Neue Rheinische Zeitung. Nr. 132. Köln, 2. November 1848.Auf solche Weise erklärt der Hr. Regierungspräsident den brutalen Exzeß eines durch falsche Einreden irregeleiteten, fanatisirten Haufens! Elbing genießt gegenwärtig unter dem Schutze von Bajonetten und Spitzkugeln Ruhe. Doch wagen es nur Wenige, eine deutsche Kokarde zu tragen. Wer es thut, wird auf der Straße und aus den Fenstern gehöhnt. Ja, man erzählt sich, das Volk habe es darauf abgesehen, drei der Bedeutenderen unter den Freisinnigen bei Nacht und Nebel zu überfallen und zu erschlagen, als Revanche für - - Latour!! Unter solchen Umständen glauben, die Feindschaft gegen die freie Richtung der neuen Zeit habe im Volke selbst seinen Ursprung - ist nur ein Regierungspräsident der alten Zeit im Stande, der mit der gleichen Feindschaft im Herzen den Ort des Verbrechens betritt. (Nat. Z.) 15 Berlin, 30. Okt. In der gestrigen Abendsitzung des "demokratischen Kongresses" wird ein von A. Ruge verfaßter "Aufruf an das deutsche Volk" trotz oder vielleicht wegen seiner matten Inhaltslosigkeit fast einstimmig angenommen. Der Hauptgrund zum Accept dieses von A. Ruge auf das deutsche Volk gezogenen Wechsels war - man errathe! - daß der Aufruf bereits unter der Presse sich befinde. Schrecklich, aber wahr. Eine Reihe mehr oder minder umfangreicher Austrittserklärungen liegt vor. Nach längerer Debatte wird der Antrag gestellt, solche Erklärungen nicht mehr zum Vortrage bringen zu lassen. Ein Redner erklärt dies für Terrorismus und hielt über diesen erquicklichen Gegendstand ein langes und langweiliges Deklamatorium, häufig unterbrochen durch "Bravo," "Klatschen" und Rufen nach "Schluß." Nachdem dieser Redner geendet, legt Vizepräsident Asch in sittlicher Entrüstung sein Amt nieder und erklärt seinen Austritt aus der Versammlung. Ihm folgen die schlesischen Deputirten Hoyoll und Engelmann. Der Antragsteller bemerkt, es sei Terrorismus gegen die Versammlung, wolle man sie zwingen, Erklärungen von Leuten zu hören, die nach ihrem Austritt nicht mehr zur Versammlung gehören. Fast die ganze Rechte geht fort. Die Versammlung beschließt, keine Erklärung mehr zu hören und geht über diese Angelegenheit zur Tagesordnung über. Es wird beschlossen, die "Menschenrechte" von Oppenheim-Robespierre im Namen des Kongresses den einzelnen Vereinen zu übermachen, damit sie in diesen besprochen und Bericht darüber erstattet werde. Die Vereine werden so jedenfalls um einen erklecklichen Gegenstand der Diskussion reicher. Ebenso werden vom Kongresse Grundrechte, die Bürger Hexamer dem deutschen Volke zugedacht, akklamirt und der Schluß der Revolution bis zur Verwirklichung dieser Grundrechte vertagt. Die revolutionäre Bewegung hat so ein handgreifliches Ziel gewonnen. Bürger Everbeck aus Paris trägt eine Adresse des demokratischen Polencomite's zu Paris und eine andere des Vereins italienischer Demokraten an den Kongreß vor. Antwort auf beide wird beschlossen, ebenso der Abdruck sämmtlicher Protokolle, Anträge und Proteste. In den Centralausschuß werden gewählt: D'Ester (aus Köln), Reichenbach (aus Schlesien) und Hexamer (aus Berlin); zu Stellvertretern: Gottschalk und Anneke I. (aus Köln), Bayrhofer (aus Hessen), Schramm (aus Berlin) Schnake (aus Westphalen), und Erbe (aus Altenburg). In derselben Sitzung wird ein Aufsatz vom Berichterstatter über die Lösung der socialen Frage verlesen und auf Beschluß des Kongresses sämmtlichen Vereinen zur Berichterstattung empfohlen. Die Vereine sollen überhaupt die Resultate ihrer Diskussionen über die sociale Frage dem Centralausschuß einschicken. Mehre Anträge gegen die Frankfurter Versammlung, die auf Auflösung, Säuberung derselben u. s. w. dringen, werden durch die Bemerkung beseitigt, daß diese Versammlung an ihrer eigenen Erbärmlichkeit zu Grunde gehen werde. In der heutigen Sitzung erregten die Verhaftungen Senins, Silbersteins und der Verhaftungsversuch gegen Braklow (aus Schleswig-Holstein) große Aufregung. Eine zum Staatsprokurator geschickte Deputation bringt die Nachricht, die Verhaftung sei auf Grund einer Denunziation von einem Polizisten verfolgt. Der Kongreß schickt eine zweite Deputation an das Richterkollegium, um die sofortige Freilassung der Gefangenen zu verlangen. Ein Plakat theilt dem Berliner Publikum diese Thatsache mit und macht es darauf aufmerksam, daß zwar die Form beobachtet sei, diese aber nie gegen Willkür schütze, so lange die alten Bureaukraten noch in Amt und Stelle. Jetzt sei zwar noch die Zeit des Duldens; bald werde die Zeit der Abrechnung kommen. *) Die Redaktion der "N. Rh. Ztg." behält sich die Kritik der Verhandlungen des demokratischen Kongresses für den Augenblick vor, wo seine Protokolle offiziell veröffentlicht sind. Posen, 27. Okt. Die polnischen Bürger Posens haben dem früheren Deputirten an der Nationalversammlung in Frankfurt, dem Geistlichen Janiczewski, folgende Dankadresse überreichen lassen: "Verehrter Mitbürger! Gestatte es, daß Deine dankbaren Landsleute Dir, den eifrigen und kräftigen Vertreter ihrer theuersten Rechte auf der Frankfurter Nationalversammlung ihre innigsten und aufrichtigsten Dankgefühle aussprechen. Je mehr uns die Schwierigkeit der Dir gewordenen Aufgabe und das Bittere Deiner Stellung bekannt war, um so höher wissen wir Deine Thatkraft zu schätzen; ja! schwierig war Deine Aufgabe, die polnische Nationalsache so kräftig, so würdevoll vor einer Versammlung zu vertheidigen, die, dem durch die Revolution zur Geltung gebrachten Grundsatze der Brüderlichkeit aller Völker entgegen, leider jetzt noch dem Systeme der Eroberung huldigt. Bitter war Deine Stellung dadurch, daß Du die heiligste und gerechteste Sache erst noch vertheigen mußtest, und zwar vor einer Versammlung, die nicht nur laut und offen die macchiavelistischen Grundsätze der Uebermacht verbreitet, sondern es sogar gewagt hat, auf die Unglücklichen und Unterdrückten die niedrigsten Verläumdungen zu werfen. Würdig hast Du Deine Aufgabe gelöst; männlich hast Du allen Widerwärtigkeiten die kühne Stirn dargeboten! Dies hat die Welt bereits anerkannt und selbst unsere Widersacher haben es zugestehen müssen, und Deine Bemühungen können nicht ohne die schönsten Früchte bleiben. Dir ist es nicht nur gelungen, durch eine würdige Verfechtung mit gewandter Beredtsamkeit den Beweis zu führen, daß noch die Polen vorhanden sind, deren Vorfahren bei Wien die Freiheit und die Civilisation im Kampfe gerettet haben, sondern Du hast es auch kühn verkündet, daß wir auch jetzt noch unvertilgbar sind. Mit Recht rühmen sich daher die Einwohner des Buker- und Samterschen Kreises, daß sie Dich zum Vertheidiger ihrer bedrohten Nationalität gewählt haben; mit Recht sind die Polen stolz darauf, Dich ihren Landsmann zu nennen, und gewiß mit vollem Rechte freut sich das Vaterland seines thatkräftigen Sohnes, dem ewiger Ruhm und die unbegränzte Dankbarkeit seiner Mitbürger gebührt, die wir jetzt mit voller Ueberzeugung ausrufen können: noch ist Polen nicht verloren, so lange es noch solche Söhne besitzt, wie Dich. Posen, den 14. Oktober 1848. Triest, 24. Okt. Gestern Abend hatten wir eine kleine Ruhestörung, doch kann man ihr keine ernste Bedeutung beilegen. Schon seit einigen Tagen fanden kleine Krawalle in Folge der Ausstellung von dreifarbigen (italienischen) Tüchern in einigen Läden am Corso Statt, die das Volk nicht sehen wollte. Sie endigten meistens mit Fenstereinschlagen, oder damit, daß man die Tücher auf Verlangen des Volkes wieder hineinthat. Gestern fand das Nämliche Statt, als einige (18-20) bezahlte Leute hinzukamen, die zwar nicht die Wiederausstellung der Tücher verlangten, wohl aber Rufe wie: Morte ai gamberi (gewöhnliche Bezeichnung der Reaktionäre, die, wie die radikalen Straßenzeitungen behaupten, auch hier in Menge sein sollen); Abasso il Diavoletto (ebenfalls eine Straßenzeitung, die jedoch streng konstitutionell ist und mit beißendem Humor die radikalen Collegen züchtigt). So lange bloß solche Rufe ertönten, ließ man sie gewähren; als man aber anfing, einige Fenster einzuwerfen, nahm man mehrere Verhaftungen vor, worauf sich die Leute vor die Nationalgardehauptwache begaben, wo sie die Freilassung der Gefangenen verlangten, zugleich sich aber zurückzogen, um nicht selbst gefangen zu werden. Bald war der Börsenplatz voll von Leuten, und um frei wirken zu können, ließ die Nationalgarde Platz machen, während starke Patrouillen den Platz und die Straßen in der Nähe durchstreiften. Bald gelang es den im Dienste befindlichen zwei Compagnieen Nationalgarde die Ordnung herzustellen, ohne der Hülfe des bereits in der Nähe befindlichen Militärs zu bedürfen. Die ganze Bewegung, welche im Anfange anarchisch zu werden schien, da ein paarmal sogar: viva la repubblica, viva i Viennesi geschrieen wurde, endete im entgegengesetzten Sinne mit Rufen wie: viva Ferdinando, viva l' Austria, abasso i tre colori, morte ai Veneziani, morte ai repubblicani etc. Heute ist alles ruhig. (A. A. Ztg.)Italien. * Livorno, 21. Oct. Montanelli's Rückkehr wird ängstlich erwartet. Aus Pisa, Lukka und den benachbarten Maremmen treffen bewaffnete Haufen ein, zum Theil aus Deserteurs bestehend und, wie man sagt, nur den Vortrab eines größeren Zuzuges von mehr als 6000 Mann bildend, den Carrara und die äußerste Maremme schicken wollen. Livorno ist entschlossen, nach Florenz zu marschiren, um den Großherzog zur Wahl eines demokratischen Ministeriums zu zwingen. Schweiz. * Bern, 26. Okt. Der Aufstand zu Freiburg, ebenso rasch unterdrückt als eklatirt, war nicht mehr und nicht weniger als ein sonderbündlerisches Pfaffenkomplott, das die bestehende Regierung zu stürzen und die ultramontane Partei wieder ans Ruder zu bringen beabsichtigte. Die Geschichte ist auf dem Sitze der Familie Maillardoz zu Rue ausgeheckt worden, und zu Chatel-Saint-Denis, einem drei Stunden von der waadtländischen Gränze entfernten Städtchen, kam sie zum Ausbruch. Hier war es, wo der Bruder und die Neffen des Bischofs Marilley 1000 Mann auf die Beine gebracht hatten, mit welchen sie von Romont und Rue aus einen Angriff auf Freiburg versuchen wollten. Der Präfekt von Chatel-Saint-Denis wurde 4 Uhr früh am 24. Okt. von den Insurgenten gefangen genommen, der Unterpräfekt entkam jedoch nach Vevey, bat den dortigen Präfekten um schleunige Hülfe, und dieser, von den Vollmachten Gebrauch machend, welche ihm der waadtländische Staatsrath, in Voraussicht eines ähnlichen Falles, vor mehreren Wochen gegeben hatte, entwickelte eine solche Thätigkeit, daß zwei waadtländische Bataillone noch am nämlichen Tage in Freiburg einrückten. Gleichzeitig ließ auch die Freiburger Regierung ihre Truppen zusammentreten, und erbat sich außerdem den Beistand des Vororts, welcher augenblicklich ein Berner Bataillon nach Freiburg schickte und Herrn Ochsenbein als eidgenössischen Kommissar ebendahin abgehen ließ. Der Bischof Marilley wurde noch in der Nacht vom 24. auf den 25. Okt. auf Befehl des Freiburger Staatsrathes gefangen genommen und nach Lausanne gebracht. Französische Republik. * Paris, 30. Okt. Ueber Louis Napoleons Kandidatur bemerkt die Reforme: Man muß sich nicht darüber täuschen: Louis Napoleon ist nicht nur der Kandidat derjenigen, welche mit geschlossenen Augen vor dem Genie seines Onkels auf die Knie sinken; er wird selbst getragen durch die, welche diesen großen