Neue Rheinische Zeitung. Nr. 140. Köln, 11. November 1848.dann in die Stadt, die übrigen in die umliegenden Ortschaften zur Einquartirung auf unbestimmte Zeit verlegt. Die Hoffnung der Reaktion, einen offenen Konflikt herbeizuführen und dadurch unter unserer größtentheils demokratisch gesinnten Bevölkerung ein Blutbad anzurichten, ist übrigens bis jetzt an der ruhigen und besonnenen Haltung der Bürger gescheitert. Die Soldaten sind möglichst gut aufgenommen worden, besuchen fleißig die Volksversammlungen und die Sitzungen des demokratischen Vereines und geben auf alle Weise ihre volksthümlichen Gesinnungen kund, so daß in dieser Hinsicht das beste Einvernehmen stattfindet. Indessen bewog der materielle Druck der übermäßigen Einqurtirung eine sogleich am ersten Tage vom demokratischen Verein berufene Volksversammlung, durch eine Deputation in Berlin, deren Entfernung zu beantragen, welchem Schritte sich auch die Stadtbehörden anschlossen. Das Ministerium ertheilte zur Antwort, erst müsse die widerspenstige Landwehr eingezogen werden und damit wurde denn auch in den letzten Tagen unter wiederholter Entwickelung großartiger militärischer Vorsichtsmaßregeln vorgeschritten. Hierbei werden eine große Anzahl Landwehrmänner, die bei der ersten verunglückten Einziehung nicht bestellt worden waren, zur Einkleidung kommandirt und unter Kavallerieskorte abgeführt; ebenso bleiben die dringendsten Reklamationen, wegen persönlicher Verhältnissevon der Einkleidung befreit zu bleiben, unberücksichtigt. Viele, die bereits durch die Einziehung zur Landwehr im vergangenen Sommer Monate lang ihren Geschäften und Familien entzogen worden sind, werden die durch vollends materiell ruinirt. In andern Kreisen Schlesiens unterbleibt dagegen die Einziehung der Landwehr ganz oder beschränkt sich auf einige, die sich freiwillig dazu melden. Zur Rechtfertigung dieser Maßregeln ist eine Kabinetsordre publizirt worden, durch welche der Kommandeur des schlesischen Armeekorps mit der Einziehung beauftragt wird. Da die Landwehr ihrem Statute nach nur zur Abwehr des äußeren Feindes verwandt werden soll, ein solcher aber gegenwärtig nicht bekannt ist, auch von jener Kabinetsordre früher nichts verlautete, so war die frühere Weigerung der Landwehrmänner nicht ohne eine positiv-rechtliche Begründung. Um so größer ist die allgemeine Entrüstung über dieses ganze Verfahren. Die Reaktionäre hoffen sogar noch auf weitere militärische Strafgerichte und gehen triumphirend und verklärten Blickes, das Volk verhöhnend, umher, während in diesem sich die feste Zuversicht ausspricht, daß sich dieser Jubel seiner Feinde binnen kurzer Zeit nur in eine desto größere Niedergeschlagenheit verwandeln wird. Inowraclaw, 1. Nov. Der höchst wichtige Beschluß der Berliner Versammlung in Bezug auf das Großherzogthum Posen hat hier natürlich verschiedene Sensation erregt. Die Polen sind damit zufrieden, indem derselbe die Frankfurter Beschlüsse aufgehoben und die Demarkationslinie unmöglich gemacht. Die Deutschen aber sind außer sich, es werden Protestationen gegen den Kammerbeschluß geschmiedet, die Hauptabsicht aber geht dahin, neue Unruhen zu erregen, um die öffentliche Meinung wieder durch bekannte Lügengeschichten gegen die Polen einzunehmen, besonders aber das Soldatenregiment wieder einzuführen, damit nicht allein der Belagerungszustand in Posen nicht aufgehoben, sondern derselbe wieder über die ganze Provinz verbreitet werde. So wurde in Bromberg vorgestern die Liga polska, welche sich dort versammelt hatte, auseinandergeprügelt. Hier waren am Montage, wo unsere Liga Versammlung hatte, scharfe Patronen vertheilt worden. Gern hätte man einen Konflikt mit irgend einem Bauer herbeigeführt; jedoch die Bauern, deren sich einige Hundert in der Versammlung befanden, wurden beschworen, sich ruhig zu verhalten, auch wenn sie gereizt würden. Diesebe Bitte sollten sie an ihre Mitbewohner der Dörfer richten, besonders wenn sie am heutigen Feiertage in die Stadt kämen; denn für heute hat unser Militär besondere Vorkehrungen getroffen, da ihm der Ausbruch einer Revolution oder wenigstens ein öffentlicher Aufzug mit polnischen Fahnen auf heute notifizirt ist. Natürlich findet Jeder, der irgend die hiesigen Verhältnisse kennt, es höchst lächerlich, so etwas zu glauben. Die Polen haben jetzt Anderes als Demonstrationen zu machen, und wie gesagt, solche Dinge werden rein erfunden von der deutschen Partei, oder besser, der deutschen Bureaukratie, um irgend wo einen Zusammenstoß zu Stande zu bringen. Uebrigens werden hier zu Lande solche Maßregeln allein von den Militärbehörden ohne die Civilbehörden angeordnet. Im Augenblick höre ich dem Militär die Lärmsignale geben, man ist aber deßhalb so ruhig, daß man kaum von dem Vorfall Notiz nimmt. Ich schicke den Brief auf die Post, deren Schluß sehr nahe ist, ohne mich noch zuvor nach der Ursache des Allarmirens erkundigt zu haben; denn, wie gesagt, es wird wohl ein blindes sein. (A. O.-Z.)Wien. Die "A. A. Ztg." theilt aus "A. Tebaldi über die Slaven des österreichischen Kaiserthums. Wien 1848" folgende Notiz zur Statistik der in Oestreich hausenden Slaven, Deutschen und Italiener mit: Würde man bloß den Namen: deutsche, ungarische, slavische und italienische Provinzen folgen, so wäre die Frage auch in numerischer Hinsicht sogleich zu Gunsten der Deutschen und Ungarn entschieden. Böhmen, Mähren, österreichisch Schlesien, Oesterreich ob- und unter der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain, Küstenland, Tirol und Vorarlberg sind mit 11,993,617 Einwohnern die "deutschen" Provinzen des Kaiserreichs; Ungarn, Civil-Kroatien und Slavonien, Siebenbürgen, Militärgränze und Dalmatien gehören zu den "ungarischen" Provinzen mit 14,259,878 Einwohnern. Es stünden danach also die genannten Theile der Monarchie mit einer Gesammtbevölkerung von mehr als 26 Millionen, den 5,130,208 Einwohnern der "slavischen" Provinzen Galizien, Bukowina und Krakauer Gebiet, sowie den 4,740,000 Italienern des lombardisch-venetianischen Königreichs massenhaft überlegen gegenüber. Allein die deutschen und ungarischen Provinzen sind nicht ausschließlich deutsch und ungarisch bevölkert, vielmehr haben selbst mehrere deutsch-österreichische Provinzen eine überwiegende Slavenbevölkerung, und ebenso beherbergen die ungarischen Provinzen mehr Slaven und Deutsche als Magyaren. Die Vertheilung des gegenseitigen Gewichts der Volksmenge nach den unter Oesterreich vereinten Nationalitäten ist eine andere, den Deutschen, Ungarn und Italienern entschieden ungünstig. In dreizehn Provinzen (Böhmen, Mähren mit österreichisch Schlesien, Steiermark, Kärnthen und Krain, Küstenland, Dalmatien, Ungarn, Civil-Kroatien und Slavonien, Siebenbürgen, Militärgränze, Galizien, mit Krakau und Bukowina) vertheilen sich 17,422,177 Slanen, während die Gesammtmasse der Deutschen nur 7,833,175 in 18 Provinzen beträgt, die Ungarn bloß 5,472,910, die Italiener 5,506,000 ansmachen. Die Slaven bilden sonach 40/100, beinahe die Hälfte der Gesammtbevölkerung der österreichischen Monarchie. Wien. Wir geben nachträglich die östreichische Reichstagssitzung vom 24. und 25. Oktober. 102 Wien, 25. Oktbr. Reichstagssitzung von gestern. Eröffnung um 12 1/2 Uhr durch den Präsidenten Smolka. Präsident: Nachdem mir angezeigt worden ist, daß in Florisdorf vom Militär drei Abgeordnete an der Rückkehr nach Wien verhindert worden, so habe ich sofort um 10 Uhr einen Eilboten an Se. Durchl. (!) den Fürsten zu Windischgrätz mit einer Zuschrift abgesendet, worin ich denselben ersuche, die wahrscheinlich nur aus Mißverständniß an der Weiterreise verhinderten Abgeordneten frei ziehen zu lassen. Ich habe mich deshalb mit dem Finanzminister Krauß vorher ins Einvernehmen gesetzt und auch er hat eine ähnliche Zuschrift abgefertigt. Ich erfuhr die Festhaltung der Abgeordneten durch einen von dem Abg. Koszowski geschriebenen, mir überbrachten Zettel folgenden Inhalts. (Verl. denselben:) Potocki: Sind die Namen der andern beiden Abgeordneten bekannt? Präsident: Nein, ich erfuhr nur den Namen Koszowski's. - Der Abg. Dilewski verlangt krankheitshalber (? unterdessen er spazieren geht) einen Urlaub von 4 Tagen. Es ist dem permanenten Ausschuß eine Kundmachung des Fürsten Windischgrätz zugekommen, über welche er noch berathet, ich setze die Sitzung also bis 5 Uhr aus. 5 1/2 Uhr. Nur wenige Abgeordnete sind da, als der Präsident seinen Sitz einnimmt und die Glocke rührt. Das Publikum hat sich massenweise auf die Gallerien gedrängt. Erwartung und tiefe Spannung beherrscht alle Gemüther. Robert Blum befindet sich auf der Gallerie der Journalisten. Präsident: Die zur Berathung nöthige Anzahl von Abgeordneten ist vorhanden, ich eröffne daher die Sitzung, indem ich den Abg. Schuselka ersuche, den Bericht des permanenten Ausschusses zu erstatten. (Tiefe, athemlose Stille, während Schuselka die Tribüne besteigt). Schuselka: Wir haben weitere Geldbeiträge erhalten; Hr. Mahler hat als uns Ertrag einer Sammlung 385 Fl. übergeben (Bravo); der Abg. Meiedl desgleichen 213 Fl. im Namen der Stadt Braunau in Ober-Oestreich (Bravo). Letzte sind mit folgender Zuschrift begleitet; (verliest dieselbe.) Der Inhalt der Zuschrift ist sehr freisinnig, die Stadt will sich auf einen Wink des Reichstags erheben und schwärmt für ein freies starkes Oestreich und einiges Deutschland. (Bravo) Der Abg. Borrosch hat Namens der Gemeinde N... 43 Fl. abgegeben. Durch den Finanzminister ist uns ein Schreiben Auerspergs als Antwort auf unsere Beschwerde vom 19. über die Absperrung von Lebensmitteln zugegangen, worin derselbe sein Verfahren damit entschuldigt, daß die Verpflegung der Truppen, da die Stadt dieselbe nicht ferner geleistet, nur auf diese Weise habe geschehen können. Das Schreiben (verliest dasselbe) ist datirt Ingersdorf, 21. Oktbr. Der Ausschuß hat sich alle Mühe gegeben, die Truppen zu verproviantiren und hat den Proviant anfänglich sogar durch die akademische Legion eskortiren lassen, als aber die Umzingelung der Stadt immer bedrohlicher wurde, mußte er zur Erhaltung der eigenen Bevölkerung die Ausfuhr von Lebensmitteln einstellen. (Bravo). In einer zweiten Zuschrift des Finanzministers erhalten wir die Antwort, welche Windischgrätz auf unsere Zuschrift und Zustellung des Manifestes vom 19. an denselben ertheilt hat. Wir haben uns damals der sanguinischen Hoffnung hingegeben, Fürst Windischgrätz würde sich dadurch bestimmen lassen, von Gewaltmaßregeln abzustehen, derselbe hat jedoch nur mündlich dem Eilboten des Ministers die Bescheidung gegeben, er kenne keine andere Exekutivbehörde in Wien als den Gemeinderath, der unter ihm stehe und betrachte den Minister Krauß als Gefangenen (Bravo Hr. Krauß, geschickter Spieler!) Der Eilbote hat diese Antwort niedergeschrieben und dem Minister mitgetheilt. (Verliest dieselbe unter ängstlich zurückgehaltenem Zischen der Versammlung). Heute erhielten wir durch den Gemeinderath eine neue Proklamation des Fürsten Windischgrätz. Ich bin nicht beauftragt, mich darüber zu äußern und will es auch für meine Person nicht thun; die Geschichte wird ihr Urtheil darüber sprechen. (Hier folgt die Proklamation von Windischgrätz aus dem Hauptquartier Hetzendorf vom 23. Oktbr., welche wir bereits mittheilten.) Wir haben Abdrücke von dieser Proklamation nach Olmütz geschickt, um zu erfahren, ob der Minister Wessenberg sie mit der konstitutionellen Freiheit für vereinbar erkläre. Wir konnten uns indessen damit nicht begnügen. Es stehen uns allerdings nur moralische Mittel (!!!) zu Gebote und von diesen Mitteln wollen wir Gebrauch machen. Wir haben uns als unerschrockene Wächter der Freiheit auszusprechen (Bravo) und vor der civilisirten Welt, der Geschichte und vor Gott (!) zu protestiren. Als aufrichtige, treue Anhänger des konstitutionellen Prinzips werden wir in unserer Proklamation sagen, daß durch das Verfahren des Windischgrätz dem monarchisch-konstitutionellen Prinzip Schaden erwachse, mehr als durch die feindlichsten Maßregeln. (Gewaltiges Bravo.) Wir glauben, daß die Darstellung, Windischgrätz kämpfe für das konstitutionelle Prinzip (!!!), auf ihn Eindruck machen wird. (!!!) Indessen hat sich über unser Thun im Ausschusse eine Meinungsverschiedenheit gebildet. Die Minorität glaubt, es sei mit unserer Erklärung vom 22. Okt. abgethan, während die Majorität der Ansicht ist, eine wiederholte, kräftige Erklärung, daß namentlich der konstitutionelle Thron in Gefahr stehe, würde noch fruchten. Der Antrag der Majorität lautet: (nach dessen Annahme) "Da Feldmarschall Fürst Windischgrätz im offenen Widerspruche mit dem kaiserl. Worte vom 19. Oktbr. und in offener Nichtachtung des Reichstagsbeschlusses vom 22. Oktbr. in einer neuen Proklamation d. d. Hetzendorf 23. Okt. 1848, Maßregeln über Wien verhängt, die nicht nur die vom Kaiser sanktionirten konstitutionellen, sondern die allgemeinen Bürger- und Menschenrechte völlig aufheben, so erklärt der Reichstag, daß dieses Verfahren des Fürsten Windischgrätz nicht nur ungesetzlich, sondern ebenso sehr gegen die Rechte des Volkes, wie des erblichen konstitutionellen Thrones feindlich sind." Präsident. