Neue Rheinische Zeitung. Nr. 132. Köln, 2. November 1848.Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung über die Verfassung (§. 4.). - Ergänzungswahlen. - Anfang 9 1/2 Uhr. Es sind etwa 100 Abgeordnete und 20 Zuschauer da. Präsident Gagern. Vor der Tagesordnung. Präsident theilt mit, daß der Abgeordnete Wiethaus aus Westphalen ausgetreten; dagegen neu eingetreten Werner für Offenburg. (S. unten, es ist der steckbrieflich verfolgte.) Heimbrodt für Breslau, Richter aus Mähren. - Unter andern Flottenbeiträgen wird angezeigt: Eine Obligation des ehemaligen Königreichs Westphalen (Gelächter) und ein paar Ohrringe von einem deutschen Mädchen (Bravo). Der Abgeordnete Stein aus Oesterreich erklärt schriftlich, daß er sich der Abstimmungen bei dem Verfassungsentwurf enthalten wird. (Dieses Unglück.) Mehrere Berichte werden zum Druck angekündigt. Plathner (im Namen des Central-Legitimationsausschusses). Bericht wegen der Wahl des steckbrieflich verfolgten Advokat Werner für Offenburg (S. oben) in Baden. Der Ausschuß beantragt: da der formellen Wahlberechtigung des Herrn Werner nichts entgegensteht, eine Commission niederzusetzen, welche über den Antrag der badischen Regierung (den Werner zu verhaften) der Nationalversammlung ihr Gutachten vorlegt. Man geht auf diesen Gegenstand sofort ein. Rösler (Oels) protestirt dagegen, weil Werner nicht anwesend ist Trotzdem stimmt man ab, und der Antrag des Ausschusses wird angenommen. Die Angelegenheit wird dem Blum-, Günther-, Simon-, Zitz-, Schlöffel-, Löw-, Bernhardy-, Jürgens'schen (Polizei)-Ausschuß zugewiesen. Zachariä (vom internationalen Ausschuß) theilt mit den Bericht über die "Schaumburg-Lippe'sche" Petition, resp. Protestation gegen jeden Eingriff in ihre politische Selbstständigkeit (Mediatisirung!) (Gelächter.) Der Antrag des Ausschusses geht dahin, die Petition ad acta zu legen. Wiegard, Jucho, Adams u. a reden einige Worte über diesen Gegenstand, die beiden ersteren wollen die Petition nicht ad acta, sondern dieselbe in Erwägung ziehen, wenn von den Mediatisirungen (§. 5. der Verfassung) überhaupt gesprochen werden wird. Schierenberg will sie an den Verfassungsausschuß. Das Letztere wird angenommen. Fernerer Bericht über den Antrag von Zimmermann aus Spandau, betreffend die deutschen Juni-Gefangenen in Paris. Antrag des Ausschusses: Tagesordnung! (Bravo links!) Wegen der Junigefangenen streiten die Herren Zimmermann aus Spandau und Zachariä sich etwas herum, worauf man beschließt, diesen Gegenstand heut nicht zu berathen, sondern auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen, wie es Hrn. Zimmermann's Wunsch ist. Jetzt folgt ein Berg von Interpellationen! Joseph (Sachsen) fragt das Reichs-Justizministerium, ob es bekannt mit der scheußlichen Ermordung von wiener Studenten durch Auersperg'sches Militär, und ob es dem Mord an dem Reichsverräther Latour mehr Sympathien widmet als der Ermordung jener Kämpfer für Freiheit und Ordnung Ferner, ob demselben Ministerium bekannt, daß die am 18. September in Frankfurt Gefangenen viele Mißhandlungen von den Soldaten haben erleiden müssen? Demel. Das gesetzliche Organ Oesterreich's (der Reichstag) habe das von Windischgrätz angekündigte Bombardement Wiens für ungesetzlich erklärt - ob in Folge dessen von den Reichskommissären Welker und Mosle hierüber berichtet, und wenn dies nicht geschehen, was vom Reichsministerium gethan, um dem wiener Reichstag Kraft zu verschaffen, dem Windischgrätz die Spitze zu bieten? Nauwerk. Welche Schritte haben die Commissäre Welker und Mosle gethan, um ihrem Auftrag zu genügen, und welchen Erfolg haben ihre Schritte gehabt? Förster von Hünfeld. Wie es mit dem längstversprochenen Minister-Programm aussieht? Beseler (interpellirt zum erstenmal). Nach vorherigen Erwägungen, welche über 15 Minuten Zeit wegnehmen, fragt er das Ministerium, ob es nicht möglich, daß den mit Einquartirung belasteten Staatsbürgern eine sofortige Entschädigung gegeben werde? Joseph Frank. Welche Mittheilungen sind von den Reichskommissären in Oesterreich eingegangen? - Ob das Ministerium gegen die ungesetzliche Betretung des deutschen Bodens von Seiten Jellachich's, und zu friedlicher Lösung des österreichischen Bürgerkrieges Schritte gethan? Justizminister von Mohl: (auf Joseph's Interpellation, s. oben). Von den Mißhandlungen der am 18. September Gefangenen ist ihm nichts bekannt. Wegen der Ermordung der österreichischen Studenten hat er sich an die österreichische Regierung gewendet, noch keine Antwort erhalten, es ist aber an die Reichskommissäre die Weisung ergangen, auf alle Art zuzusehen, daß dieser Bürgerkrieg menschlich geführt werde. Auf Untersuchung und Bestrafung der Mörder der wiener Studenten sei angetragen. Ob bei einer solchen Untersuchung das Justizministerium einen Rangunterschied mache, überläßt er der Beurtheilung der Nationalversammlung. (Diese Beurtheilung erfolgt sofort durch heftiges Bravo der Centren und Rechten.) Minister Schmerling nimmt sich die Aehre (Ehre) verschiedene Interpellationen zu beantworten. Ad 1. auf die Interpellation Försters von Hünfeld wegen eines Ministerprogramms. Der Minister weiß nicht, was mit einem solchen Programm gemeint sei. (Links hört!) Der Geschäftskreis der Minister sei ja der Versammlung bekannt. - Es könne bloß ein Programm der auswärtigen Politik gemeint sein. Dies würde sich erst mit dem Definitivum der Centralgewalt genau feststellen lassen. Aber einiges ließe sich schon bemerken. - Folgen einige längstbekannte Bemerkungen über Schleswig und Italien (voila ein Programm der auswärtigen Politik). Links ruft man: Und die Schweiz! (Bleibt unberücksichtigt). Auf Interpellationen wegen Oesterreich (Nauwerk, Frank, Demel) erwidert der Minister: Die Absendung von Reichkommissären und das Benehmen des Reichsministeriums in der österreichischen Angelegenheit sei von der Nationalversammlung gebilligt worden. (Das ist wahr!) Die Reichskommissäre (Welker und Mosle) theilen aus Ollmütz (!) mit, sie haben sich über den Zustand in Kenntniß gesetzt (eheu!) und demnächst ihre Vermittelung begonnen. In Wien war ihnen zu viel Unordnung, deßhalb haben sie von Ollmütz aus an Kraus, Smolka und Windischgrätz Erklärungen abgegeben, jedes Zusammentreffen mit den Waffen solle vorerst vermieden werden. In Ollmütz bei dem verantwortlichen Wessenberg und dem Kaiser sind sie sehr gut aufgenommen worden. - Uebrigens (fährt Schmerling fort) ist es Thatsache, daß bis jetzt kein Angriff auf Wien stattgefunden, vielmehr Windischgrätz nach Ollmütz berufen. Die Vermittelung werde begonnen. Schmerling macht darauf aufmerksam, daß er in einem Schreiben an die vielgenannten Reichskommissäre, denselben empfohlen, so wie jeder Anarchie, auch jeder Reaktion entgegenzuarbeiten, und sie angewiesen, die militärischen Führer aufzufordern, die erbitterte Stimmung ihrer Soldaten nicht zu benutzen. (Links oh! Gelächter - Bravo und Zischen.) Auf Beselers Interpellation; (S. oben.) es liegt in den Händen der Versammlung, Fonds anzuweisen, um dem von Herrn Beseler ausgesprochenen Wunsche zu genügen. Bezüglich Jahn's Interpellation (Wegen Blum's u. a. Reise nach Wien S. früheren Bericht) macht der Minister von der Erlaubniß Gebrauch, nicht antworten zu dürfen, und glaubt, daß das Haus nichts dawider haben wird. - (Gelächter und Zischen.) Schneer interpellirt das Handelsministerium, ob von demselben ein statistisches Büreau für Deutschland errichtet werde? Dukwitz (Handelsminister): Das Ministerium sei damit beschäftigt, zur Errichtung eines solchen Büreaus bedeutende Persönlichkeiten zu gewinnen, bis Anfang nächsten Jahres wird dasselbe wohl zu Stande kommen. Förster von Hünfeld, Zimmermann von Spandau und Beseler erklären sich mit der Antwort des Ministers auf ihre Interpellationen nicht zufrieden, und behalten sich Anträge vor. - Nauwerk stellt den dringlichen Antrag: Das Reichsministerium solle sofort den Befehl zur Einstellung des Belagerungszustandes von Wien, und zur Zurückziehung der Truppen erlassen; - Nöthigenfalls Reichstruppen zur Ausführung dieses Befehls verwenden. - Welker und Mosle seien mit Durchführung dieses Auftrages zu betrauen. - Die Dringlichkeit wird verworfen. (Tumult.) Frank stellt einen ähnlichen Antrag, welchem es ebenso ergeht. Nauwerk beantragt, den Ausschuß welchem sein Antrag übergeben wird, mindestens zur Berichterstattung bis Morgen aufzufordern. Wird verworfen. Die Centren rufen: Tagesordnung! - Vogt. Der Minister hat von einem Recht gesprochen, welches ihn der Antwort auf gewisse Interpellationen enthebt. - Nach der Geschäftsordnung sind für eine solche Nichtbeantwortung die Gründe anzugeben. Dies soll im vorliegenden Falle bei Jahn geschehn. - (Bravo!) Präsident: glaubt (!) daß nur Jahn hierüber sich zu erklären habe. (Links: und das Gesetz! Wo bleibt das Gesetz!) Frank bemerkt, er habe über die Dringlichkeit seines Antrags vom Prüsidenten namentliche Abstimmung verlangt. Dieser habe sie verweigert. Präsident (Sehr kurz.) Meine Herren ich habe dies gethan, und wir gehen zur Tagesordnung über. (Tumult!) Zimmermann aus Spandau protestirt gegen dies Verfahren. (Wiederholter Tumult. Reh ruft sehr laut vom Platze: "Sie dürfen gar nicht präsidiren in dieser Sache." - Der Präsident erklärt, er habe dazu das Recht, und werde weiter präsidiren. Wiesner und Berger beantragen dringlich: die Reichskommissäre zurückzurufen, und durch bessere zu ersetzen. Der Antrag wird nicht als dringlich erachtet, und (um 3/4 12 Uhr) zur Tagesordnung übergegangen. Tagesordnung. (s. oben). §. 4 des Entwurfs lautet: "Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande in dem Verhältniß der Personalunion steht, muß entweder in seinem deutschen Lande residiren, oder in demselben eine Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege nach Rappard's Amendement niedersetzen, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen." Zusatz der Minorität: "Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande durch die Personalunion verbunden ist, darf nicht deutsche Truppen in seine Länder verlegen, außer in Veranlassung von Reichskriegen auf Anordnung der Reichsgewalt. (Schüler, Blum, Wigard.) Rösler von Oels erklärt sich gegen den Paragraphen. Das Minoritätsvotum geht ihm nicht weit genug, er beantragt den Zusatz: "wie überhaupt keine Ausländer als Beamte angestellt werden können, außer mit Zustimmung der Volksvertretung des betreffenden deutschen Staates." Unterstützt ist der Antrag von 25 Mitgliedern der Linken. Linde aus Mainz (der langweiligste aller Staatsräthe) spricht für den Paragraphen in obiger Fassung. Kolb aus Speyer (ist frühstücken.) Vogt. Gegen den §. des Entwurfs. Wir haben nur zu bestimmen, was unsere Verfassung angeht. Der Vorredner hat gesagt, wir seien hier um einen deutschen Kaiser zu machen, dies scheint mir gar nicht unsere Aufgabe, sondern ein deutsches Reich wollen wir machen, (wollen wir!) Vogt erklärt sich für das Minoritätserachten und den Zusatz Röslers von Oels, und spricht sich besonders gegen das Truppensenden aus fremden Provinzen in wiederum fremde Provinzen. Die ganze Debatte ist matt und theilnahmlos. Herr von Soiron der frühere Vicepräsident, vertheidigt den Paragraphen des Entwurfs. Man ruft Schluß! Vor dem Schluße gestattet die Versammlung, auf Bitten(!) des Präsidenten, Herrn Schüler noch das Wort zur Vertheidigung des Minoritätserachtens. Der Berichterstatter des Ausschusses (Riesser) spricht für den Paragraphen 4. Abstimmung: §. 4 (s. oben) wird angenommen. Dazu ein Amendement von Rappard, "daß die Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege eingerichtet werden muß." Ein Zusatz zum Minoritätserachten von Rösler aus Oels ("daß auch keine deutschen Truppen in nicht deutsche Länder zu verlegen seien") wird durch Zettelabstimmung mit 138 Stimmen gegen 224 verworfen. Das Minoritätsvotum (s. oben) wird durch gleiche Abstimmung mit 108 Stimmen gegen 187 verworfen. Es sollen die Zettel zu den Ergänzungswahlen eingesammelt werden. Hierbei erklären Benedey und Schaffrath, daß sie und viele anderen nicht mehr mit wählen werden, weil von ihrer Partei nie ein Wahlkandidat vorgeschlagen oder gar genehmigt wird. (Dies ist wahr!) Michelsen meint, in gewissen Ausschüssen käme es gar nicht darauf an, aus allen Parteien zu wählen. (Wird furchtbar ausgelacht und von links höhnisch beklatscht.) Man geht zu §. 5. des Verfassungs-Entwurfs: §. 5. "Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nicht deutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nicht deutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen. Wird ohne Diskussion angenommen. Hingegen werden Alle Amendements zu diesem Paragraphen und das Minoritätserachten, (welche sämmtlich sich auf die Mediatisirung der kleineren Fürsten beziehen) nach einem Antrage von Ziegert zur Begutachtung und nochmaligen Berichterstattung an den Verfassungsausschuß zurückgewiesen. Das Minoritätserachten zu 5 lautet: "Kleinere deutsche Staaten können sich zu einem größeren deutschen Staate vereinigen, oder einem bereits bestehenden größeren deutschen Staate einverleiben. Doch darf mit keinem deutschen Lande, welches bereits über 5 Millionen Einwohner hat, ein anderes deutsches Land verbunden werden. Eine Ausnahme von letzterer Bestimmung machen nur solche kleine Staaten, deren Gebiet innerhalb der größeren über 5 Millionen Einwohner zählenden deutschen Staates liegen." (Schüler, Wigard, Blum.) (Artikel 3.) §. 6. soll dran kommen, da aber auf die Diskussion nicht Verzicht geleistet wird, vertagt man die Debatte über denselben bis Morgen. (Den Wortlaut des §. Morgen.) Hierbei ereignet sich eine höchst spaßhafte Scene. Der Abgeordnete Wedekind erhält nämlich das Wort vom Präsidenten, zur Begründung eines Antrags auf Vertagung, weil seiner Ansicht nach §. 6. nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Furchbarer Schlußruf läßt ihn jedoch nicht zum Wort kommen. Er verbietet sich die Roheit, und spricht unter unauslöschlichem Gelächter immer mit den Händen gestikulierend wohl 10 Minuten, ohne daß man ein Wort versteht. Simson zeigt ihm endlich nach langen vergeblichen Beruhigungs-Anstrengungen, daß er sich geirrt hat. Vor Schluß der Sitzung beklagt sich noch Vogt und sehr viele Mitglieder der Linken in einem dringenden Antrage gegen den Präsidenten (v. Gagern) wegen seiner selbstwilligen Wortverweigerungen im Beginn der heutigen Sitzung (s. oben) sie wollen: "die Nationalversammlung soll dem Präsidenten ihre Mißbilligung aussprechen." Der Antrag wird, unter äußerster Mißbilligung der Centren als nichtdringlich, an den Geschäftsordnungs-Ausschuß verwiesen. Schluß um 2 Uhr. Morgen um 9 Uhr Fortsetzung der Verfassung. 103 Berlin, 30. Okt. Sitzung der Vereinbarerversammlung. Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Artikel 4 des Entwurfs der Verfassungsurkunde, welcher lautet: "Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Es giebt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte, noch einen besonderen Adelsstand. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu befähigte gleich zugänglich." Hierzu sind folgende Amendements eingereicht: 1. Berends: Statt der Worte: "noch einen besonderen Adelsstand," zu setzen: "Der Adel ist abgeschafft." 2. Borchard, Matthaei: Zusatz: Der Gebrauch adeliger Titel und Prädikate in öffentlichen Urkunden ist untersagt." 3. Sommer: nach "noch einen besondern Adelsstand" zu setzen: "mit politischen Vorrechten." 4. Jung: Zusatz: "Orden, so wie Titel, die nicht blos das Amt bezeichnen, können nicht mehr ertheilt werden." 5. v. Lisinki: Zusatz: "Der Adel und alle damit verbundenen Titel und Prädikate sind abgeschafft." 6. Kunth: Der 2. und 3. Satz des Artikels 4 ist zu streichen und statt dessen zu setzen: "Es giebt im Staate weder gesetzliche Standesunterschiede noch Standesvorrechte." 7. Walter: Der erste Satz: "Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich," ist ganz zu streichen. Er ist in dieser Allgemeinheit unausführbar. Es hat noch nie einen Staat gegeben und kann keinen geben, wo für alle Kategorien der Einwohner volle Gleichheit gegolten hätte. Selbst der Entwurf der Verfassungsurkunde enthält Ausnahmen. Es muß aber jeder Satz in unserer Verfassung eine Wahrheit sein. Im zweiten Satze sind die Worte: "weder Standesunterschiede" auch zu streichen. Sie enthalten ebenfalls eine Unwahrheit. Die Natur der Sache selbst bringt im Staate sowohl faktische als rechtliche Standesunterschiede hervor. Sie sind nach dem Geiste der Zeit möglichst zu mildern; allein ganz zu vertilgen sind sie nicht. Ferner sind im zweiten Satze die Worte: "noch einen besondern Adelsstand" ebenfalls zu streichen; sie sind überflüssig. Denn wenn alle Standesvorrechte aufgehoben sind, so ist auch der Adel in der bürgerlichen und politischen Sphäre, was uns allein angeht, abgeschafft. Statt des ersten und zweiten Satzes ist zu setzen: "Es giebt vor dem Gesetze keine Vorrechte der Geburt, des Ranges oder Standes." Bevor die Debatte eröffnet wird, zeigt der Präsident an, daß eine Aenderung der Abendsitzungen, welche auf Mittwoch und Freitag festgesetzt worden, von einigen Seiten gewünsch werde. Die Versammlung beschließt jedoch diese Tage beizubehalten. Da auf nächsten Mittwoch das Allerheiligenfest fällt, ist gewünscht worden, daß an diesem Tage weder Vormittags- noch Abendsitzung stattfinde. Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen. Die Prioritätskommission zeigt an, daß ein dringender Antrag eingereicht sei, welcher in einer heute Abend anzusetzenden Sitzung berathen werden solle. Es erhebt sich eine Diskussion darüber, da die Rechte heute Abend keine Sitzung halten will. Von der Linken wird das Recht in Anspruch genommen, zu jeder Zeit eine Abendsitzung anzusetzen. Der Antrag betrifft die Wiener Angelegenheiten und ist als sehr schleunig eingebracht; er wird im Laufe der Sitzung vertheilt werden. Er lautet ungefähr dahin: "Die Versammlung möge das Ministerium auffordern, zum Schutz der in Wien gefährdeten Volksfreiheit die nöthigen Maßregeln zu treffen." Der Präsident stellt endlich die Frage, ob heute Abend eine Sitzung zur Berathung dieses Antrages stattfinden soll, welche mit 181 gegen 168 Stimmen verneint wird. Die zweite Frage: ob statt der Mittwoch ausfallenden Abendsitzung dieselbe morgen Abend (Dienstag) angesetzt werden soll, wird mit Majorität angenommen. Ueber Artikel 3 der Verfassungsurkunde wird nochmals abgestimmt und mit großer Majorität angenommen. Man geht zur Diskussion des Artikels 4 über. Schulz (Wanzleben): Ich will gegen den Entwurf der Centralabtheilung, aber für den Entwurf der Verfassungskommission sprechen, weil der letztere viel präciser ist; denn er lautet: "Es giebt im Staate weder Standesunterschiede noch Standesvorrechte. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Der Adel ist abgeschafft." Es würde mich zu weit führen, wenn ich alle die Gründe für Abschaffung des Adels, die schon so oft gehört sind, wieder vorbringen wollte. Die, welche einen Werth auf den alten Standesunterschied legen und nicht vielmehr durch ihre Bildung oder Kenntnisse sich über andere erheben wollen, sind noch in einem Vorurtheile befangen. Man wollte die alten Erinnerungen der berühmten Geschlechter als Grund für die Beibehaltung der Adelstitel beibringen. Aber liegt denn die Erinnerung an die Thaten der berühmten Namen, in den Adelstiteln oder in den Geschlechtsnamen. Jeder nennt die berühmten Namen: Blücher, Scharnhorst, Schiller u. s. w. ohne ihre Adelstitel und ihre Nachkommen können sich mit Recht Enkel des großen Blücher nennen, ohne den Fürstentitel zu erwähnen, da sehr wenigen dieser Adelstitel kaum bekannt ist. Berends: Wenn uns eine Verfassung auf breitester Grundlage versprochen ist, so versteht man doch wohl darunter, demokratische Grundlage, und in einem demokratischen Staate darf es keinen Adelsstand geben. Weder die Verschiedenheit des Besitzes oder der Geburt darf einen besondern Stand feststellen. Nicht blos der Adelsstand, sondern der Adel muß abgeschafft werden. Sommer spricht für den Kommissionsantrag: Es wird mir nicht einfallen, für die Standesvorrechte zu kämpfen; sind wir aber berechtigt, die Familienrechte aufzuheben? Den angeerbten Namen abzusprechen? Er geht hierauf in geschichtliche Untersuchungen über den Adel ein, welcher von der Zeit, wo das Pulver erfunden wurde, immer mehr an Ansehen und Macht verlor. Jacoby: Ich halte den Gegenstand, über den wir gegenwärtig berathen, für eine Sache, die keine große Wichtigkeit hat. Eine Erklärung der Rechte kann das Volk vor einer Verletzung dieser Rechte keinesfalls sicher stellen. Erstarkt die Volksherrschaft, so wird es Niemand wagen, die Rechte des Volkes anzugreifen. Machen wir aber einen Rückschritt, so wird es der Fürstenpartei bald gelingen, die Rechte illusorisch zu machen. Was den vorliegenden Fall anbetrifft, so glaube ich, daß es wenig auf die Fassung des Entwurfs ankommt, denn über das Prinzip werden wir Alle einig sein. Mag doch ferner auch noch derjenige, der Gefallen daran findet, seinem Namen das "von" oder andere Titel vorsetzen. Durch die Gesetzgebung wird der Adel faktisch abgeschafft. Es kann daher ganz gleich sein, welche Grabschrift wir dem Adel setzen. Reichensperger: Ich bin mit dem vorigen Redner darin einverstanden, daß wir alle über das Prinzip gleich gesinnt sein werden Wir befinden uns in demselben verhängnißvollen Augenblick, wie unsere westlichen Nachbarn in jener denkwürdigen Nacht des 4. August 1791. Aber unsre Verhältnisse sind verschieden von den dortigen. Dort galt es Opfer zu bringen von Seiten der Berechtigten, welche in dieser Versammlung sehr schwach vertreten sind. Daher sind unsere Verhältnisse auch verschieden von den damaligen. Er spricht ferner über den Grundadel und Papieradel; über Marschälle und Truchseß, Erbgraf u. s. w. Man solle den Leuten nicht wehren, diese Titel zu führen. v. Daniels will die Beibehaltung des Regierungsentwurfs und Verwerfung aller andern. Es wird noch ein Amendement des Abg. Weichsel verlesen, welches aber nicht unterstützt wird. Hierauf beginnt die Debatte über die einzelnen Sätze des Art. 4 Abg. Elsner. Es gibt Dinge, über die man eigentlich gar nicht sprechen dürfe. Wenn Sie sich über den vorliegenden Artikel noch länger auslassen, so geben Sie der Versammlung ein Armuthszeugniß. Die Debatte wird geschlossen und die Abstimmung beginnt. Der erste Satz: "Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich," wird fast einstimmig angenommen. Ueber die anderen Sätze wird sehr langweilig debattirt. Auch der Minister des Innern, Eichmann, nimmt das Wort: er macht darauf aufmerksam, daß man in der Frankfurter Versammlung nicht so weit gegangen sei. Dort hat man den Adel nicht abgesprochen. Der Adel ist auch ein Institut, das ganz Deutschland berührt. Die alten Familien wären in ganz Deutschland verbreitet; wenn dann in dem einen Staate der Adel aufgehoben würde und in dem andern beibehalten? was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Er empfiehlt daher das Walter'sche Amendement. Endlich kommt man zur Abstimmung. Der Abgeordnete Schneider hat noch folgendes Amendement gestellt: "Es gibt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte; der Adel mit seinen Titeln und Bezeichnungen ist abgeschafft." Dies Amendement wird nach namentlicher Abstimmung mit 193 gegen 159 Stimmen verworfen. - Die Abstimmung wird morgen fortgesetzt werden. Schluß der Sitzung 2 ein halb Uhr. 103 Berlin, 30. Okt. Die Abgeordneten zum demokratischen Kongreß, Senin von Dresden und Silberstein von Wien sind heute Vormittag in Folge eines richterlichen Befehls verhaftet worden. Auch auf Braklow aus Schleswig-Holstein hat die Polizei gefahndet, derselbe ist aber auch zeitig genug verschwunden, da er schon im Sitzungssaale des Kongresses anwesend war, als ihn die Konstabler verhaften wollten. Im Verhaftsbefehl ist erklärt, daß die Genannten beschuldigt seien, des Versuchs, in der gestrigen Volksversammlung, Mißtrauen und Verachtung gegen die deutsche Centralgewalt in Frankfurt erregt zu haben. Der Abg. Otto von Trier erhielt heute vom Justizminister Kisker ein Schreiben, worin dieser anzeigt, daß der König durch eine Kabinetsordre vom gestrigen Tage den Theilnehmern der Vorfälle in Trier vom 2. u. 3. Mai d. J. und allen damit in Verbindung stehenden Verbrechen und Vergehen vollständige Amnestie ertheilt hat. Der Justizminister hat dem Gemeinderath in Trier und dem Staatsprokurator Deuster bereits hiervon Anzeige gemacht. Die Fach-Kommission für Justizreform hat auf den Antrag der Abgeordneten Jakoby, Temme und D'Ester folgenden Gesetzentwurf vorgelegt: §. 1. Die Ehehindernisse wegen Verschiedenheit der Religion und des Standes werden in allen Landestheilen, wo deren noch bestehen, hierdurch aufgehoben. Alle entgegenstehenden allgemeinen und besondern gesetzlichen Bestimmungen treten außer Kraft. §. 2. Das gegenwärtige Gesetz findet auf diejenigen noch bestehenden ehelichen Verbindungen Anwendung, welche im Widerspruch mit den bisherigen, vorstehend aufgehobenen Bestimmungen, jedoch in gesetzlicher Form abgeschlossen worden sind. Berlin, 28. Okt. Die Regierung hat einen Kommissarius nach Elbing geschickt. Wie in diesen Blättern schon mitgetheilt, war bald nach dem blutigen Tage der Regierungspräsident von Blumenthal dort erschienen. Wir müssen noch einmal darauf zurückkommen, weil wir einen interessanten Beitrag liefern können zu den Personalakten der hohen Beamten, durch die unsere konstitutionelle Regierung sich bedienen läßt. Hr. v. B. ist durch Hrn. v. Rochow (unseligen Andenkens) zu seiner jetzigen Stellung befördert. Dies allein schon mußte das Ministerium zu sorgfältiger Ueberwachung seines politischen Einflusses mahnen. Sein Auftreten in Elbing läßt keinen Zweifel mehr, daß er außer Stande ist, einer Regierung zu dienen, die es mit der Volksfreiheit irgend redlich meint. Nachdem Hr. v. B. von den Anstiftern des Aufruhrs sich über die Veranlassungen desselben belehren lassen, äußerte er gegen einen Herrn der bedrängten Partei, der ihn aufsuchte, um doch einigermaßen auch das Recht der altera pars zu vertreten: "Es zeige dieser ganze Vorfall, daß die große Mehrheit des Volkes mit Liebe an den alten Zuständen hange; das Ausbleiben so vieler Bürgerwehrleute beweise auch, daß selbst der Kern der Bürgerschaft weder auf dieses Institut, noch überhaupt auf die Neuerungen in unserer Verfassung Werth lege; in den Angriffen gegen die Nationalversammlung, die von der Elbinger Tagesliteratur ausgegangen, liege doch viel Wahres, habe die Nationalversammlung doch neuerlich erst die unentgeldliche Aufhebung der Jagdberechtigung votirt und dgl. mehr." Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung über die Verfassung (§. 