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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 137. Köln, 8. November 1848.

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4 Uhr Nachmittags. Alle Vorstädte, die von den Windischgrätz-Jellachichschen Truppen und Räuberhorden noch unbesetzt sind, werden neuerdings in Vertheidigungsstand gesetzt, die Stadtthore befestigt und die großen Straßen der Vorstädte neuerdings mit sehr guten und ausgedehnten Barrikaden versehen. Vor einer Stunde gab Oberkommandant Messenhauser wieder eine Berichterstattung vom Stephansthurm, welche ich meinen heutigen verworrenen Berichterstattungen beilege. (Fehlt.) Der über die Stadt und die ganze Umgegend ausgebreitete Nebel macht die weitere Beobachtung der kämpfenden Armeen unmöglich. Daß wir heute noch ein Näheres über den Ausgang der Schlacht erfahren werden, ist nicht wahrscheinlich. Jedenfalls haben uns die Ungarn durch die späte Hülfe einen schlechten Dienst erwiesen, und werden, auch wenn sie über die Windischgrätz-Jellachich-Truppen gesiegt haben, die Stellung des Gemeinderaths und des Oberkommandanten gegenüber dem Feldmarschall außerordentlich schwierig machen, da unter den vorwaltenden Umständen und Verhältnissen die Unterwerfung und Uebergabe der Stadt unter des Fürsten Dictatur doch nicht zu vermeiden sein wird.

10 Uhr Abends. Fürst Windischgrätz läßt an alle Hauseigenthümer eine gedruckte Kundmachung vertheilen, worin er bekannt macht, daß ein Korps ungarischer Insurgenten gewagt habe, die östreichische Grenze zu überschreiten, daß es ihm aber vereint mit dem Banus gelungen sei, diese ungarischen Truppen in wilde Flucht zu jagen, und ein Theil noch mit der Verfolgung der Flüchtlinge beschäftigt sei. Was der Fürst aus seinem Hauptquartier in Hetzendorf zum Troste aller Gutgesinnten, zur Warnung der Schlechtdenkenden bekannt machen läßt, um die abgeschlossene Uebergabe der Stadt nicht länger zu verzögern u. s. w.

Den 31. 9 Uhr. Die ungarische Armee, die in allem 40,000 Mann stark gewesen, soll total geschlagen worden sein, das Infanterieregiment Alexander durch die Kavallerie in die Donau gesprengt, mehr als 1500 Gefangene gemacht und die Kriegskasse erbeutet sein

Der Gemeinderath bittet, die Uebergabe der Stadt und Vorstädte, die bis zwölf Uhr Mittag geschehen muß, nach Möglichkeit zu beschleunigen. Auf dem Stephansthurme muß zu dieser Stunde die kaiserliche Fahne ausgesteckt werden; die früher gestellten Kapitulationsbedingungen genau erfüllt werden etc., wenn es thunlich ist, schicke ich noch mit der heutigen Post die Kundmachung des Feldmarschalls, den Aufruf des Gemeinderathes, die an den öffentlichen Plätzen und Straßenecken angeschlagen und augenblicklich unter den größten Insulten der sich dagegen Sträubenden abgerissen wurden.

Die bewaffneten Proletarier und Arbeiter weigern sich fortwährend die Waffen abzulegen, die Stadt zu übergeben. Ohngeachtet Windischgrätz fortwährend dabei bleibt, daß wenn die gemachte Kapitulation nicht genau bis zur Mittagstunde erfolgt, Stadt und Vorstädte durch Brand verheert werden sollen, ist bis jetzt wenig Hoffnung, daß die bewaffnete Macht diesem diktatorischen Befehle Folge leistet. Denn jemehr sich von den entlegenen Vorstädten die Nachrichten über die von den Kroaten verübten Grausamkeiten, Mord, Plünderung, Verwüstung verbreiten, desto größer wird die Erbitterung.

Wieder hört man Kanonendonner von der Mariahilfer und Lerchenfelder Linie. Das Olnitkömmer Amt, unter welchem die Burgbauten und die Sammlungen stehen, hat neuerdings um eine Verstärkung von zweihundert Garden gebeten, ebenso die Nationalbank, da man wiederholte Drohungen, die Residenz des Kaisers in Brand zu legen, die Statue des Kaisers Franz zu zertrümmern u. s. w. gemacht hat.

1 Uhr Mittags. In diesem Augenblick hört der Geschützdonner und das Sturmläuten auf, das mit Schlag 12 Uhr begonnen hat, ohne daß man im Innern der Stadt beurtheilen kann, ob es von Seite der Truppen wegen Veränderung der Position oder wegen einer Unterhandlung eingestellt wurde.

Die Parteien stehen sich für und gegen die Kapitulation schroff gegenüber. Es müßte ein Bürgerkrieg gegen die Schwarzgelben geführt werden, der allen Besitz vernichtet. Von Anfang des Bombardements hat sich auf der Mariahilfer Linie schon ein ähnlicher Straßenkampf zwischen jenen, die für, und jenen, die gegen Kapitulation stimmten, angesponnen.

Den 31. Oktober, Nachmittags halb 4 Uhr. Welche weitere Unterhandlungen durch den Oberkommandanten Messenhauser und den Gemeinderath wegen der Uebergabe der innern Stadt gepflogen und von welchem Erfolg solche sein werden, muß uns die nächste Stunde zeigen. Nach der in der schönen und völlig verödeten Stadt herrschenden Stimmung ist das schrecklichste nämlich, ein Parteienkampf zwischen den friedlichen, für die Regierung gutgesinnten Bürgern und den bewaffneten Freiheitskämpfern, die ihre Errungenschaften auf das Aeußerste zu vertheidigen gesonnen sind, zu erwarten.

Der Gemeinderath, so wie Messenhauser werden des Verraths an der Freiheit, wie ich glaube mit Unrecht, von der bewaffneten Menge beschuldigt, sonst könnten sie nicht den tyrannischen und starren Anforderungen, die der Feldmarschall gestellt, und noch mit drückenden Bedingungen in letzter Zeit vermehrt hat, mit solcher Hast und Bereitwilligkeit nachgegeben haben.

Diese Beschuldigung veranlaßte den Oberkommandanten, welcher gestern seine Stelle niedergelegt, sich wieder an die Spitze der bewaffneten Volkswehr zu stellen, und die Hauptleute Redel und Fenneberg, die das volle Vertrauen der akademischen Legion und der Mobilen besitzen, zu seinen Kriegsräthen und Stellvertretern zu ernennen, und ohne deren Beistimmung die Stadt und die sich bis jetzt noch höchst muthig vertheidigenden Vorstädte nicht zu übergeben. Ein Theil der Stadt- und Bürgergarden hatte bereits Vormittags auf ihren Sammelplätzen die Waffen abgelegt, die aber in derselben Stunde wieder an andere Kämpfer vertheilt wurden.

In diesem Augenblicke wird die innere Stadt mit Kanonenschüssen und Congreveraketen, von dem Schwarzenbergschen Palais, von dem Wiedner Freihause in der Nähe des Politechnikums und von der Mariahilfer Hauptstraße heftig beschossen und beworfen, wogegen nur wenig Kanonenschüsse aus der belagerten Stadt zurückgemacht - da, wie ich mir die persönliche Ueberzeugung schaffte, durch den sehr starken Wind die Raketen vertragen werden, - nicht an den Ort ihrer Bestimmung gelangen, und größtentheils am Glacis oder in den Wallgraben liegen bleiben. Es ist 4 Uhr vorüber und das Beschießen der Stadt wird von den obenbezeichneten Punkten unausgesetzt unterhalten, ohne daß man noch irgend eine Flamme ausbrechen sieht. Aber so eben wird mir die Nachricht hinterbracht, daß eine zu weit an das Kärnthnerthor gerückte Avantgarde mit einer Kartätschenladung eines dort aufgestellt gewesenen 18pfünder regalirt wurde, und außer einem dabei befindlich gewesenen General und seinem Adjutanten noch bei 40 Todte und Verwundete, meistens Kroaten, ihr Leben eingebüßt haben. Von Kartätschenmunition ist in der Stadt noch der größte Vorrath, und den werden die Belagerten für die herannahenden Soldaten wohl am sichersten und zweckmäßigsten zu benützen suchen. - Nun ertönt der Ruf, es brennt die Burg, der Reichstagssaal; dabei das fortdauernde kanoniren und das Hineinwerfen der Raketen, durch welche eben wieder das große und schöne Palais des Grafen Kollowrath (früherer Minister des Innern), in Flammen geräth - nun sieht man das Feuer, welches am Josephsplatz nächst der Burg zum Himmel lodert von hoch gelegenen Häusern ganz deutlich, und verflucht das empörte Volk, das sich durch Vernichtung unersetzlicher Kunstschätze an der Tyrannei des Feldmarschalls zu rächen sucht.

Der Thurm der Augustinerkirche, die zwischen dem Naturalienkabinet, der kaiserlichen Bibliothek und des Erzherzogs Albrecht Palais liegt, steht in vollem Brand, nebenhin alle Gebäude in lichterloher Flamme, die auch an zwei andern Orten heftig wüthet, und bei dem starken Nordwestwinde und der bereits eingebrochenen Dunkelheit die ganze Stadt zu verheeren droht.

Die Beschießung der Stadt hört auf, ohne daß man sich in den Vorstädten die Ursache dieses Stillstandes zu erklären weiß, und der Meinung ist, daß Fürst Windischgrätz die Erlaubniß ertheilte, der so hart bedrängten Stadt durch Löschungswerkzeuge aus den Vorstädten zu Hülfe zu kommen. Doch bald erfuhr man, daß die am Glacis und den Brücken aufgestellten Soldaten weder eine Feuerspritze noch irgend Jemand passiren lassen - und neue Verhandlungen über die Uebergabe der Stadt im Zuge sind. Da alle Straßen der Vorstädte, die zum Glacis führen, durch das Militär abgeschlossen sind, so muß ich meinen weitern Bericht über dieses fürchterliche Ereigniß, durch welches der Kaiser seiner Hauptstadt und Residenz unheilbare Wunden schlägt, für den morgenden Tag verschieben und nur noch beifügen, daß am verflossenen Sonnabend auch das Odeon, in welchem sich einige hundert mobiler Garden befanden, die auf die eindringenden Kroaten ein Kleingewehrfeuer unterhielten, durch Letztere in Brand gesteckt wurde, und durch das einstürzende Dach und Gewölbe Alles was sich darin befand, nach einigen Mittheilungen bei 600 Menschen zusammenschmetterte. Jede Verbindung mit der Leopoldstadt, der Stadt und den übrigen Vorstädten ist seit vier Tagen gänzlich unterbrochen, und man kann außer den von der Ferne herausragenden kolossalen Brandstätten über die sonstigen Verwüstungen und Greuelscenen, welche von den kroatischen Räuberhorden des Jelachich an schwachen Weibern, Kindern und Greisen begangen wurden, noch nichts Bestimmtes erfahren und keine verläßlichen und sicheren Nachrichten geben. Die prachtvolle Villa mit den herrlichen großen Gartenanlagen und Glashäusern des Fürsten Liechtenstein (vormals das Roßumowsky-Palais) an dem Donau-Kanal gegenüber dem Prater liegend und von diesem nur durch die schöne Kettenbrücke getrennt, ist auch, besonders die Gartenanlagen, in welchen die Geschütze der mobilen Garde aufgeführt waren, und mit welchen man den von der Dampfmahlmühle und dem Prater herüberstürmenden Feind zu wiederholten Malen zurückdrängte - gänzlich ruinirt, eben so auf der rechten Donauseite die nebenanstehenden Gebäude des Banquiers Walters, das Karpfenbad, die durch seine alljährig ausgestellten Blumenfluren berühmt gewordenen Treibhäuser und Wohngebäude des Apotheker Rochleder; stark gelitten haben noch das in dieser Gegend befindliche Eisengußwerk des Landgrafen Salm, die Farben-Entroit-Fabrik des Kaufmann Dietz, das Sophienbad - an dem andern Donauufer, wo die große Zucker-Raffinerie gewesen, die ausgedehnten Kohlenmagazine und Bau- und Brennholzvorräthe lagerten, ist diese Verwüstung noch bei Weitem größer. Von den Bahnhofgebäuden der Nordbahn soll auch Vieles abgebrannt und verwüstet worden sein - die Eisenbahnbrücke gänzlich abgebrannt, eine weite Strecke der Bahn, nach Einigen bis Lundenburg unfahrbar gemacht worden sein - wird wohl den regelmäßigen Lauf und Benützung dieser ausgedehnten Bahnstrecke hemmen und für längere Zeit unbrauchbar machen. Aehnliches ist auch in den Bahnhoflokalitäten der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn geschehen - und was noch mehr zu beklagen ist, wurden dort die für Wien und zum Transport eingelagerten Waarenvorräthe geplündert und fast gänzlich verschleppt, ein ungeheuerer Verlust, für welchen der Beschädigte keinen Ersatz zu gewärtigen hat. - Auch heute wurde keine Wiener Zeitung wegen Mangel an offiziellen Nachrichten ausgegeben - ob Windischgrätz während des Belagerungszustandes ausländische Zeitungsblätter einführen läßt, steht sehr in Zweifel, und so wird das alte Regime Sedlnitzky wieder an die Tagesordnung kommen.