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? (Nach langer Pause, während welcher die Abgeordneten sich mit den Augen prüfen und das Centrum unaufhörlich hustet.) Gscheitzer: Ich schlage als Zusatz vor, daß Windischgrätz für alle verderblichen Folgen verantwortlich gemacht werde. Präsident. Wünscht noch Jemand das Wort? Vadil (Czeche). Mit unserer Erklärung der Ungesetzlichkeit ist Alles abgethan. Oesterreich hat so viele Hauptstädte, als es Provinzen hat und wir können nicht auf alle, z. B. nicht auf Böhmen, zählen, wenn wir uns übereilen. Borrosch. Dieses neuerliche Manifest hat eine zweifache Wirkung zur Absicht, entweder die Raserei der Verzweiflung eines edeln Volks herauszufordern, um hinterher noch Gründe für die Militär-Diktatur zu finden, oder Zwiespalt in der Bevölkerung und Bürgerkrieg zu veranlassen. (Bravo.) Es hat Wien sich einst gegen einen Feind 7 Monate gehalten, zeigt es jetzt dieselbe Begeisterung und Aufopferung, wie damals, so wird es sich noch eine Weile zu halten vermögen. Ich halte das Manifest vor der Hand für eine Schreckrakete. Ich erkenne es an der verlangten Auslieferung einer unbestimmten Anzahl von Individuen, von Geieln, - Geiseln, meine Herren, wie im Mittelalter! (Gewaltiges Bravo.) In der Zeit des Christenthums und nicht einmal wider einen auswärtigen Feind, gegen das Herz der Monarchie will man soviel wagen? (Bravo.) Was würde der für ein Bürger sein, der seinen Mitbürger als Geisel hingibt? Ich kann also, noch einmal gesagt, nur glauben, daß eine solche Proklamation nur eine Schreckrakete ist. - Unsere Aufgabe ist nicht nur die konstitutionelle Urkunde, sondern auch die Konstituirung des Vaterlandes zu vollenden. Die Abgeordneten der Centralgewalt werden gerade auch nicht lau oder ohnmächtig sein. Wegen der Verantwortlichkeit können wir uns nicht an den Fürsten Windischgrätz, sondern nur an Wessenberg halten, denn es steht einer legislativen Kammer nicht zu, die physische Gewalt für verantwortlich zu erklären. Wo keine anderen Mittel übrig bleiben, dürfen wir nicht lässig werden, zu protestiren und wenn wir es 2, 3, 4mal vergeblich thun; wir erhalten wenigstens die Beruhigung erfüllter Pflicht. Ich kann mich daher nur dem Antrage der Ausschußmajorität anschließen. Sierakowski. Ich beantrage, daß der Gemeinderath ersucht werde, den Beschluß in allen Ortschaften bekannt zu machen und an die Offizire der Armee, an Windischgrätz, Auersperg und Jellachich zu senden. Präsident. Verlangt noch Jemand das Wort? (Athemlose, langanhaltende Pause.) Goldmark. Ich gehöre zu der Minorität des Ausschusses, weil ich etwas Entschiedenes gethan haben will. Das Andere haben wir schon alle gethan und ich mag keine Tautologie und keine Wiederholung. Könnten wir energische Schritte thun, dann würde ich mit dem letzten Antrage einverstanden sein. Das Wort ungesetzlich stellt den Windischgrätz außer Gesetz; er ist daher ein Verräther am Vaterlande, der der Welt einen zweiten und neuen Tschintschiskan zeigen und beweisen will, daß man in Neapel nur eine Spielerei getrieben gegen das, was ein k. k. General zu thun wagt. Es ist Pflicht, jeden Gehorsam aufzukündigen, das ganze Land muß sich erheben gegen diesen Mörder der Freiheit. (Ungeheurer Beifall.) Dies sind die Details des Wortes ungesetzlich sie müssen zur Ausführung kommen, wenn wir die Freiheit retten wollen. (Die Esel treffen immer das Rechte trop-tard.) Vadil. Wären wir Vertreter eines Volks, (Unterbrechung des Redners durch wirres Geschrei.) - Ich beweise meinen Muth, indem ich hier rede, meine Herrn: (Bravo) wären wir Vertreter eines Volks, so könnten wir einheitliche Maßregeln ergreifen, allein die verschiedenen Nationalitäten hindern uns daran. Polaczek. Ist die Publikation der Proklamation diesmal wiederum von dem Gemeinderathe verlangt worden? Schuselka. Davon ist mir nichts bekannt. Polaczek. Wir haben noch nicht die Gewißheit, daß die Proklamation von Windischgrätz herrührt, wir können darüber also nur mit dem Gemeinderathe kommuniziren. Wie ich gehört habe, soll ein Offizier der Armee dieselbe in den Gemeinderath mit der Aufforderung gebracht haben, den Empfang zu bescheinigen. Borrosch. Wir haben niemand anders, durch welchen wir Jemand zur Verantwortung ziehen können, als das Ministerium. Daß ein mächtiges Heer die Proklamation unterstützt, ändert nichts in der Form. Die Konsequenzen geben sich von selber für den, der die Macht hat, ihnen Geltung zu verschaffen. Wir haben uns schon ein richterliches Urtheil angemaßt, es ist daher überflüssig, noch einen politischen Selbstmord zu begehen, wo die Armee hinter uns steht. Fallen wir, so fallen wir mit Ehre; den Bajonetten trotze ich. Ich habe am meisten zu fürchten, denn ich habe noch freier gesprochen. Ich will mit Ehre, nicht mit Schmach fallen, nicht gegen meine Ueberzeugung, nicht gegen mein Gewissen. Wir sind die Vertreter des ganzen Reiches, das bitte ich zu bedenken. Wenn wir nicht Alles thun, uns zu erhalten, so gehen wir einem Racenkrieg, vielleicht einem 30jährigen entgehen. Scherzer. Ich beantrage den Schluß der Debatte. (Angenommen.) Goldmark. Ich stehe ebenso gefährdet da, wie Borrosch. Ich bin solange für meine Konsequenzen, als sie nicht logisch widerlegt sind. Man sagt, Windischgrätz sei Plenipotentiär der Krone gegenüber der Volksfreiheit, darum wäre ich für die Maßregeln, wie ich sie will. Besteht die Freiheits-Begeisterung fort, dann mögen diese Plenipotentiäre kommen, sie werden Wien nicht besiegen. Schuselka. Gscheitzers Zusatz ist Windischgrätz gegenüber unpraktisch. (Gscheitzer nimmt ihn zurück.) Wir müssen uns darauf beschränken, daß wir Windischgrätz vor der Nachwelt verantwortlich machen. (Das sind die schauerlichen Konsequenzen konstitutioneller Eselei.) Wir haben uns nicht auf eine blose Wiederholung beschränkt, wie Goldmark meint, sondern wir haben ganz neue Punkte hervorgehoben, indem wir auf Verletzung der allgemeinen Bürger- und Menschen-Rechte verwiesen und den Fürsten als Ritter der Legitimität und des Absolutismus einen Feind des Thrones genannt haben. (Pillersdorf tritt herein, der Jude Fischof hinter ihm her, setzt sich neben ihn.) Die Proklamation gab ganz Wien einen Schnitt ins Herz, denn sie ist inhuman. (wie bescheiden, dennoch aber Bravo.) Was die Authentizität anbelangt, so ist das eingehaltene Verfahren der Zustellung geraderecht das des Windischgrätz; er wollte uns eine Galgenfrist geben Der Antrag Sierakowski's ist unausführbar, obwohl die Ausführung wünschenswerth erscheint. Präs. Es sind 194 Abgeordnete anwesend, wir sind also beschlußfähig. (Der Antrag der Kommission wird angenommen, alle Abgeordnete außer Pillersdorff, dem Juden Fischoff, Eckel und Fleischer haben sich dafür erhoben.) Der Druck wird bestimmt, Sierakomski's Antrag fällt durch. Borrosch: Es ist nöthig, die Namen der Anwesenden aufzunehmen, damit es konstatirt ist, daß wir beschlußfähig gewesen sind. (Nein, nein!) Das Protokoll wird vorgelesen, die Sitzung beendigt. In der heutigen um 12 1/2 Uhr eröffneten Sitzung las der Präs. eine Antwort Windischgrätz auf die Anfrage wegen der zurückgehaltenen Abgeordneten vor, worin gesagt ist, daß jeder, der sich als Abgeordneter ausweisen könne, nach Wien gehen dürfe, die Angabe des Reichstags also auf einem Irrthum beruhen müsse. Sodann kündigte der Präs. an, daß Windischgrätz den Finanzminister Krauß zu sich ins Lager zitirt und der Abgeordnete Brestl sich ihm freiwillig dahin angeschlossen habe. Er theilte ferner mit, daß eine Depesche aus Olmütz angelangt sei, über welche der Ausschuß noch berathe und setzte darum die Sitzung bis um 5 Uhr aus. Um 5 3/4 Uhr fand die Wiedereröffnung statt, die Versammlung zeigte dem Anscheine nach eine ziemlich aufgeräumte Physiognomie. Präs. Smolka hielt eine Vorrede, worin er die Kammer ersuchte, die Depesche aus Olmütz mit dem gewohnten würdigen Ernste aufzunehmen. Schuselka verkündet neue Geldbeiträge und erzählt, das Gerücht gehe, die Studenten hätten Briefe aufgefangen und geöffnet, der Ausschuß habe darauf eine Zuschrift an sie gerichtet und zur Antwort erhalten, sie hätten allerdings einen hohen Herrn mit einem Briefsack zur Aula gebracht. Derselbe habe sich aber als envoye des Finanzministers ausgewiesen, sein Sack das Siegel des Reichstags getragen und sei darauf wieder entlassen worden. (Sehr konstitutionell gescheidt.) Hierauf verliest er eine Hochachtungsadresse des Gemeinderathes an den Reichstag (Bravo) und meldet, daß im permanenten Ausschuß gestern auch der Vorschlag aufgekommen sei, mit Windischgärtz eine mündliche Unterredung zu halten. Dieselbe sei jedoch nach dem bisherigen Verhalten für unmöglich erachtet worden, ohne daß man aber deßhalb eine Gelegenheit der Art von der Hand zu weisen gewollt habe, indem kein Ausweg unversucht bleiben dürfe. Der Abgeordnete Pillersdorff habe, aber ohne Vollmacht des Ausschusses, diese konsidentielle Mission übernommen und werde am besten über den gethanen Schritt berichten können. Pillersdorff besteigt auf Ersuchen des Präsidenten hierauf die Tribüne und erzählt in sehr ausführlicher Weise seinen Besuch bei Windischgrätz. Er entwickelt die Vorstellungen, die er demselben gemacht, alle Antworten, die Windischgrätz darauf gegeben. Die Erbitterung desselben, sagt er, beruhe hauptsächlich darin, daß die Bevölkerung von Wien sich feindselige Akte wider das Militär erlaubt habe, weshalb er von den von ihm gestellten Bedingungen nicht abgehen könne. Jedoch habe er sich geneigt gezeigt, sich mit einer Deputation des Reichstags in Unterhandlungen einlassen zu wollen. Pillersdorff endete seinen langen dann in die Stadt, die übrigen in die umliegenden Ortschaften zur Einquartirung auf unbestimmte Zeit verlegt. Die Hoffnung der Reaktion, einen offenen Konflikt herbeizuführen und dadurch unter unserer größtentheils demokratisch gesinnten Bevölkerung ein Blutbad anzurichten, ist übrigens bis jetzt an der ruhigen und besonnenen Haltung der Bürger gescheitert. Die Soldaten sind möglichst gut aufgenommen worden, besuchen fleißig die Volksversammlungen und die Sitzungen des demokratischen Vereines und geben auf alle Weise ihre volksthümlichen Gesinnungen kund, so daß in dieser Hinsicht das beste Einvernehmen stattfindet. Indessen bewog der materielle Druck der übermäßigen Einqurtirung eine sogleich am ersten Tage vom demokratischen Verein berufene Volksversammlung, durch eine Deputation in Berlin, deren Entfernung zu beantragen, welchem Schritte sich auch die Stadtbehörden anschlossen. Das Ministerium ertheilte zur Antwort, erst müsse die widerspenstige Landwehr eingezogen werden und damit wurde denn auch in den letzten Tagen unter wiederholter Entwickelung großartiger militärischer Vorsichtsmaßregeln vorgeschritten. Hierbei werden eine große Anzahl Landwehrmänner, die bei der ersten verunglückten Einziehung nicht bestellt worden waren, zur Einkleidung kommandirt und unter Kavallerieskorte abgeführt; ebenso bleiben die dringendsten Reklamationen, wegen