Neue Rheinische Zeitung. Nr. 137. Köln, 8. November 1848.Fragen durch die Sprache der Augen antwortet, der Hände und der reizenden Beine. Olifur fühlt sich zu Zoloen hingezogen. Aber wie es alten Leuten leider oft zu gehen pflegt, findet er die Schöne bereits anderweitig engagirt. Ja, wahrhaftig, Zoloe liebt Niemand anders als Brama, den Gott, der sich gerad inkognito auf der Erde herumtreibt und eben mit den übrigen Bajaderen herzutritt. "Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet, Die Großen belauert, auf Kleine geachtet, Verläßt er sie Abends, um weiter zu gehn." Brama fühlt sich natürlich durch die Liebe der Bajadere geschmeichelt; Olifur nicht so sehr und Gott und Oberrichter gerathen daher in die schlimmste Kollision. Zoloe muß hier aushelfen. Und sie thut es. "Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen, Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen, Sie neigt sich und biegt sich, und reicht ihm den Strauß." Olifur läßt sich besänftigen. Brama wird nicht gehängt und gescheidt wie Götter sind, benutzt er den Augenblick, wo Zoloe in einem bebaldachinten Thronsessel hinweggetragen wird, um mit hinein zu springen und so aller neuen Gefahr zu entrinnen. Im zweiten Akte treffen wir Gott und Bajadere in der Hütte der letztern. "Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden. Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz." Da treten Ninka und Fatme, die Gespielinnen Zoloes durch die Thür der Hütte und der Unsterbliche entspinnt sofort, nach seinem unerforschlichen Rathschluße, die entsetzlichste Eifersüchtelei unter ihnen. "Aber sie schärfer und schärfer zu prüfen, Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen Lust und Entsetzen und grimmige Pein." Arme Zoloe, sie zittert, sie schluchzt. Sie springt ihre schönsten Entrechats, sie läßt ihren üppigen Körper in den reizendsten Wellenlinien dahinfließen und faltet ihre Hände zu der bittendsten Geberde. Aber Alles ist umsonst. Brama blickt nur auf Ninka und Fatme. Lange erträgt sie's, als der Göttliche aber der Gespielinnen eine zu sich aufs Lager zieht, da reißt ihr die Geduld, wie ein angeschossenes Reh springt sie empor und mit der Majestät eines beleidigten Weibes tritt sie zwischen Gott und Fatme und trennt sie mit weißen Händen. Die Gespielinnen entweichen und allein bleibt Zoloe mit ihrem Brama. "Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier Bereiten den dunkeln behaglichen Schleier Die nächtlichen Stunden das schöne Gespinnst." Brama erklärt dem schönen Kinde, daß er sie nur der Prüfung wegen geängstigt habe. Sie versöhnen sich und schon wollen sie in Kuß und Umarmung schwelgen, da weicht Hr. Scribe plötzlich sehr bedeutend von dem Goethe'schen Gedichte ab und hereintritt: "der weißbärtige Satan" Olifur mit Tschobedaren, Wachen und Sklaven. Brama macht sich aus dem Staube. Zoloe wird aber für ihr früheres Entrinnen zum Tode verurtheilt und besteigt den Holzstoß, um verbrannt zu werden. "Es singen die Priester: Wir tragen die Alten, Nach langem Ermatten und spätem Erkalten, Wir tragen die Jugend, noch eh' sie's gedacht." Der Holzstoß flammt und Zoloe stürzt jammernd zusammen. "Doch der Götter-Jüngling hebet Aus der Flamme sich empor, Und in seinen Armen schwebet Die Geliebte mit hervor. Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder; Unsterbliche heben verlorene Kinder Mit feurigen Armen zum Himmel empor." Der Vorhang fällt und Alles jubelt: Es lebe Zoloe, die Bayadere! [Deutschland] gemacht werden, um den Feind, welcher so viele und große Gebäude in Brand gelegt, aus den Pratergehölzen, den Nordbahngebäuden, und anderen großen Häusern, worunter auch die sechs Stockwerk hohe Dampfmehlmühle gehört, hinaus zu treiben. Dies wird eine sehr blutige Arbeit werden, und wenn unsere tapferen höchst muthigen Mobilen, Freiwilligen und Garden nicht siegen, so muß die schöne Leopoldstadt noch größeren Verwüstungen Preis gegeben und das Eindringen des rachedürstenden Feindes, durch die Wälle der innern Stadt, durch die Demolirung sämmtlicher Brücken, welche über den Donaukanal führen, zu verhindern gesucht werden. So eben wird mit Trommelschlag in den Vorstädten alarmirt, und alle wehrfähigen Männer aufgeboten, sich bis früh neun Uhr zu einem Hauptangriff gegen Windischgrätz und Jellachich zu rüsten. - Dies beweist daß es der in der Nacht rückgekehrten Deputation nicht gelungen ist, den Kaiser zu bewegen, den Vorstellungen des Reichstages Gehör zu schenken. Daß die ungarische Armee mit 30,000 Mann Kerntruppen seit dem 24. d. M. sich auf österreichischem Boden befindet, und bei zweimaliger Action gegen Jellachich's und Auersperg's Truppen nicht näher an Wien rückten, sich daher zurückziehen mußte, bestätigt sich; man glaubt, daß sich das Gros der Armee mit der mittlerweile nachgerückten Reserve, die bei 20,000 Mann stark ist und am 26. schon in Wieselburg lagerte, verbinden und dann auf Jellachich's gut und stark verschanztes Lager einen Hauptangriff machen werde, was aber morgen, wenn Wien Hülfe von dieser Stelle kommen soll, geschehen mußte. Ueber den gestörten Postenverkehr wurden die mannigfaltigsten Vorstellungen an Minister Kraus und Wessenberg gemacht, die bis heute, wie aus dem beiliegendem Erlaß des Hofpostamts zu ersehen, bis jetzt unerledigt geblieben sind. Windischgrätz hat heute früh dem Gemeinderath bekannt gegeben, daß noch Vormittag der Angriff der Stadt schonungslos erfolgen werde, daß bei seinem Einzug und der Besitznahme der Stadt alle Hausthore sogleich geschlossen und diejenigen Häuser, aus welchen seinen Truppen eine feindliche Demonstration zu Theil wird, unnachsichtlich mit Demolirung und schonungsloser Plünderung bestraft werden. Diese Zeilen, es ist 10 Uhr, schreibe ich bereits unter heftigem Kanonendonner. - Der regelmäßige Abgang der Posten soll vor einer halben Stunde beschlossen worden sein. Außer der Wiener Zeitung mit den entstellten lügenhaften Berichten der flüchtigen czechischen Reichstagsdeputirten ist keine Zeitung erschienen. Diesmal wird entschieden, ob die Freiheit und die gute Sache siegt, und damit die Habsburg-Lothringsche Dynastie zu Grabe getragen wird. In diesem Augenblick erläßt der türkische Botschafter, der unter allen fremden Diplomaten am längsten in Wien geblieben, und heftig und energisch gegen die Belagerung protestirte, mit seinem ganzen Gesandtschaftspersonale und den reichsten hier befindlichen türkischen Unterthanen, die hier domiciliren, unter einer starken Eskorte der berittenen Nationalgarde die Residenz, es sind 16 Wagen. - Das Kanoniren wird immer stärker, ich muß auf den Sammelplatz und von da auf den Linienwall nach Mariahilf. Den 28. Oktober, 8 Uhr Abends. Von 10 Uhr früh bis 7 Uhr Abends dauerte der bei allen Barrieren Wiens zu gleicher Zeit geschehene Angriff der kaiserlichen Truppen und die wirklich heldenmülhige Vertheidigung unserer Volkswehr unausgesetzt und unter dem heftigsten Kanonendonner, Kartätschen und Kleingewehrfeuer fort; in der Leopoldstadt, das ist von der Seite der Brigittenau und des Praters, die von dem Militair schon seit drei Tagen besetzt gewesen, war der Andrang am heftigsten, da auch die Straßen in dieser Gegend am besten verbarrikadirt und von den mobilen Garden gegen die andringenden Soldaten, größtentheils Böhmen und Jäger, heldenmuthig vertheidigt wurden. Die fortwährende Verstärkung, welche das Militair durch seine Reserven erhielt, mußte den Muth unserer schon 8 Stunden in unausgesetztem Kampfe stehenden Freiheitskämpfer lähmen, und da ihnen auch die Munition für die Artillerie-Geschütze mangelte, so waren sie genöthigt, sich zurückzuziehen und aus den Häusern ein gutes Tiralleurfeuer zu unterhalten, konnten aber doch nicht das weitere Vordringen des erbitterten Feindes abhalten, so daß sich derselbe gegenwärtig fast ganz im Besitze der Leopoldstadt befindet und von der inneren Stadt nur durch den Donaukanal getrennt ist. Dies war auch die Ursache, daß der General Bem den Befehl gab, die zum Rothenthurmthor führende Ferdinandsbrücke abzubrennen und die Bastionen und Stadtwälle mit vielem Geschütz zu besetzen. Von der Belvedere-Linie und der zu St. Marx, welche erstere zu den Bahnhöfen der Südbahn, letztere auf die ungarische Commerciell-Hauptstraße führt, mußten unsere Garden wegen Mangel an Artillerie-Munition ebenfalls abziehen und den Belagerern freigeben, die solche aber nur zur Vorschiebung eines deutschen Grenadier-Bataillons benutzten, was seit einer halben Stunde wieder mit einer Batterie Sechspfünder und etwas Wurfgeschütz in dem Schwarzenbergschen Sommerpalais, vor wenigen Tagen das Hauptquartier Messenhauer's, am 9. Oktober das von Auersperg gewesene, campirt. - Alle übrigen Punkte der Linienwälle und Barrieren werden mit außerordentlichem Muth und Aufbietung aller dem General Bem und Messenhauser zu Gebote stehenden Mittel vertheidigt; in den Hauptstraßen der Vorstädte sind treffliche und zahlreiche Barrikaden aufgeführt, und wenn es dem Gemeinderathe nicht gelingen sollte, eine ehrenvolle Capitulation mit Windischgrätz zu Stande zu bringen, so haben wir eine grauenhafte Belagerung der inneren Stadt und einen fürchterlich blutigen Straßenkampf zu gewärtigen. - Der ganze nächtliche Horizont ist von den in den Vorstädten aufwirbelnden thurmhohen Flammen geröthet. Das Feuer macht schreckliche Verheerungen, das Sturmgeläute, das wieder beginnende Kleingewehrfeuer, die Kartätschenkugeln, die dicht vor meiner Wohnung auf dem Granitpflaster platzen, zwölfpfündige Kanonenkugeln, die die Dachstühle der nebenstehenden Häuser zerschmettern, ist nicht mit Worten zu beschreiben, und wird wahrscheinlich das Grabgeläute der Habsburg-Lothringschen Dynastie sein, die sich durch diese grausame Handlungsweise für Oesterreich eben so unmöglich, wie für die Lombardei, die venetianischen Staaten und Ungarn gemacht hat. Ich bezweifle, daß Kaiser Ferdinand je mehr sein schönes Wien und die auf das Aeußerste gereizte Bevölkerung der Hauptstadt sehen wird. Ein Akademiker sprengt durch die Straßen und bittet nur noch 12 Stunden muthig im Kampfe auszuharren, da der Angriff der ungarischen Armee gegen Jellachich's Truppen auf 2 Seiten stattfindet, und die Husaren gewiß bald den kaiserlichen Truppen im Rücken und in die Flanke kommen werden. - Dies wird den Muth unserer braven Kämpfer neuerdings beleben, obgleich diese schon so oft gehegten Hoffnungen und Erwartungen bisher immer getäuscht wurden. Man bringt die Nachricht, daß auf die Garden, welche bei dem auf den Bastionen der inneren Stadt aufgestellten Artilleriegeschütz die Wache halten und den Dienst versehen, aus den Häusern geschossen wird, wahrscheinlich um die an die Wälle aufstoßenden Gebäude vor dem Belagerungsgeschütz zu wahren. - Diese schändliche Hinterlist und Treulosigkeit würde der reaktionären Partei, deren Zahl noch, ohngeachtet sich ein großer Theil flüchtete, bedeutend ist, den Todesstoß versetzen und eine gräßliche Metzelei herbeiführen. Die großen Gebäude der Gloggnitzer und Brucker Eisenbahn mit den ausgedehnten Bahnhöfen, Magazinen, mechanischen Werkstätten etc., die von unserer Volkswehr seit sechs Tagen als Vorwerk benutzt und zwölf Kanonen in treffliche Verschanzungen darin aufgeführt wurden, stehen in Flammen und wird der Aktiengesellschaft einen