Neue Rheinische Zeitung. Nr. 118. Köln, 16. Oktober 1848.lagerungszustandes erklärt, und da die Stadtverordneten die Stadt vertreten, so ist anzunehmen, daß die ganze Stadt die Aufhebung des Belagerungszustandes gar nicht wünsche. Abg. v. Pokrzywnicki erwidert, daß die Ruhe der Stadt Posen seit dem 10. März auch nicht einmal gestört worden sei, sowohl vor Erklärung des Belagerungszustandes als während desselben. Es sei dort weder Blut geflossen noch Barrikaden gebauet worden. Die deutsche Bevölkerung fühle zwar den Belagerungszustand nicht, da derselben das freie Vereinigungsrecht und das Tragen von Waffen erlaubt ist, während man dies der polnischen Bevölkerung hartnäckig verweigert. Nachdem die Debatte noch einige Zeit fortgedauert, wird der Schluß der Debatte verlangt und angenommen. Der Antragsteller verlangt hierauf vom Ministerium, daß es seine Vorlagen bis Dienstag machen solle, dann würde er seinen Antrag zurücknehmen. - Der Minister Eichmann versicherte aber dies nicht vor Freitag thun zu können und auch damit erklärte sich der Antragsteller endlich einverstanden. Auf der Tagesordnung ist heute zuerst die End-Abstimmung über das neu redigirte Bürgerwehrgesetz. - Eine Masse von Protesten sind dem Präsidium in der Central-Abtheilung bereits im Laufe dieser Woche übergeben worden. Noch vor der Abstimmung übergeben viele Abgeordnete mit vielen Tausend Unterschriften versehene Proteste. Große Heiterkeit erregte ein vom Abg. Jung dem Präsidenten übergebener Monster-Protest, der in Form einer sehr langen Papierrolle ohne Ende, von der Tribüne herunter, nach der Art wie Leporello im Don Jouan seine 1003 dem Publikum vorhält, den Herrn Vereinbarern vor die Augen geführt wurde. - Trotz den vielen Protesten wird das Gesetz dennoch nach namentlicher Abstimmung mit 233 gegen 116 Stimmen angenommen. Nur die äußerste Linke stimmten gegen das Gesetz. Auch das transitorisiche Gesetz, wodurch einige Bestimmungen des Bürgerwehrgesetzes, als die Ableistung des Eides, die Ablieferung der Waffen nur nach Annahme der Verfassung in Kraft treten sollen, wird nach namentlicher Abstimmung mit 243 gegen 83 Stimmen angenommen. Auch das neu redigirte Jagdgesetz wird nach namentlicher Abstimmung mit 285 gegen 41 Stimmen angenommen und werden diese drei Gesetzentwürfe der Krone zur Erklärung vorgelegt werden. Die Fortsetzung der Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben ist ohne weiteres Interesse und wird auch morgen noch mit der Berathung desselben fortgefahren werden. 103 Berlin, 14. Okt. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung Nachdem ein dissentirendes Votum der äußersten Linken gegen das Gesetz zur Errichtung der Bürgerwehr verlesen war, brachte der Abg. Harrossowitz, in einer persönlichen Bemerkung seine heute in den Zeitungen offiziell verkündigte Beförderung zur Sprache. Er glaubt, daß seine Beförderung zum Kriminalgerichts-Direktor, nach der Rangliste keine Beförderung sei, indem er vor wie nach nur Rath vierter Klasse sei. Eine Gehaltszulage sei allerdings mit diesem Stellenwechsel verbunden, dies könne er jedoch nicht als eine Beförderung ansehen. Da Widerspruch gegen diese Meinung von vielen Seiten erfolgt, wird ein desfallsiger Antrag gestellt, der sogleich der Prioritäts-Kommission überwiesen wird. Abg. D'Ester. Die Lage der industriellen Bevölkerung in der Grafschaft Ravensberg in Westphalen ist eine so trostlose, daß sie füglich mit der der industriellen Bevölkerung in dem schlesischen Gebirge verglichen werden kann. Der Leinenhandel, welcher schon seit Jahren den dabei beschäftigten Webern und Spinnern keine ausreichende Subsistenz mehr gewährte, liegt seit dem Frühjahr mit allen andern Industriezweigen darnieder, und zwar in einem solchen Grade, daß eine umfassende Hilfe von Seiten des Staats gewährt werden muß, wenn die dortige Bevölkerung nicht im bevorstehenden Winter wörtlich vor Hunger sterben soll Schon seit längerer Zeit verdiener die Weber in den von ihnen gefertigten Fabrikaten fast gar nichts, sie sind froh, wenn ihnen für ihre Leinen der Garnpreis bezahlt wird, damit sie wenigstens ihre alten Garnvorräthe zu Gelde machen. In neueter Zeit ist es aber so weit gekommen, daß der Weber häufig nicht einmal ein Gebot auf seine Waare bekommen kann, da die Kaufleute bei den großen Geldmangel immer weniger einkaufen und es der flehendlichsten Bitten von Seiten der Weber bedarf, hin und wieder ein Stück Arbeit zu verkaufen. So wie es den Webern geht, geht es natürlich auch dem Spinner, der bei dem darniederliegenden Handel der dortigen Gegend und bei dem fast gänzlichen Mangel an Garnverkäufen nach auswärts ebenfalls kaum ein Gebot für seine Gespinnste erzielen kann. Die Weber und Spinner, welche noch etwas zuzusetzen hatten, haben ihre früheren Ersparnisse, ihr Vermögen nun aufgezehrt, diejenigen, welche kein Vermögen besaßen, leben schon seit dem Frühjahr in der drückendsten Roth, alle aber sind jetzt der Verzweiflung nahe und müssen zum Aeußersten getrieben werden, wenn ihnen nicht die Hülfe des Staates zu Theil wird. - Viele Bewohner jenes unglücklichen Landstriches haben sich um Abhülfe ihrer elenden Lage in Petitionen an die Nationalversammlung gewandt und mich mit der Ueberreichung derselben beauftragt, zugleich mit dem Ersuchen bei der Versammlung die schleunige Erledigung dieser gewiß in hohem Grade dringenden Angelegenheit zu beantragen. - Der in den Petitionen ausgesprochene Vorschlag geht nicht auf Unterstützung, sondern auf Beschaffung von Arbeit für eine große Bevölkerung, die sich gern im Schweiße ihrer Arbeit ernähren möchte, wenn es ihr nur möglich wäre. Sie beantragen, der Staat möge eine Kommission von Sachverständigen niedersetzen, welche während der Dauer der drückenden Geschäftsstockung, vornehmlich während des vorstehenden Winters, die in dortiger Gegend gefertigten Leinenwaaren für Rechnung des Staats in so weit einkaufe, als die Kaufleute nicht dazu im Stande sind. Insofern die Regierung nicht in der Lage sein möchte, das zu diesen Einkäufen nothwendige Kapital, welches sich auf 400,000 bis 500,000 Thaler veranschlage, baar anzuschaffen, möge dieselbe in Bierfeld eine Zettelbank errichten und für den Betrag der anzukaufenden Waare Bankscheine ausgeben, die vom 1. Juni 1849 an gegen baares Geld bei allen Staatskassen eingelöst werden können. Bis dahin könnte schon zu Theil der im Laufe des Winters von der Regierung angekauften Waaren wieder verkauft sein und mit den für die Verkäufer eingehenden Geldern die Zettelbankscheine eingelöst, demnächst aber vernichtet werden. - In Betracht der Dringlichkeit der oben angeführten Umstände beantrage ich daher: "eine hohe Versammlung möge beschließen, die beifolgenden Petitionen, sofort der für die Angelegenheiten der Spinner und Weber gewählten Kommission zur schleuniger Berichterstattung zu überweisen." Der Abg. Overbeck will gegen die Dringlichkeit sprechen, fängt aber damit an, daß er den großen Nothstand der westphälischen Spinner und Weber schildert und daß dieser Nothstand von dem Abg. D'Ester noch mit viel zu matten Farben aufgetragen sei. Man ruft ihm zu, daß er damit nicht gegen die Dringlichkeit spreche. Er läßt sich aber nicht stören und kommt in seiner Rede endlich darauf, daß er mit den andern Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg bereits vor mehreren Wochen bei dem Ministerium Schritte gethan habe um dem Nothstande entgegenzutreten. Sie hätten verlangt, daß der Staat ein großes Flachsmagazin errichte, damit der gute Flachs nicht von den Belgiern und Engländern weggekauft würde. Der Staat solle den Flachs aufkaufen und denselben den Spinnern zur Zeit wieder ablassen. Er fügt noch einiges über die Spinner und Weber hinzu, was aber in dem sich vermehrenden Lärmen und Ruf nach Schluß nicht zu verstehen ist. Die Dringlichkeit wird anerkannt und die Diskussion soll eröffnet werden; man schreit aber gleich nach dem Schluß der Diskussion und nur der Abg. Schulz aus Minden erhält das Wort. Er beginnt mit folgendem Satze: "Es wird hier eine Politik gegen uns geführt, die der Nationalversammlung unwürdig ist." (Ruf zur Ordnung!) Der Präsident verweist den Redner. - "Es gibt hier eine Partei, die uns in den Augen ihrer Committenten verdächtigen will." (Zur Ordnung! Zur Ordnung!) Der Präsident rügt die Verdächtigung des Redners und er hält es am Besten die Tribüne zu verlassen. - D'Ester: Ich verlange den Ordnungsruf nicht, trotzdem man mich verdächtig, das Land selbst wird diesen Ordnungsruf erlassen. Aus dem großen Tumult und einigen andern Rednern läßt sich so viel entnehmen, daß die Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg sich dadurch gekränkt fühlen, daß der heutige Antrag von einem Abgeordneten der ihnen entgegenstehenden Partei und vom Abg. D'Ester, der gar kein westphälischer Abgeordnete sei, eingebracht worden. Auch der abgetretene Handelsminister Milde nimmt seine politische Freunde, die Abgeordneten aus Westphalen noch in Schutz und gibt zu, daß schon in seinem Ministerium etwas zum Besten der armen Spinner und Weber Westphalens angeordnet worden, welches binnen einigen Wochen wahrscheinlich ausgeführt werde. Der Abg. Elsner, als Vorsitzender der Kommission für die Angelegenheiten der Spinner und Weber, erwähnt noch, daß diese Kommission jedenfalls in einigen Tagen ihren Bericht über die heute eingereichten Petitionen erstatten werde und der Antrag des Abg. D'Esters wird hierauf mit großer Majorität angenommen. Milde und seine westphälischen Freunde sind darüber wüthend. Hierauf kommt die Angelegenheit des Abg. Harrossowitz wieder zur Sprache. Sogar die Abg. Hartmann und Tüshaus, von der rechten Seite, sehen die Ernennung des bisherigen Kammergerichtsrath Harrossowitz zum Kriminalgerichts-Direktor, als eine Beförderung an, da sie mit einer Gehaltszulage verbunden sei und daher eine Neuwahl notwendig mache. - Abg. Kirchmann erinnert, daß er und Temme früher im gleichen Falle sich befanden und abgleich ihre Beförderung sogar wider ihren Willen geschehen war, hätten sie dennoch keinen Augenblick gezögert, ihre Neuwahl zu veranlassen. In Betreff dee Fragestellung erhebt sich noch ein großer Tumult. Der Präsident hatte die Frage gestellt: " ob der Abg. Harrossowitz noch ferner Sitz und Stimme in der Versammlung behalten solle?" nur Wenige erhoben sich dafür; da wünschten die Freunde des Abg. Harrossowitz die negative Fragestellung, ob er Sitz und Stimme verlieren solle? - Der Präsident stellt endlich die Frage, ob die Versammlung die Ernennung des Abg. Harrossowitz als eine Beförderung ansehe, welche seine Neuwahl veranlasse? Dies wird mit großer Majorität bejahet. Nun geht man zur Tagesordnung, der Berathung über das Gesetz wegen unentgeltlicher Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben über, die nur ein Interesse für die Landbewohner der diesseitigen Provinzen hat. 103 Berlin, 14. Oktober. Der König wird jedenfalls morgen zur Feier seines Geburtstages hier eintreffen. Man spricht heute von einer Proklamation des Königs "an mein Volk", welche im Stile der März-Proklamationen, gehalten sein wird. Dies Gerücht scheint nicht ohne Grund zu sein, denn wie im März gehet der König wieder mit dem Gedanken um, sich an die Spitze der deutschen Bewegung zu stellen, das heißt ganz Deutschland zu beherrschen. Umsonst ist Herr Camphausen von Frankfurt nicht hierher gereist; die schließlichen Bedingungen werden in diesem Augenblick wahrscheinlich in Potsdam festgestellt, denn so auf Gnade und Ungnade wollten sich die badenschen und die andern süddeutschen Liberalen von Ehedem nicht ergeben. Nach den jetzigen Ereignissen in Wien bleibt ihnen aber nichts übrig, als den König von Preußen zum Kaiser von Deutschland zu machen. Die Petitions-Kommission der Vereinbarer-Versammlung hat auf den Antrag des Kriminal-Senats des Ober-Landesgerichts zu Insterburg betreffend die Ertheilung der Genehmigung zur Einleitung der fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Landrath Reuter aus Johannisburg folgenden Bericht der Versammlung vorlegen lassen. - Gegen den Abgeordneten Landrath Reuter aus Johannisburg (zur äußersten Linken gehörig) ist auf Grund zweier Denunziationen, des Land- und Stadtgerichts-Assessors Falk d. d. 9. Mai c. und des Hauptzollamts-Rendanten Grunau d. d. 12. Mai c., vom Kriminal-Senat des Ober-Landesgerichts zu Insterburg die Einleitung der fiskalischen Untersuchung wegen schwerer wörtlicher Beleidigung verfügt, und demnächst unterm 5. Sept. c. die Ertheilung der Genehmigung Seitens der Vers. beantragt worden. Die Petitionskommission ist bereits in einem frühern Berichte von der Ansicht ausgegangen, daß in Fällen, wo es sich nur um eine mit geringer Geld- oder Gefängnißssrafe zu ahndende Privatbeleidigung handele, kein Grund vorliege, Abgeordnete durch Zulassung der Untersuchung von ihrem Berufe mehr oder weniger abzuziehen. Dieser Ansicht ist die Versammlung in der Sitzung vom 20. Oktober beigetreten. Die Gründe, welche das Oberlandesgericht zu Insterburg für Ertheilung der Genehmigung geltend macht, daß nämlich bei dem nicht abzusehenden Ende der Dauer der Versammlung weder den Denunzianten die Genugthuung bis zur Rückkehr des Reuter vorenthalten, noch bei der Gefahr, mittlerweile durch etwaiges Ableben oder durch Gedächtnißschwäche des einen oder andern Zeugen Beweismittel einzubüßen, die Beweisaufnahme länger ausgesetzt werden dürfe, haben die Kommission nicht veranlassen können, von der früheren Ansicht abzugehen. Denn sie kann weder die Voraussetzung theilen, daß das Ende der Dauer der Versammlung nicht abzusehen sei, noch findet sie in der unverhofften längern Dauer einen Grund, den Denunzianten die Genugthuung nicht länger vorzuenthalten, das heißt die Vollstreckung der etwa zu erkennenden Gefängnißstrafe zuzulassen. Die mögliche Gefahr aber, daß durch die Verzögerung Beweismittel verloren gehen könnten, kann eintretendenfalls durch Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtniß beseitigt werden. Demgemäß beantragt die Kommission: die Versammlung wolle beschließen, daß die vom Kriminalsenat des Oberlandesgerichts zu Insterburg beantragte Genehmigung zur Einleitung einer fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Reuter nicht zu ertheilen. Berlin. Das Justizministerialblatt enthält folgende allgemeine Verfügung. Das Einschreiten der Gerichte gegen strafbaren Mißbrauch der Presse und des Vereinigungsrechts betreffend. "Das durch die Bekanntmachung vom 21. v. M. den Justiz-Behörden mitgetheilte Programm des Staats-Ministeriums enthält die Grundsätze, nach welchen die gegenwärtige Regierung Sr. Majestät zu verfahren beschlossen hat, und welche die Justiz-Behörden in ihrem Ressort ebenfalls zu beachten angewiesen worden sind. Kräftige Wahrung und Ausbildung der unserem Volke verliehenen Freiheiten und entschiedene Zurückweisung aller reaktionairen Bestrebungen soll Hand in Hand gehen mit der vom ganzen Lande geforderten Steuerung der Anarchie und Ungesetzlichkeit. Schwere Ausbrüche eines solchen anarchischen Treibens, durch welches die wahre Freiheit am meisten gefährdet wird, sind in jüngster Zei! an mehreren Orten vorgekommen; insbesondere ist auch die freie Presse und das Recht der freien Vereinigung gemißbraucht worden, um die Ordnung zu stören, zur Verweigerung rechtlich noch bestehender Leistungen aufzufordern und zur gewaltsamen Empörung aufzureizen. Nach dem Willen Sr. Majestät des Königs im Einvernehmen mit der Deutschen Centralgewalt und mit Rücksicht auf eine deshalb besonders ergangene Requisition des Reichs-Justiz-Ministeriums zu Frankfurt vom 24. v. M. wende ich mich an die Justiz-Behörden des Landes, um daran zu erinnern, daß es vorzugsweise ihre Aufgabe ist, die Achtung und Wirksamkeit des Gesetzes aufrecht zu erhalten, und daß sie durch Lösung dieser Aufgabe dem Lande am besten dienen, da die wahre Freiheit nur auf dem Boden des Gesetzes gedeihen kann. Sie haben, wo ihnen die Verfolgung der Verbrechen von Amts wegen obliegt, nach erlangter Kenntniß ungesäumt einzuschreiten, wenn in Zeitschriften, durch Plakate, durch Reden bei Volks-Versammlungen und in Vereinen, oder durch Bildung von Vereinen mit verbrecherischen Zwecken die bestehenden Gesetze verletzt werden. Es ist nicht minder ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihren auf Grund der Gesetze ergehenden Verfügungen und Entscheidungen die gebührende Folge geleistet und deren Ausführung nöthigenfalls im Vereine mit den deshalb von dem Herrn Minister drs Innern mit besonderer Anweisung versehenen Verwaltungs-Behörden gesichert werde. Sie haben endlich nicht allein die Erledigung der bereits eingeleiteten Untersuchungen wegen Verbrechen der bezeichneten Gattung möglichst zu beschleunigen, sondern auch darauf bedacht zu seyn, daß bei Verübung neuer Verbrechen die Strafe möglichst schnell der That nachfolgt. Gleiche Pflichten liegen den Staats-Anwälten innerhalb ihrer Amtswirksamkeit ob. Je fester das Staats-Ministerium entschlossen ist, auf dem konstitutionellen Wege fortzuschreiten und dem Volke den Besitz seiner Freiheit vollständig zu erhalten, um so sicherer darf es darauf rechnen, daß kein wahrer Freund des Vaterlandes die Nothwendigkeit der baldigen Herstellung des gestörten Rechtszustandes verkennen werde und um so mehr darf es sich der Hoffnung hingeben, daß die Justiz-Behörden durch kräftiges Einschreiten wesentlich dazu beitragen werden. den von der großen Mehrheit des Volks bewahrten Sinn für Gesetzmäsigkeit und Ordnung zur Geltung gelangen zu lassen. Berlin, den 8. Oktober 1848. Der Hustiz-Minister, Kisker. An sämmtliche Gerichtsbehörden". 39 Breslau, 13. Okt. Das Gesetz der Nationalversammlung zu Frankfurt a. M. zu ihrem Schutze bringt mehr Lachen und Verachtung als Entrüstung hervor. Die "Oderzeitung", ein entschieden demokratisches Journal, gibt folgende Erklärung: "Die Redakteure dieser Zeitung werden von heut ab keine Berichte über die Gesellschaft in der Paulskirche mehr mittheilen. Eine Versammlung, welche im Bewußtsein ihrer verlornen Ehre sich durch Strafgesetze vor der Kritik sicher stellen muß, ist moralisch todt. Ihr gegenüber hat die Presse nur noch eine Waffe - Verachtung und Schweigen." Die demokratische Partei macht bei uns jede Anstrengung, den Willen des gesammten Volkes in der Verfassungsfrage zur Geltung zu bringen. Der demokratische Provinzial-Ausschuß für Schlesien hat an alle demokratischen Vereine der Provinz Rundschreiben geschickt, worin die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes angegeben werden. Es wird darin zu einer Monstrepetition an die Nationalversammlung aufgefordert, daß in der Verfassung: 1. bestimmt werde, daß jeder Deputirte, der ein von der Mehrzahl seiner Wähler ausgehendes Mißtrauensvotum erhält, sofort sein Mandat niederlegen müsse; 2. daß die Verfassung vier Wochen nach ihrer Annahme in der Nationalversammlung an ein und demselben Tage jeder Gemeinde des Landes zur Abstimmung durch ja oder nein vorgelegt werden müsse, weil nur auf diese Weise der Wille der Majorität des Volks zu erkennen sei. An dieses Schreiben knüpft sich eine Petition an die Nationalversammlung in Berlin, in welcher die Aufnahme folgender fünf Punkte in die Verfassung verlangt wird: direkte Wahlen; Einkammersystem; die Befugniß der Wähler, ihrem Deputirten das Mandat zu entziehen; für das Staatsoberhaupt nur ein suspensives Veto, wenn überhaupt von einem Veto die Rede sein solle; und endlich, daß die Verfassung zu jeder Zeit erweitert und verbessert werden könne. Mannheim, 11. Okt. Wir haben neue Verhaftungen zu berichten; gestern um die Mittagsstunde wurden die Bürger Dr. Welker, Barth und Wimmer plötzlich in ihren Wohnungen durch Polizeidiener, Gensdarmerie und Gerichtspersonen überrascht, und sofort über Hals und Kopf nach Weinheim eskortirt. Die Scharfsinnigkeit der Polizei hat die Entdeckung gemacht, daß jene Männer bei der Eisenbahndemolirung zwischen Weinheim und Großsachsen betheiligt sein müßten, indem sie Tags vorher in Privat-Angelegenheiten sich in Weinheim befanden. Die Untersuchung wird herausstellen, wie viel an der ganzen Sache ist; wir greifen ihr nicht vor. Aber wir möchten doch gerne das Räthsel gelöst haben, was es mit der Rettung der Monarchie zu thun hat, daß die Verhafteten von hier nach Weinheim geschleppt wurden, während man die Weinheimer umgekehrt in Mannheim aufzubewahren sucht. Geschieht das vielleicht, um die Werkzeuge der Gewalt durch beständige Bewegung vor möglicher Erschlaffung zu schützen, oder ist es blos auf eine rechte Hetzjagd der verhafteten freigesinnten Bürger abgesehen? Wer weiß es; die Wege der Polizei sind unerforschlich und was sie zusagt, das hält sie gewiß. - Aber was soll man von den Gerichten sagen, die einen solchen Unfug treiben, oder von oben der geduldig mit ansehen und geschehen lassen, während doch kein badischer Staatsbürger verfassungsmäßig seinem ordentlichen Gerichte entzogen werden kann, die Verbringung vor ein anderes Gericht und in einen andern Gerichtssprengel aber nichts weiter als eine willkürliche Entziehung oder Beschränkung des rechtlich zugesicherten Schutzes ist? Wir protestiren auch hier gegen eine derartige Behandlung unserer Mitbürger und wollen von den obern Gerichten erwarten, daß sie sofort dieser Willkürherrschaft Einhalt thun. (M. A. Z.)Mannheim, 13. Okt. So eben kommt die "Mannheimer Abendzeitung" in ihrer Nro. 151 von gerichtlicher Verfolgung vor hiesigem Hofgerichte zurück. Diese Nr. war wegen eines Artikels "vom Rhein", der die Republik als das in dieser Zeitperiode zu erreichende Ziel darstellte, mit Beschlag belegt worden und der gr. Staatsanwalt Ammann hatte sowohl gegen den Verfasser des Artikels Bürger Ludwig Degen von hier als gegen den verantwortlichen Redakteur Bürger Münck je eine sechsmonatliche Arbeitshausstrafe beantragt. Die Vertheidigung führten O.-G.-Adv. Brentano und O.-G.-Adv. Eller, die Angeklagten wirkten persönlich dabei mit, namentlich hielt Degen eine treffliche Vertheidigungsrede. Das Ergebnis der Verhandlung ist, daß der Gerichtshof die Angeklagten frei sprach und die Staatskasse in die Kosten verurtheilte. (M. A. Z.)Alzei, 13. Okt. Das hiesige Gericht verurtheilte heute den Redakteur der "Neuen Zeit" wegen eines Artikels, der in diesem Blatt erschien und der nach dem Urtheil des Gerichtes eine Verletzung der "Amts- und Dienstehre" des Ministers Jaup enthalten soll, zu drei Monaten Gefängniß. Sigmaringen, 10. Okt. Die Regierung ist zurückgekehrt, und heute rückte das bairische Leibregiment nebst einiger Artillerie und Reiterei hier ein; die eine Hälfte ist in der Stadt, die andere in den benachbarten Dörfern einquartirt. Regierungsrath Stephani, der von dem Reichskommissar Grafen Keller mit der Führung der Untersuchung beauftragt ist, wohnt nebst dem Regimentsstabe in dem Schlosse. Die Verhaftungen und Untersuchungen haben bereits begonnen; Oberlieutenant v. Hofstetter hat sich in die Schweiz geflüchtet und befindet sich in Emmishofen. Würth, der Präsident des Sicherheitsausschusses, hütet seit acht Tagen das Bett; der Fürst wird nächster Tage zurückerwartet. (Schw. M.)Heidelberg, 11. Okt. Gestern erhielt der Redakteur des hiesigen Journals ein Paket aus Frankfurt, welches mit dem großen deutschen Reichssiegel verschlossen war. Zitternd und zagend, um das doppelhalsige Thier nicht zu verletzen, öffnete er das Paket und fand darin?: - Einige 100 derjenigen Exemplare der Flugblätter aus der "deutschen Nationalversammlung," in welchen die "Antwort deutscher Bürger auf die Ansprache der Linken an das deutsche Volk" enthalten ist," und ein kleines verbindliches Brieflein eines hohen Beamten des Reichsministeriums, eines Mannheimers, welches die Bitte enthielt, obige Flugblätter zum Nutzen und Frommen der Majorität und zum abschreckenden Beispiele vor der gesinnungslosen u. s. w. Minorität der "deutschen