persönlicher Verhältnissevon der Einkleidung befreit zu bleiben, unberücksichtigt. Viele, die bereits durch die Einziehung zur Landwehr im vergangenen Sommer Monate lang ihren Geschäften und Familien entzogen worden sind, werden die durch vollends materiell ruinirt. In andern Kreisen Schlesiens unterbleibt dagegen die Einziehung der Landwehr ganz oder beschränkt sich auf einige, die sich freiwillig dazu melden. Zur Rechtfertigung dieser Maßregeln ist eine Kabinetsordre publizirt worden, durch welche der Kommandeur des schlesischen Armeekorps mit der Einziehung beauftragt wird. Da die Landwehr ihrem Statute nach nur zur Abwehr des äußeren Feindes verwandt werden soll, ein solcher aber gegenwärtig nicht bekannt ist, auch von jener Kabinetsordre früher nichts verlautete, so war die frühere Weigerung der Landwehrmänner nicht ohne eine positiv-rechtliche Begründung. Um so größer ist die allgemeine Entrüstung über dieses ganze Verfahren. Die Reaktionäre hoffen sogar noch auf weitere militärische Strafgerichte und gehen triumphirend und verklärten Blickes, das Volk verhöhnend, umher, während in diesem sich die feste Zuversicht ausspricht, daß sich dieser Jubel seiner Feinde binnen kurzer Zeit nur in eine desto größere Niedergeschlagenheit verwandeln wird. Inowraclaw, 1. Nov. Der höchst wichtige Beschluß der Berliner Versammlung in Bezug auf das Großherzogthum Posen hat hier natürlich verschiedene Sensation erregt. Die Polen sind damit zufrieden, indem derselbe die Frankfurter Beschlüsse aufgehoben und die Demarkationslinie unmöglich gemacht. Die Deutschen aber sind außer sich, es werden Protestationen gegen den Kammerbeschluß geschmiedet, die Hauptabsicht aber geht dahin, neue Unruhen zu erregen, um die öffentliche Meinung wieder durch bekannte Lügengeschichten gegen die Polen einzunehmen, besonders aber das Soldatenregiment wieder einzuführen, damit nicht allein der Belagerungszustand in Posen nicht aufgehoben, sondern derselbe wieder über die ganze Provinz verbreitet werde. So wurde in Bromberg vorgestern die Liga polska, welche sich dort versammelt hatte, auseinandergeprügelt. Hier waren am Montage, wo unsere Liga Versammlung hatte, scharfe Patronen vertheilt worden. Gern hätte man einen Konflikt mit irgend einem Bauer herbeigeführt; jedoch die Bauern, deren sich einige Hundert in der Versammlung befanden, wurden beschworen, sich ruhig zu verhalten, auch wenn sie gereizt würden. Diesebe Bitte sollten sie an ihre Mitbewohner der Dörfer richten, besonders wenn sie am heutigen Feiertage in die Stadt kämen; denn für heute hat unser Militär besondere Vorkehrungen getroffen, da ihm der Ausbruch einer Revolution oder wenigstens ein öffentlicher Aufzug mit polnischen Fahnen auf heute notifizirt ist. Natürlich findet Jeder, der irgend die hiesigen Verhältnisse kennt, es höchst lächerlich, so etwas zu glauben. Die Polen haben jetzt Anderes als Demonstrationen zu machen, und wie gesagt, solche Dinge werden rein erfunden von der deutschen Partei, oder besser, der deutschen Bureaukratie, um irgend wo einen Zusammenstoß zu Stande zu bringen. Uebrigens werden hier zu Lande solche Maßregeln allein von den Militärbehörden ohne die Civilbehörden angeordnet. Im Augenblick höre ich dem Militär die Lärmsignale geben, man ist aber deßhalb so ruhig, daß man kaum von dem Vorfall Notiz nimmt. Ich schicke den Brief auf die Post, deren Schluß sehr nahe ist, ohne mich noch zuvor nach der Ursache des Allarmirens erkundigt zu haben; denn, wie gesagt, es wird wohl ein blindes sein. (A. O.-Z.)Wien. Die „A. A. Ztg.“ theilt aus „A. Tebaldi über die Slaven des österreichischen Kaiserthums. Wien 1848“ folgende Notiz zur Statistik der in Oestreich hausenden Slaven, Deutschen und Italiener mit: Würde man bloß den Namen: deutsche, ungarische, slavische und italienische Provinzen folgen, so wäre die Frage auch in numerischer Hinsicht sogleich zu Gunsten der Deutschen und Ungarn entschieden. Böhmen, Mähren, österreichisch Schlesien, Oesterreich ob- und unter der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain, Küstenland, Tirol und Vorarlberg sind mit 11,993,617 Einwohnern die „deutschen“ Provinzen des Kaiserreichs; Ungarn, Civil-Kroatien und Slavonien, Siebenbürgen, Militärgränze und Dalmatien gehören zu den „ungarischen“ Provinzen mit 14,259,878 Einwohnern. Es stünden danach also die genannten Theile der Monarchie mit einer Gesammtbevölkerung von mehr als 26 Millionen, den 5,130,208 Einwohnern der „slavischen“ Provinzen Galizien, Bukowina und Krakauer Gebiet, sowie den 4,740,000 Italienern des lombardisch-venetianischen Königreichs massenhaft überlegen gegenüber. Allein die deutschen und ungarischen Provinzen sind nicht ausschließlich deutsch und ungarisch bevölkert, vielmehr haben selbst mehrere deutsch-österreichische Provinzen eine überwiegende Slavenbevölkerung, und ebenso beherbergen die ungarischen Provinzen mehr Slaven und Deutsche als Magyaren. Die Vertheilung des gegenseitigen Gewichts der Volksmenge nach den unter Oesterreich vereinten Nationalitäten ist eine andere, den Deutschen, Ungarn und Italienern entschieden ungünstig. In dreizehn Provinzen (Böhmen, Mähren mit österreichisch Schlesien, Steiermark, Kärnthen und Krain, Küstenland, Dalmatien, Ungarn, Civil-Kroatien und Slavonien, Siebenbürgen, Militärgränze, Galizien, mit Krakau und Bukowina) vertheilen sich 17,422,177 Slanen, während die Gesammtmasse der Deutschen nur 7,833,175 in 18 Provinzen beträgt, die Ungarn bloß 5,472,910, die Italiener 5,506,000 ansmachen. Die Slaven bilden sonach 40/100, beinahe die Hälfte der Gesammtbevölkerung der österreichischen Monarchie. Wien. Wir geben nachträglich die östreichische Reichstagssitzung vom 24. und 25. Oktober. 102 Wien, 25. Oktbr. Reichstagssitzung von gestern. Eröffnung um 12 1/2 Uhr durch den Präsidenten Smolka. Präsident: Nachdem mir angezeigt worden ist, daß in Florisdorf vom Militär drei Abgeordnete an der Rückkehr nach Wien verhindert worden, so habe ich sofort um 10 Uhr einen Eilboten an Se. Durchl. (!) den Fürsten zu Windischgrätz mit einer Zuschrift abgesendet, worin ich denselben ersuche, die wahrscheinlich nur aus Mißverständniß an der Weiterreise verhinderten Abgeordneten frei ziehen zu lassen. Ich habe mich deshalb mit dem Finanzminister Krauß vorher ins Einvernehmen gesetzt und auch er hat eine ähnliche Zuschrift abgefertigt. Ich erfuhr die Festhaltung der Abgeordneten durch einen von dem Abg. Koszowski geschriebenen, mir überbrachten Zettel folgenden Inhalts. (Verl. denselben:) Potocki: Sind die Namen der andern beiden Abgeordneten bekannt? Präsident: Nein, ich erfuhr nur den Namen Koszowski's. ‒ Der Abg. Dilewski verlangt krankheitshalber (? unterdessen er spazieren geht) einen Urlaub von 4 Tagen. Es ist dem permanenten Ausschuß eine Kundmachung des Fürsten Windischgrätz zugekommen, über welche er noch berathet, ich setze die Sitzung also bis 5 Uhr aus. 5 1/2 Uhr. Nur wenige Abgeordnete sind da, als der Präsident seinen Sitz einnimmt und die Glocke rührt. Das Publikum hat sich massenweise auf die Gallerien gedrängt. Erwartung und tiefe Spannung beherrscht alle Gemüther. Robert Blum befindet sich auf der Gallerie der Journalisten. Präsident: Die zur Berathung nöthige Anzahl von Abgeordneten ist vorhanden, ich eröffne daher die Sitzung, indem ich den Abg. Schuselka ersuche, den Bericht des permanenten Ausschusses zu erstatten. (Tiefe, athemlose Stille, während Schuselka die Tribüne besteigt). Schuselka: Wir haben weitere Geldbeiträge erhalten; Hr. Mahler hat als uns Ertrag einer Sammlung 385 Fl. übergeben (Bravo); der Abg. Meiedl desgleichen 213 Fl. im Namen der Stadt Braunau in Ober-Oestreich (Bravo). Letzte sind mit folgender Zuschrift begleitet; (verliest dieselbe.) Der Inhalt der Zuschrift ist sehr freisinnig, die Stadt will sich auf einen Wink des Reichstags erheben und schwärmt für ein freies starkes Oestreich und einiges Deutschland. (Bravo) Der Abg. Borrosch hat Namens der Gemeinde N… 43 Fl. abgegeben. Durch den Finanzminister ist uns ein Schreiben Auerspergs als Antwort auf unsere Beschwerde vom 19. über die Absperrung von Lebensmitteln zugegangen, worin derselbe sein Verfahren damit entschuldigt, daß die Verpflegung der Truppen, da die Stadt dieselbe nicht ferner geleistet, nur auf diese Weise habe geschehen können. Das Schreiben (verliest dasselbe) ist datirt Ingersdorf, 21. Oktbr. Der Ausschuß hat sich alle Mühe gegeben, die Truppen zu verproviantiren und hat den Proviant anfänglich sogar durch die akademische Legion eskortiren lassen, als aber die Umzingelung der Stadt immer bedrohlicher wurde, mußte er zur Erhaltung der eigenen Bevölkerung die Ausfuhr von Lebensmitteln einstellen. (Bravo). In einer zweiten Zuschrift des Finanzministers erhalten wir die Antwort, welche Windischgrätz auf unsere Zuschrift und Zustellung des Manifestes vom 19. an denselben ertheilt hat. Wir haben uns damals der sanguinischen Hoffnung hingegeben, Fürst Windischgrätz würde sich dadurch bestimmen lassen, von Gewaltmaßregeln abzustehen, derselbe hat jedoch nur mündlich dem Eilboten des Ministers die Bescheidung gegeben, er kenne keine andere Exekutivbehörde in Wien als den Gemeinderath, der unter ihm stehe und betrachte den Minister Krauß als Gefangenen (Bravo Hr. Krauß, geschickter Spieler!) Der Eilbote hat diese Antwort niedergeschrieben und dem Minister mitgetheilt. (Verliest dieselbe unter ängstlich zurückgehaltenem Zischen der Versammlung). Heute erhielten wir durch den Gemeinderath eine neue Proklamation des Fürsten Windischgrätz. Ich bin nicht beauftragt, mich darüber zu äußern und will es auch für meine Person nicht thun; die Geschichte wird ihr Urtheil darüber sprechen. (Hier folgt die Proklamation von Windischgrätz aus dem Hauptquartier Hetzendorf vom 23. Oktbr., welche wir bereits mittheilten.) Wir haben Abdrücke von dieser Proklamation nach Olmütz geschickt, um zu erfahren, ob der Minister Wessenberg sie mit der konstitutionellen Freiheit für vereinbar erkläre. Wir konnten uns indessen damit nicht begnügen. Es stehen uns allerdings nur moralische Mittel (!!!) zu Gebote und von diesen Mitteln wollen wir Gebrauch machen. Wir haben uns als unerschrockene Wächter der Freiheit auszusprechen (Bravo) und vor der civilisirten Welt, der Geschichte und vor Gott (!) zu protestiren. Als aufrichtige, treue Anhänger des konstitutionellen Prinzips werden wir in unserer Proklamation sagen, daß durch das Verfahren des Windischgrätz dem monarchisch-konstitutionellen Prinzip Schaden erwachse, mehr als durch die feindlichsten Maßregeln. (Gewaltiges Bravo.) Wir glauben, daß die Darstellung, Windischgrätz kämpfe für das konstitutionelle Prinzip (!!!), auf ihn Eindruck machen wird. (!!!) Indessen hat sich über unser Thun im Ausschusse eine Meinungsverschiedenheit gebildet. Die Minorität glaubt, es sei mit unserer Erklärung vom 22. Okt. abgethan, während die Majorität der Ansicht ist, eine wiederholte, kräftige Erklärung, daß namentlich der konstitutionelle Thron in Gefahr stehe, würde noch fruchten. Der Antrag der Majorität lautet: (nach dessen Annahme) „Da Feldmarschall Fürst Windischgrätz im offenen Widerspruche mit dem kaiserl. Worte vom 19. Oktbr. und in offener Nichtachtung des Reichstagsbeschlusses vom 22. Oktbr. in einer neuen Proklamation d. d. Hetzendorf 23. Okt. 1848, Maßregeln über Wien verhängt, die nicht nur die vom Kaiser sanktionirten konstitutionellen, sondern die allgemeinen Bürger- und Menschenrechte völlig aufheben, so erklärt der Reichstag, daß dieses Verfahren des Fürsten Windischgrätz nicht nur ungesetzlich, sondern ebenso sehr gegen die Rechte des Volkes, wie des erblichen konstitutionellen Thrones feindlich sind.“ Präsident. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? (Nach langer Pause, während welcher die Abgeordneten sich mit den Augen prüfen und das Centrum unaufhörlich hustet.) Gscheitzer: Ich schlage als Zusatz vor, daß Windischgrätz für alle verderblichen Folgen verantwortlich gemacht werde. Präsident. Wünscht noch Jemand das Wort? Vadil (Czeche). Mit unserer Erklärung der Ungesetzlichkeit ist Alles abgethan. Oesterreich hat so viele Hauptstädte, als es Provinzen hat und wir können nicht auf alle, z. B. nicht auf Böhmen, zählen, wenn wir uns übereilen. Borrosch. Dieses neuerliche Manifest hat eine zweifache Wirkung zur Absicht, entweder die Raserei der Verzweiflung eines edeln Volks herauszufordern, um hinterher noch Gründe für die Militär-Diktatur zu finden, oder Zwiespalt in der Bevölkerung und Bürgerkrieg zu veranlassen. (Bravo.) Es hat Wien sich einst gegen einen Feind 7 Monate gehalten, zeigt es jetzt dieselbe Begeisterung und Aufopferung, wie damals, so wird es sich noch eine Weile zu halten vermögen. Ich halte das Manifest vor der Hand für eine Schreckrakete. Ich erkenne es an der verlangten Auslieferung einer unbestimmten Anzahl von Individuen, von Geieln, ‒ Geiseln, meine Herren, wie im Mittelalter! (Gewaltiges Bravo.) In der Zeit des Christenthums und nicht einmal wider einen auswärtigen Feind, gegen das Herz der Monarchie will man soviel wagen? (Bravo.) Was würde der für ein Bürger sein, der seinen Mitbürger als Geisel hingibt? Ich kann also, noch einmal gesagt, nur glauben, daß eine solche Proklamation nur eine Schreckrakete ist. ‒ Unsere Aufgabe ist nicht nur die konstitutionelle Urkunde, sondern auch die Konstituirung des Vaterlandes zu vollenden. Die Abgeordneten der Centralgewalt werden gerade auch nicht lau oder ohnmächtig sein. Wegen der Verantwortlichkeit können wir uns nicht an den Fürsten Windischgrätz, sondern nur an Wessenberg halten, denn es steht einer legislativen Kammer nicht zu, die physische Gewalt für verantwortlich zu erklären. Wo keine anderen Mittel übrig bleiben, dürfen wir nicht lässig werden, zu protestiren und wenn wir es 2, 3, 4mal vergeblich thun; wir erhalten wenigstens die Beruhigung erfüllter Pflicht. Ich kann mich daher nur dem Antrage der Ausschußmajorität anschließen. Sierakowski. Ich beantrage, daß der Gemeinderath ersucht werde, den Beschluß in allen Ortschaften bekannt zu machen und an die Offizire der Armee, an Windischgrätz, Auersperg und Jellachich zu senden. Präsident. Verlangt noch Jemand das Wort? (Athemlose, langanhaltende Pause.) Goldmark. Ich gehöre zu der Minorität des Ausschusses, weil ich etwas Entschiedenes gethan haben will. Das Andere haben wir schon alle gethan und ich mag keine Tautologie und keine Wiederholung. Könnten wir energische Schritte thun, dann würde ich mit dem letzten Antrage einverstanden sein. Das Wort ungesetzlich stellt den Windischgrätz außer Gesetz; er ist daher ein Verräther am Vaterlande, der der Welt einen zweiten und neuen Tschintschiskan zeigen und beweisen will, daß man in Neapel nur eine Spielerei getrieben gegen das, was ein k. k. General zu thun wagt. Es ist Pflicht, jeden Gehorsam aufzukündigen, das ganze Land muß sich erheben gegen diesen Mörder der Freiheit. (Ungeheurer Beifall.) Dies sind die Details des Wortes ungesetzlich sie müssen zur Ausführung kommen, wenn wir die Freiheit retten wollen. (Die Esel treffen immer das Rechte trop-tard.) Vadil. Wären wir Vertreter eines Volks, (Unterbrechung des Redners durch wirres Geschrei.) ‒ Ich beweise meinen Muth, indem ich hier rede, meine Herrn: (Bravo) wären wir Vertreter eines Volks, so könnten wir einheitliche Maßregeln ergreifen, allein die verschiedenen Nationalitäten hindern uns daran. Polaczek. Ist die Publikation der Proklamation diesmal wiederum von dem Gemeinderathe verlangt worden? Schuselka. Davon ist mir nichts bekannt. Polaczek. Wir haben noch nicht die Gewißheit, daß die Proklamation von Windischgrätz herrührt, wir können darüber also nur mit dem Gemeinderathe kommuniziren. Wie ich gehört habe, soll ein Offizier der Armee dieselbe in den Gemeinderath mit der Aufforderung gebracht haben, den Empfang zu bescheinigen. Borrosch. Wir haben niemand anders, durch welchen wir Jemand zur Verantwortung ziehen können, als das Ministerium. Daß ein mächtiges Heer die Proklamation unterstützt, ändert nichts in der Form. Die Konsequenzen geben sich von selber für den, der die Macht hat, ihnen Geltung zu verschaffen. Wir haben uns schon ein richterliches Urtheil angemaßt, es ist daher überflüssig, noch einen politischen Selbstmord zu begehen, wo die Armee hinter uns steht. Fallen wir, so fallen wir mit Ehre; den Bajonetten trotze ich. Ich habe am meisten zu fürchten, denn ich habe noch freier gesprochen. Ich will mit Ehre, nicht mit Schmach fallen, nicht gegen meine Ueberzeugung, nicht gegen mein Gewissen. Wir sind die Vertreter des ganzen Reiches, das bitte ich zu bedenken. Wenn wir nicht Alles thun, uns zu erhalten, so gehen wir einem Racenkrieg, vielleicht einem 30jährigen entgehen. Scherzer. Ich beantrage den Schluß der Debatte. (Angenommen.) Goldmark. Ich stehe ebenso gefährdet da, wie Borrosch. Ich bin solange für meine Konsequenzen, als sie nicht logisch widerlegt sind. Man sagt, Windischgrätz sei Plenipotentiär der Krone gegenüber der Volksfreiheit, darum wäre ich für die Maßregeln, wie ich sie will. Besteht die Freiheits-Begeisterung fort, dann mögen diese Plenipotentiäre kommen, sie werden Wien nicht besiegen. Schuselka. Gscheitzers Zusatz ist Windischgrätz gegenüber unpraktisch. (Gscheitzer nimmt ihn zurück.) Wir müssen uns darauf beschränken, daß wir Windischgrätz vor der Nachwelt verantwortlich machen. (Das sind die schauerlichen Konsequenzen konstitutioneller Eselei.) Wir haben uns nicht auf eine blose Wiederholung beschränkt, wie Goldmark meint, sondern wir haben ganz neue Punkte hervorgehoben, indem wir auf Verletzung der allgemeinen Bürger- und Menschen-Rechte verwiesen und den Fürsten als Ritter der Legitimität und des Absolutismus einen Feind des Thrones genannt haben. (Pillersdorf tritt herein, der Jude Fischof hinter ihm her, setzt sich neben ihn.) Die Proklamation gab ganz Wien einen Schnitt ins Herz, denn sie ist inhuman. (wie bescheiden, dennoch aber Bravo.) Was die Authentizität anbelangt, so ist das eingehaltene Verfahren der Zustellung geraderecht das des Windischgrätz; er wollte uns eine Galgenfrist geben Der Antrag Sierakowski's ist unausführbar, obwohl die Ausführung wünschenswerth erscheint. Präs. Es sind 194 Abgeordnete anwesend, wir sind also beschlußfähig. (Der Antrag der Kommission wird angenommen, alle Abgeordnete außer Pillersdorff, dem Juden Fischoff, Eckel und Fleischer haben sich dafür erhoben.) Der Druck wird bestimmt, Sierakomski's Antrag fällt durch. Borrosch: Es ist nöthig, die Namen der Anwesenden aufzunehmen, damit es konstatirt ist, daß wir beschlußfähig gewesen sind. (Nein, nein!) Das Protokoll wird vorgelesen, die Sitzung beendigt. In der heutigen um 12 1/2 Uhr eröffneten Sitzung las der Präs. eine Antwort Windischgrätz auf die Anfrage wegen der zurückgehaltenen Abgeordneten vor, worin gesagt ist, daß jeder, der sich als Abgeordneter ausweisen könne, nach Wien gehen dürfe, die Angabe des Reichstags also auf einem Irrthum beruhen müsse. Sodann kündigte der Präs. an, daß Windischgrätz den Finanzminister Krauß zu sich ins Lager zitirt und der Abgeordnete Brestl sich ihm freiwillig dahin angeschlossen habe. Er theilte ferner mit, daß eine Depesche aus Olmütz angelangt sei, über welche der Ausschuß noch berathe und setzte darum die Sitzung bis um 5 Uhr aus. Um 5 3/4 Uhr fand die Wiedereröffnung statt, die Versammlung zeigte dem Anscheine nach eine ziemlich aufgeräumte Physiognomie. Präs. Smolka hielt eine Vorrede, worin er die Kammer ersuchte, die Depesche aus Olmütz mit dem gewohnten würdigen Ernste aufzunehmen. Schuselka verkündet neue Geldbeiträge und erzählt, das Gerücht gehe, die Studenten hätten Briefe aufgefangen und geöffnet, der Ausschuß habe darauf eine Zuschrift an sie gerichtet und zur Antwort erhalten, sie hätten allerdings einen hohen Herrn mit einem Briefsack zur Aula gebracht. Derselbe habe sich aber als envoyé des Finanzministers ausgewiesen, sein Sack das Siegel des Reichstags getragen und sei darauf wieder entlassen worden. (Sehr konstitutionell gescheidt.) Hierauf verliest er eine Hochachtungsadresse des Gemeinderathes an den Reichstag (Bravo) und meldet, daß im permanenten Ausschuß gestern auch der Vorschlag aufgekommen sei, mit Windischgärtz eine mündliche Unterredung zu halten. Dieselbe sei jedoch nach dem bisherigen Verhalten für unmöglich erachtet worden, ohne daß man aber deßhalb eine Gelegenheit der Art von der Hand zu weisen gewollt habe, indem kein Ausweg unversucht bleiben dürfe. Der Abgeordnete Pillersdorff habe, aber ohne Vollmacht des Ausschusses, diese konsidentielle Mission übernommen und werde am besten über den gethanen Schritt berichten können. Pillersdorff besteigt auf Ersuchen des Präsidenten hierauf die Tribüne und erzählt in sehr ausführlicher Weise seinen Besuch bei Windischgrätz. Er entwickelt die Vorstellungen, die er demselben gemacht, alle Antworten, die Windischgrätz darauf gegeben. Die Erbitterung desselben, sagt er, beruhe hauptsächlich darin, daß die Bevölkerung von Wien sich feindselige Akte wider das Militär erlaubt habe, weshalb er von den von ihm gestellten Bedingungen nicht abgehen könne. Jedoch habe er sich geneigt gezeigt, sich mit einer Deputation des Reichstags in Unterhandlungen einlassen zu wollen. Pillersdorff endete seinen langen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar140_009" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0718"/> dann in die Stadt, die übrigen in die umliegenden Ortschaften zur Einquartirung auf unbestimmte Zeit verlegt. Die Hoffnung der Reaktion, einen offenen Konflikt herbeizuführen und dadurch unter unserer größtentheils demokratisch gesinnten Bevölkerung ein Blutbad anzurichten, ist übrigens bis jetzt an der ruhigen und besonnenen Haltung der Bürger gescheitert. Die Soldaten sind möglichst gut aufgenommen worden, besuchen fleißig die Volksversammlungen und die Sitzungen des demokratischen Vereines und geben auf alle Weise ihre volksthümlichen Gesinnungen kund, so daß in dieser Hinsicht das beste Einvernehmen stattfindet. Indessen bewog der materielle Druck der übermäßigen Einqurtirung eine sogleich am ersten Tage vom demokratischen Verein berufene Volksversammlung, durch eine Deputation in Berlin, deren Entfernung zu beantragen, welchem Schritte sich auch die Stadtbehörden anschlossen. Das Ministerium ertheilte zur Antwort, erst müsse die widerspenstige <hi rendition="#g">Landwehr</hi> eingezogen werden und damit wurde denn auch in den letzten Tagen unter wiederholter Entwickelung großartiger militärischer Vorsichtsmaßregeln vorgeschritten. Hierbei werden eine große Anzahl Landwehrmänner, die bei der ersten verunglückten Einziehung nicht bestellt worden waren, zur Einkleidung kommandirt und unter Kavallerieskorte abgeführt; ebenso bleiben die dringendsten Reklamationen, wegen persönlicher Verhältnissevon der Einkleidung befreit zu bleiben, unberücksichtigt. Viele, die bereits durch die Einziehung zur Landwehr im vergangenen Sommer Monate lang ihren Geschäften und Familien entzogen worden sind, werden die durch vollends materiell ruinirt. In andern Kreisen Schlesiens unterbleibt dagegen die Einziehung der Landwehr ganz oder beschränkt sich auf einige, die sich freiwillig dazu melden. Zur Rechtfertigung dieser Maßregeln ist eine Kabinetsordre publizirt worden, durch welche der Kommandeur des schlesischen Armeekorps mit der Einziehung beauftragt wird. Da die Landwehr ihrem Statute nach nur zur Abwehr des äußeren Feindes verwandt werden soll, ein solcher aber gegenwärtig nicht bekannt ist, auch von jener Kabinetsordre früher nichts verlautete, so war die frühere Weigerung der Landwehrmänner nicht ohne eine positiv-rechtliche Begründung. Um so größer ist die allgemeine Entrüstung über dieses ganze Verfahren. Die Reaktionäre hoffen sogar noch auf weitere militärische Strafgerichte und gehen triumphirend und verklärten Blickes, das Volk verhöhnend, umher, während in diesem sich die feste Zuversicht ausspricht, daß sich dieser Jubel seiner Feinde binnen kurzer Zeit nur in eine desto größere <hi rendition="#g">Niedergeschlagenheit</hi> verwandeln wird.