Den 1. November. Gestern Nachmittag um halb 6 Uhr sind die ersten Truppen durch das Burgthor über den Kohlenmarkt und Graben, wo aus allen Fenstern die weiße Fahne ausgesteckt zu sehen war, eingezogen. Kanonen wurden auf den Hauptplätzen aufgeführt und mit brennenden Lunten bis zum Anbruch des Tages, wo die weiße Fahne auf dem Stephansthurme aufgesteckt wurde, bewacht. Heute um 9 Uhr konzentrirten sich in der Stadt große Truppenmassen, lösten alle noch von National- und Mobilgarden besetzte Wachtposten ab, und ließen nach 9 Uhr Niemand mehr aus, noch in die Stadt passiren, um das Verschleppen der Waffen zu verhindern. - In den Vorstädten fahren die Wagen von Haus zu Haus, Kommissäre ermahnen, die Waffen sogleich auf die Wagen oder binnen zwölf Stunden in die Gemeindehäuser abzugeben, Privateigenthum zu bezeichnen, welches dann protollirt und in einiger Zeit, wenn der Belagerungszustand aufgehoben, die Garde reorganisirt worden ist, wieder zugestellt werden soll. Nach 24 Stunden wird noch einmal Haussuchung gehalten und bei vorfindenden Waffenvorräthen kriegs- und standrechtlich verfahren. Auf ähnliche Weise wird man wohl auch in der innern Stadt vorgehen und auf diese Weise das kaiserl. Zeughaus wieder vollständig füllen. Ein großer Mißgriff des Hrn. Marschall Windischgrätz war es, die kroatischen Horden zuerst nach Wien einrücken zu lassen. Diese roh-zügellose, schlecht bekleidete, mit Prügeln und Stangen bewaffnete Soldateska hat viele Grausamkeiten, vorzüglich in der Vorstadt Landstraße, verübt und die Erbitterung gegen Jellachich und Windischgrätz noch mehr gesteigert. Daß sich Wien und die innere Stadt nicht so wie es der Gemeinderath zugesichert hatte, bis 12 Uhr Mittags ergab, war größtentheils das Verlangen Windischgrätz, die gelbe und schwarze Fahne auf dem Thurme von St. Stephan aufzupflanzen, Schuld. Diese gewiß für immer verhaßten Farben erbitterten und reizten das Volk der Art, daß auf dem Stephansplatz zwei Kanonen Sechspfünder mit der Drohung aufgeführt wurden, den Dom und den Thurm in Trümmer zu schießen, wenn die Aufsteckung dieser Fahne stattfinden würde.

Abends 6 Uhr. Niemand außer Militär darf seit 10 Uhr die innere Stadt betreten, ebensowenig von dort in die Vorstadt gehen; um vor die Barrieren zu gelangen, muß man von dem in jeder Vorstadt kommandirenden General einen Geleitschein erbetteln, und dann beim Hinausgehen oder Fahren sich gefallen lassen, bis auf das Hemd visitirt zu werden. Die so strenge Absperrung der Stadt scheint keinen andern Zweck zu haben, als von Haus zu Haus die Waffen einzusammeln, die entwaffneten Arbeitsleute und Proletarier in sichern Gewahrsam zu bringen und solche unschädlich zu machen, seit acht Stunden hat man bereits mehr als 1200 zusammengefangen und durch die Kroaten, die mit den abgenommenen Waffen armirt wurden und auch Munition erhielten, in das Arbeitshaus und mehrere Kasernen transportiren lassen. Nach einigen unverbürgten Nachrichten soll sich ein großer Theil des übergegangenen Militärs mit Studenten und Akademikern in das Universitätsgebäude geflüchtet haben, verweigern die Ablieferung der Waffen und verlangen für die übergetretenen Soldaten vollkommene Amnestie - und da sich der Feldmarschall dies Verlangen nicht abtrotzen lassen wird, so befürchtet man einen tollkühnen verzweifelten Ausfall oder die Ausführung der gemachten Drohung, sich in die Luft zu sprengen. Ob an der Sache etwas Wahres ist, kann ich heute noch nicht ermitteln, so viel aber ist gewiß, daß viele Familien, die in den Vorstädten wohnen und Söhne bei der akademischen Legion haben, über deren Schicksal und Ausbleiben in der größten Unruhe sind.

In der Vorstadt Mariahilf wurde durch die vor den Barrieren aufgestellten Truppen mit großem Wurfgeschütz an vielen Bauten ein sehr bedeutender Schaden zugefügt, das Sommerpalais des Fürsten Esterhazy, welches eine ausgezeichnete Bildergallerie enthält, wurde unausgesetzt mit Kanonen und Bomben bedrängt; in dem großen immensen Gebäude ist auch nicht eine Fenstertafel ganz geblieben. In der Mariahilfer Hauptkirche und deren Thürme flogen mehrere Kugeln und Bomben mit 60 Pfund, zerplatzten in der Kirche und steckten einige Kirchstühle in Brand. Der Ingenieur und Maschinist Angely aus Berlin, dessen mechanische Fabril von den Kroaten zerstört wurde, verlor auch dabei sein Leben, durch vier auf ihn gerichtete Gewehrschüsse. Auch der Kaffeesieder Stierböck in der Leopoldstadt wurde von den Kroaten erschossen. Erst heute konnte man der Plünderung, die man an den auf den Bahnhöfen liegenden zum Versandt bestimmt gewesenen Waarengütern vornahm, Einhalt thun. Der Schaden muß sehr bedeutend sein. Das neue Zollgebäude, wo jetzt drei Kompagnien Soldaten bivouakiren, hat ebenfalls großen Schaden erlitten, die dort aufbewahrten Waaren haben einen ungeheuern Werth Ein kroatischer Offizier erzählte heute, daß die ungarischen Truppen, die zurückgedrängt wurden, nicht über 6000 Mann stark waren, und mit dem Regimente Alexander, welches lange Jahre in Wien stationirt gewesen, die Bestimmung hatte, Jellachichs Truppen im Prater aufzureiben; das gedachte Regiment wurde auf drei Dampfschiffen von Preßburg in die Nähe Wiens gebracht, was verrathen war, und durch die an dem Donau-Ufer aufgestellte Artillerie in ganz kurzer Zeit durch Zusammenschießen der drei Dampfschiffe, die der Donau-Dampfschifffahrtgesellschaft gehören, in Grund geschossen wurde. Windischgrätz scheint noch einen weit stärkeren Angriff der Ungarn zu erwarten und konzentrirt die Mehrzahl seiner Truppen gegen die ungarische Gränze. Auf allen Vorstadthäusern, in welchen Kroaten hausen, sieht man folgende geschriebene und gedruckte Zettel angeklebt: Saldvemo-na Suprewal General Zeisberg, das heißt: Heilig ist das Eigenthum. Da aber unter diesen Horden von hundert nur wenige lesen können oder das Gelesene verstehen werden, so wird das Eigenthum in den Augen dieser entmenschten Soldateska wenig respektirt werden. - Cigarren und Silbergeld steht bei den Kroaten in besonderm Werth und durch Tabak und Cigarren, die sie den Vorübergehenden aus dem Mund herausnehmen, kann man sich noch am ersten von diesen Raubvögeln befreien.

Den 1. Nov., 10 Uhr Morgens. Die heutige Nacht war für die Bewohner Wiens nach langen gefahrvoll durchlebten Tagen wieder eine ruhige - für Denjenigen, der seine Angehörigen und seine Habe fern von der Stadt und den dieser zunächst liegenden Vorstädten wußte. Ein ziemlich starker Regen, der vor Mitternacht begonnen und noch fortdauert, hat die Brandstätten, welche in der innern Stadt noch immer fortlodern, durch das Aufhören des Windes, nicht weiter ausgebreitet. Schon um 7 Uhr früh sahen wir am St. Stephansthurme die weiße Fahne wehen und hatten dadurch Hoffnung, in die, so unersetzlichen Schaden erlittene Stadt hineinzukommen. Von allen Thoren war nur ein einziges, nämlich das Franzensthor, für Fußgänger geöffnet, wir fanden den größten Theil der Thorwachen, die der Gesandtschafts-Hotels und der ärarischen und Dicasterialgebäude noch mit Nationalgarden besetzt, in den Straßen und kleinern Gassen aber Waffen aller Art in großer und bedeutender Menge herumliegen. Die erste Frage war, ob der Parteienkampf zu Ende? wer dabei gesiegt? und wie lange die Brandlegung und Plünderung gedauert habe? mein Erstaunen war daher auch groß, als ich zur Antwort erhielt, daß die Ablegung der Waffen, sowohl von der arbeitenden Klasse, dem Proletariat, ebenso von der mobilen Garde, wenig Umstände verursacht habe, daß sich die gesammte Volkswehr, den klugen, gemäßigten und beruhigenden Vorstellungen des Gemeinderathes und den der Kommandanten (die ich hier gedruckt beilege) unterwarf, und sich an der Rettung der durch die kaiserliche Artillerie in Brand gesteckten Gebäude thätig, unermüdet und in musterhafter Ordnung betheiligten; nur den Bemühungen der gewandten Arbeitsleute konnte es gelingen, von den vorhandenen Feuerlöschungs-Requisiten, wobei auch noch Wassermangel war, da die Wasserleitungen, wie ich schon früher berichtete, größtentheils zerstört waren, einen schnellen und zweckmäßigen Gebrauch zu machen, wodurch nicht allein die Verbrennung der kostbaren, weltberühmten kaiserlichen Bibliothek und des daran anstoßenden Naturalienkabinets verhindert wurde, sondern auch die Burg, das Theater, die Säle des Reichtages und alle in der Nähe befindlichen Palläste vor einer gänzlichen Verheerung bei dem so stark wehenden Winde gerettet wurden. Die schöne Augustinerhofkirche mit dem herrlichen Denkmal Canovas (an der Grabstätte der Erzherzogin Christine) wurde durch die angestrengtesten Bemühungen der bewaffneten Garden und Arbeiter, denen sich die Proletarier anschlossen, vor dem Einsturz gerettet, der hohe Kirchthurm mit seinem großen und schönen Glockengeläute wurde ein Raub der Flammen. Die entsetzlichen Feuermassen, das herabfließende schmelzende Erz und das fortwährende Kanonieren konnte die Anstrengungen der braven Leute in ihren Bemühungen nicht hemmen. Die Kirchenschätze wurden in Sicherheit gebracht, die dicht an die Kirche anstoßende Kupferstichsammlung des Erzherzog Albrecht (eine der werthvollsten in Europa) durch dieselben Leute, die man noch wenige Stunden vorher als Brandstifter und Plünderer bezeichnete, gerettet, und sie waren noch um 8 Uhr früh, also nach 13 Stunden, so thätig und unermüdet, daß auch bei dem herrlichen Bibliothekgebäude nur die schöne Kuppel und das Dach abbrannte und der größte Theil des Naturalienkabinets, in welchem die mit Spiritus gefüllten Gefäße eine verheerende Flamme verursachten, gerettet werden konnte. Dennoch entstand unberechenbarer Verlust, da die in der Nähe der Bastionen und Wälle liegenden Gebäude, bis inmitten der Kärntnerstraße, des Josephsplatzes, der Staatskanzlei, Löwenstraße u. s. w., durch Kanonen, Raketen und Granaten schrecklich verwüstet sind und durch den noch in Flammen stehenden Kolowrattschen Palast allein ein Schaden von 300,000 Fl. entstanden ist.

2. Nov., 12 Uhr Mittags. Um in die Stadt zu gelangen, mußte ich mir es 2 Dukaten kosten lassen. Sie können sich daher denken, wie streng Windischgrätz den Belagerungszustand beobachten läßt. Das Militär bivouaquirt auf allen Hauptstraßen und Plätzen der innern Stadt, was einen eigenen Anblick der nicht mehr zu kennenden Stadt darbietet. Heute Nacht wurde der Gaßkandelaber, an welchem Latours Leiche aufgehangen war, von dem Militär herausgerissen und zertrümmert.

Eben höre ich, daß sämmtliche Posten angelangt und auch heute mit Ausnahme der ungarischen abgehen, ich muß mir nur noch die in der Staatsdruckerei seit gestern erschienenen Kundmachungen zu verschaffen suchen, was auch nur durch besondere Lokalkenntniß zu erzielen ist, um Sie mit den neuesten Vorfällen bekannt zu machen. Sämmtliche in Wien befindliche Druckerpressen sind unter Aufsicht gestellt, ob wir Zeitungen von fremden Plätzen erhalten, bezweifle ich, Gewisses weiß ich hierüber nicht zu sagen.

Die Universität ist bereits von Militär besetzt - sonst Alles ruhig. Die Stadt gleicht einem Lager. Alle Läden gesperrt, an den meisten Lebensmitteln mangelt es bereits in der Stadt und Vorstädten. Morgen ein Mehreres.

(A. O. Z.)
Wien.

Absichtliche Entstellungen und Verdrehungen aller Thatsachen sind gegenwärtig so sehr an der Tagesordnung, daß es den Freunden der Wahrheit willkommen sein muß, nachstehend eine getreue Darstellung der Vorgänge bei der Einnahme der Stadt Wien durch die k. k. Truppen zu erhalten.