Namen besudelt haben und ihn während 15 Jahren mit Vorwürfen überhäuft haben. Es war Sr. kaiserlichen Hoheit vorbehalten, die disparatesten Meinungen zu ralliiren, einbegriffen die unversöhnlichsten Feinde des einzigen Titels, den sie anruft, die Feinde ihres Familienruhmes. Der Prinz Louis ist der Kandidat aller dynastischen Hoffnungen. Aus Haß gegen die Republik, werden für ihn stimmen die Henricinquisten und Philippisten, die Royalisten der ältern und der jüngern Linie. Alle diese Rivalitäten, vereinigt in diesem Augenblicke, betrachten ihn als ihren Uebergangsbalken und sie rekrutiren für diesen Kandidaten unter dem Vorbehalte, im günstigen Moment sich den Uebergang streitig zu machen. Uebrigens gibt es nichts Unklugeres, als die Art und Weise, wie diese Kandidatur sich anmeldet. Während man sich z. B. dagegen vertheidigt, sie zu suchen und sie höchstens als Beweis von Nachgiebigkeit gegen die öffentliche Meinung acceptirt, hat man gleichzeitig in allen Departementen Diener, welche auf alle Weise das Eisen schmieden. Gelegenheitszeitungen werden, so sagt man, an allen vier Hauptpunkten des Landes und in einigen großen Centren geschaffen. Man nennt schon die ergebenen Federn, die Paris verlassen, um diese Zeitungen zu dirigiren. Andere Chronik! Liebe Getreue der Restauration und der Quasirestauration sollen bei Herrn Louis gesehen worden sein. Man sagt uns, daß Louis Napoleon sich durch seine Nichtigkeit empfiehlt. Weil er nichts gethan hat, hält man ihn für geeignet, alles zu thun. Louis Napoleon, der eben so wenig "Geist als Muth" in den Augen der "Presse" von 1840 besaß. Louis Napoleon, der damals "keine Partei, sondern nur eine schlechte Karikatur" war, Louis Napoleon ist 1348 der unentbehrliche Mann: "Louis Napoleon, das ist die Zukunft." Aber wie kann man sagen, daß er nichts gethan hat, dieser universelle Kandidat, der so bescheiden ist, daß er seine ganze Vergangenheit vergißt und sich nur an seinen Namen erinnert. O Straßburg! O Boulogne! O tapfere Palatine von Egliton! O Dandy's von Drury-Lane! O Konstabler von London, die ihr die Ruthe in seine Hande gegeben habt, kommt her und zeugt von seinen Heldenthaten! Und ihr,"liebenswürdige Faubourgs" Louis Philipp's, "revolutionärer Auswurf," könnt noch einmal die Komödie spielen sehn! Die Bonaparte's haben nichts mit den Insurgenten zu thun; sie haben es auch von der Tribüne herab gesagt und sie haben ohne Zweifel Recht, obgleich eine Insurrektion uns sie wiedergegeben hat. Und ihr braven Landleute stimmt durch Akklamation! Herr Louis, wir haben es gesagt, hat erst zwei Vota abgegeben, indem er die Hypothekenbons verwarf, hat er euch dem Wucher als Beute überlassen; indem er für das alte militärische Ersatzwesen stimmte, hat er auch ein Privilegium erhalten, das Privilegium der Steuer des Blutes. Paris, 30. Oktober. Der Moniteur theilt auf seinen ersten drei Folioseiten Ehrenmünzen an diejenigen Bürger aller Departements aus, die sich im Laufe der letztverflossenen drei Monate durch irgend eine muthige und ehrenvolle Civilhandlung auszeichneten. Wir sehen auf den langen Listen meistens Bauern, Soldaten und Arbeiter, die bei Feuer- oder Wassergefahren ihr eigenes Leben, zur Rettung Anderer, in die Schanze schlugen. - Die "Breslauer Zeitung" hatte angezeigt, daß ein Franzose, Namens Marchand, in Warschau zu Tausend Knutenhieben verurtheilt worden und während der Duldung dieser Strafe gestorben sei. Der französische Konsul in Warschau habe jede Vermittelung zu Gunsten dieses Unglücklichen verweigert etc. Die Regierung der französischen Republik beeilte sich, von diesem Konsul über jenes Ereigniß Rechenschaft zu fordern, und hat von demselben jetzt Aufklärungen erhalten, welche die Thatsache klarer darstellen. Laut dieser Aufklärungen ist Marchand an seinen Wunden nicht gestorben; er hat erst die Hälfte der ihm zugesprochenen 1000 Knutenhiebe erduldet; die andere Hälfte ist ihm erlassen worden. Marchand ist angeklagt gewesen, republikanische Propaganda unter dem russischen Militär gemacht zu haben. Die Untersuchung gegen ihn wurde geheim gehalten, und der französische Konsul erfuhr die Thatsachen erst, nachdem schon die Hälfte des Urtels vollstreckt war. Marchand wurde übrigens in Rußland, obgleich von französischen Eltern, geboren, und that nie die nöthigen Schritte, um seinen französischen Ursprung zu konstatiren. Er befindet sich daher auch nicht in den Stammlisten des französischen Konsulats zu Warschau eingeschrieben. Der Konsul hatte von seiner Gegenwart in Warschau durchaus keine Kenntniß. Wie dem aber auch sei, Konsul Theis beeilte sich sofort, sobald ihm die Thatsachen bekannt worden waren, bei dem Fürsten Paskewitsch die der Wichtigkeit der Sache angemessenen Schritte zu thun und durch ein Gnadengesuch die Umwandelung der lebenswierigen Verbannungsstrafe nach Sibirien zu erwirken, zu welcher der unglückliche Marchand noch außer den 1000 Knutenhieben verurtheilt worden war. (Moniteur vom 30. Okt.) - Unser Konsul Theis in Warschau wird nach Tiflis versetzt. Einem früheren Beamten, den Bastide in die Hauptstadt Georgiens schickte, hat die russische Regierung das Cxequatur verweigert, "weil er ein rother Republikaner sei." - Eine Post aus den La Platastaaten bringt uns Berichte bis zum 13. August, welche melden, daß dort am 9. desselben Monats fürchterliche Erdstöße verspürt wurden, die von unterirdischem Getöse, gleich dem Donner, begleitet waren. Die politische Lage der Dinge ist immer noch die alte. Man erwartete aus Paris und London endlich die diplomatische Beilegung unserer kommerziellen Händel. - Heute erscheint der Gerant des legitimistisch-philippistischen Schmähblattes, Lampion, vor den Assisen, wegen eines Artikels, der zu einer Zeit erschien, wo die Nadelstiche dieses Blattes dem Herrn Senard noch gefährlich dünkten. Für den 8. November ist die alte grauhärige Gazette de France wegen ähnlicher Nadelstiche gegen die Republik vor die Schranken derselben Assisen geladen. - Die Bürgerwehr von Bar sur Aube ist durch ein Dekret der Vollziehungsgewalt aufgelös't. Diese Bürgerwehr hatte ihren antirepublikanischen Geist durch gar zu grobe Injurien gegen den dortigen Präfekten bekundet. - Dem philippistischen Blatte "Assemblee Nationale" wird aus Caen vom 28. Okt. geschrieben, daß Guizot als Kandidat für die Nationalversammlung im Departement Calvados auftrete und die gegründetste Aussicht auf Erfolg habe. Dieses Departement hat im Laufe des künftigen Monats in der That zur Ersatzwahl eines Volksvertreters an des verstorbenen Durands Stelle zu schreiten. Caen ist bekanntlich die Hauptstadt des Departements Calvados. - Das bonapartistische Blatt "Le petit Caporal" ist aus Mangel an Kaution eingegangen. - Am nächsten Montag werden sich, wie man hört, unter Ledru-Rollins Vorsitz, die sämmtlichen hier anwesenden deutschen, polnischen, italienischen und spanischen Demokraten in einem Bankett am Mont-Parnasse vereinigen, um gemeinschaftlich über allgemeine Verbrüderung der Völker und Errichtung einer Universalrepublik zu berathen. Ledru-Rollin befindet sich zwar in diesem Augenblick abwesend, wird aber bis zum nächsten Montag hier in Paris zurückerwartet. - Changarnier, Befehlshaber der Pariser Bürgerwehr, läßt die Namen derjenigen Nationalgardisten aufschreiben, die den neulich von uns gemeldeten Ausflug von London nach Clarendon zu ihrem "unglücklichen Freunde Louis Philipp" machten, um ihm die Beileidsadresse zu überreichen. Die Beileidsbezeugungen gehören, wie man sagt, der 1. und 3. Legion an, die gestern mäuschenstill im Tuilerienhofe vorbeimarschirte, während die 5. Legion aus vollem Halse rief: "Es lebe die demokratische Republik!" - Die Nationalversammlung berührt jetzt einen überaus delikaten Punkt, nämlich das sogenannte rektifizirte Budget von 1848, das über 1,800,000,000 Fr. beträgt und manche lehrreiche Aufschlüsse enthält. So vermehrte sich das Beamtenheer unter Louis Philipp seit 1832 um 3500 Mann, die nahe an 63 Mill. Fr. verzehrten, darunter 12,000 Offiziere oder Militärbeamte mit 30,000,000 Fr. Aussteuer. Aus diesem einzigen Posten sieht man: wer eigentlich in der Julimonarchie mit den schärfsten Zähnen an den Produktionskräften unseres braven Stadt- und Land-Proletariats nagte? Ein Generalstab von Faulenzern mit einem Budget von 63,000,000 außer dem übrigen unübersehbaren Heere von Beamten. - Die Journalpolemik wird allmälig leidenschaftlicher. Die Presse tritt offen für den Exprinzen Louis Bonaparte auf und das Journal des Debats beschwört seine Leser in einem etwas mystischen Artikel ihre Stimme dem Marschall Bugeaud zu geben. Oder ist der Artikel eine Reklame für Cavaignac? Nationalversammlung. Sitzung vom 30. Oktober. Anfang 1 Uhr. Pagnerre präsidirt. An der Tagesordnung befindet sich zunächst die Wahl einer Aufsichts-Kommission für die Amortissements-, Depositen- und Consignations-Kasse, der Goudchaux noch in seinen letzten ministeriellen Tagen die Gratisverwaltung der aus Failliten entspringende, Baarbestände übertrug, was den Wirkungskreis derselben bedeutend erweitert. Es stimmten im Ganzen 642. Also absolute Mehrheit 322. Davon erhielten a) Goudchaux 484. b) Duclerc 335. c) Berryer 316. und d) Dupont (aus Bussac) 197 Stimmen. Goudchaux und Duclerc werden als Glieder jenes Aufsichtsraths proklamirt, wegen des dritten Glieds muß morgen das Skrutin erneuert werden da weder Berryer noch Dupont die erforderliche Majorität erreichte. Vizepräsident Pagnerre liest 20 bis 25 Briefe vor, die um Urlaub ersuchen. (Viele Stimmen rufen: Man gebe Allen oder Keinem mehr Urlaub!) Buchey schlägt einen Ausschuß zur Prüfung dieser Urlaubsgesuche vor. Nach einigem Tumult werden alle Urlaube bewilligt. Sarraus legt ein Gutachten nieder, das einen Kredit von 670,000 Fr. für das auswärtige Ministerium billigt. Bastide verlangt schleunige Erledigung. Sie soll am Donnerstag erfolgen. Freslon, der neue Unterrichtsminister bittet ebenfalls um schleunige Erledigung eines Kredits von 12500 Fr. für Einrichtung der Louvrebibliothek etc. etc. Ohne Widerstreit bewilligt. Die Versammlung geht nun zum Gegenstande ihrer eigentlichen Tagesordnung, zu dem rektifizirten Büdjet für das heillose Jahr 1848 über. Trouve-Chauvel, der neue Finanzminister, hält seine Jungfern-Rede. Er bittet die Versammlung, ihm sowohl in Gegenwart als Zukunft Nachsicht zu schenken. Plötzlich berufen, ein so wichtiges Amt zu erfüllen, habe er sich aufgeopfert und sich den Männern beigesellt, die er schon seit lange kenne (Beifall zur Rechten, bescheidenes Lächeln auf einigen Bänken der hohen Linken.) Im Verlaufe seiner Rede erklärt der Minister, daß den Trägern der Tresorbons (meistens Millionäre!) und der ehemalige Sparkassenbüchel (meistens Dienstboten!) eine angemessene Entschädigung nachgezahlt werden solle. (Starker Beifall zur Rechten.) Auf solche Weise erklärt der Hr. Regierungspräsident den brutalen Exzeß eines durch falsche Einreden irregeleiteten, fanatisirten Haufens! Elbing genießt gegenwärtig unter dem Schutze von Bajonetten und Spitzkugeln Ruhe. Doch wagen es nur Wenige, eine deutsche Kokarde zu tragen. Wer es thut, wird auf der Straße und aus den Fenstern gehöhnt. Ja, man erzählt sich, das Volk habe es darauf abgesehen, drei der Bedeutenderen unter den Freisinnigen bei Nacht und Nebel zu überfallen und zu erschlagen, als Revanche für ‒ ‒ Latour!! Unter solchen Umständen glauben, die Feindschaft gegen die freie Richtung der neuen Zeit habe im Volke selbst seinen Ursprung ‒ ist nur ein Regierungspräsident der alten Zeit im Stande, der mit der gleichen Feindschaft im Herzen den Ort des Verbrechens betritt. (Nat. Z.) 15 Berlin, 30. Okt. In der gestrigen Abendsitzung des „demokratischen Kongresses“ wird ein von A. Ruge verfaßter „Aufruf an das deutsche Volk“ trotz oder vielleicht wegen seiner matten Inhaltslosigkeit fast einstimmig angenommen. Der Hauptgrund zum Accept dieses von A. Ruge auf das deutsche Volk gezogenen Wechsels war ‒ man errathe! ‒ daß der Aufruf bereits unter der Presse sich befinde. Schrecklich, aber wahr. Eine Reihe mehr oder minder umfangreicher Austrittserklärungen liegt vor. Nach längerer Debatte wird der Antrag gestellt, solche Erklärungen nicht mehr zum Vortrage bringen zu lassen. Ein Redner erklärt dies für Terrorismus und hielt über diesen erquicklichen Gegendstand ein langes und langweiliges Deklamatorium, häufig unterbrochen durch „Bravo,“ „Klatschen“ und Rufen nach „Schluß.