unersetzlichen Schaden verursachen. Der große Gasmeter in der Vorstadt Erdberg, welcher einen Theil der Vorstädte und des westlichen Stadttheiles mit Leuchtgas versieht, ist auch zerstört, daher die innere Stadt ganz in Dunkel gehüllt und die gestern schon angeordnete Beleuchtung der Fenster des ersten Stockwerkes höchst nöthig. - Der Schaden der beiden Zuckerraffinerien, welche bis auf den Grund ausgebrannt sind, und von den Kroaten durch Pechkränze in Asche gelegt wurden, beträgt bei einer Mill. Gulden, wovon den jetzigen Besitzer der Mack'schen Raffinerie, in welcher große Vorräthe von raffinirtem und Rohzucker lagerten, beinahe zwei Drittel treffen. Die großen in der Nähe befindlich gewesenen Bau- und Brennholz-Vorräthe wurden auch ein Raub der Flammen und hatten einen sehr großen Werth. Nach der Versicherung der hiesigen Postbeamten wurden die sich seit drei Tagen gesammelten Briefe und Zeitungen heute früh von hier durch das Windischgrätz Lager expedirt; ob dies mit den späteren Briefen und mit der morgenden Post noch geschehen kann, bezweifle ich. Jedenfalls setze ich meine Berichte regelmäßig fort. Kraus und Pillersdorf haben Minister Wessenberg erklärt, daß die dem Kaiser nach Olmütz überbrachte Adresse keiner Antwort bedürfe, da der Kaiser in seinem Manifeste vom 19. Oktober ohnehin den in Wien tagenden Reichstag in allen, diese Völker-Repräsentation zustehenden Rechten anerkannt und bestätigt habe. Außer Eier und Milch fühlt Wien noch kein wesentliches Bedürfniß an Lebensmitteln. Frisches Fleisch wird noch für acht Tage genügen, mittlerweile wird sich doch wieder Alles geordnet haben. Zeitungen und Flugschriften erscheinen keine. Diejenigen Offizinen, welche noch Papier und Personal haben, fürchten die Diktatur und Strenge von Windischgrätz. Den 29. Okt., Mittags 12 Uhr. Noch immer kann man über die Absichten und Beschlüsse, welche Windischgrätz über das Schicksal Wiens verhängt, nichts Gewisses erfahren. Um 9 Uhr wurde von dem Gemeinderath eine Deputation von sechs Mitgliedern in das Hauptquartier des Fürsten abgesandt, um mit demselben über die Besetzung der Stadt und die dafür zu bestimmende Garnison zu kapituliren; ob diese Mission von wünschenswerthem Erfolg sein wird, bezweifelt man, da sich der Feldmarschall seit gestern Abend im fast ausschließlichen Besitz der großen Vorstädte Landstraße, Wieden und Leopoldstadt befindet, und seine Soldaten, bestehend aus deutschen, italienischen, böhmischen und kroatischen Truppen, darin vertheilt hat. "Die Deputation erklärte sich im Namen der akademischen Legion mit deren Auflösung, ebenso wie mit der Entwaffnung der Arbeitsleute, mobilen Garde und des Proletariats, einverstanden, wollen die Wiener Kasernirung und Verpflegung von 12,000 Mann deutschen Militärs übernehmen, verweigern aber die Auslieferung der bezeichneten Geißel um so mehr, da General Bem kein polnischer Emissär sei und sich nicht unberufen in die Wiener Angelegenheiten eingemischt habe, sondern in Lemberg geboren, in der dortigen Nationalgarde eingereiht und von den hiesigen Behörden zur Vertheidigung der Stadt Wien aufgefordert wurde, auch sei es den Völker- und Menschenrechten nach den jetzigen Begriffen der Freiheit ganz zuwider, in einem civilisirten Staate Geißel zu geben oder zu fordern. -Der ungarische Staatssekretär Pulsky habe schon seit acht Tagen Wien verlassen, Dr. Schütte habe erst gestern die Erklärung gegeben, daß er sich zu jeder Zeit, wenn es der Gemeinderath für nöthig erachte, zu seiner Verfügung stellen werde, indem er sich gar nichts zu Schulden kommen ließ. Die Entwaffnung der Garden und ihre Reorganisirung könnte der Gemeinderath durchaus nicht zusichern, eben so unbillig wäre es, die Freiheit der Presse auf eine so strenge Weise zu beschränken, und diese letzte Anforderung allein könnte die größten und traurigsten Folgen herbeiführen und die ohnehin für eine Revolution sich zeigenden Elemente in volle Gährung bringen. " Die kaiserlichen Truppen haben in dem Schwarzenbergischen Palais zwei Batterien Kanonen aufgeführt, ihre Vorposten ziemlich weit ausgestellt und beobachten die größte Strenge gegen die ihre Posten passirenden Menschen. Seit heute früh wurden drei Personen, die in Gardeuniform und bewaffnet in die Nähe kamen, erschossen und erstochen; 5 bis 6 Personen, die etwas Pulver und Blei bei sich hatten, gefänglich eingezogen. Diese Soldatenwillkhür und Grausamkeit ist auf der Vorstadt Landstraße, wo die kaiserlichen Truppen in dem neuen Zollgebäude kampiren, noch hervortretender; es wird von den Kroaten geplündert und gemordet. Nachmittags 6 Uhr. Große Quantitäten Waffen, besonders von den Garden und Proletariern der Vorstädte Leopoldstadt, Landstraße und Wieden werden auf den verschiedenen Sammelplätzen der Volkswehr abgelegt, durch die Aufsteckung der weißen Fahne, welche zuerst an den Gebäuden des Polytechnikums sichtbar gewesen, wurde das Signal gegeben, in den meisten Häusern der genannten Vorstädte ein Gleiches zu thun, während die übrigen Barrieren, besonders die von Mariahilf, Lerchenfeld, Hernals, Nußdorf sich um 5 Uhr noch heftig vertheidigten und das Eindringen der Soldaten muthig zurückschlugen; in diesen großen Bezirken wurde die rothe Fahne aus sehr vielen Häusern ausgesteckt; und deren Vertrauensmänner, welche nach dem dringenden Aufruf des Ober-Kommandanten, sich um vier Uhr zur Abgebung ihrer unumschränkten Vollmacht, ob die Stadt kapituliren oder den Kampf fortsetzen soll, einfinden sollten, haben gegen die Uebergabe der Stadt Protest eingelegt, und es ist bis jetzt unentschieden, ob sich die Mehrzahl der Stimmen für die Uebergabe der Stadt oder für die Vertheidigung derselben ausgesprochen hat. Bei der Hernalser Linie beginnt seit einer Viertelstunde abermals eine heftige Kanonade. Die Besatzung des Schwarzenberg'schen Palastes hat nun 18 Feuerschlünde gegen die innere Stadt gerichtet, noch ein paar Tausend Soldaten an sich gezogen und alle Straßen in der nächsten Umgebung des Lagers abgesperrt. Mit banger Erwartung sieht Alles der Mitternachtsstunde entgegen, kömmt es zu einem Bombardement der innern Stadt, so muß der Schaden, der dadurch herbeigeführt wird, ein unermeßlicher werden. In der Nacht vom 28. auf den 29. October kam die vom Reichstag nach Ollmütz gesandte Deputation, an deren Spitze sich Pillersdorf befand, zurück; nach vielem Drängen und Vorstellungen bei Wessenberg und Lobkowitz konnten die Deputirten die Adresse des Reichstags dem Kaiser übergeben. Pillersdorf stellte in den beredtesten Worten den schrecklichen Zustand, in welchem sich die Hauptstadt des Reiches befinde, vor, der Kaiser hörte diese Vorstellung, die alle Anwesenden zu Thränen rührte, theimahmslos an und verlas von einem Blatt Papier, welches er aus der Tasche zog, "daß sein Feldmarschall, Fürst Windischgrätz, mit unbeschränkten Vollmachten versehen, nichts verabsäumen werde, um die in Wien ausgebrochene Anarchie zu dämpfen, Ruhe und Ordnung in der empörten Stadt herzustellen und das Eigenthum des rechtlich- und gutgesinnten Bürgers zu schützen. Er habe diese wichtigen Befehle in die Hände des Fürsten gelegt, da er sich überzeugt halte, daß der Feldmarschall nur im äußersten Nothfalle seine Zuflucht zu strengen Maßregeln nehmen werde, und erwarte von allen in Wien noch anwesenden und ausübenden Behörden, daß sie in diesen guten und loyalen Absichten, die nur das Glück und das Wohl seiner Völker fördern sollen, den Fürsten kräftig unterstützen werden. - Ueber die weiters vorgetragene Bitte, den Reichstag in Wien forttagen zu lassen, werde die Deputation ehestens eine schriftliche Antwort erhalten. Von den am 19. October in seinem Manifeste diesfalls gemachten Zugeständnissen müßte es sein Abkommen haben, da seine wohlwollenden und väterlichen Gesinnungen, die er darin ausgesprochen - offenbar nicht beachtet worden und er dadurch genöthigt sei, andere Maßregeln vorzuschreiben." Welche Aufregung und welcher Grad der Erbitterung gegen den Kaiser, seine Umgebung und alle in seiner Nähe befindlichen Rathgebern nun unter der hiesigen Bevölkerung herrscht, ist nicht mit Worten zu schildern, dies muß man sehen und hören, - auf die Stimmung der Provinzen und des Auslandes ist man hier im höchsten Grade gespannt. 30sten October. Vormittags 11 Uhr.Die Aufregung, welche seit einer Stunde, wo die Nachricht auf die Aula kam, daß das ungarische Heer mit bedeutenden Streitkräften ganz nahe bei Wien sei - in allen Klassen der Bevölkerung herrscht, ist nicht zu schildern. Alles, was noch unbewaffnet war, oder in vorzeitiger Angst die Schießgewehre gestern Nachmittag abgegeben, strömt nach Waffen in das Zeughaus und in die verschiedenen Bezirke der Vorstadt. Allarm und Sturmgeläute in der Stadt und denen noch von Truppen unbesetzten Vorstädten. Schon hört man Kanonendonner an der Hernalser und Mariahilfer Linie die Offiziere können die auf den Wällen der Stadt befindlichen Mobilen und Nationalgarden mit Mühe zurückhalten, das Geschütz auf die beim Schwarzenberg'schen Palais gelagerten, sich immer mehr verschanzenden Truppen spielen zu lassen, und auf das 1000 Schritte von der Stadt entfernte Lager einen Ausfall zu machen. Eben sehe ich vom Fenster bei 80 bewaffnete Mädchen und Weiber, von einem kräftigen starken Mann angeführt, die Wachen beziehen und die dort befindlichen Garden für den äußern Dienst abzulösen und mobil zu machen. Von der Hernalser Linie wird der Bericht erstattet, daß die auf dem Linienwall gewesenen Reserven der Mobilen und der bewaffneten Arbeiter einen Ausfall gemacht habe, bei welchem die Belagerer eine halbe Stunde vor der Barriere der Alservorstadt zurückgedrängt und ein Hauptmann mit 16 Jägern gefangen genommen wurden. Eben so tampfer vertheidigt sich die an der Mariahilfer Linie aufgestellte Mannschaft. Was jetzt mit den bereits abgeschlossenen Kapitulationsbedingungen, nach welchen die Stadt an Windischgrätz zu übergeben ist, geschehen wird, mag Gott wissen. Die Aufregung in der innern Stadt wird immer größer, vorzüglich unter dem bewaffneten Proletariat und den Arbeitern, welche von Verrath, den der Gemeinderath und der Oberkommandant begangen, schreien und die Verräther mit dem Strange bedrohen. Es ist nicht möglich, daß ich meinen heutigen Bericht weiter fortsetze, da vom Oberkommandanten die Nachricht gegeben wird, daß nach den Beobachtungen vom St. Stephansthurme der Kampf mit der ungarischen Armee, zwei Stunden von Wien entfernt, begonnen hat, wodurch die Kampfbegierde und die Erbitterung gegen Windischgrätz den höchsten Grad erreicht. Die gestern bei den meisten Häusern ausgesteckten weißen Friedenzeichen mußten in der Stadt und den Vorstädten augenblicklich eingezogen werden, wo es nicht geschah, wurden die Fenster zertrümmert; wer waffenfähig ist und sich mit einem Cylinder (französischer Hut) auf der Straße blicken läßt, wird insultirt und unter die bewaffnete Menge gesteckt und mit fortgeschleppt. Fragen durch die Sprache der Augen antwortet, der Hände und der reizenden Beine. Olifur fühlt sich zu Zoloén hingezogen. Aber wie es alten Leuten leider oft zu gehen pflegt, findet er die Schöne bereits anderweitig engagirt. Ja, wahrhaftig, Zoloé liebt Niemand anders als Brama, den Gott, der sich gerad inkognito auf der Erde herumtreibt und eben mit den übrigen Bajaderen herzutritt. „Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet, Die Großen belauert, auf Kleine geachtet, Verläßt er sie Abends, um weiter zu gehn.