</p> </div> <div xml:id="ar140_010" type="jArticle"> <head>Inowraclaw, 1. Nov.</head> <p>Der höchst wichtige Beschluß der Berliner Versammlung in Bezug auf das Großherzogthum Posen hat hier natürlich verschiedene Sensation erregt. Die Polen sind damit zufrieden, indem derselbe die Frankfurter Beschlüsse aufgehoben und die Demarkationslinie unmöglich gemacht. Die Deutschen aber sind außer sich, es werden Protestationen gegen den Kammerbeschluß geschmiedet, die Hauptabsicht aber geht dahin, neue Unruhen zu erregen, um die öffentliche Meinung wieder durch bekannte Lügengeschichten gegen die Polen einzunehmen, besonders aber das Soldatenregiment wieder einzuführen, damit nicht allein der Belagerungszustand in Posen nicht aufgehoben, sondern derselbe wieder über die ganze Provinz verbreitet werde. So wurde in Bromberg vorgestern die Liga polska, welche sich dort versammelt hatte, auseinandergeprügelt. Hier waren am Montage, wo unsere Liga Versammlung hatte, scharfe Patronen vertheilt worden. Gern hätte man einen Konflikt mit irgend einem Bauer herbeigeführt; jedoch die Bauern, deren sich einige Hundert in der Versammlung befanden, wurden beschworen, sich ruhig zu verhalten, auch wenn sie gereizt würden. Diesebe Bitte sollten sie an ihre Mitbewohner der Dörfer richten, besonders wenn sie am heutigen Feiertage in die Stadt kämen; denn für heute hat unser Militär besondere Vorkehrungen getroffen, da ihm der Ausbruch einer Revolution oder wenigstens ein öffentlicher Aufzug mit polnischen Fahnen auf heute notifizirt ist.</p> <p>Natürlich findet Jeder, der irgend die hiesigen Verhältnisse kennt, es höchst lächerlich, so etwas zu glauben. Die Polen haben jetzt Anderes als Demonstrationen zu machen, und wie gesagt, solche Dinge werden rein erfunden von der deutschen Partei, oder besser, der deutschen Bureaukratie, um irgend wo einen Zusammenstoß zu Stande zu bringen. Uebrigens werden hier zu Lande solche Maßregeln allein von den Militärbehörden ohne die Civilbehörden angeordnet. Im Augenblick höre ich dem Militär die Lärmsignale geben, man ist aber deßhalb so ruhig, daß man kaum von dem Vorfall Notiz nimmt. Ich schicke den Brief auf die Post, deren Schluß sehr nahe ist, ohne mich noch zuvor nach der Ursache des Allarmirens erkundigt zu haben; denn, wie gesagt, es wird wohl ein blindes sein.</p> <bibl>(A. O.-Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar140_011" type="jArticle"> <head>Wien.</head> <p>Die „A. A. Ztg.“ theilt aus „A. Tebaldi über die Slaven des österreichischen Kaiserthums. Wien 1848“ folgende Notiz zur Statistik der in Oestreich hausenden Slaven, Deutschen und Italiener mit:</p> <p>Würde man bloß den Namen: deutsche, ungarische, slavische und italienische Provinzen folgen, so wäre die Frage auch in numerischer Hinsicht sogleich zu Gunsten der Deutschen und Ungarn entschieden. Böhmen, Mähren, österreichisch Schlesien, Oesterreich ob- und unter der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain, Küstenland, Tirol und Vorarlberg sind mit 11,993,617 Einwohnern die „deutschen“ Provinzen des Kaiserreichs; Ungarn, Civil-Kroatien und Slavonien, Siebenbürgen, Militärgränze und Dalmatien gehören zu den „ungarischen“ Provinzen mit 14,259,878 Einwohnern. Es stünden danach also die genannten Theile der Monarchie mit einer Gesammtbevölkerung von mehr als 26 Millionen, den 5,130,208 Einwohnern der „slavischen“ Provinzen Galizien, Bukowina und Krakauer Gebiet, sowie den 4,740,000 Italienern des lombardisch-venetianischen Königreichs massenhaft überlegen gegenüber. Allein die deutschen und ungarischen Provinzen sind nicht ausschließlich deutsch und ungarisch bevölkert, vielmehr haben selbst mehrere deutsch-österreichische Provinzen eine überwiegende Slavenbevölkerung, und ebenso beherbergen die ungarischen Provinzen mehr Slaven und Deutsche als Magyaren. Die Vertheilung des gegenseitigen Gewichts der Volksmenge nach den unter Oesterreich vereinten Nationalitäten ist eine andere, den Deutschen, Ungarn und Italienern entschieden ungünstig. In dreizehn Provinzen (Böhmen, Mähren mit österreichisch Schlesien, Steiermark, Kärnthen und Krain, Küstenland, Dalmatien, Ungarn, Civil-Kroatien und Slavonien, Siebenbürgen, Militärgränze, Galizien, mit Krakau und Bukowina) vertheilen sich 17,422,177 Slanen, während die Gesammtmasse der Deutschen nur 7,833,175 in 18 Provinzen beträgt, die Ungarn bloß 5,472,910, die Italiener 5,506,000 ansmachen. Die Slaven bilden sonach 40/100, beinahe die Hälfte der Gesammtbevölkerung der österreichischen Monarchie.</p> </div> <div xml:id="ar140_012" type="jArticle"> <head>Wien.</head> <p>Wir geben nachträglich die östreichische Reichstagssitzung vom 24. und 25. Oktober.</p> </div> <div xml:id="ar140_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>102</author></bibl> Wien, 25. Oktbr.</head> <p>Reichstagssitzung von gestern. Eröffnung um 12 1/2 Uhr durch den Präsidenten Smolka.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Nachdem mir angezeigt worden ist, daß in Florisdorf vom Militär drei Abgeordnete an der Rückkehr nach Wien verhindert worden, so habe ich sofort um 10 Uhr einen Eilboten an Se. Durchl. (!) den Fürsten zu Windischgrätz mit einer Zuschrift abgesendet, worin ich denselben ersuche, die wahrscheinlich nur aus Mißverständniß an der Weiterreise verhinderten Abgeordneten frei ziehen zu lassen. Ich habe mich deshalb mit dem Finanzminister Krauß vorher ins Einvernehmen gesetzt und auch er hat eine ähnliche Zuschrift abgefertigt. Ich erfuhr die Festhaltung der Abgeordneten durch einen von dem Abg. Koszowski geschriebenen, mir überbrachten Zettel folgenden Inhalts. (Verl. denselben:)</p> <p><hi rendition="#g">Potocki:</hi> Sind die Namen der andern beiden Abgeordneten bekannt?</p> <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Nein, ich erfuhr nur den Namen Koszowski's. ‒ Der Abg. Dilewski verlangt krankheitshalber (? unterdessen er spazieren geht) einen Urlaub von 4 Tagen. Es ist dem permanenten Ausschuß eine Kundmachung des Fürsten Windischgrätz zugekommen, über welche er noch berathet, ich setze die Sitzung also bis 5 Uhr aus.</p> <p>5 1/2 Uhr. Nur wenige Abgeordnete sind da, als der Präsident seinen Sitz einnimmt und die Glocke rührt. Das Publikum hat sich massenweise auf die Gallerien gedrängt. Erwartung und tiefe Spannung beherrscht alle Gemüther. Robert Blum befindet sich auf der Gallerie der Journalisten.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Die zur Berathung nöthige Anzahl von Abgeordneten ist vorhanden, ich eröffne daher die Sitzung, indem ich den Abg. Schuselka ersuche, den Bericht des permanenten Ausschusses zu erstatten. (Tiefe, athemlose Stille, während Schuselka die Tribüne besteigt).</p> <p><hi rendition="#g">Schuselka:</hi> Wir haben weitere Geldbeiträge erhalten; Hr. Mahler hat als uns Ertrag einer Sammlung 385 Fl. übergeben (Bravo); der Abg. Meiedl desgleichen 213 Fl. im Namen der Stadt Braunau in Ober-Oestreich (Bravo). Letzte sind mit folgender Zuschrift begleitet; (verliest dieselbe.) Der Inhalt der Zuschrift ist sehr freisinnig, die Stadt will sich auf einen Wink des Reichstags erheben und schwärmt für ein freies starkes Oestreich und einiges Deutschland. (Bravo) Der Abg. Borrosch hat Namens der Gemeinde N… 43 Fl. abgegeben.</p> <p>Durch den Finanzminister ist uns ein Schreiben Auerspergs als Antwort auf unsere Beschwerde vom 19. über die Absperrung von Lebensmitteln zugegangen, worin derselbe sein Verfahren damit entschuldigt, daß die Verpflegung der Truppen, da die Stadt dieselbe nicht ferner geleistet, nur auf diese Weise habe geschehen können. Das Schreiben (verliest dasselbe) ist datirt Ingersdorf, 21. Oktbr. Der Ausschuß hat sich alle Mühe gegeben, die Truppen zu verproviantiren und hat den Proviant anfänglich sogar durch die akademische Legion eskortiren lassen, als aber die Umzingelung der Stadt immer bedrohlicher wurde, mußte er zur Erhaltung der eigenen Bevölkerung die Ausfuhr von Lebensmitteln einstellen. (Bravo). In einer zweiten Zuschrift des Finanzministers erhalten wir die Antwort, welche Windischgrätz auf unsere Zuschrift und Zustellung des Manifestes vom 19. an denselben ertheilt hat. Wir haben uns damals der sanguinischen Hoffnung hingegeben, Fürst Windischgrätz würde sich dadurch bestimmen lassen, von Gewaltmaßregeln abzustehen, derselbe hat jedoch nur mündlich dem Eilboten des Ministers die Bescheidung gegeben, er kenne keine andere Exekutivbehörde in Wien als den Gemeinderath, der unter ihm stehe und betrachte den Minister Krauß als Gefangenen (Bravo Hr. Krauß, geschickter Spieler!) Der Eilbote hat diese Antwort niedergeschrieben und dem Minister mitgetheilt. (Verliest dieselbe unter ängstlich zurückgehaltenem Zischen der Versammlung).</p> <p>Heute erhielten wir durch den Gemeinderath eine neue Proklamation des Fürsten Windischgrätz. Ich bin nicht beauftragt, mich darüber zu äußern und will es auch für meine Person nicht thun; die Geschichte wird ihr Urtheil darüber sprechen. (Hier folgt die Proklamation von Windischgrätz aus dem Hauptquartier Hetzendorf vom 23. Oktbr., welche wir bereits mittheilten.) Wir haben Abdrücke von dieser Proklamation nach Olmütz geschickt, um zu erfahren, ob der Minister Wessenberg sie mit der konstitutionellen Freiheit für vereinbar erkläre. Wir konnten uns indessen damit nicht begnügen. Es stehen uns allerdings nur moralische Mittel (!!!) zu Gebote und von diesen Mitteln wollen wir Gebrauch machen. Wir haben uns als unerschrockene Wächter der Freiheit auszusprechen (Bravo) und vor der civilisirten Welt, der Geschichte und vor Gott (!) zu protestiren. Als aufrichtige, treue Anhänger des konstitutionellen Prinzips werden wir in unserer Proklamation sagen, daß durch das Verfahren des Windischgrätz dem monarchisch-konstitutionellen Prinzip Schaden erwachse, mehr als durch die feindlichsten Maßregeln. (Gewaltiges Bravo.) Wir glauben, daß die Darstellung, Windischgrätz kämpfe für das konstitutionelle Prinzip (!!!), auf ihn Eindruck machen wird. (!!!) Indessen hat sich über unser Thun im Ausschusse eine Meinungsverschiedenheit gebildet. Die Minorität glaubt, es sei mit unserer Erklärung vom 22. Okt. abgethan, während die Majorität der Ansicht ist, eine wiederholte, kräftige Erklärung, daß namentlich der konstitutionelle Thron in Gefahr stehe, würde noch fruchten. Der Antrag der Majorität lautet: (nach dessen Annahme) „Da Feldmarschall Fürst Windischgrätz im offenen Widerspruche mit dem kaiserl. Worte vom 19. Oktbr. und in offener Nichtachtung des Reichstagsbeschlusses vom 22. Oktbr. in einer neuen Proklamation d. d. Hetzendorf 23. Okt. 1848, Maßregeln über Wien verhängt, die nicht nur die vom Kaiser sanktionirten konstitutionellen, sondern die allgemeinen Bürger- und Menschenrechte völlig aufheben, so erklärt der Reichstag, daß dieses Verfahren des Fürsten Windischgrätz nicht nur ungesetzlich, sondern ebenso sehr gegen die Rechte des Volkes, wie des erblichen konstitutionellen Thrones feindlich sind.“</p> <p><hi rendition="#g">Präsident.</hi> Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? (Nach langer Pause, während welcher die Abgeordneten sich mit den Augen prüfen und das Centrum unaufhörlich hustet.)</p> <p><hi rendition="#g">Gscheitzer:</hi> Ich schlage als Zusatz vor, daß Windischgrätz für alle verderblichen Folgen verantwortlich gemacht werde.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident.</hi> Wünscht noch Jemand das Wort?</p> <p><hi rendition="#g">Vadil</hi> (Czeche). Mit unserer Erklärung der Ungesetzlichkeit ist Alles abgethan. Oesterreich hat so viele Hauptstädte, als es Provinzen hat und wir können nicht auf alle, z. B. nicht auf Böhmen, zählen, wenn wir uns übereilen.</p> <p><hi rendition="#g">Borrosch.