“ Nachdem dieser Redner geendet, legt Vizepräsident Asch in sittlicher Entrüstung sein Amt nieder und erklärt seinen Austritt aus der Versammlung. Ihm folgen die schlesischen Deputirten Hoyoll und Engelmann. Der Antragsteller bemerkt, es sei Terrorismus gegen die Versammlung, wolle man sie zwingen, Erklärungen von Leuten zu hören, die nach ihrem Austritt nicht mehr zur Versammlung gehören. Fast die ganze Rechte geht fort. Die Versammlung beschließt, keine Erklärung mehr zu hören und geht über diese Angelegenheit zur Tagesordnung über. Es wird beschlossen, die „Menschenrechte“ von Oppenheim-Robespierre im Namen des Kongresses den einzelnen Vereinen zu übermachen, damit sie in diesen besprochen und Bericht darüber erstattet werde. Die Vereine werden so jedenfalls um einen erklecklichen Gegenstand der Diskussion reicher. Ebenso werden vom Kongresse Grundrechte, die Bürger Hexamer dem deutschen Volke zugedacht, akklamirt und der Schluß der Revolution bis zur Verwirklichung dieser Grundrechte vertagt. Die revolutionäre Bewegung hat so ein handgreifliches Ziel gewonnen. Bürger Everbeck aus Paris trägt eine Adresse des demokratischen Polencomite's zu Paris und eine andere des Vereins italienischer Demokraten an den Kongreß vor. Antwort auf beide wird beschlossen, ebenso der Abdruck sämmtlicher Protokolle, Anträge und Proteste. In den Centralausschuß werden gewählt: D'Ester (aus Köln), Reichenbach (aus Schlesien) und Hexamer (aus Berlin); zu Stellvertretern: Gottschalk und Anneke I. (aus Köln), Bayrhofer (aus Hessen), Schramm (aus Berlin) Schnake (aus Westphalen), und Erbe (aus Altenburg). In derselben Sitzung wird ein Aufsatz vom Berichterstatter über die Lösung der socialen Frage verlesen und auf Beschluß des Kongresses sämmtlichen Vereinen zur Berichterstattung empfohlen. Die Vereine sollen überhaupt die Resultate ihrer Diskussionen über die sociale Frage dem Centralausschuß einschicken. Mehre Anträge gegen die Frankfurter Versammlung, die auf Auflösung, Säuberung derselben u. s. w. dringen, werden durch die Bemerkung beseitigt, daß diese Versammlung an ihrer eigenen Erbärmlichkeit zu Grunde gehen werde. In der heutigen Sitzung erregten die Verhaftungen Senins, Silbersteins und der Verhaftungsversuch gegen Braklow (aus Schleswig-Holstein) große Aufregung. Eine zum Staatsprokurator geschickte Deputation bringt die Nachricht, die Verhaftung sei auf Grund einer Denunziation von einem Polizisten verfolgt. Der Kongreß schickt eine zweite Deputation an das Richterkollegium, um die sofortige Freilassung der Gefangenen zu verlangen. Ein Plakat theilt dem Berliner Publikum diese Thatsache mit und macht es darauf aufmerksam, daß zwar die Form beobachtet sei, diese aber nie gegen Willkür schütze, so lange die alten Bureaukraten noch in Amt und Stelle. Jetzt sei zwar noch die Zeit des Duldens; bald werde die Zeit der Abrechnung kommen. *) Die Redaktion der „N. Rh. Ztg.“ behält sich die Kritik der Verhandlungen des demokratischen Kongresses für den Augenblick vor, wo seine Protokolle offiziell veröffentlicht sind. Posen, 27. Okt. Die polnischen Bürger Posens haben dem früheren Deputirten an der Nationalversammlung in Frankfurt, dem Geistlichen Janiczewski, folgende Dankadresse überreichen lassen: „Verehrter Mitbürger! Gestatte es, daß Deine dankbaren Landsleute Dir, den eifrigen und kräftigen Vertreter ihrer theuersten Rechte auf der Frankfurter Nationalversammlung ihre innigsten und aufrichtigsten Dankgefühle aussprechen. Je mehr uns die Schwierigkeit der Dir gewordenen Aufgabe und das Bittere Deiner Stellung bekannt war, um so höher wissen wir Deine Thatkraft zu schätzen; ja! schwierig war Deine Aufgabe, die polnische Nationalsache so kräftig, so würdevoll vor einer Versammlung zu vertheidigen, die, dem durch die Revolution zur Geltung gebrachten Grundsatze der Brüderlichkeit aller Völker entgegen, leider jetzt noch dem Systeme der Eroberung huldigt. Bitter war Deine Stellung dadurch, daß Du die heiligste und gerechteste Sache erst noch vertheigen mußtest, und zwar vor einer Versammlung, die nicht nur laut und offen die macchiavelistischen Grundsätze der Uebermacht verbreitet, sondern es sogar gewagt hat, auf die Unglücklichen und Unterdrückten die niedrigsten Verläumdungen zu werfen. Würdig hast Du Deine Aufgabe gelöst; männlich hast Du allen Widerwärtigkeiten die kühne Stirn dargeboten! Dies hat die Welt bereits anerkannt und selbst unsere Widersacher haben es zugestehen müssen, und Deine Bemühungen können nicht ohne die schönsten Früchte bleiben. Dir ist es nicht nur gelungen, durch eine würdige Verfechtung mit gewandter Beredtsamkeit den Beweis zu führen, daß noch die Polen vorhanden sind, deren Vorfahren bei Wien die Freiheit und die Civilisation im Kampfe gerettet haben, sondern Du hast es auch kühn verkündet, daß wir auch jetzt noch unvertilgbar sind. Mit Recht rühmen sich daher die Einwohner des Buker- und Samterschen Kreises, daß sie Dich zum Vertheidiger ihrer bedrohten Nationalität gewählt haben; mit Recht sind die Polen stolz darauf, Dich ihren Landsmann zu nennen, und gewiß mit vollem Rechte freut sich das Vaterland seines thatkräftigen Sohnes, dem ewiger Ruhm und die unbegränzte Dankbarkeit seiner Mitbürger gebührt, die wir jetzt mit voller Ueberzeugung ausrufen können: noch ist Polen nicht verloren, so lange es noch solche Söhne besitzt, wie Dich. Posen, den 14. Oktober 1848. Triest, 24. Okt. Gestern Abend hatten wir eine kleine Ruhestörung, doch kann man ihr keine ernste Bedeutung beilegen. Schon seit einigen Tagen fanden kleine Krawalle in Folge der Ausstellung von dreifarbigen (italienischen) Tüchern in einigen Läden am Corso Statt, die das Volk nicht sehen wollte. Sie endigten meistens mit Fenstereinschlagen, oder damit, daß man die Tücher auf Verlangen des Volkes wieder hineinthat. Gestern fand das Nämliche Statt, als einige (18-20) bezahlte Leute hinzukamen, die zwar nicht die Wiederausstellung der Tücher verlangten, wohl aber Rufe wie: Morte ai gamberi (gewöhnliche Bezeichnung der Reaktionäre, die, wie die radikalen Straßenzeitungen behaupten, auch hier in Menge sein sollen); Abasso il Diavoletto (ebenfalls eine Straßenzeitung, die jedoch streng konstitutionell ist und mit beißendem Humor die radikalen Collegen züchtigt). So lange bloß solche Rufe ertönten, ließ man sie gewähren; als man aber anfing, einige Fenster einzuwerfen, nahm man mehrere Verhaftungen vor, worauf sich die Leute vor die Nationalgardehauptwache begaben, wo sie die Freilassung der Gefangenen verlangten, zugleich sich aber zurückzogen, um nicht selbst gefangen zu werden. Bald war der Börsenplatz voll von Leuten, und um frei wirken zu können, ließ die Nationalgarde Platz machen, während starke Patrouillen den Platz und die Straßen in der Nähe durchstreiften. Bald gelang es den im Dienste befindlichen zwei Compagnieen Nationalgarde die Ordnung herzustellen, ohne der Hülfe des bereits in der Nähe befindlichen Militärs zu bedürfen. Die ganze Bewegung, welche im Anfange anarchisch zu werden schien, da ein paarmal sogar: viva la repubblica, viva i Viennesi geschrieen wurde, endete im entgegengesetzten Sinne mit Rufen wie: viva Ferdinando, viva l' Austria, abasso i tre colori, morte ai Veneziani, morte ai repubblicani etc. Heute ist alles ruhig. (A. A. Ztg.)Italien. * Livorno, 21. Oct. Montanelli's Rückkehr wird ängstlich erwartet. Aus Pisa, Lukka und den benachbarten Maremmen treffen bewaffnete Haufen ein, zum Theil aus Deserteurs bestehend und, wie man sagt, nur den Vortrab eines größeren Zuzuges von mehr als 6000 Mann bildend, den Carrara und die äußerste Maremme schicken wollen. Livorno ist entschlossen, nach Florenz zu marschiren, um den Großherzog zur Wahl eines demokratischen Ministeriums zu zwingen. Schweiz. * Bern, 26. Okt. Der Aufstand zu Freiburg, ebenso rasch unterdrückt als eklatirt, war nicht mehr und nicht weniger als ein sonderbündlerisches Pfaffenkomplott, das die bestehende Regierung zu stürzen und die ultramontane Partei wieder ans Ruder zu bringen beabsichtigte. Die Geschichte ist auf dem Sitze der Familie Maillardoz zu Rue ausgeheckt worden, und zu Chatel-Saint-Denis, einem drei Stunden von der waadtländischen Gränze entfernten Städtchen, kam sie zum Ausbruch. Hier war es, wo der Bruder und die Neffen des Bischofs Marilley 1000 Mann auf die Beine gebracht hatten, mit welchen sie von Romont und Rue aus einen Angriff auf Freiburg versuchen wollten. Der Präfekt von Chatel-Saint-Denis wurde 4 Uhr früh am 24. Okt. von den Insurgenten gefangen genommen, der Unterpräfekt entkam jedoch nach Vevey, bat den dortigen Präfekten um schleunige Hülfe, und dieser, von den Vollmachten Gebrauch machend, welche ihm der waadtländische Staatsrath, in Voraussicht eines ähnlichen Falles, vor mehreren Wochen gegeben hatte, entwickelte eine solche Thätigkeit, daß zwei waadtländische Bataillone noch am nämlichen Tage in Freiburg einrückten. Gleichzeitig ließ auch die Freiburger Regierung ihre Truppen zusammentreten, und erbat sich außerdem den Beistand des Vororts, welcher augenblicklich ein Berner Bataillon nach Freiburg schickte und Herrn Ochsenbein als eidgenössischen Kommissar ebendahin abgehen ließ. Der Bischof Marilley wurde noch in der Nacht vom 24. auf den 25. Okt. auf Befehl des Freiburger Staatsrathes gefangen genommen und nach Lausanne gebracht. Französische Republik. * Paris, 30. Okt. Ueber Louis Napoleons Kandidatur bemerkt die Reforme: Man muß sich nicht darüber täuschen: Louis Napoleon ist nicht nur der Kandidat derjenigen, welche mit geschlossenen Augen vor dem Genie seines Onkels auf die Knie sinken; er wird selbst getragen durch die, welche diesen großen Namen besudelt haben und ihn während 15 Jahren mit Vorwürfen überhäuft haben. Es war Sr. kaiserlichen Hoheit vorbehalten, die disparatesten Meinungen zu ralliiren, einbegriffen die unversöhnlichsten Feinde des einzigen Titels, den sie anruft, die Feinde ihres Familienruhmes. Der Prinz Louis ist der Kandidat aller dynastischen Hoffnungen. Aus Haß gegen die Republik, werden für ihn stimmen die Henricinquisten und Philippisten, die Royalisten der ältern und der jüngern Linie. Alle diese Rivalitäten, vereinigt in diesem Augenblicke, betrachten ihn als ihren Uebergangsbalken und sie rekrutiren für diesen Kandidaten unter dem Vorbehalte, im günstigen Moment sich den Uebergang streitig zu machen. Uebrigens gibt es nichts Unklugeres, als die Art und Weise, wie diese Kandidatur sich anmeldet. Während man sich z. B. dagegen vertheidigt, sie zu suchen und sie höchstens als Beweis von Nachgiebigkeit gegen die öffentliche Meinung acceptirt, hat man gleichzeitig in allen Departementen Diener, welche auf alle Weise das Eisen schmieden. Gelegenheitszeitungen werden, so sagt man, an allen vier Hauptpunkten des Landes und in einigen großen Centren geschaffen. Man nennt schon die ergebenen Federn, die Paris verlassen, um diese Zeitungen zu dirigiren. Andere Chronik! Liebe Getreue der Restauration und der Quasirestauration sollen bei Herrn Louis gesehen worden sein. Man sagt uns, daß Louis Napoleon sich durch seine Nichtigkeit empfiehlt. Weil er nichts gethan hat, hält man ihn für geeignet, alles zu thun. Louis Napoleon, der eben so wenig „Geist als Muth“ in den Augen der „Presse“ von 1840 besaß. Louis Napoleon, der damals „keine Partei, sondern nur eine schlechte Karikatur“ war, Louis Napoleon ist 1348 der unentbehrliche Mann: „Louis Napoleon, das ist die Zukunft.