Neue Rheinische Zeitung. Nr. 124. Köln, 24. Oktober 1848.Maßregel nicht für geeignet halten, so wollen wir dennoch nicht in dieselbe eingreifen; wir wollen die Verantwortlichkeit für dieselbe ganz und gar dem Ministerium überlassen. Abg. Pinoff hält es für ungerecht, jetzt Arbeiter zu entlassen. Abg. Walter: Wenn ich das Vertrauen der Arbeiter besäße, um das ich Sie, meine Herren von der Linken, beneide, ich würde vor sie hintreten und sie daran erinnern, daß jeder Stand seine Last habe, daß Jeder seine Arbeit im Schweiße seines Angesichts verrichtet, ich würde sie zur Mäßigung ermahnen. Ich würde nach Burke's Ausspruch handeln: Schärft den Sinn für Arbeitslust, für Thätigkeit und Mäßigkeit, alles Uebrige ist eitel. Abg. Jung: Kaum hat der gesunde Sinn der Berliner einen Leck wieder gestopft, will das Ministerium ihn wieder aufreißen; das dürfen wir nicht dulden! Die Erdarbeiter, denen man jetzt die Erdarbeiten nimmt, sind an bessere, an feinere Arbeit gewöhnt; jetzt nimmt man ihnen, was schon als das Härteste für sie galt. Die Arbeiter sehen eines Morgens eine Maschine, sie fürchten, sie nehme ihnen die Arbeit; sie gehen zum Finanzminister. Derselbe sagt ihnen, er wisse nichts von der Maschine und werde sich dagegen erklären. Demnach glauben sich die Arbeiter schon halb im Rechte und zertrümmern die Maschine. Dafür unschuldige Arbeiter mit dem schuldigen entlassen - mögen Sie es eine Ahndung oder Strafe nennen - ich nenne es Unmenschlichkeit. Zur Strafe, die der Richter verhängt, fügen Sie den Hungertod; und nicht blos den Schuldigen, auch den Unschuldigen! Nachdem noch einiges Unerhebliche dafür und dagegen gesprochen, wird die Dringlichkeit des Antrages nach namentlicher Abstimmung mit 198 gegen 128 Stimmen verworfen. Schluß der Sitzung. 15 Berlin,21.Okt. Wie Hr. Hansemann seinen Posten dazu benutzte, um aus Minister-Präsidenten Deputirte zu machen, davon ist mir durch einen Wahlmann zu Frankfurt an der Oder folgende artige Geschichte zu Ohren gekommen. In Frankfurt waren die Wähler des früher hier unter den Vereinbarern thronenden reaktionären Hrn. v. Gerlach mit demselben unzufrieden, und beriefen ihn durch ein Mißtrauensvotum zurück. Hr. Hansemann bekömmt davon Wind, und will die Gelegenheit benutzen, um den Premier v. Auerswald unter die Vereinbarer zu schmuggeln. Er schreibt also nach Frankfurt, verspricht den Wählern goldene Berge und - einen Wollmarkt, nach dem sich die Frankfurter lange gesehnt, wenn sie seinen Freund Hrn. v. Auerswald wählten. Was thut nicht bei gewissen, mit Wolle überflüssig versehenen Geschöpfen ein Wollmarkt? Kurz die radikalen Wahlmänner werden mit einem Male reaktionär, und der Premier wurde mit freilich sehr geringer Majorität - Deputirter für Frankfurt. Berlin. Wir theilen nachstehende an das hiesige Königliche Polizeipräsidium und an sämmtliche Regierungen erlassene Cirkular-Verfügung mit: "Es ist dem Ministerium daran gelegen in möglichst kurzer Zeit eine genaue Uebersicht sämmtlicher zur Zeit in dem Preuß. Staate vorhandener politischer Vereine, deren Tendenz, Statuten, auffallende Beschlüsse, Einfluß auf das Volksleben, Zahl der Mitglieder und etwaige Verbindung mit andern Vereinen in den deutschen Staaten zu gewinnen. - Die Königl. Regierung wird daher veranlaßt, nach diesen Andeutungen des Schleunigsten eine Zusammenstellung der in Ihrem Verwaltungsbezirk bestehenden politischen Vereine, und zwar in der Vollständigkeit, als dies die bereits dort vorliegenden Materialien gestattene anfertigen zu lassen und hierher einzureichen, demnächst aber die in dieser Beziehung etwa noch fehlenden Notizen baldigst einzuziehen und dem Ministerium gleichfalls zugehen zu lassen. Berlin, den 14. Oktober 1848. Ministerium des Innern. Zweite Abtheilung. gez. v. Manteuffel." Frankfurt. Da mit dem heutigen Tage das Gesetz vom 10. d. M. zum Schutze der verfassungsgebenden deutschen Reichsversammlung und der Beamten der provisorischen Centralgewalt in der ganzen Umgebung von Frankfurt in Kraft getreten ist, wird der Belagerungszustand der Stadt Frankfurt hiermit für aufgehoben erklärt. Uebrigens wird das Reichsministerium alle jene Maßregeln, die es für die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung und der öffentlichen Sicherheit am Sitze der Reichsversammlung für nöthig erachtet, in ihrem vollen Umfange fortbestehen lassen. Frankfurt a. M., den 20. Oktober 1848. Der Reichsminister des Innern, Schmerling. Dr. Radermacher. * München, 18. Octbr. Die Personen, die sich der Katzenmusiken des Volkes zu erfreuen hatten, sind der Buchdrucker Weiß, der Antiquar Hipperer, der Dompfarrer Schmidt, der Ex-Abgeordnete des Parlamentes, Advokat Ruhwandl und der Minister des Innern. Ueberall wo die bewaffnete Macht Miene machte, bei diesen Ruhestörungen einzuschreiten, antwortete man ihr mit einem Steinregen und mit dem entsetzlichsten Hohne. Es darf dies um so weniger außer Acht gelassen werden, als wir hier in München eben jetzt dazu bestimmt zu sein scheinen' unter allen deutsch. Städten zuerst die Rückwirkung der Volkserhebung in Wien zu empfinden. Diese Katzenmusiken von vorgest. Nachts, und Alles müßte täuschen, oder wir werden heute wieder Aergeres erleben als gestern. Sechs Brauhäuser sind in verwichener Nacht vom Volke total verwüstet worden, weil es darauf besteht, die Brauer sollen ihr Bier wohlfeiler verkaufen, als es ihnen die Taxe gewährt. Heute ist das Zerstörungswerk am frühen Morgen von Soldaten und Arbeitern von neuem begonnen und an zwei Brauhäusern ausgeübt worden, ohne daß irgend etwas im Stande gewesen wäre, dem Unfuge zu steuern und die im wildesten Sturme heimgesuchten Brauer zu schützen. Eben, um 2 Uhr Nachmittags, schlägt man Generalmarsch. Es sollen bei Schlägereien in Brauhäusern Verwundungen vorgefallen sein. Stralsund, 17.Okt. Nachmittags 4 Uhr. So eben ist von Greifswald eine Estafette hier angekommen, mit der Nachricht, daß Greifswald in vollem Aufstande ist. Schon früher waren hier Konflikte wegen der städtischen Mißverhältnisse ausgebrochen, doch wurden sie durch den besonneneren Theil der Einwohner geschlichtet. Jetzt aber wegen eines Urtheilsspruchs gegen einen, bei einem frühern Konflikte betheiligten Schlossergesellen, der zu 1 1/2 Jahr Zuchthausstrafe verurtheilt, für den jedoch der Volksverein um Begnadigung petitionirt, eines Theils; andern Theils durch eine vom Volksverein an den Bürgermeister abgeschickte Deputation, welche von Letzterem mit Geringschätzung und Arroganz behandelt sein soll, ist das Volk erbittert und will zur Gewalt greifen. Studenten und Volk gehen mit einander und letzteres hat sich mit Knitteln und eisernen Instrumenten bewaffnet. Die Behörden requirirten nun, da die greifswalder Bürgerwehr die Unruhen nicht beilegen kann, von dem Militärkommando in Stralsund 100 Mann von dem hier garnisonirenden Infanterie-Bataillon. Diese gehen mit Extrapost sofort nach Greifswald ab. Die in Greifswald stehenden Jäger sollen erklärt haben, daß sie nicht aufs Volk schießen werden. (R. St. Z.)Posen, 13. Okt. Wie nöthig der Belagerungszustand in unserer Stadt ist, zumal die Cholera jetzt bei uns so fürchterlich grassirt, zeigt sich daraus, daß diejenigen, welche außerhalb der Stadt wohnen, und welche in ärztlicher Beziehung aus Posen, als die ihnen am nächsten liegende Stadt angewiesen sind, hülflos unter den furchtbarsten Qualen, welche diese Krankheit mit sich bringt, sterben müssen, wenn sie Nachts von derselben überfallen werden. Die Thore unserer Stadt sind nämlich von einer bestimmten Stunde des Abends bis zu einer bestimmten Stunde des Morgens für alle und somit auch für den Hülfe bringenden Arzt, verschlossen. So ist neulich, um hier nur einen Fall anzuführen, die Frau eines in der Nähe von Posen mit seinem Detaschement (Kommando) stationirten Offiziers ein Opfer des Todes geworden, weil man den bereits zu Hülfe gerufenen Arzt, obgleich er mit dem Wagen schon an das Thor gekommen war, nicht mehr aus der Stadt hinaus fahren lassen wollte: (Oderz.)Reichenberg. Als Antwort auf eine von 36 nach Prag geflüchteten Mitgliedern des constituirenden österreichischen Reichstags, Brauner und Strobach an die Spitze, erlassene Erklärung zur Beschönigung des Schrittes, mit dem sie ihren Ehrenposten in Wien verließen (Nr. 290), veröffentlicht "der deutsche Centralverein für Böhmen" in Reichenberg Folgendes: "Wir haben, offen gesagt, dieses Ackenstück (die erwähnte Erklärung) nicht ohne innere Genugthuung gelesen, weil es uns aufs neue überzeugte, daß wir unsere Gegner nicht zu fürchten haben, am allerwenigsten aber, wenn sie zur Feder greifen. Also dieses ist die Quintessenz des politischen und stylistischen Talents der äußersten Rechten des wiener Reichstags? Nun, aus diesem Holze schnitzt man die Minister der Zukunft nicht so bald! Wir wollen dieses Aktenstück, das man ein jesuitisches nennen könnte, wenn es feiner angelegt und geschickter gemacht wäre, ein wenig beleuchten. Wir waren seit langer Zeit gewohnt, die äußerste Rechte des Reichstags alle Verhältnisse und Umstände zu ihrem Vortheil ausbeuten zu sehen, oder wenigstens solche Versuche zu machen. Sie war nie wählig in den Mitteln, kümmerte sich wenig um Consequenzen, widersprach sich, so oft ihr die Wahrheit unbequem wurde, und bot uns das widrige Schauspiel eines mäkelnden und schachernden Egoismus in jeder Sitzung des Reichstags. Man glaubte sich in eine Trödelbunde versetzt, wenn die Rechte heute der Linken zurief: " Wir wollen Demokraten sein, wenn ihr uns diese Concession macht," morgen dem Ministerium zuflüsterte! " Für jene Concession stützen wir dich," und übermorgen sagte sie lachend beiden Theilen ins Gesicht: "Die Monarchie besteht doch nur so lange, als wir Slawen es wollen! " Wir haben etwas Aehnliches nur in der verderbtesten aller Kammern, der französischen vor der Februarrevolution, erlebt, müssen jedoch der Rechten zugestehen, daß sie aus natürlicher Anlage es in 8 Wochen eben so weit brachte als die französische Majorität in 15 Jahren und mit Lehrmeistern wie Ludwig Philipp, Duchatel und Guizot. Ein Manifest der äußersten Rechten ließ unter gegenwärtigen Umständen nichts Anderes als eine zweudeutige und gewissenlose Aeußerung erwarten, doch hätten wir nie geglaubt, daß sie moralisch so tief sinken könnte, zur gehässigsten und treulosesten Waffe, zur Verdächtigung, zu greifen. Das heuchlerische Bedauern, daß der Reichstag den Mord des Kriegsministers und den Sturz des Gesammtministeriums als einen Akt der Selbsthülfe des Volkes erklärt habe, enthält in der Zusammenstellung jenes gräßlichen Aktes der Volkswuth und des Sturzes der Herren Bach und Wessenberg, welche die Rechte, naiv genug, für das Gesammtministerium ausgibt, eine Denunziation des Reichstags, für die wir keinen sattsam bezeichnenden Ausdruck haben. Wir können sie nur mit jener vergleichen, welche Borrosch als den Urheber des Mordes an Latour bezeichnete, indem er ihn, unter dem Vorwande ihn zu schützen, dem tobenden Pöbel verrathen habe. Die Widersprüche folgen sich Schlag auf Schlag. Einmal ist es nicht die Majorität des biedern und loyalen Wiener Volkes, welche den Aufstand gemacht hat, das andere Mal wird sie dessen direkt beschuldigt und ihr ein Protest hingeschleudert mit einem Anhange von Drohungen, welche eben so terroristisch sind, als die Maßnahmen der Revolutionspartei es nur sein könnten. Daneben wird wieder ein einzelner Abgeordneter denunzirt und die Lehre aufgestellt: "Ein Ministerium sei allein dem Reichstage verantwortlich." Ist dies nicht wieder die revolutionärste Theorie, die es geben kann? Gleich darauf lesen