4.). ‒ Ergänzungswahlen. ‒ Anfang 9 1/2 Uhr. Es sind etwa 100 Abgeordnete und 20 Zuschauer da. Präsident Gagern. Vor der Tagesordnung. Präsident theilt mit, daß der Abgeordnete Wiethaus aus Westphalen ausgetreten; dagegen neu eingetreten Werner für Offenburg. (S. unten, es ist der steckbrieflich verfolgte.) Heimbrodt für Breslau, Richter aus Mähren. ‒ Unter andern Flottenbeiträgen wird angezeigt: Eine Obligation des ehemaligen Königreichs Westphalen (Gelächter) und ein paar Ohrringe von einem deutschen Mädchen (Bravo). Der Abgeordnete Stein aus Oesterreich erklärt schriftlich, daß er sich der Abstimmungen bei dem Verfassungsentwurf enthalten wird. (Dieses Unglück.) Mehrere Berichte werden zum Druck angekündigt. Plathner (im Namen des Central-Legitimationsausschusses). Bericht wegen der Wahl des steckbrieflich verfolgten Advokat Werner für Offenburg (S. oben) in Baden. Der Ausschuß beantragt: da der formellen Wahlberechtigung des Herrn Werner nichts entgegensteht, eine Commission niederzusetzen, welche über den Antrag der badischen Regierung (den Werner zu verhaften) der Nationalversammlung ihr Gutachten vorlegt. Man geht auf diesen Gegenstand sofort ein. Rösler (Oels) protestirt dagegen, weil Werner nicht anwesend ist Trotzdem stimmt man ab, und der Antrag des Ausschusses wird angenommen. Die Angelegenheit wird dem Blum-, Günther-, Simon-, Zitz-, Schlöffel-, Löw-, Bernhardy-, Jürgens'schen (Polizei)-Ausschuß zugewiesen. Zachariä (vom internationalen Ausschuß) theilt mit den Bericht über die „Schaumburg-Lippe'sche“ Petition, resp. Protestation gegen jeden Eingriff in ihre politische Selbstständigkeit (Mediatisirung!) (Gelächter.) Der Antrag des Ausschusses geht dahin, die Petition ad acta zu legen. Wiegard, Jucho, Adams u. a reden einige Worte über diesen Gegenstand, die beiden ersteren wollen die Petition nicht ad acta, sondern dieselbe in Erwägung ziehen, wenn von den Mediatisirungen (§. 5. der Verfassung) überhaupt gesprochen werden wird. Schierenberg will sie an den Verfassungsausschuß. Das Letztere wird angenommen. Fernerer Bericht über den Antrag von Zimmermann aus Spandau, betreffend die deutschen Juni-Gefangenen in Paris. Antrag des Ausschusses: Tagesordnung! (Bravo links!) Wegen der Junigefangenen streiten die Herren Zimmermann aus Spandau und Zachariä sich etwas herum, worauf man beschließt, diesen Gegenstand heut nicht zu berathen, sondern auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen, wie es Hrn. Zimmermann's Wunsch ist. Jetzt folgt ein Berg von Interpellationen! Joseph (Sachsen) fragt das Reichs-Justizministerium, ob es bekannt mit der scheußlichen Ermordung von wiener Studenten durch Auersperg'sches Militär, und ob es dem Mord an dem Reichsverräther Latour mehr Sympathien widmet als der Ermordung jener Kämpfer für Freiheit und Ordnung Ferner, ob demselben Ministerium bekannt, daß die am 18. September in Frankfurt Gefangenen viele Mißhandlungen von den Soldaten haben erleiden müssen? Demel. Das gesetzliche Organ Oesterreich's (der Reichstag) habe das von Windischgrätz angekündigte Bombardement Wiens für ungesetzlich erklärt ‒ ob in Folge dessen von den Reichskommissären Welker und Mosle hierüber berichtet, und wenn dies nicht geschehen, was vom Reichsministerium gethan, um dem wiener Reichstag Kraft zu verschaffen, dem Windischgrätz die Spitze zu bieten? Nauwerk. Welche Schritte haben die Commissäre Welker und Mosle gethan, um ihrem Auftrag zu genügen, und welchen Erfolg haben ihre Schritte gehabt? Förster von Hünfeld. Wie es mit dem längstversprochenen Minister-Programm aussieht? Beseler (interpellirt zum erstenmal). Nach vorherigen Erwägungen, welche über 15 Minuten Zeit wegnehmen, fragt er das Ministerium, ob es nicht möglich, daß den mit Einquartirung belasteten Staatsbürgern eine sofortige Entschädigung gegeben werde? Joseph Frank. Welche Mittheilungen sind von den Reichskommissären in Oesterreich eingegangen? ‒ Ob das Ministerium gegen die ungesetzliche Betretung des deutschen Bodens von Seiten Jellachich's, und zu friedlicher Lösung des österreichischen Bürgerkrieges Schritte gethan? Justizminister von Mohl: (auf Joseph's Interpellation, s. oben). Von den Mißhandlungen der am 18. September Gefangenen ist ihm nichts bekannt. Wegen der Ermordung der österreichischen Studenten hat er sich an die österreichische Regierung gewendet, noch keine Antwort erhalten, es ist aber an die Reichskommissäre die Weisung ergangen, auf alle Art zuzusehen, daß dieser Bürgerkrieg menschlich geführt werde. Auf Untersuchung und Bestrafung der Mörder der wiener Studenten sei angetragen. Ob bei einer solchen Untersuchung das Justizministerium einen Rangunterschied mache, überläßt er der Beurtheilung der Nationalversammlung. (Diese Beurtheilung erfolgt sofort durch heftiges Bravo der Centren und Rechten.) Minister Schmerling nimmt sich die Aehre (Ehre) verschiedene Interpellationen zu beantworten. Ad 1. auf die Interpellation Försters von Hünfeld wegen eines Ministerprogramms. Der Minister weiß nicht, was mit einem solchen Programm gemeint sei. (Links hört!) Der Geschäftskreis der Minister sei ja der Versammlung bekannt. ‒ Es könne bloß ein Programm der auswärtigen Politik gemeint sein. Dies würde sich erst mit dem Definitivum der Centralgewalt genau feststellen lassen. Aber einiges ließe sich schon bemerken. ‒ Folgen einige längstbekannte Bemerkungen über Schleswig und Italien (voilà ein Programm der auswärtigen Politik). Links ruft man: Und die Schweiz! (Bleibt unberücksichtigt). Auf Interpellationen wegen Oesterreich (Nauwerk, Frank, Demel) erwidert der Minister: Die Absendung von Reichkommissären und das Benehmen des Reichsministeriums in der österreichischen Angelegenheit sei von der Nationalversammlung gebilligt worden. (Das ist wahr!) Die Reichskommissäre (Welker und Mosle) theilen aus Ollmütz (!) mit, sie haben sich über den Zustand in Kenntniß gesetzt (eheu!) und demnächst ihre Vermittelung begonnen. In Wien war ihnen zu viel Unordnung, deßhalb haben sie von Ollmütz aus an Kraus, Smolka und Windischgrätz Erklärungen abgegeben, jedes Zusammentreffen mit den Waffen solle vorerst vermieden werden. In Ollmütz bei dem verantwortlichen Wessenberg und dem Kaiser sind sie sehr gut aufgenommen worden. ‒ Uebrigens (fährt Schmerling fort) ist es Thatsache, daß bis jetzt kein Angriff auf Wien stattgefunden, vielmehr Windischgrätz nach Ollmütz berufen. Die Vermittelung werde begonnen. Schmerling macht darauf aufmerksam, daß er in einem Schreiben an die vielgenannten Reichskommissäre, denselben empfohlen, so wie jeder Anarchie, auch jeder Reaktion entgegenzuarbeiten, und sie angewiesen, die militärischen Führer aufzufordern, die erbitterte Stimmung ihrer Soldaten nicht zu benutzen. (Links oh! Gelächter ‒ Bravo und Zischen.) Auf Beselers Interpellation; (S. oben.) es liegt in den Händen der Versammlung, Fonds anzuweisen, um dem von Herrn Beseler ausgesprochenen Wunsche zu genügen. Bezüglich Jahn's Interpellation (Wegen Blum's u. a. Reise nach Wien S. früheren Bericht) macht der Minister von der Erlaubniß Gebrauch, nicht antworten zu dürfen, und glaubt, daß das Haus nichts dawider haben wird. ‒ (Gelächter und Zischen.) Schneer interpellirt das Handelsministerium, ob von demselben ein statistisches Büreau für Deutschland errichtet werde? Dukwitz (Handelsminister): Das Ministerium sei damit beschäftigt, zur Errichtung eines solchen Büreaus bedeutende Persönlichkeiten zu gewinnen, bis Anfang nächsten Jahres wird dasselbe wohl zu Stande kommen. Förster von Hünfeld, Zimmermann von Spandau und Beseler erklären sich mit der Antwort des Ministers auf ihre Interpellationen nicht zufrieden, und behalten sich Anträge vor. ‒ Nauwerk stellt den dringlichen Antrag: Das Reichsministerium solle sofort den Befehl zur Einstellung des Belagerungszustandes von Wien, und zur Zurückziehung der Truppen erlassen; ‒ Nöthigenfalls Reichstruppen zur Ausführung dieses Befehls verwenden. ‒ Welker und Mosle seien mit Durchführung dieses Auftrages zu betrauen. ‒ Die Dringlichkeit wird verworfen. (Tumult.) Frank stellt einen ähnlichen Antrag, welchem es ebenso ergeht. Nauwerk beantragt, den Ausschuß welchem sein Antrag übergeben wird, mindestens zur Berichterstattung bis Morgen aufzufordern. Wird verworfen. Die Centren rufen: Tagesordnung! ‒ Vogt. Der Minister hat von einem Recht gesprochen, welches ihn der Antwort auf gewisse Interpellationen enthebt. ‒ Nach der Geschäftsordnung sind für eine solche Nichtbeantwortung die Gründe anzugeben. Dies soll im vorliegenden Falle bei Jahn geschehn. ‒ (Bravo!) Präsident: glaubt (!) daß nur Jahn hierüber sich zu erklären habe. (Links: und das Gesetz! Wo bleibt das Gesetz!) Frank bemerkt, er habe über die Dringlichkeit seines Antrags vom Prüsidenten namentliche Abstimmung verlangt. Dieser habe sie verweigert. Präsident (Sehr kurz.) Meine Herren ich habe dies gethan, und wir gehen zur Tagesordnung über. (Tumult!) Zimmermann aus Spandau protestirt gegen dies Verfahren. (Wiederholter Tumult. Reh ruft sehr laut vom Platze: „Sie dürfen gar nicht präsidiren in dieser Sache.“ ‒ Der Präsident erklärt, er habe dazu das Recht, und werde weiter präsidiren. Wiesner und Berger beantragen dringlich: die Reichskommissäre zurückzurufen, und durch bessere zu ersetzen. Der Antrag wird nicht als dringlich erachtet, und (um 3/4 12 Uhr) zur Tagesordnung übergegangen. Tagesordnung. (s. oben). §. 4 des Entwurfs lautet: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande in dem Verhältniß der Personalunion steht, muß entweder in seinem deutschen Lande residiren, oder in demselben eine Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege nach Rappard's Amendement niedersetzen, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen.“ Zusatz der Minorität: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande durch die Personalunion verbunden ist, darf nicht deutsche Truppen in seine Länder verlegen, außer in Veranlassung von Reichskriegen auf Anordnung der Reichsgewalt. (Schüler, Blum, Wigard.) Rösler von Oels erklärt sich gegen den Paragraphen. Das Minoritätsvotum geht ihm nicht weit genug, er beantragt den Zusatz: „wie überhaupt keine Ausländer als Beamte angestellt werden können, außer mit Zustimmung der Volksvertretung des betreffenden deutschen Staates.“ Unterstützt ist der Antrag von 25 Mitgliedern der Linken. Linde aus Mainz (der langweiligste aller Staatsräthe) spricht für den Paragraphen in obiger Fassung. Kolb aus Speyer (ist frühstücken.) Vogt. Gegen den §. des Entwurfs. Wir haben nur zu bestimmen, was unsere Verfassung angeht. Der Vorredner hat gesagt, wir seien hier um einen deutschen Kaiser zu machen, dies scheint mir gar nicht unsere Aufgabe, sondern ein deutsches Reich wollen wir machen, (wollen wir!) Vogt erklärt sich für das Minoritätserachten und den Zusatz Röslers von Oels, und spricht sich besonders gegen das Truppensenden aus fremden Provinzen in wiederum fremde Provinzen. Die ganze Debatte ist matt und theilnahmlos. Herr von Soiron der frühere Vicepräsident, vertheidigt den Paragraphen des Entwurfs. Man ruft Schluß! Vor dem Schluße gestattet die Versammlung, auf Bitten(!) des Präsidenten, Herrn Schüler noch das Wort zur Vertheidigung des Minoritätserachtens. Der Berichterstatter des Ausschusses (Riesser) spricht für den Paragraphen 4. Abstimmung: §. 4 (s. oben) wird angenommen. Dazu ein Amendement von Rappard, „daß die Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege eingerichtet werden muß.“ Ein Zusatz zum Minoritätserachten von Rösler aus Oels („daß auch keine deutschen Truppen in nicht deutsche Länder zu verlegen seien“) wird durch Zettelabstimmung mit 138 Stimmen gegen 224 verworfen. Das Minoritätsvotum (s. oben) wird durch gleiche Abstimmung mit 108 Stimmen gegen 187 verworfen. Es sollen die Zettel zu den Ergänzungswahlen eingesammelt werden. Hierbei erklären Benedey und Schaffrath, daß sie und viele anderen nicht mehr mit wählen werden, weil von ihrer Partei nie ein Wahlkandidat vorgeschlagen oder gar genehmigt wird. (Dies ist wahr!) Michelsen meint, in gewissen Ausschüssen käme es gar nicht darauf an, aus allen Parteien zu wählen. (Wird furchtbar ausgelacht und von links höhnisch beklatscht.) Man geht zu §. 5. des Verfassungs-Entwurfs: §. 5. „Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nicht deutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nicht deutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen. Wird ohne Diskussion angenommen. Hingegen werden Alle Amendements zu diesem Paragraphen und das Minoritätserachten, (welche sämmtlich sich auf die Mediatisirung der kleineren Fürsten beziehen) nach einem Antrage von Ziegert zur Begutachtung und nochmaligen Berichterstattung an den Verfassungsausschuß zurückgewiesen. Das Minoritätserachten zu 5 lautet: „Kleinere deutsche Staaten können sich zu einem größeren deutschen Staate vereinigen, oder einem bereits bestehenden größeren deutschen Staate einverleiben. Doch darf mit keinem deutschen Lande, welches bereits über 5 Millionen Einwohner hat, ein anderes deutsches Land verbunden werden. Eine Ausnahme von letzterer Bestimmung machen nur solche kleine Staaten, deren Gebiet innerhalb der größeren über 5 Millionen Einwohner zählenden deutschen Staates liegen.“ (Schüler, Wigard, Blum.) (Artikel 3.) §. 6. soll dran kommen, da aber auf die Diskussion nicht Verzicht geleistet wird, vertagt man die Debatte über denselben bis Morgen. (Den Wortlaut des §. Morgen.) Hierbei ereignet sich eine höchst spaßhafte Scene. Der Abgeordnete Wedekind erhält nämlich das Wort vom Präsidenten, zur Begründung eines Antrags auf Vertagung, weil seiner Ansicht nach §. 6. nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Furchbarer Schlußruf läßt ihn jedoch nicht zum Wort kommen. Er verbietet sich die Roheit, und spricht unter unauslöschlichem Gelächter immer mit den Händen gestikulierend wohl 10 Minuten, ohne daß man ein Wort versteht. Simson zeigt ihm endlich nach langen vergeblichen Beruhigungs-Anstrengungen, daß er sich geirrt hat. Vor Schluß der Sitzung beklagt sich noch Vogt und sehr viele Mitglieder der Linken in einem dringenden Antrage gegen den Präsidenten (v. Gagern) wegen seiner selbstwilligen Wortverweigerungen im Beginn der heutigen Sitzung (s. oben) sie wollen: „die Nationalversammlung soll dem Präsidenten ihre Mißbilligung aussprechen.“ Der Antrag wird, unter äußerster Mißbilligung der Centren als nichtdringlich, an den Geschäftsordnungs-Ausschuß verwiesen. Schluß um 2 Uhr. Morgen um 9 Uhr Fortsetzung der Verfassung. 103 Berlin, 30. Okt. Sitzung der Vereinbarerversammlung. Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Artikel 4 des Entwurfs der Verfassungsurkunde, welcher lautet: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Es giebt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte, noch einen besonderen Adelsstand. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu befähigte gleich zugänglich.“ Hierzu sind folgende Amendements eingereicht: 1. Berends: Statt der Worte: „noch einen besonderen Adelsstand,“ zu setzen: „Der Adel ist abgeschafft.“ 2. Borchard, Matthaei: Zusatz: Der Gebrauch adeliger Titel und Prädikate in öffentlichen Urkunden ist untersagt.“ 3. Sommer: nach „noch einen besondern Adelsstand“ zu setzen: „mit politischen Vorrechten.“ 4. Jung: Zusatz: „Orden, so wie Titel, die nicht blos das Amt bezeichnen, können nicht mehr ertheilt werden.“ 5. v. Lisinki: Zusatz: „Der Adel und alle damit verbundenen Titel und Prädikate sind abgeschafft.“ 6. Kunth: Der 2. und 3. Satz des Artikels 4 ist zu streichen und statt dessen zu setzen: „Es giebt im Staate weder gesetzliche Standesunterschiede noch Standesvorrechte.“ 7. Walter: Der erste Satz: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich,“ ist ganz zu streichen. Er ist in dieser Allgemeinheit unausführbar. Es hat noch nie einen Staat gegeben und kann keinen geben, wo für alle Kategorien der Einwohner volle Gleichheit gegolten hätte. Selbst der Entwurf der Verfassungsurkunde enthält Ausnahmen. Es muß aber jeder Satz in unserer Verfassung eine Wahrheit sein. Im zweiten Satze sind die Worte: „weder Standesunterschiede“ auch zu streichen. Sie enthalten ebenfalls eine Unwahrheit. Die Natur der Sache selbst bringt im Staate sowohl faktische als rechtliche Standesunterschiede hervor. Sie sind nach dem Geiste der Zeit möglichst zu mildern; allein ganz zu vertilgen sind sie nicht. Ferner sind im zweiten Satze die Worte: „noch einen besondern Adelsstand“ ebenfalls zu streichen; sie sind überflüssig. Denn wenn alle Standesvorrechte aufgehoben sind, so ist auch der Adel in der bürgerlichen und politischen Sphäre, was uns allein angeht, abgeschafft. Statt des ersten und zweiten Satzes ist zu setzen: „Es giebt vor dem Gesetze keine Vorrechte der Geburt, des Ranges oder Standes.“ Bevor die Debatte eröffnet wird, zeigt der Präsident an, daß eine Aenderung der Abendsitzungen, welche auf Mittwoch und Freitag festgesetzt worden, von einigen Seiten gewünsch werde. Die Versammlung beschließt jedoch diese Tage beizubehalten. Da auf nächsten Mittwoch das Allerheiligenfest fällt, ist gewünscht worden, daß an diesem Tage weder Vormittags- noch Abendsitzung stattfinde. Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen. Die Prioritätskommission zeigt an, daß ein dringender Antrag eingereicht sei, welcher in einer heute Abend anzusetzenden Sitzung berathen werden solle. Es erhebt sich eine Diskussion darüber, da die Rechte heute Abend keine Sitzung halten will. Von der Linken wird das Recht in Anspruch genommen, zu jeder Zeit eine Abendsitzung anzusetzen. Der Antrag betrifft die Wiener Angelegenheiten und ist als sehr schleunig eingebracht; er wird im Laufe der Sitzung vertheilt werden. Er lautet ungefähr dahin: „Die Versammlung möge das Ministerium auffordern, zum Schutz der in Wien gefährdeten Volksfreiheit die nöthigen Maßregeln zu treffen.“ Der Präsident stellt endlich die Frage, ob heute Abend eine Sitzung zur Berathung dieses Antrages stattfinden soll, welche mit 181 gegen 168 Stimmen verneint wird. Die zweite Frage: ob statt der Mittwoch ausfallenden Abendsitzung dieselbe morgen Abend (Dienstag) angesetzt werden soll, wird mit Majorität angenommen. Ueber Artikel 3 der Verfassungsurkunde wird nochmals abgestimmt und mit großer Majorität angenommen. Man geht zur Diskussion des Artikels 4 über. Schulz (Wanzleben): Ich will gegen den Entwurf der Centralabtheilung, aber für den Entwurf der Verfassungskommission sprechen, weil der letztere viel präciser ist; denn er lautet: „Es giebt im Staate weder Standesunterschiede noch Standesvorrechte. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Der Adel ist abgeschafft.“ Es würde mich zu weit führen, wenn ich alle die Gründe für Abschaffung des Adels, die schon so oft gehört sind, wieder vorbringen wollte. Die, welche einen Werth auf den alten Standesunterschied legen und nicht vielmehr durch ihre Bildung oder Kenntnisse sich über andere erheben wollen, sind noch in einem Vorurtheile befangen. Man wollte die alten Erinnerungen der berühmten Geschlechter als Grund für die Beibehaltung der Adelstitel beibringen. Aber liegt denn die Erinnerung an die Thaten der berühmten Namen, in den Adelstiteln oder in den Geschlechtsnamen. Jeder nennt die berühmten Namen: Blücher, Scharnhorst, Schiller u. s. w. ohne ihre Adelstitel und ihre Nachkommen können sich mit Recht Enkel des großen Blücher nennen, ohne den Fürstentitel zu erwähnen, da sehr wenigen dieser Adelstitel kaum bekannt ist. Berends: Wenn uns eine Verfassung auf breitester Grundlage versprochen ist, so versteht man doch wohl darunter, demokratische Grundlage, und in einem demokratischen Staate darf es keinen Adelsstand geben. Weder die Verschiedenheit des Besitzes oder der Geburt darf einen besondern Stand feststellen. Nicht blos der Adelsstand, sondern der Adel muß abgeschafft werden. Sommer spricht für den Kommissionsantrag: Es wird mir nicht einfallen, für die Standesvorrechte zu kämpfen; sind wir aber berechtigt, die Familienrechte aufzuheben? Den angeerbten Namen abzusprechen? Er geht hierauf in geschichtliche Untersuchungen über den Adel ein, welcher von der Zeit, wo das Pulver erfunden wurde, immer mehr an Ansehen und Macht verlor. Jacoby: Ich halte den Gegenstand, über den wir gegenwärtig berathen, für eine Sache, die keine große Wichtigkeit hat. Eine Erklärung der Rechte kann das Volk vor einer Verletzung dieser Rechte keinesfalls sicher stellen. Erstarkt die Volksherrschaft, so wird es Niemand wagen, die Rechte des Volkes anzugreifen. Machen wir aber einen Rückschritt, so wird es der Fürstenpartei bald gelingen, die Rechte illusorisch zu machen. Was den vorliegenden Fall anbetrifft, so glaube ich, daß es wenig auf die Fassung des Entwurfs ankommt, denn über das Prinzip werden wir Alle einig sein. Mag doch ferner auch noch derjenige, der Gefallen daran findet, seinem Namen das „von“ oder andere Titel vorsetzen. Durch die Gesetzgebung wird der Adel faktisch abgeschafft. Es kann daher ganz gleich sein, welche Grabschrift wir dem Adel setzen. Reichensperger: Ich bin mit dem vorigen Redner darin einverstanden, daß wir alle über das Prinzip gleich gesinnt sein werden Wir befinden uns in demselben verhängnißvollen Augenblick, wie unsere westlichen Nachbarn in jener denkwürdigen Nacht des 4. August 1791. Aber unsre Verhältnisse sind verschieden von den dortigen. Dort galt es Opfer zu bringen von Seiten der Berechtigten, welche in dieser Versammlung sehr schwach vertreten sind. Daher sind unsere Verhältnisse auch verschieden von den damaligen. Er spricht ferner über den Grundadel und Papieradel; über Marschälle und Truchseß, Erbgraf u. s. w. Man solle den Leuten nicht wehren, diese Titel zu führen. v. Daniels will die Beibehaltung des Regierungsentwurfs und Verwerfung aller andern. Es wird noch ein Amendement des Abg. Weichsel verlesen, welches aber nicht unterstützt wird. Hierauf beginnt die Debatte über die einzelnen Sätze des Art. 4 Abg. Elsner. Es gibt Dinge, über die man eigentlich gar nicht sprechen dürfe. Wenn Sie sich über den vorliegenden Artikel noch länger auslassen, so geben Sie der Versammlung ein Armuthszeugniß. Die Debatte wird geschlossen und die Abstimmung beginnt. Der erste Satz: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich,“ wird fast einstimmig angenommen. Ueber die anderen Sätze wird sehr langweilig debattirt. Auch der Minister des Innern, Eichmann, nimmt das Wort: er macht darauf aufmerksam, daß man in der Frankfurter Versammlung nicht so weit gegangen sei. Dort hat man den Adel nicht abgesprochen. Der Adel ist auch ein Institut, das ganz Deutschland berührt. Die alten Familien wären in ganz Deutschland verbreitet; wenn dann in dem einen Staate der Adel aufgehoben würde und in dem andern beibehalten? was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Er empfiehlt daher das Walter'sche Amendement. Endlich kommt man zur Abstimmung. Der Abgeordnete Schneider hat noch folgendes Amendement gestellt: „Es gibt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte; der Adel mit seinen Titeln und Bezeichnungen ist abgeschafft.“ Dies Amendement wird nach namentlicher Abstimmung mit 193 gegen 159 Stimmen verworfen. ‒ Die Abstimmung wird morgen fortgesetzt werden. Schluß der Sitzung 2 ein halb Uhr. 103 Berlin, 30. Okt. Die Abgeordneten zum demokratischen Kongreß, Senin von Dresden und Silberstein von Wien sind heute Vormittag in Folge eines richterlichen Befehls verhaftet worden. Auch auf Braklow aus Schleswig-Holstein hat die Polizei gefahndet, derselbe ist aber auch zeitig genug verschwunden, da er schon im Sitzungssaale des Kongresses anwesend war, als ihn die Konstabler verhaften wollten. Im Verhaftsbefehl ist erklärt, daß die Genannten beschuldigt seien, des Versuchs, in der gestrigen Volksversammlung, Mißtrauen und Verachtung gegen die deutsche Centralgewalt in Frankfurt erregt zu haben. Der Abg. Otto von Trier erhielt heute vom Justizminister Kisker ein Schreiben, worin dieser anzeigt, daß der König durch eine Kabinetsordre vom gestrigen Tage den Theilnehmern der Vorfälle in Trier vom 2. u. 3. Mai d. J. und allen damit in Verbindung stehenden Verbrechen und Vergehen vollständige Amnestie ertheilt hat. Der Justizminister hat dem Gemeinderath in Trier und dem Staatsprokurator Deuster bereits hiervon Anzeige gemacht. Die Fach-Kommission für Justizreform hat auf den Antrag der Abgeordneten Jakoby, Temme und D'Ester folgenden Gesetzentwurf vorgelegt: §. 1. Die Ehehindernisse wegen Verschiedenheit der Religion und des Standes werden in allen Landestheilen, wo deren noch bestehen, hierdurch aufgehoben. Alle entgegenstehenden allgemeinen und besondern gesetzlichen Bestimmungen treten außer Kraft. §. 2. Das gegenwärtige Gesetz findet auf diejenigen noch bestehenden ehelichen Verbindungen Anwendung, welche im Widerspruch mit den bisherigen, vorstehend aufgehobenen Bestimmungen, jedoch in gesetzlicher Form abgeschlossen worden sind. Berlin, 28. Okt. Die Regierung hat einen Kommissarius nach Elbing geschickt. Wie in diesen Blättern schon mitgetheilt, war bald nach dem blutigen Tage der Regierungspräsident von Blumenthal dort erschienen. Wir müssen noch einmal darauf zurückkommen, weil wir einen interessanten Beitrag liefern können zu den Personalakten der hohen Beamten, durch die unsere konstitutionelle Regierung sich bedienen läßt. Hr. v. B. ist durch Hrn. v. Rochow (unseligen Andenkens) zu seiner jetzigen Stellung befördert. Dies allein schon mußte das Ministerium zu sorgfältiger Ueberwachung seines politischen Einflusses mahnen. Sein Auftreten in Elbing läßt keinen Zweifel mehr, daß er außer Stande ist, einer Regierung zu dienen, die es mit der Volksfreiheit irgend redlich meint. Nachdem Hr. v. B. von den Anstiftern des Aufruhrs sich über die Veranlassungen desselben belehren lassen, äußerte er gegen einen Herrn der bedrängten Partei, der ihn aufsuchte, um doch einigermaßen auch das Recht der altera pars zu vertreten: „Es zeige dieser ganze Vorfall, daß die große Mehrheit des Volkes mit Liebe an den alten Zuständen hange; das Ausbleiben so vieler Bürgerwehrleute beweise auch, daß selbst der Kern der Bürgerschaft weder auf dieses Institut, noch überhaupt auf die Neuerungen in unserer Verfassung Werth lege; in den Angriffen gegen die Nationalversammlung, die von der Elbinger Tagesliteratur ausgegangen, liege doch viel Wahres, habe die Nationalversammlung doch neuerlich erst die unentgeldliche Aufhebung der Jagdberechtigung votirt und dgl. mehr.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar132_009" type="jArticle"> <pb facs="#f0002" n="0666"/> <p><hi rendition="#g">Tagesordnung:</hi> Fortsetzung der Berathung über die Verfassung (§. 4.). ‒ Ergänzungswahlen. ‒ Anfang 9 1/2 Uhr. Es sind etwa 100 Abgeordnete und 20 Zuschauer da. Präsident <hi rendition="#g">Gagern.</hi> Vor der Tagesordnung.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> theilt mit, daß der Abgeordnete Wiethaus aus Westphalen ausgetreten; dagegen neu eingetreten Werner für Offenburg. (S. unten, es ist der steckbrieflich verfolgte.) Heimbrodt für Breslau, Richter aus Mähren. ‒ Unter andern Flottenbeiträgen wird angezeigt: Eine Obligation des ehemaligen Königreichs Westphalen (Gelächter) und ein paar Ohrringe von einem deutschen Mädchen (Bravo).</p> <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Stein</hi> aus Oesterreich erklärt schriftlich, daß er sich der Abstimmungen bei dem Verfassungsentwurf enthalten wird. (Dieses Unglück.) Mehrere Berichte werden zum Druck angekündigt.</p> <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> (im Namen des Central-Legitimationsausschusses). Bericht wegen der Wahl des steckbrieflich verfolgten Advokat <hi rendition="#g">Werner</hi> für Offenburg (S. oben) in Baden.</p> <p>Der Ausschuß beantragt: da der formellen Wahlberechtigung des Herrn Werner nichts entgegensteht, eine Commission niederzusetzen, welche über den Antrag der badischen Regierung (den Werner zu verhaften) der Nationalversammlung ihr Gutachten vorlegt. Man geht auf diesen Gegenstand sofort ein.</p> <p><hi rendition="#g">Rösler</hi> (Oels) protestirt dagegen, weil Werner nicht anwesend ist Trotzdem stimmt man ab, und der Antrag des Ausschusses wird angenommen.</p> <p>Die Angelegenheit wird dem Blum-, Günther-, Simon-, Zitz-, Schlöffel-, Löw-, Bernhardy-, Jürgens'schen (Polizei)-Ausschuß zugewiesen.