Nationalversammlung" als Beilage des hiesigen Journals zu verbreiten. Ungarn Pesth. Kossuth ist am 6ten Abens von seiner Reise nach Pesth zurückgekehrt und wurde, als er am folgenden Tage in der Sitzung erschien, mit unbeschreiblichem Jubel aufgenommen. Er erzählte, daß 50,000 Mann ihm folgen und daß es nur eines Wortes von Seiten des Hauses bedürfe und es werde 300,000 Mann unter den Waffen habe. Pesth, 6. Okt. Heute wurden dem Repräsentantenhause von dem königl. Kommissar Csanyi die übergebenen 226 neu aufgefangenen Briefe des Jellachich vorgelegt. Ein Theil ist noch gestern Abend bekannt geworden. Jellachich spricht sich in diesen Briefen offen aus, daß er die demokratische Partei in Oesterreich stürzen wolle und ein großes Slawenreich zu bilden seine Absicht sei. Am 30. Sept. wollte der Ban in Pesth einmarschiren. - Gestern sind die gefangenen Kroaten und sechs österreichische Offiziere von der osener Nationalgarde begleitet, hier angekommen. Im Publikum spricht man den brutalen Wunsch aus, man solle die gefangenen Offiziere und je den fünften Mann von der Horde erschießen. Ueber die Offiziere ist man darum erbost, weil sie sich gebrauchen ließen, die Anführer solcher Räuber und Mordbrenner zu sein. - Man spricht hier, daß die Landespolizei bei mehreren Aristokraten neue verrätherische Plane entdeckt habe; unter Andern bezeichnet man den Grafen Waldenstein, bei dem man Geld und Papiere für Jellachich gefunden haben soll. (O. P.)Pesth, 7. Okt. Schon wieder wird eine Partie aufgefangerer Briefe aus dem kroatischen Lager - sie sollen sich auf 226 nelaufen - veröffentlicht. Sie sind meist an Privatpersonen gebichtet und enthalten manche interessante Details. Namentlich wird über den Mangel an Mannszucht, der beim kroatischen Landsturme herrscht, geklagt: "Unsere Gränzer (nicht die regulären Bataillons) sind von den gröbsten Exzessen nicht abzuhalten und rauben und plündern ganz fürchterlich; wir lassen alle Tage an 1000 Prügel austheilen, aber es hilft nichts, kein Gott, viel weniger ein Offizier hält sie zurück." Auch vertraute Herzensergießungen kommen vor, welche den Wienern wol schlecht munden dürften: "Heute sind wir in Stuhlweißenburg eingerückt, morgen, am 28. Sept. Hierzu eine Beilage. lagerungszustandes erklärt, und da die Stadtverordneten die Stadt vertreten, so ist anzunehmen, daß die ganze Stadt die Aufhebung des Belagerungszustandes gar nicht wünsche. Abg. v. Pokrzywnicki erwidert, daß die Ruhe der Stadt Posen seit dem 10. März auch nicht einmal gestört worden sei, sowohl vor Erklärung des Belagerungszustandes als während desselben. Es sei dort weder Blut geflossen noch Barrikaden gebauet worden. Die deutsche Bevölkerung fühle zwar den Belagerungszustand nicht, da derselben das freie Vereinigungsrecht und das Tragen von Waffen erlaubt ist, während man dies der polnischen Bevölkerung hartnäckig verweigert. Nachdem die Debatte noch einige Zeit fortgedauert, wird der Schluß der Debatte verlangt und angenommen. Der Antragsteller verlangt hierauf vom Ministerium, daß es seine Vorlagen bis Dienstag machen solle, dann würde er seinen Antrag zurücknehmen. ‒ Der Minister Eichmann versicherte aber dies nicht vor Freitag thun zu können und auch damit erklärte sich der Antragsteller endlich einverstanden. Auf der Tagesordnung ist heute zuerst die End-Abstimmung über das neu redigirte Bürgerwehrgesetz. ‒ Eine Masse von Protesten sind dem Präsidium in der Central-Abtheilung bereits im Laufe dieser Woche übergeben worden. Noch vor der Abstimmung übergeben viele Abgeordnete mit vielen Tausend Unterschriften versehene Proteste. Große Heiterkeit erregte ein vom Abg. Jung dem Präsidenten übergebener Monster-Protest, der in Form einer sehr langen Papierrolle ohne Ende, von der Tribüne herunter, nach der Art wie Leporello im Don Jouan seine 1003 dem Publikum vorhält, den Herrn Vereinbarern vor die Augen geführt wurde. ‒ Trotz den vielen Protesten wird das Gesetz dennoch nach namentlicher Abstimmung mit 233 gegen 116 Stimmen angenommen. Nur die äußerste Linke stimmten gegen das Gesetz. Auch das transitorisiche Gesetz, wodurch einige Bestimmungen des Bürgerwehrgesetzes, als die Ableistung des Eides, die Ablieferung der Waffen nur nach Annahme der Verfassung in Kraft treten sollen, wird nach namentlicher Abstimmung mit 243 gegen 83 Stimmen angenommen. Auch das neu redigirte Jagdgesetz wird nach namentlicher Abstimmung mit 285 gegen 41 Stimmen angenommen und werden diese drei Gesetzentwürfe der Krone zur Erklärung vorgelegt werden. Die Fortsetzung der Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben ist ohne weiteres Interesse und wird auch morgen noch mit der Berathung desselben fortgefahren werden. 103 Berlin, 14. Okt. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung Nachdem ein dissentirendes Votum der äußersten Linken gegen das Gesetz zur Errichtung der Bürgerwehr verlesen war, brachte der Abg. Harrossowitz, in einer persönlichen Bemerkung seine heute in den Zeitungen offiziell verkündigte Beförderung zur Sprache. Er glaubt, daß seine Beförderung zum Kriminalgerichts-Direktor, nach der Rangliste keine Beförderung sei, indem er vor wie nach nur Rath vierter Klasse sei. Eine Gehaltszulage sei allerdings mit diesem Stellenwechsel verbunden, dies könne er jedoch nicht als eine Beförderung ansehen. Da Widerspruch gegen diese Meinung von vielen Seiten erfolgt, wird ein desfallsiger Antrag gestellt, der sogleich der Prioritäts-Kommission überwiesen wird. Abg. D'Ester. Die Lage der industriellen Bevölkerung in der Grafschaft Ravensberg in Westphalen ist eine so trostlose, daß sie füglich mit der der industriellen Bevölkerung in dem schlesischen Gebirge verglichen werden kann. Der Leinenhandel, welcher schon seit Jahren den dabei beschäftigten Webern und Spinnern keine ausreichende Subsistenz mehr gewährte, liegt seit dem Frühjahr mit allen andern Industriezweigen darnieder, und zwar in einem solchen Grade, daß eine umfassende Hilfe von Seiten des Staats gewährt werden muß, wenn die dortige Bevölkerung nicht im bevorstehenden Winter wörtlich vor Hunger sterben soll Schon seit längerer Zeit verdiener die Weber in den von ihnen gefertigten Fabrikaten fast gar nichts, sie sind froh, wenn ihnen für ihre Leinen der Garnpreis bezahlt wird, damit sie wenigstens ihre alten Garnvorräthe zu Gelde machen. In neueter Zeit ist es aber so weit gekommen, daß der Weber häufig nicht einmal ein Gebot auf seine Waare bekommen kann, da die Kaufleute bei den großen Geldmangel immer weniger einkaufen und es der flehendlichsten Bitten von Seiten der Weber bedarf, hin und wieder ein Stück Arbeit zu verkaufen. So wie es den Webern geht, geht es natürlich auch dem Spinner, der bei dem darniederliegenden Handel der dortigen Gegend und bei dem fast gänzlichen Mangel an Garnverkäufen nach auswärts ebenfalls kaum ein Gebot für seine Gespinnste erzielen kann. Die Weber und Spinner, welche noch etwas zuzusetzen hatten, haben ihre früheren Ersparnisse, ihr Vermögen nun aufgezehrt, diejenigen, welche kein Vermögen besaßen, leben schon seit dem Frühjahr in der drückendsten Roth, alle aber sind jetzt der Verzweiflung nahe und müssen zum Aeußersten getrieben werden, wenn ihnen nicht die Hülfe des Staates zu Theil wird. ‒ Viele Bewohner jenes unglücklichen Landstriches haben sich um Abhülfe ihrer elenden Lage in Petitionen an die Nationalversammlung gewandt und mich mit der Ueberreichung derselben beauftragt, zugleich mit dem Ersuchen bei der Versammlung die schleunige Erledigung dieser gewiß in hohem Grade dringenden Angelegenheit zu beantragen. ‒ Der in den Petitionen ausgesprochene Vorschlag geht nicht auf Unterstützung, sondern auf Beschaffung von Arbeit für eine große Bevölkerung, die sich gern im Schweiße ihrer Arbeit ernähren möchte, wenn es ihr nur möglich wäre. Sie beantragen, der Staat möge eine Kommission von Sachverständigen niedersetzen, welche während der Dauer der drückenden Geschäftsstockung, vornehmlich während des vorstehenden Winters, die in dortiger Gegend gefertigten Leinenwaaren für Rechnung des Staats in so weit einkaufe, als die Kaufleute nicht dazu im Stande sind. Insofern die Regierung nicht in der Lage sein möchte, das zu diesen Einkäufen nothwendige Kapital, welches sich auf 400,000 bis 500,000 Thaler veranschlage, baar anzuschaffen, möge dieselbe in Bierfeld eine Zettelbank errichten und für den Betrag der anzukaufenden Waare Bankscheine ausgeben, die vom 1. Juni 1849 an gegen baares Geld bei allen Staatskassen eingelöst werden können. Bis dahin könnte schon zu Theil der im Laufe des Winters von der Regierung angekauften Waaren wieder verkauft sein und mit den für die Verkäufer eingehenden Geldern die Zettelbankscheine eingelöst, demnächst aber vernichtet werden. ‒ In Betracht der Dringlichkeit der oben angeführten Umstände beantrage ich daher: “eine hohe Versammlung möge beschließen, die beifolgenden Petitionen, sofort der für die Angelegenheiten der Spinner und Weber gewählten Kommission zur schleuniger Berichterstattung zu überweisen.“ Der Abg. Overbeck will gegen die Dringlichkeit sprechen, fängt aber damit an, daß er den großen Nothstand der westphälischen Spinner und Weber schildert und daß dieser Nothstand von dem Abg. D'Ester noch mit viel zu matten Farben aufgetragen sei. Man ruft ihm zu, daß er damit nicht gegen die Dringlichkeit spreche. Er läßt sich aber nicht stören und kommt in seiner Rede endlich darauf, daß er mit den andern Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg bereits vor mehreren Wochen bei dem Ministerium Schritte gethan habe um dem Nothstande entgegenzutreten. Sie hätten verlangt, daß der Staat ein großes Flachsmagazin errichte, damit der gute Flachs nicht von den Belgiern und Engländern weggekauft würde. Der Staat solle den Flachs aufkaufen und denselben den Spinnern zur Zeit wieder ablassen. Er fügt noch einiges über die Spinner und Weber hinzu, was aber in dem sich vermehrenden Lärmen und Ruf nach Schluß nicht zu verstehen ist. Die Dringlichkeit wird anerkannt und die Diskussion soll eröffnet werden; man schreit aber gleich nach dem Schluß der Diskussion und nur der Abg. Schulz aus Minden erhält das Wort. Er beginnt mit folgendem Satze: „Es wird hier eine Politik gegen uns geführt, die der Nationalversammlung unwürdig ist.“ (Ruf zur Ordnung!) Der Präsident verweist den Redner. ‒ „Es gibt hier eine Partei, die uns in den Augen ihrer Committenten verdächtigen will.“ (Zur Ordnung! Zur Ordnung!) Der Präsident rügt die Verdächtigung des Redners und er hält es am Besten die Tribüne zu verlassen. ‒ D'Ester: Ich verlange den Ordnungsruf nicht, trotzdem man mich verdächtig, das Land selbst wird diesen Ordnungsruf erlassen. Aus dem großen Tumult und einigen andern Rednern läßt sich so viel entnehmen, daß die Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg sich dadurch gekränkt fühlen, daß der heutige Antrag von einem Abgeordneten der ihnen entgegenstehenden Partei und vom Abg. D'Ester, der gar kein westphälischer Abgeordnete sei, eingebracht worden. Auch der abgetretene Handelsminister Milde nimmt seine politische Freunde, die Abgeordneten aus Westphalen noch in Schutz und gibt zu, daß schon in seinem Ministerium etwas zum Besten der armen Spinner und Weber Westphalens angeordnet worden, welches binnen einigen Wochen wahrscheinlich ausgeführt werde. Der Abg. Elsner, als Vorsitzender der Kommission für die Angelegenheiten der Spinner und Weber, erwähnt noch, daß diese Kommission jedenfalls in einigen Tagen ihren Bericht über die heute eingereichten Petitionen erstatten werde und der Antrag des Abg. D'Esters wird hierauf mit großer Majorität angenommen. Milde und seine westphälischen Freunde sind darüber wüthend. Hierauf kommt die Angelegenheit des Abg. Harrossowitz wieder zur Sprache. Sogar die Abg. Hartmann und Tüshaus, von der rechten Seite, sehen die Ernennung des bisherigen Kammergerichtsrath Harrossowitz zum Kriminalgerichts-Direktor, als eine Beförderung an, da sie mit einer Gehaltszulage verbunden sei und daher eine Neuwahl notwendig mache. ‒ Abg. Kirchmann erinnert, daß er und Temme früher im gleichen Falle sich befanden und abgleich ihre Beförderung sogar wider ihren Willen geschehen war, hätten sie dennoch keinen Augenblick gezögert, ihre Neuwahl zu veranlassen. In Betreff dee Fragestellung erhebt sich noch ein großer Tumult. Der Präsident hatte die Frage gestellt: „ ob der Abg. Harrossowitz noch ferner Sitz und Stimme in der Versammlung behalten solle?