“ Aber wie kann man sagen, daß er nichts gethan hat, dieser universelle Kandidat, der so bescheiden ist, daß er seine ganze Vergangenheit vergißt und sich nur an seinen Namen erinnert. O Straßburg! O Boulogne! O tapfere Palatine von Egliton! O Dandy's von Drury-Lane! O Konstabler von London, die ihr die Ruthe in seine Hande gegeben habt, kommt her und zeugt von seinen Heldenthaten! Und ihr,„liebenswürdige Faubourgs“ Louis Philipp's, „revolutionärer Auswurf,“ könnt noch einmal die Komödie spielen sehn! Die Bonaparte's haben nichts mit den Insurgenten zu thun; sie haben es auch von der Tribüne herab gesagt und sie haben ohne Zweifel Recht, obgleich eine Insurrektion uns sie wiedergegeben hat. Und ihr braven Landleute stimmt durch Akklamation! Herr Louis, wir haben es gesagt, hat erst zwei Vota abgegeben, indem er die Hypothekenbons verwarf, hat er euch dem Wucher als Beute überlassen; indem er für das alte militärische Ersatzwesen stimmte, hat er auch ein Privilegium erhalten, das Privilegium der Steuer des Blutes. Paris, 30. Oktober. Der Moniteur theilt auf seinen ersten drei Folioseiten Ehrenmünzen an diejenigen Bürger aller Departements aus, die sich im Laufe der letztverflossenen drei Monate durch irgend eine muthige und ehrenvolle Civilhandlung auszeichneten. Wir sehen auf den langen Listen meistens Bauern, Soldaten und Arbeiter, die bei Feuer- oder Wassergefahren ihr eigenes Leben, zur Rettung Anderer, in die Schanze schlugen. ‒ Die „Breslauer Zeitung“ hatte angezeigt, daß ein Franzose, Namens Marchand, in Warschau zu Tausend Knutenhieben verurtheilt worden und während der Duldung dieser Strafe gestorben sei. Der französische Konsul in Warschau habe jede Vermittelung zu Gunsten dieses Unglücklichen verweigert etc. Die Regierung der französischen Republik beeilte sich, von diesem Konsul über jenes Ereigniß Rechenschaft zu fordern, und hat von demselben jetzt Aufklärungen erhalten, welche die Thatsache klarer darstellen. Laut dieser Aufklärungen ist Marchand an seinen Wunden nicht gestorben; er hat erst die Hälfte der ihm zugesprochenen 1000 Knutenhiebe erduldet; die andere Hälfte ist ihm erlassen worden. Marchand ist angeklagt gewesen, republikanische Propaganda unter dem russischen Militär gemacht zu haben. Die Untersuchung gegen ihn wurde geheim gehalten, und der französische Konsul erfuhr die Thatsachen erst, nachdem schon die Hälfte des Urtels vollstreckt war. Marchand wurde übrigens in Rußland, obgleich von französischen Eltern, geboren, und that nie die nöthigen Schritte, um seinen französischen Ursprung zu konstatiren. Er befindet sich daher auch nicht in den Stammlisten des französischen Konsulats zu Warschau eingeschrieben. Der Konsul hatte von seiner Gegenwart in Warschau durchaus keine Kenntniß. Wie dem aber auch sei, Konsul Theis beeilte sich sofort, sobald ihm die Thatsachen bekannt worden waren, bei dem Fürsten Paskewitsch die der Wichtigkeit der Sache angemessenen Schritte zu thun und durch ein Gnadengesuch die Umwandelung der lebenswierigen Verbannungsstrafe nach Sibirien zu erwirken, zu welcher der unglückliche Marchand noch außer den 1000 Knutenhieben verurtheilt worden war. (Moniteur vom 30. Okt.) ‒ Unser Konsul Theis in Warschau wird nach Tiflis versetzt. Einem früheren Beamten, den Bastide in die Hauptstadt Georgiens schickte, hat die russische Regierung das Cxequatur verweigert, „weil er ein rother Republikaner sei.“ ‒ Eine Post aus den La Platastaaten bringt uns Berichte bis zum 13. August, welche melden, daß dort am 9. desselben Monats fürchterliche Erdstöße verspürt wurden, die von unterirdischem Getöse, gleich dem Donner, begleitet waren. Die politische Lage der Dinge ist immer noch die alte. Man erwartete aus Paris und London endlich die diplomatische Beilegung unserer kommerziellen Händel. ‒ Heute erscheint der Gerant des legitimistisch-philippistischen Schmähblattes, Lampion, vor den Assisen, wegen eines Artikels, der zu einer Zeit erschien, wo die Nadelstiche dieses Blattes dem Herrn Senard noch gefährlich dünkten. Für den 8. November ist die alte grauhärige Gazette de France wegen ähnlicher Nadelstiche gegen die Republik vor die Schranken derselben Assisen geladen. ‒ Die Bürgerwehr von Bar sur Aube ist durch ein Dekret der Vollziehungsgewalt aufgelös't. Diese Bürgerwehr hatte ihren antirepublikanischen Geist durch gar zu grobe Injurien gegen den dortigen Präfekten bekundet. ‒ Dem philippistischen Blatte „Assemblee Nationale“ wird aus Caen vom 28. Okt. geschrieben, daß Guizot als Kandidat für die Nationalversammlung im Departement Calvados auftrete und die gegründetste Aussicht auf Erfolg habe. Dieses Departement hat im Laufe des künftigen Monats in der That zur Ersatzwahl eines Volksvertreters an des verstorbenen Durands Stelle zu schreiten. Caen ist bekanntlich die Hauptstadt des Departements Calvados. ‒ Das bonapartistische Blatt „Le petit Caporal“ ist aus Mangel an Kaution eingegangen. ‒ Am nächsten Montag werden sich, wie man hört, unter Ledru-Rollins Vorsitz, die sämmtlichen hier anwesenden deutschen, polnischen, italienischen und spanischen Demokraten in einem Bankett am Mont-Parnasse vereinigen, um gemeinschaftlich über allgemeine Verbrüderung der Völker und Errichtung einer Universalrepublik zu berathen. Ledru-Rollin befindet sich zwar in diesem Augenblick abwesend, wird aber bis zum nächsten Montag hier in Paris zurückerwartet. ‒ Changarnier, Befehlshaber der Pariser Bürgerwehr, läßt die Namen derjenigen Nationalgardisten aufschreiben, die den neulich von uns gemeldeten Ausflug von London nach Clarendon zu ihrem „unglücklichen Freunde Louis Philipp“ machten, um ihm die Beileidsadresse zu überreichen. Die Beileidsbezeugungen gehören, wie man sagt, der 1. und 3. Legion an, die gestern mäuschenstill im Tuilerienhofe vorbeimarschirte, während die 5. Legion aus vollem Halse rief: „Es lebe die demokratische Republik!“ ‒ Die Nationalversammlung berührt jetzt einen überaus delikaten Punkt, nämlich das sogenannte rektifizirte Budget von 1848, das über 1,800,000,000 Fr. beträgt und manche lehrreiche Aufschlüsse enthält. So vermehrte sich das Beamtenheer unter Louis Philipp seit 1832 um 3500 Mann, die nahe an 63 Mill. Fr. verzehrten, darunter 12,000 Offiziere oder Militärbeamte mit 30,000,000 Fr. Aussteuer. Aus diesem einzigen Posten sieht man: wer eigentlich in der Julimonarchie mit den schärfsten Zähnen an den Produktionskräften unseres braven Stadt- und Land-Proletariats nagte? Ein Generalstab von Faulenzern mit einem Budget von 63,000,000 außer dem übrigen unübersehbaren Heere von Beamten. ‒ Die Journalpolemik wird allmälig leidenschaftlicher. Die Presse tritt offen für den Exprinzen Louis Bonaparte auf und das Journal des Debats beschwört seine Leser in einem etwas mystischen Artikel ihre Stimme dem Marschall Bugeaud zu geben. Oder ist der Artikel eine Reklame für Cavaignac? Nationalversammlung. Sitzung vom 30. Oktober. Anfang 1 Uhr. Pagnerre präsidirt. An der Tagesordnung befindet sich zunächst die Wahl einer Aufsichts-Kommission für die Amortissements-, Depositen- und Consignations-Kasse, der Goudchaux noch in seinen letzten ministeriellen Tagen die Gratisverwaltung der aus Failliten entspringende, Baarbestände übertrug, was den Wirkungskreis derselben bedeutend erweitert. Es stimmten im Ganzen 642. Also absolute Mehrheit 322. Davon erhielten a) Goudchaux 484. b) Duclerc 335. c) Berryer 316. und d) Dupont (aus Bussac) 197 Stimmen. Goudchaux und Duclerc werden als Glieder jenes Aufsichtsraths proklamirt, wegen des dritten Glieds muß morgen das Skrutin erneuert werden da weder Berryer noch Dupont die erforderliche Majorität erreichte. Vizepräsident Pagnerre liest 20 bis 25 Briefe vor, die um Urlaub ersuchen. (Viele Stimmen rufen: Man gebe Allen oder Keinem mehr Urlaub!) Buchey schlägt einen Ausschuß zur Prüfung dieser Urlaubsgesuche vor. Nach einigem Tumult werden alle Urlaube bewilligt. Sarraus legt ein Gutachten nieder, das einen Kredit von 670,000 Fr. für das auswärtige Ministerium billigt. Bastide verlangt schleunige Erledigung. Sie soll am Donnerstag erfolgen. Freslon, der neue Unterrichtsminister bittet ebenfalls um schleunige Erledigung eines Kredits von 12500 Fr. für Einrichtung der Louvrebibliothek etc. etc. Ohne Widerstreit bewilligt. Die Versammlung geht nun zum Gegenstande ihrer eigentlichen Tagesordnung, zu dem rektifizirten Büdjet für das heillose Jahr 1848 über. Trouve-Chauvel, der neue Finanzminister, hält seine Jungfern-Rede. Er bittet die Versammlung, ihm sowohl in Gegenwart als Zukunft Nachsicht zu schenken. Plötzlich berufen, ein so wichtiges Amt zu erfüllen, habe er sich aufgeopfert und sich den Männern beigesellt, die er schon seit lange kenne (Beifall zur Rechten, bescheidenes Lächeln auf einigen Bänken der hohen Linken.) Im Verlaufe seiner Rede erklärt der Minister, daß den Trägern der Tresorbons (meistens Millionäre!) und der ehemalige Sparkassenbüchel (meistens Dienstboten!) eine angemessene Entschädigung nachgezahlt werden solle. (Starker Beifall zur Rechten.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar132_012" type="jArticle"> <pb facs="#f0003" n="0667"/> <p>Auf solche Weise erklärt der Hr. Regierungspräsident den brutalen Exzeß eines durch falsche Einreden irregeleiteten, fanatisirten Haufens!</p> <p>Elbing genießt gegenwärtig unter dem Schutze von Bajonetten und Spitzkugeln Ruhe. Doch wagen es nur Wenige, eine deutsche Kokarde zu tragen. Wer es thut, wird auf der Straße und aus den Fenstern gehöhnt. Ja, man erzählt sich, das Volk habe es darauf abgesehen, drei der Bedeutenderen unter den Freisinnigen bei Nacht und Nebel zu überfallen und zu erschlagen, als Revanche für ‒ ‒ Latour!! Unter solchen Umständen glauben, die Feindschaft gegen die freie Richtung der neuen Zeit habe im Volke selbst seinen Ursprung ‒ ist nur ein Regierungspräsident der alten Zeit im Stande, der mit der gleichen Feindschaft im Herzen den Ort des Verbrechens betritt.</p> <bibl>(Nat. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar132_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin, 30. Okt.