Am 23. Oktober Abends war der mit außerordentlichen Vollmachten versehene k. k. Herr Feldmarschall Fürst Windisch Grätz zu Hetzendorf nächst Wien eingetroffen. Se. Durchlaucht erließen eine Aufforderung an die Be-

4 Uhr Nachmittags. Alle Vorstädte, die von den Windischgrätz-Jellachichschen Truppen und Räuberhorden noch unbesetzt sind, werden neuerdings in Vertheidigungsstand gesetzt, die Stadtthore befestigt und die großen Straßen der Vorstädte neuerdings mit sehr guten und ausgedehnten Barrikaden versehen. Vor einer Stunde gab Oberkommandant Messenhauser wieder eine Berichterstattung vom Stephansthurm, welche ich meinen heutigen verworrenen Berichterstattungen beilege. (Fehlt.) Der über die Stadt und die ganze Umgegend ausgebreitete Nebel macht die weitere Beobachtung der kämpfenden Armeen unmöglich. Daß wir heute noch ein Näheres über den Ausgang der Schlacht erfahren werden, ist nicht wahrscheinlich. Jedenfalls haben uns die Ungarn durch die späte Hülfe einen schlechten Dienst erwiesen, und werden, auch wenn sie über die Windischgrätz-Jellachich-Truppen gesiegt haben, die Stellung des Gemeinderaths und des Oberkommandanten gegenüber dem Feldmarschall außerordentlich schwierig machen, da unter den vorwaltenden Umständen und Verhältnissen die Unterwerfung und Uebergabe der Stadt unter des Fürsten Dictatur doch nicht zu vermeiden sein wird.

10 Uhr Abends. Fürst Windischgrätz läßt an alle Hauseigenthümer eine gedruckte Kundmachung vertheilen, worin er bekannt macht, daß ein Korps ungarischer Insurgenten gewagt habe, die östreichische Grenze zu überschreiten, daß es ihm aber vereint mit dem Banus gelungen sei, diese ungarischen Truppen in wilde Flucht zu jagen, und ein Theil noch mit der Verfolgung der Flüchtlinge beschäftigt sei. Was der Fürst aus seinem Hauptquartier in Hetzendorf zum Troste aller Gutgesinnten, zur Warnung der Schlechtdenkenden bekannt machen läßt, um die abgeschlossene Uebergabe der Stadt nicht länger zu verzögern u. s. w.

Den 31. 9 Uhr. Die ungarische Armee, die in allem 40,000 Mann stark gewesen, soll total geschlagen worden sein, das Infanterieregiment Alexander durch die Kavallerie in die Donau gesprengt, mehr als 1500 Gefangene gemacht und die Kriegskasse erbeutet sein

Der Gemeinderath bittet, die Uebergabe der Stadt und Vorstädte, die bis zwölf Uhr Mittag geschehen muß, nach Möglichkeit zu beschleunigen. Auf dem Stephansthurme muß zu dieser Stunde die kaiserliche Fahne ausgesteckt werden; die früher gestellten Kapitulationsbedingungen genau erfüllt werden etc., wenn es thunlich ist, schicke ich noch mit der heutigen Post die Kundmachung des Feldmarschalls, den Aufruf des Gemeinderathes, die an den öffentlichen Plätzen und Straßenecken angeschlagen und augenblicklich unter den größten Insulten der sich dagegen Sträubenden abgerissen wurden.

Die bewaffneten Proletarier und Arbeiter weigern sich fortwährend die Waffen abzulegen, die Stadt zu übergeben. Ohngeachtet Windischgrätz fortwährend dabei bleibt, daß wenn die gemachte Kapitulation nicht genau bis zur Mittagstunde erfolgt, Stadt und Vorstädte durch Brand verheert werden sollen, ist bis jetzt wenig Hoffnung, daß die bewaffnete Macht diesem diktatorischen Befehle Folge leistet. Denn jemehr sich von den entlegenen Vorstädten die Nachrichten über die von den Kroaten verübten Grausamkeiten, Mord, Plünderung, Verwüstung verbreiten, desto größer wird die Erbitterung.

Wieder hört man Kanonendonner von der Mariahilfer und Lerchenfelder Linie. Das Olnitkömmer Amt, unter welchem die Burgbauten und die Sammlungen stehen, hat neuerdings um eine Verstärkung von zweihundert Garden gebeten, ebenso die Nationalbank, da man wiederholte Drohungen, die Residenz des Kaisers in Brand zu legen, die Statue des Kaisers Franz zu zertrümmern u. s. w. gemacht hat.

1 Uhr Mittags. In diesem Augenblick hört der Geschützdonner und das Sturmläuten auf, das mit Schlag 12 Uhr begonnen hat, ohne daß man im Innern der Stadt beurtheilen kann, ob es von Seite der Truppen wegen Veränderung der Position oder wegen einer Unterhandlung eingestellt wurde.

Die Parteien stehen sich für und gegen die Kapitulation schroff gegenüber. Es müßte ein Bürgerkrieg gegen die Schwarzgelben geführt werden, der allen Besitz vernichtet. Von Anfang des Bombardements hat sich auf der Mariahilfer Linie schon ein ähnlicher Straßenkampf zwischen jenen, die für, und jenen, die gegen Kapitulation stimmten, angesponnen.

Den 31. Oktober, Nachmittags halb 4 Uhr. Welche weitere Unterhandlungen durch den Oberkommandanten Messenhauser und den Gemeinderath wegen der Uebergabe der innern Stadt gepflogen und von welchem Erfolg solche sein werden, muß uns die nächste Stunde zeigen. Nach der in der schönen und völlig verödeten Stadt herrschenden Stimmung ist das schrecklichste nämlich, ein Parteienkampf zwischen den friedlichen, für die Regierung gutgesinnten Bürgern und den bewaffneten Freiheitskämpfern, die ihre Errungenschaften auf das Aeußerste zu vertheidigen gesonnen sind, zu erwarten.

Der Gemeinderath, so wie Messenhauser werden des Verraths an der Freiheit, wie ich glaube mit Unrecht, von der bewaffneten Menge beschuldigt, sonst könnten sie nicht den tyrannischen und starren Anforderungen, die der Feldmarschall gestellt, und noch mit drückenden Bedingungen in letzter Zeit vermehrt hat, mit solcher Hast und Bereitwilligkeit nachgegeben haben.

Diese Beschuldigung veranlaßte den Oberkommandanten, welcher gestern seine Stelle niedergelegt, sich wieder an die Spitze der bewaffneten Volkswehr zu stellen, und die Hauptleute Redel und Fenneberg, die das volle Vertrauen der akademischen Legion und der Mobilen besitzen, zu seinen Kriegsräthen und Stellvertretern zu ernennen, und ohne deren Beistimmung die Stadt und die sich bis jetzt noch höchst muthig vertheidigenden Vorstädte nicht zu übergeben. Ein Theil der Stadt- und Bürgergarden hatte bereits Vormittags auf ihren Sammelplätzen die Waffen abgelegt, die aber in derselben Stunde wieder an andere Kämpfer vertheilt wurden.

In diesem Augenblicke wird die innere Stadt mit Kanonenschüssen und Congreveraketen, von dem Schwarzenbergschen Palais, von dem Wiedner Freihause in der Nähe des Politechnikums und von der Mariahilfer Hauptstraße heftig beschossen und beworfen, wogegen nur wenig Kanonenschüsse aus der belagerten Stadt zurückgemacht ‒ da, wie ich mir die persönliche Ueberzeugung schaffte, durch den sehr starken Wind die Raketen vertragen werden, ‒ nicht an den Ort ihrer Bestimmung gelangen, und größtentheils am Glacis oder in den Wallgraben liegen bleiben. Es ist 4 Uhr vorüber und das Beschießen der Stadt wird von den obenbezeichneten Punkten unausgesetzt unterhalten, ohne daß man noch irgend eine Flamme ausbrechen sieht. Aber so eben wird mir die Nachricht hinterbracht, daß eine zu weit an das Kärnthnerthor gerückte Avantgarde mit einer Kartätschenladung eines dort aufgestellt gewesenen 18pfünder regalirt wurde, und außer einem dabei befindlich gewesenen General und seinem Adjutanten noch bei 40 Todte und Verwundete, meistens Kroaten, ihr Leben eingebüßt haben. Von Kartätschenmunition ist in der Stadt noch der größte Vorrath, und den werden die Belagerten für die herannahenden Soldaten wohl am sichersten und zweckmäßigsten zu benützen suchen. ‒ Nun ertönt der Ruf, es brennt die Burg, der Reichstagssaal; dabei das fortdauernde kanoniren und das Hineinwerfen der Raketen, durch welche eben wieder das große und schöne Palais des Grafen Kollowrath (früherer Minister des Innern), in Flammen geräth ‒ nun sieht man das Feuer, welches am Josephsplatz nächst der Burg zum Himmel lodert von hoch gelegenen Häusern ganz deutlich, und verflucht das empörte Volk, das sich durch Vernichtung unersetzlicher Kunstschätze an der Tyrannei des Feldmarschalls zu rächen sucht.

Der Thurm der Augustinerkirche, die zwischen dem Naturalienkabinet, der kaiserlichen Bibliothek und des Erzherzogs Albrecht Palais liegt, steht in vollem Brand, nebenhin alle Gebäude in lichterloher Flamme, die auch an zwei andern Orten heftig wüthet, und bei dem starken Nordwestwinde und der bereits eingebrochenen Dunkelheit die ganze Stadt zu verheeren droht.

Die Beschießung der Stadt hört auf, ohne daß man sich in den Vorstädten die Ursache dieses Stillstandes zu erklären weiß, und der Meinung ist, daß Fürst Windischgrätz die Erlaubniß ertheilte, der so hart bedrängten Stadt durch Löschungswerkzeuge aus den Vorstädten zu Hülfe zu kommen. Doch bald erfuhr man, daß die am Glacis und den Brücken aufgestellten Soldaten weder eine Feuerspritze noch irgend Jemand passiren lassen ‒ und neue Verhandlungen über die Uebergabe der Stadt im Zuge sind. Da alle Straßen der Vorstädte, die zum Glacis führen, durch das Militär abgeschlossen sind, so muß ich meinen weitern Bericht über dieses fürchterliche Ereigniß, durch welches der Kaiser seiner Hauptstadt und Residenz unheilbare Wunden schlägt, für den morgenden Tag verschieben und nur noch beifügen, daß am verflossenen Sonnabend auch das Odeon, in welchem sich einige hundert mobiler Garden befanden, die auf die eindringenden Kroaten ein Kleingewehrfeuer unterhielten, durch Letztere in Brand gesteckt wurde, und durch das einstürzende Dach und Gewölbe Alles was sich darin befand, nach einigen Mittheilungen bei 600 Menschen zusammenschmetterte. Jede Verbindung mit der Leopoldstadt, der Stadt und den übrigen Vorstädten ist seit vier Tagen gänzlich unterbrochen, und man kann außer den von der Ferne herausragenden kolossalen Brandstätten über die sonstigen Verwüstungen und Greuelscenen, welche von den kroatischen Räuberhorden des Jelachich an schwachen Weibern, Kindern und Greisen begangen wurden, noch nichts Bestimmtes erfahren und keine verläßlichen und sicheren Nachrichten geben. Die prachtvolle Villa mit den herrlichen großen Gartenanlagen und Glashäusern des Fürsten Liechtenstein (vormals das Roßumowsky-Palais) an dem Donau-Kanal gegenüber dem Prater liegend und von diesem nur durch die schöne Kettenbrücke getrennt, ist auch, besonders die Gartenanlagen, in welchen die Geschütze der mobilen Garde aufgeführt waren, und mit welchen man den von der Dampfmahlmühle und dem Prater herüberstürmenden Feind zu wiederholten Malen zurückdrängte ‒ gänzlich ruinirt, eben so auf der rechten Donauseite die nebenanstehenden Gebäude des Banquiers Walters, das Karpfenbad, die durch seine alljährig ausgestellten Blumenfluren berühmt gewordenen Treibhäuser und Wohngebäude des Apotheker Rochleder; stark gelitten haben noch das in dieser Gegend befindliche Eisengußwerk des Landgrafen Salm, die Farben-Entroit-Fabrik des Kaufmann Dietz, das Sophienbad ‒ an dem andern Donauufer, wo die große Zucker-Raffinerie gewesen, die ausgedehnten Kohlenmagazine und Bau- und Brennholzvorräthe lagerten, ist diese Verwüstung noch bei Weitem größer. Von den Bahnhofgebäuden der Nordbahn soll auch Vieles abgebrannt und verwüstet worden sein ‒ die Eisenbahnbrücke gänzlich abgebrannt, eine weite Strecke der Bahn, nach Einigen bis Lundenburg unfahrbar gemacht worden sein ‒ wird wohl den regelmäßigen Lauf und Benützung dieser ausgedehnten Bahnstrecke hemmen und für längere Zeit unbrauchbar machen. Aehnliches ist auch in den Bahnhoflokalitäten der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn geschehen ‒ und was noch mehr zu beklagen ist, wurden dort die für Wien und zum Transport eingelagerten Waarenvorräthe geplündert und fast gänzlich verschleppt, ein ungeheuerer Verlust, für welchen der Beschädigte keinen Ersatz zu gewärtigen hat. ‒ Auch heute wurde keine Wiener Zeitung wegen Mangel an offiziellen Nachrichten ausgegeben ‒ ob Windischgrätz während des Belagerungszustandes ausländische Zeitungsblätter einführen läßt, steht sehr in Zweifel, und so wird das alte Regime Sedlnitzky wieder an die Tagesordnung kommen.