“ nur Wenige erhoben sich dafür; da wünschten die Freunde des Abg. Harrossowitz die negative Fragestellung, ob er Sitz und Stimme verlieren solle? ‒ Der Präsident stellt endlich die Frage, ob die Versammlung die Ernennung des Abg. Harrossowitz als eine Beförderung ansehe, welche seine Neuwahl veranlasse? Dies wird mit großer Majorität bejahet. Nun geht man zur Tagesordnung, der Berathung über das Gesetz wegen unentgeltlicher Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben über, die nur ein Interesse für die Landbewohner der diesseitigen Provinzen hat. 103 Berlin, 14. Oktober. Der König wird jedenfalls morgen zur Feier seines Geburtstages hier eintreffen. Man spricht heute von einer Proklamation des Königs „an mein Volk“, welche im Stile der März-Proklamationen, gehalten sein wird. Dies Gerücht scheint nicht ohne Grund zu sein, denn wie im März gehet der König wieder mit dem Gedanken um, sich an die Spitze der deutschen Bewegung zu stellen, das heißt ganz Deutschland zu beherrschen. Umsonst ist Herr Camphausen von Frankfurt nicht hierher gereist; die schließlichen Bedingungen werden in diesem Augenblick wahrscheinlich in Potsdam festgestellt, denn so auf Gnade und Ungnade wollten sich die badenschen und die andern süddeutschen Liberalen von Ehedem nicht ergeben. Nach den jetzigen Ereignissen in Wien bleibt ihnen aber nichts übrig, als den König von Preußen zum Kaiser von Deutschland zu machen. Die Petitions-Kommission der Vereinbarer-Versammlung hat auf den Antrag des Kriminal-Senats des Ober-Landesgerichts zu Insterburg betreffend die Ertheilung der Genehmigung zur Einleitung der fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Landrath Reuter aus Johannisburg folgenden Bericht der Versammlung vorlegen lassen. ‒ Gegen den Abgeordneten Landrath Reuter aus Johannisburg (zur äußersten Linken gehörig) ist auf Grund zweier Denunziationen, des Land- und Stadtgerichts-Assessors Falk d. d. 9. Mai c. und des Hauptzollamts-Rendanten Grunau d. d. 12. Mai c., vom Kriminal-Senat des Ober-Landesgerichts zu Insterburg die Einleitung der fiskalischen Untersuchung wegen schwerer wörtlicher Beleidigung verfügt, und demnächst unterm 5. Sept. c. die Ertheilung der Genehmigung Seitens der Vers. beantragt worden. Die Petitionskommission ist bereits in einem frühern Berichte von der Ansicht ausgegangen, daß in Fällen, wo es sich nur um eine mit geringer Geld- oder Gefängnißssrafe zu ahndende Privatbeleidigung handele, kein Grund vorliege, Abgeordnete durch Zulassung der Untersuchung von ihrem Berufe mehr oder weniger abzuziehen. Dieser Ansicht ist die Versammlung in der Sitzung vom 20. Oktober beigetreten. Die Gründe, welche das Oberlandesgericht zu Insterburg für Ertheilung der Genehmigung geltend macht, daß nämlich bei dem nicht abzusehenden Ende der Dauer der Versammlung weder den Denunzianten die Genugthuung bis zur Rückkehr des Reuter vorenthalten, noch bei der Gefahr, mittlerweile durch etwaiges Ableben oder durch Gedächtnißschwäche des einen oder andern Zeugen Beweismittel einzubüßen, die Beweisaufnahme länger ausgesetzt werden dürfe, haben die Kommission nicht veranlassen können, von der früheren Ansicht abzugehen. Denn sie kann weder die Voraussetzung theilen, daß das Ende der Dauer der Versammlung nicht abzusehen sei, noch findet sie in der unverhofften längern Dauer einen Grund, den Denunzianten die Genugthuung nicht länger vorzuenthalten, das heißt die Vollstreckung der etwa zu erkennenden Gefängnißstrafe zuzulassen. Die mögliche Gefahr aber, daß durch die Verzögerung Beweismittel verloren gehen könnten, kann eintretendenfalls durch Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtniß beseitigt werden. Demgemäß beantragt die Kommission: die Versammlung wolle beschließen, daß die vom Kriminalsenat des Oberlandesgerichts zu Insterburg beantragte Genehmigung zur Einleitung einer fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Reuter nicht zu ertheilen. Berlin. Das Justizministerialblatt enthält folgende allgemeine Verfügung. Das Einschreiten der Gerichte gegen strafbaren Mißbrauch der Presse und des Vereinigungsrechts betreffend. „Das durch die Bekanntmachung vom 21. v. M. den Justiz-Behörden mitgetheilte Programm des Staats-Ministeriums enthält die Grundsätze, nach welchen die gegenwärtige Regierung Sr. Majestät zu verfahren beschlossen hat, und welche die Justiz-Behörden in ihrem Ressort ebenfalls zu beachten angewiesen worden sind. Kräftige Wahrung und Ausbildung der unserem Volke verliehenen Freiheiten und entschiedene Zurückweisung aller reaktionairen Bestrebungen soll Hand in Hand gehen mit der vom ganzen Lande geforderten Steuerung der Anarchie und Ungesetzlichkeit. Schwere Ausbrüche eines solchen anarchischen Treibens, durch welches die wahre Freiheit am meisten gefährdet wird, sind in jüngster Zei! an mehreren Orten vorgekommen; insbesondere ist auch die freie Presse und das Recht der freien Vereinigung gemißbraucht worden, um die Ordnung zu stören, zur Verweigerung rechtlich noch bestehender Leistungen aufzufordern und zur gewaltsamen Empörung aufzureizen. Nach dem Willen Sr. Majestät des Königs im Einvernehmen mit der Deutschen Centralgewalt und mit Rücksicht auf eine deshalb besonders ergangene Requisition des Reichs-Justiz-Ministeriums zu Frankfurt vom 24. v. M. wende ich mich an die Justiz-Behörden des Landes, um daran zu erinnern, daß es vorzugsweise ihre Aufgabe ist, die Achtung und Wirksamkeit des Gesetzes aufrecht zu erhalten, und daß sie durch Lösung dieser Aufgabe dem Lande am besten dienen, da die wahre Freiheit nur auf dem Boden des Gesetzes gedeihen kann. Sie haben, wo ihnen die Verfolgung der Verbrechen von Amts wegen obliegt, nach erlangter Kenntniß ungesäumt einzuschreiten, wenn in Zeitschriften, durch Plakate, durch Reden bei Volks-Versammlungen und in Vereinen, oder durch Bildung von Vereinen mit verbrecherischen Zwecken die bestehenden Gesetze verletzt werden. Es ist nicht minder ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihren auf Grund der Gesetze ergehenden Verfügungen und Entscheidungen die gebührende Folge geleistet und deren Ausführung nöthigenfalls im Vereine mit den deshalb von dem Herrn Minister drs Innern mit besonderer Anweisung versehenen Verwaltungs-Behörden gesichert werde. Sie haben endlich nicht allein die Erledigung der bereits eingeleiteten Untersuchungen wegen Verbrechen der bezeichneten Gattung möglichst zu beschleunigen, sondern auch darauf bedacht zu seyn, daß bei Verübung neuer Verbrechen die Strafe möglichst schnell der That nachfolgt. Gleiche Pflichten liegen den Staats-Anwälten innerhalb ihrer Amtswirksamkeit ob. Je fester das Staats-Ministerium entschlossen ist, auf dem konstitutionellen Wege fortzuschreiten und dem Volke den Besitz seiner Freiheit vollständig zu erhalten, um so sicherer darf es darauf rechnen, daß kein wahrer Freund des Vaterlandes die Nothwendigkeit der baldigen Herstellung des gestörten Rechtszustandes verkennen werde und um so mehr darf es sich der Hoffnung hingeben, daß die Justiz-Behörden durch kräftiges Einschreiten wesentlich dazu beitragen werden. den von der großen Mehrheit des Volks bewahrten Sinn für Gesetzmäsigkeit und Ordnung zur Geltung gelangen zu lassen. Berlin, den 8. Oktober 1848. Der Hustiz-Minister, Kisker. An sämmtliche Gerichtsbehörden“. 39 Breslau, 13. Okt. Das Gesetz der Nationalversammlung zu Frankfurt a. M. zu ihrem Schutze bringt mehr Lachen und Verachtung als Entrüstung hervor. Die „Oderzeitung“, ein entschieden demokratisches Journal, gibt folgende Erklärung: „Die Redakteure dieser Zeitung werden von heut ab keine Berichte über die Gesellschaft in der Paulskirche mehr mittheilen. Eine Versammlung, welche im Bewußtsein ihrer verlornen Ehre sich durch Strafgesetze vor der Kritik sicher stellen muß, ist moralisch todt. Ihr gegenüber hat die Presse nur noch eine Waffe ‒ Verachtung und Schweigen.“ Die demokratische Partei macht bei uns jede Anstrengung, den Willen des gesammten Volkes in der Verfassungsfrage zur Geltung zu bringen. Der demokratische Provinzial-Ausschuß für Schlesien hat an alle demokratischen Vereine der Provinz Rundschreiben geschickt, worin die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes angegeben werden. Es wird darin zu einer Monstrepetition an die Nationalversammlung aufgefordert, daß in der Verfassung: 1. bestimmt werde, daß jeder Deputirte, der ein von der Mehrzahl seiner Wähler ausgehendes Mißtrauensvotum erhält, sofort sein Mandat niederlegen müsse; 2. daß die Verfassung vier Wochen nach ihrer Annahme in der Nationalversammlung an ein und demselben Tage jeder Gemeinde des Landes zur Abstimmung durch ja oder nein vorgelegt werden müsse, weil nur auf diese Weise der Wille der Majorität des Volks zu erkennen sei. An dieses Schreiben knüpft sich eine Petition an die Nationalversammlung in Berlin, in welcher die Aufnahme folgender fünf Punkte in die Verfassung verlangt wird: direkte Wahlen; Einkammersystem; die Befugniß der Wähler, ihrem Deputirten das Mandat zu entziehen; für das Staatsoberhaupt nur ein suspensives Veto, wenn überhaupt von einem Veto die Rede sein solle; und endlich, daß die Verfassung zu jeder Zeit erweitert und verbessert werden könne. Mannheim, 11. Okt. Wir haben neue Verhaftungen zu berichten; gestern um die Mittagsstunde wurden die Bürger Dr. Welker, Barth und Wimmer plötzlich in ihren Wohnungen durch Polizeidiener, Gensdarmerie und Gerichtspersonen überrascht, und sofort über Hals und Kopf nach Weinheim eskortirt. Die Scharfsinnigkeit der Polizei hat die Entdeckung gemacht, daß jene Männer bei der Eisenbahndemolirung zwischen Weinheim und Großsachsen betheiligt sein müßten, indem sie Tags vorher in Privat-Angelegenheiten sich in Weinheim befanden. Die Untersuchung wird herausstellen, wie viel an der ganzen Sache ist; wir greifen ihr nicht vor. Aber wir möchten doch gerne das Räthsel gelöst haben, was es mit der Rettung der Monarchie zu thun hat, daß die Verhafteten von hier nach Weinheim geschleppt wurden, während man die Weinheimer umgekehrt in Mannheim aufzubewahren sucht. Geschieht das vielleicht, um die Werkzeuge der Gewalt durch beständige Bewegung vor möglicher Erschlaffung zu schützen, oder ist es blos auf eine rechte Hetzjagd der verhafteten freigesinnten Bürger abgesehen? Wer weiß es; die Wege der Polizei sind unerforschlich und was sie zusagt, das hält sie gewiß. ‒ Aber was soll man von den Gerichten sagen, die einen solchen Unfug treiben, oder von oben der geduldig mit ansehen und geschehen lassen, während doch kein badischer Staatsbürger verfassungsmäßig seinem ordentlichen Gerichte entzogen werden kann, die Verbringung vor ein anderes Gericht und in einen andern Gerichtssprengel aber nichts weiter als eine willkürliche Entziehung oder Beschränkung des rechtlich zugesicherten Schutzes ist? Wir protestiren auch hier gegen eine derartige Behandlung unserer Mitbürger und wollen von den obern Gerichten erwarten, daß sie sofort dieser Willkürherrschaft Einhalt thun. (M. A. Z.)Mannheim, 13. Okt. So eben kommt die „Mannheimer Abendzeitung“ in ihrer Nro. 151 von gerichtlicher Verfolgung vor hiesigem Hofgerichte zurück. Diese Nr. war wegen eines Artikels „vom Rhein“, der die Republik als das in dieser Zeitperiode zu erreichende Ziel darstellte, mit Beschlag belegt worden und der gr. Staatsanwalt Ammann hatte sowohl gegen den Verfasser des Artikels Bürger Ludwig Degen von hier als gegen den verantwortlichen Redakteur Bürger Münck je eine sechsmonatliche Arbeitshausstrafe beantragt. Die Vertheidigung führten O.