</head> <p>In der gestrigen Abendsitzung des „demokratischen Kongresses“ wird ein von A. Ruge verfaßter „Aufruf an das deutsche Volk“ trotz oder vielleicht wegen seiner matten Inhaltslosigkeit fast einstimmig angenommen. Der Hauptgrund zum Accept dieses von A. Ruge auf das deutsche Volk gezogenen Wechsels war ‒ man errathe! ‒ daß der Aufruf bereits unter der Presse sich befinde. Schrecklich, aber wahr.</p> <p>Eine Reihe mehr oder minder umfangreicher Austrittserklärungen liegt vor. Nach längerer Debatte wird der Antrag gestellt, solche Erklärungen nicht mehr zum Vortrage bringen zu lassen. Ein Redner erklärt dies für Terrorismus und hielt über diesen erquicklichen Gegendstand ein langes und langweiliges Deklamatorium, häufig unterbrochen durch „Bravo,“ „Klatschen“ und Rufen nach „Schluß.“ Nachdem dieser Redner geendet, legt Vizepräsident <hi rendition="#g">Asch</hi> in sittlicher Entrüstung sein Amt nieder und erklärt seinen Austritt aus der Versammlung. Ihm folgen die schlesischen Deputirten Hoyoll und Engelmann. Der Antragsteller bemerkt, es sei Terrorismus gegen die Versammlung, wolle man sie zwingen, Erklärungen von Leuten zu hören, die nach ihrem Austritt nicht mehr zur Versammlung gehören.</p> <p>Fast die ganze Rechte geht fort. Die Versammlung beschließt, keine Erklärung mehr zu hören und geht über diese Angelegenheit zur Tagesordnung über.</p> <p>Es wird beschlossen, die „Menschenrechte“ von Oppenheim-Robespierre im Namen des Kongresses den einzelnen Vereinen zu übermachen, damit sie in diesen besprochen und Bericht darüber erstattet werde. Die Vereine werden so jedenfalls um einen erklecklichen Gegenstand der Diskussion reicher.</p> <p>Ebenso werden vom Kongresse <hi rendition="#g">Grundrechte,</hi> die Bürger Hexamer dem deutschen Volke zugedacht, akklamirt und der Schluß der Revolution bis zur Verwirklichung dieser Grundrechte vertagt. Die revolutionäre Bewegung hat so ein handgreifliches Ziel gewonnen.</p> <p>Bürger <hi rendition="#g">Everbeck</hi> aus Paris trägt eine Adresse des demokratischen Polencomite's zu Paris und eine andere des Vereins italienischer Demokraten an den Kongreß vor. Antwort auf beide wird beschlossen, ebenso der Abdruck sämmtlicher Protokolle, Anträge und Proteste.</p> <p>In den Centralausschuß werden gewählt: D'Ester (aus Köln), Reichenbach (aus Schlesien) und Hexamer (aus Berlin); zu Stellvertretern: Gottschalk und Anneke I. (aus Köln), Bayrhofer (aus Hessen), Schramm (aus Berlin) Schnake (aus Westphalen), und Erbe (aus Altenburg).</p> <p>In derselben Sitzung wird ein Aufsatz vom Berichterstatter über die Lösung der socialen Frage verlesen und auf Beschluß des Kongresses sämmtlichen Vereinen zur Berichterstattung empfohlen. Die Vereine sollen überhaupt die Resultate ihrer Diskussionen über die sociale Frage dem Centralausschuß einschicken.</p> <p>Mehre Anträge gegen die Frankfurter Versammlung, die auf Auflösung, Säuberung derselben u. s. w. dringen, werden durch die Bemerkung beseitigt, daß diese Versammlung an ihrer eigenen Erbärmlichkeit zu Grunde gehen werde.</p> <p>In der heutigen Sitzung erregten die Verhaftungen Senins, Silbersteins und der Verhaftungsversuch gegen Braklow (aus Schleswig-Holstein) große Aufregung. Eine zum Staatsprokurator geschickte Deputation bringt die Nachricht, die Verhaftung sei auf Grund einer Denunziation von einem Polizisten verfolgt. Der Kongreß schickt eine zweite Deputation an das Richterkollegium, um die sofortige Freilassung der Gefangenen zu verlangen. Ein Plakat theilt dem Berliner Publikum diese Thatsache mit und macht es darauf aufmerksam, daß zwar die Form beobachtet sei, diese aber nie gegen Willkür schütze, so lange die alten Bureaukraten noch in Amt und Stelle. Jetzt sei zwar noch die Zeit des Duldens; bald werde die Zeit der Abrechnung kommen. *) Die Redaktion der „N. Rh. Ztg.“ behält sich die Kritik der Verhandlungen des demokratischen Kongresses für den Augenblick vor, wo seine Protokolle offiziell veröffentlicht sind.</p> </div> <div xml:id="ar132_014" type="jArticle"> <head>Posen, 27. Okt.</head> <p>Die polnischen Bürger Posens haben dem früheren Deputirten an der Nationalversammlung in Frankfurt, dem Geistlichen Janiczewski, folgende Dankadresse überreichen lassen:</p> <p>„Verehrter Mitbürger! Gestatte es, daß Deine dankbaren Landsleute Dir, den eifrigen und kräftigen Vertreter ihrer theuersten Rechte auf der Frankfurter Nationalversammlung ihre innigsten und aufrichtigsten Dankgefühle aussprechen. Je mehr uns die Schwierigkeit der Dir gewordenen Aufgabe und das Bittere Deiner Stellung bekannt war, um so höher wissen wir Deine Thatkraft zu schätzen; ja! schwierig war Deine Aufgabe, die polnische Nationalsache so kräftig, so würdevoll vor einer Versammlung zu vertheidigen, die, dem durch die Revolution zur Geltung gebrachten Grundsatze der Brüderlichkeit aller Völker entgegen, leider jetzt noch dem Systeme der Eroberung huldigt. Bitter war Deine Stellung dadurch, daß Du die heiligste und gerechteste Sache erst noch vertheigen mußtest, und zwar vor einer Versammlung, die nicht nur laut und offen die macchiavelistischen Grundsätze der Uebermacht verbreitet, sondern es sogar gewagt hat, auf die Unglücklichen und Unterdrückten die niedrigsten Verläumdungen zu werfen. Würdig hast Du Deine Aufgabe gelöst; männlich hast Du allen Widerwärtigkeiten die kühne Stirn dargeboten! Dies hat die Welt bereits anerkannt und selbst unsere Widersacher haben es zugestehen müssen, und Deine Bemühungen können nicht ohne die schönsten Früchte bleiben. Dir ist es nicht nur gelungen, durch eine würdige Verfechtung mit gewandter Beredtsamkeit den Beweis zu führen, daß noch die Polen vorhanden sind, deren Vorfahren bei Wien die Freiheit und die Civilisation im Kampfe gerettet haben, sondern Du hast es auch kühn verkündet, daß wir auch jetzt noch unvertilgbar sind. Mit Recht rühmen sich daher die Einwohner des Buker- und Samterschen Kreises, daß sie Dich zum Vertheidiger ihrer bedrohten Nationalität gewählt haben; mit Recht sind die Polen stolz darauf, Dich ihren Landsmann zu nennen, und gewiß mit vollem Rechte freut sich das Vaterland seines thatkräftigen Sohnes, dem ewiger Ruhm und die unbegränzte Dankbarkeit seiner Mitbürger gebührt, die wir jetzt mit voller Ueberzeugung ausrufen können:</p> <p>noch ist Polen nicht verloren, so lange es noch solche Söhne besitzt, wie Dich.</p> <p>Posen, den 14. Oktober 1848.</p> </div> <div xml:id="ar132_015" type="jArticle"> <head>Triest, 24. Okt.</head> <p>Gestern Abend hatten wir eine kleine Ruhestörung, doch kann man ihr keine ernste Bedeutung beilegen. Schon seit einigen Tagen fanden kleine Krawalle in Folge der Ausstellung von dreifarbigen (italienischen) Tüchern in einigen Läden am Corso Statt, die das Volk nicht sehen wollte. Sie endigten meistens mit Fenstereinschlagen, oder damit, daß man die Tücher auf Verlangen des Volkes wieder hineinthat. Gestern fand das Nämliche Statt, als einige (18-20) bezahlte Leute hinzukamen, die zwar nicht die Wiederausstellung der Tücher verlangten, wohl aber Rufe wie: Morte ai gamberi (gewöhnliche Bezeichnung der Reaktionäre, die, wie die radikalen Straßenzeitungen behaupten, auch hier in Menge sein sollen); Abasso il Diavoletto (ebenfalls eine Straßenzeitung, die jedoch streng konstitutionell ist und mit beißendem Humor die radikalen Collegen züchtigt). So lange bloß solche Rufe ertönten, ließ man sie gewähren; als man aber anfing, einige Fenster einzuwerfen, nahm man mehrere Verhaftungen vor, worauf sich die Leute vor die Nationalgardehauptwache begaben, wo sie die Freilassung der Gefangenen verlangten, zugleich sich aber zurückzogen, um nicht selbst gefangen zu werden. Bald war der Börsenplatz voll von Leuten, und um frei wirken zu können, ließ die Nationalgarde Platz machen, während starke Patrouillen den Platz und die Straßen in der Nähe durchstreiften. Bald gelang es den im Dienste befindlichen zwei Compagnieen Nationalgarde die Ordnung herzustellen, ohne der Hülfe des bereits in der Nähe befindlichen Militärs zu bedürfen. Die ganze Bewegung, welche im Anfange anarchisch zu werden schien, da ein paarmal sogar: viva la repubblica, viva i Viennesi geschrieen wurde, endete im entgegengesetzten Sinne mit Rufen wie: viva Ferdinando, viva l' Austria, abasso i tre colori, morte ai Veneziani, morte ai repubblicani etc. Heute ist alles ruhig.</p> <bibl>(A. A. Ztg.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar132_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Livorno, 21. Oct.</head> <p>Montanelli's Rückkehr wird ängstlich erwartet. Aus Pisa, Lukka und den benachbarten Maremmen treffen bewaffnete Haufen ein, zum Theil aus Deserteurs bestehend und, wie man sagt, nur den Vortrab eines größeren Zuzuges von mehr als 6000 Mann bildend, den Carrara und die äußerste Maremme schicken wollen. Livorno ist entschlossen, nach Florenz zu marschiren, um den Großherzog zur Wahl eines demokratischen Ministeriums zu zwingen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Schweiz.</head> <div xml:id="ar132_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Bern, 26. Okt.</head> <p>Der Aufstand zu Freiburg, ebenso rasch unterdrückt als eklatirt, war nicht mehr und nicht weniger als ein sonderbündlerisches Pfaffenkomplott, das die bestehende Regierung zu stürzen und die ultramontane Partei wieder ans Ruder zu bringen beabsichtigte. Die Geschichte ist auf dem Sitze der Familie Maillardoz zu Rue ausgeheckt worden, und zu Chatel-Saint-Denis, einem drei Stunden von der waadtländischen Gränze entfernten Städtchen, kam sie zum Ausbruch. Hier war es, wo der Bruder und die Neffen des Bischofs Marilley 1000 Mann auf die Beine gebracht hatten, mit welchen sie von Romont und Rue aus einen Angriff auf Freiburg versuchen wollten. Der Präfekt von Chatel-Saint-Denis wurde 4 Uhr früh am 24. Okt. von den Insurgenten gefangen genommen, der Unterpräfekt entkam jedoch nach Vevey, bat den dortigen Präfekten um schleunige Hülfe, und dieser, von den Vollmachten Gebrauch machend, welche ihm der waadtländische Staatsrath, in Voraussicht eines ähnlichen Falles, vor mehreren Wochen gegeben hatte, entwickelte eine solche Thätigkeit, daß zwei waadtländische Bataillone noch am nämlichen Tage in Freiburg einrückten. Gleichzeitig ließ auch die Freiburger Regierung ihre Truppen zusammentreten, und erbat sich außerdem den Beistand des Vororts, welcher augenblicklich ein Berner Bataillon nach Freiburg schickte und Herrn Ochsenbein als eidgenössischen Kommissar ebendahin abgehen ließ. Der Bischof Marilley wurde noch in der Nacht vom 24. auf den 25. Okt. auf Befehl des Freiburger Staatsrathes gefangen genommen und nach Lausanne gebracht.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar132_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 30. Okt.</head> <p>Ueber Louis Napoleons Kandidatur bemerkt die <hi rendition="#g">Reforme:</hi> </p> <p>Man muß sich nicht darüber täuschen: Louis Napoleon ist nicht nur der Kandidat derjenigen, welche mit geschlossenen Augen vor dem Genie seines Onkels auf die Knie sinken; er wird selbst getragen durch die, welche diesen großen Namen besudelt haben und ihn während 15 Jahren mit Vorwürfen überhäuft haben. Es war Sr. kaiserlichen Hoheit vorbehalten, die disparatesten Meinungen zu ralliiren, einbegriffen die unversöhnlichsten Feinde des einzigen Titels, den sie anruft, die Feinde ihres Familienruhmes.