</hi> Dieses neuerliche Manifest hat eine zweifache Wirkung zur Absicht, entweder die Raserei der Verzweiflung eines edeln Volks herauszufordern, um hinterher noch Gründe für die Militär-Diktatur zu finden, oder Zwiespalt in der Bevölkerung und Bürgerkrieg zu veranlassen. (Bravo.) Es hat Wien sich einst gegen einen Feind 7 Monate gehalten, zeigt es jetzt dieselbe Begeisterung und Aufopferung, wie damals, so wird es sich noch eine Weile zu halten vermögen. Ich halte das Manifest vor der Hand für eine Schreckrakete. Ich erkenne es an der verlangten Auslieferung einer unbestimmten Anzahl von Individuen, von Geieln, ‒ Geiseln, meine Herren, wie im Mittelalter! (Gewaltiges Bravo.) In der Zeit des Christenthums und nicht einmal wider einen auswärtigen Feind, gegen das Herz der Monarchie will man soviel wagen? (Bravo.) Was würde der für ein Bürger sein, der seinen Mitbürger als Geisel hingibt? Ich kann also, noch einmal gesagt, nur glauben, daß eine solche Proklamation nur eine Schreckrakete ist. ‒ Unsere Aufgabe ist nicht nur die konstitutionelle Urkunde, sondern auch die Konstituirung des Vaterlandes zu vollenden. Die Abgeordneten der Centralgewalt werden gerade auch nicht lau oder ohnmächtig sein. Wegen der Verantwortlichkeit können wir uns nicht an den Fürsten Windischgrätz, sondern nur an Wessenberg halten, denn es steht einer legislativen Kammer nicht zu, die physische Gewalt für verantwortlich zu erklären. Wo keine anderen Mittel übrig bleiben, dürfen wir nicht lässig werden, zu protestiren und wenn wir es 2, 3, 4mal vergeblich thun; wir erhalten wenigstens die Beruhigung erfüllter Pflicht. Ich kann mich daher nur dem Antrage der Ausschußmajorität anschließen.</p> <p><hi rendition="#g">Sierakowski.</hi> Ich beantrage, daß der Gemeinderath ersucht werde, den Beschluß in allen Ortschaften bekannt zu machen und an die Offizire der Armee, an Windischgrätz, Auersperg und Jellachich zu senden.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident.</hi> Verlangt noch Jemand das Wort? (Athemlose, langanhaltende Pause.)</p> <p><hi rendition="#g">Goldmark.</hi> Ich gehöre zu der Minorität des Ausschusses, weil ich etwas Entschiedenes gethan haben will. Das Andere haben wir schon alle gethan und ich mag keine Tautologie und keine Wiederholung. Könnten wir energische Schritte thun, dann würde ich mit dem letzten Antrage einverstanden sein. Das Wort ungesetzlich stellt den Windischgrätz außer Gesetz; er ist daher ein Verräther am Vaterlande, der der Welt einen zweiten und neuen Tschintschiskan zeigen und beweisen will, daß man in Neapel nur eine Spielerei getrieben gegen das, was ein k. k. General zu thun wagt. Es ist Pflicht, jeden Gehorsam aufzukündigen, das ganze Land muß sich erheben gegen diesen Mörder der Freiheit. (Ungeheurer Beifall.) Dies sind die Details des Wortes ungesetzlich sie müssen zur Ausführung kommen, wenn wir die Freiheit retten wollen. (Die Esel treffen immer das Rechte trop-tard.)</p> <p><hi rendition="#g">Vadil.</hi> Wären wir Vertreter eines Volks, (Unterbrechung des Redners durch wirres Geschrei.) ‒ Ich beweise meinen Muth, indem ich hier rede, meine Herrn: (Bravo) wären wir Vertreter eines Volks, so könnten wir einheitliche Maßregeln ergreifen, allein die verschiedenen Nationalitäten hindern uns daran.</p> <p><hi rendition="#g">Polaczek.</hi> Ist die Publikation der Proklamation diesmal wiederum von dem Gemeinderathe verlangt worden?</p> <p><hi rendition="#g">Schuselka.</hi> Davon ist mir nichts bekannt.</p> <p><hi rendition="#g">Polaczek.</hi> Wir haben noch nicht die Gewißheit, daß die Proklamation von Windischgrätz herrührt, wir können darüber also nur mit dem Gemeinderathe kommuniziren. Wie ich gehört habe, soll ein Offizier der Armee dieselbe in den Gemeinderath mit der Aufforderung gebracht haben, den Empfang zu bescheinigen.</p> <p><hi rendition="#g">Borrosch.</hi> Wir haben niemand anders, durch welchen wir Jemand zur Verantwortung ziehen können, als das Ministerium. Daß ein mächtiges Heer die Proklamation unterstützt, ändert nichts in der Form. Die Konsequenzen geben sich von selber für den, der die Macht hat, ihnen Geltung zu verschaffen. Wir haben uns schon ein richterliches Urtheil angemaßt, es ist daher überflüssig, noch einen politischen Selbstmord zu begehen, wo die Armee hinter uns steht. Fallen wir, so fallen wir mit Ehre; den Bajonetten trotze ich. Ich habe am meisten zu fürchten, denn ich habe noch freier gesprochen. Ich will mit Ehre, nicht mit Schmach fallen, nicht gegen meine Ueberzeugung, nicht gegen mein Gewissen. Wir sind die Vertreter des ganzen Reiches, das bitte ich zu bedenken. Wenn wir nicht Alles thun, uns zu erhalten, so gehen wir einem Racenkrieg, vielleicht einem 30jährigen entgehen.</p> <p><hi rendition="#g">Scherzer.</hi> Ich beantrage den Schluß der Debatte. (Angenommen.)</p> <p><hi rendition="#g">Goldmark.</hi> Ich stehe ebenso gefährdet da, wie Borrosch. Ich bin solange für meine Konsequenzen, als sie nicht logisch widerlegt sind. Man sagt, Windischgrätz sei Plenipotentiär der Krone gegenüber der Volksfreiheit, darum wäre ich für die Maßregeln, wie ich sie will. Besteht die Freiheits-Begeisterung fort, dann mögen diese Plenipotentiäre kommen, sie werden Wien nicht besiegen.</p> <p><hi rendition="#g">Schuselka.</hi> Gscheitzers Zusatz ist Windischgrätz gegenüber unpraktisch. (Gscheitzer nimmt ihn zurück.) Wir müssen uns darauf beschränken, daß wir Windischgrätz vor der Nachwelt verantwortlich machen. (Das sind die schauerlichen Konsequenzen konstitutioneller Eselei.) Wir haben uns nicht auf eine blose Wiederholung beschränkt, wie Goldmark meint, sondern wir haben ganz neue Punkte hervorgehoben, indem wir auf Verletzung der allgemeinen Bürger- und Menschen-Rechte verwiesen und den Fürsten als Ritter der Legitimität und des Absolutismus einen Feind des Thrones genannt haben.</p> <p><hi rendition="#g">(Pillersdorf</hi> tritt herein, der Jude Fischof hinter ihm her, setzt sich neben ihn.) Die Proklamation gab ganz Wien einen Schnitt ins Herz, denn sie ist inhuman. (wie bescheiden, dennoch aber Bravo.) Was die Authentizität anbelangt, so ist das eingehaltene Verfahren der Zustellung geraderecht das des Windischgrätz; er wollte uns eine Galgenfrist geben Der Antrag Sierakowski's ist unausführbar, obwohl die Ausführung wünschenswerth erscheint.</p> <p><hi rendition="#g">Präs.</hi> Es sind 194 Abgeordnete anwesend, wir sind also beschlußfähig. (Der Antrag der Kommission wird angenommen, alle Abgeordnete außer <hi rendition="#g">Pillersdorff,</hi> dem Juden <hi rendition="#g">Fischoff, Eckel</hi> und <hi rendition="#g">Fleischer</hi> haben sich dafür erhoben.) Der Druck wird bestimmt, Sierakomski's Antrag fällt durch.</p> <p><hi rendition="#g">Borrosch:</hi> Es ist nöthig, die Namen der Anwesenden aufzunehmen, damit es konstatirt ist, daß wir beschlußfähig gewesen sind. (Nein, nein!)</p> <p>Das Protokoll wird vorgelesen, die Sitzung beendigt.</p> <p>In der heutigen um 12 1/2 Uhr eröffneten Sitzung las der Präs. eine Antwort Windischgrätz auf die Anfrage wegen der zurückgehaltenen Abgeordneten vor, worin gesagt ist, daß jeder, der sich als Abgeordneter ausweisen könne, nach Wien gehen dürfe, die Angabe des Reichstags also auf einem Irrthum beruhen müsse. Sodann kündigte der Präs. an, daß Windischgrätz den Finanzminister Krauß zu sich ins Lager zitirt und der Abgeordnete Brestl sich ihm freiwillig dahin angeschlossen habe. Er theilte ferner mit, daß eine Depesche aus Olmütz angelangt sei, über welche der Ausschuß noch berathe und setzte darum die Sitzung bis um 5 Uhr aus.</p> <p>Um 5 3/4 Uhr fand die Wiedereröffnung statt, die Versammlung zeigte dem Anscheine nach eine ziemlich aufgeräumte Physiognomie. Präs. Smolka hielt eine Vorrede, worin er die Kammer ersuchte, die Depesche aus Olmütz mit dem gewohnten würdigen Ernste aufzunehmen.</p> <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> verkündet neue Geldbeiträge und erzählt, das Gerücht gehe, die Studenten hätten Briefe aufgefangen und geöffnet, der Ausschuß habe darauf eine Zuschrift an sie gerichtet und zur Antwort erhalten, sie hätten allerdings einen hohen Herrn mit einem Briefsack zur Aula gebracht. Derselbe habe sich aber als envoyé des Finanzministers ausgewiesen, sein Sack das Siegel des Reichstags getragen und sei darauf wieder entlassen worden. (Sehr konstitutionell gescheidt.) Hierauf verliest er eine Hochachtungsadresse des Gemeinderathes an den Reichstag (Bravo) und meldet, daß im permanenten Ausschuß gestern auch der Vorschlag aufgekommen sei, mit Windischgärtz eine mündliche Unterredung zu halten. Dieselbe sei jedoch nach dem bisherigen Verhalten für unmöglich erachtet worden, ohne daß man aber deßhalb eine Gelegenheit der Art von der Hand zu weisen gewollt habe, indem kein Ausweg unversucht bleiben dürfe. Der Abgeordnete Pillersdorff habe, aber ohne Vollmacht des Ausschusses, diese konsidentielle Mission übernommen und werde am besten über den gethanen Schritt berichten können. Pillersdorff besteigt auf Ersuchen des Präsidenten hierauf die Tribüne und erzählt in sehr ausführlicher Weise seinen Besuch bei Windischgrätz. Er entwickelt die Vorstellungen, die er demselben gemacht, alle Antworten, die Windischgrätz darauf gegeben. Die Erbitterung desselben, sagt er, beruhe hauptsächlich darin, daß die Bevölkerung von Wien sich feindselige Akte wider das Militär erlaubt habe, weshalb er von den von ihm gestellten Bedingungen nicht abgehen könne. Jedoch habe er sich geneigt gezeigt, sich mit einer Deputation des Reichstags in Unterhandlungen einlassen zu wollen. Pillersdorff endete seinen langen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0718/0002]
dann in die Stadt, die übrigen in die umliegenden Ortschaften zur Einquartirung auf unbestimmte Zeit verlegt. Die Hoffnung der Reaktion, einen offenen Konflikt herbeizuführen und dadurch unter unserer größtentheils demokratisch gesinnten Bevölkerung ein Blutbad anzurichten, ist übrigens bis jetzt an der ruhigen und besonnenen Haltung der Bürger gescheitert. Die Soldaten sind möglichst gut aufgenommen worden, besuchen fleißig die Volksversammlungen und die Sitzungen des demokratischen Vereines und geben auf alle Weise ihre volksthümlichen Gesinnungen kund, so daß in dieser Hinsicht das beste Einvernehmen stattfindet. Indessen bewog der materielle Druck der übermäßigen Einqurtirung eine sogleich am ersten Tage vom demokratischen Verein berufene Volksversammlung, durch eine Deputation in Berlin, deren Entfernung zu beantragen, welchem Schritte sich auch die Stadtbehörden anschlossen. Das Ministerium ertheilte zur Antwort, erst müsse die widerspenstige Landwehr eingezogen werden und damit wurde denn auch in den letzten Tagen unter wiederholter Entwickelung großartiger militärischer Vorsichtsmaßregeln vorgeschritten. Hierbei werden eine große Anzahl Landwehrmänner, die bei der ersten verunglückten Einziehung nicht bestellt worden waren, zur Einkleidung kommandirt und unter Kavallerieskorte abgeführt; ebenso bleiben die dringendsten Reklamationen, wegen persönlicher Verhältnissevon der Einkleidung befreit zu bleiben, unberücksichtigt. Viele, die bereits durch die Einziehung zur Landwehr im vergangenen Sommer Monate lang ihren Geschäften und Familien entzogen worden sind, werden die durch vollends materiell ruinirt. In andern Kreisen Schlesiens unterbleibt dagegen die Einziehung der Landwehr ganz oder beschränkt sich auf einige, die sich freiwillig dazu melden. Zur Rechtfertigung dieser Maßregeln ist eine Kabinetsordre publizirt worden, durch welche der Kommandeur des schlesischen Armeekorps mit der Einziehung beauftragt wird. Da die Landwehr ihrem Statute nach nur zur Abwehr des äußeren Feindes verwandt werden soll, ein solcher aber gegenwärtig nicht bekannt ist, auch von jener Kabinetsordre früher nichts verlautete, so war die frühere Weigerung der Landwehrmänner nicht ohne eine positiv-rechtliche Begründung. Um so größer ist die allgemeine Entrüstung über dieses ganze Verfahren. Die Reaktionäre hoffen sogar noch auf weitere militärische Strafgerichte und gehen triumphirend und verklärten Blickes, das Volk verhöhnend, umher, während in diesem sich die feste Zuversicht ausspricht, daß sich dieser Jubel seiner Feinde binnen kurzer Zeit nur in eine desto größere Niedergeschlagenheit verwandeln wird.