-G.-Adv. Brentano und O.-G.-Adv. Eller, die Angeklagten wirkten persönlich dabei mit, namentlich hielt Degen eine treffliche Vertheidigungsrede. Das Ergebnis der Verhandlung ist, daß der Gerichtshof die Angeklagten frei sprach und die Staatskasse in die Kosten verurtheilte. (M. A. Z.)Alzei, 13. Okt. Das hiesige Gericht verurtheilte heute den Redakteur der „Neuen Zeit“ wegen eines Artikels, der in diesem Blatt erschien und der nach dem Urtheil des Gerichtes eine Verletzung der „Amts- und Dienstehre“ des Ministers Jaup enthalten soll, zu drei Monaten Gefängniß. Sigmaringen, 10. Okt. Die Regierung ist zurückgekehrt, und heute rückte das bairische Leibregiment nebst einiger Artillerie und Reiterei hier ein; die eine Hälfte ist in der Stadt, die andere in den benachbarten Dörfern einquartirt. Regierungsrath Stephani, der von dem Reichskommissar Grafen Keller mit der Führung der Untersuchung beauftragt ist, wohnt nebst dem Regimentsstabe in dem Schlosse. Die Verhaftungen und Untersuchungen haben bereits begonnen; Oberlieutenant v. Hofstetter hat sich in die Schweiz geflüchtet und befindet sich in Emmishofen. Würth, der Präsident des Sicherheitsausschusses, hütet seit acht Tagen das Bett; der Fürst wird nächster Tage zurückerwartet. (Schw. M.)Heidelberg, 11. Okt. Gestern erhielt der Redakteur des hiesigen Journals ein Paket aus Frankfurt, welches mit dem großen deutschen Reichssiegel verschlossen war. Zitternd und zagend, um das doppelhalsige Thier nicht zu verletzen, öffnete er das Paket und fand darin?: ‒ Einige 100 derjenigen Exemplare der Flugblätter aus der „deutschen Nationalversammlung,“ in welchen die „Antwort deutscher Bürger auf die Ansprache der Linken an das deutsche Volk“ enthalten ist,“ und ein kleines verbindliches Brieflein eines hohen Beamten des Reichsministeriums, eines Mannheimers, welches die Bitte enthielt, obige Flugblätter zum Nutzen und Frommen der Majorität und zum abschreckenden Beispiele vor der gesinnungslosen u. s. w. Minorität der „deutschen Nationalversammlung“ als Beilage des hiesigen Journals zu verbreiten. Ungarn Pesth. Kossuth ist am 6ten Abens von seiner Reise nach Pesth zurückgekehrt und wurde, als er am folgenden Tage in der Sitzung erschien, mit unbeschreiblichem Jubel aufgenommen. Er erzählte, daß 50,000 Mann ihm folgen und daß es nur eines Wortes von Seiten des Hauses bedürfe und es werde 300,000 Mann unter den Waffen habe. Pesth, 6. Okt. Heute wurden dem Repräsentantenhause von dem königl. Kommissar Csanyi die übergebenen 226 neu aufgefangenen Briefe des Jellachich vorgelegt. Ein Theil ist noch gestern Abend bekannt geworden. Jellachich spricht sich in diesen Briefen offen aus, daß er die demokratische Partei in Oesterreich stürzen wolle und ein großes Slawenreich zu bilden seine Absicht sei. Am 30. Sept. wollte der Ban in Pesth einmarschiren. ‒ Gestern sind die gefangenen Kroaten und sechs österreichische Offiziere von der osener Nationalgarde begleitet, hier angekommen. Im Publikum spricht man den brutalen Wunsch aus, man solle die gefangenen Offiziere und je den fünften Mann von der Horde erschießen. Ueber die Offiziere ist man darum erbost, weil sie sich gebrauchen ließen, die Anführer solcher Räuber und Mordbrenner zu sein. ‒ Man spricht hier, daß die Landespolizei bei mehreren Aristokraten neue verrätherische Plane entdeckt habe; unter Andern bezeichnet man den Grafen Waldenstein, bei dem man Geld und Papiere für Jellachich gefunden haben soll. (O. P.)Pesth, 7. Okt. Schon wieder wird eine Partie aufgefangerer Briefe aus dem kroatischen Lager ‒ sie sollen sich auf 226 nelaufen ‒ veröffentlicht. Sie sind meist an Privatpersonen gebichtet und enthalten manche interessante Details. Namentlich wird über den Mangel an Mannszucht, der beim kroatischen Landsturme herrscht, geklagt: „Unsere Gränzer (nicht die regulären Bataillons) sind von den gröbsten Exzessen nicht abzuhalten und rauben und plündern ganz fürchterlich; wir lassen alle Tage an 1000 Prügel austheilen, aber es hilft nichts, kein Gott, viel weniger ein Offizier hält sie zurück.“ Auch vertraute Herzensergießungen kommen vor, welche den Wienern wol schlecht munden dürften: „Heute sind wir in Stuhlweißenburg eingerückt, morgen, am 28. Sept. Hierzu eine Beilage. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar118_016" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0004" n="0592"/> lagerungszustandes erklärt, und da die Stadtverordneten die Stadt vertreten, so ist anzunehmen, daß die ganze Stadt die Aufhebung des Belagerungszustandes gar nicht wünsche.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">v. Pokrzywnicki</hi> erwidert, daß die Ruhe der Stadt Posen seit dem 10. März auch nicht einmal gestört worden sei, sowohl vor Erklärung des Belagerungszustandes als während desselben. Es sei dort weder Blut geflossen noch Barrikaden gebauet worden. Die deutsche Bevölkerung fühle zwar den Belagerungszustand nicht, da derselben das freie Vereinigungsrecht und das Tragen von Waffen erlaubt ist, während man dies der polnischen Bevölkerung hartnäckig verweigert.</p> <p>Nachdem die Debatte noch einige Zeit fortgedauert, wird der Schluß der Debatte verlangt und angenommen. Der Antragsteller verlangt hierauf vom Ministerium, daß es seine Vorlagen bis Dienstag machen solle, dann würde er seinen Antrag zurücknehmen. ‒ Der Minister <hi rendition="#g">Eichmann</hi> versicherte aber dies nicht vor Freitag thun zu können und auch damit erklärte sich der Antragsteller endlich einverstanden.</p> <p>Auf der Tagesordnung ist heute zuerst die End-Abstimmung über das neu redigirte Bürgerwehrgesetz. ‒ Eine Masse von Protesten sind dem Präsidium in der Central-Abtheilung bereits im Laufe dieser Woche übergeben worden. Noch vor der Abstimmung übergeben viele Abgeordnete mit vielen Tausend Unterschriften versehene Proteste. Große Heiterkeit erregte ein vom Abg. <hi rendition="#g">Jung</hi> dem Präsidenten übergebener Monster-Protest, der in Form einer sehr langen Papierrolle ohne Ende, von der Tribüne herunter, nach der Art wie Leporello im Don Jouan seine 1003 dem Publikum vorhält, den Herrn Vereinbarern vor die Augen geführt wurde. ‒ Trotz den vielen Protesten wird das Gesetz dennoch nach namentlicher Abstimmung mit 233 gegen 116 Stimmen angenommen. Nur die äußerste Linke stimmten gegen das Gesetz.</p> <p>Auch das transitorisiche Gesetz, wodurch einige Bestimmungen des Bürgerwehrgesetzes, als die Ableistung des Eides, die Ablieferung der Waffen nur nach Annahme der Verfassung in Kraft treten sollen, wird nach namentlicher Abstimmung mit 243 gegen 83 Stimmen angenommen.</p> <p>Auch das neu redigirte Jagdgesetz wird nach namentlicher Abstimmung mit 285 gegen 41 Stimmen angenommen und werden diese drei Gesetzentwürfe der Krone zur Erklärung vorgelegt werden.</p> <p>Die Fortsetzung der Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben ist ohne weiteres Interesse und wird auch morgen noch mit der Berathung desselben fortgefahren werden.</p> </div> <div xml:id="ar118_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 14. Okt.</head> <p>Sitzung der Vereinbarer-Versammlung</p> <p>Nachdem ein dissentirendes Votum der äußersten Linken gegen das Gesetz zur Errichtung der Bürgerwehr verlesen war, brachte der Abg. <hi rendition="#g">Harrossowitz,</hi> in einer persönlichen Bemerkung seine heute in den Zeitungen offiziell verkündigte Beförderung zur Sprache. Er glaubt, daß seine Beförderung zum Kriminalgerichts-Direktor, nach der Rangliste keine Beförderung sei, indem er vor wie nach nur Rath vierter Klasse sei. Eine Gehaltszulage sei allerdings mit diesem Stellenwechsel verbunden, dies könne er jedoch nicht als eine Beförderung ansehen. Da Widerspruch gegen diese Meinung von vielen Seiten erfolgt, wird ein desfallsiger Antrag gestellt, der sogleich der Prioritäts-Kommission überwiesen wird.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">D'Ester.</hi> Die Lage der industriellen Bevölkerung in der Grafschaft Ravensberg in Westphalen ist eine so trostlose, daß sie füglich mit der der industriellen Bevölkerung in dem schlesischen Gebirge verglichen werden kann. Der Leinenhandel, welcher schon seit Jahren den dabei beschäftigten Webern und Spinnern keine ausreichende Subsistenz mehr gewährte, liegt seit dem Frühjahr mit allen andern Industriezweigen darnieder, und zwar in einem solchen Grade, daß eine umfassende Hilfe von Seiten des Staats gewährt werden muß, wenn die dortige Bevölkerung nicht im bevorstehenden Winter wörtlich vor Hunger sterben soll Schon seit längerer Zeit verdiener die Weber in den von ihnen gefertigten Fabrikaten fast gar nichts, sie sind froh, wenn ihnen für ihre Leinen der Garnpreis bezahlt wird, damit sie wenigstens ihre alten Garnvorräthe zu Gelde machen. In neueter Zeit ist es aber so weit gekommen, daß der Weber häufig nicht einmal ein Gebot auf seine Waare bekommen kann, da die Kaufleute bei den großen Geldmangel immer weniger einkaufen und es der flehendlichsten Bitten von Seiten der Weber bedarf, hin und wieder ein Stück Arbeit zu verkaufen. So wie es den Webern geht, geht es natürlich auch dem Spinner, der bei dem darniederliegenden Handel der dortigen Gegend und bei dem fast gänzlichen Mangel an Garnverkäufen nach auswärts ebenfalls kaum ein Gebot für seine Gespinnste erzielen kann. Die Weber und Spinner, welche noch etwas zuzusetzen hatten, haben ihre früheren Ersparnisse, ihr Vermögen nun aufgezehrt, diejenigen, welche kein Vermögen besaßen, leben schon seit dem Frühjahr in der drückendsten Roth, alle aber sind jetzt der Verzweiflung nahe und müssen zum Aeußersten getrieben werden, wenn ihnen nicht die Hülfe des Staates zu Theil wird. ‒ Viele Bewohner jenes unglücklichen Landstriches haben sich um Abhülfe ihrer elenden Lage in Petitionen an die Nationalversammlung gewandt und mich mit der Ueberreichung derselben beauftragt, zugleich mit dem Ersuchen bei der Versammlung die schleunige Erledigung dieser gewiß in hohem Grade dringenden Angelegenheit zu beantragen. ‒ Der in den Petitionen ausgesprochene Vorschlag geht nicht auf Unterstützung, sondern auf Beschaffung von Arbeit für eine große Bevölkerung, die sich gern im Schweiße ihrer Arbeit ernähren möchte, wenn es ihr nur möglich wäre. Sie beantragen, der Staat möge eine Kommission von Sachverständigen niedersetzen, welche während der Dauer der drückenden Geschäftsstockung, vornehmlich während des vorstehenden Winters, die in dortiger Gegend gefertigten Leinenwaaren für Rechnung des Staats in so weit einkaufe, als die Kaufleute nicht dazu im Stande sind. Insofern die Regierung nicht in der Lage sein möchte, das zu diesen Einkäufen nothwendige Kapital, welches sich auf 400,000 bis 500,000 Thaler veranschlage, baar anzuschaffen, möge dieselbe in Bierfeld eine Zettelbank errichten und für den Betrag der anzukaufenden Waare Bankscheine ausgeben, die vom 1. Juni 1849 an gegen baares Geld bei allen Staatskassen eingelöst werden können. Bis dahin könnte schon zu Theil der im Laufe des Winters von der Regierung angekauften Waaren wieder verkauft sein und mit den für die Verkäufer eingehenden Geldern die Zettelbankscheine eingelöst, demnächst aber vernichtet werden. ‒ In Betracht der Dringlichkeit der oben angeführten Umstände beantrage ich daher:</p> <p>“eine hohe Versammlung möge beschließen, die beifolgenden Petitionen, sofort der für die Angelegenheiten der Spinner und Weber gewählten Kommission zur schleuniger Berichterstattung zu überweisen.