</p> <p>Der Prinz Louis ist der Kandidat aller dynastischen Hoffnungen. Aus Haß gegen die Republik, werden für ihn stimmen die Henricinquisten und Philippisten, die Royalisten der ältern und der jüngern Linie. Alle diese Rivalitäten, vereinigt in diesem Augenblicke, betrachten ihn als ihren <hi rendition="#g">Uebergangsbalken</hi> und sie rekrutiren für diesen Kandidaten unter dem Vorbehalte, im günstigen Moment sich den Uebergang streitig zu machen.</p> <p>Uebrigens gibt es nichts Unklugeres, als die Art und Weise, wie diese Kandidatur sich anmeldet. Während man sich z. B. dagegen vertheidigt, sie zu suchen und sie höchstens als Beweis von Nachgiebigkeit gegen die öffentliche Meinung acceptirt, hat man gleichzeitig in allen Departementen Diener, welche auf alle Weise das Eisen schmieden. Gelegenheitszeitungen werden, so sagt man, an allen vier Hauptpunkten des Landes und in einigen großen Centren geschaffen. Man nennt schon die ergebenen Federn, die Paris verlassen, um diese Zeitungen zu dirigiren. Andere Chronik! Liebe Getreue der Restauration und der Quasirestauration sollen bei Herrn Louis gesehen worden sein.</p> <p>Man sagt uns, daß Louis Napoleon sich durch seine Nichtigkeit empfiehlt. Weil er nichts gethan hat, hält man ihn für geeignet, alles zu thun. Louis Napoleon, der eben so wenig „Geist als Muth“ in den Augen der „Presse“ von 1840 besaß. Louis Napoleon, der damals „keine Partei, sondern nur eine schlechte Karikatur“ war, Louis Napoleon ist 1348 der unentbehrliche Mann: „Louis Napoleon, das ist die Zukunft.“</p> <p>Aber wie kann man sagen, daß er nichts gethan hat, dieser universelle Kandidat, der so bescheiden ist, daß er seine ganze Vergangenheit vergißt und sich nur an seinen Namen erinnert. O Straßburg! O Boulogne! O tapfere Palatine von Egliton! O Dandy's von Drury-Lane! O Konstabler von London, die ihr die Ruthe in seine Hande gegeben habt, kommt her und zeugt von seinen Heldenthaten! Und ihr,„liebenswürdige Faubourgs“ Louis Philipp's, „revolutionärer Auswurf,“ könnt noch einmal die Komödie spielen sehn! Die Bonaparte's haben nichts mit den Insurgenten zu thun; sie haben es auch von der Tribüne herab gesagt und sie haben ohne Zweifel Recht, obgleich eine Insurrektion uns sie wiedergegeben hat. Und ihr braven Landleute stimmt durch Akklamation! Herr Louis, wir haben es gesagt, hat erst zwei Vota abgegeben, indem er die Hypothekenbons verwarf, hat er euch dem Wucher als Beute überlassen; indem er für das alte militärische Ersatzwesen stimmte, hat er auch ein Privilegium erhalten, das Privilegium der Steuer des Blutes.</p> </div> <div xml:id="ar132_019" type="jArticle"> <head>Paris, 30. Oktober.</head> <p>Der Moniteur theilt auf seinen ersten drei Folioseiten Ehrenmünzen an diejenigen Bürger aller Departements aus, die sich im Laufe der letztverflossenen drei Monate durch irgend eine muthige und ehrenvolle Civilhandlung auszeichneten. Wir sehen auf den langen Listen meistens Bauern, Soldaten und Arbeiter, die bei Feuer- oder Wassergefahren ihr eigenes Leben, zur Rettung Anderer, in die Schanze schlugen.</p> <p>‒ Die „Breslauer Zeitung“ hatte angezeigt, daß ein Franzose, Namens Marchand, in Warschau zu Tausend Knutenhieben verurtheilt worden und während der Duldung dieser Strafe gestorben sei. Der französische Konsul in Warschau habe jede Vermittelung zu Gunsten dieses Unglücklichen verweigert etc. Die Regierung der französischen Republik beeilte sich, von diesem Konsul über jenes Ereigniß Rechenschaft zu fordern, und hat von demselben jetzt Aufklärungen erhalten, welche die Thatsache klarer darstellen. Laut dieser Aufklärungen ist Marchand an seinen Wunden nicht gestorben; er hat erst die Hälfte der ihm zugesprochenen 1000 Knutenhiebe erduldet; die andere Hälfte ist ihm erlassen worden. Marchand ist angeklagt gewesen, republikanische Propaganda unter dem russischen Militär gemacht zu haben. Die Untersuchung gegen ihn wurde geheim gehalten, und der französische Konsul erfuhr die Thatsachen erst, nachdem schon die Hälfte des Urtels vollstreckt war. Marchand wurde übrigens in Rußland, obgleich von französischen Eltern, geboren, und that nie die nöthigen Schritte, um seinen französischen Ursprung zu konstatiren. Er befindet sich daher auch nicht in den Stammlisten des französischen Konsulats zu Warschau eingeschrieben. Der Konsul hatte von seiner Gegenwart in Warschau durchaus keine Kenntniß. Wie dem aber auch sei, Konsul Theis beeilte sich sofort, sobald ihm die Thatsachen bekannt worden waren, bei dem Fürsten Paskewitsch die der Wichtigkeit der Sache angemessenen Schritte zu thun und durch ein Gnadengesuch die Umwandelung der lebenswierigen Verbannungsstrafe nach Sibirien zu erwirken, zu welcher der unglückliche Marchand noch außer den <hi rendition="#g">1000</hi> Knutenhieben verurtheilt worden war.</p> <p>(Moniteur vom 30. Okt.)</p> <p>‒ Unser Konsul Theis in Warschau wird nach Tiflis versetzt. Einem früheren Beamten, den Bastide in die Hauptstadt Georgiens schickte, hat die russische Regierung das Cxequatur verweigert, „weil er ein <hi rendition="#g">rother</hi> Republikaner sei.“</p> <p>‒ Eine Post aus den La Platastaaten bringt uns Berichte bis zum 13. August, welche melden, daß dort am 9. desselben Monats fürchterliche Erdstöße verspürt wurden, die von unterirdischem Getöse, gleich dem Donner, begleitet waren.</p> <p>Die politische Lage der Dinge ist immer noch die alte. Man erwartete aus Paris und London endlich die diplomatische Beilegung unserer kommerziellen Händel.</p> <p>‒ Heute erscheint der Gerant des legitimistisch-philippistischen Schmähblattes, Lampion, vor den Assisen, wegen eines Artikels, der zu einer Zeit erschien, wo die Nadelstiche dieses Blattes dem Herrn Senard noch gefährlich dünkten.</p> <p>Für den 8. November ist die alte grauhärige Gazette de France wegen ähnlicher Nadelstiche gegen die Republik vor die Schranken derselben Assisen geladen.</p> <p>‒ Die Bürgerwehr von Bar sur Aube ist durch ein Dekret der Vollziehungsgewalt aufgelös't. Diese Bürgerwehr hatte ihren antirepublikanischen Geist durch gar zu grobe Injurien gegen den dortigen Präfekten bekundet.</p> <p>‒ Dem philippistischen Blatte „Assemblee Nationale“ wird aus Caen vom 28. Okt. geschrieben, daß Guizot als Kandidat für die Nationalversammlung im Departement Calvados auftrete und die gegründetste Aussicht auf Erfolg habe. Dieses Departement hat im Laufe des künftigen Monats in der That zur Ersatzwahl eines Volksvertreters an des verstorbenen Durands Stelle zu schreiten. Caen ist bekanntlich die Hauptstadt des Departements Calvados.</p> <p>‒ Das bonapartistische Blatt „Le petit Caporal“ ist aus Mangel an Kaution eingegangen.</p> <p>‒ Am nächsten Montag werden sich, wie man hört, unter Ledru-Rollins Vorsitz, die sämmtlichen hier anwesenden deutschen, polnischen, italienischen und spanischen Demokraten in einem Bankett am Mont-Parnasse vereinigen, um gemeinschaftlich über allgemeine Verbrüderung der Völker und Errichtung einer Universalrepublik zu berathen. Ledru-Rollin befindet sich zwar in diesem Augenblick abwesend, wird aber bis zum nächsten Montag hier in Paris zurückerwartet.</p> <p>‒ Changarnier, Befehlshaber der Pariser Bürgerwehr, läßt die Namen derjenigen Nationalgardisten aufschreiben, die den neulich von uns gemeldeten Ausflug von London nach Clarendon zu ihrem „unglücklichen Freunde Louis Philipp“ machten, um ihm die Beileidsadresse zu überreichen. Die Beileidsbezeugungen gehören, wie man sagt, der 1. und 3. Legion an, die gestern mäuschenstill im Tuilerienhofe vorbeimarschirte, während die 5. Legion aus vollem Halse rief: „Es lebe die demokratische Republik!“</p> <p>‒ Die Nationalversammlung berührt jetzt einen überaus delikaten Punkt, nämlich das sogenannte rektifizirte Budget von 1848, das über 1,800,000,000 Fr. beträgt und manche lehrreiche Aufschlüsse enthält. So vermehrte sich das Beamtenheer unter Louis Philipp seit 1832 um 3500 Mann, die nahe an 63 Mill. Fr. verzehrten, darunter 12,000 Offiziere oder Militärbeamte mit 30,000,000 Fr. Aussteuer. Aus diesem einzigen Posten sieht man: wer eigentlich in der Julimonarchie mit den schärfsten Zähnen an den Produktionskräften unseres braven Stadt- und Land-Proletariats nagte? Ein Generalstab von Faulenzern mit einem Budget von 63,000,000 außer dem übrigen unübersehbaren Heere von Beamten.</p> <p>‒ Die Journalpolemik wird allmälig leidenschaftlicher. Die Presse tritt offen für den Exprinzen Louis Bonaparte auf und das Journal des Debats beschwört seine Leser in einem etwas mystischen Artikel ihre Stimme dem Marschall Bugeaud zu geben. Oder ist der Artikel eine Reklame für Cavaignac?</p> <p><hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Sitzung vom 30. Oktober. Anfang 1 Uhr. Pagnerre präsidirt.</p> <p>An der Tagesordnung befindet sich zunächst die Wahl einer Aufsichts-Kommission für die Amortissements-, Depositen- und Consignations-Kasse, der Goudchaux noch in seinen letzten ministeriellen Tagen die Gratisverwaltung der aus Failliten entspringende, Baarbestände übertrug, was den Wirkungskreis derselben bedeutend erweitert.</p> <p>Es stimmten im Ganzen 642.</p> <p>Also absolute Mehrheit 322.</p> <p>Davon erhielten a) Goudchaux 484. b) Duclerc 335. c) Berryer 316. und d) Dupont (aus Bussac) 197 Stimmen.</p> <p>Goudchaux und Duclerc werden als Glieder jenes Aufsichtsraths proklamirt, wegen des dritten Glieds muß morgen das Skrutin erneuert werden da weder Berryer noch Dupont die erforderliche Majorität erreichte.</p> <p>Vizepräsident Pagnerre liest 20 bis 25 Briefe vor, die um Urlaub ersuchen. (Viele Stimmen rufen: Man gebe Allen oder Keinem mehr Urlaub!)</p> <p><hi rendition="#g">Buchey</hi> schlägt einen Ausschuß zur Prüfung dieser Urlaubsgesuche vor.</p> <p>Nach einigem Tumult werden alle Urlaube bewilligt.</p> <p><hi rendition="#g">Sarraus</hi> legt ein Gutachten nieder, das einen Kredit von 670,000 Fr. für das auswärtige Ministerium billigt.</p> <p><hi rendition="#g">Bastide</hi> verlangt schleunige Erledigung.</p> <p>Sie soll am Donnerstag erfolgen.</p> <p><hi rendition="#g">Freslon,</hi> der neue Unterrichtsminister bittet ebenfalls um schleunige Erledigung eines Kredits von 12500 Fr. für Einrichtung der Louvrebibliothek etc. etc.</p> <p>Ohne Widerstreit bewilligt.</p> <p>Die Versammlung geht nun zum Gegenstande ihrer eigentlichen Tagesordnung, zu dem rektifizirten Büdjet für das heillose Jahr 1848 über.</p> <p><hi rendition="#g">Trouve-Chauvel,</hi> der neue Finanzminister, hält seine Jungfern-Rede. Er bittet die Versammlung, ihm sowohl in Gegenwart als Zukunft Nachsicht zu schenken. Plötzlich berufen, ein so wichtiges Amt zu erfüllen, habe er sich aufgeopfert und sich den Männern beigesellt, die er schon seit lange kenne (Beifall zur Rechten, bescheidenes Lächeln auf einigen Bänken der hohen Linken.) Im Verlaufe seiner Rede erklärt der Minister, daß den Trägern der Tresorbons (meistens Millionäre!) und der ehemalige Sparkassenbüchel (meistens Dienstboten!) eine angemessene Entschädigung nachgezahlt werden solle. (Starker Beifall zur Rechten.)</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0667/0003]
Auf solche Weise erklärt der Hr. Regierungspräsident den brutalen Exzeß eines durch falsche Einreden irregeleiteten, fanatisirten Haufens!