</p> <p><hi rendition="#g">Zachariä</hi> (vom internationalen Ausschuß) theilt mit den Bericht über die „Schaumburg-Lippe'sche“ Petition, resp. Protestation gegen jeden Eingriff in ihre politische Selbstständigkeit (Mediatisirung!) (Gelächter.)</p> <p>Der Antrag des Ausschusses geht dahin, die Petition ad acta zu legen.</p> <p>Wiegard, Jucho, Adams u. a reden einige Worte über diesen Gegenstand, die beiden ersteren wollen die Petition nicht ad acta, sondern dieselbe in Erwägung ziehen, wenn von den Mediatisirungen (§. 5. der Verfassung) überhaupt gesprochen werden wird.</p> <p><hi rendition="#g">Schierenberg</hi> will sie an den Verfassungsausschuß. Das Letztere wird angenommen.</p> <p>Fernerer Bericht über den Antrag von Zimmermann aus Spandau, betreffend die deutschen Juni-Gefangenen in Paris. Antrag des Ausschusses: Tagesordnung! (Bravo links!)</p> <p>Wegen der Junigefangenen streiten die Herren Zimmermann aus Spandau und Zachariä sich etwas herum, worauf man beschließt, diesen Gegenstand heut nicht zu berathen, sondern auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen, wie es Hrn. Zimmermann's Wunsch ist.</p> <p>Jetzt folgt ein Berg von Interpellationen!</p> <p><hi rendition="#g">Joseph</hi> (Sachsen) fragt das Reichs-Justizministerium, ob es bekannt mit der scheußlichen Ermordung von wiener Studenten durch Auersperg'sches Militär, und ob es dem Mord an dem Reichsverräther Latour mehr Sympathien widmet als der Ermordung jener Kämpfer für Freiheit und Ordnung Ferner, ob demselben Ministerium bekannt, daß die am 18. September in Frankfurt Gefangenen viele Mißhandlungen von den Soldaten haben erleiden müssen?</p> <p><hi rendition="#g">Demel.</hi> Das gesetzliche Organ Oesterreich's (der Reichstag) habe das von Windischgrätz angekündigte Bombardement Wiens für ungesetzlich erklärt ‒ ob in Folge dessen von den Reichskommissären Welker und Mosle hierüber berichtet, und wenn dies nicht geschehen, was vom Reichsministerium gethan, um dem wiener Reichstag Kraft zu verschaffen, dem Windischgrätz die Spitze zu bieten?</p> <p><hi rendition="#g">Nauwerk.</hi> Welche Schritte haben die Commissäre Welker und Mosle gethan, um ihrem Auftrag zu genügen, und welchen Erfolg haben ihre Schritte gehabt?</p> <p><hi rendition="#g">Förster</hi> von Hünfeld. Wie es mit dem längstversprochenen Minister-Programm aussieht?</p> <p><hi rendition="#g">Beseler</hi> (interpellirt zum erstenmal). Nach vorherigen Erwägungen, welche über 15 Minuten Zeit wegnehmen, fragt er das Ministerium, ob es nicht möglich, daß den mit Einquartirung belasteten Staatsbürgern eine sofortige Entschädigung gegeben werde?</p> <p><hi rendition="#g">Joseph Frank.</hi> Welche Mittheilungen sind von den Reichskommissären in Oesterreich eingegangen? ‒ Ob das Ministerium gegen die ungesetzliche Betretung des deutschen Bodens von Seiten Jellachich's, und zu friedlicher Lösung des österreichischen Bürgerkrieges Schritte gethan?</p> <p>Justizminister <hi rendition="#g">von Mohl:</hi> (auf Joseph's Interpellation, s. oben). Von den Mißhandlungen der am 18. September Gefangenen ist ihm nichts bekannt. Wegen der Ermordung der österreichischen Studenten hat er sich an die österreichische Regierung gewendet, noch keine Antwort erhalten, es ist aber an die Reichskommissäre die Weisung ergangen, auf alle Art zuzusehen, daß dieser Bürgerkrieg menschlich geführt werde. Auf Untersuchung und Bestrafung der Mörder der wiener Studenten sei angetragen. Ob bei einer solchen Untersuchung das Justizministerium einen Rangunterschied mache, überläßt er der Beurtheilung der Nationalversammlung. (Diese Beurtheilung erfolgt sofort durch heftiges Bravo der Centren und Rechten.)</p> <p>Minister <hi rendition="#g">Schmerling</hi> nimmt sich die <hi rendition="#g">Aehre</hi> (Ehre) verschiedene Interpellationen zu beantworten. Ad 1. auf die Interpellation Försters von Hünfeld wegen eines Ministerprogramms. Der Minister weiß nicht, was mit einem solchen Programm gemeint sei. (Links hört!) Der Geschäftskreis der Minister sei ja der Versammlung bekannt. ‒ Es könne bloß ein Programm der auswärtigen Politik gemeint sein. Dies würde sich erst mit dem Definitivum der Centralgewalt genau feststellen lassen. Aber einiges ließe sich schon bemerken. ‒ Folgen einige längstbekannte Bemerkungen über Schleswig und Italien (voilà ein Programm der auswärtigen Politik). Links ruft man: Und die Schweiz! (Bleibt unberücksichtigt).</p> <p>Auf Interpellationen wegen Oesterreich (Nauwerk, Frank, Demel) erwidert der Minister: Die Absendung von Reichkommissären und das Benehmen des Reichsministeriums in der österreichischen Angelegenheit sei von der Nationalversammlung gebilligt worden. (Das ist wahr!) Die Reichskommissäre (Welker und Mosle) theilen aus Ollmütz (!) mit, sie haben sich über den Zustand in Kenntniß gesetzt (eheu!) und demnächst ihre Vermittelung begonnen. In Wien war ihnen zu viel Unordnung, deßhalb haben sie von Ollmütz aus an Kraus, Smolka und Windischgrätz Erklärungen abgegeben, jedes Zusammentreffen mit den Waffen solle vorerst vermieden werden. In Ollmütz bei dem verantwortlichen Wessenberg und dem Kaiser sind sie sehr gut aufgenommen worden. ‒ Uebrigens (fährt Schmerling fort) ist es Thatsache, daß bis jetzt kein Angriff auf Wien stattgefunden, vielmehr Windischgrätz nach Ollmütz berufen. Die Vermittelung werde begonnen.</p> <p><hi rendition="#g">Schmerling</hi> macht darauf aufmerksam, daß er in einem Schreiben an die vielgenannten Reichskommissäre, denselben empfohlen, so wie jeder Anarchie, auch jeder Reaktion entgegenzuarbeiten, und sie angewiesen, die militärischen Führer aufzufordern, die erbitterte Stimmung ihrer Soldaten nicht zu benutzen. (Links oh! Gelächter ‒ Bravo und Zischen.) Auf Beselers Interpellation; (S. oben.) es liegt in den Händen der Versammlung, Fonds anzuweisen, um dem von Herrn Beseler ausgesprochenen Wunsche zu genügen.</p> <p>Bezüglich Jahn's Interpellation (Wegen Blum's u. a. Reise nach Wien S. früheren Bericht) macht der Minister von der Erlaubniß Gebrauch, nicht antworten zu dürfen, und glaubt, daß das Haus nichts dawider haben wird. ‒ (Gelächter und Zischen.)</p> <p><hi rendition="#g">Schneer</hi> interpellirt das Handelsministerium, ob von demselben ein statistisches Büreau für Deutschland errichtet werde?</p> <p><hi rendition="#g">Dukwitz</hi> (Handelsminister): Das Ministerium sei damit beschäftigt, zur Errichtung eines solchen Büreaus bedeutende Persönlichkeiten zu gewinnen, bis Anfang nächsten Jahres wird dasselbe wohl zu Stande kommen. Förster von Hünfeld, Zimmermann von Spandau und Beseler erklären sich mit der Antwort des Ministers auf ihre Interpellationen nicht zufrieden, und behalten sich Anträge vor. ‒</p> <p><hi rendition="#g">Nauwerk</hi> stellt den dringlichen Antrag: Das Reichsministerium solle sofort den Befehl zur Einstellung des Belagerungszustandes von Wien, und zur Zurückziehung der Truppen erlassen; ‒ Nöthigenfalls Reichstruppen zur Ausführung dieses Befehls verwenden. ‒ Welker und Mosle seien mit Durchführung dieses Auftrages zu betrauen. ‒ Die Dringlichkeit wird verworfen. (Tumult.)</p> <p><hi rendition="#g">Frank</hi> stellt einen ähnlichen Antrag, welchem es ebenso ergeht.</p> <p><hi rendition="#g">Nauwerk</hi> beantragt, den Ausschuß welchem sein Antrag übergeben wird, mindestens zur Berichterstattung bis Morgen aufzufordern. Wird verworfen. Die Centren rufen: Tagesordnung! ‒</p> <p><hi rendition="#g">Vogt.</hi> Der Minister hat von einem Recht gesprochen, welches ihn der Antwort auf gewisse Interpellationen enthebt. ‒ Nach der Geschäftsordnung sind für eine solche Nichtbeantwortung die Gründe anzugeben. Dies soll im vorliegenden Falle bei Jahn geschehn. ‒ (Bravo!)</p> <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> glaubt (!) daß nur Jahn hierüber sich zu erklären habe. (Links: und das Gesetz! Wo bleibt das Gesetz!)</p> <p><hi rendition="#g">Frank</hi> bemerkt, er habe über die Dringlichkeit seines Antrags vom Prüsidenten namentliche Abstimmung verlangt. Dieser habe sie verweigert.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> (Sehr kurz.) Meine Herren ich habe dies gethan, und wir gehen zur Tagesordnung über. (Tumult!)</p> <p><hi rendition="#g">Zimmermann</hi> aus Spandau protestirt gegen dies Verfahren. (Wiederholter Tumult. Reh ruft sehr laut vom Platze: „Sie dürfen gar nicht präsidiren in dieser Sache.“ ‒ Der Präsident erklärt, er habe dazu das Recht, und werde weiter präsidiren.</p> <p><hi rendition="#g">Wiesner</hi> und <hi rendition="#g">Berger</hi> beantragen dringlich: die Reichskommissäre zurückzurufen, und durch bessere zu ersetzen.</p> <p>Der Antrag wird nicht als dringlich erachtet, und (um 3/4 12 Uhr) zur Tagesordnung übergegangen.</p> <p>Tagesordnung. (s. oben).</p> <p>§. 4 des Entwurfs lautet: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande in dem Verhältniß der Personalunion steht, muß entweder in seinem deutschen Lande residiren, oder in demselben eine Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege nach Rappard's Amendement niedersetzen, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen.“</p> <p>Zusatz der Minorität: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande durch die Personalunion verbunden ist, darf nicht deutsche Truppen in seine Länder verlegen, außer in Veranlassung von Reichskriegen auf Anordnung der Reichsgewalt. (Schüler, Blum, Wigard.)</p> <p><hi rendition="#g">Rösler</hi> von Oels erklärt sich gegen den Paragraphen. Das Minoritätsvotum geht ihm nicht weit genug, er beantragt den Zusatz: „wie überhaupt keine Ausländer als Beamte angestellt werden können, außer mit Zustimmung der Volksvertretung des betreffenden deutschen Staates.“ Unterstützt ist der Antrag von 25 Mitgliedern der Linken.</p> <p><hi rendition="#g">Linde</hi> aus Mainz (der langweiligste aller Staatsräthe) spricht für den Paragraphen in obiger Fassung.</p> <p><hi rendition="#g">Kolb</hi> aus Speyer (ist frühstücken.)</p> <p><hi rendition="#g">Vogt.</hi> Gegen den §. des Entwurfs. Wir haben nur zu bestimmen, was unsere Verfassung angeht. Der Vorredner hat gesagt, wir seien hier um einen deutschen Kaiser zu machen, dies scheint mir gar nicht unsere Aufgabe, sondern ein deutsches Reich wollen wir machen, (wollen wir!) Vogt erklärt sich für das Minoritätserachten und den Zusatz Röslers von Oels, und spricht sich besonders gegen das Truppensenden aus fremden Provinzen in wiederum fremde Provinzen. Die ganze Debatte ist matt und theilnahmlos.</p> <p>Herr <hi rendition="#g">von Soiron</hi> der frühere Vicepräsident, vertheidigt den Paragraphen des Entwurfs. Man ruft Schluß! Vor dem Schluße gestattet die Versammlung, auf Bitten(!) des Präsidenten, Herrn Schüler noch das Wort zur Vertheidigung des Minoritätserachtens. Der Berichterstatter des Ausschusses (Riesser) spricht für den Paragraphen 4. Abstimmung: §. 4 (s. oben) wird angenommen. Dazu ein Amendement von Rappard, „daß die Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege eingerichtet werden muß.“</p> <p>Ein Zusatz zum Minoritätserachten von Rösler aus Oels („daß auch keine deutschen Truppen in nicht deutsche Länder zu verlegen seien“) wird durch Zettelabstimmung mit 138 Stimmen gegen 224 verworfen.</p> <p>Das Minoritätsvotum (s. oben) wird durch gleiche Abstimmung mit 108 Stimmen gegen 187 verworfen.</p> <p>Es sollen die Zettel zu den Ergänzungswahlen eingesammelt werden. Hierbei erklären Benedey und Schaffrath, daß sie und viele anderen nicht mehr mit wählen werden, weil von ihrer Partei nie ein Wahlkandidat vorgeschlagen oder gar genehmigt wird. (Dies ist wahr!)</p> <p><hi rendition="#g">Michelsen</hi> meint, in gewissen Ausschüssen käme es gar nicht darauf an, aus allen Parteien zu wählen. (Wird furchtbar ausgelacht und von links höhnisch beklatscht.)</p> <p>Man geht zu §. 5. des Verfassungs-Entwurfs:</p> <p>§. 5.</p> <p>„Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nicht deutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nicht deutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen. Wird ohne Diskussion angenommen. Hingegen werden Alle Amendements zu diesem Paragraphen und das Minoritätserachten, (welche sämmtlich sich auf die Mediatisirung der kleineren Fürsten beziehen) nach einem Antrage von Ziegert zur Begutachtung und nochmaligen Berichterstattung an den Verfassungsausschuß zurückgewiesen. Das Minoritätserachten zu 5 lautet: „Kleinere deutsche Staaten können sich zu einem größeren deutschen Staate vereinigen, oder einem bereits bestehenden größeren deutschen Staate einverleiben.</p> <p>Doch darf mit keinem deutschen Lande, welches bereits über 5 Millionen Einwohner hat, ein anderes deutsches Land verbunden werden.</p> <p>Eine Ausnahme von letzterer Bestimmung machen nur solche kleine Staaten, deren Gebiet innerhalb der größeren über 5 Millionen Einwohner zählenden deutschen Staates liegen.“ (Schüler, Wigard, Blum.)</p> <p>(Artikel 3.) §. 6. soll dran kommen, da aber auf die Diskussion nicht Verzicht geleistet wird, vertagt man die Debatte über denselben bis Morgen. (Den Wortlaut des §. Morgen.) Hierbei ereignet sich eine höchst spaßhafte Scene.</p> <p>Der Abgeordnete Wedekind erhält nämlich das Wort vom Präsidenten, zur Begründung eines Antrags auf Vertagung, weil seiner Ansicht nach §. 6. nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Furchbarer Schlußruf läßt ihn jedoch nicht zum Wort kommen. Er verbietet sich die Roheit, und spricht unter unauslöschlichem Gelächter immer mit den Händen gestikulierend wohl 10 Minuten, ohne daß man ein Wort versteht. Simson zeigt ihm endlich nach langen vergeblichen Beruhigungs-Anstrengungen, daß er sich geirrt hat.