Den 1. November. Gestern Nachmittag um halb 6 Uhr sind die ersten Truppen durch das Burgthor über den Kohlenmarkt und Graben, wo aus allen Fenstern die weiße Fahne ausgesteckt zu sehen war, eingezogen. Kanonen wurden auf den Hauptplätzen aufgeführt und mit brennenden Lunten bis zum Anbruch des Tages, wo die weiße Fahne auf dem Stephansthurme aufgesteckt wurde, bewacht. Heute um 9 Uhr konzentrirten sich in der Stadt große Truppenmassen, lösten alle noch von National- und Mobilgarden besetzte Wachtposten ab, und ließen nach 9 Uhr Niemand mehr aus, noch in die Stadt passiren, um das Verschleppen der Waffen zu verhindern. ‒ In den Vorstädten fahren die Wagen von Haus zu Haus, Kommissäre ermahnen, die Waffen sogleich auf die Wagen oder binnen zwölf Stunden in die Gemeindehäuser abzugeben, Privateigenthum zu bezeichnen, welches dann protollirt und in einiger Zeit, wenn der Belagerungszustand aufgehoben, die Garde reorganisirt worden ist, wieder zugestellt werden soll. Nach 24 Stunden wird noch einmal Haussuchung gehalten und bei vorfindenden Waffenvorräthen kriegs- und standrechtlich verfahren. Auf ähnliche Weise wird man wohl auch in der innern Stadt vorgehen und auf diese Weise das kaiserl. Zeughaus wieder vollständig füllen. Ein großer Mißgriff des Hrn. Marschall Windischgrätz war es, die kroatischen Horden zuerst nach Wien einrücken zu lassen. Diese roh-zügellose, schlecht bekleidete, mit Prügeln und Stangen bewaffnete Soldateska hat viele Grausamkeiten, vorzüglich in der Vorstadt Landstraße, verübt und die Erbitterung gegen Jellachich und Windischgrätz noch mehr gesteigert. Daß sich Wien und die innere Stadt nicht so wie es der Gemeinderath zugesichert hatte, bis 12 Uhr Mittags ergab, war größtentheils das Verlangen Windischgrätz, die gelbe und schwarze Fahne auf dem Thurme von St. Stephan aufzupflanzen, Schuld. Diese gewiß für immer verhaßten Farben erbitterten und reizten das Volk der Art, daß auf dem Stephansplatz zwei Kanonen Sechspfünder mit der Drohung aufgeführt wurden, den Dom und den Thurm in Trümmer zu schießen, wenn die Aufsteckung dieser Fahne stattfinden würde.

Abends 6 Uhr. Niemand außer Militär darf seit 10 Uhr die innere Stadt betreten, ebensowenig von dort in die Vorstadt gehen; um vor die Barrieren zu gelangen, muß man von dem in jeder Vorstadt kommandirenden General einen Geleitschein erbetteln, und dann beim Hinausgehen oder Fahren sich gefallen lassen, bis auf das Hemd visitirt zu werden. Die so strenge Absperrung der Stadt scheint keinen andern Zweck zu haben, als von Haus zu Haus die Waffen einzusammeln, die entwaffneten Arbeitsleute und Proletarier in sichern Gewahrsam zu bringen und solche unschädlich zu machen, seit acht Stunden hat man bereits mehr als 1200 zusammengefangen und durch die Kroaten, die mit den abgenommenen Waffen armirt wurden und auch Munition erhielten, in das Arbeitshaus und mehrere Kasernen transportiren lassen. Nach einigen unverbürgten Nachrichten soll sich ein großer Theil des übergegangenen Militärs mit Studenten und Akademikern in das Universitätsgebäude geflüchtet haben, verweigern die Ablieferung der Waffen und verlangen für die übergetretenen Soldaten vollkommene Amnestie ‒ und da sich der Feldmarschall dies Verlangen nicht abtrotzen lassen wird, so befürchtet man einen tollkühnen verzweifelten Ausfall oder die Ausführung der gemachten Drohung, sich in die Luft zu sprengen. Ob an der Sache etwas Wahres ist, kann ich heute noch nicht ermitteln, so viel aber ist gewiß, daß viele Familien, die in den Vorstädten wohnen und Söhne bei der akademischen Legion haben, über deren Schicksal und Ausbleiben in der größten Unruhe sind.

In der Vorstadt Mariahilf wurde durch die vor den Barrieren aufgestellten Truppen mit großem Wurfgeschütz an vielen Bauten ein sehr bedeutender Schaden zugefügt, das Sommerpalais des Fürsten Esterhazy, welches eine ausgezeichnete Bildergallerie enthält, wurde unausgesetzt mit Kanonen und Bomben bedrängt; in dem großen immensen Gebäude ist auch nicht eine Fenstertafel ganz geblieben. In der Mariahilfer Hauptkirche und deren Thürme flogen mehrere Kugeln und Bomben mit 60 Pfund, zerplatzten in der Kirche und steckten einige Kirchstühle in Brand. Der Ingenieur und Maschinist Angely aus Berlin, dessen mechanische Fabril von den Kroaten zerstört wurde, verlor auch dabei sein Leben, durch vier auf ihn gerichtete Gewehrschüsse. Auch der Kaffeesieder Stierböck in der Leopoldstadt wurde von den Kroaten erschossen. Erst heute konnte man der Plünderung, die man an den auf den Bahnhöfen liegenden zum Versandt bestimmt gewesenen Waarengütern vornahm, Einhalt thun. Der Schaden muß sehr bedeutend sein. Das neue Zollgebäude, wo jetzt drei Kompagnien Soldaten bivouakiren, hat ebenfalls großen Schaden erlitten, die dort aufbewahrten Waaren haben einen ungeheuern Werth Ein kroatischer Offizier erzählte heute, daß die ungarischen Truppen, die zurückgedrängt wurden, nicht über 6000 Mann stark waren, und mit dem Regimente Alexander, welches lange Jahre in Wien stationirt gewesen, die Bestimmung hatte, Jellachichs Truppen im Prater aufzureiben; das gedachte Regiment wurde auf drei Dampfschiffen von Preßburg in die Nähe Wiens gebracht, was verrathen war, und durch die an dem Donau-Ufer aufgestellte Artillerie in ganz kurzer Zeit durch Zusammenschießen der drei Dampfschiffe, die der Donau-Dampfschifffahrtgesellschaft gehören, in Grund geschossen wurde. Windischgrätz scheint noch einen weit stärkeren Angriff der Ungarn zu erwarten und konzentrirt die Mehrzahl seiner Truppen gegen die ungarische Gränze. Auf allen Vorstadthäusern, in welchen Kroaten hausen, sieht man folgende geschriebene und gedruckte Zettel angeklebt: Saldvemo-na Suprewal General Zeisberg, das heißt: Heilig ist das Eigenthum. Da aber unter diesen Horden von hundert nur wenige lesen können oder das Gelesene verstehen werden, so wird das Eigenthum in den Augen dieser entmenschten Soldateska wenig respektirt werden. ‒ Cigarren und Silbergeld steht bei den Kroaten in besonderm Werth und durch Tabak und Cigarren, die sie den Vorübergehenden aus dem Mund herausnehmen, kann man sich noch am ersten von diesen Raubvögeln befreien.

Den 1. Nov., 10 Uhr Morgens. Die heutige Nacht war für die Bewohner Wiens nach langen gefahrvoll durchlebten Tagen wieder eine ruhige ‒ für Denjenigen, der seine Angehörigen und seine Habe fern von der Stadt und den dieser zunächst liegenden Vorstädten wußte. Ein ziemlich starker Regen, der vor Mitternacht begonnen und noch fortdauert, hat die Brandstätten, welche in der innern Stadt noch immer fortlodern, durch das Aufhören des Windes, nicht weiter ausgebreitet. Schon um 7 Uhr früh sahen wir am St. Stephansthurme die weiße Fahne wehen und hatten dadurch Hoffnung, in die, so unersetzlichen Schaden erlittene Stadt hineinzukommen. Von allen Thoren war nur ein einziges, nämlich das Franzensthor, für Fußgänger geöffnet, wir fanden den größten Theil der Thorwachen, die der Gesandtschafts-Hotels und der ärarischen und Dicasterialgebäude noch mit Nationalgarden besetzt, in den Straßen und kleinern Gassen aber Waffen aller Art in großer und bedeutender Menge herumliegen. Die erste Frage war, ob der Parteienkampf zu Ende? wer dabei gesiegt? und wie lange die Brandlegung und Plünderung gedauert habe? mein Erstaunen war daher auch groß, als ich zur Antwort erhielt, daß die Ablegung der Waffen, sowohl von der arbeitenden Klasse, dem Proletariat, ebenso von der mobilen Garde, wenig Umstände verursacht habe, daß sich die gesammte Volkswehr, den klugen, gemäßigten und beruhigenden Vorstellungen des Gemeinderathes und den der Kommandanten (die ich hier gedruckt beilege) unterwarf, und sich an der Rettung der durch die kaiserliche Artillerie in Brand gesteckten Gebäude thätig, unermüdet und in musterhafter Ordnung betheiligten; nur den Bemühungen der gewandten Arbeitsleute konnte es gelingen, von den vorhandenen Feuerlöschungs-Requisiten, wobei auch noch Wassermangel war, da die Wasserleitungen, wie ich schon früher berichtete, größtentheils zerstört waren, einen schnellen und zweckmäßigen Gebrauch zu machen, wodurch nicht allein die Verbrennung der kostbaren, weltberühmten kaiserlichen Bibliothek und des daran anstoßenden Naturalienkabinets verhindert wurde, sondern auch die Burg, das Theater, die Säle des Reichtages und alle in der Nähe befindlichen Palläste vor einer gänzlichen Verheerung bei dem so stark wehenden Winde gerettet wurden. Die schöne Augustinerhofkirche mit dem herrlichen Denkmal Canovas (an der Grabstätte der Erzherzogin Christine) wurde durch die angestrengtesten Bemühungen der bewaffneten Garden und Arbeiter, denen sich die Proletarier anschlossen, vor dem Einsturz gerettet, der hohe Kirchthurm mit seinem großen und schönen Glockengeläute wurde ein Raub der Flammen. Die entsetzlichen Feuermassen, das herabfließende schmelzende Erz und das fortwährende Kanonieren konnte die Anstrengungen der braven Leute in ihren Bemühungen nicht hemmen. Die Kirchenschätze wurden in Sicherheit gebracht, die dicht an die Kirche anstoßende Kupferstichsammlung des Erzherzog Albrecht (eine der werthvollsten in Europa) durch dieselben Leute, die man noch wenige Stunden vorher als Brandstifter und Plünderer bezeichnete, gerettet, und sie waren noch um 8 Uhr früh, also nach 13 Stunden, so thätig und unermüdet, daß auch bei dem herrlichen Bibliothekgebäude nur die schöne Kuppel und das Dach abbrannte und der größte Theil des Naturalienkabinets, in welchem die mit Spiritus gefüllten Gefäße eine verheerende Flamme verursachten, gerettet werden konnte. Dennoch entstand unberechenbarer Verlust, da die in der Nähe der Bastionen und Wälle liegenden Gebäude, bis inmitten der Kärntnerstraße, des Josephsplatzes, der Staatskanzlei, Löwenstraße u. s. w., durch Kanonen, Raketen und Granaten schrecklich verwüstet sind und durch den noch in Flammen stehenden Kolowrattschen Palast allein ein Schaden von 300,000 Fl. entstanden ist.

2. Nov., 12 Uhr Mittags. Um in die Stadt zu gelangen, mußte ich mir es 2 Dukaten kosten lassen. Sie können sich daher denken, wie streng Windischgrätz den Belagerungszustand beobachten läßt. Das Militär bivouaquirt auf allen Hauptstraßen und Plätzen der innern Stadt, was einen eigenen Anblick der nicht mehr zu kennenden Stadt darbietet. Heute Nacht wurde der Gaßkandelaber, an welchem Latours Leiche aufgehangen war, von dem Militär herausgerissen und zertrümmert.

Eben höre ich, daß sämmtliche Posten angelangt und auch heute mit Ausnahme der ungarischen abgehen, ich muß mir nur noch die in der Staatsdruckerei seit gestern erschienenen Kundmachungen zu verschaffen suchen, was auch nur durch besondere Lokalkenntniß zu erzielen ist, um Sie mit den neuesten Vorfällen bekannt zu machen. Sämmtliche in Wien befindliche Druckerpressen sind unter Aufsicht gestellt, ob wir Zeitungen von fremden Plätzen erhalten, bezweifle ich, Gewisses weiß ich hierüber nicht zu sagen.

Die Universität ist bereits von Militär besetzt ‒ sonst Alles ruhig. Die Stadt gleicht einem Lager. Alle Läden gesperrt, an den meisten Lebensmitteln mangelt es bereits in der Stadt und Vorstädten. Morgen ein Mehreres.

(A. O. Z.)
Wien.

Absichtliche Entstellungen und Verdrehungen aller Thatsachen sind gegenwärtig so sehr an der Tagesordnung, daß es den Freunden der Wahrheit willkommen sein muß, nachstehend eine getreue Darstellung der Vorgänge bei der Einnahme der Stadt Wien durch die k. k. Truppen zu erhalten.