wir einen sehr doktrinären Passus, welcher eine Theorie aus der einfachen Aeußerung eines Frankfurter Abgeordneten machen will, "daß hinter der Minorität des Reichstages, die Majorität des Volkes stehe," und in welchem der widersinnige und lächerliche Ausdruck: "Lehre des stationären Umsturzes," vorkommt. Es ist jenen Herren, welche das Winkelparlament in Brünn dem souveränen Reichstage in Wien gegenüber ins Leben rufen, welche auch bei uns die Konföderation von Targowitz, fluchbeladenen Andenkens, einführen möchten, lediglich darum zu thun, das noch nicht sattsam politisch gebildete Volk zu verblüffen, um in der künstlich hervorgerufenen Verwirrung und Rathlosigkeit als die leuchtenden Dioscuren erhabener Bildung, strengen Rechts und volksfreundlich väterlicher Gesinnung auftauchen zu können. Wir aber werden nie und nimmermehr flackernde Irrwische für Planeten halten, wir wissen, wo der Polarstern der Freiheit am Himmel steht, und lassen uns durch sumpfgeborene Flammen nicht verblenden. Was aber sollen wir jener Beschuldigung entgegnen, daß der Reichstag die Exekutivgewalt an sich gerissen und als bloßer Sicherheitsausschuß für Wien fungirt habe? Man sieht es deutlich, wie blind und flach der Zorn und Aerger hant. Diese beiden Beschuldigungen neben einander, diese beiden Beschuldigungen in einem Augenblicke, wo der Reichstag allein und einzig der Kitt der Monarchie ist und sich ein ewiges Verdienst durch seine Furchtlosigkeit und Weisheit erworben hat. Freilich, es ist von der Feigheit nicht zu erwarten, daß sie den Muth preise, von der Gemeinheit nicht, daß sie das Erhabene würdige. Die Zukunft wird entscheiden, wer seine Pflicht besser gethan, Jene, die, beim ersten Schuß ihre heilige Mission verkennend, an sich, oder Jene, die an das Volk dachten, das sie berufen und gesendet hat. Wenn etwas die äußerste Rechte in ihrer ganzen Erbärmlichkeit hinstellt, so ist es diese Anschuldigung. Weitere Beweise, wie kurz das Gedächtniß der äußersten Rechten sei, sind die maßlosen Angriffe, welche sie gegen das Volk von Wien schleudert. Hat es in Prag keine Pfingstwoche gegeben? Was war denn die von den meisten der Unterschriebenen so energisch vertheidigte, von einigen sogar getheilte Erhebung in Prag, wenn die in Wien ein verbrecherischer Aufruhr ist? Waren die Barrikaden etwa für die Ordnung errichtet? Hatte man andere Gegner in Prag als in Wien? Warum hat man Windischgrätz so maßlos verfolgt und beschuldigt, der eben nichts Anderes that, als was Latour und Auersperg in Wien gethan haben! Noch ist das Andenken an die Pfingstwoche zu neu, zu frisch noch die Spuren des vergossenen Blutes, der bloße Hauch der Lüge trocknet und verwischt sie nicht. Das Anrufen der Geschäftsordnung gegenüber der Revolution klingt lächerlich und traurig zugleich aus dem Munde Derjenigen, die nur die Revolution mit der Eigenschaft bekleidet hat, die sie jetzt mißbrauchen, mit jener Toga, die sie zum Bedientenrocke herabwürdigen. Endlich haben Jene am wenigsten Recht, der Revolution Stillstand zu gebieten, die Abschnitte zu bezeichnen, die Remt von Unrecht scheiden, welche seit Jahren bemüht waren, die Revolution herbeizuführen. Polen. Krakau, 17.Okt. Die hiesige Kommandantur hat vorgestern einen Kurier abgeschickt, um den Generalen in Lemberg, Przemysl, Rzeschow und Tarnow den Befehl zu überbringen, daß sie mit sämmtlicher Reiterei und Artillerie eiligst nach Wien aufbrechen, wo alle kaiserl. Truppen konzentrirt werden sollen, die nur zusammenzubringen sind. Russisches Militär sammelt sich immer stärker an der galizischen Gränze an. Es wird als ganz bestimmt mitgetheilt, daß in Folge eines Uebereinkommens zwischen dem Kaiser von Oestreich und dem Kaiser von Rußland die russische Armee unter Anführung des Generals Pariutin in Krakau einrücken werde, sobald in Wien die Republik proklamirt werden, oder in Galizien und Krakau ein Aufstad ausbrechen sollte. (Bresl. Z.)Französische Republik. 17 Paris, 20. Oktober. Die Preßplackereien haben begonnen, und nach Aufhebung des Pariser Belagerungszustandes werden sie recht en gros floriren; ich glaube, er wird bloß zu diesem Behufe aufgehoben. Barrest's "La Republique" ward vorgestern nach louisphilippistischer Sitte im Büreau des Journals und der Post konfiszirt; dies Blatt hat sich nach langem Schwanken zwischen rother und blauer Republik zu ersterer geschlagen, und ärgert die Herrscherklasse durch tägliches Denunziren ihrer Gemeinheiten; z. B. erzählt es, im versailler Park seien die Gemüsegärtner, lauter arme Familienväter und Tagelöhner, seit Februar noch mit keinem Heller ausbezahlt, vermuthlich um ihnen Sympathie zur Republik einzuflößen; "ihre Petitionen beim Maire, Inspektor und Cavaignac blieben furchtlos, und der "hochherzige Polenfreund" Vavin, ein Dufaure'sches Kammermitglied, schickt als Intendant der Civilliste alles Geld in den Schatz, und da er 25 Franken Tagelohn qua Deputirter schluckt, hält er es für überflüssig, den Gartenburschen ihre 25 Sous zu geben." Barrest berichtet eine Menge Reaktionskniffe, z. B. auf den Dörfern wird Nachts die Freiheitspappel halb durchgesägt, und bei Gelegenheit einer Prozession am nächsten Tage, wobei man das Kirchenlied: "Komm heiliger Heinrich", singt, fällt der Baum um, was als ein Zeichen göttlichen Zornes gegen die Republik von der frommen Gemeinde angestaunt wird. Abends tanzt man und singt das endlose Liedchen vom "Monsieur Credit", d. h. Heinrich V., der den Nationalkredit aus eigener Tasche herstellen und die Bauernschulden bezahlen wird. In den Departementen der Pyrenäen, der Gironde und im Centrum werden die Bauerfrauen im Beichtstuhle systematisch in Pflicht genommen, ihre Männer zum Votiren für Heinrich V. zu bewegen. Jedenfalls hat er unendlich mehr Aussichten als Lamartine und Ledrü Rollin. Wie aufgeklärt diese legitimistischen Landleute, beweisen die Flintenschüsse, die sie vor 14 Tagen auf den Luftballon des Hrn. Green richteten, den einige für den Satan, andere, schon vorgeschrittenere, für einen "Luftwagen voll kommunistischer Juniräuber" hielten. Der Unfug, scheinbare Feldvermessungen vornehmen zu lassen, mit dem Bemerken "das seien Pariser Theiler (partageux in der Bauernsprache), ist abermals gerichtlich konstatirt, aber diese Aufwiegler werden nicht gestraft. Die entsetzliche Ermordung des polnischen Emigranten in dem Weiler Chouze, in dem Loiredepartement, ist auch noch nicht gerächt; dieser Arbeiter ward als wegen "seiner düstern Miene" verdächtig, für einen Pariser "Juniräuber" erklärt, und langsam zu Tode gequält. "Da sieht man, höhnt das Journal des Departements, wie energisch das Volk die Kommunisten haßt, und wie frevelhaft die Versuche letztrer sind, ihre tollen Doktrinen ihm aufzubringen; ein anderes Ortsblatt seufzt pharisäisch über die "bäurische Rohheit, die noch leider weit von der Civilisation der Mittelklasse entfernt ist." Barrest entgegnet: "Verruchter Heuchler, möge jeder Blutstropfen dieses Märtyrers, der in dem angeblich gebildetsten Lande Europa's verspritzt ward, auf euere vermaledeiten Köpfe fallen, in denen ihr seit Jahren das unehrliche System der Volksverdummung aushecktet," worauf La Patrie des würdigen Börsenluchses Herrn bela Mare sagt: "Wir müssen die freche Presse, die das biedere Bauernvolk und die honnette Bourgeoisie (!) verläumdet, mehr maulkorben als bisher; möge Dufaure seine ernsten Pflichten besser als das Ministerium des Hrn. Senard begreifen, der leider gar betrübliche Schwäche gegen die Ordnungsvernichter zeigte. Die Presse dieser Anticivilisations-Partei beutet aufs gehässigste jedes noch so unbedeutende Ereigniß aus, und verschwärzt die Reinheit der Bildungsrepublikaner. " Letzteres ist jetzt der neue Titel, womit die Bourgeois sich selbst beschenkt haben. La Tribune, dies so viele Jahre in Paris Gährung erzeugende Blatt, ward endlich mit ihrem 114. Preßprozeß doch beseitigt; man sieht, die Ordnungspartei darf nie die Geduld verlieren, wobei La Reforme bemerkt, daß von den 15 Redaktoren dieses wahrhaft unermüdlichen Blattes unter Louis Philipp zwar die Hälfte todt sind, aber nur ein Einziger abtrünnig wurde: Mylord Armand Marrast. Die Klubs werden auf alle Weise schikanirt, aber ihre Chefs agitiren mit bewunderungswerther Energie und Ausdauer; Bernard aus Carcassonne z. B. ist jetzt schon mit Eröffnen seines vierten Klubs beschäftigt; die drei früheren wurden ihm nach der Reihe geschlossen; jetzt präsidirt er außerhalb der Stadt in den Batignolles und gedenkt so das ganze Weichbild von Paris zu durchwandern; er sagt: " wenn die Bourgeois da draußen mir kein Lokal mehr vermiethen wollen, dann schleudere ich ihnen Brochüren an den Schädel, und wenn das nicht genügt, stifte ich ein Journal." Solche tief einschneidende Charaktere, voll Witz und Gewandtheit, Energie und Geduld sind mehr als je seit der Juniniederlage der Demokratie nöthig; Bernard hat zudem eine eherne Stimme und Redetalent. Wie verdient er sich seit einigen Monaten um die Volkssache gemacht, erhellt schon aus dem heulenden Angstzorn des Constitutionnel und dem knurrenden Winseln des Siecle; diese honnetten Blätter brachten täglich Anklagen gegen ihn, bis er endlich in der That keinen Wirth mehr innerhalb der Stadtmauer fand, der ihm einen Saal vermiethen mochte. Am Abend vor den letzten drei Ersatzwahlen hatte er Hrn. Thiers und dessen Gelichter attakirt wie wohl noch nie ein Klubist seit 1793 gedonnert hatt; zwei Tage darauf stand er vor dem Polizeigericht und sieht jetzt den Assisen trotzig entgegen. Paris, 21. Oktober. Kriegsminister Lamoriciere erlitt gestern Abend einen sehr empfindlichen Schlag. 503 von 762 Stimmen der Nationalversammlung haben seinen Antrag auf Verschiebung der Debatte über Abschaffung oder Aenderung des Militärersatzwesens (Artikel 107 der neuen Verfassung) verworfen. Da dieses Votum eine gänzliche Niederlage des Lamoriciereschen Reformplanes voraussetzen läßt, und leicht mit dem Rückzuge des Junihelden endigen dürfte, so mag hier ein Wort zur Erläuterung dieser neuen Kabinetsfrage wohl am Platze sein. Lamoriciere's neues Rekrutirungsgesetz will zwar nicht ganz das preußische System einführen (indem es die Ersatzbefugniß für Reiche beibehält), aber es will den Silberertrag dieses Menschenhandels in die Hände des Staates leiten, und einen Fonds daraus bilden, aus welchem Prämien für alle diejenigen Soldaten gezahlt würden, die nach Ablauf ihrer Dienstzeit neuen Dienst nähmen. Aber die Majorität, die bei diesem Handel stark interessirt ist, wird schwerlich darin willigen, daß sich der Staat an die Spitze dieses infamen Industriezweiges stelle. Herr Lamoriciere dürfte somit durchfallen. Thiers tritt als der erbitterste Gegner aller Anträge auf Abschaffung des Militärloskaufsrechts in der Nationalversammlung auf. Dieser Eifer hat seine klingenden Gründe. Dosne, Schwiegervater von Thiers, kaufte im Jahre 1836 bei Gelegenheit der spanischen Interventionsfrage 16,000 Elsässer in der Hoffnung, sie für hohe Preise bei der vermutheten Mobilmachung los zu werden. Thiers war damals Minister. Maßregel nicht für geeignet halten, so wollen wir dennoch nicht in dieselbe eingreifen; wir wollen die Verantwortlichkeit für dieselbe ganz und gar dem Ministerium überlassen. Abg. Pinoff hält es für ungerecht, jetzt Arbeiter zu entlassen. Abg. Walter: Wenn ich das Vertrauen der Arbeiter besäße, um das ich Sie, meine Herren von der Linken, beneide, ich würde vor sie hintreten und sie daran erinnern, daß jeder Stand seine Last habe, daß Jeder seine Arbeit im Schweiße seines Angesichts verrichtet, ich würde sie zur Mäßigung ermahnen. Ich würde nach Burke's Ausspruch handeln: Schärft den Sinn für Arbeitslust, für Thätigkeit und Mäßigkeit, alles Uebrige ist eitel. Abg. Jung: Kaum hat der gesunde Sinn der Berliner einen Leck wieder gestopft, will das Ministerium ihn wieder aufreißen; das dürfen wir nicht dulden! Die Erdarbeiter, denen man jetzt die Erdarbeiten nimmt, sind an bessere, an feinere Arbeit gewöhnt; jetzt nimmt man ihnen, was schon als das Härteste für sie galt. Die Arbeiter sehen eines Morgens eine Maschine, sie fürchten, sie nehme ihnen die Arbeit; sie gehen zum Finanzminister. Derselbe sagt ihnen, er wisse nichts von der Maschine und werde sich dagegen erklären. Demnach glauben sich die Arbeiter schon halb im Rechte und zertrümmern die Maschine. Dafür unschuldige Arbeiter mit dem schuldigen entlassen ‒ mögen Sie es eine Ahndung oder Strafe nennen ‒ ich nenne es Unmenschlichkeit. Zur Strafe, die der Richter verhängt, fügen Sie den Hungertod; und nicht blos den Schuldigen, auch den Unschuldigen! Nachdem noch einiges Unerhebliche dafür und dagegen gesprochen, wird die Dringlichkeit des Antrages nach namentlicher Abstimmung mit 198 gegen 128 Stimmen verworfen. Schluß der Sitzung. 