</p> <p>Vor Schluß der Sitzung beklagt sich noch Vogt und sehr viele Mitglieder der Linken in einem dringenden Antrage gegen den Präsidenten (v. Gagern) wegen seiner selbstwilligen Wortverweigerungen im Beginn der heutigen Sitzung (s. oben) sie wollen: „die Nationalversammlung soll dem Präsidenten ihre Mißbilligung aussprechen.“ Der Antrag wird, unter äußerster Mißbilligung der Centren als nichtdringlich, an den Geschäftsordnungs-Ausschuß verwiesen. Schluß um 2 Uhr. Morgen um 9 Uhr Fortsetzung der Verfassung.</p> </div> <div xml:id="ar132_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 30. Okt.</head> <p>Sitzung der Vereinbarerversammlung.</p> <p>Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Artikel 4 des Entwurfs der Verfassungsurkunde, welcher lautet:</p> <p>„Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Es giebt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte, noch einen besonderen Adelsstand. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu befähigte gleich zugänglich.“</p> <p>Hierzu sind folgende Amendements eingereicht:</p> <p>1. <hi rendition="#g">Berends:</hi> Statt der Worte: „noch einen besonderen Adelsstand,“ zu setzen: „Der Adel ist abgeschafft.“</p> <p>2. <hi rendition="#g">Borchard, Matthaei:</hi> Zusatz: Der Gebrauch adeliger Titel und Prädikate in öffentlichen Urkunden ist untersagt.“</p> <p>3. <hi rendition="#g">Sommer:</hi> nach „noch einen besondern Adelsstand“ zu setzen: „mit politischen Vorrechten.“</p> <p>4. <hi rendition="#g">Jung:</hi> Zusatz: „Orden, so wie Titel, die nicht blos das Amt bezeichnen, können nicht mehr ertheilt werden.“</p> <p>5. v. <hi rendition="#g">Lisinki:</hi> Zusatz: „Der Adel und alle damit verbundenen Titel und Prädikate sind abgeschafft.“</p> <p>6. <hi rendition="#g">Kunth:</hi> Der 2. und 3. Satz des Artikels 4 ist zu streichen und statt dessen zu setzen: „Es giebt im Staate weder gesetzliche Standesunterschiede noch Standesvorrechte.“</p> <p>7. <hi rendition="#g">Walter:</hi> Der erste Satz: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich,“ ist ganz zu streichen. Er ist in dieser Allgemeinheit unausführbar. Es hat noch nie einen Staat gegeben und kann keinen geben, wo für alle Kategorien der Einwohner volle Gleichheit gegolten hätte. Selbst der Entwurf der Verfassungsurkunde enthält Ausnahmen. Es muß aber jeder Satz in unserer Verfassung eine Wahrheit sein.</p> <p>Im zweiten Satze sind die Worte: „weder Standesunterschiede“ auch zu streichen. Sie enthalten ebenfalls eine Unwahrheit. Die Natur der Sache selbst bringt im Staate sowohl faktische als rechtliche Standesunterschiede hervor. Sie sind nach dem Geiste der Zeit möglichst zu mildern; allein ganz zu vertilgen sind sie nicht. Ferner sind im zweiten Satze die Worte: „noch einen besondern Adelsstand“ ebenfalls zu streichen; sie sind überflüssig. Denn wenn alle Standesvorrechte aufgehoben sind, so ist auch der Adel in der bürgerlichen und politischen Sphäre, was uns allein angeht, abgeschafft.</p> <p>Statt des ersten und zweiten Satzes ist zu setzen:</p> <p>„Es giebt vor dem Gesetze keine Vorrechte der Geburt, des Ranges oder Standes.“</p> <p>Bevor die Debatte eröffnet wird, zeigt der Präsident an, daß eine Aenderung der Abendsitzungen, welche auf Mittwoch und Freitag festgesetzt worden, von einigen Seiten gewünsch werde. Die Versammlung beschließt jedoch diese Tage beizubehalten.</p> <p>Da auf nächsten Mittwoch das Allerheiligenfest fällt, ist gewünscht worden, daß an diesem Tage weder Vormittags- noch Abendsitzung stattfinde. Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen.</p> <p>Die Prioritätskommission zeigt an, daß ein dringender Antrag eingereicht sei, welcher in einer heute Abend anzusetzenden Sitzung berathen werden solle. Es erhebt sich eine Diskussion darüber, da die Rechte heute Abend keine Sitzung halten will. Von der Linken wird das Recht in Anspruch genommen, zu jeder Zeit eine Abendsitzung anzusetzen. Der Antrag betrifft die Wiener Angelegenheiten und ist als sehr schleunig eingebracht; er wird im Laufe der Sitzung vertheilt werden. Er lautet ungefähr dahin:</p> <p>„Die Versammlung möge das Ministerium auffordern, zum Schutz der in Wien gefährdeten Volksfreiheit die nöthigen Maßregeln zu treffen.“</p> <p>Der Präsident stellt endlich die Frage, ob heute Abend eine Sitzung zur Berathung dieses Antrages stattfinden soll, welche mit 181 gegen 168 Stimmen verneint wird.</p> <p>Die zweite Frage: ob statt der Mittwoch ausfallenden Abendsitzung dieselbe morgen Abend (Dienstag) angesetzt werden soll, wird mit Majorität angenommen.</p> <p>Ueber Artikel 3 der Verfassungsurkunde wird nochmals abgestimmt und mit großer Majorität angenommen. Man geht zur Diskussion des Artikels 4 über.</p> <p><hi rendition="#g">Schulz</hi> (Wanzleben): Ich will gegen den Entwurf der Centralabtheilung, aber für den Entwurf der Verfassungskommission sprechen, weil der letztere viel präciser ist; denn er lautet:</p> <p>„Es giebt im Staate weder Standesunterschiede noch Standesvorrechte. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Der Adel ist abgeschafft.“</p> <p>Es würde mich zu weit führen, wenn ich alle die Gründe für Abschaffung des Adels, die schon so oft gehört sind, wieder vorbringen wollte. Die, welche einen Werth auf den alten Standesunterschied legen und nicht vielmehr durch ihre Bildung oder Kenntnisse sich über andere erheben wollen, sind noch in einem Vorurtheile befangen. Man wollte die alten Erinnerungen der berühmten Geschlechter als Grund für die Beibehaltung der Adelstitel beibringen. Aber liegt denn die Erinnerung an die Thaten der berühmten Namen, in den Adelstiteln oder in den Geschlechtsnamen. Jeder nennt die berühmten Namen: Blücher, Scharnhorst, Schiller u. s. w. ohne ihre Adelstitel und ihre Nachkommen können sich mit Recht Enkel des großen Blücher nennen, ohne den Fürstentitel zu erwähnen, da sehr wenigen dieser Adelstitel kaum bekannt ist.</p> <p><hi rendition="#g">Berends:</hi> Wenn uns eine Verfassung auf breitester Grundlage versprochen ist, so versteht man doch wohl darunter, demokratische Grundlage, und in einem demokratischen Staate darf es keinen Adelsstand geben. Weder die Verschiedenheit des Besitzes oder der Geburt darf einen besondern Stand feststellen. Nicht blos der Adelsstand, sondern der Adel muß abgeschafft werden.</p> <p><hi rendition="#g">Sommer</hi> spricht für den Kommissionsantrag: Es wird mir nicht einfallen, für die Standesvorrechte zu kämpfen; sind wir aber berechtigt, die Familienrechte aufzuheben? Den angeerbten Namen abzusprechen? Er geht hierauf in geschichtliche Untersuchungen über den Adel ein, welcher von der Zeit, wo das Pulver erfunden wurde, immer mehr an Ansehen und Macht verlor.</p> <p><hi rendition="#g">Jacoby:</hi> Ich halte den Gegenstand, über den wir gegenwärtig berathen, für eine Sache, die keine große Wichtigkeit hat. Eine Erklärung der Rechte kann das Volk vor einer Verletzung dieser Rechte keinesfalls sicher stellen. Erstarkt die Volksherrschaft, so wird es Niemand wagen, die Rechte des Volkes anzugreifen. Machen wir aber einen Rückschritt, so wird es der Fürstenpartei bald gelingen, die Rechte illusorisch zu machen. Was den vorliegenden Fall anbetrifft, so glaube ich, daß es wenig auf die Fassung des Entwurfs ankommt, denn über das Prinzip werden wir Alle einig sein. Mag doch ferner auch noch derjenige, der Gefallen daran findet, seinem Namen das „von“ oder andere Titel vorsetzen. Durch die Gesetzgebung wird der Adel faktisch abgeschafft. Es kann daher ganz gleich sein, welche Grabschrift wir dem Adel setzen.</p> <p><hi rendition="#g">Reichensperger:</hi> Ich bin mit dem vorigen Redner darin einverstanden, daß wir alle über das Prinzip gleich gesinnt sein werden Wir befinden uns in demselben verhängnißvollen Augenblick, wie unsere westlichen Nachbarn in jener denkwürdigen Nacht des 4. August 1791. Aber unsre Verhältnisse sind verschieden von den dortigen. Dort galt es Opfer zu bringen von Seiten der Berechtigten, welche in dieser Versammlung sehr schwach vertreten sind. Daher sind unsere Verhältnisse auch verschieden von den damaligen. Er spricht ferner über den Grundadel und Papieradel; über Marschälle und Truchseß, Erbgraf u. s. w. Man solle den Leuten nicht wehren, diese Titel zu führen.</p> <p>v. <hi rendition="#g">Daniels</hi> will die Beibehaltung des Regierungsentwurfs und Verwerfung aller andern.</p> <p>Es wird noch ein Amendement des Abg. <hi rendition="#g">Weichsel</hi> verlesen, welches aber nicht unterstützt wird. Hierauf beginnt die Debatte über die einzelnen Sätze des Art. 4</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Elsner.</hi> Es gibt Dinge, über die man eigentlich gar nicht sprechen dürfe. Wenn Sie sich über den vorliegenden Artikel noch länger auslassen, so geben Sie der Versammlung ein Armuthszeugniß.</p> <p>Die Debatte wird geschlossen und die Abstimmung beginnt. Der erste Satz: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich,“ wird fast einstimmig angenommen.</p> <p>Ueber die anderen Sätze wird sehr langweilig debattirt. Auch der Minister des Innern, <hi rendition="#g">Eichmann,</hi> nimmt das Wort: er macht darauf aufmerksam, daß man in der Frankfurter Versammlung nicht so weit gegangen sei. Dort hat man den Adel nicht abgesprochen. Der Adel ist auch ein Institut, das ganz Deutschland berührt. Die alten Familien wären in ganz Deutschland verbreitet; wenn dann in dem einen Staate der Adel aufgehoben würde und in dem andern beibehalten? was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Er empfiehlt daher das Walter'sche Amendement.</p> <p>Endlich kommt man zur Abstimmung. Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Schneider</hi> hat noch folgendes Amendement gestellt: „Es gibt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte; der Adel mit seinen Titeln und Bezeichnungen ist abgeschafft.“ Dies Amendement wird nach namentlicher Abstimmung mit 193 gegen 159 Stimmen verworfen. ‒ Die Abstimmung wird morgen fortgesetzt werden. Schluß der Sitzung 2 ein halb Uhr.</p> </div> <div xml:id="ar132_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 30. Okt.</head> <p>Die Abgeordneten zum demokratischen Kongreß, <hi rendition="#g">Senin</hi> von Dresden und <hi rendition="#g">Silberstein</hi> von Wien sind heute Vormittag in Folge eines richterlichen Befehls verhaftet worden. Auch auf <hi rendition="#g">Braklow</hi> aus Schleswig-Holstein hat die Polizei gefahndet, derselbe ist aber auch zeitig genug verschwunden, da er schon im Sitzungssaale des Kongresses anwesend war, als ihn die Konstabler verhaften wollten. Im Verhaftsbefehl ist erklärt, daß die Genannten beschuldigt seien, des Versuchs, in der gestrigen Volksversammlung, Mißtrauen und Verachtung gegen die deutsche Centralgewalt in Frankfurt erregt zu haben.</p> <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Otto</hi> von Trier erhielt heute vom Justizminister Kisker ein Schreiben, worin dieser anzeigt, daß der König durch eine Kabinetsordre vom gestrigen Tage den Theilnehmern der Vorfälle in Trier vom 2. u. 3. Mai d. J. und allen damit in Verbindung stehenden Verbrechen und Vergehen vollständige Amnestie ertheilt hat. Der Justizminister hat dem Gemeinderath in Trier und dem Staatsprokurator <hi rendition="#g">Deuster</hi> bereits hiervon Anzeige gemacht.</p> <p>Die Fach-Kommission für Justizreform hat auf den Antrag der Abgeordneten Jakoby, Temme und D'Ester folgenden Gesetzentwurf vorgelegt:</p> <p>§. 1. Die Ehehindernisse wegen Verschiedenheit der Religion und des Standes werden in allen Landestheilen, wo deren noch bestehen, hierdurch aufgehoben. Alle entgegenstehenden allgemeinen und besondern gesetzlichen Bestimmungen treten außer Kraft.</p> <p>§. 2. Das gegenwärtige Gesetz findet auf diejenigen noch bestehenden ehelichen Verbindungen Anwendung, welche im Widerspruch mit den bisherigen, vorstehend aufgehobenen Bestimmungen, jedoch in gesetzlicher Form abgeschlossen worden sind.</p> </div> <div xml:id="ar132_012" type="jArticle"> <head>Berlin, 28. Okt.</head> <p>Die Regierung hat einen Kommissarius nach Elbing geschickt. Wie in diesen Blättern schon mitgetheilt, war bald nach dem blutigen Tage der Regierungspräsident von Blumenthal dort erschienen. Wir müssen noch einmal darauf zurückkommen, weil wir einen interessanten Beitrag liefern können zu den Personalakten der hohen Beamten, durch die unsere konstitutionelle Regierung sich bedienen läßt. Hr. v. B. ist durch Hrn. v. Rochow (unseligen Andenkens) zu seiner jetzigen Stellung befördert. Dies allein schon mußte das Ministerium zu sorgfältiger Ueberwachung seines politischen Einflusses mahnen. Sein Auftreten in Elbing läßt keinen Zweifel mehr, daß er außer Stande ist, einer Regierung zu dienen, die es mit der Volksfreiheit irgend redlich meint. Nachdem Hr. v. B. von den Anstiftern des Aufruhrs sich über die Veranlassungen desselben belehren lassen, äußerte er gegen einen Herrn der bedrängten Partei, der ihn aufsuchte, um doch einigermaßen auch das Recht der altera pars zu vertreten:</p> <p>„Es zeige dieser ganze Vorfall, daß die große Mehrheit des Volkes mit Liebe an den alten Zuständen hange; das Ausbleiben so vieler Bürgerwehrleute beweise auch, daß selbst der Kern der Bürgerschaft weder auf dieses Institut, noch überhaupt auf die Neuerungen in unserer Verfassung Werth lege; in den Angriffen gegen die Nationalversammlung, die von der Elbinger Tagesliteratur ausgegangen, liege doch viel Wahres, habe die Nationalversammlung doch neuerlich erst die unentgeldliche Aufhebung der Jagdberechtigung votirt und dgl. mehr.“</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0666/0002]
Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung über die Verfassung (§. 4.). ‒ Ergänzungswahlen. ‒ Anfang 9 1/2 Uhr. Es sind etwa 100 Abgeordnete und 20 Zuschauer da. Präsident Gagern. Vor der Tagesordnung.