“ Brama fühlt sich natürlich durch die Liebe der Bajadere geschmeichelt; Olifur nicht so sehr und Gott und Oberrichter gerathen daher in die schlimmste Kollision. Zoloé muß hier aushelfen. Und sie thut es. „Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen, Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen, Sie neigt sich und biegt sich, und reicht ihm den Strauß.“ Olifur läßt sich besänftigen. Brama wird nicht gehängt und gescheidt wie Götter sind, benutzt er den Augenblick, wo Zoloé in einem bebaldachinten Thronsessel hinweggetragen wird, um mit hinein zu springen und so aller neuen Gefahr zu entrinnen. Im zweiten Akte treffen wir Gott und Bajadere in der Hütte der letztern. „Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden. Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.“ Da treten Ninka und Fatmé, die Gespielinnen Zoloés durch die Thür der Hütte und der Unsterbliche entspinnt sofort, nach seinem unerforschlichen Rathschluße, die entsetzlichste Eifersüchtelei unter ihnen. „Aber sie schärfer und schärfer zu prüfen, Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen Lust und Entsetzen und grimmige Pein.“ Arme Zoloé, sie zittert, sie schluchzt. Sie springt ihre schönsten Entrechats, sie läßt ihren üppigen Körper in den reizendsten Wellenlinien dahinfließen und faltet ihre Hände zu der bittendsten Geberde. Aber Alles ist umsonst. Brama blickt nur auf Ninka und Fatmé. Lange erträgt sie's, als der Göttliche aber der Gespielinnen eine zu sich aufs Lager zieht, da reißt ihr die Geduld, wie ein angeschossenes Reh springt sie empor und mit der Majestät eines beleidigten Weibes tritt sie zwischen Gott und Fatmé und trennt sie mit weißen Händen. Die Gespielinnen entweichen und allein bleibt Zoloé mit ihrem Brama. „Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier Bereiten den dunkeln behaglichen Schleier Die nächtlichen Stunden das schöne Gespinnst.“ Brama erklärt dem schönen Kinde, daß er sie nur der Prüfung wegen geängstigt habe. Sie versöhnen sich und schon wollen sie in Kuß und Umarmung schwelgen, da weicht Hr. Scribe plötzlich sehr bedeutend von dem Goethe'schen Gedichte ab und hereintritt: „der weißbärtige Satan“ Olifur mit Tschobedaren, Wachen und Sklaven. Brama macht sich aus dem Staube. Zoloé wird aber für ihr früheres Entrinnen zum Tode verurtheilt und besteigt den Holzstoß, um verbrannt zu werden. „Es singen die Priester: Wir tragen die Alten, Nach langem Ermatten und spätem Erkalten, Wir tragen die Jugend, noch eh' sie's gedacht.“ Der Holzstoß flammt und Zoloé stürzt jammernd zusammen. „Doch der Götter-Jüngling hebet Aus der Flamme sich empor, Und in seinen Armen schwebet Die Geliebte mit hervor. Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder; Unsterbliche heben verlorene Kinder Mit feurigen Armen zum Himmel empor.“ Der Vorhang fällt und Alles jubelt: Es lebe Zoloé, die Bayadere! [Deutschland] gemacht werden, um den Feind, welcher so viele und große Gebäude in Brand gelegt, aus den Pratergehölzen, den Nordbahngebäuden, und anderen großen Häusern, worunter auch die sechs Stockwerk hohe Dampfmehlmühle gehört, hinaus zu treiben. Dies wird eine sehr blutige Arbeit werden, und wenn unsere tapferen höchst muthigen Mobilen, Freiwilligen und Garden nicht siegen, so muß die schöne Leopoldstadt noch größeren Verwüstungen Preis gegeben und das Eindringen des rachedürstenden Feindes, durch die Wälle der innern Stadt, durch die Demolirung sämmtlicher Brücken, welche über den Donaukanal führen, zu verhindern gesucht werden. So eben wird mit Trommelschlag in den Vorstädten alarmirt, und alle wehrfähigen Männer aufgeboten, sich bis früh neun Uhr zu einem Hauptangriff gegen Windischgrätz und Jellachich zu rüsten. ‒ Dies beweist daß es der in der Nacht rückgekehrten Deputation nicht gelungen ist, den Kaiser zu bewegen, den Vorstellungen des Reichstages Gehör zu schenken. Daß die ungarische Armee mit 30,000 Mann Kerntruppen seit dem 24. d. M. sich auf österreichischem Boden befindet, und bei zweimaliger Action gegen Jellachich's und Auersperg's Truppen nicht näher an Wien rückten, sich daher zurückziehen mußte, bestätigt sich; man glaubt, daß sich das Gros der Armee mit der mittlerweile nachgerückten Reserve, die bei 20,000 Mann stark ist und am 26. schon in Wieselburg lagerte, verbinden und dann auf Jellachich's gut und stark verschanztes Lager einen Hauptangriff machen werde, was aber morgen, wenn Wien Hülfe von dieser Stelle kommen soll, geschehen mußte. Ueber den gestörten Postenverkehr wurden die mannigfaltigsten Vorstellungen an Minister Kraus und Wessenberg gemacht, die bis heute, wie aus dem beiliegendem Erlaß des Hofpostamts zu ersehen, bis jetzt unerledigt geblieben sind. Windischgrätz hat heute früh dem Gemeinderath bekannt gegeben, daß noch Vormittag der Angriff der Stadt schonungslos erfolgen werde, daß bei seinem Einzug und der Besitznahme der Stadt alle Hausthore sogleich geschlossen und diejenigen Häuser, aus welchen seinen Truppen eine feindliche Demonstration zu Theil wird, unnachsichtlich mit Demolirung und schonungsloser Plünderung bestraft werden. Diese Zeilen, es ist 10 Uhr, schreibe ich bereits unter heftigem Kanonendonner. ‒ Der regelmäßige Abgang der Posten soll vor einer halben Stunde beschlossen worden sein. Außer der Wiener Zeitung mit den entstellten lügenhaften Berichten der flüchtigen czechischen Reichstagsdeputirten ist keine Zeitung erschienen. Diesmal wird entschieden, ob die Freiheit und die gute Sache siegt, und damit die Habsburg-Lothringsche Dynastie zu Grabe getragen wird. In diesem Augenblick erläßt der türkische Botschafter, der unter allen fremden Diplomaten am längsten in Wien geblieben, und heftig und energisch gegen die Belagerung protestirte, mit seinem ganzen Gesandtschaftspersonale und den reichsten hier befindlichen türkischen Unterthanen, die hier domiciliren, unter einer starken Eskorte der berittenen Nationalgarde die Residenz, es sind 16 Wagen. ‒ Das Kanoniren wird immer stärker, ich muß auf den Sammelplatz und von da auf den Linienwall nach Mariahilf. Den 28. Oktober, 8 Uhr Abends. Von 10 Uhr früh bis 7 Uhr Abends dauerte der bei allen Barrieren Wiens zu gleicher Zeit geschehene Angriff der kaiserlichen Truppen und die wirklich heldenmülhige Vertheidigung unserer Volkswehr unausgesetzt und unter dem heftigsten Kanonendonner, Kartätschen und Kleingewehrfeuer fort; in der Leopoldstadt, das ist von der Seite der Brigittenau und des Praters, die von dem Militair schon seit drei Tagen besetzt gewesen, war der Andrang am heftigsten, da auch die Straßen in dieser Gegend am besten verbarrikadirt und von den mobilen Garden gegen die andringenden Soldaten, größtentheils Böhmen und Jäger, heldenmuthig vertheidigt wurden. Die fortwährende Verstärkung, welche das Militair durch seine Reserven erhielt, mußte den Muth unserer schon 8 Stunden in unausgesetztem Kampfe stehenden Freiheitskämpfer lähmen, und da ihnen auch die Munition für die Artillerie-Geschütze mangelte, so waren sie genöthigt, sich zurückzuziehen und aus den Häusern ein gutes Tiralleurfeuer zu unterhalten, konnten aber doch nicht das weitere Vordringen des erbitterten Feindes abhalten, so daß sich derselbe gegenwärtig fast ganz im Besitze der Leopoldstadt befindet und von der inneren Stadt nur durch den Donaukanal getrennt ist. Dies war auch die Ursache, daß der General Bém den Befehl gab, die zum Rothenthurmthor führende Ferdinandsbrücke abzubrennen und die Bastionen und Stadtwälle mit vielem Geschütz zu besetzen. Von der Belvedere-Linie und der zu St. Marx, welche erstere zu den Bahnhöfen der Südbahn, letztere auf die ungarische Commerciell-Hauptstraße führt, mußten unsere Garden wegen Mangel an Artillerie-Munition ebenfalls abziehen und den Belagerern freigeben, die solche aber nur zur Vorschiebung eines deutschen Grenadier-Bataillons benutzten, was seit einer halben Stunde wieder mit einer Batterie Sechspfünder und etwas Wurfgeschütz in dem Schwarzenbergschen Sommerpalais, vor wenigen Tagen das Hauptquartier Messenhauer's, am 9. Oktober das von Auersperg gewesene, campirt. ‒ Alle übrigen Punkte der Linienwälle und Barrieren werden mit außerordentlichem Muth und Aufbietung aller dem General Bém und Messenhauser zu Gebote stehenden Mittel vertheidigt; in den Hauptstraßen der Vorstädte sind treffliche und zahlreiche Barrikaden aufgeführt, und wenn es dem Gemeinderathe nicht gelingen sollte, eine ehrenvolle Capitulation mit Windischgrätz zu Stande zu bringen, so haben wir eine grauenhafte Belagerung der inneren Stadt und einen fürchterlich blutigen Straßenkampf zu gewärtigen. ‒ Der ganze nächtliche Horizont ist von den in den Vorstädten aufwirbelnden thurmhohen Flammen geröthet. Das Feuer macht schreckliche Verheerungen, das Sturmgeläute, das wieder beginnende Kleingewehrfeuer, die Kartätschenkugeln, die dicht vor meiner Wohnung auf dem Granitpflaster platzen, zwölfpfündige Kanonenkugeln, die die Dachstühle der nebenstehenden Häuser zerschmettern, ist nicht mit Worten zu beschreiben, und wird wahrscheinlich das Grabgeläute der Habsburg-Lothringschen Dynastie sein, die sich durch diese grausame Handlungsweise für Oesterreich eben so unmöglich, wie für die Lombardei, die venetianischen Staaten und Ungarn gemacht hat. Ich bezweifle, daß Kaiser Ferdinand je mehr sein schönes Wien und die auf das Aeußerste gereizte Bevölkerung der Hauptstadt sehen wird. Ein Akademiker sprengt durch die Straßen und bittet nur noch 12 Stunden muthig im Kampfe auszuharren, da der Angriff der ungarischen Armee gegen Jellachich's Truppen auf 2 Seiten stattfindet, und die Husaren gewiß bald den kaiserlichen Truppen im Rücken und in die Flanke kommen werden. ‒ Dies wird den Muth unserer braven Kämpfer neuerdings beleben, obgleich diese schon so oft gehegten Hoffnungen und Erwartungen bisher immer getäuscht wurden. Man bringt die Nachricht, daß auf die Garden, welche bei dem auf den Bastionen der inneren Stadt aufgestellten Artilleriegeschütz die Wache halten und den Dienst versehen, aus den Häusern geschossen wird, wahrscheinlich um die an die Wälle aufstoßenden Gebäude vor dem Belagerungsgeschütz zu wahren. ‒ Diese schändliche Hinterlist und Treulosigkeit würde der reaktionären Partei, deren Zahl noch, ohngeachtet sich ein großer Theil flüchtete, bedeutend ist, den Todesstoß versetzen und eine gräßliche Metzelei herbeiführen. Die großen Gebäude der Gloggnitzer und Brucker Eisenbahn mit den ausgedehnten Bahnhöfen, Magazinen, mechanischen Werkstätten etc., die von unserer Volkswehr seit sechs Tagen als Vorwerk benutzt und zwölf Kanonen in treffliche Verschanzungen darin aufgeführt wurden, stehen in Flammen und wird der Aktiengesellschaft einen unersetzlichen Schaden verursachen. Der große Gasmeter in der Vorstadt Erdberg, welcher einen Theil der Vorstädte und des westlichen Stadttheiles mit Leuchtgas versieht, ist auch zerstört, daher die innere Stadt ganz in Dunkel gehüllt und die gestern schon angeordnete Beleuchtung der Fenster des ersten Stockwerkes höchst nöthig. ‒ Der Schaden der beiden Zuckerraffinerien, welche bis auf den Grund ausgebrannt sind, und