15 Berlin,21.Okt. Wie Hr. Hansemann seinen Posten dazu benutzte, um aus Minister-Präsidenten Deputirte zu machen, davon ist mir durch einen Wahlmann zu Frankfurt an der Oder folgende artige Geschichte zu Ohren gekommen. In Frankfurt waren die Wähler des früher hier unter den Vereinbarern thronenden reaktionären Hrn. v. Gerlach mit demselben unzufrieden, und beriefen ihn durch ein Mißtrauensvotum zurück. Hr. Hansemann bekömmt davon Wind, und will die Gelegenheit benutzen, um den Premier v. Auerswald unter die Vereinbarer zu schmuggeln. Er schreibt also nach Frankfurt, verspricht den Wählern goldene Berge und ‒ einen Wollmarkt, nach dem sich die Frankfurter lange gesehnt, wenn sie seinen Freund Hrn. v. Auerswald wählten. Was thut nicht bei gewissen, mit Wolle überflüssig versehenen Geschöpfen ein Wollmarkt? Kurz die radikalen Wahlmänner werden mit einem Male reaktionär, und der Premier wurde mit freilich sehr geringer Majorität ‒ Deputirter für Frankfurt. Berlin. Wir theilen nachstehende an das hiesige Königliche Polizeipräsidium und an sämmtliche Regierungen erlassene Cirkular-Verfügung mit: „Es ist dem Ministerium daran gelegen in möglichst kurzer Zeit eine genaue Uebersicht sämmtlicher zur Zeit in dem Preuß. Staate vorhandener politischer Vereine, deren Tendenz, Statuten, auffallende Beschlüsse, Einfluß auf das Volksleben, Zahl der Mitglieder und etwaige Verbindung mit andern Vereinen in den deutschen Staaten zu gewinnen. ‒ Die Königl. Regierung wird daher veranlaßt, nach diesen Andeutungen des Schleunigsten eine Zusammenstellung der in Ihrem Verwaltungsbezirk bestehenden politischen Vereine, und zwar in der Vollständigkeit, als dies die bereits dort vorliegenden Materialien gestattene anfertigen zu lassen und hierher einzureichen, demnächst aber die in dieser Beziehung etwa noch fehlenden Notizen baldigst einzuziehen und dem Ministerium gleichfalls zugehen zu lassen. Berlin, den 14. Oktober 1848. Ministerium des Innern. Zweite Abtheilung. gez. v. Manteuffel.“ Frankfurt. Da mit dem heutigen Tage das Gesetz vom 10. d. M. zum Schutze der verfassungsgebenden deutschen Reichsversammlung und der Beamten der provisorischen Centralgewalt in der ganzen Umgebung von Frankfurt in Kraft getreten ist, wird der Belagerungszustand der Stadt Frankfurt hiermit für aufgehoben erklärt. Uebrigens wird das Reichsministerium alle jene Maßregeln, die es für die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung und der öffentlichen Sicherheit am Sitze der Reichsversammlung für nöthig erachtet, in ihrem vollen Umfange fortbestehen lassen. Frankfurt a. M., den 20. Oktober 1848. Der Reichsminister des Innern, Schmerling. Dr. Radermacher. * München, 18. Octbr. Die Personen, die sich der Katzenmusiken des Volkes zu erfreuen hatten, sind der Buchdrucker Weiß, der Antiquar Hipperer, der Dompfarrer Schmidt, der Ex-Abgeordnete des Parlamentes, Advokat Ruhwandl und der Minister des Innern. Ueberall wo die bewaffnete Macht Miene machte, bei diesen Ruhestörungen einzuschreiten, antwortete man ihr mit einem Steinregen und mit dem entsetzlichsten Hohne. Es darf dies um so weniger außer Acht gelassen werden, als wir hier in München eben jetzt dazu bestimmt zu sein scheinen' unter allen deutsch. Städten zuerst die Rückwirkung der Volkserhebung in Wien zu empfinden. Diese Katzenmusiken von vorgest. Nachts, und Alles müßte täuschen, oder wir werden heute wieder Aergeres erleben als gestern. Sechs Brauhäuser sind in verwichener Nacht vom Volke total verwüstet worden, weil es darauf besteht, die Brauer sollen ihr Bier wohlfeiler verkaufen, als es ihnen die Taxe gewährt. Heute ist das Zerstörungswerk am frühen Morgen von Soldaten und Arbeitern von neuem begonnen und an zwei Brauhäusern ausgeübt worden, ohne daß irgend etwas im Stande gewesen wäre, dem Unfuge zu steuern und die im wildesten Sturme heimgesuchten Brauer zu schützen. Eben, um 2 Uhr Nachmittags, schlägt man Generalmarsch. Es sollen bei Schlägereien in Brauhäusern Verwundungen vorgefallen sein. Stralsund, 17.Okt. Nachmittags 4 Uhr. So eben ist von Greifswald eine Estafette hier angekommen, mit der Nachricht, daß Greifswald in vollem Aufstande ist. Schon früher waren hier Konflikte wegen der städtischen Mißverhältnisse ausgebrochen, doch wurden sie durch den besonneneren Theil der Einwohner geschlichtet. Jetzt aber wegen eines Urtheilsspruchs gegen einen, bei einem frühern Konflikte betheiligten Schlossergesellen, der zu 1 1/2 Jahr Zuchthausstrafe verurtheilt, für den jedoch der Volksverein um Begnadigung petitionirt, eines Theils; andern Theils durch eine vom Volksverein an den Bürgermeister abgeschickte Deputation, welche von Letzterem mit Geringschätzung und Arroganz behandelt sein soll, ist das Volk erbittert und will zur Gewalt greifen. Studenten und Volk gehen mit einander und letzteres hat sich mit Knitteln und eisernen Instrumenten bewaffnet. Die Behörden requirirten nun, da die greifswalder Bürgerwehr die Unruhen nicht beilegen kann, von dem Militärkommando in Stralsund 100 Mann von dem hier garnisonirenden Infanterie-Bataillon. Diese gehen mit Extrapost sofort nach Greifswald ab. Die in Greifswald stehenden Jäger sollen erklärt haben, daß sie nicht aufs Volk schießen werden. (R. St. Z.)Posen, 13. Okt. Wie nöthig der Belagerungszustand in unserer Stadt ist, zumal die Cholera jetzt bei uns so fürchterlich grassirt, zeigt sich daraus, daß diejenigen, welche außerhalb der Stadt wohnen, und welche in ärztlicher Beziehung aus Posen, als die ihnen am nächsten liegende Stadt angewiesen sind, hülflos unter den furchtbarsten Qualen, welche diese Krankheit mit sich bringt, sterben müssen, wenn sie Nachts von derselben überfallen werden. Die Thore unserer Stadt sind nämlich von einer bestimmten Stunde des Abends bis zu einer bestimmten Stunde des Morgens für alle und somit auch für den Hülfe bringenden Arzt, verschlossen. So ist neulich, um hier nur einen Fall anzuführen, die Frau eines in der Nähe von Posen mit seinem Detaschement (Kommando) stationirten Offiziers ein Opfer des Todes geworden, weil man den bereits zu Hülfe gerufenen Arzt, obgleich er mit dem Wagen schon an das Thor gekommen war, nicht mehr aus der Stadt hinaus fahren lassen wollte: (Oderz.)Reichenberg. Als Antwort auf eine von 36 nach Prag geflüchteten Mitgliedern des constituirenden österreichischen Reichstags, Brauner und Strobach an die Spitze, erlassene Erklärung zur Beschönigung des Schrittes, mit dem sie ihren Ehrenposten in Wien verließen (Nr. 290), veröffentlicht „der deutsche Centralverein für Böhmen“ in Reichenberg Folgendes: „Wir haben, offen gesagt, dieses Ackenstück (die erwähnte Erklärung) nicht ohne innere Genugthuung gelesen, weil es uns aufs neue überzeugte, daß wir unsere Gegner nicht zu fürchten haben, am allerwenigsten aber, wenn sie zur Feder greifen. Also dieses ist die Quintessenz des politischen und stylistischen Talents der äußersten Rechten des wiener Reichstags? Nun, aus diesem Holze schnitzt man die Minister der Zukunft nicht so bald! Wir wollen dieses Aktenstück, das man ein jesuitisches nennen könnte, wenn es feiner angelegt und geschickter gemacht wäre, ein wenig beleuchten. Wir waren seit langer Zeit gewohnt, die äußerste Rechte des Reichstags alle Verhältnisse und Umstände zu ihrem Vortheil ausbeuten zu sehen, oder wenigstens solche Versuche zu machen. Sie war nie wählig in den Mitteln, kümmerte sich wenig um Consequenzen, widersprach sich, so oft ihr die Wahrheit unbequem wurde, und bot uns das widrige Schauspiel eines mäkelnden und schachernden Egoismus in jeder Sitzung des Reichstags. Man glaubte sich in eine Trödelbunde versetzt, wenn die Rechte heute der Linken zurief: „ Wir wollen Demokraten sein, wenn ihr uns diese Concession macht,“ morgen dem Ministerium zuflüsterte! „ Für jene Concession stützen wir dich,“ und übermorgen sagte sie lachend beiden Theilen ins Gesicht: „Die Monarchie besteht doch nur so lange, als wir Slawen es wollen! “ Wir haben etwas Aehnliches nur in der verderbtesten aller Kammern, der französischen vor der Februarrevolution, erlebt, müssen jedoch der Rechten zugestehen, daß sie aus natürlicher Anlage es in 8 Wochen eben so weit brachte als die französische Majorität in 15 Jahren und mit Lehrmeistern wie Ludwig Philipp, Duchatel und Guizot. Ein Manifest der äußersten Rechten ließ unter gegenwärtigen Umständen nichts Anderes als eine zweudeutige und gewissenlose Aeußerung erwarten, doch hätten wir nie geglaubt, daß sie moralisch so tief sinken könnte, zur gehässigsten und treulosesten Waffe, zur Verdächtigung, zu greifen. Das heuchlerische Bedauern, daß der Reichstag den Mord des Kriegsministers und den Sturz des Gesammtministeriums als einen Akt der Selbsthülfe des Volkes erklärt habe, enthält in der Zusammenstellung jenes gräßlichen Aktes der Volkswuth und des Sturzes der Herren Bach und Wessenberg, welche die Rechte, naiv genug, für das Gesammtministerium ausgibt, eine Denunziation des Reichstags, für die wir keinen sattsam bezeichnenden Ausdruck haben. Wir können sie nur mit jener vergleichen, welche Borrosch als den Urheber des Mordes an Latour bezeichnete, indem er ihn, unter dem Vorwande ihn zu schützen, dem tobenden Pöbel verrathen habe. Die Widersprüche folgen sich Schlag auf Schlag. Einmal ist es nicht die Majorität des biedern und loyalen Wiener Volkes, welche den Aufstand gemacht hat, das andere Mal wird sie dessen direkt beschuldigt und ihr ein Protest hingeschleudert mit einem Anhange von Drohungen, welche eben so terroristisch sind, als die Maßnahmen der Revolutionspartei es nur sein könnten. Daneben wird wieder ein einzelner Abgeordneter denunzirt und die Lehre aufgestellt: „Ein Ministerium sei allein dem Reichstage verantwortlich.