Am 23. Oktober Abends war der mit außerordentlichen Vollmachten versehene k. k. Herr Feldmarschall Fürst Windisch Grätz zu Hetzendorf nächst Wien eingetroffen. Se. Durchlaucht erließen eine Aufforderung an die Be-

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          <p><hi rendition="#g">4 Uhr Nachmittags.</hi> Alle Vorstädte, die von den Windischgrätz-Jellachichschen Truppen und Räuberhorden noch unbesetzt sind, werden neuerdings in Vertheidigungsstand gesetzt, die Stadtthore befestigt und die großen Straßen der Vorstädte neuerdings mit sehr guten und ausgedehnten Barrikaden versehen. Vor einer Stunde gab Oberkommandant Messenhauser wieder eine Berichterstattung vom Stephansthurm, welche ich meinen heutigen verworrenen Berichterstattungen beilege. (Fehlt.) Der über die Stadt und die ganze Umgegend ausgebreitete Nebel macht die weitere Beobachtung der kämpfenden Armeen unmöglich. Daß wir heute noch ein Näheres über den Ausgang der Schlacht erfahren werden, ist nicht wahrscheinlich. Jedenfalls haben uns die Ungarn durch die späte Hülfe einen schlechten Dienst erwiesen, und werden, auch wenn sie über die Windischgrätz-Jellachich-Truppen gesiegt haben, die Stellung des Gemeinderaths und des Oberkommandanten gegenüber dem Feldmarschall außerordentlich schwierig machen, da unter den vorwaltenden Umständen und Verhältnissen die Unterwerfung und Uebergabe der Stadt unter des Fürsten Dictatur doch nicht zu vermeiden sein wird.</p>
          <p><hi rendition="#g">10 Uhr Abends.</hi> Fürst Windischgrätz läßt an alle Hauseigenthümer eine gedruckte Kundmachung vertheilen, worin er bekannt macht, daß ein Korps ungarischer Insurgenten gewagt habe, die östreichische Grenze zu überschreiten, daß es ihm aber vereint mit dem Banus gelungen sei, diese ungarischen Truppen in wilde Flucht zu jagen, und ein Theil noch mit der Verfolgung der Flüchtlinge beschäftigt sei. Was der Fürst aus seinem Hauptquartier in Hetzendorf zum Troste aller Gutgesinnten, zur Warnung der Schlechtdenkenden bekannt machen läßt, um die abgeschlossene Uebergabe der Stadt nicht länger zu verzögern u. s. w.</p>
          <p><hi rendition="#g">Den 31. 9 Uhr.</hi> Die ungarische Armee, die in allem 40,000 Mann stark gewesen, soll total geschlagen worden sein, das Infanterieregiment Alexander durch die Kavallerie in die Donau gesprengt, mehr als 1500 Gefangene gemacht und die Kriegskasse erbeutet sein</p>
          <p>Der Gemeinderath bittet, die Uebergabe der Stadt und Vorstädte, die bis zwölf Uhr Mittag geschehen muß, nach Möglichkeit zu beschleunigen. Auf dem Stephansthurme muß zu dieser Stunde die kaiserliche Fahne ausgesteckt werden; die <hi rendition="#g">früher</hi> gestellten Kapitulationsbedingungen genau erfüllt werden etc., wenn es thunlich ist, schicke ich noch mit der heutigen Post die Kundmachung des Feldmarschalls, den Aufruf des Gemeinderathes, die an den öffentlichen Plätzen und Straßenecken angeschlagen und augenblicklich unter den größten Insulten der sich dagegen Sträubenden abgerissen wurden.</p>
          <p>Die bewaffneten Proletarier und Arbeiter weigern sich fortwährend die Waffen abzulegen, die Stadt zu übergeben. Ohngeachtet Windischgrätz fortwährend dabei bleibt, daß wenn die gemachte Kapitulation nicht genau bis zur Mittagstunde erfolgt, Stadt und Vorstädte durch Brand verheert werden sollen, ist bis jetzt wenig Hoffnung, daß die bewaffnete Macht diesem diktatorischen Befehle Folge leistet. Denn jemehr sich von den entlegenen Vorstädten die Nachrichten über die von den Kroaten verübten Grausamkeiten, Mord, Plünderung, Verwüstung verbreiten, desto größer wird die Erbitterung.</p>
          <p>Wieder hört man Kanonendonner von der Mariahilfer und Lerchenfelder Linie. Das Olnitkömmer Amt, unter welchem die Burgbauten und die Sammlungen stehen, hat neuerdings um eine Verstärkung von zweihundert Garden gebeten, ebenso die Nationalbank, da man wiederholte Drohungen, die Residenz des Kaisers in Brand zu legen, die Statue des Kaisers Franz zu zertrümmern u. s. w. gemacht hat.</p>
          <p><hi rendition="#g">1 Uhr Mittags.</hi> In diesem Augenblick hört der Geschützdonner und das Sturmläuten auf, das mit Schlag 12 Uhr begonnen hat, ohne daß man im Innern der Stadt beurtheilen kann, ob es von Seite der Truppen wegen Veränderung der Position oder wegen einer Unterhandlung eingestellt wurde.</p>
          <p>Die Parteien stehen sich für und gegen die Kapitulation schroff gegenüber. Es müßte ein Bürgerkrieg gegen die Schwarzgelben geführt werden, der allen Besitz vernichtet. Von Anfang des Bombardements hat sich auf der Mariahilfer Linie schon ein ähnlicher Straßenkampf zwischen jenen, die für, und jenen, die gegen Kapitulation stimmten, angesponnen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Den 31. Oktober, Nachmittags halb 4 Uhr.</hi> Welche weitere Unterhandlungen durch den Oberkommandanten Messenhauser und den Gemeinderath wegen der Uebergabe der innern Stadt gepflogen und von welchem Erfolg solche sein werden, muß uns die nächste Stunde zeigen. Nach der in der schönen und völlig verödeten Stadt herrschenden Stimmung ist das schrecklichste nämlich, ein Parteienkampf zwischen den friedlichen, für die Regierung gutgesinnten Bürgern und den bewaffneten Freiheitskämpfern, die ihre Errungenschaften auf das Aeußerste zu vertheidigen gesonnen sind, zu erwarten.</p>
          <p>Der Gemeinderath, so wie Messenhauser werden des Verraths an der Freiheit, wie ich glaube mit Unrecht, von der bewaffneten Menge beschuldigt, sonst könnten sie nicht den tyrannischen und starren Anforderungen, die der Feldmarschall gestellt, und noch mit drückenden Bedingungen in letzter Zeit vermehrt hat, mit solcher Hast und Bereitwilligkeit nachgegeben haben.</p>
          <p>Diese Beschuldigung veranlaßte den Oberkommandanten, welcher gestern seine Stelle niedergelegt, sich wieder an die Spitze der bewaffneten Volkswehr zu stellen, und die Hauptleute Redel und Fenneberg, die das volle Vertrauen der akademischen Legion und der Mobilen besitzen, zu seinen Kriegsräthen und Stellvertretern zu ernennen, und ohne deren Beistimmung die Stadt und die sich bis jetzt noch höchst muthig vertheidigenden Vorstädte nicht zu übergeben. Ein Theil der Stadt- und Bürgergarden hatte bereits Vormittags auf ihren Sammelplätzen die Waffen abgelegt, die aber in derselben Stunde wieder an andere Kämpfer vertheilt wurden.</p>
          <p>In diesem Augenblicke wird die innere Stadt mit Kanonenschüssen und Congreveraketen, von dem Schwarzenbergschen Palais, von dem Wiedner Freihause in der Nähe des Politechnikums und von der Mariahilfer Hauptstraße heftig beschossen und beworfen, wogegen nur wenig Kanonenschüsse aus der belagerten Stadt zurückgemacht &#x2012; da, wie ich mir die persönliche Ueberzeugung schaffte, durch den sehr starken Wind die Raketen vertragen werden, &#x2012; nicht an den Ort ihrer Bestimmung gelangen, und größtentheils am Glacis oder in den Wallgraben liegen bleiben. Es ist 4 Uhr vorüber und das Beschießen der Stadt wird von den obenbezeichneten Punkten unausgesetzt unterhalten, ohne daß man noch irgend eine Flamme ausbrechen sieht. Aber so eben wird mir die Nachricht hinterbracht, daß eine zu weit an das Kärnthnerthor gerückte Avantgarde mit einer Kartätschenladung eines dort aufgestellt gewesenen 18pfünder regalirt wurde, und außer einem dabei befindlich gewesenen General und seinem Adjutanten noch bei 40 Todte und Verwundete, meistens Kroaten, ihr Leben eingebüßt haben. Von Kartätschenmunition ist in der Stadt noch der größte Vorrath, und den werden die Belagerten für die herannahenden Soldaten wohl am sichersten und zweckmäßigsten zu benützen suchen. &#x2012; Nun ertönt der Ruf, es <hi rendition="#g">brennt die Burg,</hi> der Reichstagssaal; dabei das fortdauernde kanoniren und das Hineinwerfen der Raketen, durch welche eben wieder das große und schöne Palais des Grafen Kollowrath (früherer Minister des Innern), in Flammen geräth &#x2012; nun sieht man das Feuer, welches am Josephsplatz nächst der Burg zum Himmel lodert von hoch gelegenen Häusern ganz deutlich, und verflucht das empörte Volk, das sich durch Vernichtung unersetzlicher Kunstschätze an der Tyrannei des Feldmarschalls zu rächen sucht.</p>
          <p>Der Thurm der Augustinerkirche, die zwischen dem Naturalienkabinet, der kaiserlichen Bibliothek und des Erzherzogs Albrecht Palais liegt, steht in vollem Brand, nebenhin alle Gebäude in lichterloher Flamme, die auch an zwei andern Orten heftig wüthet, und bei dem starken Nordwestwinde und der bereits eingebrochenen Dunkelheit die ganze Stadt zu verheeren droht.</p>
          <p>Die Beschießung der Stadt hört auf, ohne daß man sich in den Vorstädten die Ursache dieses Stillstandes zu erklären weiß, und der Meinung ist, daß Fürst Windischgrätz die Erlaubniß ertheilte, der so hart bedrängten Stadt durch Löschungswerkzeuge aus den Vorstädten zu Hülfe zu kommen. Doch bald erfuhr man, daß die am Glacis und den Brücken aufgestellten Soldaten weder eine Feuerspritze noch irgend Jemand passiren lassen &#x2012; und neue Verhandlungen über die Uebergabe der Stadt im Zuge sind. Da alle Straßen der Vorstädte, die zum Glacis führen, durch das Militär abgeschlossen sind, so muß ich meinen weitern Bericht über dieses fürchterliche Ereigniß, durch welches der Kaiser seiner Hauptstadt und Residenz unheilbare Wunden schlägt, für den morgenden Tag verschieben und nur noch beifügen, daß am verflossenen Sonnabend auch das Odeon, in welchem sich einige hundert mobiler Garden befanden, die auf die eindringenden Kroaten ein Kleingewehrfeuer unterhielten, durch Letztere in Brand gesteckt wurde, und durch das einstürzende Dach und Gewölbe Alles was sich darin befand, nach einigen Mittheilungen bei 600 Menschen zusammenschmetterte. Jede Verbindung mit der Leopoldstadt, der Stadt und den übrigen Vorstädten ist seit vier Tagen gänzlich unterbrochen, und man kann außer den von der Ferne herausragenden kolossalen Brandstätten über die sonstigen Verwüstungen und Greuelscenen, welche von den kroatischen Räuberhorden des Jelachich an schwachen Weibern, Kindern und Greisen begangen wurden, noch nichts Bestimmtes erfahren und keine verläßlichen und sicheren Nachrichten geben. Die prachtvolle Villa mit den herrlichen großen Gartenanlagen und Glashäusern des Fürsten Liechtenstein (vormals das Roßumowsky-Palais) an dem Donau-Kanal gegenüber dem Prater liegend und von diesem nur durch die schöne Kettenbrücke getrennt, ist auch, besonders die Gartenanlagen, in welchen die Geschütze der mobilen Garde aufgeführt waren, und mit welchen man den von der Dampfmahlmühle und dem Prater herüberstürmenden Feind zu wiederholten Malen zurückdrängte &#x2012; gänzlich ruinirt, eben so auf der rechten Donauseite die nebenanstehenden Gebäude des Banquiers Walters, das Karpfenbad, die durch seine alljährig ausgestellten Blumenfluren berühmt gewordenen Treibhäuser und Wohngebäude des Apotheker Rochleder; stark gelitten haben noch das in dieser Gegend befindliche Eisengußwerk des Landgrafen Salm, die Farben-Entroit-Fabrik des Kaufmann Dietz, das Sophienbad &#x2012; an dem andern Donauufer, wo die große Zucker-Raffinerie gewesen, die ausgedehnten Kohlenmagazine und Bau- und Brennholzvorräthe lagerten, ist diese Verwüstung noch bei Weitem größer. Von den Bahnhofgebäuden der Nordbahn soll auch Vieles abgebrannt und verwüstet worden sein &#x2012; die Eisenbahnbrücke gänzlich abgebrannt, eine weite Strecke der Bahn, nach Einigen bis Lundenburg unfahrbar gemacht worden sein &#x2012; wird wohl den regelmäßigen Lauf und Benützung dieser ausgedehnten Bahnstrecke hemmen und für längere Zeit unbrauchbar machen. Aehnliches ist auch in den Bahnhoflokalitäten der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn geschehen &#x2012; und was noch mehr zu beklagen ist, wurden dort die für Wien und zum Transport eingelagerten Waarenvorräthe geplündert und fast gänzlich verschleppt, ein ungeheuerer Verlust, für welchen der Beschädigte keinen Ersatz zu gewärtigen hat. &#x2012; Auch heute wurde keine Wiener Zeitung wegen Mangel an offiziellen Nachrichten ausgegeben &#x2012; ob Windischgrätz während des Belagerungszustandes ausländische Zeitungsblätter einführen läßt, steht sehr in Zweifel, und so wird das alte Regime Sedlnitzky wieder an die Tagesordnung kommen.</p>