von den Kroaten durch Pechkränze in Asche gelegt wurden, beträgt bei einer Mill. Gulden, wovon den jetzigen Besitzer der Mack'schen Raffinerie, in welcher große Vorräthe von raffinirtem und Rohzucker lagerten, beinahe zwei Drittel treffen. Die großen in der Nähe befindlich gewesenen Bau- und Brennholz-Vorräthe wurden auch ein Raub der Flammen und hatten einen sehr großen Werth. Nach der Versicherung der hiesigen Postbeamten wurden die sich seit drei Tagen gesammelten Briefe und Zeitungen heute früh von hier durch das Windischgrätz Lager expedirt; ob dies mit den späteren Briefen und mit der morgenden Post noch geschehen kann, bezweifle ich. Jedenfalls setze ich meine Berichte regelmäßig fort. Kraus und Pillersdorf haben Minister Wessenberg erklärt, daß die dem Kaiser nach Olmütz überbrachte Adresse keiner Antwort bedürfe, da der Kaiser in seinem Manifeste vom 19. Oktober ohnehin den in Wien tagenden Reichstag in allen, diese Völker-Repräsentation zustehenden Rechten anerkannt und bestätigt habe. Außer Eier und Milch fühlt Wien noch kein wesentliches Bedürfniß an Lebensmitteln. Frisches Fleisch wird noch für acht Tage genügen, mittlerweile wird sich doch wieder Alles geordnet haben. Zeitungen und Flugschriften erscheinen keine. Diejenigen Offizinen, welche noch Papier und Personal haben, fürchten die Diktatur und Strenge von Windischgrätz. Den 29. Okt., Mittags 12 Uhr. Noch immer kann man über die Absichten und Beschlüsse, welche Windischgrätz über das Schicksal Wiens verhängt, nichts Gewisses erfahren. Um 9 Uhr wurde von dem Gemeinderath eine Deputation von sechs Mitgliedern in das Hauptquartier des Fürsten abgesandt, um mit demselben über die Besetzung der Stadt und die dafür zu bestimmende Garnison zu kapituliren; ob diese Mission von wünschenswerthem Erfolg sein wird, bezweifelt man, da sich der Feldmarschall seit gestern Abend im fast ausschließlichen Besitz der großen Vorstädte Landstraße, Wieden und Leopoldstadt befindet, und seine Soldaten, bestehend aus deutschen, italienischen, böhmischen und kroatischen Truppen, darin vertheilt hat. „Die Deputation erklärte sich im Namen der akademischen Legion mit deren Auflösung, ebenso wie mit der Entwaffnung der Arbeitsleute, mobilen Garde und des Proletariats, einverstanden, wollen die Wiener Kasernirung und Verpflegung von 12,000 Mann deutschen Militärs übernehmen, verweigern aber die Auslieferung der bezeichneten Geißel um so mehr, da General Bém kein polnischer Emissär sei und sich nicht unberufen in die Wiener Angelegenheiten eingemischt habe, sondern in Lemberg geboren, in der dortigen Nationalgarde eingereiht und von den hiesigen Behörden zur Vertheidigung der Stadt Wien aufgefordert wurde, auch sei es den Völker- und Menschenrechten nach den jetzigen Begriffen der Freiheit ganz zuwider, in einem civilisirten Staate Geißel zu geben oder zu fordern. ‒Der ungarische Staatssekretär Pulsky habe schon seit acht Tagen Wien verlassen, Dr. Schütte habe erst gestern die Erklärung gegeben, daß er sich zu jeder Zeit, wenn es der Gemeinderath für nöthig erachte, zu seiner Verfügung stellen werde, indem er sich gar nichts zu Schulden kommen ließ. Die Entwaffnung der Garden und ihre Reorganisirung könnte der Gemeinderath durchaus nicht zusichern, eben so unbillig wäre es, die Freiheit der Presse auf eine so strenge Weise zu beschränken, und diese letzte Anforderung allein könnte die größten und traurigsten Folgen herbeiführen und die ohnehin für eine Revolution sich zeigenden Elemente in volle Gährung bringen. “ Die kaiserlichen Truppen haben in dem Schwarzenbergischen Palais zwei Batterien Kanonen aufgeführt, ihre Vorposten ziemlich weit ausgestellt und beobachten die größte Strenge gegen die ihre Posten passirenden Menschen. Seit heute früh wurden drei Personen, die in Gardeuniform und bewaffnet in die Nähe kamen, erschossen und erstochen; 5 bis 6 Personen, die etwas Pulver und Blei bei sich hatten, gefänglich eingezogen. Diese Soldatenwillkhür und Grausamkeit ist auf der Vorstadt Landstraße, wo die kaiserlichen Truppen in dem neuen Zollgebäude kampiren, noch hervortretender; es wird von den Kroaten geplündert und gemordet. Nachmittags 6 Uhr. Große Quantitäten Waffen, besonders von den Garden und Proletariern der Vorstädte Leopoldstadt, Landstraße und Wieden werden auf den verschiedenen Sammelplätzen der Volkswehr abgelegt, durch die Aufsteckung der weißen Fahne, welche zuerst an den Gebäuden des Polytechnikums sichtbar gewesen, wurde das Signal gegeben, in den meisten Häusern der genannten Vorstädte ein Gleiches zu thun, während die übrigen Barrieren, besonders die von Mariahilf, Lerchenfeld, Hernals, Nußdorf sich um 5 Uhr noch heftig vertheidigten und das Eindringen der Soldaten muthig zurückschlugen; in diesen großen Bezirken wurde die rothe Fahne aus sehr vielen Häusern ausgesteckt; und deren Vertrauensmänner, welche nach dem dringenden Aufruf des Ober-Kommandanten, sich um vier Uhr zur Abgebung ihrer unumschränkten Vollmacht, ob die Stadt kapituliren oder den Kampf fortsetzen soll, einfinden sollten, haben gegen die Uebergabe der Stadt Protest eingelegt, und es ist bis jetzt unentschieden, ob sich die Mehrzahl der Stimmen für die Uebergabe der Stadt oder für die Vertheidigung derselben ausgesprochen hat. Bei der Hernalser Linie beginnt seit einer Viertelstunde abermals eine heftige Kanonade. Die Besatzung des Schwarzenberg'schen Palastes hat nun 18 Feuerschlünde gegen die innere Stadt gerichtet, noch ein paar Tausend Soldaten an sich gezogen und alle Straßen in der nächsten Umgebung des Lagers abgesperrt. Mit banger Erwartung sieht Alles der Mitternachtsstunde entgegen, kömmt es zu einem Bombardement der innern Stadt, so muß der Schaden, der dadurch herbeigeführt wird, ein unermeßlicher werden. In der Nacht vom 28. auf den 29. October kam die vom Reichstag nach Ollmütz gesandte Deputation, an deren Spitze sich Pillersdorf befand, zurück; nach vielem Drängen und Vorstellungen bei Wessenberg und Lobkowitz konnten die Deputirten die Adresse des Reichstags dem Kaiser übergeben. Pillersdorf stellte in den beredtesten Worten den schrecklichen Zustand, in welchem sich die Hauptstadt des Reiches befinde, vor, der Kaiser hörte diese Vorstellung, die alle Anwesenden zu Thränen rührte, theimahmslos an und verlas von einem Blatt Papier, welches er aus der Tasche zog, „daß sein Feldmarschall, Fürst Windischgrätz, mit unbeschränkten Vollmachten versehen, nichts verabsäumen werde, um die in Wien ausgebrochene Anarchie zu dämpfen, Ruhe und Ordnung in der empörten Stadt herzustellen und das Eigenthum des rechtlich- und gutgesinnten Bürgers zu schützen. Er habe diese wichtigen Befehle in die Hände des Fürsten gelegt, da er sich überzeugt halte, daß der Feldmarschall nur im äußersten Nothfalle seine Zuflucht zu strengen Maßregeln nehmen werde, und erwarte von allen in Wien noch anwesenden und ausübenden Behörden, daß sie in diesen guten und loyalen Absichten, die nur das Glück und das Wohl seiner Völker fördern sollen, den Fürsten kräftig unterstützen werden. ‒ Ueber die weiters vorgetragene Bitte, den Reichstag in Wien forttagen zu lassen, werde die Deputation ehestens eine schriftliche Antwort erhalten. Von den am 19. October in seinem Manifeste diesfalls gemachten Zugeständnissen müßte es sein Abkommen haben, da seine wohlwollenden und väterlichen Gesinnungen, die er darin ausgesprochen ‒ offenbar nicht beachtet worden und er dadurch genöthigt sei, andere Maßregeln vorzuschreiben.“ Welche Aufregung und welcher Grad der Erbitterung gegen den Kaiser, seine Umgebung und alle in seiner Nähe befindlichen Rathgebern nun unter der hiesigen Bevölkerung herrscht, ist nicht mit Worten zu schildern, dies muß man sehen und hören, ‒ auf die Stimmung der Provinzen und des Auslandes ist man hier im höchsten Grade gespannt. 30sten October. Vormittags 11 Uhr.Die Aufregung, welche seit einer Stunde, wo die Nachricht auf die Aula kam, daß das ungarische Heer mit bedeutenden Streitkräften ganz nahe bei Wien sei ‒ in allen Klassen der Bevölkerung herrscht, ist nicht zu schildern. Alles, was noch unbewaffnet war, oder in vorzeitiger Angst die Schießgewehre gestern Nachmittag abgegeben, strömt nach Waffen in das Zeughaus und in die verschiedenen Bezirke der Vorstadt. Allarm und Sturmgeläute in der Stadt und denen noch von Truppen unbesetzten Vorstädten. Schon hört man Kanonendonner an der Hernalser und Mariahilfer Linie die Offiziere können die auf den Wällen der Stadt befindlichen Mobilen und Nationalgarden mit Mühe zurückhalten, das Geschütz auf die beim Schwarzenberg'schen Palais gelagerten, sich immer mehr verschanzenden Truppen spielen zu lassen, und auf das 1000 Schritte von der Stadt entfernte Lager einen Ausfall zu machen. Eben sehe ich vom Fenster bei 80 bewaffnete Mädchen und Weiber, von einem kräftigen starken Mann angeführt, die Wachen beziehen und die dort befindlichen Garden für den äußern Dienst abzulösen und mobil zu machen. Von der Hernalser Linie wird der Bericht erstattet, daß die auf dem Linienwall gewesenen Reserven der Mobilen und der bewaffneten Arbeiter einen Ausfall gemacht habe, bei welchem die Belagerer eine halbe Stunde vor der Barriere der Alservorstadt zurückgedrängt und ein Hauptmann mit 16 Jägern gefangen genommen wurden. Eben so tampfer vertheidigt sich die an der Mariahilfer Linie aufgestellte Mannschaft. Was jetzt mit den bereits abgeschlossenen Kapitulationsbedingungen, nach welchen die Stadt an Windischgrätz zu übergeben ist, geschehen wird, mag Gott wissen. Die Aufregung in der innern Stadt wird immer größer, vorzüglich unter dem bewaffneten Proletariat und den Arbeitern, welche von Verrath, den der Gemeinderath und der Oberkommandant begangen, schreien und die Verräther mit dem Strange bedrohen. Es ist nicht möglich, daß ich meinen heutigen Bericht weiter fortsetze, da vom Oberkommandanten die Nachricht gegeben wird, daß nach den Beobachtungen vom St. Stephansthurme der Kampf mit der ungarischen Armee, zwei Stunden von Wien entfernt, begonnen hat, wodurch die Kampfbegierde und die Erbitterung gegen Windischgrätz den höchsten Grad erreicht. Die gestern bei den meisten Häusern ausgesteckten weißen Friedenzeichen mußten in der Stadt und den Vorstädten augenblicklich eingezogen werden, wo es nicht geschah, wurden die Fenster zertrümmert; wer waffenfähig ist und sich mit einem Cylinder (französischer Hut) auf der Straße blicken läßt, wird insultirt und unter die bewaffnete Menge gesteckt und mit fortgeschleppt. <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar137_006" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0698"/> Fragen durch die Sprache der Augen antwortet, der Hände und der reizenden Beine.</p> <p>Olifur fühlt sich zu Zoloén hingezogen. Aber wie es alten Leuten leider oft zu gehen pflegt, findet er die Schöne bereits anderweitig engagirt. Ja, wahrhaftig, Zoloé liebt Niemand anders als Brama, den Gott, der sich gerad inkognito auf der Erde herumtreibt und eben mit den übrigen Bajaderen herzutritt.</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,</l><lb/> <l>Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,</l><lb/> <l>Verläßt er sie Abends, um weiter zu gehn.