“ Ist dies nicht wieder die revolutionärste Theorie, die es geben kann? Gleich darauf lesen wir einen sehr doktrinären Passus, welcher eine Theorie aus der einfachen Aeußerung eines Frankfurter Abgeordneten machen will, „daß hinter der Minorität des Reichstages, die Majorität des Volkes stehe,“ und in welchem der widersinnige und lächerliche Ausdruck: „Lehre des stationären Umsturzes,“ vorkommt. Es ist jenen Herren, welche das Winkelparlament in Brünn dem souveränen Reichstage in Wien gegenüber ins Leben rufen, welche auch bei uns die Konföderation von Targowitz, fluchbeladenen Andenkens, einführen möchten, lediglich darum zu thun, das noch nicht sattsam politisch gebildete Volk zu verblüffen, um in der künstlich hervorgerufenen Verwirrung und Rathlosigkeit als die leuchtenden Dioscuren erhabener Bildung, strengen Rechts und volksfreundlich väterlicher Gesinnung auftauchen zu können. Wir aber werden nie und nimmermehr flackernde Irrwische für Planeten halten, wir wissen, wo der Polarstern der Freiheit am Himmel steht, und lassen uns durch sumpfgeborene Flammen nicht verblenden. Was aber sollen wir jener Beschuldigung entgegnen, daß der Reichstag die Exekutivgewalt an sich gerissen und als bloßer Sicherheitsausschuß für Wien fungirt habe? Man sieht es deutlich, wie blind und flach der Zorn und Aerger hant. Diese beiden Beschuldigungen neben einander, diese beiden Beschuldigungen in einem Augenblicke, wo der Reichstag allein und einzig der Kitt der Monarchie ist und sich ein ewiges Verdienst durch seine Furchtlosigkeit und Weisheit erworben hat. Freilich, es ist von der Feigheit nicht zu erwarten, daß sie den Muth preise, von der Gemeinheit nicht, daß sie das Erhabene würdige. Die Zukunft wird entscheiden, wer seine Pflicht besser gethan, Jene, die, beim ersten Schuß ihre heilige Mission verkennend, an sich, oder Jene, die an das Volk dachten, das sie berufen und gesendet hat. Wenn etwas die äußerste Rechte in ihrer ganzen Erbärmlichkeit hinstellt, so ist es diese Anschuldigung. Weitere Beweise, wie kurz das Gedächtniß der äußersten Rechten sei, sind die maßlosen Angriffe, welche sie gegen das Volk von Wien schleudert. Hat es in Prag keine Pfingstwoche gegeben? Was war denn die von den meisten der Unterschriebenen so energisch vertheidigte, von einigen sogar getheilte Erhebung in Prag, wenn die in Wien ein verbrecherischer Aufruhr ist? Waren die Barrikaden etwa für die Ordnung errichtet? Hatte man andere Gegner in Prag als in Wien? Warum hat man Windischgrätz so maßlos verfolgt und beschuldigt, der eben nichts Anderes that, als was Latour und Auersperg in Wien gethan haben! Noch ist das Andenken an die Pfingstwoche zu neu, zu frisch noch die Spuren des vergossenen Blutes, der bloße Hauch der Lüge trocknet und verwischt sie nicht. Das Anrufen der Geschäftsordnung gegenüber der Revolution klingt lächerlich und traurig zugleich aus dem Munde Derjenigen, die nur die Revolution mit der Eigenschaft bekleidet hat, die sie jetzt mißbrauchen, mit jener Toga, die sie zum Bedientenrocke herabwürdigen. Endlich haben Jene am wenigsten Recht, der Revolution Stillstand zu gebieten, die Abschnitte zu bezeichnen, die Remt von Unrecht scheiden, welche seit Jahren bemüht waren, die Revolution herbeizuführen. Polen. Krakau, 17.Okt. Die hiesige Kommandantur hat vorgestern einen Kurier abgeschickt, um den Generalen in Lemberg, Przemysl, Rzeschow und Tarnow den Befehl zu überbringen, daß sie mit sämmtlicher Reiterei und Artillerie eiligst nach Wien aufbrechen, wo alle kaiserl. Truppen konzentrirt werden sollen, die nur zusammenzubringen sind. Russisches Militär sammelt sich immer stärker an der galizischen Gränze an. Es wird als ganz bestimmt mitgetheilt, daß in Folge eines Uebereinkommens zwischen dem Kaiser von Oestreich und dem Kaiser von Rußland die russische Armee unter Anführung des Generals Pariutin in Krakau einrücken werde, sobald in Wien die Republik proklamirt werden, oder in Galizien und Krakau ein Aufstad ausbrechen sollte. (Bresl. Z.)Französische Republik. 17 Paris, 20. Oktober. Die Preßplackereien haben begonnen, und nach Aufhebung des Pariser Belagerungszustandes werden sie recht en gros floriren; ich glaube, er wird bloß zu diesem Behufe aufgehoben. Barrest's „La Republique“ ward vorgestern nach louisphilippistischer Sitte im Büreau des Journals und der Post konfiszirt; dies Blatt hat sich nach langem Schwanken zwischen rother und blauer Republik zu ersterer geschlagen, und ärgert die Herrscherklasse durch tägliches Denunziren ihrer Gemeinheiten; z. B. erzählt es, im versailler Park seien die Gemüsegärtner, lauter arme Familienväter und Tagelöhner, seit Februar noch mit keinem Heller ausbezahlt, vermuthlich um ihnen Sympathie zur Republik einzuflößen; „ihre Petitionen beim Maire, Inspektor und Cavaignac blieben furchtlos, und der „hochherzige Polenfreund“ Vavin, ein Dufaure'sches Kammermitglied, schickt als Intendant der Civilliste alles Geld in den Schatz, und da er 25 Franken Tagelohn qua Deputirter schluckt, hält er es für überflüssig, den Gartenburschen ihre 25 Sous zu geben.“ Barrest berichtet eine Menge Reaktionskniffe, z. B. auf den Dörfern wird Nachts die Freiheitspappel halb durchgesägt, und bei Gelegenheit einer Prozession am nächsten Tage, wobei man das Kirchenlied: „Komm heiliger Heinrich“, singt, fällt der Baum um, was als ein Zeichen göttlichen Zornes gegen die Republik von der frommen Gemeinde angestaunt wird. Abends tanzt man und singt das endlose Liedchen vom „Monsieur Credit“, d. h. Heinrich V., der den Nationalkredit aus eigener Tasche herstellen und die Bauernschulden bezahlen wird. In den Departementen der Pyrenäen, der Gironde und im Centrum werden die Bauerfrauen im Beichtstuhle systematisch in Pflicht genommen, ihre Männer zum Votiren für Heinrich V. zu bewegen. Jedenfalls hat er unendlich mehr Aussichten als Lamartine und Ledrü Rollin. Wie aufgeklärt diese legitimistischen Landleute, beweisen die Flintenschüsse, die sie vor 14 Tagen auf den Luftballon des Hrn. Green richteten, den einige für den Satan, andere, schon vorgeschrittenere, für einen „Luftwagen voll kommunistischer Juniräuber“ hielten. Der Unfug, scheinbare Feldvermessungen vornehmen zu lassen, mit dem Bemerken „das seien Pariser Theiler (partageux in der Bauernsprache), ist abermals gerichtlich konstatirt, aber diese Aufwiegler werden nicht gestraft. Die entsetzliche Ermordung des polnischen Emigranten in dem Weiler Chouzé, in dem Loiredepartement, ist auch noch nicht gerächt; dieser Arbeiter ward als wegen „seiner düstern Miene“ verdächtig, für einen Pariser „Juniräuber“ erklärt, und langsam zu Tode gequält. „Da sieht man, höhnt das Journal des Departements, wie energisch das Volk die Kommunisten haßt, und wie frevelhaft die Versuche letztrer sind, ihre tollen Doktrinen ihm aufzubringen; ein anderes Ortsblatt seufzt pharisäisch über die „bäurische Rohheit, die noch leider weit von der Civilisation der Mittelklasse entfernt ist.“ Barrest entgegnet: „Verruchter Heuchler, möge jeder Blutstropfen dieses Märtyrers, der in dem angeblich gebildetsten Lande Europa's verspritzt ward, auf euere vermaledeiten Köpfe fallen, in denen ihr seit Jahren das unehrliche System der Volksverdummung aushecktet,“ worauf La Patrie des würdigen Börsenluchses Herrn bela Mare sagt: „Wir müssen die freche Presse, die das biedere Bauernvolk und die honnette Bourgeoisie (!) verläumdet, mehr maulkorben als bisher; möge Dufaure seine ernsten Pflichten besser als das Ministerium des Hrn. Senard begreifen, der leider gar betrübliche Schwäche gegen die Ordnungsvernichter zeigte. Die Presse dieser Anticivilisations-Partei beutet aufs gehässigste jedes noch so unbedeutende Ereigniß aus, und verschwärzt die Reinheit der Bildungsrepublikaner. “ Letzteres ist jetzt der neue Titel, womit die Bourgeois sich selbst beschenkt haben. La Tribune, dies so viele Jahre in Paris Gährung erzeugende Blatt, ward endlich mit ihrem 114. Preßprozeß doch beseitigt; man sieht, die Ordnungspartei darf nie die Geduld verlieren, wobei La Reforme bemerkt, daß von den 15 Redaktoren dieses wahrhaft unermüdlichen Blattes unter Louis Philipp zwar die Hälfte todt sind, aber nur ein Einziger abtrünnig wurde: Mylord Armand Marrast. Die Klubs werden auf alle Weise schikanirt, aber ihre Chefs agitiren mit bewunderungswerther Energie und Ausdauer; Bernard aus Carcassonne z. B. ist jetzt schon mit Eröffnen seines vierten Klubs beschäftigt; die drei früheren wurden ihm nach der Reihe geschlossen; jetzt präsidirt er außerhalb der Stadt in den Batignolles und gedenkt so das ganze Weichbild von Paris zu durchwandern; er sagt: „ wenn die Bourgeois da draußen mir kein Lokal mehr vermiethen wollen, dann schleudere ich ihnen Brochüren an den Schädel, und wenn das nicht genügt, stifte ich ein Journal.“ Solche tief einschneidende Charaktere, voll Witz und Gewandtheit, Energie und Geduld sind mehr als je seit der Juniniederlage der Demokratie nöthig; Bernard hat zudem eine eherne Stimme und Redetalent. Wie verdient er sich seit einigen Monaten um die Volkssache gemacht, erhellt schon aus dem heulenden Angstzorn des Constitutionnel und dem knurrenden Winseln des Siecle; diese honnetten Blätter brachten täglich Anklagen gegen ihn, bis er endlich in der That keinen Wirth mehr innerhalb der Stadtmauer fand, der ihm einen Saal vermiethen mochte. Am Abend vor den letzten drei Ersatzwahlen hatte er Hrn. Thiers und dessen Gelichter attakirt wie wohl noch nie ein Klubist seit 1793 gedonnert hatt; zwei Tage darauf stand er vor dem Polizeigericht und sieht jetzt den Assisen trotzig entgegen. Paris, 21. Oktober. Kriegsminister Lamoriciere erlitt gestern Abend einen sehr empfindlichen Schlag. 503 von 762 Stimmen der Nationalversammlung haben seinen Antrag auf Verschiebung der Debatte über Abschaffung oder Aenderung des Militärersatzwesens (Artikel 107 der neuen Verfassung) verworfen. Da dieses Votum eine gänzliche Niederlage des Lamoriciereschen Reformplanes voraussetzen läßt, und leicht mit dem Rückzuge des Junihelden endigen dürfte, so mag hier ein Wort zur Erläuterung dieser neuen Kabinetsfrage wohl am Platze sein. Lamoriciere's neues Rekrutirungsgesetz will zwar nicht ganz das preußische System einführen (indem es die Ersatzbefugniß für Reiche beibehält), aber es will den Silberertrag dieses Menschenhandels in die Hände des Staates leiten, und einen Fonds daraus bilden, aus welchem Prämien für alle diejenigen Soldaten gezahlt würden, die nach Ablauf ihrer Dienstzeit neuen Dienst nähmen. Aber die Majorität, die bei diesem Handel stark interessirt ist, wird schwerlich darin willigen, daß sich der Staat an die Spitze dieses infamen Industriezweiges stelle. Herr Lamoriciere dürfte somit durchfallen. Thiers tritt als der erbitterste Gegner aller Anträge auf Abschaffung des Militärloskaufsrechts in der Nationalversammlung auf. Dieser Eifer hat seine klingenden Gründe. Dosne, Schwiegervater von Thiers, kaufte im Jahre 1836 bei Gelegenheit der spanischen Interventionsfrage 16,000 Elsässer in der Hoffnung, sie für hohe Preise bei der vermutheten Mobilmachung los zu werden. Thiers war damals Minister. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar124_008" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0627"/> Maßregel nicht für geeignet halten, so wollen wir dennoch nicht in dieselbe eingreifen; wir wollen die Verantwortlichkeit für dieselbe ganz und gar dem Ministerium überlassen.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Pinoff</hi> hält es für ungerecht, jetzt Arbeiter zu entlassen.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Walter:</hi> Wenn ich das Vertrauen der Arbeiter besäße, um das ich Sie, meine Herren von der Linken, beneide, ich würde vor sie hintreten und sie daran erinnern, daß jeder Stand seine Last habe, daß Jeder seine Arbeit im Schweiße seines Angesichts verrichtet, ich würde sie zur Mäßigung ermahnen. Ich würde nach Burke's Ausspruch handeln: Schärft den Sinn für Arbeitslust, für Thätigkeit und Mäßigkeit, alles Uebrige ist eitel.