Inowraclaw, 1. Nov. Der höchst wichtige Beschluß der Berliner Versammlung in Bezug auf das Großherzogthum Posen hat hier natürlich verschiedene Sensation erregt. Die Polen sind damit zufrieden, indem derselbe die Frankfurter Beschlüsse aufgehoben und die Demarkationslinie unmöglich gemacht. Die Deutschen aber sind außer sich, es werden Protestationen gegen den Kammerbeschluß geschmiedet, die Hauptabsicht aber geht dahin, neue Unruhen zu erregen, um die öffentliche Meinung wieder durch bekannte Lügengeschichten gegen die Polen einzunehmen, besonders aber das Soldatenregiment wieder einzuführen, damit nicht allein der Belagerungszustand in Posen nicht aufgehoben, sondern derselbe wieder über die ganze Provinz verbreitet werde. So wurde in Bromberg vorgestern die Liga polska, welche sich dort versammelt hatte, auseinandergeprügelt. Hier waren am Montage, wo unsere Liga Versammlung hatte, scharfe Patronen vertheilt worden. Gern hätte man einen Konflikt mit irgend einem Bauer herbeigeführt; jedoch die Bauern, deren sich einige Hundert in der Versammlung befanden, wurden beschworen, sich ruhig zu verhalten, auch wenn sie gereizt würden. Diesebe Bitte sollten sie an ihre Mitbewohner der Dörfer richten, besonders wenn sie am heutigen Feiertage in die Stadt kämen; denn für heute hat unser Militär besondere Vorkehrungen getroffen, da ihm der Ausbruch einer Revolution oder wenigstens ein öffentlicher Aufzug mit polnischen Fahnen auf heute notifizirt ist.
Natürlich findet Jeder, der irgend die hiesigen Verhältnisse kennt, es höchst lächerlich, so etwas zu glauben. Die Polen haben jetzt Anderes als Demonstrationen zu machen, und wie gesagt, solche Dinge werden rein erfunden von der deutschen Partei, oder besser, der deutschen Bureaukratie, um irgend wo einen Zusammenstoß zu Stande zu bringen. Uebrigens werden hier zu Lande solche Maßregeln allein von den Militärbehörden ohne die Civilbehörden angeordnet. Im Augenblick höre ich dem Militär die Lärmsignale geben, man ist aber deßhalb so ruhig, daß man kaum von dem Vorfall Notiz nimmt. Ich schicke den Brief auf die Post, deren Schluß sehr nahe ist, ohne mich noch zuvor nach der Ursache des Allarmirens erkundigt zu haben; denn, wie gesagt, es wird wohl ein blindes sein.
(A. O.-Z.) Wien. Die „A. A. Ztg.“ theilt aus „A. Tebaldi über die Slaven des österreichischen Kaiserthums. Wien 1848“ folgende Notiz zur Statistik der in Oestreich hausenden Slaven, Deutschen und Italiener mit:
Würde man bloß den Namen: deutsche, ungarische, slavische und italienische Provinzen folgen, so wäre die Frage auch in numerischer Hinsicht sogleich zu Gunsten der Deutschen und Ungarn entschieden. Böhmen, Mähren, österreichisch Schlesien, Oesterreich ob- und unter der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain, Küstenland, Tirol und Vorarlberg sind mit 11,993,617 Einwohnern die „deutschen“ Provinzen des Kaiserreichs; Ungarn, Civil-Kroatien und Slavonien, Siebenbürgen, Militärgränze und Dalmatien gehören zu den „ungarischen“ Provinzen mit 14,259,878 Einwohnern. Es stünden danach also die genannten Theile der Monarchie mit einer Gesammtbevölkerung von mehr als 26 Millionen, den 5,130,208 Einwohnern der „slavischen“ Provinzen Galizien, Bukowina und Krakauer Gebiet, sowie den 4,740,000 Italienern des lombardisch-venetianischen Königreichs massenhaft überlegen gegenüber. Allein die deutschen und ungarischen Provinzen sind nicht ausschließlich deutsch und ungarisch bevölkert, vielmehr haben selbst mehrere deutsch-österreichische Provinzen eine überwiegende Slavenbevölkerung, und ebenso beherbergen die ungarischen Provinzen mehr Slaven und Deutsche als Magyaren. Die Vertheilung des gegenseitigen Gewichts der Volksmenge nach den unter Oesterreich vereinten Nationalitäten ist eine andere, den Deutschen, Ungarn und Italienern entschieden ungünstig. In dreizehn Provinzen (Böhmen, Mähren mit österreichisch Schlesien, Steiermark, Kärnthen und Krain, Küstenland, Dalmatien, Ungarn, Civil-Kroatien und Slavonien, Siebenbürgen, Militärgränze, Galizien, mit Krakau und Bukowina) vertheilen sich 17,422,177 Slanen, während die Gesammtmasse der Deutschen nur 7,833,175 in 18 Provinzen beträgt, die Ungarn bloß 5,472,910, die Italiener 5,506,000 ansmachen. Die Slaven bilden sonach 40/100, beinahe die Hälfte der Gesammtbevölkerung der österreichischen Monarchie.
Wien. Wir geben nachträglich die östreichische Reichstagssitzung vom 24. und 25. Oktober.
102 Wien, 25. Oktbr. Reichstagssitzung von gestern. Eröffnung um 12 1/2 Uhr durch den Präsidenten Smolka.
Präsident: Nachdem mir angezeigt worden ist, daß in Florisdorf vom Militär drei Abgeordnete an der Rückkehr nach Wien verhindert worden, so habe ich sofort um 10 Uhr einen Eilboten an Se. Durchl. (!) den Fürsten zu Windischgrätz mit einer Zuschrift abgesendet, worin ich denselben ersuche, die wahrscheinlich nur aus Mißverständniß an der Weiterreise verhinderten Abgeordneten frei ziehen zu lassen. Ich habe mich deshalb mit dem Finanzminister Krauß vorher ins Einvernehmen gesetzt und auch er hat eine ähnliche Zuschrift abgefertigt. Ich erfuhr die Festhaltung der Abgeordneten durch einen von dem Abg. Koszowski geschriebenen, mir überbrachten Zettel folgenden Inhalts. (Verl. denselben:)
Potocki: Sind die Namen der andern beiden Abgeordneten bekannt?
Präsident: Nein, ich erfuhr nur den Namen Koszowski's. ‒ Der Abg. Dilewski verlangt krankheitshalber (? unterdessen er spazieren geht) einen Urlaub von 4 Tagen. Es ist dem permanenten Ausschuß eine Kundmachung des Fürsten Windischgrätz zugekommen, über welche er noch berathet, ich setze die Sitzung also bis 5 Uhr aus.
5 1/2 Uhr. Nur wenige Abgeordnete sind da, als der Präsident seinen Sitz einnimmt und die Glocke rührt. Das Publikum hat sich massenweise auf die Gallerien gedrängt. Erwartung und tiefe Spannung beherrscht alle Gemüther. Robert Blum befindet sich auf der Gallerie der Journalisten.
Präsident: Die zur Berathung nöthige Anzahl von Abgeordneten ist vorhanden, ich eröffne daher die Sitzung, indem ich den Abg. Schuselka ersuche, den Bericht des permanenten Ausschusses zu erstatten. (Tiefe, athemlose Stille, während Schuselka die Tribüne besteigt).
Schuselka: Wir haben weitere Geldbeiträge erhalten; Hr. Mahler hat als uns Ertrag einer Sammlung 385 Fl. übergeben (Bravo); der Abg. Meiedl desgleichen 213 Fl. im Namen der Stadt Braunau in Ober-Oestreich (Bravo). Letzte sind mit folgender Zuschrift begleitet; (verliest dieselbe.) Der Inhalt der Zuschrift ist sehr freisinnig, die Stadt will sich auf einen Wink des Reichstags erheben und schwärmt für ein freies starkes Oestreich und einiges Deutschland. (Bravo) Der Abg. Borrosch hat Namens der Gemeinde N… 43 Fl. abgegeben.
Durch den Finanzminister ist uns ein Schreiben Auerspergs als Antwort auf unsere Beschwerde vom 19. über die Absperrung von Lebensmitteln zugegangen, worin derselbe sein Verfahren damit entschuldigt, daß die Verpflegung der Truppen, da die Stadt dieselbe nicht ferner geleistet, nur auf diese Weise habe geschehen können. Das Schreiben (verliest dasselbe) ist datirt Ingersdorf, 21. Oktbr. Der Ausschuß hat sich alle Mühe gegeben, die Truppen zu verproviantiren und hat den Proviant anfänglich sogar durch die akademische Legion eskortiren lassen, als aber die Umzingelung der Stadt immer bedrohlicher wurde, mußte er zur Erhaltung der eigenen Bevölkerung die Ausfuhr von Lebensmitteln einstellen. (Bravo). In einer zweiten Zuschrift des Finanzministers erhalten wir die Antwort, welche Windischgrätz auf unsere Zuschrift und Zustellung des Manifestes vom 19. an denselben ertheilt hat. Wir haben uns damals der sanguinischen Hoffnung hingegeben, Fürst Windischgrätz würde sich dadurch bestimmen lassen, von Gewaltmaßregeln abzustehen, derselbe hat jedoch nur mündlich dem Eilboten des Ministers die Bescheidung gegeben, er kenne keine andere Exekutivbehörde in Wien als den Gemeinderath, der unter ihm stehe und betrachte den Minister Krauß als Gefangenen (Bravo Hr. Krauß, geschickter Spieler!) Der Eilbote hat diese Antwort niedergeschrieben und dem Minister mitgetheilt. (Verliest dieselbe unter ängstlich zurückgehaltenem Zischen der Versammlung).