“</l><lb/> </lg> </lg> <p>Brama fühlt sich natürlich durch die Liebe der Bajadere geschmeichelt; Olifur nicht so sehr und Gott und Oberrichter gerathen daher in die schlimmste Kollision. Zoloé muß hier aushelfen. Und sie thut es.</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen,</l><lb/> <l>Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,</l><lb/> <l>Sie neigt sich und biegt sich, und reicht ihm den Strauß.“</l><lb/> </lg> </lg> <p>Olifur läßt sich besänftigen. Brama wird nicht gehängt und gescheidt wie Götter sind, benutzt er den Augenblick, wo Zoloé in einem bebaldachinten Thronsessel hinweggetragen wird, um mit hinein zu springen und so aller neuen Gefahr zu entrinnen.</p> <p>Im zweiten Akte treffen wir Gott und Bajadere in der Hütte der letztern.</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.</l><lb/> <l>Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden</l><lb/> <l>Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.“</l><lb/> </lg> </lg> <p>Da treten Ninka und Fatmé, die Gespielinnen Zoloés durch die Thür der Hütte und der Unsterbliche entspinnt sofort, nach seinem unerforschlichen Rathschluße, die entsetzlichste Eifersüchtelei unter ihnen.</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Aber sie schärfer und schärfer zu prüfen,</l><lb/> <l>Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen</l><lb/> <l>Lust und Entsetzen und grimmige Pein.“</l><lb/> </lg> </lg> <p>Arme Zoloé, sie zittert, sie schluchzt. Sie springt ihre schönsten Entrechats, sie läßt ihren üppigen Körper in den reizendsten Wellenlinien dahinfließen und faltet ihre Hände zu der bittendsten Geberde. Aber Alles ist umsonst. Brama blickt nur auf Ninka und Fatmé. Lange erträgt sie's, als der Göttliche aber der Gespielinnen eine zu sich aufs Lager zieht, da reißt ihr die Geduld, wie ein angeschossenes Reh springt sie empor und mit der Majestät eines beleidigten Weibes tritt sie zwischen Gott und Fatmé und trennt sie mit weißen Händen. Die Gespielinnen entweichen und allein bleibt Zoloé mit ihrem Brama.</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier</l><lb/> <l>Bereiten den dunkeln behaglichen Schleier</l><lb/> <l>Die nächtlichen Stunden das schöne Gespinnst.“</l><lb/> </lg> </lg> <p>Brama erklärt dem schönen Kinde, daß er sie nur der Prüfung wegen geängstigt habe. Sie versöhnen sich und schon wollen sie in Kuß und Umarmung schwelgen, da weicht Hr. Scribe plötzlich sehr bedeutend von dem Goethe'schen Gedichte ab und hereintritt: „der weißbärtige Satan“ Olifur mit Tschobedaren, Wachen und Sklaven.</p> <p>Brama macht sich aus dem Staube. Zoloé wird aber für ihr früheres Entrinnen zum Tode verurtheilt und besteigt den Holzstoß, um verbrannt zu werden.</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Es singen die Priester: Wir tragen die Alten,</l><lb/> <l>Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,</l><lb/> <l>Wir tragen die Jugend, noch eh' sie's gedacht.“</l><lb/> </lg> </lg> <p>Der Holzstoß flammt und Zoloé stürzt jammernd zusammen.</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Doch der Götter-Jüngling hebet</l><lb/> <l>Aus der Flamme sich empor,</l><lb/> <l>Und in seinen Armen schwebet</l><lb/> <l>Die Geliebte mit hervor.</l><lb/> <l>Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder;</l><lb/> <l>Unsterbliche heben verlorene Kinder</l><lb/> <l>Mit feurigen Armen zum Himmel empor.“</l><lb/> </lg> </lg> <p>Der Vorhang fällt und Alles jubelt: Es lebe Zoloé, die Bayadere!</p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar137_007" type="jArticle"> <p>gemacht werden, um den Feind, welcher so viele und große Gebäude in Brand gelegt, aus den Pratergehölzen, den Nordbahngebäuden, und anderen großen Häusern, worunter auch die sechs Stockwerk hohe Dampfmehlmühle gehört, hinaus zu treiben. Dies wird eine sehr blutige Arbeit werden, und wenn unsere tapferen höchst muthigen Mobilen, Freiwilligen und Garden nicht siegen, so muß die schöne Leopoldstadt noch größeren Verwüstungen Preis gegeben und das Eindringen des rachedürstenden Feindes, durch die Wälle der innern Stadt, durch die Demolirung sämmtlicher Brücken, welche über den Donaukanal führen, zu verhindern gesucht werden.</p> <p>So eben wird mit Trommelschlag in den Vorstädten alarmirt, und alle wehrfähigen Männer aufgeboten, sich bis früh neun Uhr zu einem Hauptangriff gegen Windischgrätz und Jellachich zu rüsten. ‒ Dies beweist daß es der in der Nacht rückgekehrten Deputation nicht gelungen ist, den Kaiser zu bewegen, den Vorstellungen des Reichstages Gehör zu schenken.</p> <p>Daß die ungarische Armee mit 30,000 Mann Kerntruppen seit dem 24. d. M. sich auf österreichischem Boden befindet, und bei zweimaliger Action gegen Jellachich's und Auersperg's Truppen nicht näher an Wien rückten, sich daher zurückziehen mußte, bestätigt sich; man glaubt, daß sich das Gros der Armee mit der mittlerweile nachgerückten Reserve, die bei 20,000 Mann stark ist und am 26. schon in Wieselburg lagerte, verbinden und dann auf Jellachich's gut und stark verschanztes Lager einen Hauptangriff machen werde, was aber morgen, wenn Wien Hülfe von dieser Stelle kommen soll, geschehen mußte.</p> <p>Ueber den gestörten Postenverkehr wurden die mannigfaltigsten Vorstellungen an Minister Kraus und Wessenberg gemacht, die bis heute, wie aus dem beiliegendem Erlaß des Hofpostamts zu ersehen, bis jetzt unerledigt geblieben sind.</p> <p>Windischgrätz hat heute früh dem Gemeinderath bekannt gegeben, daß noch Vormittag der Angriff der Stadt schonungslos erfolgen werde, daß bei seinem Einzug und der Besitznahme der Stadt alle Hausthore sogleich geschlossen und diejenigen Häuser, aus welchen seinen Truppen eine feindliche Demonstration zu Theil wird, unnachsichtlich mit Demolirung und schonungsloser Plünderung bestraft werden.</p> <p>Diese Zeilen, es ist 10 Uhr, schreibe ich bereits unter heftigem Kanonendonner. ‒ Der regelmäßige Abgang der Posten soll vor einer halben Stunde beschlossen worden sein. Außer der Wiener Zeitung mit den entstellten lügenhaften Berichten der flüchtigen czechischen Reichstagsdeputirten ist keine Zeitung erschienen. Diesmal wird entschieden, ob die Freiheit und die gute Sache siegt, und damit die Habsburg-Lothringsche Dynastie zu Grabe getragen wird.</p> <p>In diesem Augenblick erläßt der türkische Botschafter, der unter allen fremden Diplomaten am längsten in Wien geblieben, und heftig und energisch gegen die Belagerung protestirte, mit seinem ganzen Gesandtschaftspersonale und den reichsten hier befindlichen türkischen Unterthanen, die hier domiciliren, unter einer starken Eskorte der berittenen Nationalgarde die Residenz, es sind 16 Wagen. ‒ Das Kanoniren wird immer stärker, ich muß auf den Sammelplatz und von da auf den Linienwall nach Mariahilf.</p> <p><hi rendition="#g">Den 28. Oktober, 8 Uhr Abends.</hi> Von 10 Uhr früh bis 7 Uhr Abends dauerte der bei allen Barrieren Wiens zu gleicher Zeit geschehene Angriff der kaiserlichen Truppen und die wirklich heldenmülhige Vertheidigung unserer Volkswehr unausgesetzt und unter dem heftigsten Kanonendonner, Kartätschen und Kleingewehrfeuer fort; in der Leopoldstadt, das ist von der Seite der Brigittenau und des Praters, die von dem Militair schon seit drei Tagen besetzt gewesen, war der Andrang am heftigsten, da auch die Straßen in dieser Gegend am besten verbarrikadirt und von den mobilen Garden gegen die andringenden Soldaten, größtentheils Böhmen und Jäger, heldenmuthig vertheidigt wurden. Die fortwährende Verstärkung, welche das Militair durch seine Reserven erhielt, mußte den Muth unserer schon 8 Stunden in unausgesetztem Kampfe stehenden Freiheitskämpfer lähmen, und da ihnen auch die Munition für die Artillerie-Geschütze mangelte, so waren sie genöthigt, sich zurückzuziehen und aus den Häusern ein gutes Tiralleurfeuer zu unterhalten, konnten aber doch nicht das weitere Vordringen des erbitterten Feindes abhalten, so daß sich derselbe gegenwärtig fast ganz im Besitze der Leopoldstadt befindet und von der inneren Stadt nur durch den Donaukanal getrennt ist. Dies war auch die Ursache, daß der General Bém den Befehl gab, die zum Rothenthurmthor führende Ferdinandsbrücke abzubrennen und die Bastionen und Stadtwälle mit vielem Geschütz zu besetzen. Von der Belvedere-Linie und der zu St. Marx, welche erstere zu den Bahnhöfen der Südbahn, letztere auf die ungarische Commerciell-Hauptstraße führt, mußten unsere Garden wegen Mangel an Artillerie-Munition ebenfalls abziehen und den Belagerern freigeben, die solche aber nur zur Vorschiebung eines deutschen Grenadier-Bataillons benutzten, was seit einer halben Stunde wieder mit einer Batterie Sechspfünder und etwas Wurfgeschütz in dem Schwarzenbergschen Sommerpalais, vor wenigen Tagen das Hauptquartier Messenhauer's, am 9. Oktober das von Auersperg gewesene, campirt. ‒ Alle übrigen Punkte der Linienwälle und Barrieren werden mit außerordentlichem Muth und Aufbietung aller dem General Bém und Messenhauser zu Gebote stehenden Mittel vertheidigt; in den Hauptstraßen der Vorstädte sind treffliche und zahlreiche Barrikaden aufgeführt, und wenn es dem Gemeinderathe nicht gelingen sollte, eine ehrenvolle Capitulation mit Windischgrätz zu Stande zu bringen, so haben wir eine grauenhafte Belagerung der inneren Stadt und einen fürchterlich blutigen Straßenkampf zu gewärtigen. ‒ Der ganze nächtliche Horizont ist von den in den Vorstädten aufwirbelnden thurmhohen Flammen geröthet. Das Feuer macht schreckliche Verheerungen, das Sturmgeläute, das wieder beginnende Kleingewehrfeuer, die Kartätschenkugeln, die dicht vor meiner Wohnung auf dem Granitpflaster platzen, zwölfpfündige Kanonenkugeln, die die Dachstühle der nebenstehenden Häuser zerschmettern, ist nicht mit Worten zu beschreiben, und wird wahrscheinlich das Grabgeläute der Habsburg-Lothringschen Dynastie sein, die sich durch diese grausame Handlungsweise für Oesterreich eben so unmöglich, wie für die Lombardei, die venetianischen Staaten und Ungarn gemacht hat. Ich bezweifle, daß Kaiser Ferdinand je mehr sein schönes Wien und die auf das Aeußerste gereizte Bevölkerung der Hauptstadt sehen wird.</p> <p>Ein Akademiker sprengt durch die Straßen und bittet nur noch 12 Stunden muthig im Kampfe auszuharren, da der Angriff der ungarischen Armee gegen Jellachich's Truppen auf 2 Seiten stattfindet, und die Husaren gewiß bald den kaiserlichen Truppen im Rücken und in die Flanke kommen werden. ‒ Dies wird den Muth unserer braven Kämpfer neuerdings beleben, obgleich diese schon so oft gehegten Hoffnungen und Erwartungen bisher immer getäuscht wurden.</p> <p>Man bringt die Nachricht, daß auf die Garden, welche bei dem auf den Bastionen der inneren Stadt aufgestellten Artilleriegeschütz die Wache halten und den Dienst versehen, aus den Häusern geschossen wird, wahrscheinlich um die an die Wälle aufstoßenden Gebäude vor dem Belagerungsgeschütz zu wahren. ‒ Diese schändliche Hinterlist und Treulosigkeit würde der reaktionären Partei, deren Zahl noch, ohngeachtet sich ein großer Theil flüchtete, bedeutend ist, den Todesstoß versetzen und eine gräßliche Metzelei herbeiführen.