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Jung:</hi> Kaum hat der gesunde Sinn der Berliner einen Leck wieder gestopft, will das Ministerium ihn wieder aufreißen; das dürfen wir nicht dulden! Die Erdarbeiter, denen man jetzt die Erdarbeiten nimmt, sind an bessere, an feinere Arbeit gewöhnt; jetzt nimmt man ihnen, was schon als das Härteste für sie galt. Die Arbeiter sehen eines Morgens eine Maschine, sie fürchten, sie nehme ihnen die Arbeit; sie gehen zum Finanzminister. Derselbe sagt ihnen, er wisse nichts von der Maschine und werde sich dagegen erklären. Demnach glauben sich die Arbeiter schon halb im Rechte und zertrümmern die Maschine. Dafür unschuldige Arbeiter mit dem schuldigen entlassen ‒ mögen Sie es eine Ahndung oder Strafe nennen ‒ ich nenne es Unmenschlichkeit. Zur Strafe, die der Richter verhängt, fügen Sie den Hungertod; und nicht blos den Schuldigen, auch den Unschuldigen!</p> <p>Nachdem noch einiges Unerhebliche dafür und dagegen gesprochen, wird die Dringlichkeit des Antrages nach namentlicher Abstimmung mit 198 gegen 128 Stimmen verworfen. Schluß der Sitzung.</p> </div> <div xml:id="ar124_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin,21.Okt.</head> <p>Wie Hr. Hansemann seinen Posten dazu benutzte, um aus Minister-Präsidenten Deputirte zu machen, davon ist mir durch einen Wahlmann zu Frankfurt an der Oder folgende artige Geschichte zu Ohren gekommen. In Frankfurt waren die Wähler des früher hier unter den Vereinbarern thronenden reaktionären Hrn. v. Gerlach mit demselben unzufrieden, und beriefen ihn durch ein Mißtrauensvotum zurück. Hr. Hansemann bekömmt davon Wind, und will die Gelegenheit benutzen, um den Premier v. Auerswald unter die Vereinbarer zu schmuggeln. Er schreibt also nach Frankfurt, verspricht den Wählern goldene Berge und ‒ einen Wollmarkt, nach dem sich die Frankfurter lange gesehnt, wenn sie seinen Freund Hrn. v. Auerswald wählten. Was thut nicht bei gewissen, mit Wolle überflüssig versehenen Geschöpfen ein Wollmarkt? Kurz die radikalen Wahlmänner werden mit einem Male reaktionär, und der Premier wurde mit freilich sehr geringer Majorität ‒ Deputirter für Frankfurt.</p> </div> <div xml:id="ar124_010" type="jArticle"> <head>Berlin.</head> <p>Wir theilen nachstehende an das hiesige Königliche Polizeipräsidium und an sämmtliche Regierungen erlassene Cirkular-Verfügung mit:</p> <p>„Es ist dem Ministerium daran gelegen in möglichst kurzer Zeit eine genaue Uebersicht sämmtlicher zur Zeit in dem Preuß. Staate vorhandener politischer Vereine, deren Tendenz, Statuten, auffallende Beschlüsse, Einfluß auf das Volksleben, Zahl der Mitglieder und etwaige Verbindung mit andern Vereinen in den deutschen Staaten zu gewinnen. ‒ Die Königl. Regierung wird daher veranlaßt, nach diesen Andeutungen des Schleunigsten eine Zusammenstellung der in Ihrem Verwaltungsbezirk bestehenden politischen Vereine, und zwar in der Vollständigkeit, als dies die bereits dort vorliegenden Materialien gestattene anfertigen zu lassen und hierher einzureichen, demnächst aber die in dieser Beziehung etwa noch fehlenden Notizen baldigst einzuziehen und dem Ministerium gleichfalls zugehen zu lassen.</p> <p>Berlin, den 14. Oktober 1848.</p> <p>Ministerium des Innern. Zweite Abtheilung.</p> <p>gez. v. <hi rendition="#g">Manteuffel.</hi>“</p> </div> <div xml:id="ar124_011" type="jArticle"> <head>Frankfurt.</head> <p>Da mit dem heutigen Tage das Gesetz vom 10. d. M. zum Schutze der verfassungsgebenden deutschen Reichsversammlung und der Beamten der provisorischen Centralgewalt in der ganzen Umgebung von Frankfurt in Kraft getreten ist, wird der Belagerungszustand der Stadt Frankfurt hiermit für aufgehoben erklärt.</p> <p>Uebrigens wird das Reichsministerium alle jene Maßregeln, die es für die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung und der öffentlichen Sicherheit am Sitze der Reichsversammlung für nöthig erachtet, in ihrem vollen Umfange fortbestehen lassen.</p> <p>Frankfurt a. M., den 20. Oktober 1848.</p> <p>Der Reichsminister des Innern,</p> <p> <hi rendition="#g">Schmerling.</hi> </p> <p>Dr. <hi rendition="#g">Radermacher.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar124_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> München, 18. Octbr.</head> <p>Die Personen, die sich der Katzenmusiken des Volkes zu erfreuen hatten, sind der Buchdrucker Weiß, der Antiquar Hipperer, der Dompfarrer Schmidt, der Ex-Abgeordnete des Parlamentes, Advokat Ruhwandl und der Minister des Innern.</p> <p>Ueberall wo die bewaffnete Macht Miene machte, bei diesen Ruhestörungen einzuschreiten, antwortete man ihr mit einem Steinregen und mit dem entsetzlichsten Hohne.</p> <p>Es darf dies um so weniger außer Acht gelassen werden, als wir hier in München eben jetzt dazu bestimmt zu sein scheinen' unter allen deutsch. Städten zuerst die Rückwirkung der Volkserhebung in Wien zu empfinden. Diese Katzenmusiken von vorgest. Nachts, und Alles müßte täuschen, oder wir werden heute wieder Aergeres erleben als gestern. Sechs Brauhäuser sind in verwichener Nacht vom Volke total verwüstet worden, weil es darauf besteht, die Brauer sollen ihr Bier wohlfeiler verkaufen, als es ihnen die Taxe gewährt. Heute ist das Zerstörungswerk am frühen Morgen von Soldaten und Arbeitern von neuem begonnen und an zwei Brauhäusern ausgeübt worden, ohne daß irgend etwas im Stande gewesen wäre, dem Unfuge zu steuern und die im wildesten Sturme heimgesuchten Brauer zu schützen.</p> <p>Eben, um 2 Uhr Nachmittags, schlägt man Generalmarsch. Es sollen bei Schlägereien in Brauhäusern Verwundungen vorgefallen sein.</p> </div> <div xml:id="ar124_013" type="jArticle"> <head>Stralsund, 17.Okt.</head> <p>Nachmittags 4 Uhr. So eben ist von Greifswald eine Estafette hier angekommen, mit der Nachricht, daß Greifswald in vollem Aufstande ist. Schon früher waren hier Konflikte wegen der städtischen Mißverhältnisse ausgebrochen, doch wurden sie durch den besonneneren Theil der Einwohner geschlichtet. Jetzt aber wegen eines Urtheilsspruchs gegen einen, bei einem frühern Konflikte betheiligten Schlossergesellen, der zu 1 1/2 Jahr Zuchthausstrafe verurtheilt, für den jedoch der Volksverein um Begnadigung petitionirt, eines Theils; andern Theils durch eine vom Volksverein an den Bürgermeister abgeschickte Deputation, welche von Letzterem mit Geringschätzung und Arroganz behandelt sein soll, ist das Volk erbittert und will zur Gewalt greifen. Studenten und Volk gehen mit einander und letzteres hat sich mit Knitteln und eisernen Instrumenten bewaffnet. Die Behörden requirirten nun, da die greifswalder Bürgerwehr die Unruhen nicht beilegen kann, von dem Militärkommando in Stralsund 100 Mann von dem hier garnisonirenden Infanterie-Bataillon. Diese gehen mit Extrapost sofort nach Greifswald ab. Die in Greifswald stehenden Jäger sollen erklärt haben, daß sie nicht aufs Volk schießen werden.</p> <bibl>(R. St. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar124_014" type="jArticle"> <head>Posen, 13. Okt.</head> <p>Wie nöthig der Belagerungszustand in unserer Stadt ist, zumal die Cholera jetzt bei uns so fürchterlich grassirt, zeigt sich daraus, daß diejenigen, welche außerhalb der Stadt wohnen, und welche in ärztlicher Beziehung aus Posen, als die ihnen am nächsten liegende Stadt angewiesen sind, hülflos unter den furchtbarsten Qualen, welche diese Krankheit mit sich bringt, sterben müssen, wenn sie Nachts von derselben überfallen werden. Die Thore unserer Stadt sind nämlich von einer bestimmten Stunde des Abends bis zu einer bestimmten Stunde des Morgens für alle und somit auch für den Hülfe bringenden Arzt, verschlossen. So ist neulich, um hier nur einen Fall anzuführen, die Frau eines in der Nähe von Posen mit seinem Detaschement (Kommando) stationirten Offiziers ein Opfer des Todes geworden, weil man den bereits zu Hülfe gerufenen Arzt, obgleich er mit dem Wagen schon an das Thor gekommen war, nicht mehr aus der Stadt hinaus fahren lassen wollte:</p> <bibl>(Oderz.)</bibl> </div> <div xml:id="ar124_015" type="jArticle"> <head>Reichenberg.</head> <p>Als Antwort auf eine von 36 nach <hi rendition="#g">Prag</hi> geflüchteten Mitgliedern des constituirenden österreichischen Reichstags, Brauner und Strobach an die Spitze, erlassene Erklärung zur Beschönigung des Schrittes, mit dem sie ihren Ehrenposten in Wien verließen (Nr. 290), veröffentlicht „der deutsche Centralverein für Böhmen“ in Reichenberg Folgendes:</p> <p>„Wir haben, offen gesagt, dieses Ackenstück (die erwähnte Erklärung) nicht ohne innere Genugthuung gelesen, weil es uns aufs neue überzeugte, daß wir unsere Gegner nicht zu fürchten haben, am allerwenigsten aber, wenn sie zur Feder greifen. Also dieses ist die Quintessenz des politischen und stylistischen Talents der äußersten Rechten des wiener Reichstags? Nun, aus diesem Holze schnitzt man die Minister der Zukunft nicht so bald! Wir wollen dieses Aktenstück, das man ein jesuitisches nennen könnte, wenn es feiner angelegt und geschickter gemacht wäre, ein wenig beleuchten. Wir waren seit langer Zeit gewohnt, die äußerste Rechte des Reichstags alle Verhältnisse und Umstände zu ihrem Vortheil ausbeuten zu sehen, oder wenigstens solche Versuche zu machen. Sie war nie wählig in den Mitteln, kümmerte sich wenig um Consequenzen, widersprach sich, so oft ihr die Wahrheit unbequem wurde, und bot uns das widrige Schauspiel eines mäkelnden und schachernden Egoismus in jeder Sitzung des Reichstags. Man glaubte sich in eine Trödelbunde versetzt, wenn die Rechte heute der Linken zurief: „ Wir wollen Demokraten sein, wenn ihr uns diese Concession macht,“ morgen dem Ministerium zuflüsterte! „ Für jene Concession stützen wir dich,“ und übermorgen sagte sie lachend beiden Theilen ins Gesicht: „Die Monarchie besteht doch nur so lange, als wir Slawen es wollen! “</p> <p>Wir haben etwas Aehnliches nur in der verderbtesten aller Kammern, der französischen vor der Februarrevolution, erlebt, müssen jedoch der Rechten zugestehen, daß sie aus natürlicher Anlage es in 8 Wochen eben so weit brachte als die französische Majorität in 15 Jahren und mit Lehrmeistern wie Ludwig Philipp, Duchatel und Guizot. Ein Manifest der äußersten Rechten ließ unter gegenwärtigen Umständen nichts Anderes als eine zweudeutige und gewissenlose Aeußerung erwarten, doch hätten wir nie geglaubt, daß sie moralisch so tief sinken könnte, zur gehässigsten und treulosesten Waffe, zur Verdächtigung, zu greifen. Das heuchlerische Bedauern, daß der Reichstag den Mord des Kriegsministers und den Sturz des Gesammtministeriums als einen Akt der Selbsthülfe des Volkes erklärt habe, enthält in der Zusammenstellung jenes gräßlichen Aktes der Volkswuth und des Sturzes der Herren Bach und Wessenberg, welche die Rechte, naiv genug, für das Gesammtministerium ausgibt, eine Denunziation des Reichstags, für die wir keinen sattsam bezeichnenden Ausdruck haben. Wir können sie nur mit jener vergleichen, welche Borrosch als den Urheber des Mordes an Latour bezeichnete, indem er ihn, unter dem Vorwande ihn zu schützen, dem tobenden Pöbel verrathen habe.</p> <p>Die Widersprüche folgen sich Schlag auf Schlag. Einmal ist es nicht die Majorität des biedern und loyalen Wiener Volkes, welche den Aufstand gemacht hat, das andere Mal wird sie dessen direkt beschuldigt und ihr ein Protest hingeschleudert mit einem Anhange von Drohungen, welche eben so terroristisch sind, als die Maßnahmen der Revolutionspartei es nur sein könnten. Daneben wird wieder ein einzelner Abgeordneter denunzirt und die Lehre aufgestellt: „Ein Ministerium sei allein dem Reichstage verantwortlich.