“</p> <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Overbeck</hi> will gegen die Dringlichkeit sprechen, fängt aber damit an, daß er den großen Nothstand der westphälischen Spinner und Weber schildert und daß dieser Nothstand von dem Abg. D'Ester noch mit viel zu matten Farben aufgetragen sei. Man ruft ihm zu, daß er damit nicht gegen die Dringlichkeit spreche. Er läßt sich aber nicht stören und kommt in seiner Rede endlich darauf, daß er mit den andern Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg bereits vor mehreren Wochen bei dem Ministerium Schritte gethan habe um dem Nothstande entgegenzutreten. Sie hätten verlangt, daß der Staat ein großes Flachsmagazin errichte, damit der gute Flachs nicht von den Belgiern und Engländern weggekauft würde. Der Staat solle den Flachs aufkaufen und denselben den Spinnern zur Zeit wieder ablassen. Er fügt noch einiges über die Spinner und Weber hinzu, was aber in dem sich vermehrenden Lärmen und Ruf nach Schluß nicht zu verstehen ist.</p> <p>Die Dringlichkeit wird anerkannt und die Diskussion soll eröffnet werden; man schreit aber gleich nach dem Schluß der Diskussion und nur der Abg. <hi rendition="#g">Schulz</hi> aus Minden erhält das Wort. Er beginnt mit folgendem Satze: „Es wird hier eine Politik gegen uns geführt, die der Nationalversammlung unwürdig ist.“ (Ruf zur Ordnung!) Der Präsident verweist den Redner. ‒ „Es gibt hier eine Partei, die uns in den Augen ihrer Committenten verdächtigen will.“ (Zur Ordnung! Zur Ordnung!) Der Präsident rügt die Verdächtigung des Redners und er hält es am Besten die Tribüne zu verlassen. ‒ D'Ester: Ich verlange den Ordnungsruf nicht, trotzdem man mich verdächtig, das Land selbst wird diesen Ordnungsruf erlassen.</p> <p>Aus dem großen Tumult und einigen andern Rednern läßt sich so viel entnehmen, daß die Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg sich dadurch gekränkt fühlen, daß der heutige Antrag von einem Abgeordneten der ihnen entgegenstehenden Partei und vom Abg. <hi rendition="#g">D'Ester,</hi> der gar kein westphälischer Abgeordnete sei, eingebracht worden.</p> <p>Auch der abgetretene Handelsminister <hi rendition="#g">Milde</hi> nimmt seine politische Freunde, die Abgeordneten aus Westphalen noch in Schutz und gibt zu, daß schon in seinem Ministerium etwas zum Besten der armen Spinner und Weber Westphalens angeordnet worden, welches binnen einigen Wochen wahrscheinlich ausgeführt werde.</p> <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Elsner,</hi> als Vorsitzender der Kommission für die Angelegenheiten der Spinner und Weber, erwähnt noch, daß diese Kommission jedenfalls in einigen Tagen ihren Bericht über die heute eingereichten Petitionen erstatten werde und der Antrag des Abg. <hi rendition="#g">D'Esters</hi> wird hierauf mit großer Majorität angenommen. <hi rendition="#g">Milde</hi> und seine westphälischen Freunde sind darüber wüthend.</p> <p>Hierauf kommt die Angelegenheit des Abg. Harrossowitz wieder zur Sprache. Sogar die Abg. <hi rendition="#g">Hartmann</hi> und <hi rendition="#g">Tüshaus,</hi> von der rechten Seite, sehen die Ernennung des bisherigen Kammergerichtsrath <hi rendition="#g">Harrossowitz</hi> zum Kriminalgerichts-Direktor, als eine Beförderung an, da sie mit einer Gehaltszulage verbunden sei und daher eine Neuwahl notwendig mache. ‒ Abg. <hi rendition="#g">Kirchmann</hi> erinnert, daß er und <hi rendition="#g">Temme</hi> früher im gleichen Falle sich befanden und abgleich ihre Beförderung sogar wider ihren Willen geschehen war, hätten sie dennoch keinen Augenblick gezögert, ihre Neuwahl zu veranlassen.</p> <p>In Betreff dee Fragestellung erhebt sich noch ein großer Tumult. Der Präsident hatte die Frage gestellt: „ ob der Abg. Harrossowitz noch ferner Sitz und Stimme in der Versammlung behalten solle?“ nur Wenige erhoben sich dafür; da wünschten die Freunde des Abg. Harrossowitz die negative Fragestellung, ob er Sitz und Stimme verlieren solle? ‒ Der Präsident stellt endlich die Frage, ob die Versammlung die Ernennung des Abg. Harrossowitz als eine Beförderung ansehe, welche seine Neuwahl veranlasse? Dies wird mit großer Majorität bejahet.</p> <p>Nun geht man zur Tagesordnung, der Berathung über das Gesetz wegen unentgeltlicher Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben über, die nur ein Interesse für die Landbewohner der diesseitigen Provinzen hat.</p> </div> <div xml:id="ar118_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 14. Oktober.</head> <p>Der König wird jedenfalls morgen zur Feier seines Geburtstages hier eintreffen. Man spricht heute von einer Proklamation des Königs „an mein Volk“, welche im Stile der März-Proklamationen, gehalten sein wird. Dies Gerücht scheint nicht ohne Grund zu sein, denn wie im März gehet der König wieder mit dem Gedanken um, sich an die Spitze der deutschen Bewegung zu stellen, das heißt ganz Deutschland zu beherrschen. Umsonst ist Herr Camphausen von Frankfurt nicht hierher gereist; die schließlichen Bedingungen werden in diesem Augenblick wahrscheinlich in Potsdam festgestellt, denn so auf Gnade und Ungnade wollten sich die badenschen und die andern süddeutschen Liberalen von Ehedem nicht ergeben. Nach den jetzigen Ereignissen in Wien bleibt ihnen aber nichts übrig, als den König von Preußen zum Kaiser von Deutschland zu machen.</p> <p>Die Petitions-Kommission der Vereinbarer-Versammlung hat auf den Antrag des Kriminal-Senats des Ober-Landesgerichts zu Insterburg betreffend die Ertheilung der Genehmigung zur Einleitung der fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Landrath <hi rendition="#g">Reuter</hi> aus Johannisburg folgenden Bericht der Versammlung vorlegen lassen. ‒ Gegen den Abgeordneten Landrath Reuter aus Johannisburg (zur äußersten Linken gehörig) ist auf Grund zweier Denunziationen, des Land- und Stadtgerichts-Assessors <hi rendition="#g">Falk</hi> d. d. 9. Mai c. und des Hauptzollamts-Rendanten <hi rendition="#g">Grunau</hi> d. d. 12. Mai c., vom Kriminal-Senat des Ober-Landesgerichts zu Insterburg die Einleitung der fiskalischen Untersuchung wegen schwerer wörtlicher Beleidigung verfügt, und demnächst unterm 5. Sept. c. die Ertheilung der Genehmigung Seitens der Vers. beantragt worden.</p> <p>Die Petitionskommission ist bereits in einem frühern Berichte von der Ansicht ausgegangen, daß in Fällen, wo es sich nur um eine mit geringer Geld- oder Gefängnißssrafe zu ahndende Privatbeleidigung handele, kein Grund vorliege, Abgeordnete durch Zulassung der Untersuchung von ihrem Berufe mehr oder weniger abzuziehen. Dieser Ansicht ist die Versammlung in der Sitzung vom 20. Oktober beigetreten. Die Gründe, welche das Oberlandesgericht zu Insterburg für Ertheilung der Genehmigung geltend macht, daß nämlich bei dem nicht abzusehenden Ende der Dauer der Versammlung weder den Denunzianten die Genugthuung bis zur Rückkehr des Reuter vorenthalten, noch bei der Gefahr, mittlerweile durch etwaiges Ableben oder durch Gedächtnißschwäche des einen oder andern Zeugen Beweismittel einzubüßen, die Beweisaufnahme länger ausgesetzt werden dürfe, haben die Kommission nicht veranlassen können, von der früheren Ansicht abzugehen. Denn sie kann weder die Voraussetzung theilen, daß das Ende der Dauer der Versammlung nicht abzusehen sei, noch findet sie in der unverhofften längern Dauer einen Grund, den Denunzianten die Genugthuung nicht länger vorzuenthalten, das heißt die Vollstreckung der etwa zu erkennenden Gefängnißstrafe zuzulassen. Die mögliche Gefahr aber, daß durch die Verzögerung Beweismittel verloren gehen könnten, kann eintretendenfalls durch Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtniß beseitigt werden. Demgemäß beantragt die Kommission: die Versammlung wolle beschließen, daß die vom Kriminalsenat des Oberlandesgerichts zu Insterburg beantragte Genehmigung zur Einleitung einer fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Reuter nicht zu ertheilen.</p> </div> <div xml:id="ar118_019" type="jArticle"> <head>Berlin.</head> <p>Das Justizministerialblatt enthält folgende allgemeine Verfügung. Das Einschreiten der Gerichte gegen strafbaren Mißbrauch der Presse und des Vereinigungsrechts betreffend.</p> <p>„Das durch die Bekanntmachung vom 21. v. M. den Justiz-Behörden mitgetheilte Programm des Staats-Ministeriums enthält die Grundsätze, nach welchen die gegenwärtige Regierung Sr. Majestät zu verfahren beschlossen hat, und welche die Justiz-Behörden in ihrem Ressort ebenfalls zu beachten angewiesen worden sind. Kräftige Wahrung und Ausbildung der unserem Volke verliehenen Freiheiten und entschiedene Zurückweisung aller reaktionairen Bestrebungen soll Hand in Hand gehen mit der vom ganzen Lande geforderten Steuerung der Anarchie und Ungesetzlichkeit. Schwere Ausbrüche eines solchen anarchischen Treibens, durch welches die wahre Freiheit am meisten gefährdet wird, sind in jüngster Zei! an mehreren Orten vorgekommen; insbesondere ist auch die freie Presse und das Recht der freien Vereinigung gemißbraucht worden, um die Ordnung zu stören, zur Verweigerung rechtlich noch bestehender Leistungen aufzufordern und zur gewaltsamen Empörung aufzureizen. Nach dem Willen Sr. Majestät des Königs im Einvernehmen mit der Deutschen Centralgewalt und mit Rücksicht auf eine deshalb besonders ergangene Requisition des Reichs-Justiz-Ministeriums zu Frankfurt vom 24. v. M. wende ich mich an die Justiz-Behörden des Landes, um daran zu erinnern, daß es vorzugsweise ihre Aufgabe ist, die Achtung und Wirksamkeit des Gesetzes aufrecht zu erhalten, und daß sie durch Lösung dieser Aufgabe dem Lande am besten dienen, da die wahre Freiheit nur auf dem Boden des Gesetzes gedeihen kann. Sie haben, wo ihnen die Verfolgung der Verbrechen von Amts wegen obliegt, nach erlangter Kenntniß ungesäumt einzuschreiten, wenn in Zeitschriften, durch Plakate, durch Reden bei Volks-Versammlungen und in Vereinen, oder durch Bildung von Vereinen mit verbrecherischen Zwecken die bestehenden Gesetze verletzt werden. Es ist nicht minder ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihren auf Grund der Gesetze ergehenden Verfügungen und Entscheidungen die gebührende Folge geleistet und deren Ausführung nöthigenfalls im Vereine mit den deshalb von dem Herrn Minister drs Innern mit besonderer Anweisung versehenen Verwaltungs-Behörden gesichert werde. Sie haben endlich nicht allein die Erledigung der bereits eingeleiteten Untersuchungen wegen Verbrechen der bezeichneten Gattung möglichst zu beschleunigen, sondern auch darauf bedacht zu seyn, daß bei Verübung neuer Verbrechen die Strafe möglichst schnell der That nachfolgt. Gleiche Pflichten liegen den Staats-Anwälten innerhalb ihrer Amtswirksamkeit ob. Je fester das Staats-Ministerium entschlossen ist, auf dem konstitutionellen Wege fortzuschreiten und dem Volke den Besitz seiner Freiheit vollständig zu erhalten, um so sicherer darf es darauf rechnen, daß kein wahrer Freund des Vaterlandes die Nothwendigkeit der baldigen Herstellung des gestörten Rechtszustandes verkennen werde und um so mehr darf es sich der Hoffnung hingeben, daß die Justiz-Behörden durch kräftiges Einschreiten wesentlich dazu beitragen werden. den von der großen Mehrheit des Volks bewahrten Sinn für Gesetzmäsigkeit und Ordnung zur Geltung gelangen zu lassen.</p> <p>Berlin, den 8. Oktober 1848.</p> <p>Der Hustiz-Minister, <hi rendition="#g">Kisker.</hi> </p> <p>An sämmtliche Gerichtsbehörden“.</p> </div> <div xml:id="ar118_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>39</author></bibl> Breslau, 13. Okt.</head> <p>Das Gesetz der Nationalversammlung zu Frankfurt a. M. zu ihrem Schutze bringt mehr Lachen und Verachtung als Entrüstung hervor. Die „Oderzeitung“, ein entschieden demokratisches Journal, gibt folgende Erklärung: „Die Redakteure dieser Zeitung werden von heut ab keine Berichte über die Gesellschaft in der Paulskirche mehr mittheilen. Eine Versammlung, welche im Bewußtsein ihrer verlornen Ehre sich durch Strafgesetze vor der Kritik sicher stellen muß, ist moralisch todt. Ihr gegenüber hat die Presse nur noch eine Waffe ‒ Verachtung und Schweigen.