</p> <p>Die großen Gebäude der Gloggnitzer und Brucker Eisenbahn mit den ausgedehnten Bahnhöfen, Magazinen, mechanischen Werkstätten etc., die von unserer Volkswehr seit sechs Tagen als Vorwerk benutzt und zwölf Kanonen in treffliche Verschanzungen darin aufgeführt wurden, stehen in Flammen und wird der Aktiengesellschaft einen unersetzlichen Schaden verursachen. Der große Gasmeter in der Vorstadt Erdberg, welcher einen Theil der Vorstädte und des westlichen Stadttheiles mit Leuchtgas versieht, ist auch zerstört, daher die innere Stadt ganz in Dunkel gehüllt und die gestern schon angeordnete Beleuchtung der Fenster des ersten Stockwerkes höchst nöthig. ‒ Der Schaden der beiden Zuckerraffinerien, welche bis auf den Grund ausgebrannt sind, und von den Kroaten durch Pechkränze in Asche gelegt wurden, beträgt bei einer Mill. Gulden, wovon den jetzigen Besitzer der Mack'schen Raffinerie, in welcher große Vorräthe von raffinirtem und Rohzucker lagerten, beinahe zwei Drittel treffen. Die großen in der Nähe befindlich gewesenen Bau- und Brennholz-Vorräthe wurden auch ein Raub der Flammen und hatten einen sehr großen Werth. Nach der Versicherung der hiesigen Postbeamten wurden die sich seit drei Tagen gesammelten Briefe und Zeitungen heute früh von hier durch das Windischgrätz Lager expedirt; ob dies mit den späteren Briefen und mit der morgenden Post noch geschehen kann, bezweifle ich. Jedenfalls setze ich meine Berichte regelmäßig fort.</p> <p>Kraus und Pillersdorf haben Minister Wessenberg erklärt, daß die dem Kaiser nach Olmütz überbrachte Adresse keiner Antwort bedürfe, da der Kaiser in seinem Manifeste vom 19. Oktober ohnehin den in Wien tagenden Reichstag in allen, diese Völker-Repräsentation zustehenden Rechten anerkannt und bestätigt habe.</p> <p>Außer Eier und Milch fühlt Wien noch kein wesentliches Bedürfniß an Lebensmitteln. Frisches Fleisch wird noch für acht Tage genügen, mittlerweile wird sich doch wieder Alles geordnet haben. Zeitungen und Flugschriften erscheinen keine. Diejenigen Offizinen, welche noch Papier und Personal haben, fürchten die Diktatur und Strenge von Windischgrätz.</p> <p><hi rendition="#g">Den 29. Okt., Mittags 12 Uhr.</hi> Noch immer kann man über die Absichten und Beschlüsse, welche Windischgrätz über das Schicksal Wiens verhängt, nichts Gewisses erfahren. Um 9 Uhr wurde von dem Gemeinderath eine Deputation von sechs Mitgliedern in das Hauptquartier des Fürsten abgesandt, um mit demselben über die Besetzung der Stadt und die dafür zu bestimmende Garnison zu kapituliren; ob diese Mission von wünschenswerthem Erfolg sein wird, bezweifelt man, da sich der Feldmarschall seit gestern Abend im fast ausschließlichen Besitz der großen Vorstädte Landstraße, Wieden und Leopoldstadt befindet, und seine Soldaten, bestehend aus deutschen, italienischen, böhmischen und kroatischen Truppen, darin vertheilt hat. „Die Deputation erklärte sich im Namen der akademischen Legion mit deren Auflösung, ebenso wie mit der Entwaffnung der Arbeitsleute, mobilen Garde und des Proletariats, einverstanden, wollen die Wiener Kasernirung und Verpflegung von 12,000 Mann deutschen Militärs übernehmen, verweigern aber die Auslieferung der bezeichneten Geißel um so mehr, da General Bém kein polnischer Emissär sei und sich nicht unberufen in die Wiener Angelegenheiten eingemischt habe, sondern in Lemberg geboren, in der dortigen Nationalgarde eingereiht und von den hiesigen Behörden zur Vertheidigung der Stadt Wien aufgefordert wurde, auch sei es den Völker- und Menschenrechten nach den jetzigen Begriffen der Freiheit ganz zuwider, in einem civilisirten Staate Geißel zu geben oder zu fordern. ‒Der ungarische Staatssekretär Pulsky habe schon seit acht Tagen Wien verlassen, Dr. Schütte habe erst gestern die Erklärung gegeben, daß er sich zu jeder Zeit, wenn es der Gemeinderath für nöthig erachte, zu seiner Verfügung stellen werde, indem er sich gar nichts zu Schulden kommen ließ. Die Entwaffnung der Garden und ihre Reorganisirung könnte der Gemeinderath durchaus nicht zusichern, eben so unbillig wäre es, die Freiheit der Presse auf eine so strenge Weise zu beschränken, und diese letzte Anforderung allein könnte die größten und traurigsten Folgen herbeiführen und die ohnehin für eine Revolution sich zeigenden Elemente in volle Gährung bringen. “ Die kaiserlichen Truppen haben in dem Schwarzenbergischen Palais zwei Batterien Kanonen aufgeführt, ihre Vorposten ziemlich weit ausgestellt und beobachten die größte Strenge gegen die ihre Posten passirenden Menschen. Seit heute früh wurden drei Personen, die in Gardeuniform und bewaffnet in die Nähe kamen, erschossen und erstochen; 5 bis 6 Personen, die etwas Pulver und Blei bei sich hatten, gefänglich eingezogen. Diese Soldatenwillkhür und Grausamkeit ist auf der Vorstadt Landstraße, wo die kaiserlichen Truppen in dem neuen Zollgebäude kampiren, noch hervortretender; es wird von den Kroaten geplündert und gemordet.</p> <p><hi rendition="#g">Nachmittags 6 Uhr.</hi> Große Quantitäten Waffen, besonders von den Garden und Proletariern der Vorstädte Leopoldstadt, Landstraße und Wieden werden auf den verschiedenen Sammelplätzen der Volkswehr abgelegt, durch die Aufsteckung der weißen Fahne, welche zuerst an den Gebäuden des Polytechnikums sichtbar gewesen, wurde das Signal gegeben, in den meisten Häusern der genannten Vorstädte ein Gleiches zu thun, während die übrigen Barrieren, besonders die von Mariahilf, Lerchenfeld, Hernals, Nußdorf sich um 5 Uhr noch heftig vertheidigten und das Eindringen der Soldaten muthig zurückschlugen; in diesen großen Bezirken wurde die rothe Fahne aus sehr vielen Häusern ausgesteckt; und deren Vertrauensmänner, welche nach dem dringenden Aufruf des Ober-Kommandanten, sich um vier Uhr zur Abgebung ihrer unumschränkten Vollmacht, ob die Stadt kapituliren oder den Kampf fortsetzen soll, einfinden sollten, haben gegen die Uebergabe der Stadt Protest eingelegt, und es ist bis jetzt unentschieden, ob sich die Mehrzahl der Stimmen für die Uebergabe der Stadt oder für die Vertheidigung derselben ausgesprochen hat.</p> <p>Bei der Hernalser Linie beginnt seit einer Viertelstunde abermals eine heftige Kanonade. Die Besatzung des Schwarzenberg'schen Palastes hat nun 18 Feuerschlünde gegen die innere Stadt gerichtet, noch ein paar Tausend Soldaten an sich gezogen und alle Straßen in der nächsten Umgebung des Lagers abgesperrt. Mit banger Erwartung sieht Alles der Mitternachtsstunde entgegen, kömmt es zu einem Bombardement der innern Stadt, so muß der Schaden, der dadurch herbeigeführt wird, ein unermeßlicher werden.</p> <p>In der Nacht vom 28. auf den 29. October kam die vom Reichstag nach Ollmütz gesandte Deputation, an deren Spitze sich Pillersdorf befand, zurück; nach vielem Drängen und Vorstellungen bei Wessenberg und Lobkowitz konnten die Deputirten die Adresse des Reichstags dem Kaiser übergeben. Pillersdorf stellte in den beredtesten Worten den schrecklichen Zustand, in welchem sich die Hauptstadt des Reiches befinde, vor, der Kaiser hörte diese Vorstellung, die alle Anwesenden zu Thränen rührte, theimahmslos an und verlas von einem Blatt Papier, welches er aus der Tasche zog, „daß sein Feldmarschall, Fürst Windischgrätz, mit unbeschränkten Vollmachten versehen, nichts verabsäumen werde, um die in Wien ausgebrochene Anarchie zu dämpfen, Ruhe und Ordnung in der empörten Stadt herzustellen und das Eigenthum des rechtlich- und gutgesinnten Bürgers zu schützen. Er habe diese wichtigen Befehle in die Hände des Fürsten gelegt, da er sich überzeugt halte, daß der Feldmarschall nur im äußersten Nothfalle seine Zuflucht zu strengen Maßregeln nehmen werde, und erwarte von allen in Wien noch anwesenden und ausübenden Behörden, daß sie in diesen guten und loyalen Absichten, die nur das Glück und das Wohl seiner Völker fördern sollen, den Fürsten kräftig unterstützen werden. ‒ Ueber die weiters vorgetragene Bitte, den Reichstag in Wien forttagen zu lassen, werde die Deputation ehestens eine schriftliche Antwort erhalten. Von den am 19. October in seinem Manifeste diesfalls gemachten Zugeständnissen müßte es sein Abkommen haben, da seine wohlwollenden und väterlichen Gesinnungen, die er darin ausgesprochen ‒ offenbar nicht beachtet worden und er dadurch genöthigt sei, andere Maßregeln vorzuschreiben.“</p> <p>Welche Aufregung und welcher Grad der Erbitterung gegen den Kaiser, seine Umgebung und alle in seiner Nähe befindlichen Rathgebern nun unter der hiesigen Bevölkerung herrscht, ist nicht mit Worten zu schildern, dies muß man sehen und hören, ‒ auf die Stimmung der Provinzen und des Auslandes ist man hier im höchsten Grade gespannt.</p> <p><hi rendition="#g">30sten October. Vormittags 11 Uhr.</hi>Die Aufregung, welche seit einer Stunde, wo die Nachricht auf die Aula kam, daß das ungarische Heer mit bedeutenden Streitkräften ganz nahe bei Wien sei ‒ in allen Klassen der Bevölkerung herrscht, ist nicht zu schildern. Alles, was noch unbewaffnet war, oder in vorzeitiger Angst die Schießgewehre gestern Nachmittag abgegeben, strömt nach Waffen in das Zeughaus und in die verschiedenen Bezirke der Vorstadt. Allarm und Sturmgeläute in der Stadt und denen noch von Truppen unbesetzten Vorstädten. Schon hört man Kanonendonner an der Hernalser und Mariahilfer Linie die Offiziere können die auf den Wällen der Stadt befindlichen Mobilen und Nationalgarden mit Mühe zurückhalten, das Geschütz auf die beim Schwarzenberg'schen Palais gelagerten, sich immer mehr verschanzenden Truppen spielen zu lassen, und auf das 1000 Schritte von der Stadt entfernte Lager einen Ausfall zu machen. Eben sehe ich vom Fenster bei 80 bewaffnete Mädchen und Weiber, von einem kräftigen starken Mann angeführt, die Wachen beziehen und die dort befindlichen Garden für den äußern Dienst abzulösen und mobil zu machen. Von der Hernalser Linie wird der Bericht erstattet, daß die auf dem Linienwall gewesenen Reserven der Mobilen und der bewaffneten Arbeiter einen Ausfall gemacht habe, bei welchem die Belagerer eine halbe Stunde vor der Barriere der Alservorstadt zurückgedrängt und ein Hauptmann mit 16 Jägern gefangen genommen wurden. Eben so tampfer vertheidigt sich die an der Mariahilfer Linie aufgestellte Mannschaft. Was jetzt mit den bereits abgeschlossenen Kapitulationsbedingungen, nach welchen die Stadt an Windischgrätz zu übergeben ist, geschehen wird, mag Gott wissen. Die Aufregung in der innern Stadt wird immer größer, vorzüglich unter dem bewaffneten Proletariat und den Arbeitern, welche von Verrath, den der Gemeinderath und der Oberkommandant begangen, schreien und die Verräther mit dem Strange bedrohen. Es ist nicht möglich, daß ich meinen heutigen Bericht weiter fortsetze, da vom Oberkommandanten die Nachricht gegeben wird, daß nach den Beobachtungen vom St. Stephansthurme der Kampf mit der ungarischen Armee, zwei Stunden von Wien entfernt, begonnen hat, wodurch die Kampfbegierde und die Erbitterung gegen Windischgrätz den höchsten Grad erreicht. Die gestern bei den meisten Häusern ausgesteckten weißen Friedenzeichen mußten in der Stadt und den Vorstädten augenblicklich eingezogen werden, wo es nicht geschah, wurden die Fenster zertrümmert; wer waffenfähig ist und sich mit einem Cylinder (französischer Hut) auf der Straße blicken läßt, wird insultirt und unter die bewaffnete Menge gesteckt und mit fortgeschleppt.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0698/0002]
Fragen durch die Sprache der Augen antwortet, der Hände und der reizenden Beine.