Präsident theilt mit, daß der Abgeordnete Wiethaus aus Westphalen ausgetreten; dagegen neu eingetreten Werner für Offenburg. (S. unten, es ist der steckbrieflich verfolgte.) Heimbrodt für Breslau, Richter aus Mähren. ‒ Unter andern Flottenbeiträgen wird angezeigt: Eine Obligation des ehemaligen Königreichs Westphalen (Gelächter) und ein paar Ohrringe von einem deutschen Mädchen (Bravo).
Der Abgeordnete Stein aus Oesterreich erklärt schriftlich, daß er sich der Abstimmungen bei dem Verfassungsentwurf enthalten wird. (Dieses Unglück.) Mehrere Berichte werden zum Druck angekündigt.
Plathner (im Namen des Central-Legitimationsausschusses). Bericht wegen der Wahl des steckbrieflich verfolgten Advokat Werner für Offenburg (S. oben) in Baden.
Der Ausschuß beantragt: da der formellen Wahlberechtigung des Herrn Werner nichts entgegensteht, eine Commission niederzusetzen, welche über den Antrag der badischen Regierung (den Werner zu verhaften) der Nationalversammlung ihr Gutachten vorlegt. Man geht auf diesen Gegenstand sofort ein.
Rösler (Oels) protestirt dagegen, weil Werner nicht anwesend ist Trotzdem stimmt man ab, und der Antrag des Ausschusses wird angenommen.
Die Angelegenheit wird dem Blum-, Günther-, Simon-, Zitz-, Schlöffel-, Löw-, Bernhardy-, Jürgens'schen (Polizei)-Ausschuß zugewiesen.
Zachariä (vom internationalen Ausschuß) theilt mit den Bericht über die „Schaumburg-Lippe'sche“ Petition, resp. Protestation gegen jeden Eingriff in ihre politische Selbstständigkeit (Mediatisirung!) (Gelächter.)
Der Antrag des Ausschusses geht dahin, die Petition ad acta zu legen.
Wiegard, Jucho, Adams u. a reden einige Worte über diesen Gegenstand, die beiden ersteren wollen die Petition nicht ad acta, sondern dieselbe in Erwägung ziehen, wenn von den Mediatisirungen (§. 5. der Verfassung) überhaupt gesprochen werden wird.
Schierenberg will sie an den Verfassungsausschuß. Das Letztere wird angenommen.
Fernerer Bericht über den Antrag von Zimmermann aus Spandau, betreffend die deutschen Juni-Gefangenen in Paris. Antrag des Ausschusses: Tagesordnung! (Bravo links!)
Wegen der Junigefangenen streiten die Herren Zimmermann aus Spandau und Zachariä sich etwas herum, worauf man beschließt, diesen Gegenstand heut nicht zu berathen, sondern auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen, wie es Hrn. Zimmermann's Wunsch ist.
Jetzt folgt ein Berg von Interpellationen!
Joseph (Sachsen) fragt das Reichs-Justizministerium, ob es bekannt mit der scheußlichen Ermordung von wiener Studenten durch Auersperg'sches Militär, und ob es dem Mord an dem Reichsverräther Latour mehr Sympathien widmet als der Ermordung jener Kämpfer für Freiheit und Ordnung Ferner, ob demselben Ministerium bekannt, daß die am 18. September in Frankfurt Gefangenen viele Mißhandlungen von den Soldaten haben erleiden müssen?
Demel. Das gesetzliche Organ Oesterreich's (der Reichstag) habe das von Windischgrätz angekündigte Bombardement Wiens für ungesetzlich erklärt ‒ ob in Folge dessen von den Reichskommissären Welker und Mosle hierüber berichtet, und wenn dies nicht geschehen, was vom Reichsministerium gethan, um dem wiener Reichstag Kraft zu verschaffen, dem Windischgrätz die Spitze zu bieten?
Nauwerk. Welche Schritte haben die Commissäre Welker und Mosle gethan, um ihrem Auftrag zu genügen, und welchen Erfolg haben ihre Schritte gehabt?
Förster von Hünfeld. Wie es mit dem längstversprochenen Minister-Programm aussieht?
Beseler (interpellirt zum erstenmal). Nach vorherigen Erwägungen, welche über 15 Minuten Zeit wegnehmen, fragt er das Ministerium, ob es nicht möglich, daß den mit Einquartirung belasteten Staatsbürgern eine sofortige Entschädigung gegeben werde?
Joseph Frank. Welche Mittheilungen sind von den Reichskommissären in Oesterreich eingegangen? ‒ Ob das Ministerium gegen die ungesetzliche Betretung des deutschen Bodens von Seiten Jellachich's, und zu friedlicher Lösung des österreichischen Bürgerkrieges Schritte gethan?
Justizminister von Mohl: (auf Joseph's Interpellation, s. oben). Von den Mißhandlungen der am 18. September Gefangenen ist ihm nichts bekannt. Wegen der Ermordung der österreichischen Studenten hat er sich an die österreichische Regierung gewendet, noch keine Antwort erhalten, es ist aber an die Reichskommissäre die Weisung ergangen, auf alle Art zuzusehen, daß dieser Bürgerkrieg menschlich geführt werde. Auf Untersuchung und Bestrafung der Mörder der wiener Studenten sei angetragen. Ob bei einer solchen Untersuchung das Justizministerium einen Rangunterschied mache, überläßt er der Beurtheilung der Nationalversammlung. (Diese Beurtheilung erfolgt sofort durch heftiges Bravo der Centren und Rechten.)
Minister Schmerling nimmt sich die Aehre (Ehre) verschiedene Interpellationen zu beantworten. Ad 1. auf die Interpellation Försters von Hünfeld wegen eines Ministerprogramms. Der Minister weiß nicht, was mit einem solchen Programm gemeint sei. (Links hört!) Der Geschäftskreis der Minister sei ja der Versammlung bekannt. ‒ Es könne bloß ein Programm der auswärtigen Politik gemeint sein. Dies würde sich erst mit dem Definitivum der Centralgewalt genau feststellen lassen. Aber einiges ließe sich schon bemerken. ‒ Folgen einige längstbekannte Bemerkungen über Schleswig und Italien (voilà ein Programm der auswärtigen Politik). Links ruft man: Und die Schweiz! (Bleibt unberücksichtigt).
Auf Interpellationen wegen Oesterreich (Nauwerk, Frank, Demel) erwidert der Minister: Die Absendung von Reichkommissären und das Benehmen des Reichsministeriums in der österreichischen Angelegenheit sei von der Nationalversammlung gebilligt worden. (Das ist wahr!) Die Reichskommissäre (Welker und Mosle) theilen aus Ollmütz (!) mit, sie haben sich über den Zustand in Kenntniß gesetzt (eheu!) und demnächst ihre Vermittelung begonnen. In Wien war ihnen zu viel Unordnung, deßhalb haben sie von Ollmütz aus an Kraus, Smolka und Windischgrätz Erklärungen abgegeben, jedes Zusammentreffen mit den Waffen solle vorerst vermieden werden. In Ollmütz bei dem verantwortlichen Wessenberg und dem Kaiser sind sie sehr gut aufgenommen worden. ‒ Uebrigens (fährt Schmerling fort) ist es Thatsache, daß bis jetzt kein Angriff auf Wien stattgefunden, vielmehr Windischgrätz nach Ollmütz berufen. Die Vermittelung werde begonnen.
Schmerling macht darauf aufmerksam, daß er in einem Schreiben an die vielgenannten Reichskommissäre, denselben empfohlen, so wie jeder Anarchie, auch jeder Reaktion entgegenzuarbeiten, und sie angewiesen, die militärischen Führer aufzufordern, die erbitterte Stimmung ihrer Soldaten nicht zu benutzen. (Links oh! Gelächter ‒ Bravo und Zischen.) Auf Beselers Interpellation; (S. oben.) es liegt in den Händen der Versammlung, Fonds anzuweisen, um dem von Herrn Beseler ausgesprochenen Wunsche zu genügen.
Bezüglich Jahn's Interpellation (Wegen Blum's u. a. Reise nach Wien S. früheren Bericht) macht der Minister von der Erlaubniß Gebrauch, nicht antworten zu dürfen, und glaubt, daß das Haus nichts dawider haben wird. ‒ (Gelächter und Zischen.)
Schneer interpellirt das Handelsministerium, ob von demselben ein statistisches Büreau für Deutschland errichtet werde?
Dukwitz (Handelsminister): Das Ministerium sei damit beschäftigt, zur Errichtung eines solchen Büreaus bedeutende Persönlichkeiten zu gewinnen, bis Anfang nächsten Jahres wird dasselbe wohl zu Stande kommen. Förster von Hünfeld, Zimmermann von Spandau und Beseler erklären sich mit der Antwort des Ministers auf ihre Interpellationen nicht zufrieden, und behalten sich Anträge vor. ‒
Nauwerk stellt den dringlichen Antrag: Das Reichsministerium solle sofort den Befehl zur Einstellung des Belagerungszustandes von Wien, und zur Zurückziehung der Truppen erlassen; ‒ Nöthigenfalls Reichstruppen zur Ausführung dieses Befehls verwenden. ‒ Welker und Mosle seien mit Durchführung dieses Auftrages zu betrauen. ‒ Die Dringlichkeit wird verworfen. (Tumult.)
Frank stellt einen ähnlichen Antrag, welchem es ebenso ergeht.
Nauwerk beantragt, den Ausschuß welchem sein Antrag übergeben wird, mindestens zur Berichterstattung bis Morgen aufzufordern. Wird verworfen. Die Centren rufen: Tagesordnung! ‒
Vogt. Der Minister hat von einem Recht gesprochen, welches ihn der Antwort auf gewisse Interpellationen enthebt. ‒ Nach der Geschäftsordnung sind für eine solche Nichtbeantwortung die Gründe anzugeben. Dies soll im vorliegenden Falle bei Jahn geschehn. ‒ (Bravo!)
Präsident: glaubt (!) daß nur Jahn hierüber sich zu erklären habe. (Links: und das Gesetz! Wo bleibt das Gesetz!)
Frank bemerkt, er habe über die Dringlichkeit seines Antrags vom Prüsidenten namentliche Abstimmung verlangt. Dieser habe sie verweigert.
Präsident (Sehr kurz.) Meine Herren ich habe dies gethan, und wir gehen zur Tagesordnung über. (Tumult!)
Zimmermann aus Spandau protestirt gegen dies Verfahren. (Wiederholter Tumult. Reh ruft sehr laut vom Platze: „Sie dürfen gar nicht präsidiren in dieser Sache.“ ‒ Der Präsident erklärt, er habe dazu das Recht, und werde weiter präsidiren.
Wiesner und Berger beantragen dringlich: die Reichskommissäre zurückzurufen, und durch bessere zu ersetzen.
Der Antrag wird nicht als dringlich erachtet, und (um 3/4 12 Uhr) zur Tagesordnung übergegangen.
Tagesordnung. (s. oben).
§. 4 des Entwurfs lautet: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande in dem Verhältniß der Personalunion steht, muß entweder in seinem deutschen Lande residiren, oder in demselben eine Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege nach Rappard's Amendement niedersetzen, zu welcher nur Deutsche berufen werden dürfen.“
Zusatz der Minorität: „Das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes, welches mit einem nicht deutschen Lande durch die Personalunion verbunden ist, darf nicht deutsche Truppen in seine Länder verlegen, außer in Veranlassung von Reichskriegen auf Anordnung der Reichsgewalt. (Schüler, Blum, Wigard.)
Rösler von Oels erklärt sich gegen den Paragraphen. Das Minoritätsvotum geht ihm nicht weit genug, er beantragt den Zusatz: „wie überhaupt keine Ausländer als Beamte angestellt werden können, außer mit Zustimmung der Volksvertretung des betreffenden deutschen Staates.“ Unterstützt ist der Antrag von 25 Mitgliedern der Linken.
Linde aus Mainz (der langweiligste aller Staatsräthe) spricht für den Paragraphen in obiger Fassung.
Kolb aus Speyer (ist frühstücken.)
Vogt. Gegen den §. des Entwurfs. Wir haben nur zu bestimmen, was unsere Verfassung angeht. Der Vorredner hat gesagt, wir seien hier um einen deutschen Kaiser zu machen, dies scheint mir gar nicht unsere Aufgabe, sondern ein deutsches Reich wollen wir machen, (wollen wir!) Vogt erklärt sich für das Minoritätserachten und den Zusatz Röslers von Oels, und spricht sich besonders gegen das Truppensenden aus fremden Provinzen in wiederum fremde Provinzen. Die ganze Debatte ist matt und theilnahmlos.
Herr von Soiron der frühere Vicepräsident, vertheidigt den Paragraphen des Entwurfs. Man ruft Schluß! Vor dem Schluße gestattet die Versammlung, auf Bitten(!) des Präsidenten, Herrn Schüler noch das Wort zur Vertheidigung des Minoritätserachtens. Der Berichterstatter des Ausschusses (Riesser) spricht für den Paragraphen 4. Abstimmung: §. 4 (s. oben) wird angenommen. Dazu ein Amendement von Rappard, „daß die Regentschaft auf verfassungsmäßigem Wege eingerichtet werden muß.“
Ein Zusatz zum Minoritätserachten von Rösler aus Oels („daß auch keine deutschen Truppen in nicht deutsche Länder zu verlegen seien“) wird durch Zettelabstimmung mit 138 Stimmen gegen 224 verworfen.
Das Minoritätsvotum (s. oben) wird durch gleiche Abstimmung mit 108 Stimmen gegen 187 verworfen.
Es sollen die Zettel zu den Ergänzungswahlen eingesammelt werden. Hierbei erklären Benedey und Schaffrath, daß sie und viele anderen nicht mehr mit wählen werden, weil von ihrer Partei nie ein Wahlkandidat vorgeschlagen oder gar genehmigt wird. (Dies ist wahr!)
Michelsen meint, in gewissen Ausschüssen käme es gar nicht darauf an, aus allen Parteien zu wählen. (Wird furchtbar ausgelacht und von links höhnisch beklatscht.)
Man geht zu §. 5. des Verfassungs-Entwurfs:
§. 5.
„Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nicht deutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nicht deutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen. Wird ohne Diskussion angenommen. Hingegen werden Alle Amendements zu diesem Paragraphen und das Minoritätserachten, (welche sämmtlich sich auf die Mediatisirung der kleineren Fürsten beziehen) nach einem Antrage von Ziegert zur Begutachtung und nochmaligen Berichterstattung an den Verfassungsausschuß zurückgewiesen. Das Minoritätserachten zu 5 lautet: „Kleinere deutsche Staaten können sich zu einem größeren deutschen Staate vereinigen, oder einem bereits bestehenden größeren deutschen Staate einverleiben.
