizeispionie erkannt, welcher sofort die nächsten Sicherheitswächter herbeirief. Die Kanzlei wurde nun mit Militär umzingelt, durchsucht und Becher im Bett des Büreauwächters aufgefunden. Er soll beim 31. Oktbr. sehr kompromittirt sein und ist daher so unrettbar verloren, daß er nicht einmal erschossen, sondern, wenn's angeht, 12 Mal gehängt wird.
Nach einem andern Gerüchte ist Albini hier angekommen und soll einen vollständigen Friedens-Pakt überbringen. Oh weh! Es fehlt nur noch, daß Cavaignac oder Bonaparte Präsident werden und Windischgrätz die Hand reichen.
Wenn in Berlin die Wiedereinführung der alten Ordnung via Belagerungszustand ohne wesentlichen Kampf geschieht, so können wir uns hier wenigstens mit einem riesenhaften Widerstande brüsten, der von den k. k. Offizieren durchaus als ungewöhnlich tapfer gehalten anerkannt ist.
In Agram, der Hauptstadt Kroatiens wird Jellachich als König des kroatisch-illyrischen Zukunftreiches thronen. Er soll in dieser Beziehung jetzt ganz bestimmte Forderungen machen. Kroatien soll mit allen slavischen Ländern von Ungarn losgerissen und zu einem südslavischen Ganzen gebracht werden, für welches Jellachich ganz außergewöhnliche Freiheiten verlangt haben soll.
Man glaubt allgemein, der Belagerungszustand werde so lange dauern, bis Ungarn, wie der offizielle Stil es nennt, pazifizirt und die Kremsirer Verfassung vollendet ist.
* Wien, 18. Novbr. Ein neuer Armeebefehl ist erschienen, wegen Einlieferung von Personen, die „die Truppen zum Treubruche zu verleiten“ suchen. Zwar halte der Hr. Windischgrätz, heißt es darin, den Erlaß bei dem „bewährten vortrefflichen Geist der Truppen“ eigentlich für überflüssig; allein gleichwohl solle bei sämmtlichen Truppenkörpern wiederholt bekannt gemacht werden:
„daß jener Mannschaft vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts 25 Fl. ausgezahlt werden, welche einen Emissär oder Aufwiegler zu Stande bringt und ausliefert, der, sei es nun durch Worte oder durch Vertheilung von Plakaten und Flugschriften den Soldaten aufzuwiegeln und zum Treubruche zu verleiten sucht.“
Selbst in dem Plündern, Morden und Nothzüchtigen, womit sich das kön. kaiserl. Heer vor und nach der Einnahme Wiens erlustigte, liegt nicht die Hälfte so viel Niederträchtigkeit, als in diesem kön. kaiserl. Armeebefehl. Brauchen die Truppen Geld, so packen sie den Ersten Besten beim Kragen, schleppen ihn unter dem Vorwande aufwieglerischer Worte vor das Militärgericht und erhalten dafür Jeder 25 Fl.! Man sieht, Metternich hat seine Leute trefflich eingeschult. Das Delatorenwesen in den schlimmsten Zeiten römischer Kaiserherrschaft ist ein Kinderspiel gewesen vor dem, welches Hr. Windischgrätz durch seine Prämie für Verruchtheit und Habgier zu Stande bringen wird.
** Breslau, 20. Novbr. Der Oberpräsident Pinder ist wegen seiner Erklärung zu Gunsten der Nationalversammlung ab- und durch den Präsidenten der Liegnitzer Regierung (Schleinitz) ersetzt worden. Die Steuerverweigerung organisirt sich durch die ganze Provinz. Jetzt zeigt es sich, welch' großen Nutzen die Rustikal-Vereine mit ihrem Centralausschuß gewähren. Schütte und Chasse sind glücklich hierher gelangt. Was sie über die in und um Wien von den „Stützen der Ordnung“ verübten Grausamkeiten und Schändlichkeiten berichten, macht die Haare sträuben. Die preußische Hofparthei lechzt danach, uns recht bald ein ähnliches Schicksal zu bereiten. Thun nur alle Provinzen ihre Schuleigkeit, so wird sie an ihren Gewaltstreichen schmählich zu Grunde gehen.
Ratibor, 19. November. Gestern kamen endlich einmal wieder einige Reisende direkt von Pesth hier durch. Dieselben reisen in Deutschland, um Arbeiter für die ungarische Armee anzuwerben. Das Schicksal Ungarns ist, denselben zufolge, wesentlich davon abhängig, daß den Magyaren Zeit verbleibe, ihre irregulairen Truppen in regulaire umzuwandeln. Läßt daher während des Winters das Wetter Kriegsoperationen nicht zu, so ist Ungarn gerettet, indem sich in diesem Falle die Ungarn nach Innen und
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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