Olifur fühlt sich zu Zoloén hingezogen. Aber wie es alten Leuten leider oft zu gehen pflegt, findet er die Schöne bereits anderweitig engagirt. Ja, wahrhaftig, Zoloé liebt Niemand anders als Brama, den Gott, der sich gerad inkognito auf der Erde herumtreibt und eben mit den übrigen Bajaderen herzutritt.
„Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,
Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,
Verläßt er sie Abends, um weiter zu gehn.“
Brama fühlt sich natürlich durch die Liebe der Bajadere geschmeichelt; Olifur nicht so sehr und Gott und Oberrichter gerathen daher in die schlimmste Kollision. Zoloé muß hier aushelfen. Und sie thut es.
„Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen,
Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,
Sie neigt sich und biegt sich, und reicht ihm den Strauß.“
Olifur läßt sich besänftigen. Brama wird nicht gehängt und gescheidt wie Götter sind, benutzt er den Augenblick, wo Zoloé in einem bebaldachinten Thronsessel hinweggetragen wird, um mit hinein zu springen und so aller neuen Gefahr zu entrinnen.
Im zweiten Akte treffen wir Gott und Bajadere in der Hütte der letztern.
„Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.
Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden
Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.“
Da treten Ninka und Fatmé, die Gespielinnen Zoloés durch die Thür der Hütte und der Unsterbliche entspinnt sofort, nach seinem unerforschlichen Rathschluße, die entsetzlichste Eifersüchtelei unter ihnen.
„Aber sie schärfer und schärfer zu prüfen,
Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen
Lust und Entsetzen und grimmige Pein.“
Arme Zoloé, sie zittert, sie schluchzt. Sie springt ihre schönsten Entrechats, sie läßt ihren üppigen Körper in den reizendsten Wellenlinien dahinfließen und faltet ihre Hände zu der bittendsten Geberde. Aber Alles ist umsonst. Brama blickt nur auf Ninka und Fatmé. Lange erträgt sie's, als der Göttliche aber der Gespielinnen eine zu sich aufs Lager zieht, da reißt ihr die Geduld, wie ein angeschossenes Reh springt sie empor und mit der Majestät eines beleidigten Weibes tritt sie zwischen Gott und Fatmé und trennt sie mit weißen Händen. Die Gespielinnen entweichen und allein bleibt Zoloé mit ihrem Brama.
„Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier
Bereiten den dunkeln behaglichen Schleier
Die nächtlichen Stunden das schöne Gespinnst.“
Brama erklärt dem schönen Kinde, daß er sie nur der Prüfung wegen geängstigt habe. Sie versöhnen sich und schon wollen sie in Kuß und Umarmung schwelgen, da weicht Hr. Scribe plötzlich sehr bedeutend von dem Goethe'schen Gedichte ab und hereintritt: „der weißbärtige Satan“ Olifur mit Tschobedaren, Wachen und Sklaven.
Brama macht sich aus dem Staube. Zoloé wird aber für ihr früheres Entrinnen zum Tode verurtheilt und besteigt den Holzstoß, um verbrannt zu werden.
„Es singen die Priester: Wir tragen die Alten,
Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,
Wir tragen die Jugend, noch eh' sie's gedacht.“
Der Holzstoß flammt und Zoloé stürzt jammernd zusammen.
„Doch der Götter-Jüngling hebet
Aus der Flamme sich empor,
Und in seinen Armen schwebet
Die Geliebte mit hervor.
Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder;
Unsterbliche heben verlorene Kinder
Mit feurigen Armen zum Himmel empor.“
Der Vorhang fällt und Alles jubelt: Es lebe Zoloé, die Bayadere!
[Deutschland] gemacht werden, um den Feind, welcher so viele und große Gebäude in Brand gelegt, aus den Pratergehölzen, den Nordbahngebäuden, und anderen großen Häusern, worunter auch die sechs Stockwerk hohe Dampfmehlmühle gehört, hinaus zu treiben. Dies wird eine sehr blutige Arbeit werden, und wenn unsere tapferen höchst muthigen Mobilen, Freiwilligen und Garden nicht siegen, so muß die schöne Leopoldstadt noch größeren Verwüstungen Preis gegeben und das Eindringen des rachedürstenden Feindes, durch die Wälle der innern Stadt, durch die Demolirung sämmtlicher Brücken, welche über den Donaukanal führen, zu verhindern gesucht werden.
So eben wird mit Trommelschlag in den Vorstädten alarmirt, und alle wehrfähigen Männer aufgeboten, sich bis früh neun Uhr zu einem Hauptangriff gegen Windischgrätz und Jellachich zu rüsten. ‒ Dies beweist daß es der in der Nacht rückgekehrten Deputation nicht gelungen ist, den Kaiser zu bewegen, den Vorstellungen des Reichstages Gehör zu schenken.
Daß die ungarische Armee mit 30,000 Mann Kerntruppen seit dem 24. d. M. sich auf österreichischem Boden befindet, und bei zweimaliger Action gegen Jellachich's und Auersperg's Truppen nicht näher an Wien rückten, sich daher zurückziehen mußte, bestätigt sich; man glaubt, daß sich das Gros der Armee mit der mittlerweile nachgerückten Reserve, die bei 20,000 Mann stark ist und am 26. schon in Wieselburg lagerte, verbinden und dann auf Jellachich's gut und stark verschanztes Lager einen Hauptangriff machen werde, was aber morgen, wenn Wien Hülfe von dieser Stelle kommen soll, geschehen mußte.
Ueber den gestörten Postenverkehr wurden die mannigfaltigsten Vorstellungen an Minister Kraus und Wessenberg gemacht, die bis heute, wie aus dem beiliegendem Erlaß des Hofpostamts zu ersehen, bis jetzt unerledigt geblieben sind.
Windischgrätz hat heute früh dem Gemeinderath bekannt gegeben, daß noch Vormittag der Angriff der Stadt schonungslos erfolgen werde, daß bei seinem Einzug und der Besitznahme der Stadt alle Hausthore sogleich geschlossen und diejenigen Häuser, aus welchen seinen Truppen eine feindliche Demonstration zu Theil wird, unnachsichtlich mit Demolirung und schonungsloser Plünderung bestraft werden.
Diese Zeilen, es ist 10 Uhr, schreibe ich bereits unter heftigem Kanonendonner. ‒ Der regelmäßige Abgang der Posten soll vor einer halben Stunde beschlossen worden sein. Außer der Wiener Zeitung mit den entstellten lügenhaften Berichten der flüchtigen czechischen Reichstagsdeputirten ist keine Zeitung erschienen. Diesmal wird entschieden, ob die Freiheit und die gute Sache siegt, und damit die Habsburg-Lothringsche Dynastie zu Grabe getragen wird.
In diesem Augenblick erläßt der türkische Botschafter, der unter allen fremden Diplomaten am längsten in Wien geblieben, und heftig und energisch gegen die Belagerung protestirte, mit seinem ganzen Gesandtschaftspersonale und den reichsten hier befindlichen türkischen Unterthanen, die hier domiciliren, unter einer starken Eskorte der berittenen Nationalgarde die Residenz, es sind 16 Wagen. ‒ Das Kanoniren wird immer stärker, ich muß auf den Sammelplatz und von da auf den Linienwall nach Mariahilf.
Den 28. Oktober, 8 Uhr Abends. Von 10 Uhr früh bis 7 Uhr Abends dauerte der bei allen Barrieren Wiens zu gleicher Zeit geschehene Angriff der kaiserlichen Truppen und die wirklich heldenmülhige Vertheidigung unserer Volkswehr unausgesetzt und unter dem heftigsten Kanonendonner, Kartätschen und Kleingewehrfeuer fort; in der Leopoldstadt, das ist von der Seite der Brigittenau und des Praters, die von dem Militair schon seit drei Tagen besetzt gewesen, war der Andrang am heftigsten, da auch die Straßen in dieser Gegend am besten verbarrikadirt und von den mobilen Garden gegen die andringenden Soldaten, größtentheils Böhmen und Jäger, heldenmuthig vertheidigt wurden. Die fortwährende Verstärkung, welche das Militair durch seine Reserven erhielt, mußte den Muth unserer schon 8 Stunden in unausgesetztem Kampfe stehenden Freiheitskämpfer lähmen, und da ihnen auch die Munition für die Artillerie-Geschütze mangelte, so waren sie genöthigt, sich zurückzuziehen und aus den Häusern ein gutes Tiralleurfeuer zu unterhalten, konnten aber doch nicht das weitere Vordringen des erbitterten Feindes abhalten, so daß sich derselbe gegenwärtig fast ganz im Besitze der Leopoldstadt befindet und von der inneren Stadt nur durch den Donaukanal getrennt ist. Dies war auch die Ursache, daß der General Bém den Befehl gab, die zum Rothenthurmthor führende Ferdinandsbrücke abzubrennen und die Bastionen und Stadtwälle mit vielem Geschütz zu besetzen. Von der Belvedere-Linie und der zu St. Marx, welche erstere zu den Bahnhöfen der Südbahn, letztere auf die ungarische Commerciell-Hauptstraße führt, mußten unsere Garden wegen Mangel an Artillerie-Munition ebenfalls abziehen und den Belagerern freigeben, die solche aber nur zur Vorschiebung eines deutschen Grenadier-Bataillons benutzten, was seit einer halben Stunde wieder mit einer Batterie Sechspfünder und etwas Wurfgeschütz in dem Schwarzenbergschen Sommerpalais, vor wenigen Tagen das Hauptquartier Messenhauer's, am 9. Oktober das von Auersperg gewesene, campirt. ‒ Alle übrigen Punkte der Linienwälle und Barrieren werden mit außerordentlichem Muth und Aufbietung aller dem General Bém und Messenhauser zu Gebote stehenden Mittel vertheidigt; in den Hauptstraßen der Vorstädte sind treffliche und zahlreiche Barrikaden aufgeführt, und wenn es dem Gemeinderathe nicht gelingen sollte, eine ehrenvolle Capitulation mit Windischgrätz zu Stande zu bringen, so haben wir eine grauenhafte Belagerung der inneren Stadt und einen fürchterlich blutigen Straßenkampf zu gewärtigen. ‒ Der ganze nächtliche Horizont ist von den in den Vorstädten aufwirbelnden thurmhohen Flammen geröthet. Das Feuer macht schreckliche Verheerungen, das Sturmgeläute, das wieder beginnende Kleingewehrfeuer, die Kartätschenkugeln, die dicht vor meiner Wohnung auf dem Granitpflaster platzen, zwölfpfündige Kanonenkugeln, die die Dachstühle der nebenstehenden Häuser zerschmettern, ist nicht mit Worten zu beschreiben, und wird wahrscheinlich das Grabgeläute der Habsburg-Lothringschen Dynastie sein, die sich durch diese grausame Handlungsweise für Oesterreich eben so unmöglich, wie für die Lombardei, die venetianischen Staaten und Ungarn gemacht hat. Ich bezweifle, daß Kaiser Ferdinand je mehr sein schönes Wien und die auf das Aeußerste gereizte Bevölkerung der Hauptstadt sehen wird.
Ein Akademiker sprengt durch die Straßen und bittet nur noch 12 Stunden muthig im Kampfe auszuharren, da der Angriff der ungarischen Armee gegen Jellachich's Truppen auf 2 Seiten stattfindet, und die Husaren gewiß bald den kaiserlichen Truppen im Rücken und in die Flanke kommen werden. ‒ Dies wird den Muth unserer braven Kämpfer neuerdings beleben, obgleich diese schon so oft gehegten Hoffnungen und Erwartungen bisher immer getäuscht wurden.
Man bringt die Nachricht, daß auf die Garden, welche bei dem auf den Bastionen der inneren Stadt aufgestellten Artilleriegeschütz die Wache halten und den Dienst versehen, aus den Häusern geschossen wird, wahrscheinlich um die an die Wälle aufstoßenden Gebäude vor dem Belagerungsgeschütz zu wahren. ‒ Diese schändliche Hinterlist und Treulosigkeit würde der reaktionären Partei, deren Zahl noch, ohngeachtet sich ein großer Theil flüchtete, bedeutend ist, den Todesstoß versetzen und eine gräßliche Metzelei herbeiführen.