Elbing genießt gegenwärtig unter dem Schutze von Bajonetten und Spitzkugeln Ruhe. Doch wagen es nur Wenige, eine deutsche Kokarde zu tragen. Wer es thut, wird auf der Straße und aus den Fenstern gehöhnt. Ja, man erzählt sich, das Volk habe es darauf abgesehen, drei der Bedeutenderen unter den Freisinnigen bei Nacht und Nebel zu überfallen und zu erschlagen, als Revanche für ‒ ‒ Latour!! Unter solchen Umständen glauben, die Feindschaft gegen die freie Richtung der neuen Zeit habe im Volke selbst seinen Ursprung ‒ ist nur ein Regierungspräsident der alten Zeit im Stande, der mit der gleichen Feindschaft im Herzen den Ort des Verbrechens betritt.
(Nat. Z.) 15 Berlin, 30. Okt. In der gestrigen Abendsitzung des „demokratischen Kongresses“ wird ein von A. Ruge verfaßter „Aufruf an das deutsche Volk“ trotz oder vielleicht wegen seiner matten Inhaltslosigkeit fast einstimmig angenommen. Der Hauptgrund zum Accept dieses von A. Ruge auf das deutsche Volk gezogenen Wechsels war ‒ man errathe! ‒ daß der Aufruf bereits unter der Presse sich befinde. Schrecklich, aber wahr.
Eine Reihe mehr oder minder umfangreicher Austrittserklärungen liegt vor. Nach längerer Debatte wird der Antrag gestellt, solche Erklärungen nicht mehr zum Vortrage bringen zu lassen. Ein Redner erklärt dies für Terrorismus und hielt über diesen erquicklichen Gegendstand ein langes und langweiliges Deklamatorium, häufig unterbrochen durch „Bravo,“ „Klatschen“ und Rufen nach „Schluß.“ Nachdem dieser Redner geendet, legt Vizepräsident Asch in sittlicher Entrüstung sein Amt nieder und erklärt seinen Austritt aus der Versammlung. Ihm folgen die schlesischen Deputirten Hoyoll und Engelmann. Der Antragsteller bemerkt, es sei Terrorismus gegen die Versammlung, wolle man sie zwingen, Erklärungen von Leuten zu hören, die nach ihrem Austritt nicht mehr zur Versammlung gehören.
Fast die ganze Rechte geht fort. Die Versammlung beschließt, keine Erklärung mehr zu hören und geht über diese Angelegenheit zur Tagesordnung über.
Es wird beschlossen, die „Menschenrechte“ von Oppenheim-Robespierre im Namen des Kongresses den einzelnen Vereinen zu übermachen, damit sie in diesen besprochen und Bericht darüber erstattet werde. Die Vereine werden so jedenfalls um einen erklecklichen Gegenstand der Diskussion reicher.
Ebenso werden vom Kongresse Grundrechte, die Bürger Hexamer dem deutschen Volke zugedacht, akklamirt und der Schluß der Revolution bis zur Verwirklichung dieser Grundrechte vertagt. Die revolutionäre Bewegung hat so ein handgreifliches Ziel gewonnen.
Bürger Everbeck aus Paris trägt eine Adresse des demokratischen Polencomite's zu Paris und eine andere des Vereins italienischer Demokraten an den Kongreß vor. Antwort auf beide wird beschlossen, ebenso der Abdruck sämmtlicher Protokolle, Anträge und Proteste.
In den Centralausschuß werden gewählt: D'Ester (aus Köln), Reichenbach (aus Schlesien) und Hexamer (aus Berlin); zu Stellvertretern: Gottschalk und Anneke I. (aus Köln), Bayrhofer (aus Hessen), Schramm (aus Berlin) Schnake (aus Westphalen), und Erbe (aus Altenburg).
In derselben Sitzung wird ein Aufsatz vom Berichterstatter über die Lösung der socialen Frage verlesen und auf Beschluß des Kongresses sämmtlichen Vereinen zur Berichterstattung empfohlen. Die Vereine sollen überhaupt die Resultate ihrer Diskussionen über die sociale Frage dem Centralausschuß einschicken.
Mehre Anträge gegen die Frankfurter Versammlung, die auf Auflösung, Säuberung derselben u. s. w. dringen, werden durch die Bemerkung beseitigt, daß diese Versammlung an ihrer eigenen Erbärmlichkeit zu Grunde gehen werde.
In der heutigen Sitzung erregten die Verhaftungen Senins, Silbersteins und der Verhaftungsversuch gegen Braklow (aus Schleswig-Holstein) große Aufregung. Eine zum Staatsprokurator geschickte Deputation bringt die Nachricht, die Verhaftung sei auf Grund einer Denunziation von einem Polizisten verfolgt. Der Kongreß schickt eine zweite Deputation an das Richterkollegium, um die sofortige Freilassung der Gefangenen zu verlangen. Ein Plakat theilt dem Berliner Publikum diese Thatsache mit und macht es darauf aufmerksam, daß zwar die Form beobachtet sei, diese aber nie gegen Willkür schütze, so lange die alten Bureaukraten noch in Amt und Stelle. Jetzt sei zwar noch die Zeit des Duldens; bald werde die Zeit der Abrechnung kommen. *) Die Redaktion der „N. Rh. Ztg.“ behält sich die Kritik der Verhandlungen des demokratischen Kongresses für den Augenblick vor, wo seine Protokolle offiziell veröffentlicht sind.
Posen, 27. Okt. Die polnischen Bürger Posens haben dem früheren Deputirten an der Nationalversammlung in Frankfurt, dem Geistlichen Janiczewski, folgende Dankadresse überreichen lassen:
„Verehrter Mitbürger! Gestatte es, daß Deine dankbaren Landsleute Dir, den eifrigen und kräftigen Vertreter ihrer theuersten Rechte auf der Frankfurter Nationalversammlung ihre innigsten und aufrichtigsten Dankgefühle aussprechen. Je mehr uns die Schwierigkeit der Dir gewordenen Aufgabe und das Bittere Deiner Stellung bekannt war, um so höher wissen wir Deine Thatkraft zu schätzen; ja! schwierig war Deine Aufgabe, die polnische Nationalsache so kräftig, so würdevoll vor einer Versammlung zu vertheidigen, die, dem durch die Revolution zur Geltung gebrachten Grundsatze der Brüderlichkeit aller Völker entgegen, leider jetzt noch dem Systeme der Eroberung huldigt. Bitter war Deine Stellung dadurch, daß Du die heiligste und gerechteste Sache erst noch vertheigen mußtest, und zwar vor einer Versammlung, die nicht nur laut und offen die macchiavelistischen Grundsätze der Uebermacht verbreitet, sondern es sogar gewagt hat, auf die Unglücklichen und Unterdrückten die niedrigsten Verläumdungen zu werfen. Würdig hast Du Deine Aufgabe gelöst; männlich hast Du allen Widerwärtigkeiten die kühne Stirn dargeboten! Dies hat die Welt bereits anerkannt und selbst unsere Widersacher haben es zugestehen müssen, und Deine Bemühungen können nicht ohne die schönsten Früchte bleiben. Dir ist es nicht nur gelungen, durch eine würdige Verfechtung mit gewandter Beredtsamkeit den Beweis zu führen, daß noch die Polen vorhanden sind, deren Vorfahren bei Wien die Freiheit und die Civilisation im Kampfe gerettet haben, sondern Du hast es auch kühn verkündet, daß wir auch jetzt noch unvertilgbar sind. Mit Recht rühmen sich daher die Einwohner des Buker- und Samterschen Kreises, daß sie Dich zum Vertheidiger ihrer bedrohten Nationalität gewählt haben; mit Recht sind die Polen stolz darauf, Dich ihren Landsmann zu nennen, und gewiß mit vollem Rechte freut sich das Vaterland seines thatkräftigen Sohnes, dem ewiger Ruhm und die unbegränzte Dankbarkeit seiner Mitbürger gebührt, die wir jetzt mit voller Ueberzeugung ausrufen können:
noch ist Polen nicht verloren, so lange es noch solche Söhne besitzt, wie Dich.
Posen, den 14. Oktober 1848.
Triest, 24. Okt. Gestern Abend hatten wir eine kleine Ruhestörung, doch kann man ihr keine ernste Bedeutung beilegen. Schon seit einigen Tagen fanden kleine Krawalle in Folge der Ausstellung von dreifarbigen (italienischen) Tüchern in einigen Läden am Corso Statt, die das Volk nicht sehen wollte. Sie endigten meistens mit Fenstereinschlagen, oder damit, daß man die Tücher auf Verlangen des Volkes wieder hineinthat. Gestern fand das Nämliche Statt, als einige (18-20) bezahlte Leute hinzukamen, die zwar nicht die Wiederausstellung der Tücher verlangten, wohl aber Rufe wie: Morte ai gamberi (gewöhnliche Bezeichnung der Reaktionäre, die, wie die radikalen Straßenzeitungen behaupten, auch hier in Menge sein sollen); Abasso il Diavoletto (ebenfalls eine Straßenzeitung, die jedoch streng konstitutionell ist und mit beißendem Humor die radikalen Collegen züchtigt). So lange bloß solche Rufe ertönten, ließ man sie gewähren; als man aber anfing, einige Fenster einzuwerfen, nahm man mehrere Verhaftungen vor, worauf sich die Leute vor die Nationalgardehauptwache begaben, wo sie die Freilassung der Gefangenen verlangten, zugleich sich aber zurückzogen, um nicht selbst gefangen zu werden. Bald war der Börsenplatz voll von Leuten, und um frei wirken zu können, ließ die Nationalgarde Platz machen, während starke Patrouillen den Platz und die Straßen in der Nähe durchstreiften. Bald gelang es den im Dienste befindlichen zwei Compagnieen Nationalgarde die Ordnung herzustellen, ohne der Hülfe des bereits in der Nähe befindlichen Militärs zu bedürfen. Die ganze Bewegung, welche im Anfange anarchisch zu werden schien, da ein paarmal sogar: viva la repubblica, viva i Viennesi geschrieen wurde, endete im entgegengesetzten Sinne mit Rufen wie: viva Ferdinando, viva l' Austria, abasso i tre colori, morte ai Veneziani, morte ai repubblicani etc. Heute ist alles ruhig.
(A. A. Ztg.) Italien. * Livorno, 21. Oct. Montanelli's Rückkehr wird ängstlich erwartet. Aus Pisa, Lukka und den benachbarten Maremmen treffen bewaffnete Haufen ein, zum Theil aus Deserteurs bestehend und, wie man sagt, nur den Vortrab eines größeren Zuzuges von mehr als 6000 Mann bildend, den Carrara und die äußerste Maremme schicken wollen. Livorno ist entschlossen, nach Florenz zu marschiren, um den Großherzog zur Wahl eines demokratischen Ministeriums zu zwingen.
Schweiz. * Bern, 26. Okt. Der Aufstand zu Freiburg, ebenso rasch unterdrückt als eklatirt, war nicht mehr und nicht weniger als ein sonderbündlerisches Pfaffenkomplott, das die bestehende Regierung zu stürzen und die ultramontane Partei wieder ans Ruder zu bringen beabsichtigte. Die Geschichte ist auf dem Sitze der Familie Maillardoz zu Rue ausgeheckt worden, und zu Chatel-Saint-Denis, einem drei Stunden von der waadtländischen Gränze entfernten Städtchen, kam sie zum Ausbruch. Hier war es, wo der Bruder und die Neffen des Bischofs Marilley 1000 Mann auf die Beine gebracht hatten, mit welchen sie von Romont und Rue aus einen Angriff auf Freiburg versuchen wollten. Der Präfekt von Chatel-Saint-Denis wurde 4 Uhr früh am 24. Okt. von den Insurgenten gefangen genommen, der Unterpräfekt entkam jedoch nach Vevey, bat den dortigen Präfekten um schleunige Hülfe, und dieser, von den Vollmachten Gebrauch machend, welche ihm der waadtländische Staatsrath, in Voraussicht eines ähnlichen Falles, vor mehreren Wochen gegeben hatte, entwickelte eine solche Thätigkeit, daß zwei waadtländische Bataillone noch am nämlichen Tage in Freiburg einrückten. Gleichzeitig ließ auch die Freiburger Regierung ihre Truppen zusammentreten, und erbat sich außerdem den Beistand des Vororts, welcher augenblicklich ein Berner Bataillon nach Freiburg schickte und Herrn Ochsenbein als eidgenössischen Kommissar ebendahin abgehen ließ. Der Bischof Marilley wurde noch in der Nacht vom 24. auf den 25. Okt. auf Befehl des Freiburger Staatsrathes gefangen genommen und nach Lausanne gebracht.