          <p>Den 1. November. Gestern Nachmittag um halb 6 Uhr sind die ersten Truppen durch das Burgthor über den Kohlenmarkt und Graben, wo aus allen Fenstern die weiße Fahne ausgesteckt zu sehen war, eingezogen. Kanonen wurden auf den Hauptplätzen aufgeführt und mit brennenden Lunten bis zum Anbruch des Tages, wo die weiße Fahne auf dem Stephansthurme aufgesteckt wurde, bewacht. Heute um 9 Uhr konzentrirten sich in der Stadt große Truppenmassen, lösten alle noch von National- und Mobilgarden besetzte Wachtposten ab, und ließen nach 9 Uhr Niemand mehr aus, noch in die Stadt passiren, um das Verschleppen der Waffen zu verhindern. &#x2012; In den Vorstädten fahren die Wagen von Haus zu Haus, Kommissäre ermahnen, die Waffen sogleich auf die Wagen oder binnen zwölf Stunden in die Gemeindehäuser abzugeben, Privateigenthum zu bezeichnen, welches dann protollirt und in einiger Zeit, wenn der Belagerungszustand aufgehoben, die Garde reorganisirt worden ist, wieder zugestellt werden soll. Nach 24 Stunden wird noch einmal Haussuchung gehalten und bei vorfindenden Waffenvorräthen kriegs- und standrechtlich verfahren. Auf ähnliche Weise wird man wohl auch in der innern Stadt vorgehen und auf diese Weise das kaiserl. Zeughaus wieder vollständig füllen. Ein großer Mißgriff des Hrn. Marschall Windischgrätz war es, die kroatischen Horden zuerst nach Wien einrücken zu lassen. Diese roh-zügellose, schlecht bekleidete, mit Prügeln und Stangen bewaffnete Soldateska hat viele Grausamkeiten, vorzüglich in der Vorstadt Landstraße, verübt und die Erbitterung gegen Jellachich und Windischgrätz noch mehr gesteigert. Daß sich Wien und die innere Stadt nicht so wie es der Gemeinderath zugesichert hatte, bis 12 Uhr Mittags ergab, war größtentheils das Verlangen Windischgrätz, die gelbe und schwarze Fahne auf dem Thurme von St. Stephan aufzupflanzen, Schuld. Diese gewiß für immer verhaßten Farben erbitterten und reizten das Volk der Art, daß auf dem Stephansplatz zwei Kanonen Sechspfünder mit der Drohung aufgeführt wurden, den Dom und den Thurm in Trümmer zu schießen, wenn die Aufsteckung dieser Fahne stattfinden würde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Abends 6 Uhr.</hi> Niemand außer Militär darf seit 10 Uhr die innere Stadt betreten, ebensowenig von dort in die Vorstadt gehen; um vor die Barrieren zu gelangen, muß man von dem in jeder Vorstadt kommandirenden General einen Geleitschein erbetteln, und dann beim Hinausgehen oder Fahren sich gefallen lassen, bis auf das Hemd visitirt zu werden. Die so strenge Absperrung der Stadt scheint keinen andern Zweck zu haben, als von Haus zu Haus die Waffen einzusammeln, die entwaffneten Arbeitsleute und Proletarier in sichern Gewahrsam zu bringen und solche unschädlich zu machen, seit acht Stunden hat man bereits mehr als 1200 zusammengefangen und durch die Kroaten, die mit den abgenommenen Waffen armirt wurden und auch Munition erhielten, in das Arbeitshaus und mehrere Kasernen transportiren lassen. Nach einigen unverbürgten Nachrichten soll sich ein großer Theil des übergegangenen Militärs mit Studenten und Akademikern in das Universitätsgebäude geflüchtet haben, verweigern die Ablieferung der Waffen und verlangen für die übergetretenen Soldaten vollkommene Amnestie &#x2012; und da sich der Feldmarschall dies Verlangen nicht abtrotzen lassen wird, so befürchtet man einen tollkühnen verzweifelten Ausfall oder die Ausführung der gemachten Drohung, sich in die Luft zu sprengen. Ob an der Sache etwas Wahres ist, kann ich heute noch nicht ermitteln, so viel aber ist gewiß, daß viele Familien, die in den Vorstädten wohnen und Söhne bei der akademischen Legion haben, über deren Schicksal und Ausbleiben in der größten Unruhe sind.</p>
          <p>In der Vorstadt Mariahilf wurde durch die vor den Barrieren aufgestellten Truppen mit großem Wurfgeschütz an vielen Bauten ein sehr bedeutender Schaden zugefügt, das Sommerpalais des Fürsten Esterhazy, welches eine ausgezeichnete Bildergallerie enthält, wurde unausgesetzt mit Kanonen und Bomben bedrängt; in dem großen immensen Gebäude ist auch nicht eine Fenstertafel ganz geblieben. In der Mariahilfer Hauptkirche und deren Thürme flogen mehrere Kugeln und Bomben mit 60 Pfund, zerplatzten in der Kirche und steckten einige Kirchstühle in Brand. Der Ingenieur und Maschinist Angely aus Berlin, dessen mechanische Fabril von den Kroaten zerstört wurde, verlor auch dabei sein Leben, durch vier auf ihn gerichtete Gewehrschüsse. Auch der Kaffeesieder Stierböck in der Leopoldstadt wurde von den Kroaten erschossen. Erst heute konnte man der Plünderung, die man an den auf den Bahnhöfen liegenden zum Versandt bestimmt gewesenen Waarengütern vornahm, Einhalt thun. Der Schaden muß sehr bedeutend sein. Das neue Zollgebäude, wo jetzt drei Kompagnien Soldaten bivouakiren, hat ebenfalls großen Schaden erlitten, die dort aufbewahrten Waaren haben einen ungeheuern Werth Ein kroatischer Offizier erzählte heute, daß die ungarischen Truppen, die zurückgedrängt wurden, nicht über 6000 Mann stark waren, und mit dem Regimente Alexander, welches lange Jahre in Wien stationirt gewesen, die Bestimmung hatte, Jellachichs Truppen im Prater aufzureiben; das gedachte Regiment wurde auf drei Dampfschiffen von Preßburg in die Nähe Wiens gebracht, was verrathen war, und durch die an dem Donau-Ufer aufgestellte Artillerie in ganz kurzer Zeit durch Zusammenschießen der drei Dampfschiffe, die der Donau-Dampfschifffahrtgesellschaft gehören, in Grund geschossen wurde. Windischgrätz scheint noch einen weit stärkeren Angriff der Ungarn zu erwarten und konzentrirt die Mehrzahl seiner Truppen gegen die ungarische Gränze. Auf allen Vorstadthäusern, in welchen Kroaten hausen, sieht man folgende geschriebene und gedruckte Zettel angeklebt: Saldvemo-na Suprewal General Zeisberg, das heißt: Heilig ist das Eigenthum. Da aber unter diesen Horden von hundert nur wenige lesen können oder das Gelesene verstehen werden, so wird das Eigenthum in den Augen dieser entmenschten Soldateska wenig respektirt werden. &#x2012; Cigarren und Silbergeld steht bei den Kroaten in besonderm Werth und durch Tabak und Cigarren, die sie den Vorübergehenden aus dem Mund herausnehmen, kann man sich noch am ersten von diesen Raubvögeln befreien.</p>
          <p><hi rendition="#g">Den 1. Nov., 10 Uhr Morgens.</hi> Die heutige Nacht war für die Bewohner Wiens nach langen gefahrvoll durchlebten Tagen wieder eine ruhige &#x2012; für Denjenigen, der seine Angehörigen und seine Habe fern von der Stadt und den dieser zunächst liegenden Vorstädten wußte. Ein ziemlich starker Regen, der vor Mitternacht begonnen und noch fortdauert, hat die Brandstätten, welche in der innern Stadt noch immer fortlodern, durch das Aufhören des Windes, nicht weiter ausgebreitet. Schon um 7 Uhr früh sahen wir am St. Stephansthurme die weiße Fahne wehen und hatten dadurch Hoffnung, in die, so unersetzlichen Schaden erlittene Stadt hineinzukommen. Von allen Thoren war nur ein einziges, nämlich das Franzensthor, für Fußgänger geöffnet, wir fanden den größten Theil der Thorwachen, die der Gesandtschafts-Hotels und der ärarischen und Dicasterialgebäude noch mit Nationalgarden besetzt, in den Straßen und kleinern Gassen aber Waffen aller Art in großer und bedeutender Menge herumliegen. Die erste Frage war, ob der Parteienkampf zu Ende? wer dabei gesiegt? und wie lange die Brandlegung und Plünderung gedauert habe? mein Erstaunen war daher auch groß, als ich zur Antwort erhielt, daß die Ablegung der Waffen, sowohl von der arbeitenden Klasse, dem Proletariat, ebenso von der mobilen Garde, wenig Umstände verursacht habe, daß sich die gesammte Volkswehr, den klugen, gemäßigten und beruhigenden Vorstellungen des Gemeinderathes und den der Kommandanten (die ich hier gedruckt beilege) unterwarf, und sich an der Rettung der durch die kaiserliche Artillerie in Brand gesteckten Gebäude thätig, unermüdet und in musterhafter Ordnung betheiligten; nur den Bemühungen der gewandten Arbeitsleute konnte es gelingen, von den vorhandenen Feuerlöschungs-Requisiten, wobei auch noch Wassermangel war, da die Wasserleitungen, wie ich schon früher berichtete, größtentheils zerstört waren, einen schnellen und zweckmäßigen Gebrauch zu machen, wodurch nicht allein die Verbrennung der kostbaren, weltberühmten kaiserlichen Bibliothek und des daran anstoßenden Naturalienkabinets verhindert wurde, sondern auch die Burg, das Theater, die Säle des Reichtages und alle in der Nähe befindlichen Palläste vor einer gänzlichen Verheerung bei dem so stark wehenden Winde gerettet wurden. Die schöne Augustinerhofkirche mit dem herrlichen Denkmal Canovas (an der Grabstätte der Erzherzogin Christine) wurde durch die angestrengtesten Bemühungen der bewaffneten Garden und Arbeiter, denen sich die Proletarier anschlossen, vor dem Einsturz gerettet, der hohe Kirchthurm mit seinem großen und schönen Glockengeläute wurde ein Raub der Flammen. Die entsetzlichen Feuermassen, das herabfließende schmelzende Erz und das fortwährende Kanonieren konnte die Anstrengungen der braven Leute in ihren Bemühungen nicht hemmen. Die Kirchenschätze wurden in Sicherheit gebracht, die dicht an die Kirche anstoßende Kupferstichsammlung des Erzherzog Albrecht (eine der werthvollsten in Europa) durch dieselben Leute, die man noch wenige Stunden vorher als Brandstifter und Plünderer bezeichnete, gerettet, und sie waren noch um 8 Uhr früh, also nach 13 Stunden, so thätig und unermüdet, daß auch bei dem herrlichen Bibliothekgebäude nur die schöne Kuppel und das Dach abbrannte und der größte Theil des Naturalienkabinets, in welchem die mit Spiritus gefüllten Gefäße eine verheerende Flamme verursachten, gerettet werden konnte. Dennoch entstand unberechenbarer Verlust, da die in der Nähe der Bastionen und Wälle liegenden Gebäude, bis inmitten der Kärntnerstraße, des Josephsplatzes, der Staatskanzlei, Löwenstraße u. s. w., durch Kanonen, Raketen und Granaten schrecklich verwüstet sind und durch den noch in Flammen stehenden Kolowrattschen Palast allein ein Schaden von 300,000 Fl. entstanden ist.</p>
          <p><hi rendition="#g">2. Nov., 12 Uhr Mittags.</hi> Um in die Stadt zu gelangen, mußte ich mir es 2 Dukaten kosten lassen. Sie können sich daher denken, wie streng Windischgrätz den Belagerungszustand beobachten läßt. Das Militär bivouaquirt auf allen Hauptstraßen und Plätzen der innern Stadt, was einen eigenen Anblick der nicht mehr zu kennenden Stadt darbietet. Heute Nacht wurde der Gaßkandelaber, an welchem Latours Leiche aufgehangen war, von dem Militär herausgerissen und zertrümmert.</p>
          <p>Eben höre ich, daß sämmtliche Posten angelangt und auch heute mit Ausnahme der ungarischen abgehen, ich muß mir nur noch die in der Staatsdruckerei seit gestern erschienenen Kundmachungen zu verschaffen suchen, was auch nur durch besondere Lokalkenntniß zu erzielen ist, um Sie mit den neuesten Vorfällen bekannt zu machen. Sämmtliche in Wien befindliche Druckerpressen sind unter Aufsicht gestellt, ob wir Zeitungen von fremden Plätzen erhalten, bezweifle ich, Gewisses weiß ich hierüber nicht zu sagen.</p>
          <p>Die Universität ist bereits von Militär besetzt &#x2012; sonst Alles ruhig. Die Stadt gleicht einem Lager. Alle Läden gesperrt, an den meisten Lebensmitteln mangelt es bereits in der Stadt und Vorstädten. Morgen ein Mehreres.</p>
          <bibl>(A. O. Z.)</bibl>
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          <head>Wien.</head>