Doch darf mit keinem deutschen Lande, welches bereits über 5 Millionen Einwohner hat, ein anderes deutsches Land verbunden werden.
Eine Ausnahme von letzterer Bestimmung machen nur solche kleine Staaten, deren Gebiet innerhalb der größeren über 5 Millionen Einwohner zählenden deutschen Staates liegen.“ (Schüler, Wigard, Blum.)
(Artikel 3.) §. 6. soll dran kommen, da aber auf die Diskussion nicht Verzicht geleistet wird, vertagt man die Debatte über denselben bis Morgen. (Den Wortlaut des §. Morgen.) Hierbei ereignet sich eine höchst spaßhafte Scene.
Der Abgeordnete Wedekind erhält nämlich das Wort vom Präsidenten, zur Begründung eines Antrags auf Vertagung, weil seiner Ansicht nach §. 6. nicht mehr auf der Tagesordnung steht. Furchbarer Schlußruf läßt ihn jedoch nicht zum Wort kommen. Er verbietet sich die Roheit, und spricht unter unauslöschlichem Gelächter immer mit den Händen gestikulierend wohl 10 Minuten, ohne daß man ein Wort versteht. Simson zeigt ihm endlich nach langen vergeblichen Beruhigungs-Anstrengungen, daß er sich geirrt hat.
Vor Schluß der Sitzung beklagt sich noch Vogt und sehr viele Mitglieder der Linken in einem dringenden Antrage gegen den Präsidenten (v. Gagern) wegen seiner selbstwilligen Wortverweigerungen im Beginn der heutigen Sitzung (s. oben) sie wollen: „die Nationalversammlung soll dem Präsidenten ihre Mißbilligung aussprechen.“ Der Antrag wird, unter äußerster Mißbilligung der Centren als nichtdringlich, an den Geschäftsordnungs-Ausschuß verwiesen. Schluß um 2 Uhr. Morgen um 9 Uhr Fortsetzung der Verfassung.
103 Berlin, 30. Okt. Sitzung der Vereinbarerversammlung.
Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Artikel 4 des Entwurfs der Verfassungsurkunde, welcher lautet:
„Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Es giebt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte, noch einen besonderen Adelsstand. Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu befähigte gleich zugänglich.“
Hierzu sind folgende Amendements eingereicht:
1. Berends: Statt der Worte: „noch einen besonderen Adelsstand,“ zu setzen: „Der Adel ist abgeschafft.“
2. Borchard, Matthaei: Zusatz: Der Gebrauch adeliger Titel und Prädikate in öffentlichen Urkunden ist untersagt.“
3. Sommer: nach „noch einen besondern Adelsstand“ zu setzen: „mit politischen Vorrechten.“
4. Jung: Zusatz: „Orden, so wie Titel, die nicht blos das Amt bezeichnen, können nicht mehr ertheilt werden.“
5. v. Lisinki: Zusatz: „Der Adel und alle damit verbundenen Titel und Prädikate sind abgeschafft.“
6. Kunth: Der 2. und 3. Satz des Artikels 4 ist zu streichen und statt dessen zu setzen: „Es giebt im Staate weder gesetzliche Standesunterschiede noch Standesvorrechte.“
7. Walter: Der erste Satz: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich,“ ist ganz zu streichen. Er ist in dieser Allgemeinheit unausführbar. Es hat noch nie einen Staat gegeben und kann keinen geben, wo für alle Kategorien der Einwohner volle Gleichheit gegolten hätte. Selbst der Entwurf der Verfassungsurkunde enthält Ausnahmen. Es muß aber jeder Satz in unserer Verfassung eine Wahrheit sein.
Im zweiten Satze sind die Worte: „weder Standesunterschiede“ auch zu streichen. Sie enthalten ebenfalls eine Unwahrheit. Die Natur der Sache selbst bringt im Staate sowohl faktische als rechtliche Standesunterschiede hervor. Sie sind nach dem Geiste der Zeit möglichst zu mildern; allein ganz zu vertilgen sind sie nicht. Ferner sind im zweiten Satze die Worte: „noch einen besondern Adelsstand“ ebenfalls zu streichen; sie sind überflüssig. Denn wenn alle Standesvorrechte aufgehoben sind, so ist auch der Adel in der bürgerlichen und politischen Sphäre, was uns allein angeht, abgeschafft.
Statt des ersten und zweiten Satzes ist zu setzen:
„Es giebt vor dem Gesetze keine Vorrechte der Geburt, des Ranges oder Standes.“
Bevor die Debatte eröffnet wird, zeigt der Präsident an, daß eine Aenderung der Abendsitzungen, welche auf Mittwoch und Freitag festgesetzt worden, von einigen Seiten gewünsch werde. Die Versammlung beschließt jedoch diese Tage beizubehalten.
Da auf nächsten Mittwoch das Allerheiligenfest fällt, ist gewünscht worden, daß an diesem Tage weder Vormittags- noch Abendsitzung stattfinde. Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen.
Die Prioritätskommission zeigt an, daß ein dringender Antrag eingereicht sei, welcher in einer heute Abend anzusetzenden Sitzung berathen werden solle. Es erhebt sich eine Diskussion darüber, da die Rechte heute Abend keine Sitzung halten will. Von der Linken wird das Recht in Anspruch genommen, zu jeder Zeit eine Abendsitzung anzusetzen. Der Antrag betrifft die Wiener Angelegenheiten und ist als sehr schleunig eingebracht; er wird im Laufe der Sitzung vertheilt werden. Er lautet ungefähr dahin:
„Die Versammlung möge das Ministerium auffordern, zum Schutz der in Wien gefährdeten Volksfreiheit die nöthigen Maßregeln zu treffen.“
Der Präsident stellt endlich die Frage, ob heute Abend eine Sitzung zur Berathung dieses Antrages stattfinden soll, welche mit 181 gegen 168 Stimmen verneint wird.
Die zweite Frage: ob statt der Mittwoch ausfallenden Abendsitzung dieselbe morgen Abend (Dienstag) angesetzt werden soll, wird mit Majorität angenommen.
Ueber Artikel 3 der Verfassungsurkunde wird nochmals abgestimmt und mit großer Majorität angenommen. Man geht zur Diskussion des Artikels 4 über.
Schulz (Wanzleben): Ich will gegen den Entwurf der Centralabtheilung, aber für den Entwurf der Verfassungskommission sprechen, weil der letztere viel präciser ist; denn er lautet:
„Es giebt im Staate weder Standesunterschiede noch Standesvorrechte. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Der Adel ist abgeschafft.“
Es würde mich zu weit führen, wenn ich alle die Gründe für Abschaffung des Adels, die schon so oft gehört sind, wieder vorbringen wollte. Die, welche einen Werth auf den alten Standesunterschied legen und nicht vielmehr durch ihre Bildung oder Kenntnisse sich über andere erheben wollen, sind noch in einem Vorurtheile befangen. Man wollte die alten Erinnerungen der berühmten Geschlechter als Grund für die Beibehaltung der Adelstitel beibringen. Aber liegt denn die Erinnerung an die Thaten der berühmten Namen, in den Adelstiteln oder in den Geschlechtsnamen. Jeder nennt die berühmten Namen: Blücher, Scharnhorst, Schiller u. s. w. ohne ihre Adelstitel und ihre Nachkommen können sich mit Recht Enkel des großen Blücher nennen, ohne den Fürstentitel zu erwähnen, da sehr wenigen dieser Adelstitel kaum bekannt ist.
Berends: Wenn uns eine Verfassung auf breitester Grundlage versprochen ist, so versteht man doch wohl darunter, demokratische Grundlage, und in einem demokratischen Staate darf es keinen Adelsstand geben. Weder die Verschiedenheit des Besitzes oder der Geburt darf einen besondern Stand feststellen. Nicht blos der Adelsstand, sondern der Adel muß abgeschafft werden.
Sommer spricht für den Kommissionsantrag: Es wird mir nicht einfallen, für die Standesvorrechte zu kämpfen; sind wir aber berechtigt, die Familienrechte aufzuheben? Den angeerbten Namen abzusprechen? Er geht hierauf in geschichtliche Untersuchungen über den Adel ein, welcher von der Zeit, wo das Pulver erfunden wurde, immer mehr an Ansehen und Macht verlor.
Jacoby: Ich halte den Gegenstand, über den wir gegenwärtig berathen, für eine Sache, die keine große Wichtigkeit hat. Eine Erklärung der Rechte kann das Volk vor einer Verletzung dieser Rechte keinesfalls sicher stellen. Erstarkt die Volksherrschaft, so wird es Niemand wagen, die Rechte des Volkes anzugreifen. Machen wir aber einen Rückschritt, so wird es der Fürstenpartei bald gelingen, die Rechte illusorisch zu machen. Was den vorliegenden Fall anbetrifft, so glaube ich, daß es wenig auf die Fassung des Entwurfs ankommt, denn über das Prinzip werden wir Alle einig sein. Mag doch ferner auch noch derjenige, der Gefallen daran findet, seinem Namen das „von“ oder andere Titel vorsetzen. Durch die Gesetzgebung wird der Adel faktisch abgeschafft. Es kann daher ganz gleich sein, welche Grabschrift wir dem Adel setzen.
Reichensperger: Ich bin mit dem vorigen Redner darin einverstanden, daß wir alle über das Prinzip gleich gesinnt sein werden Wir befinden uns in demselben verhängnißvollen Augenblick, wie unsere westlichen Nachbarn in jener denkwürdigen Nacht des 4. August 1791. Aber unsre Verhältnisse sind verschieden von den dortigen. Dort galt es Opfer zu bringen von Seiten der Berechtigten, welche in dieser Versammlung sehr schwach vertreten sind. Daher sind unsere Verhältnisse auch verschieden von den damaligen. Er spricht ferner über den Grundadel und Papieradel; über Marschälle und Truchseß, Erbgraf u. s. w. Man solle den Leuten nicht wehren, diese Titel zu führen.
v. Daniels will die Beibehaltung des Regierungsentwurfs und Verwerfung aller andern.
Es wird noch ein Amendement des Abg. Weichsel verlesen, welches aber nicht unterstützt wird. Hierauf beginnt die Debatte über die einzelnen Sätze des Art. 4
Abg. Elsner. Es gibt Dinge, über die man eigentlich gar nicht sprechen dürfe. Wenn Sie sich über den vorliegenden Artikel noch länger auslassen, so geben Sie der Versammlung ein Armuthszeugniß.
Die Debatte wird geschlossen und die Abstimmung beginnt. Der erste Satz: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich,“ wird fast einstimmig angenommen.
Ueber die anderen Sätze wird sehr langweilig debattirt. Auch der Minister des Innern, Eichmann, nimmt das Wort: er macht darauf aufmerksam, daß man in der Frankfurter Versammlung nicht so weit gegangen sei. Dort hat man den Adel nicht abgesprochen. Der Adel ist auch ein Institut, das ganz Deutschland berührt. Die alten Familien wären in ganz Deutschland verbreitet; wenn dann in dem einen Staate der Adel aufgehoben würde und in dem andern beibehalten? was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Er empfiehlt daher das Walter'sche Amendement.
Endlich kommt man zur Abstimmung. Der Abgeordnete Schneider hat noch folgendes Amendement gestellt: „Es gibt im Staate weder Standesunterschiede, noch Standesvorrechte; der Adel mit seinen Titeln und Bezeichnungen ist abgeschafft.“ Dies Amendement wird nach namentlicher Abstimmung mit 193 gegen 159 Stimmen verworfen. ‒ Die Abstimmung wird morgen fortgesetzt werden. Schluß der Sitzung 2 ein halb Uhr.
103 Berlin, 30. Okt. Die Abgeordneten zum demokratischen Kongreß, Senin von Dresden und Silberstein von Wien sind heute Vormittag in Folge eines richterlichen Befehls verhaftet worden. Auch auf Braklow aus Schleswig-Holstein hat die Polizei gefahndet, derselbe ist aber auch zeitig genug verschwunden, da er schon im Sitzungssaale des Kongresses anwesend war, als ihn die Konstabler verhaften wollten. Im Verhaftsbefehl ist erklärt, daß die Genannten beschuldigt seien, des Versuchs, in der gestrigen Volksversammlung, Mißtrauen und Verachtung gegen die deutsche Centralgewalt in Frankfurt erregt zu haben.
Der Abg. Otto von Trier erhielt heute vom Justizminister Kisker ein Schreiben, worin dieser anzeigt, daß der König durch eine Kabinetsordre vom gestrigen Tage den Theilnehmern der Vorfälle in Trier vom 2. u. 3. Mai d. J. und allen damit in Verbindung stehenden Verbrechen und Vergehen vollständige Amnestie ertheilt hat. Der Justizminister hat dem Gemeinderath in Trier und dem Staatsprokurator Deuster bereits hiervon Anzeige gemacht.
Die Fach-Kommission für Justizreform hat auf den Antrag der Abgeordneten Jakoby, Temme und D'Ester folgenden Gesetzentwurf vorgelegt:
§. 1. Die Ehehindernisse wegen Verschiedenheit der Religion und des Standes werden in allen Landestheilen, wo deren noch bestehen, hierdurch aufgehoben. Alle entgegenstehenden allgemeinen und besondern gesetzlichen Bestimmungen treten außer Kraft.
§. 2. Das gegenwärtige Gesetz findet auf diejenigen noch bestehenden ehelichen Verbindungen Anwendung, welche im Widerspruch mit den bisherigen, vorstehend aufgehobenen Bestimmungen, jedoch in gesetzlicher Form abgeschlossen worden sind.
Berlin, 28. Okt. Die Regierung hat einen Kommissarius nach Elbing geschickt. Wie in diesen Blättern schon mitgetheilt, war bald nach dem blutigen Tage der Regierungspräsident von Blumenthal dort erschienen. Wir müssen noch einmal darauf zurückkommen, weil wir einen interessanten Beitrag liefern können zu den Personalakten der hohen Beamten, durch die unsere konstitutionelle Regierung sich bedienen läßt. Hr. v. B. ist durch Hrn. v. Rochow (unseligen Andenkens) zu seiner jetzigen Stellung befördert. Dies allein schon mußte das Ministerium zu sorgfältiger Ueberwachung seines politischen Einflusses mahnen. Sein Auftreten in Elbing läßt keinen Zweifel mehr, daß er außer Stande ist, einer Regierung zu dienen, die es mit der Volksfreiheit irgend redlich meint. Nachdem Hr. v. B. von den Anstiftern des Aufruhrs sich über die Veranlassungen desselben belehren lassen, äußerte er gegen einen Herrn der bedrängten Partei, der ihn aufsuchte, um doch einigermaßen auch das Recht der altera pars zu vertreten:
„Es zeige dieser ganze Vorfall, daß die große Mehrheit des Volkes mit Liebe an den alten Zuständen hange; das Ausbleiben so vieler Bürgerwehrleute beweise auch, daß selbst der Kern der Bürgerschaft weder auf dieses Institut, noch überhaupt auf die Neuerungen in unserer Verfassung Werth lege; in den Angriffen gegen die Nationalversammlung, die von der Elbinger Tagesliteratur ausgegangen, liege doch viel Wahres, habe die Nationalversammlung doch neuerlich erst die unentgeldliche Aufhebung der Jagdberechtigung votirt und dgl. mehr.“
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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