“ Ist dies nicht wieder die revolutionärste Theorie, die es geben kann? Gleich darauf lesen wir einen sehr doktrinären Passus, welcher eine Theorie aus der einfachen Aeußerung eines Frankfurter Abgeordneten machen will, „daß hinter der Minorität des Reichstages, die Majorität des Volkes stehe,“ und in welchem der widersinnige und lächerliche Ausdruck: „Lehre des stationären Umsturzes,“ vorkommt. Es ist jenen Herren, welche das Winkelparlament in Brünn dem souveränen Reichstage in Wien gegenüber ins Leben rufen, welche auch bei uns die Konföderation von Targowitz, fluchbeladenen Andenkens, einführen möchten, lediglich darum zu thun, das noch nicht sattsam politisch gebildete Volk zu verblüffen, um in der künstlich hervorgerufenen Verwirrung und Rathlosigkeit als die leuchtenden Dioscuren erhabener Bildung, strengen Rechts und volksfreundlich väterlicher Gesinnung auftauchen zu können. Wir aber werden nie und nimmermehr flackernde Irrwische für Planeten halten, wir wissen, wo der Polarstern der Freiheit am Himmel steht, und lassen uns durch sumpfgeborene Flammen nicht verblenden.</p> <p>Was aber sollen wir jener Beschuldigung entgegnen, daß der Reichstag die Exekutivgewalt an sich gerissen und als bloßer Sicherheitsausschuß für Wien fungirt habe? Man sieht es deutlich, wie blind und flach der Zorn und Aerger hant. Diese beiden Beschuldigungen neben einander, diese beiden Beschuldigungen in einem Augenblicke, wo der Reichstag allein und einzig der Kitt der Monarchie ist und sich ein ewiges Verdienst durch seine Furchtlosigkeit und Weisheit erworben hat. Freilich, es ist von der Feigheit nicht zu erwarten, daß sie den Muth preise, von der Gemeinheit nicht, daß sie das Erhabene würdige. Die Zukunft wird entscheiden, wer seine Pflicht besser gethan, Jene, die, beim ersten Schuß ihre heilige Mission verkennend, an sich, oder Jene, die an das Volk dachten, das sie berufen und gesendet hat. Wenn etwas die äußerste Rechte in ihrer ganzen Erbärmlichkeit hinstellt, so ist es diese Anschuldigung. Weitere Beweise, wie kurz das Gedächtniß der äußersten Rechten sei, sind die maßlosen Angriffe, welche sie gegen das Volk von Wien schleudert. Hat es in Prag keine Pfingstwoche gegeben? Was war denn die von den meisten der Unterschriebenen so energisch vertheidigte, von einigen sogar getheilte Erhebung in Prag, wenn die in Wien ein verbrecherischer Aufruhr ist? Waren die Barrikaden etwa für die Ordnung errichtet? Hatte man andere Gegner in Prag als in Wien? Warum hat man Windischgrätz so maßlos verfolgt und beschuldigt, der eben nichts Anderes that, als was Latour und Auersperg in Wien gethan haben! Noch ist das Andenken an die Pfingstwoche zu neu, zu frisch noch die Spuren des vergossenen Blutes, der bloße Hauch der Lüge trocknet und verwischt sie nicht. Das Anrufen der Geschäftsordnung gegenüber der Revolution klingt lächerlich und traurig zugleich aus dem Munde Derjenigen, die nur die Revolution mit der Eigenschaft bekleidet hat, die sie jetzt mißbrauchen, mit jener Toga, die sie zum Bedientenrocke herabwürdigen. Endlich haben Jene am wenigsten Recht, der Revolution Stillstand zu gebieten, die Abschnitte zu bezeichnen, die Remt von Unrecht scheiden, welche seit Jahren bemüht waren, die Revolution herbeizuführen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Polen.</head> <div xml:id="ar124_016" type="jArticle"> <head>Krakau, 17.Okt.</head> <p>Die hiesige Kommandantur hat vorgestern einen Kurier abgeschickt, um den Generalen in Lemberg, Przemysl, Rzeschow und Tarnow den Befehl zu überbringen, daß sie mit sämmtlicher Reiterei und Artillerie eiligst nach Wien aufbrechen, wo alle kaiserl. Truppen konzentrirt werden sollen, die nur zusammenzubringen sind. Russisches Militär sammelt sich immer stärker an der galizischen Gränze an. Es wird als ganz bestimmt mitgetheilt, daß in Folge eines Uebereinkommens zwischen dem Kaiser von Oestreich und dem Kaiser von Rußland die russische Armee unter Anführung des Generals Pariutin in Krakau einrücken werde, sobald in Wien die Republik proklamirt werden, oder in Galizien und Krakau ein Aufstad ausbrechen sollte.</p> <bibl>(Bresl. Z.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar124_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 20. Oktober.</head> <p>Die Preßplackereien haben begonnen, und nach Aufhebung des Pariser Belagerungszustandes werden sie recht en gros floriren; ich glaube, er wird bloß zu diesem Behufe aufgehoben. Barrest's „La Republique“ ward vorgestern nach louisphilippistischer Sitte im Büreau des Journals <hi rendition="#g">und</hi> der Post konfiszirt; dies Blatt hat sich nach langem Schwanken zwischen rother und blauer Republik zu ersterer geschlagen, und ärgert die Herrscherklasse durch tägliches Denunziren ihrer Gemeinheiten; z. B. erzählt es, im versailler Park seien die Gemüsegärtner, lauter arme Familienväter und Tagelöhner, seit Februar noch mit keinem Heller ausbezahlt, vermuthlich um ihnen Sympathie zur Republik einzuflößen; „ihre Petitionen beim Maire, Inspektor und Cavaignac blieben furchtlos, und der „hochherzige Polenfreund“ Vavin, ein Dufaure'sches Kammermitglied, schickt als Intendant der Civilliste alles Geld in den Schatz, und da er 25 Franken Tagelohn qua Deputirter schluckt, hält er es für überflüssig, den Gartenburschen ihre 25 Sous zu geben.“ Barrest berichtet eine Menge Reaktionskniffe, z. B. auf den Dörfern wird Nachts die Freiheitspappel halb durchgesägt, und bei Gelegenheit einer Prozession am nächsten Tage, wobei man das Kirchenlied: „Komm heiliger Heinrich“, singt, fällt der Baum um, was als ein Zeichen göttlichen Zornes gegen die Republik von der frommen Gemeinde angestaunt wird. Abends tanzt man und singt das endlose Liedchen vom „Monsieur Credit“, d. h. Heinrich V., der den Nationalkredit aus eigener Tasche herstellen und die Bauernschulden bezahlen wird. In den Departementen der Pyrenäen, der Gironde und im Centrum werden die Bauerfrauen im Beichtstuhle systematisch in Pflicht genommen, ihre Männer zum Votiren für Heinrich V. zu bewegen. Jedenfalls hat er unendlich mehr Aussichten als Lamartine und Ledrü Rollin. Wie aufgeklärt diese legitimistischen Landleute, beweisen die <hi rendition="#g">Flintenschüsse,</hi> die sie vor 14 Tagen auf den Luftballon des Hrn. Green richteten, den einige für den Satan, andere, schon vorgeschrittenere, für einen „Luftwagen voll kommunistischer Juniräuber“ hielten. Der Unfug, scheinbare Feldvermessungen vornehmen zu lassen, mit dem Bemerken „das seien Pariser <hi rendition="#g">Theiler</hi> (partageux in der Bauernsprache), ist abermals gerichtlich konstatirt, aber diese Aufwiegler werden nicht gestraft. Die entsetzliche Ermordung des polnischen Emigranten in dem Weiler Chouzé, in dem Loiredepartement, ist auch noch nicht gerächt; dieser Arbeiter ward als wegen „seiner düstern Miene“ verdächtig, für einen Pariser „Juniräuber“ erklärt, und langsam zu Tode gequält. „Da sieht man, höhnt das Journal des Departements, wie energisch das Volk die Kommunisten haßt, und wie frevelhaft die Versuche letztrer sind, ihre tollen Doktrinen ihm aufzubringen; ein anderes Ortsblatt seufzt pharisäisch über die „bäurische Rohheit, die noch leider weit von der Civilisation der Mittelklasse entfernt ist.“ Barrest entgegnet: „Verruchter Heuchler, möge jeder Blutstropfen dieses Märtyrers, der in dem angeblich gebildetsten Lande Europa's verspritzt ward, auf euere vermaledeiten Köpfe fallen, in denen ihr seit Jahren das unehrliche System der Volksverdummung aushecktet,“ worauf La Patrie des würdigen Börsenluchses Herrn bela Mare sagt: „Wir müssen die freche Presse, die das biedere Bauernvolk und die honnette Bourgeoisie (!) verläumdet, mehr maulkorben als bisher; möge Dufaure seine ernsten Pflichten besser als das Ministerium des Hrn. Senard begreifen, der leider gar betrübliche Schwäche gegen die Ordnungsvernichter zeigte. Die Presse dieser Anticivilisations-Partei beutet aufs gehässigste jedes noch so unbedeutende Ereigniß aus, und verschwärzt die Reinheit der Bildungsrepublikaner. “ Letzteres ist jetzt der neue Titel, womit die Bourgeois sich selbst beschenkt haben. La Tribune, dies so viele Jahre in Paris Gährung erzeugende Blatt, ward endlich mit ihrem 114. Preßprozeß doch beseitigt; man sieht, die Ordnungspartei darf nie die Geduld verlieren, wobei La Reforme bemerkt, daß von den 15 Redaktoren dieses wahrhaft unermüdlichen Blattes unter Louis Philipp zwar die Hälfte todt sind, aber nur ein Einziger abtrünnig wurde: Mylord Armand Marrast. Die Klubs werden auf alle Weise schikanirt, aber ihre Chefs agitiren mit bewunderungswerther Energie und Ausdauer; Bernard aus Carcassonne z. B. ist jetzt schon mit Eröffnen seines vierten Klubs beschäftigt; die drei früheren wurden ihm nach der Reihe geschlossen; jetzt präsidirt er außerhalb der Stadt in den Batignolles und gedenkt so das ganze Weichbild von Paris zu durchwandern; er sagt: „ wenn die Bourgeois da draußen mir kein Lokal mehr vermiethen wollen, dann schleudere ich ihnen Brochüren an den Schädel, und wenn das nicht genügt, stifte ich ein Journal.“ Solche tief einschneidende Charaktere, voll Witz und Gewandtheit, Energie und Geduld sind mehr als je seit der Juniniederlage der Demokratie nöthig; Bernard hat zudem eine eherne Stimme und Redetalent. Wie verdient er sich seit einigen Monaten um die Volkssache gemacht, erhellt schon aus dem heulenden Angstzorn des Constitutionnel und dem knurrenden Winseln des Siecle; diese honnetten Blätter brachten täglich Anklagen gegen ihn, bis er endlich in der That keinen Wirth mehr innerhalb der Stadtmauer fand, der ihm einen Saal vermiethen mochte. Am Abend vor den letzten drei Ersatzwahlen hatte er Hrn. Thiers und dessen Gelichter attakirt wie wohl noch nie ein Klubist seit 1793 gedonnert hatt; zwei Tage darauf stand er vor dem Polizeigericht und sieht jetzt den Assisen trotzig entgegen.</p> </div> <div xml:id="ar124_018" type="jArticle"> <head>Paris, 21. Oktober.</head> <p>Kriegsminister Lamoriciere erlitt gestern Abend einen sehr empfindlichen Schlag. 503 von 762 Stimmen der Nationalversammlung haben seinen Antrag auf Verschiebung der Debatte über Abschaffung oder Aenderung des Militärersatzwesens (Artikel 107 der neuen Verfassung) verworfen. Da dieses Votum eine gänzliche Niederlage des Lamoriciereschen Reformplanes voraussetzen läßt, und leicht mit dem Rückzuge des Junihelden endigen dürfte, so mag hier ein Wort zur Erläuterung dieser neuen Kabinetsfrage wohl am Platze sein. Lamoriciere's neues Rekrutirungsgesetz will zwar nicht ganz das preußische System einführen (indem es die Ersatzbefugniß für Reiche beibehält), aber es will den Silberertrag dieses Menschenhandels in die <hi rendition="#g">Hände des Staates</hi> leiten, und einen Fonds daraus bilden, aus welchem Prämien für alle diejenigen Soldaten gezahlt würden, die nach Ablauf ihrer Dienstzeit neuen Dienst nähmen. Aber die Majorität, die bei diesem Handel stark interessirt ist, wird schwerlich darin willigen, daß sich der Staat an die Spitze dieses infamen Industriezweiges stelle. Herr Lamoriciere dürfte somit durchfallen.</p> <p><hi rendition="#g">Thiers</hi> tritt als der erbitterste Gegner aller Anträge auf Abschaffung des Militärloskaufsrechts in der Nationalversammlung auf. Dieser Eifer hat seine klingenden Gründe. Dosne, Schwiegervater von Thiers, kaufte im Jahre 1836 bei Gelegenheit der spanischen Interventionsfrage 16,000 Elsässer in der Hoffnung, sie für hohe Preise bei der vermutheten Mobilmachung los zu werden. Thiers war damals Minister.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0627/0003]
Maßregel nicht für geeignet halten, so wollen wir dennoch nicht in dieselbe eingreifen; wir wollen die Verantwortlichkeit für dieselbe ganz und gar dem Ministerium überlassen.