          <p>Absichtliche Entstellungen und Verdrehungen aller Thatsachen sind gegenwärtig so sehr an der Tagesordnung, daß es den Freunden der Wahrheit willkommen sein muß, nachstehend eine getreue Darstellung der Vorgänge bei der Einnahme der Stadt Wien durch die k. k. Truppen zu erhalten.</p>
          <p>Am 23. Oktober Abends war der mit außerordentlichen Vollmachten versehene k. k. Herr Feldmarschall Fürst Windisch Grätz zu Hetzendorf nächst Wien eingetroffen. Se. Durchlaucht erließen eine Aufforderung an die Be-
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</TEI>
[0699/0003] 4 Uhr Nachmittags. Alle Vorstädte, die von den Windischgrätz-Jellachichschen Truppen und Räuberhorden noch unbesetzt sind, werden neuerdings in Vertheidigungsstand gesetzt, die Stadtthore befestigt und die großen Straßen der Vorstädte neuerdings mit sehr guten und ausgedehnten Barrikaden versehen. Vor einer Stunde gab Oberkommandant Messenhauser wieder eine Berichterstattung vom Stephansthurm, welche ich meinen heutigen verworrenen Berichterstattungen beilege. (Fehlt.) Der über die Stadt und die ganze Umgegend ausgebreitete Nebel macht die weitere Beobachtung der kämpfenden Armeen unmöglich. Daß wir heute noch ein Näheres über den Ausgang der Schlacht erfahren werden, ist nicht wahrscheinlich. Jedenfalls haben uns die Ungarn durch die späte Hülfe einen schlechten Dienst erwiesen, und werden, auch wenn sie über die Windischgrätz-Jellachich-Truppen gesiegt haben, die Stellung des Gemeinderaths und des Oberkommandanten gegenüber dem Feldmarschall außerordentlich schwierig machen, da unter den vorwaltenden Umständen und Verhältnissen die Unterwerfung und Uebergabe der Stadt unter des Fürsten Dictatur doch nicht zu vermeiden sein wird. 10 Uhr Abends. Fürst Windischgrätz läßt an alle Hauseigenthümer eine gedruckte Kundmachung vertheilen, worin er bekannt macht, daß ein Korps ungarischer Insurgenten gewagt habe, die östreichische Grenze zu überschreiten, daß es ihm aber vereint mit dem Banus gelungen sei, diese ungarischen Truppen in wilde Flucht zu jagen, und ein Theil noch mit der Verfolgung der Flüchtlinge beschäftigt sei. Was der Fürst aus seinem Hauptquartier in Hetzendorf zum Troste aller Gutgesinnten, zur Warnung der Schlechtdenkenden bekannt machen läßt, um die abgeschlossene Uebergabe der Stadt nicht länger zu verzögern u. s. w. Den 31. 9 Uhr. Die ungarische Armee, die in allem 40,000 Mann stark gewesen, soll total geschlagen worden sein, das Infanterieregiment Alexander durch die Kavallerie in die Donau gesprengt, mehr als 1500 Gefangene gemacht und die Kriegskasse erbeutet sein Der Gemeinderath bittet, die Uebergabe der Stadt und Vorstädte, die bis zwölf Uhr Mittag geschehen muß, nach Möglichkeit zu beschleunigen. Auf dem Stephansthurme muß zu dieser Stunde die kaiserliche Fahne ausgesteckt werden; die früher gestellten Kapitulationsbedingungen genau erfüllt werden etc., wenn es thunlich ist, schicke ich noch mit der heutigen Post die Kundmachung des Feldmarschalls, den Aufruf des Gemeinderathes, die an den öffentlichen Plätzen und Straßenecken angeschlagen und augenblicklich unter den größten Insulten der sich dagegen Sträubenden abgerissen wurden. Die bewaffneten Proletarier und Arbeiter weigern sich fortwährend die Waffen abzulegen, die Stadt zu übergeben. Ohngeachtet Windischgrätz fortwährend dabei bleibt, daß wenn die gemachte Kapitulation nicht genau bis zur Mittagstunde erfolgt, Stadt und Vorstädte durch Brand verheert werden sollen, ist bis jetzt wenig Hoffnung, daß die bewaffnete Macht diesem diktatorischen Befehle Folge leistet. Denn jemehr sich von den entlegenen Vorstädten die Nachrichten über die von den Kroaten verübten Grausamkeiten, Mord, Plünderung, Verwüstung verbreiten, desto größer wird die Erbitterung. Wieder hört man Kanonendonner von der Mariahilfer und Lerchenfelder Linie. Das Olnitkömmer Amt, unter welchem die Burgbauten und die Sammlungen stehen, hat neuerdings um eine Verstärkung von zweihundert Garden gebeten, ebenso die Nationalbank, da man wiederholte Drohungen, die Residenz des Kaisers in Brand zu legen, die Statue des Kaisers Franz zu zertrümmern u. s. w. gemacht hat. 1 Uhr Mittags. In diesem Augenblick hört der Geschützdonner und das Sturmläuten auf, das mit Schlag 12 Uhr begonnen hat, ohne daß man im Innern der Stadt beurtheilen kann, ob es von Seite der Truppen wegen Veränderung der Position oder wegen einer Unterhandlung eingestellt wurde. Die Parteien stehen sich für und gegen die Kapitulation schroff gegenüber. Es müßte ein Bürgerkrieg gegen die Schwarzgelben geführt werden, der allen Besitz vernichtet. Von Anfang des Bombardements hat sich auf der Mariahilfer Linie schon ein ähnlicher Straßenkampf zwischen jenen, die für, und jenen, die gegen Kapitulation stimmten, angesponnen. Den 31. Oktober, Nachmittags halb 4 Uhr. Welche weitere Unterhandlungen durch den Oberkommandanten Messenhauser und den Gemeinderath wegen der Uebergabe der innern Stadt gepflogen und von welchem Erfolg solche sein werden, muß uns die nächste Stunde zeigen. Nach der in der schönen und völlig verödeten Stadt herrschenden Stimmung ist das schrecklichste nämlich, ein Parteienkampf zwischen den friedlichen, für die Regierung gutgesinnten Bürgern und den bewaffneten Freiheitskämpfern, die ihre Errungenschaften auf das Aeußerste zu vertheidigen gesonnen sind, zu erwarten. Der Gemeinderath, so wie Messenhauser werden des Verraths an der Freiheit, wie ich glaube mit Unrecht, von der bewaffneten Menge beschuldigt, sonst könnten sie nicht den tyrannischen und starren Anforderungen, die der Feldmarschall gestellt, und noch mit drückenden Bedingungen in letzter Zeit vermehrt hat, mit solcher Hast und Bereitwilligkeit nachgegeben haben. Diese Beschuldigung veranlaßte den Oberkommandanten, welcher gestern seine Stelle niedergelegt, sich wieder an die Spitze der bewaffneten Volkswehr zu stellen, und die Hauptleute Redel und Fenneberg, die das volle Vertrauen der akademischen Legion und der Mobilen besitzen, zu seinen Kriegsräthen und Stellvertretern zu ernennen, und ohne deren Beistimmung die Stadt und die sich bis jetzt noch höchst muthig vertheidigenden Vorstädte nicht zu übergeben. Ein Theil der Stadt- und Bürgergarden hatte bereits Vormittags auf ihren Sammelplätzen die Waffen abgelegt, die aber in derselben Stunde wieder an andere Kämpfer vertheilt wurden. In diesem Augenblicke wird die innere Stadt mit Kanonenschüssen und Congreveraketen, von dem Schwarzenbergschen Palais, von dem Wiedner Freihause in der Nähe des Politechnikums und von der Mariahilfer Hauptstraße heftig beschossen und beworfen, wogegen nur wenig Kanonenschüsse aus der belagerten Stadt zurückgemacht ‒ da, wie ich mir die persönliche Ueberzeugung schaffte, durch den sehr starken Wind die Raketen vertragen werden, ‒ nicht an den Ort ihrer Bestimmung gelangen, und größtentheils am Glacis oder in den Wallgraben liegen bleiben. Es ist 4 Uhr vorüber und das Beschießen der Stadt wird von den obenbezeichneten Punkten unausgesetzt unterhalten, ohne daß man noch irgend eine Flamme ausbrechen sieht. Aber so eben wird mir die Nachricht hinterbracht, daß eine zu weit an das Kärnthnerthor gerückte Avantgarde mit einer Kartätschenladung eines dort aufgestellt gewesenen 18pfünder regalirt wurde, und außer einem dabei befindlich gewesenen General und seinem Adjutanten noch bei 40 Todte und Verwundete, meistens Kroaten, ihr Leben eingebüßt haben. Von Kartätschenmunition ist in der Stadt noch der größte Vorrath, und den werden die Belagerten für die herannahenden Soldaten wohl am sichersten und zweckmäßigsten zu benützen suchen. ‒ Nun ertönt der Ruf, es brennt die Burg, der Reichstagssaal; dabei das fortdauernde kanoniren und das Hineinwerfen der Raketen, durch welche eben wieder das große und schöne Palais des Grafen Kollowrath (früherer Minister des Innern), in Flammen geräth ‒ nun sieht man das Feuer, welches am Josephsplatz nächst der Burg zum Himmel lodert von hoch gelegenen Häusern ganz deutlich, und verflucht das empörte Volk, das sich durch Vernichtung unersetzlicher Kunstschätze an der Tyrannei des Feldmarschalls zu rächen sucht. Der Thurm der Augustinerkirche, die zwischen dem Naturalienkabinet, der kaiserlichen Bibliothek und des Erzherzogs Albrecht Palais liegt, steht in vollem Brand, nebenhin alle Gebäude in lichterloher Flamme, die auch an zwei andern Orten heftig wüthet, und bei dem starken Nordwestwinde und der bereits eingebrochenen Dunkelheit die ganze Stadt zu verheeren droht. Die Beschießung der Stadt hört auf, ohne daß man sich in den Vorstädten die Ursache dieses Stillstandes zu erklären weiß, und der Meinung ist, daß Fürst Windischgrätz die Erlaubniß ertheilte, der so hart bedrängten Stadt durch Löschungswerkzeuge aus den Vorstädten zu Hülfe zu kommen. Doch bald erfuhr man, daß die am Glacis und den Brücken aufgestellten Soldaten weder eine Feuerspritze noch irgend Jemand passiren lassen ‒ und neue Verhandlungen über die Uebergabe der Stadt im Zuge sind. Da alle Straßen der Vorstädte, die zum Glacis führen, durch das Militär abgeschlossen sind, so muß ich meinen weitern Bericht über dieses fürchterliche Ereigniß, durch welches der Kaiser seiner Hauptstadt und Residenz unheilbare Wunden schlägt, für den morgenden Tag verschieben und nur noch beifügen, daß am verflossenen Sonnabend auch das Odeon, in welchem sich einige hundert mobiler Garden befanden, die auf die eindringenden Kroaten ein Kleingewehrfeuer unterhielten, durch Letztere in Brand gesteckt wurde, und durch das einstürzende Dach und Gewölbe Alles was sich darin befand, nach einigen Mittheilungen bei 600 Menschen zusammenschmetterte. Jede Verbindung mit der Leopoldstadt, der Stadt und den übrigen Vorstädten ist seit vier Tagen gänzlich unterbrochen, und man kann außer den von der Ferne herausragenden kolossalen Brandstätten über die sonstigen Verwüstungen und Greuelscenen, welche von den kroatischen Räuberhorden des Jelachich an schwachen Weibern, Kindern und Greisen begangen wurden, noch nichts Bestimmtes erfahren und keine verläßlichen und sicheren Nachrichten geben. Die prachtvolle Villa mit den herrlichen großen Gartenanlagen und Glashäusern des Fürsten Liechtenstein (vormals das Roßumowsky-Palais) an dem Donau-Kanal gegenüber dem Prater liegend und von diesem nur durch die schöne Kettenbrücke getrennt, ist auch, besonders die Gartenanlagen, in welchen die Geschütze der mobilen Garde aufgeführt waren, und mit welchen man den von der Dampfmahlmühle und dem Prater herüberstürmenden Feind zu wiederholten Malen zurückdrängte ‒ gänzlich ruinirt, eben so auf der rechten Donauseite die nebenanstehenden Gebäude des Banquiers Walters, das Karpfenbad, die durch seine alljährig ausgestellten Blumenfluren berühmt gewordenen Treibhäuser und Wohngebäude des Apotheker Rochleder; stark gelitten haben noch das in dieser Gegend befindliche Eisengußwerk des Landgrafen Salm, die Farben-Entroit-Fabrik des Kaufmann Dietz, das Sophienbad ‒ an dem andern Donauufer, wo die große Zucker-Raffinerie gewesen, die ausgedehnten Kohlenmagazine und Bau- und Brennholzvorräthe lagerten, ist diese Verwüstung noch bei Weitem größer. Von den Bahnhofgebäuden der Nordbahn soll auch Vieles abgebrannt und verwüstet worden sein ‒ die Eisenbahnbrücke gänzlich abgebrannt, eine weite Strecke der Bahn, nach Einigen bis Lundenburg unfahrbar gemacht worden sein ‒ wird wohl den regelmäßigen Lauf und Benützung dieser ausgedehnten Bahnstrecke hemmen und für längere Zeit unbrauchbar machen. Aehnliches ist auch in den Bahnhoflokalitäten der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn geschehen ‒ und was noch mehr zu beklagen ist, wurden dort die für Wien und zum Transport eingelagerten Waarenvorräthe geplündert und fast gänzlich verschleppt, ein ungeheuerer Verlust, für welchen der Beschädigte keinen Ersatz zu gewärtigen hat. ‒ Auch heute wurde keine Wiener Zeitung wegen Mangel an offiziellen Nachrichten ausgegeben ‒ ob Windischgrätz während des Belagerungszustandes ausländische Zeitungsblätter