“</p> <p>Die demokratische Partei macht bei uns jede Anstrengung, den Willen des gesammten Volkes in der Verfassungsfrage zur Geltung zu bringen. Der demokratische Provinzial-Ausschuß für Schlesien hat an alle demokratischen Vereine der Provinz Rundschreiben geschickt, worin die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes angegeben werden. Es wird darin zu einer Monstrepetition an die Nationalversammlung aufgefordert, daß in der Verfassung: 1. bestimmt werde, daß jeder Deputirte, der ein von der Mehrzahl seiner Wähler ausgehendes Mißtrauensvotum erhält, sofort sein Mandat niederlegen müsse; 2. daß die Verfassung vier Wochen nach ihrer Annahme in der Nationalversammlung an ein und demselben Tage jeder Gemeinde des Landes zur Abstimmung durch <hi rendition="#g">ja</hi> oder <hi rendition="#g">nein</hi> vorgelegt werden müsse, weil nur auf diese Weise der Wille der Majorität des Volks zu erkennen sei. An dieses Schreiben knüpft sich eine Petition an die Nationalversammlung in Berlin, in welcher die Aufnahme folgender fünf Punkte in die Verfassung verlangt wird: direkte Wahlen; Einkammersystem; die Befugniß der Wähler, ihrem Deputirten das Mandat zu entziehen; für das Staatsoberhaupt nur ein suspensives Veto, wenn überhaupt von einem Veto die Rede sein solle; und endlich, daß die Verfassung zu jeder Zeit erweitert und verbessert werden könne.</p> </div> <div xml:id="ar118_021" type="jArticle"> <head>Mannheim, 11. Okt.</head> <p>Wir haben neue Verhaftungen zu berichten; gestern um die Mittagsstunde wurden die Bürger Dr. Welker, Barth und Wimmer plötzlich in ihren Wohnungen durch Polizeidiener, Gensdarmerie und Gerichtspersonen überrascht, und sofort über Hals und Kopf nach Weinheim eskortirt. Die Scharfsinnigkeit der Polizei hat die Entdeckung gemacht, daß jene Männer bei der Eisenbahndemolirung zwischen Weinheim und Großsachsen betheiligt sein müßten, indem sie Tags vorher in Privat-Angelegenheiten sich in Weinheim befanden. Die Untersuchung wird herausstellen, wie viel an der ganzen Sache ist; wir greifen ihr nicht vor. Aber wir möchten doch gerne das Räthsel gelöst haben, was es mit der Rettung der Monarchie zu thun hat, daß die Verhafteten von hier nach Weinheim geschleppt wurden, während man die Weinheimer umgekehrt in Mannheim aufzubewahren sucht. Geschieht das vielleicht, um die Werkzeuge der Gewalt durch beständige Bewegung vor möglicher Erschlaffung zu schützen, oder ist es blos auf eine rechte Hetzjagd der verhafteten freigesinnten Bürger abgesehen? Wer weiß es; die Wege der Polizei sind unerforschlich und was sie zusagt, das hält sie gewiß. ‒ Aber was soll man von den Gerichten sagen, die einen solchen Unfug treiben, oder von oben der geduldig mit ansehen und geschehen lassen, während doch kein badischer Staatsbürger verfassungsmäßig seinem ordentlichen Gerichte entzogen werden kann, die Verbringung vor ein anderes Gericht und in einen andern Gerichtssprengel aber nichts weiter als eine willkürliche Entziehung oder Beschränkung des rechtlich zugesicherten Schutzes ist? Wir protestiren auch hier gegen eine derartige Behandlung unserer Mitbürger und wollen von den obern Gerichten erwarten, daß sie sofort dieser Willkürherrschaft Einhalt thun.</p> <bibl>(M. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar118_022" type="jArticle"> <head>Mannheim, 13. Okt.</head> <p>So eben kommt die „Mannheimer Abendzeitung“ in ihrer Nro. 151 von gerichtlicher Verfolgung vor hiesigem Hofgerichte zurück. Diese Nr. war wegen eines Artikels „vom Rhein“, der die Republik als das in dieser Zeitperiode zu erreichende Ziel darstellte, mit Beschlag belegt worden und der gr. Staatsanwalt Ammann hatte sowohl gegen den Verfasser des Artikels Bürger Ludwig Degen von hier als gegen den verantwortlichen Redakteur Bürger Münck je eine sechsmonatliche Arbeitshausstrafe beantragt. Die Vertheidigung führten O.-G.-Adv. Brentano und O.-G.-Adv. Eller, die Angeklagten wirkten persönlich dabei mit, namentlich hielt Degen eine treffliche Vertheidigungsrede. Das Ergebnis der Verhandlung ist, daß der Gerichtshof die Angeklagten frei sprach und die Staatskasse in die Kosten verurtheilte.</p> <bibl>(M. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar118_023" type="jArticle"> <head>Alzei, 13. Okt.</head> <p>Das hiesige Gericht verurtheilte heute den Redakteur der „Neuen Zeit“ wegen eines Artikels, der in diesem Blatt erschien und der nach dem Urtheil des Gerichtes eine Verletzung der „<hi rendition="#g">Amts-</hi> und <hi rendition="#g">Dienstehre</hi>“ des Ministers Jaup enthalten soll, zu drei Monaten Gefängniß.</p> </div> <div xml:id="ar118_024" type="jArticle"> <head>Sigmaringen, 10. Okt.</head> <p>Die Regierung ist zurückgekehrt, und heute rückte das bairische Leibregiment nebst einiger Artillerie und Reiterei hier ein; die eine Hälfte ist in der Stadt, die andere in den benachbarten Dörfern einquartirt. Regierungsrath Stephani, der von dem Reichskommissar Grafen Keller mit der Führung der Untersuchung beauftragt ist, wohnt nebst dem Regimentsstabe in dem Schlosse. Die Verhaftungen und Untersuchungen haben bereits begonnen; Oberlieutenant v. Hofstetter hat sich in die Schweiz geflüchtet und befindet sich in Emmishofen. Würth, der Präsident des Sicherheitsausschusses, hütet seit acht Tagen das Bett; der Fürst wird nächster Tage zurückerwartet.</p> <bibl>(Schw. M.)</bibl> </div> <div xml:id="ar118_025" type="jArticle"> <head>Heidelberg, 11. Okt.</head> <p>Gestern erhielt der Redakteur des hiesigen Journals ein Paket aus Frankfurt, welches mit dem großen deutschen Reichssiegel verschlossen war. Zitternd und zagend, um das doppelhalsige Thier nicht zu verletzen, öffnete er das Paket und fand darin?: ‒ Einige 100 derjenigen Exemplare der Flugblätter aus der „deutschen Nationalversammlung,“ in welchen die „Antwort deutscher Bürger auf die Ansprache der Linken an das deutsche Volk“ enthalten ist,“ und ein kleines verbindliches Brieflein eines hohen Beamten des Reichsministeriums, eines Mannheimers, welches die Bitte enthielt, obige Flugblätter zum Nutzen und Frommen der Majorität und zum abschreckenden Beispiele vor der gesinnungslosen u. s. w. Minorität der „deutschen Nationalversammlung“ als Beilage des hiesigen Journals zu verbreiten.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn</head> <div xml:id="ar118_026" type="jArticle"> <head>Pesth.</head> <p>Kossuth ist am 6ten Abens von seiner Reise nach Pesth zurückgekehrt und wurde, als er am folgenden Tage in der Sitzung erschien, mit unbeschreiblichem Jubel aufgenommen. Er erzählte, daß 50,000 Mann ihm folgen und daß es nur eines Wortes von Seiten des Hauses bedürfe und es werde 300,000 Mann unter den Waffen habe.</p> </div> <div xml:id="ar118_027" type="jArticle"> <head>Pesth, 6. Okt.</head> <p>Heute wurden dem Repräsentantenhause von dem königl. Kommissar Csanyi die übergebenen 226 neu aufgefangenen Briefe des Jellachich vorgelegt. Ein Theil ist noch gestern Abend bekannt geworden. Jellachich spricht sich in diesen Briefen offen aus, daß er die demokratische Partei in Oesterreich stürzen wolle und ein großes Slawenreich zu bilden seine Absicht sei. Am 30. Sept. wollte der Ban in Pesth einmarschiren. ‒ Gestern sind die gefangenen Kroaten und sechs österreichische Offiziere von der osener Nationalgarde begleitet, hier angekommen. Im Publikum spricht man den brutalen Wunsch aus, man solle die gefangenen Offiziere und je den fünften Mann von der Horde erschießen. Ueber die Offiziere ist man darum erbost, weil sie sich gebrauchen ließen, die Anführer solcher Räuber und Mordbrenner zu sein. ‒ Man spricht hier, daß die Landespolizei bei mehreren Aristokraten neue verrätherische Plane entdeckt habe; unter Andern bezeichnet man den Grafen Waldenstein, bei dem man Geld und Papiere für Jellachich gefunden haben soll.</p> <bibl>(O. P.)</bibl> </div> <div xml:id="ar118_028" type="jArticle"> <head>Pesth, 7. Okt.</head> <p>Schon wieder wird eine Partie aufgefangerer Briefe aus dem kroatischen Lager ‒ sie sollen sich auf 226 nelaufen ‒ veröffentlicht. Sie sind meist an Privatpersonen gebichtet und enthalten manche interessante Details. Namentlich wird über den Mangel an Mannszucht, der beim kroatischen Landsturme herrscht, geklagt: „Unsere Gränzer (nicht die regulären Bataillons) sind von den gröbsten Exzessen nicht abzuhalten und rauben und plündern ganz fürchterlich; wir lassen alle Tage an 1000 Prügel austheilen, aber es hilft nichts, kein Gott, viel weniger ein Offizier hält sie zurück.“ Auch vertraute Herzensergießungen kommen vor, welche den Wienern wol schlecht munden dürften: „Heute sind wir in Stuhlweißenburg eingerückt, morgen, am 28. Sept. <ref type="link">Hierzu eine Beilage.</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0592/0004]
lagerungszustandes erklärt, und da die Stadtverordneten die Stadt vertreten, so ist anzunehmen, daß die ganze Stadt die Aufhebung des Belagerungszustandes gar nicht wünsche.
Abg. v. Pokrzywnicki erwidert, daß die Ruhe der Stadt Posen seit dem 10. März auch nicht einmal gestört worden sei, sowohl vor Erklärung des Belagerungszustandes als während desselben. Es sei dort weder Blut geflossen noch Barrikaden gebauet worden. Die deutsche Bevölkerung fühle zwar den Belagerungszustand nicht, da derselben das freie Vereinigungsrecht und das Tragen von Waffen erlaubt ist, während man dies der polnischen Bevölkerung hartnäckig verweigert.
Nachdem die Debatte noch einige Zeit fortgedauert, wird der Schluß der Debatte verlangt und angenommen. Der Antragsteller verlangt hierauf vom Ministerium, daß es seine Vorlagen bis Dienstag machen solle, dann würde er seinen Antrag zurücknehmen. ‒ Der Minister Eichmann versicherte aber dies nicht vor Freitag thun zu können und auch damit erklärte sich der Antragsteller endlich einverstanden.
Auf der Tagesordnung ist heute zuerst die End-Abstimmung über das neu redigirte Bürgerwehrgesetz. ‒ Eine Masse von Protesten sind dem Präsidium in der Central-Abtheilung bereits im Laufe dieser Woche übergeben worden. Noch vor der Abstimmung übergeben viele Abgeordnete mit vielen Tausend Unterschriften versehene Proteste. Große Heiterkeit erregte ein vom Abg. Jung dem Präsidenten übergebener Monster-Protest, der in Form einer sehr langen Papierrolle ohne Ende, von der Tribüne herunter, nach der Art wie Leporello im Don Jouan seine 1003 dem Publikum vorhält, den Herrn Vereinbarern vor die Augen geführt wurde. ‒ Trotz den vielen Protesten wird das Gesetz dennoch nach namentlicher Abstimmung mit 233 gegen 116 Stimmen angenommen. Nur die äußerste Linke stimmten gegen das Gesetz.
Auch das transitorisiche Gesetz, wodurch einige Bestimmungen des Bürgerwehrgesetzes, als die Ableistung des Eides, die Ablieferung der Waffen nur nach Annahme der Verfassung in Kraft treten sollen, wird nach namentlicher Abstimmung mit 243 gegen 83 Stimmen angenommen.
Auch das neu redigirte Jagdgesetz wird nach namentlicher Abstimmung mit 285 gegen 41 Stimmen angenommen und werden diese drei Gesetzentwürfe der Krone zur Erklärung vorgelegt werden.
Die Fortsetzung der Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben ist ohne weiteres Interesse und wird auch morgen noch mit der Berathung desselben fortgefahren werden.
103 Berlin, 14. Okt. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung
Nachdem ein dissentirendes Votum der äußersten Linken gegen das Gesetz zur Errichtung der Bürgerwehr verlesen war, brachte der Abg. Harrossowitz, in einer persönlichen Bemerkung seine heute in den Zeitungen offiziell verkündigte Beförderung zur Sprache. Er glaubt, daß seine Beförderung zum Kriminalgerichts-Direktor, nach der Rangliste keine Beförderung sei, indem er vor wie nach nur Rath vierter Klasse sei. Eine Gehaltszulage sei allerdings mit diesem Stellenwechsel verbunden, dies könne er jedoch nicht als eine Beförderung ansehen. Da Widerspruch gegen diese Meinung von vielen Seiten erfolgt, wird ein desfallsiger Antrag gestellt, der sogleich der Prioritäts-Kommission überwiesen wird.