Abg. Pinoff hält es für ungerecht, jetzt Arbeiter zu entlassen.
Abg. Walter: Wenn ich das Vertrauen der Arbeiter besäße, um das ich Sie, meine Herren von der Linken, beneide, ich würde vor sie hintreten und sie daran erinnern, daß jeder Stand seine Last habe, daß Jeder seine Arbeit im Schweiße seines Angesichts verrichtet, ich würde sie zur Mäßigung ermahnen. Ich würde nach Burke's Ausspruch handeln: Schärft den Sinn für Arbeitslust, für Thätigkeit und Mäßigkeit, alles Uebrige ist eitel.
Abg. Jung: Kaum hat der gesunde Sinn der Berliner einen Leck wieder gestopft, will das Ministerium ihn wieder aufreißen; das dürfen wir nicht dulden! Die Erdarbeiter, denen man jetzt die Erdarbeiten nimmt, sind an bessere, an feinere Arbeit gewöhnt; jetzt nimmt man ihnen, was schon als das Härteste für sie galt. Die Arbeiter sehen eines Morgens eine Maschine, sie fürchten, sie nehme ihnen die Arbeit; sie gehen zum Finanzminister. Derselbe sagt ihnen, er wisse nichts von der Maschine und werde sich dagegen erklären. Demnach glauben sich die Arbeiter schon halb im Rechte und zertrümmern die Maschine. Dafür unschuldige Arbeiter mit dem schuldigen entlassen ‒ mögen Sie es eine Ahndung oder Strafe nennen ‒ ich nenne es Unmenschlichkeit. Zur Strafe, die der Richter verhängt, fügen Sie den Hungertod; und nicht blos den Schuldigen, auch den Unschuldigen!
Nachdem noch einiges Unerhebliche dafür und dagegen gesprochen, wird die Dringlichkeit des Antrages nach namentlicher Abstimmung mit 198 gegen 128 Stimmen verworfen. Schluß der Sitzung.
15 Berlin,21.Okt. Wie Hr. Hansemann seinen Posten dazu benutzte, um aus Minister-Präsidenten Deputirte zu machen, davon ist mir durch einen Wahlmann zu Frankfurt an der Oder folgende artige Geschichte zu Ohren gekommen. In Frankfurt waren die Wähler des früher hier unter den Vereinbarern thronenden reaktionären Hrn. v. Gerlach mit demselben unzufrieden, und beriefen ihn durch ein Mißtrauensvotum zurück. Hr. Hansemann bekömmt davon Wind, und will die Gelegenheit benutzen, um den Premier v. Auerswald unter die Vereinbarer zu schmuggeln. Er schreibt also nach Frankfurt, verspricht den Wählern goldene Berge und ‒ einen Wollmarkt, nach dem sich die Frankfurter lange gesehnt, wenn sie seinen Freund Hrn. v. Auerswald wählten. Was thut nicht bei gewissen, mit Wolle überflüssig versehenen Geschöpfen ein Wollmarkt? Kurz die radikalen Wahlmänner werden mit einem Male reaktionär, und der Premier wurde mit freilich sehr geringer Majorität ‒ Deputirter für Frankfurt.
Berlin. Wir theilen nachstehende an das hiesige Königliche Polizeipräsidium und an sämmtliche Regierungen erlassene Cirkular-Verfügung mit:
„Es ist dem Ministerium daran gelegen in möglichst kurzer Zeit eine genaue Uebersicht sämmtlicher zur Zeit in dem Preuß. Staate vorhandener politischer Vereine, deren Tendenz, Statuten, auffallende Beschlüsse, Einfluß auf das Volksleben, Zahl der Mitglieder und etwaige Verbindung mit andern Vereinen in den deutschen Staaten zu gewinnen. ‒ Die Königl. Regierung wird daher veranlaßt, nach diesen Andeutungen des Schleunigsten eine Zusammenstellung der in Ihrem Verwaltungsbezirk bestehenden politischen Vereine, und zwar in der Vollständigkeit, als dies die bereits dort vorliegenden Materialien gestattene anfertigen zu lassen und hierher einzureichen, demnächst aber die in dieser Beziehung etwa noch fehlenden Notizen baldigst einzuziehen und dem Ministerium gleichfalls zugehen zu lassen.
Berlin, den 14. Oktober 1848.
Ministerium des Innern. Zweite Abtheilung.
gez. v. Manteuffel.“
Frankfurt. Da mit dem heutigen Tage das Gesetz vom 10. d. M. zum Schutze der verfassungsgebenden deutschen Reichsversammlung und der Beamten der provisorischen Centralgewalt in der ganzen Umgebung von Frankfurt in Kraft getreten ist, wird der Belagerungszustand der Stadt Frankfurt hiermit für aufgehoben erklärt.
Uebrigens wird das Reichsministerium alle jene Maßregeln, die es für die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung und der öffentlichen Sicherheit am Sitze der Reichsversammlung für nöthig erachtet, in ihrem vollen Umfange fortbestehen lassen.
Frankfurt a. M., den 20. Oktober 1848.
Der Reichsminister des Innern,
Schmerling.
Dr. Radermacher.
* München, 18. Octbr. Die Personen, die sich der Katzenmusiken des Volkes zu erfreuen hatten, sind der Buchdrucker Weiß, der Antiquar Hipperer, der Dompfarrer Schmidt, der Ex-Abgeordnete des Parlamentes, Advokat Ruhwandl und der Minister des Innern.
Ueberall wo die bewaffnete Macht Miene machte, bei diesen Ruhestörungen einzuschreiten, antwortete man ihr mit einem Steinregen und mit dem entsetzlichsten Hohne.
Es darf dies um so weniger außer Acht gelassen werden, als wir hier in München eben jetzt dazu bestimmt zu sein scheinen' unter allen deutsch. Städten zuerst die Rückwirkung der Volkserhebung in Wien zu empfinden. Diese Katzenmusiken von vorgest. Nachts, und Alles müßte täuschen, oder wir werden heute wieder Aergeres erleben als gestern. Sechs Brauhäuser sind in verwichener Nacht vom Volke total verwüstet worden, weil es darauf besteht, die Brauer sollen ihr Bier wohlfeiler verkaufen, als es ihnen die Taxe gewährt. Heute ist das Zerstörungswerk am frühen Morgen von Soldaten und Arbeitern von neuem begonnen und an zwei Brauhäusern ausgeübt worden, ohne daß irgend etwas im Stande gewesen wäre, dem Unfuge zu steuern und die im wildesten Sturme heimgesuchten Brauer zu schützen.
Eben, um 2 Uhr Nachmittags, schlägt man Generalmarsch. Es sollen bei Schlägereien in Brauhäusern Verwundungen vorgefallen sein.
Stralsund, 17.Okt. Nachmittags 4 Uhr. So eben ist von Greifswald eine Estafette hier angekommen, mit der Nachricht, daß Greifswald in vollem Aufstande ist. Schon früher waren hier Konflikte wegen der städtischen Mißverhältnisse ausgebrochen, doch wurden sie durch den besonneneren Theil der Einwohner geschlichtet. Jetzt aber wegen eines Urtheilsspruchs gegen einen, bei einem frühern Konflikte betheiligten Schlossergesellen, der zu 1 1/2 Jahr Zuchthausstrafe verurtheilt, für den jedoch der Volksverein um Begnadigung petitionirt, eines Theils; andern Theils durch eine vom Volksverein an den Bürgermeister abgeschickte Deputation, welche von Letzterem mit Geringschätzung und Arroganz behandelt sein soll, ist das Volk erbittert und will zur Gewalt greifen. Studenten und Volk gehen mit einander und letzteres hat sich mit Knitteln und eisernen Instrumenten bewaffnet. Die Behörden requirirten nun, da die greifswalder Bürgerwehr die Unruhen nicht beilegen kann, von dem Militärkommando in Stralsund 100 Mann von dem hier garnisonirenden Infanterie-Bataillon. Diese gehen mit Extrapost sofort nach Greifswald ab. Die in Greifswald stehenden Jäger sollen erklärt haben, daß sie nicht aufs Volk schießen werden.
(R. St. Z.) Posen, 13. Okt. Wie nöthig der Belagerungszustand in unserer Stadt ist, zumal die Cholera jetzt bei uns so fürchterlich grassirt, zeigt sich daraus, daß diejenigen, welche außerhalb der Stadt wohnen, und welche in ärztlicher Beziehung aus Posen, als die ihnen am nächsten liegende Stadt angewiesen sind, hülflos unter den furchtbarsten Qualen, welche diese Krankheit mit sich bringt, sterben müssen, wenn sie Nachts von derselben überfallen werden. Die Thore unserer Stadt sind nämlich von einer bestimmten Stunde des Abends bis zu einer bestimmten Stunde des Morgens für alle und somit auch für den Hülfe bringenden Arzt, verschlossen. So ist neulich, um hier nur einen Fall anzuführen, die Frau eines in der Nähe von Posen mit seinem Detaschement (Kommando) stationirten Offiziers ein Opfer des Todes geworden, weil man den bereits zu Hülfe gerufenen Arzt, obgleich er mit dem Wagen schon an das Thor gekommen war, nicht mehr aus der Stadt hinaus fahren lassen wollte:
(Oderz.) Reichenberg. Als Antwort auf eine von 36 nach Prag geflüchteten Mitgliedern des constituirenden österreichischen Reichstags, Brauner und Strobach an die Spitze, erlassene Erklärung zur Beschönigung des Schrittes, mit dem sie ihren Ehrenposten in Wien verließen (Nr. 290), veröffentlicht „der deutsche Centralverein für Böhmen“ in Reichenberg Folgendes:
„Wir haben, offen gesagt, dieses Ackenstück (die erwähnte Erklärung) nicht ohne innere Genugthuung gelesen, weil es uns aufs neue überzeugte, daß wir unsere Gegner nicht zu fürchten haben, am allerwenigsten aber, wenn sie zur Feder greifen. Also dieses ist die Quintessenz des politischen und stylistischen Talents der äußersten Rechten des wiener Reichstags? Nun, aus diesem Holze schnitzt man die Minister der Zukunft nicht so bald! Wir wollen dieses Aktenstück, das man ein jesuitisches nennen könnte, wenn es feiner angelegt und geschickter gemacht wäre, ein wenig beleuchten. Wir waren seit langer Zeit gewohnt, die äußerste Rechte des Reichstags alle Verhältnisse und Umstände zu ihrem Vortheil ausbeuten zu sehen, oder wenigstens solche Versuche zu machen. Sie war nie wählig in den Mitteln, kümmerte sich wenig um Consequenzen, widersprach sich, so oft ihr die Wahrheit unbequem wurde, und bot uns das widrige Schauspiel eines mäkelnden und schachernden Egoismus in jeder Sitzung des Reichstags. Man glaubte sich in eine Trödelbunde versetzt, wenn die Rechte heute der Linken zurief: „ Wir wollen Demokraten sein, wenn ihr uns diese Concession macht,“ morgen dem Ministerium zuflüsterte! „ Für jene Concession stützen wir dich,“ und übermorgen sagte sie lachend beiden Theilen ins Gesicht: „Die Monarchie besteht doch nur so lange, als wir Slawen es wollen! “
Wir haben etwas Aehnliches nur in der verderbtesten aller Kammern, der französischen vor der Februarrevolution, erlebt, müssen jedoch der Rechten zugestehen, daß sie aus natürlicher Anlage es in 8 Wochen eben so weit brachte als die französische Majorität in 15 Jahren und mit Lehrmeistern wie Ludwig Philipp, Duchatel und Guizot. Ein Manifest der äußersten Rechten ließ unter gegenwärtigen Umständen nichts Anderes als eine zweudeutige und gewissenlose Aeußerung erwarten, doch hätten wir nie geglaubt, daß sie moralisch so tief sinken könnte, zur gehässigsten und treulosesten Waffe, zur Verdächtigung, zu greifen. Das heuchlerische Bedauern, daß der Reichstag den Mord des Kriegsministers und den Sturz des Gesammtministeriums als einen Akt der Selbsthülfe des Volkes erklärt habe, enthält in der Zusammenstellung jenes gräßlichen Aktes der Volkswuth und des Sturzes der Herren Bach und Wessenberg, welche die Rechte, naiv genug, für das Gesammtministerium ausgibt, eine Denunziation des Reichstags, für die wir keinen sattsam bezeichnenden Ausdruck haben. Wir können sie nur mit jener vergleichen, welche Borrosch als den Urheber des Mordes an Latour bezeichnete, indem er ihn, unter dem Vorwande ihn zu schützen, dem tobenden Pöbel verrathen habe.