Französische Republik. * Paris, 30. Okt. Ueber Louis Napoleons Kandidatur bemerkt die Reforme:
Man muß sich nicht darüber täuschen: Louis Napoleon ist nicht nur der Kandidat derjenigen, welche mit geschlossenen Augen vor dem Genie seines Onkels auf die Knie sinken; er wird selbst getragen durch die, welche diesen großen Namen besudelt haben und ihn während 15 Jahren mit Vorwürfen überhäuft haben. Es war Sr. kaiserlichen Hoheit vorbehalten, die disparatesten Meinungen zu ralliiren, einbegriffen die unversöhnlichsten Feinde des einzigen Titels, den sie anruft, die Feinde ihres Familienruhmes.
Der Prinz Louis ist der Kandidat aller dynastischen Hoffnungen. Aus Haß gegen die Republik, werden für ihn stimmen die Henricinquisten und Philippisten, die Royalisten der ältern und der jüngern Linie. Alle diese Rivalitäten, vereinigt in diesem Augenblicke, betrachten ihn als ihren Uebergangsbalken und sie rekrutiren für diesen Kandidaten unter dem Vorbehalte, im günstigen Moment sich den Uebergang streitig zu machen.
Uebrigens gibt es nichts Unklugeres, als die Art und Weise, wie diese Kandidatur sich anmeldet. Während man sich z. B. dagegen vertheidigt, sie zu suchen und sie höchstens als Beweis von Nachgiebigkeit gegen die öffentliche Meinung acceptirt, hat man gleichzeitig in allen Departementen Diener, welche auf alle Weise das Eisen schmieden. Gelegenheitszeitungen werden, so sagt man, an allen vier Hauptpunkten des Landes und in einigen großen Centren geschaffen. Man nennt schon die ergebenen Federn, die Paris verlassen, um diese Zeitungen zu dirigiren. Andere Chronik! Liebe Getreue der Restauration und der Quasirestauration sollen bei Herrn Louis gesehen worden sein.
Man sagt uns, daß Louis Napoleon sich durch seine Nichtigkeit empfiehlt. Weil er nichts gethan hat, hält man ihn für geeignet, alles zu thun. Louis Napoleon, der eben so wenig „Geist als Muth“ in den Augen der „Presse“ von 1840 besaß. Louis Napoleon, der damals „keine Partei, sondern nur eine schlechte Karikatur“ war, Louis Napoleon ist 1348 der unentbehrliche Mann: „Louis Napoleon, das ist die Zukunft.“
Aber wie kann man sagen, daß er nichts gethan hat, dieser universelle Kandidat, der so bescheiden ist, daß er seine ganze Vergangenheit vergißt und sich nur an seinen Namen erinnert. O Straßburg! O Boulogne! O tapfere Palatine von Egliton! O Dandy's von Drury-Lane! O Konstabler von London, die ihr die Ruthe in seine Hande gegeben habt, kommt her und zeugt von seinen Heldenthaten! Und ihr,„liebenswürdige Faubourgs“ Louis Philipp's, „revolutionärer Auswurf,“ könnt noch einmal die Komödie spielen sehn! Die Bonaparte's haben nichts mit den Insurgenten zu thun; sie haben es auch von der Tribüne herab gesagt und sie haben ohne Zweifel Recht, obgleich eine Insurrektion uns sie wiedergegeben hat. Und ihr braven Landleute stimmt durch Akklamation! Herr Louis, wir haben es gesagt, hat erst zwei Vota abgegeben, indem er die Hypothekenbons verwarf, hat er euch dem Wucher als Beute überlassen; indem er für das alte militärische Ersatzwesen stimmte, hat er auch ein Privilegium erhalten, das Privilegium der Steuer des Blutes.
Paris, 30. Oktober. Der Moniteur theilt auf seinen ersten drei Folioseiten Ehrenmünzen an diejenigen Bürger aller Departements aus, die sich im Laufe der letztverflossenen drei Monate durch irgend eine muthige und ehrenvolle Civilhandlung auszeichneten. Wir sehen auf den langen Listen meistens Bauern, Soldaten und Arbeiter, die bei Feuer- oder Wassergefahren ihr eigenes Leben, zur Rettung Anderer, in die Schanze schlugen.
‒ Die „Breslauer Zeitung“ hatte angezeigt, daß ein Franzose, Namens Marchand, in Warschau zu Tausend Knutenhieben verurtheilt worden und während der Duldung dieser Strafe gestorben sei. Der französische Konsul in Warschau habe jede Vermittelung zu Gunsten dieses Unglücklichen verweigert etc. Die Regierung der französischen Republik beeilte sich, von diesem Konsul über jenes Ereigniß Rechenschaft zu fordern, und hat von demselben jetzt Aufklärungen erhalten, welche die Thatsache klarer darstellen. Laut dieser Aufklärungen ist Marchand an seinen Wunden nicht gestorben; er hat erst die Hälfte der ihm zugesprochenen 1000 Knutenhiebe erduldet; die andere Hälfte ist ihm erlassen worden. Marchand ist angeklagt gewesen, republikanische Propaganda unter dem russischen Militär gemacht zu haben. Die Untersuchung gegen ihn wurde geheim gehalten, und der französische Konsul erfuhr die Thatsachen erst, nachdem schon die Hälfte des Urtels vollstreckt war. Marchand wurde übrigens in Rußland, obgleich von französischen Eltern, geboren, und that nie die nöthigen Schritte, um seinen französischen Ursprung zu konstatiren. Er befindet sich daher auch nicht in den Stammlisten des französischen Konsulats zu Warschau eingeschrieben. Der Konsul hatte von seiner Gegenwart in Warschau durchaus keine Kenntniß. Wie dem aber auch sei, Konsul Theis beeilte sich sofort, sobald ihm die Thatsachen bekannt worden waren, bei dem Fürsten Paskewitsch die der Wichtigkeit der Sache angemessenen Schritte zu thun und durch ein Gnadengesuch die Umwandelung der lebenswierigen Verbannungsstrafe nach Sibirien zu erwirken, zu welcher der unglückliche Marchand noch außer den 1000 Knutenhieben verurtheilt worden war.
(Moniteur vom 30. Okt.)
‒ Unser Konsul Theis in Warschau wird nach Tiflis versetzt. Einem früheren Beamten, den Bastide in die Hauptstadt Georgiens schickte, hat die russische Regierung das Cxequatur verweigert, „weil er ein rother Republikaner sei.“
‒ Eine Post aus den La Platastaaten bringt uns Berichte bis zum 13. August, welche melden, daß dort am 9. desselben Monats fürchterliche Erdstöße verspürt wurden, die von unterirdischem Getöse, gleich dem Donner, begleitet waren.
Die politische Lage der Dinge ist immer noch die alte. Man erwartete aus Paris und London endlich die diplomatische Beilegung unserer kommerziellen Händel.
‒ Heute erscheint der Gerant des legitimistisch-philippistischen Schmähblattes, Lampion, vor den Assisen, wegen eines Artikels, der zu einer Zeit erschien, wo die Nadelstiche dieses Blattes dem Herrn Senard noch gefährlich dünkten.
Für den 8. November ist die alte grauhärige Gazette de France wegen ähnlicher Nadelstiche gegen die Republik vor die Schranken derselben Assisen geladen.
‒ Die Bürgerwehr von Bar sur Aube ist durch ein Dekret der Vollziehungsgewalt aufgelös't. Diese Bürgerwehr hatte ihren antirepublikanischen Geist durch gar zu grobe Injurien gegen den dortigen Präfekten bekundet.
‒ Dem philippistischen Blatte „Assemblee Nationale“ wird aus Caen vom 28. Okt. geschrieben, daß Guizot als Kandidat für die Nationalversammlung im Departement Calvados auftrete und die gegründetste Aussicht auf Erfolg habe. Dieses Departement hat im Laufe des künftigen Monats in der That zur Ersatzwahl eines Volksvertreters an des verstorbenen Durands Stelle zu schreiten. Caen ist bekanntlich die Hauptstadt des Departements Calvados.
‒ Das bonapartistische Blatt „Le petit Caporal“ ist aus Mangel an Kaution eingegangen.
‒ Am nächsten Montag werden sich, wie man hört, unter Ledru-Rollins Vorsitz, die sämmtlichen hier anwesenden deutschen, polnischen, italienischen und spanischen Demokraten in einem Bankett am Mont-Parnasse vereinigen, um gemeinschaftlich über allgemeine Verbrüderung der Völker und Errichtung einer Universalrepublik zu berathen. Ledru-Rollin befindet sich zwar in diesem Augenblick abwesend, wird aber bis zum nächsten Montag hier in Paris zurückerwartet.
‒ Changarnier, Befehlshaber der Pariser Bürgerwehr, läßt die Namen derjenigen Nationalgardisten aufschreiben, die den neulich von uns gemeldeten Ausflug von London nach Clarendon zu ihrem „unglücklichen Freunde Louis Philipp“ machten, um ihm die Beileidsadresse zu überreichen. Die Beileidsbezeugungen gehören, wie man sagt, der 1. und 3. Legion an, die gestern mäuschenstill im Tuilerienhofe vorbeimarschirte, während die 5. Legion aus vollem Halse rief: „Es lebe die demokratische Republik!“
‒ Die Nationalversammlung berührt jetzt einen überaus delikaten Punkt, nämlich das sogenannte rektifizirte Budget von 1848, das über 1,800,000,000 Fr. beträgt und manche lehrreiche Aufschlüsse enthält. So vermehrte sich das Beamtenheer unter Louis Philipp seit 1832 um 3500 Mann, die nahe an 63 Mill. Fr. verzehrten, darunter 12,000 Offiziere oder Militärbeamte mit 30,000,000 Fr. Aussteuer. Aus diesem einzigen Posten sieht man: wer eigentlich in der Julimonarchie mit den schärfsten Zähnen an den Produktionskräften unseres braven Stadt- und Land-Proletariats nagte? Ein Generalstab von Faulenzern mit einem Budget von 63,000,000 außer dem übrigen unübersehbaren Heere von Beamten.
‒ Die Journalpolemik wird allmälig leidenschaftlicher. Die Presse tritt offen für den Exprinzen Louis Bonaparte auf und das Journal des Debats beschwört seine Leser in einem etwas mystischen Artikel ihre Stimme dem Marschall Bugeaud zu geben. Oder ist der Artikel eine Reklame für Cavaignac?
Nationalversammlung. Sitzung vom 30. Oktober. Anfang 1 Uhr. Pagnerre präsidirt.
An der Tagesordnung befindet sich zunächst die Wahl einer Aufsichts-Kommission für die Amortissements-, Depositen- und Consignations-Kasse, der Goudchaux noch in seinen letzten ministeriellen Tagen die Gratisverwaltung der aus Failliten entspringende, Baarbestände übertrug, was den Wirkungskreis derselben bedeutend erweitert.
Es stimmten im Ganzen 642.
Also absolute Mehrheit 322.
Davon erhielten a) Goudchaux 484. b) Duclerc 335. c) Berryer 316. und d) Dupont (aus Bussac) 197 Stimmen.
Goudchaux und Duclerc werden als Glieder jenes Aufsichtsraths proklamirt, wegen des dritten Glieds muß morgen das Skrutin erneuert werden da weder Berryer noch Dupont die erforderliche Majorität erreichte.
Vizepräsident Pagnerre liest 20 bis 25 Briefe vor, die um Urlaub ersuchen. (Viele Stimmen rufen: Man gebe Allen oder Keinem mehr Urlaub!)
Buchey schlägt einen Ausschuß zur Prüfung dieser Urlaubsgesuche vor.
Nach einigem Tumult werden alle Urlaube bewilligt.
Sarraus legt ein Gutachten nieder, das einen Kredit von 670,000 Fr. für das auswärtige Ministerium billigt.
Bastide verlangt schleunige Erledigung.
Sie soll am Donnerstag erfolgen.
Freslon, der neue Unterrichtsminister bittet ebenfalls um schleunige Erledigung eines Kredits von 12500 Fr. für Einrichtung der Louvrebibliothek etc. etc.
Ohne Widerstreit bewilligt.
Die Versammlung geht nun zum Gegenstande ihrer eigentlichen Tagesordnung, zu dem rektifizirten Büdjet für das heillose Jahr 1848 über.
Trouve-Chauvel, der neue Finanzminister, hält seine Jungfern-Rede. Er bittet die Versammlung, ihm sowohl in Gegenwart als Zukunft Nachsicht zu schenken. Plötzlich berufen, ein so wichtiges Amt zu erfüllen, habe er sich aufgeopfert und sich den Männern beigesellt, die er schon seit lange kenne (Beifall zur Rechten, bescheidenes Lächeln auf einigen Bänken der hohen Linken.) Im Verlaufe seiner Rede erklärt der Minister, daß den Trägern der Tresorbons (meistens Millionäre!) und der ehemalige Sparkassenbüchel (meistens Dienstboten!) eine angemessene Entschädigung nachgezahlt werden solle. (Starker Beifall zur Rechten.)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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