Heute erhielten wir durch den Gemeinderath eine neue Proklamation des Fürsten Windischgrätz. Ich bin nicht beauftragt, mich darüber zu äußern und will es auch für meine Person nicht thun; die Geschichte wird ihr Urtheil darüber sprechen. (Hier folgt die Proklamation von Windischgrätz aus dem Hauptquartier Hetzendorf vom 23. Oktbr., welche wir bereits mittheilten.) Wir haben Abdrücke von dieser Proklamation nach Olmütz geschickt, um zu erfahren, ob der Minister Wessenberg sie mit der konstitutionellen Freiheit für vereinbar erkläre. Wir konnten uns indessen damit nicht begnügen. Es stehen uns allerdings nur moralische Mittel (!!!) zu Gebote und von diesen Mitteln wollen wir Gebrauch machen. Wir haben uns als unerschrockene Wächter der Freiheit auszusprechen (Bravo) und vor der civilisirten Welt, der Geschichte und vor Gott (!) zu protestiren. Als aufrichtige, treue Anhänger des konstitutionellen Prinzips werden wir in unserer Proklamation sagen, daß durch das Verfahren des Windischgrätz dem monarchisch-konstitutionellen Prinzip Schaden erwachse, mehr als durch die feindlichsten Maßregeln. (Gewaltiges Bravo.) Wir glauben, daß die Darstellung, Windischgrätz kämpfe für das konstitutionelle Prinzip (!!!), auf ihn Eindruck machen wird. (!!!) Indessen hat sich über unser Thun im Ausschusse eine Meinungsverschiedenheit gebildet. Die Minorität glaubt, es sei mit unserer Erklärung vom 22. Okt. abgethan, während die Majorität der Ansicht ist, eine wiederholte, kräftige Erklärung, daß namentlich der konstitutionelle Thron in Gefahr stehe, würde noch fruchten. Der Antrag der Majorität lautet: (nach dessen Annahme) „Da Feldmarschall Fürst Windischgrätz im offenen Widerspruche mit dem kaiserl. Worte vom 19. Oktbr. und in offener Nichtachtung des Reichstagsbeschlusses vom 22. Oktbr. in einer neuen Proklamation d. d. Hetzendorf 23. Okt. 1848, Maßregeln über Wien verhängt, die nicht nur die vom Kaiser sanktionirten konstitutionellen, sondern die allgemeinen Bürger- und Menschenrechte völlig aufheben, so erklärt der Reichstag, daß dieses Verfahren des Fürsten Windischgrätz nicht nur ungesetzlich, sondern ebenso sehr gegen die Rechte des Volkes, wie des erblichen konstitutionellen Thrones feindlich sind.“
Präsident. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? (Nach langer Pause, während welcher die Abgeordneten sich mit den Augen prüfen und das Centrum unaufhörlich hustet.)
Gscheitzer: Ich schlage als Zusatz vor, daß Windischgrätz für alle verderblichen Folgen verantwortlich gemacht werde.
Präsident. Wünscht noch Jemand das Wort?
Vadil (Czeche). Mit unserer Erklärung der Ungesetzlichkeit ist Alles abgethan. Oesterreich hat so viele Hauptstädte, als es Provinzen hat und wir können nicht auf alle, z. B. nicht auf Böhmen, zählen, wenn wir uns übereilen.
Borrosch. Dieses neuerliche Manifest hat eine zweifache Wirkung zur Absicht, entweder die Raserei der Verzweiflung eines edeln Volks herauszufordern, um hinterher noch Gründe für die Militär-Diktatur zu finden, oder Zwiespalt in der Bevölkerung und Bürgerkrieg zu veranlassen. (Bravo.) Es hat Wien sich einst gegen einen Feind 7 Monate gehalten, zeigt es jetzt dieselbe Begeisterung und Aufopferung, wie damals, so wird es sich noch eine Weile zu halten vermögen. Ich halte das Manifest vor der Hand für eine Schreckrakete. Ich erkenne es an der verlangten Auslieferung einer unbestimmten Anzahl von Individuen, von Geieln, ‒ Geiseln, meine Herren, wie im Mittelalter! (Gewaltiges Bravo.) In der Zeit des Christenthums und nicht einmal wider einen auswärtigen Feind, gegen das Herz der Monarchie will man soviel wagen? (Bravo.) Was würde der für ein Bürger sein, der seinen Mitbürger als Geisel hingibt? Ich kann also, noch einmal gesagt, nur glauben, daß eine solche Proklamation nur eine Schreckrakete ist. ‒ Unsere Aufgabe ist nicht nur die konstitutionelle Urkunde, sondern auch die Konstituirung des Vaterlandes zu vollenden. Die Abgeordneten der Centralgewalt werden gerade auch nicht lau oder ohnmächtig sein. Wegen der Verantwortlichkeit können wir uns nicht an den Fürsten Windischgrätz, sondern nur an Wessenberg halten, denn es steht einer legislativen Kammer nicht zu, die physische Gewalt für verantwortlich zu erklären. Wo keine anderen Mittel übrig bleiben, dürfen wir nicht lässig werden, zu protestiren und wenn wir es 2, 3, 4mal vergeblich thun; wir erhalten wenigstens die Beruhigung erfüllter Pflicht. Ich kann mich daher nur dem Antrage der Ausschußmajorität anschließen.
Sierakowski. Ich beantrage, daß der Gemeinderath ersucht werde, den Beschluß in allen Ortschaften bekannt zu machen und an die Offizire der Armee, an Windischgrätz, Auersperg und Jellachich zu senden.
Präsident. Verlangt noch Jemand das Wort? (Athemlose, langanhaltende Pause.)
Goldmark. Ich gehöre zu der Minorität des Ausschusses, weil ich etwas Entschiedenes gethan haben will. Das Andere haben wir schon alle gethan und ich mag keine Tautologie und keine Wiederholung. Könnten wir energische Schritte thun, dann würde ich mit dem letzten Antrage einverstanden sein. Das Wort ungesetzlich stellt den Windischgrätz außer Gesetz; er ist daher ein Verräther am Vaterlande, der der Welt einen zweiten und neuen Tschintschiskan zeigen und beweisen will, daß man in Neapel nur eine Spielerei getrieben gegen das, was ein k. k. General zu thun wagt. Es ist Pflicht, jeden Gehorsam aufzukündigen, das ganze Land muß sich erheben gegen diesen Mörder der Freiheit. (Ungeheurer Beifall.) Dies sind die Details des Wortes ungesetzlich sie müssen zur Ausführung kommen, wenn wir die Freiheit retten wollen. (Die Esel treffen immer das Rechte trop-tard.)
Vadil. Wären wir Vertreter eines Volks, (Unterbrechung des Redners durch wirres Geschrei.) ‒ Ich beweise meinen Muth, indem ich hier rede, meine Herrn: (Bravo) wären wir Vertreter eines Volks, so könnten wir einheitliche Maßregeln ergreifen, allein die verschiedenen Nationalitäten hindern uns daran.
Polaczek. Ist die Publikation der Proklamation diesmal wiederum von dem Gemeinderathe verlangt worden?
Schuselka. Davon ist mir nichts bekannt.
Polaczek. Wir haben noch nicht die Gewißheit, daß die Proklamation von Windischgrätz herrührt, wir können darüber also nur mit dem Gemeinderathe kommuniziren. Wie ich gehört habe, soll ein Offizier der Armee dieselbe in den Gemeinderath mit der Aufforderung gebracht haben, den Empfang zu bescheinigen.
Borrosch. Wir haben niemand anders, durch welchen wir Jemand zur Verantwortung ziehen können, als das Ministerium. Daß ein mächtiges Heer die Proklamation unterstützt, ändert nichts in der Form. Die Konsequenzen geben sich von selber für den, der die Macht hat, ihnen Geltung zu verschaffen. Wir haben uns schon ein richterliches Urtheil angemaßt, es ist daher überflüssig, noch einen politischen Selbstmord zu begehen, wo die Armee hinter uns steht. Fallen wir, so fallen wir mit Ehre; den Bajonetten trotze ich. Ich habe am meisten zu fürchten, denn ich habe noch freier gesprochen. Ich will mit Ehre, nicht mit Schmach fallen, nicht gegen meine Ueberzeugung, nicht gegen mein Gewissen. Wir sind die Vertreter des ganzen Reiches, das bitte ich zu bedenken. Wenn wir nicht Alles thun, uns zu erhalten, so gehen wir einem Racenkrieg, vielleicht einem 30jährigen entgehen.
Scherzer. Ich beantrage den Schluß der Debatte. (Angenommen.)
Goldmark. Ich stehe ebenso gefährdet da, wie Borrosch. Ich bin solange für meine Konsequenzen, als sie nicht logisch widerlegt sind. Man sagt, Windischgrätz sei Plenipotentiär der Krone gegenüber der Volksfreiheit, darum wäre ich für die Maßregeln, wie ich sie will. Besteht die Freiheits-Begeisterung fort, dann mögen diese Plenipotentiäre kommen, sie werden Wien nicht besiegen.
Schuselka. Gscheitzers Zusatz ist Windischgrätz gegenüber unpraktisch. (Gscheitzer nimmt ihn zurück.) Wir müssen uns darauf beschränken, daß wir Windischgrätz vor der Nachwelt verantwortlich machen. (Das sind die schauerlichen Konsequenzen konstitutioneller Eselei.) Wir haben uns nicht auf eine blose Wiederholung beschränkt, wie Goldmark meint, sondern wir haben ganz neue Punkte hervorgehoben, indem wir auf Verletzung der allgemeinen Bürger- und Menschen-Rechte verwiesen und den Fürsten als Ritter der Legitimität und des Absolutismus einen Feind des Thrones genannt haben.
(Pillersdorf tritt herein, der Jude Fischof hinter ihm her, setzt sich neben ihn.) Die Proklamation gab ganz Wien einen Schnitt ins Herz, denn sie ist inhuman. (wie bescheiden, dennoch aber Bravo.) Was die Authentizität anbelangt, so ist das eingehaltene Verfahren der Zustellung geraderecht das des Windischgrätz; er wollte uns eine Galgenfrist geben Der Antrag Sierakowski's ist unausführbar, obwohl die Ausführung wünschenswerth erscheint.
Präs. Es sind 194 Abgeordnete anwesend, wir sind also beschlußfähig. (Der Antrag der Kommission wird angenommen, alle Abgeordnete außer Pillersdorff, dem Juden Fischoff, Eckel und Fleischer haben sich dafür erhoben.) Der Druck wird bestimmt, Sierakomski's Antrag fällt durch.
Borrosch: Es ist nöthig, die Namen der Anwesenden aufzunehmen, damit es konstatirt ist, daß wir beschlußfähig gewesen sind. (Nein, nein!)
Das Protokoll wird vorgelesen, die Sitzung beendigt.
In der heutigen um 12 1/2 Uhr eröffneten Sitzung las der Präs. eine Antwort Windischgrätz auf die Anfrage wegen der zurückgehaltenen Abgeordneten vor, worin gesagt ist, daß jeder, der sich als Abgeordneter ausweisen könne, nach Wien gehen dürfe, die Angabe des Reichstags also auf einem Irrthum beruhen müsse. Sodann kündigte der Präs. an, daß Windischgrätz den Finanzminister Krauß zu sich ins Lager zitirt und der Abgeordnete Brestl sich ihm freiwillig dahin angeschlossen habe. Er theilte ferner mit, daß eine Depesche aus Olmütz angelangt sei, über welche der Ausschuß noch berathe und setzte darum die Sitzung bis um 5 Uhr aus.
Um 5 3/4 Uhr fand die Wiedereröffnung statt, die Versammlung zeigte dem Anscheine nach eine ziemlich aufgeräumte Physiognomie. Präs. Smolka hielt eine Vorrede, worin er die Kammer ersuchte, die Depesche aus Olmütz mit dem gewohnten würdigen Ernste aufzunehmen.
Schuselka verkündet neue Geldbeiträge und erzählt, das Gerücht gehe, die Studenten hätten Briefe aufgefangen und geöffnet, der Ausschuß habe darauf eine Zuschrift an sie gerichtet und zur Antwort erhalten, sie hätten allerdings einen hohen Herrn mit einem Briefsack zur Aula gebracht. Derselbe habe sich aber als envoyé des Finanzministers ausgewiesen, sein Sack das Siegel des Reichstags getragen und sei darauf wieder entlassen worden. (Sehr konstitutionell gescheidt.) Hierauf verliest er eine Hochachtungsadresse des Gemeinderathes an den Reichstag (Bravo) und meldet, daß im permanenten Ausschuß gestern auch der Vorschlag aufgekommen sei, mit Windischgärtz eine mündliche Unterredung zu halten. Dieselbe sei jedoch nach dem bisherigen Verhalten für unmöglich erachtet worden, ohne daß man aber deßhalb eine Gelegenheit der Art von der Hand zu weisen gewollt habe, indem kein Ausweg unversucht bleiben dürfe. Der Abgeordnete Pillersdorff habe, aber ohne Vollmacht des Ausschusses, diese konsidentielle Mission übernommen und werde am besten über den gethanen Schritt berichten können. Pillersdorff besteigt auf Ersuchen des Präsidenten hierauf die Tribüne und erzählt in sehr ausführlicher Weise seinen Besuch bei Windischgrätz. Er entwickelt die Vorstellungen, die er demselben gemacht, alle Antworten, die Windischgrätz darauf gegeben. Die Erbitterung desselben, sagt er, beruhe hauptsächlich darin, daß die Bevölkerung von Wien sich feindselige Akte wider das Militär erlaubt habe, weshalb er von den von ihm gestellten Bedingungen nicht abgehen könne. Jedoch habe er sich geneigt gezeigt, sich mit einer Deputation des Reichstags in Unterhandlungen einlassen zu wollen. Pillersdorff endete seinen langen
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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