Die Widersprüche folgen sich Schlag auf Schlag. Einmal ist es nicht die Majorität des biedern und loyalen Wiener Volkes, welche den Aufstand gemacht hat, das andere Mal wird sie dessen direkt beschuldigt und ihr ein Protest hingeschleudert mit einem Anhange von Drohungen, welche eben so terroristisch sind, als die Maßnahmen der Revolutionspartei es nur sein könnten. Daneben wird wieder ein einzelner Abgeordneter denunzirt und die Lehre aufgestellt: „Ein Ministerium sei allein dem Reichstage verantwortlich.“ Ist dies nicht wieder die revolutionärste Theorie, die es geben kann? Gleich darauf lesen wir einen sehr doktrinären Passus, welcher eine Theorie aus der einfachen Aeußerung eines Frankfurter Abgeordneten machen will, „daß hinter der Minorität des Reichstages, die Majorität des Volkes stehe,“ und in welchem der widersinnige und lächerliche Ausdruck: „Lehre des stationären Umsturzes,“ vorkommt. Es ist jenen Herren, welche das Winkelparlament in Brünn dem souveränen Reichstage in Wien gegenüber ins Leben rufen, welche auch bei uns die Konföderation von Targowitz, fluchbeladenen Andenkens, einführen möchten, lediglich darum zu thun, das noch nicht sattsam politisch gebildete Volk zu verblüffen, um in der künstlich hervorgerufenen Verwirrung und Rathlosigkeit als die leuchtenden Dioscuren erhabener Bildung, strengen Rechts und volksfreundlich väterlicher Gesinnung auftauchen zu können. Wir aber werden nie und nimmermehr flackernde Irrwische für Planeten halten, wir wissen, wo der Polarstern der Freiheit am Himmel steht, und lassen uns durch sumpfgeborene Flammen nicht verblenden.
Was aber sollen wir jener Beschuldigung entgegnen, daß der Reichstag die Exekutivgewalt an sich gerissen und als bloßer Sicherheitsausschuß für Wien fungirt habe? Man sieht es deutlich, wie blind und flach der Zorn und Aerger hant. Diese beiden Beschuldigungen neben einander, diese beiden Beschuldigungen in einem Augenblicke, wo der Reichstag allein und einzig der Kitt der Monarchie ist und sich ein ewiges Verdienst durch seine Furchtlosigkeit und Weisheit erworben hat. Freilich, es ist von der Feigheit nicht zu erwarten, daß sie den Muth preise, von der Gemeinheit nicht, daß sie das Erhabene würdige. Die Zukunft wird entscheiden, wer seine Pflicht besser gethan, Jene, die, beim ersten Schuß ihre heilige Mission verkennend, an sich, oder Jene, die an das Volk dachten, das sie berufen und gesendet hat. Wenn etwas die äußerste Rechte in ihrer ganzen Erbärmlichkeit hinstellt, so ist es diese Anschuldigung. Weitere Beweise, wie kurz das Gedächtniß der äußersten Rechten sei, sind die maßlosen Angriffe, welche sie gegen das Volk von Wien schleudert. Hat es in Prag keine Pfingstwoche gegeben? Was war denn die von den meisten der Unterschriebenen so energisch vertheidigte, von einigen sogar getheilte Erhebung in Prag, wenn die in Wien ein verbrecherischer Aufruhr ist? Waren die Barrikaden etwa für die Ordnung errichtet? Hatte man andere Gegner in Prag als in Wien? Warum hat man Windischgrätz so maßlos verfolgt und beschuldigt, der eben nichts Anderes that, als was Latour und Auersperg in Wien gethan haben! Noch ist das Andenken an die Pfingstwoche zu neu, zu frisch noch die Spuren des vergossenen Blutes, der bloße Hauch der Lüge trocknet und verwischt sie nicht. Das Anrufen der Geschäftsordnung gegenüber der Revolution klingt lächerlich und traurig zugleich aus dem Munde Derjenigen, die nur die Revolution mit der Eigenschaft bekleidet hat, die sie jetzt mißbrauchen, mit jener Toga, die sie zum Bedientenrocke herabwürdigen. Endlich haben Jene am wenigsten Recht, der Revolution Stillstand zu gebieten, die Abschnitte zu bezeichnen, die Remt von Unrecht scheiden, welche seit Jahren bemüht waren, die Revolution herbeizuführen.
Polen. Krakau, 17.Okt. Die hiesige Kommandantur hat vorgestern einen Kurier abgeschickt, um den Generalen in Lemberg, Przemysl, Rzeschow und Tarnow den Befehl zu überbringen, daß sie mit sämmtlicher Reiterei und Artillerie eiligst nach Wien aufbrechen, wo alle kaiserl. Truppen konzentrirt werden sollen, die nur zusammenzubringen sind. Russisches Militär sammelt sich immer stärker an der galizischen Gränze an. Es wird als ganz bestimmt mitgetheilt, daß in Folge eines Uebereinkommens zwischen dem Kaiser von Oestreich und dem Kaiser von Rußland die russische Armee unter Anführung des Generals Pariutin in Krakau einrücken werde, sobald in Wien die Republik proklamirt werden, oder in Galizien und Krakau ein Aufstad ausbrechen sollte.
(Bresl. Z.) Französische Republik. 17 Paris, 20. Oktober. Die Preßplackereien haben begonnen, und nach Aufhebung des Pariser Belagerungszustandes werden sie recht en gros floriren; ich glaube, er wird bloß zu diesem Behufe aufgehoben. Barrest's „La Republique“ ward vorgestern nach louisphilippistischer Sitte im Büreau des Journals und der Post konfiszirt; dies Blatt hat sich nach langem Schwanken zwischen rother und blauer Republik zu ersterer geschlagen, und ärgert die Herrscherklasse durch tägliches Denunziren ihrer Gemeinheiten; z. B. erzählt es, im versailler Park seien die Gemüsegärtner, lauter arme Familienväter und Tagelöhner, seit Februar noch mit keinem Heller ausbezahlt, vermuthlich um ihnen Sympathie zur Republik einzuflößen; „ihre Petitionen beim Maire, Inspektor und Cavaignac blieben furchtlos, und der „hochherzige Polenfreund“ Vavin, ein Dufaure'sches Kammermitglied, schickt als Intendant der Civilliste alles Geld in den Schatz, und da er 25 Franken Tagelohn qua Deputirter schluckt, hält er es für überflüssig, den Gartenburschen ihre 25 Sous zu geben.“ Barrest berichtet eine Menge Reaktionskniffe, z. B. auf den Dörfern wird Nachts die Freiheitspappel halb durchgesägt, und bei Gelegenheit einer Prozession am nächsten Tage, wobei man das Kirchenlied: „Komm heiliger Heinrich“, singt, fällt der Baum um, was als ein Zeichen göttlichen Zornes gegen die Republik von der frommen Gemeinde angestaunt wird. Abends tanzt man und singt das endlose Liedchen vom „Monsieur Credit“, d. h. Heinrich V., der den Nationalkredit aus eigener Tasche herstellen und die Bauernschulden bezahlen wird. In den Departementen der Pyrenäen, der Gironde und im Centrum werden die Bauerfrauen im Beichtstuhle systematisch in Pflicht genommen, ihre Männer zum Votiren für Heinrich V. zu bewegen. Jedenfalls hat er unendlich mehr Aussichten als Lamartine und Ledrü Rollin. Wie aufgeklärt diese legitimistischen Landleute, beweisen die Flintenschüsse, die sie vor 14 Tagen auf den Luftballon des Hrn. Green richteten, den einige für den Satan, andere, schon vorgeschrittenere, für einen „Luftwagen voll kommunistischer Juniräuber“ hielten. Der Unfug, scheinbare Feldvermessungen vornehmen zu lassen, mit dem Bemerken „das seien Pariser Theiler (partageux in der Bauernsprache), ist abermals gerichtlich konstatirt, aber diese Aufwiegler werden nicht gestraft. Die entsetzliche Ermordung des polnischen Emigranten in dem Weiler Chouzé, in dem Loiredepartement, ist auch noch nicht gerächt; dieser Arbeiter ward als wegen „seiner düstern Miene“ verdächtig, für einen Pariser „Juniräuber“ erklärt, und langsam zu Tode gequält. „Da sieht man, höhnt das Journal des Departements, wie energisch das Volk die Kommunisten haßt, und wie frevelhaft die Versuche letztrer sind, ihre tollen Doktrinen ihm aufzubringen; ein anderes Ortsblatt seufzt pharisäisch über die „bäurische Rohheit, die noch leider weit von der Civilisation der Mittelklasse entfernt ist.“ Barrest entgegnet: „Verruchter Heuchler, möge jeder Blutstropfen dieses Märtyrers, der in dem angeblich gebildetsten Lande Europa's verspritzt ward, auf euere vermaledeiten Köpfe fallen, in denen ihr seit Jahren das unehrliche System der Volksverdummung aushecktet,“ worauf La Patrie des würdigen Börsenluchses Herrn bela Mare sagt: „Wir müssen die freche Presse, die das biedere Bauernvolk und die honnette Bourgeoisie (!) verläumdet, mehr maulkorben als bisher; möge Dufaure seine ernsten Pflichten besser als das Ministerium des Hrn. Senard begreifen, der leider gar betrübliche Schwäche gegen die Ordnungsvernichter zeigte. Die Presse dieser Anticivilisations-Partei beutet aufs gehässigste jedes noch so unbedeutende Ereigniß aus, und verschwärzt die Reinheit der Bildungsrepublikaner. “ Letzteres ist jetzt der neue Titel, womit die Bourgeois sich selbst beschenkt haben. La Tribune, dies so viele Jahre in Paris Gährung erzeugende Blatt, ward endlich mit ihrem 114. Preßprozeß doch beseitigt; man sieht, die Ordnungspartei darf nie die Geduld verlieren, wobei La Reforme bemerkt, daß von den 15 Redaktoren dieses wahrhaft unermüdlichen Blattes unter Louis Philipp zwar die Hälfte todt sind, aber nur ein Einziger abtrünnig wurde: Mylord Armand Marrast. Die Klubs werden auf alle Weise schikanirt, aber ihre Chefs agitiren mit bewunderungswerther Energie und Ausdauer; Bernard aus Carcassonne z. B. ist jetzt schon mit Eröffnen seines vierten Klubs beschäftigt; die drei früheren wurden ihm nach der Reihe geschlossen; jetzt präsidirt er außerhalb der Stadt in den Batignolles und gedenkt so das ganze Weichbild von Paris zu durchwandern; er sagt: „ wenn die Bourgeois da draußen mir kein Lokal mehr vermiethen wollen, dann schleudere ich ihnen Brochüren an den Schädel, und wenn das nicht genügt, stifte ich ein Journal.“ Solche tief einschneidende Charaktere, voll Witz und Gewandtheit, Energie und Geduld sind mehr als je seit der Juniniederlage der Demokratie nöthig; Bernard hat zudem eine eherne Stimme und Redetalent. Wie verdient er sich seit einigen Monaten um die Volkssache gemacht, erhellt schon aus dem heulenden Angstzorn des Constitutionnel und dem knurrenden Winseln des Siecle; diese honnetten Blätter brachten täglich Anklagen gegen ihn, bis er endlich in der That keinen Wirth mehr innerhalb der Stadtmauer fand, der ihm einen Saal vermiethen mochte. Am Abend vor den letzten drei Ersatzwahlen hatte er Hrn. Thiers und dessen Gelichter attakirt wie wohl noch nie ein Klubist seit 1793 gedonnert hatt; zwei Tage darauf stand er vor dem Polizeigericht und sieht jetzt den Assisen trotzig entgegen.
Paris, 21. Oktober. Kriegsminister Lamoriciere erlitt gestern Abend einen sehr empfindlichen Schlag. 503 von 762 Stimmen der Nationalversammlung haben seinen Antrag auf Verschiebung der Debatte über Abschaffung oder Aenderung des Militärersatzwesens (Artikel 107 der neuen Verfassung) verworfen. Da dieses Votum eine gänzliche Niederlage des Lamoriciereschen Reformplanes voraussetzen läßt, und leicht mit dem Rückzuge des Junihelden endigen dürfte, so mag hier ein Wort zur Erläuterung dieser neuen Kabinetsfrage wohl am Platze sein. Lamoriciere's neues Rekrutirungsgesetz will zwar nicht ganz das preußische System einführen (indem es die Ersatzbefugniß für Reiche beibehält), aber es will den Silberertrag dieses Menschenhandels in die Hände des Staates leiten, und einen Fonds daraus bilden, aus welchem Prämien für alle diejenigen Soldaten gezahlt würden, die nach Ablauf ihrer Dienstzeit neuen Dienst nähmen. Aber die Majorität, die bei diesem Handel stark interessirt ist, wird schwerlich darin willigen, daß sich der Staat an die Spitze dieses infamen Industriezweiges stelle. Herr Lamoriciere dürfte somit durchfallen.
Thiers tritt als der erbitterste Gegner aller Anträge auf Abschaffung des Militärloskaufsrechts in der Nationalversammlung auf. Dieser Eifer hat seine klingenden Gründe. Dosne, Schwiegervater von Thiers, kaufte im Jahre 1836 bei Gelegenheit der spanischen Interventionsfrage 16,000 Elsässer in der Hoffnung, sie für hohe Preise bei der vermutheten Mobilmachung los zu werden. Thiers war damals Minister.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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