einführen läßt, steht sehr in Zweifel, und so wird das alte Regime Sedlnitzky wieder an die Tagesordnung kommen. Den 1. November. Gestern Nachmittag um halb 6 Uhr sind die ersten Truppen durch das Burgthor über den Kohlenmarkt und Graben, wo aus allen Fenstern die weiße Fahne ausgesteckt zu sehen war, eingezogen. Kanonen wurden auf den Hauptplätzen aufgeführt und mit brennenden Lunten bis zum Anbruch des Tages, wo die weiße Fahne auf dem Stephansthurme aufgesteckt wurde, bewacht. Heute um 9 Uhr konzentrirten sich in der Stadt große Truppenmassen, lösten alle noch von National- und Mobilgarden besetzte Wachtposten ab, und ließen nach 9 Uhr Niemand mehr aus, noch in die Stadt passiren, um das Verschleppen der Waffen zu verhindern. ‒ In den Vorstädten fahren die Wagen von Haus zu Haus, Kommissäre ermahnen, die Waffen sogleich auf die Wagen oder binnen zwölf Stunden in die Gemeindehäuser abzugeben, Privateigenthum zu bezeichnen, welches dann protollirt und in einiger Zeit, wenn der Belagerungszustand aufgehoben, die Garde reorganisirt worden ist, wieder zugestellt werden soll. Nach 24 Stunden wird noch einmal Haussuchung gehalten und bei vorfindenden Waffenvorräthen kriegs- und standrechtlich verfahren. Auf ähnliche Weise wird man wohl auch in der innern Stadt vorgehen und auf diese Weise das kaiserl. Zeughaus wieder vollständig füllen. Ein großer Mißgriff des Hrn. Marschall Windischgrätz war es, die kroatischen Horden zuerst nach Wien einrücken zu lassen. Diese roh-zügellose, schlecht bekleidete, mit Prügeln und Stangen bewaffnete Soldateska hat viele Grausamkeiten, vorzüglich in der Vorstadt Landstraße, verübt und die Erbitterung gegen Jellachich und Windischgrätz noch mehr gesteigert. Daß sich Wien und die innere Stadt nicht so wie es der Gemeinderath zugesichert hatte, bis 12 Uhr Mittags ergab, war größtentheils das Verlangen Windischgrätz, die gelbe und schwarze Fahne auf dem Thurme von St. Stephan aufzupflanzen, Schuld. Diese gewiß für immer verhaßten Farben erbitterten und reizten das Volk der Art, daß auf dem Stephansplatz zwei Kanonen Sechspfünder mit der Drohung aufgeführt wurden, den Dom und den Thurm in Trümmer zu schießen, wenn die Aufsteckung dieser Fahne stattfinden würde. Abends 6 Uhr. Niemand außer Militär darf seit 10 Uhr die innere Stadt betreten, ebensowenig von dort in die Vorstadt gehen; um vor die Barrieren zu gelangen, muß man von dem in jeder Vorstadt kommandirenden General einen Geleitschein erbetteln, und dann beim Hinausgehen oder Fahren sich gefallen lassen, bis auf das Hemd visitirt zu werden. Die so strenge Absperrung der Stadt scheint keinen andern Zweck zu haben, als von Haus zu Haus die Waffen einzusammeln, die entwaffneten Arbeitsleute und Proletarier in sichern Gewahrsam zu bringen und solche unschädlich zu machen, seit acht Stunden hat man bereits mehr als 1200 zusammengefangen und durch die Kroaten, die mit den abgenommenen Waffen armirt wurden und auch Munition erhielten, in das Arbeitshaus und mehrere Kasernen transportiren lassen. Nach einigen unverbürgten Nachrichten soll sich ein großer Theil des übergegangenen Militärs mit Studenten und Akademikern in das Universitätsgebäude geflüchtet haben, verweigern die Ablieferung der Waffen und verlangen für die übergetretenen Soldaten vollkommene Amnestie ‒ und da sich der Feldmarschall dies Verlangen nicht abtrotzen lassen wird, so befürchtet man einen tollkühnen verzweifelten Ausfall oder die Ausführung der gemachten Drohung, sich in die Luft zu sprengen. Ob an der Sache etwas Wahres ist, kann ich heute noch nicht ermitteln, so viel aber ist gewiß, daß viele Familien, die in den Vorstädten wohnen und Söhne bei der akademischen Legion haben, über deren Schicksal und Ausbleiben in der größten Unruhe sind. In der Vorstadt Mariahilf wurde durch die vor den Barrieren aufgestellten Truppen mit großem Wurfgeschütz an vielen Bauten ein sehr bedeutender Schaden zugefügt, das Sommerpalais des Fürsten Esterhazy, welches eine ausgezeichnete Bildergallerie enthält, wurde unausgesetzt mit Kanonen und Bomben bedrängt; in dem großen immensen Gebäude ist auch nicht eine Fenstertafel ganz geblieben. In der Mariahilfer Hauptkirche und deren Thürme flogen mehrere Kugeln und Bomben mit 60 Pfund, zerplatzten in der Kirche und steckten einige Kirchstühle in Brand. Der Ingenieur und Maschinist Angely aus Berlin, dessen mechanische Fabril von den Kroaten zerstört wurde, verlor auch dabei sein Leben, durch vier auf ihn gerichtete Gewehrschüsse. Auch der Kaffeesieder Stierböck in der Leopoldstadt wurde von den Kroaten erschossen. Erst heute konnte man der Plünderung, die man an den auf den Bahnhöfen liegenden zum Versandt bestimmt gewesenen Waarengütern vornahm, Einhalt thun. Der Schaden muß sehr bedeutend sein. Das neue Zollgebäude, wo jetzt drei Kompagnien Soldaten bivouakiren, hat ebenfalls großen Schaden erlitten, die dort aufbewahrten Waaren haben einen ungeheuern Werth Ein kroatischer Offizier erzählte heute, daß die ungarischen Truppen, die zurückgedrängt wurden, nicht über 6000 Mann stark waren, und mit dem Regimente Alexander, welches lange Jahre in Wien stationirt gewesen, die Bestimmung hatte, Jellachichs Truppen im Prater aufzureiben; das gedachte Regiment wurde auf drei Dampfschiffen von Preßburg in die Nähe Wiens gebracht, was verrathen war, und durch die an dem Donau-Ufer aufgestellte Artillerie in ganz kurzer Zeit durch Zusammenschießen der drei Dampfschiffe, die der Donau-Dampfschifffahrtgesellschaft gehören, in Grund geschossen wurde. Windischgrätz scheint noch einen weit stärkeren Angriff der Ungarn zu erwarten und konzentrirt die Mehrzahl seiner Truppen gegen die ungarische Gränze. Auf allen Vorstadthäusern, in welchen Kroaten hausen, sieht man folgende geschriebene und gedruckte Zettel angeklebt: Saldvemo-na Suprewal General Zeisberg, das heißt: Heilig ist das Eigenthum. Da aber unter diesen Horden von hundert nur wenige lesen können oder das Gelesene verstehen werden, so wird das Eigenthum in den Augen dieser entmenschten Soldateska wenig respektirt werden. ‒ Cigarren und Silbergeld steht bei den Kroaten in besonderm Werth und durch Tabak und Cigarren, die sie den Vorübergehenden aus dem Mund herausnehmen, kann man sich noch am ersten von diesen Raubvögeln befreien. Den 1. Nov., 10 Uhr Morgens. Die heutige Nacht war für die Bewohner Wiens nach langen gefahrvoll durchlebten Tagen wieder eine ruhige ‒ für Denjenigen, der seine Angehörigen und seine Habe fern von der Stadt und den dieser zunächst liegenden Vorstädten wußte. Ein ziemlich starker Regen, der vor Mitternacht begonnen und noch fortdauert, hat die Brandstätten, welche in der innern Stadt noch immer fortlodern, durch das Aufhören des Windes, nicht weiter ausgebreitet. Schon um 7 Uhr früh sahen wir am St. Stephansthurme die weiße Fahne wehen und hatten dadurch Hoffnung, in die, so unersetzlichen Schaden erlittene Stadt hineinzukommen. Von allen Thoren war nur ein einziges, nämlich das Franzensthor, für Fußgänger geöffnet, wir fanden den größten Theil der Thorwachen, die der Gesandtschafts-Hotels und der ärarischen und Dicasterialgebäude noch mit Nationalgarden besetzt, in den Straßen und kleinern Gassen aber Waffen aller Art in großer und bedeutender Menge herumliegen. Die erste Frage war, ob der Parteienkampf zu Ende? wer dabei gesiegt? und wie lange die Brandlegung und Plünderung gedauert habe? mein Erstaunen war daher auch groß, als ich zur Antwort erhielt, daß die Ablegung der Waffen, sowohl von der arbeitenden Klasse, dem Proletariat, ebenso von der mobilen Garde, wenig Umstände verursacht habe, daß sich die gesammte Volkswehr, den klugen, gemäßigten und beruhigenden Vorstellungen des Gemeinderathes und den der Kommandanten (die ich hier gedruckt beilege) unterwarf, und sich an der Rettung der durch die kaiserliche Artillerie in Brand gesteckten Gebäude thätig, unermüdet und in musterhafter Ordnung betheiligten; nur den Bemühungen der gewandten Arbeitsleute konnte es gelingen, von den vorhandenen Feuerlöschungs-Requisiten, wobei auch noch Wassermangel war, da die Wasserleitungen, wie ich schon früher berichtete, größtentheils zerstört waren, einen schnellen und zweckmäßigen Gebrauch zu machen, wodurch nicht allein die Verbrennung der kostbaren, weltberühmten kaiserlichen Bibliothek und des daran anstoßenden Naturalienkabinets verhindert wurde, sondern auch die Burg, das Theater, die Säle des Reichtages und alle in der Nähe befindlichen Palläste vor einer gänzlichen Verheerung bei dem so stark wehenden Winde gerettet wurden. Die schöne Augustinerhofkirche mit dem herrlichen Denkmal Canovas (an der Grabstätte der Erzherzogin Christine) wurde durch die angestrengtesten Bemühungen der bewaffneten Garden und Arbeiter, denen sich die Proletarier anschlossen, vor dem Einsturz gerettet, der hohe Kirchthurm mit seinem großen und schönen Glockengeläute wurde ein Raub der Flammen. Die entsetzlichen Feuermassen, das herabfließende schmelzende Erz und das fortwährende Kanonieren konnte die Anstrengungen der braven Leute in ihren Bemühungen nicht hemmen. Die Kirchenschätze wurden in Sicherheit gebracht, die dicht an die Kirche anstoßende Kupferstichsammlung des Erzherzog Albrecht (eine der werthvollsten in Europa) durch dieselben Leute, die man noch wenige Stunden vorher als Brandstifter und Plünderer bezeichnete, gerettet, und sie waren noch um 8 Uhr früh, also nach 13 Stunden, so thätig und unermüdet, daß auch bei dem herrlichen Bibliothekgebäude nur die schöne Kuppel und das Dach abbrannte und der größte Theil des Naturalienkabinets, in welchem die mit Spiritus gefüllten Gefäße eine verheerende Flamme verursachten, gerettet werden konnte. Dennoch entstand unberechenbarer Verlust, da die in der Nähe der Bastionen und Wälle liegenden Gebäude, bis inmitten der Kärntnerstraße, des Josephsplatzes, der Staatskanzlei, Löwenstraße u. s. w., durch Kanonen, Raketen und Granaten schrecklich verwüstet sind und durch den noch in Flammen stehenden Kolowrattschen Palast allein ein Schaden von 300,000 Fl. entstanden ist. 2. Nov., 12 Uhr Mittags. Um in die Stadt zu gelangen, mußte ich mir es 2 Dukaten kosten lassen. Sie können sich daher denken, wie streng Windischgrätz den Belagerungszustand beobachten läßt. Das Militär bivouaquirt auf allen Hauptstraßen und Plätzen der innern Stadt, was einen eigenen Anblick der nicht mehr zu kennenden Stadt darbietet. Heute Nacht wurde der Gaßkandelaber, an welchem Latours Leiche aufgehangen war, von dem Militär herausgerissen und zertrümmert. Eben höre ich, daß sämmtliche Posten angelangt und auch heute mit Ausnahme der ungarischen abgehen, ich muß mir nur noch die in der Staatsdruckerei seit gestern erschienenen Kundmachungen zu verschaffen suchen, was auch nur durch besondere Lokalkenntniß zu erzielen ist, um Sie mit den neuesten Vorfällen bekannt zu machen. Sämmtliche in Wien befindliche Druckerpressen sind unter Aufsicht gestellt, ob wir Zeitungen von fremden Plätzen erhalten, bezweifle ich, Gewisses weiß ich hierüber nicht zu sagen. Die Universität ist bereits von Militär besetzt ‒ sonst Alles ruhig. Die Stadt gleicht einem Lager. Alle Läden gesperrt, an den meisten Lebensmitteln mangelt es bereits in der Stadt und Vorstädten. Morgen ein Mehreres. (A. O. Z.) Wien. Absichtliche Entstellungen und Verdrehungen aller Thatsachen sind gegenwärtig so sehr an der Tagesordnung, daß es den Freunden der Wahrheit willkommen sein muß, nachstehend eine getreue Darstellung der Vorgänge bei der Einnahme der Stadt Wien durch die k. k. Truppen zu erhalten. Am 23. Oktober Abends war der mit außerordentlichen Vollmachten versehene k. k. Herr Feldmarschall Fürst Windisch Grätz zu Hetzendorf nächst Wien eingetroffen. Se. Durchlaucht erließen eine Aufforderung an die Be-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 137. Köln, 8. November 1848, S. 0699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz137_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.