Die großen Gebäude der Gloggnitzer und Brucker Eisenbahn mit den ausgedehnten Bahnhöfen, Magazinen, mechanischen Werkstätten etc., die von unserer Volkswehr seit sechs Tagen als Vorwerk benutzt und zwölf Kanonen in treffliche Verschanzungen darin aufgeführt wurden, stehen in Flammen und wird der Aktiengesellschaft einen unersetzlichen Schaden verursachen. Der große Gasmeter in der Vorstadt Erdberg, welcher einen Theil der Vorstädte und des westlichen Stadttheiles mit Leuchtgas versieht, ist auch zerstört, daher die innere Stadt ganz in Dunkel gehüllt und die gestern schon angeordnete Beleuchtung der Fenster des ersten Stockwerkes höchst nöthig. ‒ Der Schaden der beiden Zuckerraffinerien, welche bis auf den Grund ausgebrannt sind, und von den Kroaten durch Pechkränze in Asche gelegt wurden, beträgt bei einer Mill. Gulden, wovon den jetzigen Besitzer der Mack'schen Raffinerie, in welcher große Vorräthe von raffinirtem und Rohzucker lagerten, beinahe zwei Drittel treffen. Die großen in der Nähe befindlich gewesenen Bau- und Brennholz-Vorräthe wurden auch ein Raub der Flammen und hatten einen sehr großen Werth. Nach der Versicherung der hiesigen Postbeamten wurden die sich seit drei Tagen gesammelten Briefe und Zeitungen heute früh von hier durch das Windischgrätz Lager expedirt; ob dies mit den späteren Briefen und mit der morgenden Post noch geschehen kann, bezweifle ich. Jedenfalls setze ich meine Berichte regelmäßig fort.
Kraus und Pillersdorf haben Minister Wessenberg erklärt, daß die dem Kaiser nach Olmütz überbrachte Adresse keiner Antwort bedürfe, da der Kaiser in seinem Manifeste vom 19. Oktober ohnehin den in Wien tagenden Reichstag in allen, diese Völker-Repräsentation zustehenden Rechten anerkannt und bestätigt habe.
Außer Eier und Milch fühlt Wien noch kein wesentliches Bedürfniß an Lebensmitteln. Frisches Fleisch wird noch für acht Tage genügen, mittlerweile wird sich doch wieder Alles geordnet haben. Zeitungen und Flugschriften erscheinen keine. Diejenigen Offizinen, welche noch Papier und Personal haben, fürchten die Diktatur und Strenge von Windischgrätz.
Den 29. Okt., Mittags 12 Uhr. Noch immer kann man über die Absichten und Beschlüsse, welche Windischgrätz über das Schicksal Wiens verhängt, nichts Gewisses erfahren. Um 9 Uhr wurde von dem Gemeinderath eine Deputation von sechs Mitgliedern in das Hauptquartier des Fürsten abgesandt, um mit demselben über die Besetzung der Stadt und die dafür zu bestimmende Garnison zu kapituliren; ob diese Mission von wünschenswerthem Erfolg sein wird, bezweifelt man, da sich der Feldmarschall seit gestern Abend im fast ausschließlichen Besitz der großen Vorstädte Landstraße, Wieden und Leopoldstadt befindet, und seine Soldaten, bestehend aus deutschen, italienischen, böhmischen und kroatischen Truppen, darin vertheilt hat. „Die Deputation erklärte sich im Namen der akademischen Legion mit deren Auflösung, ebenso wie mit der Entwaffnung der Arbeitsleute, mobilen Garde und des Proletariats, einverstanden, wollen die Wiener Kasernirung und Verpflegung von 12,000 Mann deutschen Militärs übernehmen, verweigern aber die Auslieferung der bezeichneten Geißel um so mehr, da General Bém kein polnischer Emissär sei und sich nicht unberufen in die Wiener Angelegenheiten eingemischt habe, sondern in Lemberg geboren, in der dortigen Nationalgarde eingereiht und von den hiesigen Behörden zur Vertheidigung der Stadt Wien aufgefordert wurde, auch sei es den Völker- und Menschenrechten nach den jetzigen Begriffen der Freiheit ganz zuwider, in einem civilisirten Staate Geißel zu geben oder zu fordern. ‒Der ungarische Staatssekretär Pulsky habe schon seit acht Tagen Wien verlassen, Dr. Schütte habe erst gestern die Erklärung gegeben, daß er sich zu jeder Zeit, wenn es der Gemeinderath für nöthig erachte, zu seiner Verfügung stellen werde, indem er sich gar nichts zu Schulden kommen ließ. Die Entwaffnung der Garden und ihre Reorganisirung könnte der Gemeinderath durchaus nicht zusichern, eben so unbillig wäre es, die Freiheit der Presse auf eine so strenge Weise zu beschränken, und diese letzte Anforderung allein könnte die größten und traurigsten Folgen herbeiführen und die ohnehin für eine Revolution sich zeigenden Elemente in volle Gährung bringen. “ Die kaiserlichen Truppen haben in dem Schwarzenbergischen Palais zwei Batterien Kanonen aufgeführt, ihre Vorposten ziemlich weit ausgestellt und beobachten die größte Strenge gegen die ihre Posten passirenden Menschen. Seit heute früh wurden drei Personen, die in Gardeuniform und bewaffnet in die Nähe kamen, erschossen und erstochen; 5 bis 6 Personen, die etwas Pulver und Blei bei sich hatten, gefänglich eingezogen. Diese Soldatenwillkhür und Grausamkeit ist auf der Vorstadt Landstraße, wo die kaiserlichen Truppen in dem neuen Zollgebäude kampiren, noch hervortretender; es wird von den Kroaten geplündert und gemordet.
Nachmittags 6 Uhr. Große Quantitäten Waffen, besonders von den Garden und Proletariern der Vorstädte Leopoldstadt, Landstraße und Wieden werden auf den verschiedenen Sammelplätzen der Volkswehr abgelegt, durch die Aufsteckung der weißen Fahne, welche zuerst an den Gebäuden des Polytechnikums sichtbar gewesen, wurde das Signal gegeben, in den meisten Häusern der genannten Vorstädte ein Gleiches zu thun, während die übrigen Barrieren, besonders die von Mariahilf, Lerchenfeld, Hernals, Nußdorf sich um 5 Uhr noch heftig vertheidigten und das Eindringen der Soldaten muthig zurückschlugen; in diesen großen Bezirken wurde die rothe Fahne aus sehr vielen Häusern ausgesteckt; und deren Vertrauensmänner, welche nach dem dringenden Aufruf des Ober-Kommandanten, sich um vier Uhr zur Abgebung ihrer unumschränkten Vollmacht, ob die Stadt kapituliren oder den Kampf fortsetzen soll, einfinden sollten, haben gegen die Uebergabe der Stadt Protest eingelegt, und es ist bis jetzt unentschieden, ob sich die Mehrzahl der Stimmen für die Uebergabe der Stadt oder für die Vertheidigung derselben ausgesprochen hat.
Bei der Hernalser Linie beginnt seit einer Viertelstunde abermals eine heftige Kanonade. Die Besatzung des Schwarzenberg'schen Palastes hat nun 18 Feuerschlünde gegen die innere Stadt gerichtet, noch ein paar Tausend Soldaten an sich gezogen und alle Straßen in der nächsten Umgebung des Lagers abgesperrt. Mit banger Erwartung sieht Alles der Mitternachtsstunde entgegen, kömmt es zu einem Bombardement der innern Stadt, so muß der Schaden, der dadurch herbeigeführt wird, ein unermeßlicher werden.
In der Nacht vom 28. auf den 29. October kam die vom Reichstag nach Ollmütz gesandte Deputation, an deren Spitze sich Pillersdorf befand, zurück; nach vielem Drängen und Vorstellungen bei Wessenberg und Lobkowitz konnten die Deputirten die Adresse des Reichstags dem Kaiser übergeben. Pillersdorf stellte in den beredtesten Worten den schrecklichen Zustand, in welchem sich die Hauptstadt des Reiches befinde, vor, der Kaiser hörte diese Vorstellung, die alle Anwesenden zu Thränen rührte, theimahmslos an und verlas von einem Blatt Papier, welches er aus der Tasche zog, „daß sein Feldmarschall, Fürst Windischgrätz, mit unbeschränkten Vollmachten versehen, nichts verabsäumen werde, um die in Wien ausgebrochene Anarchie zu dämpfen, Ruhe und Ordnung in der empörten Stadt herzustellen und das Eigenthum des rechtlich- und gutgesinnten Bürgers zu schützen. Er habe diese wichtigen Befehle in die Hände des Fürsten gelegt, da er sich überzeugt halte, daß der Feldmarschall nur im äußersten Nothfalle seine Zuflucht zu strengen Maßregeln nehmen werde, und erwarte von allen in Wien noch anwesenden und ausübenden Behörden, daß sie in diesen guten und loyalen Absichten, die nur das Glück und das Wohl seiner Völker fördern sollen, den Fürsten kräftig unterstützen werden. ‒ Ueber die weiters vorgetragene Bitte, den Reichstag in Wien forttagen zu lassen, werde die Deputation ehestens eine schriftliche Antwort erhalten. Von den am 19. October in seinem Manifeste diesfalls gemachten Zugeständnissen müßte es sein Abkommen haben, da seine wohlwollenden und väterlichen Gesinnungen, die er darin ausgesprochen ‒ offenbar nicht beachtet worden und er dadurch genöthigt sei, andere Maßregeln vorzuschreiben.“
Welche Aufregung und welcher Grad der Erbitterung gegen den Kaiser, seine Umgebung und alle in seiner Nähe befindlichen Rathgebern nun unter der hiesigen Bevölkerung herrscht, ist nicht mit Worten zu schildern, dies muß man sehen und hören, ‒ auf die Stimmung der Provinzen und des Auslandes ist man hier im höchsten Grade gespannt.
30sten October. Vormittags 11 Uhr.Die Aufregung, welche seit einer Stunde, wo die Nachricht auf die Aula kam, daß das ungarische Heer mit bedeutenden Streitkräften ganz nahe bei Wien sei ‒ in allen Klassen der Bevölkerung herrscht, ist nicht zu schildern. Alles, was noch unbewaffnet war, oder in vorzeitiger Angst die Schießgewehre gestern Nachmittag abgegeben, strömt nach Waffen in das Zeughaus und in die verschiedenen Bezirke der Vorstadt. Allarm und Sturmgeläute in der Stadt und denen noch von Truppen unbesetzten Vorstädten. Schon hört man Kanonendonner an der Hernalser und Mariahilfer Linie die Offiziere können die auf den Wällen der Stadt befindlichen Mobilen und Nationalgarden mit Mühe zurückhalten, das Geschütz auf die beim Schwarzenberg'schen Palais gelagerten, sich immer mehr verschanzenden Truppen spielen zu lassen, und auf das 1000 Schritte von der Stadt entfernte Lager einen Ausfall zu machen. Eben sehe ich vom Fenster bei 80 bewaffnete Mädchen und Weiber, von einem kräftigen starken Mann angeführt, die Wachen beziehen und die dort befindlichen Garden für den äußern Dienst abzulösen und mobil zu machen. Von der Hernalser Linie wird der Bericht erstattet, daß die auf dem Linienwall gewesenen Reserven der Mobilen und der bewaffneten Arbeiter einen Ausfall gemacht habe, bei welchem die Belagerer eine halbe Stunde vor der Barriere der Alservorstadt zurückgedrängt und ein Hauptmann mit 16 Jägern gefangen genommen wurden. Eben so tampfer vertheidigt sich die an der Mariahilfer Linie aufgestellte Mannschaft. Was jetzt mit den bereits abgeschlossenen Kapitulationsbedingungen, nach welchen die Stadt an Windischgrätz zu übergeben ist, geschehen wird, mag Gott wissen. Die Aufregung in der innern Stadt wird immer größer, vorzüglich unter dem bewaffneten Proletariat und den Arbeitern, welche von Verrath, den der Gemeinderath und der Oberkommandant begangen, schreien und die Verräther mit dem Strange bedrohen. Es ist nicht möglich, daß ich meinen heutigen Bericht weiter fortsetze, da vom Oberkommandanten die Nachricht gegeben wird, daß nach den Beobachtungen vom St. Stephansthurme der Kampf mit der ungarischen Armee, zwei Stunden von Wien entfernt, begonnen hat, wodurch die Kampfbegierde und die Erbitterung gegen Windischgrätz den höchsten Grad erreicht. Die gestern bei den meisten Häusern ausgesteckten weißen Friedenzeichen mußten in der Stadt und den Vorstädten augenblicklich eingezogen werden, wo es nicht geschah, wurden die Fenster zertrümmert; wer waffenfähig ist und sich mit einem Cylinder (französischer Hut) auf der Straße blicken läßt, wird insultirt und unter die bewaffnete Menge gesteckt und mit fortgeschleppt.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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