Abg. D'Ester. Die Lage der industriellen Bevölkerung in der Grafschaft Ravensberg in Westphalen ist eine so trostlose, daß sie füglich mit der der industriellen Bevölkerung in dem schlesischen Gebirge verglichen werden kann. Der Leinenhandel, welcher schon seit Jahren den dabei beschäftigten Webern und Spinnern keine ausreichende Subsistenz mehr gewährte, liegt seit dem Frühjahr mit allen andern Industriezweigen darnieder, und zwar in einem solchen Grade, daß eine umfassende Hilfe von Seiten des Staats gewährt werden muß, wenn die dortige Bevölkerung nicht im bevorstehenden Winter wörtlich vor Hunger sterben soll Schon seit längerer Zeit verdiener die Weber in den von ihnen gefertigten Fabrikaten fast gar nichts, sie sind froh, wenn ihnen für ihre Leinen der Garnpreis bezahlt wird, damit sie wenigstens ihre alten Garnvorräthe zu Gelde machen. In neueter Zeit ist es aber so weit gekommen, daß der Weber häufig nicht einmal ein Gebot auf seine Waare bekommen kann, da die Kaufleute bei den großen Geldmangel immer weniger einkaufen und es der flehendlichsten Bitten von Seiten der Weber bedarf, hin und wieder ein Stück Arbeit zu verkaufen. So wie es den Webern geht, geht es natürlich auch dem Spinner, der bei dem darniederliegenden Handel der dortigen Gegend und bei dem fast gänzlichen Mangel an Garnverkäufen nach auswärts ebenfalls kaum ein Gebot für seine Gespinnste erzielen kann. Die Weber und Spinner, welche noch etwas zuzusetzen hatten, haben ihre früheren Ersparnisse, ihr Vermögen nun aufgezehrt, diejenigen, welche kein Vermögen besaßen, leben schon seit dem Frühjahr in der drückendsten Roth, alle aber sind jetzt der Verzweiflung nahe und müssen zum Aeußersten getrieben werden, wenn ihnen nicht die Hülfe des Staates zu Theil wird. ‒ Viele Bewohner jenes unglücklichen Landstriches haben sich um Abhülfe ihrer elenden Lage in Petitionen an die Nationalversammlung gewandt und mich mit der Ueberreichung derselben beauftragt, zugleich mit dem Ersuchen bei der Versammlung die schleunige Erledigung dieser gewiß in hohem Grade dringenden Angelegenheit zu beantragen. ‒ Der in den Petitionen ausgesprochene Vorschlag geht nicht auf Unterstützung, sondern auf Beschaffung von Arbeit für eine große Bevölkerung, die sich gern im Schweiße ihrer Arbeit ernähren möchte, wenn es ihr nur möglich wäre. Sie beantragen, der Staat möge eine Kommission von Sachverständigen niedersetzen, welche während der Dauer der drückenden Geschäftsstockung, vornehmlich während des vorstehenden Winters, die in dortiger Gegend gefertigten Leinenwaaren für Rechnung des Staats in so weit einkaufe, als die Kaufleute nicht dazu im Stande sind. Insofern die Regierung nicht in der Lage sein möchte, das zu diesen Einkäufen nothwendige Kapital, welches sich auf 400,000 bis 500,000 Thaler veranschlage, baar anzuschaffen, möge dieselbe in Bierfeld eine Zettelbank errichten und für den Betrag der anzukaufenden Waare Bankscheine ausgeben, die vom 1. Juni 1849 an gegen baares Geld bei allen Staatskassen eingelöst werden können. Bis dahin könnte schon zu Theil der im Laufe des Winters von der Regierung angekauften Waaren wieder verkauft sein und mit den für die Verkäufer eingehenden Geldern die Zettelbankscheine eingelöst, demnächst aber vernichtet werden. ‒ In Betracht der Dringlichkeit der oben angeführten Umstände beantrage ich daher:
“eine hohe Versammlung möge beschließen, die beifolgenden Petitionen, sofort der für die Angelegenheiten der Spinner und Weber gewählten Kommission zur schleuniger Berichterstattung zu überweisen.“
Der Abg. Overbeck will gegen die Dringlichkeit sprechen, fängt aber damit an, daß er den großen Nothstand der westphälischen Spinner und Weber schildert und daß dieser Nothstand von dem Abg. D'Ester noch mit viel zu matten Farben aufgetragen sei. Man ruft ihm zu, daß er damit nicht gegen die Dringlichkeit spreche. Er läßt sich aber nicht stören und kommt in seiner Rede endlich darauf, daß er mit den andern Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg bereits vor mehreren Wochen bei dem Ministerium Schritte gethan habe um dem Nothstande entgegenzutreten. Sie hätten verlangt, daß der Staat ein großes Flachsmagazin errichte, damit der gute Flachs nicht von den Belgiern und Engländern weggekauft würde. Der Staat solle den Flachs aufkaufen und denselben den Spinnern zur Zeit wieder ablassen. Er fügt noch einiges über die Spinner und Weber hinzu, was aber in dem sich vermehrenden Lärmen und Ruf nach Schluß nicht zu verstehen ist.
Die Dringlichkeit wird anerkannt und die Diskussion soll eröffnet werden; man schreit aber gleich nach dem Schluß der Diskussion und nur der Abg. Schulz aus Minden erhält das Wort. Er beginnt mit folgendem Satze: „Es wird hier eine Politik gegen uns geführt, die der Nationalversammlung unwürdig ist.“ (Ruf zur Ordnung!) Der Präsident verweist den Redner. ‒ „Es gibt hier eine Partei, die uns in den Augen ihrer Committenten verdächtigen will.“ (Zur Ordnung! Zur Ordnung!) Der Präsident rügt die Verdächtigung des Redners und er hält es am Besten die Tribüne zu verlassen. ‒ D'Ester: Ich verlange den Ordnungsruf nicht, trotzdem man mich verdächtig, das Land selbst wird diesen Ordnungsruf erlassen.
Aus dem großen Tumult und einigen andern Rednern läßt sich so viel entnehmen, daß die Abgeordneten der Grafschaft Ravensberg sich dadurch gekränkt fühlen, daß der heutige Antrag von einem Abgeordneten der ihnen entgegenstehenden Partei und vom Abg. D'Ester, der gar kein westphälischer Abgeordnete sei, eingebracht worden.
Auch der abgetretene Handelsminister Milde nimmt seine politische Freunde, die Abgeordneten aus Westphalen noch in Schutz und gibt zu, daß schon in seinem Ministerium etwas zum Besten der armen Spinner und Weber Westphalens angeordnet worden, welches binnen einigen Wochen wahrscheinlich ausgeführt werde.
Der Abg. Elsner, als Vorsitzender der Kommission für die Angelegenheiten der Spinner und Weber, erwähnt noch, daß diese Kommission jedenfalls in einigen Tagen ihren Bericht über die heute eingereichten Petitionen erstatten werde und der Antrag des Abg. D'Esters wird hierauf mit großer Majorität angenommen. Milde und seine westphälischen Freunde sind darüber wüthend.
Hierauf kommt die Angelegenheit des Abg. Harrossowitz wieder zur Sprache. Sogar die Abg. Hartmann und Tüshaus, von der rechten Seite, sehen die Ernennung des bisherigen Kammergerichtsrath Harrossowitz zum Kriminalgerichts-Direktor, als eine Beförderung an, da sie mit einer Gehaltszulage verbunden sei und daher eine Neuwahl notwendig mache. ‒ Abg. Kirchmann erinnert, daß er und Temme früher im gleichen Falle sich befanden und abgleich ihre Beförderung sogar wider ihren Willen geschehen war, hätten sie dennoch keinen Augenblick gezögert, ihre Neuwahl zu veranlassen.
In Betreff dee Fragestellung erhebt sich noch ein großer Tumult. Der Präsident hatte die Frage gestellt: „ ob der Abg. Harrossowitz noch ferner Sitz und Stimme in der Versammlung behalten solle?“ nur Wenige erhoben sich dafür; da wünschten die Freunde des Abg. Harrossowitz die negative Fragestellung, ob er Sitz und Stimme verlieren solle? ‒ Der Präsident stellt endlich die Frage, ob die Versammlung die Ernennung des Abg. Harrossowitz als eine Beförderung ansehe, welche seine Neuwahl veranlasse? Dies wird mit großer Majorität bejahet.
Nun geht man zur Tagesordnung, der Berathung über das Gesetz wegen unentgeltlicher Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben über, die nur ein Interesse für die Landbewohner der diesseitigen Provinzen hat.
103 Berlin, 14. Oktober. Der König wird jedenfalls morgen zur Feier seines Geburtstages hier eintreffen. Man spricht heute von einer Proklamation des Königs „an mein Volk“, welche im Stile der März-Proklamationen, gehalten sein wird. Dies Gerücht scheint nicht ohne Grund zu sein, denn wie im März gehet der König wieder mit dem Gedanken um, sich an die Spitze der deutschen Bewegung zu stellen, das heißt ganz Deutschland zu beherrschen. Umsonst ist Herr Camphausen von Frankfurt nicht hierher gereist; die schließlichen Bedingungen werden in diesem Augenblick wahrscheinlich in Potsdam festgestellt, denn so auf Gnade und Ungnade wollten sich die badenschen und die andern süddeutschen Liberalen von Ehedem nicht ergeben. Nach den jetzigen Ereignissen in Wien bleibt ihnen aber nichts übrig, als den König von Preußen zum Kaiser von Deutschland zu machen.
Die Petitions-Kommission der Vereinbarer-Versammlung hat auf den Antrag des Kriminal-Senats des Ober-Landesgerichts zu Insterburg betreffend die Ertheilung der Genehmigung zur Einleitung der fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Landrath Reuter aus Johannisburg folgenden Bericht der Versammlung vorlegen lassen. ‒ Gegen den Abgeordneten Landrath Reuter aus Johannisburg (zur äußersten Linken gehörig) ist auf Grund zweier Denunziationen, des Land- und Stadtgerichts-Assessors Falk d. d. 9. Mai c. und des Hauptzollamts-Rendanten Grunau d. d. 12. Mai c., vom Kriminal-Senat des Ober-Landesgerichts zu Insterburg die Einleitung der fiskalischen Untersuchung wegen schwerer wörtlicher Beleidigung verfügt, und demnächst unterm 5. Sept. c. die Ertheilung der Genehmigung Seitens der Vers. beantragt worden.
Die Petitionskommission ist bereits in einem frühern Berichte von der Ansicht ausgegangen, daß in Fällen, wo es sich nur um eine mit geringer Geld- oder Gefängnißssrafe zu ahndende Privatbeleidigung handele, kein Grund vorliege, Abgeordnete durch Zulassung der Untersuchung von ihrem Berufe mehr oder weniger abzuziehen. Dieser Ansicht ist die Versammlung in der Sitzung vom 20. Oktober beigetreten. Die Gründe, welche das Oberlandesgericht zu Insterburg für Ertheilung der Genehmigung geltend macht, daß nämlich bei dem nicht abzusehenden Ende der Dauer der Versammlung weder den Denunzianten die Genugthuung bis zur Rückkehr des Reuter vorenthalten, noch bei der Gefahr, mittlerweile durch etwaiges Ableben oder durch Gedächtnißschwäche des einen oder andern Zeugen Beweismittel einzubüßen, die Beweisaufnahme länger ausgesetzt werden dürfe, haben die Kommission nicht veranlassen können, von der früheren Ansicht abzugehen. Denn sie kann weder die Voraussetzung theilen, daß das Ende der Dauer der Versammlung nicht abzusehen sei, noch findet sie in der unverhofften längern Dauer einen Grund, den Denunzianten die Genugthuung nicht länger vorzuenthalten, das heißt die Vollstreckung der etwa zu erkennenden Gefängnißstrafe zuzulassen. Die mögliche Gefahr aber, daß durch die Verzögerung Beweismittel verloren gehen könnten, kann eintretendenfalls durch Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtniß beseitigt werden. Demgemäß beantragt die Kommission: die Versammlung wolle beschließen, daß die vom Kriminalsenat des Oberlandesgerichts zu Insterburg beantragte Genehmigung zur Einleitung einer fiskalischen Untersuchung gegen den Abgeordneten Reuter nicht zu ertheilen.
Berlin. Das Justizministerialblatt enthält folgende allgemeine Verfügung. Das Einschreiten der Gerichte gegen strafbaren Mißbrauch der Presse und des Vereinigungsrechts betreffend.
„Das durch die Bekanntmachung vom 21. v. M. den Justiz-Behörden mitgetheilte Programm des Staats-Ministeriums enthält die Grundsätze, nach welchen die gegenwärtige Regierung Sr. Majestät zu verfahren beschlossen hat, und welche die Justiz-Behörden in ihrem Ressort ebenfalls zu beachten angewiesen worden sind. Kräftige Wahrung und Ausbildung der unserem Volke verliehenen Freiheiten und entschiedene Zurückweisung aller reaktionairen Bestrebungen soll Hand in Hand gehen mit der vom ganzen Lande geforderten Steuerung der Anarchie und Ungesetzlichkeit. Schwere Ausbrüche eines solchen anarchischen Treibens, durch welches die wahre Freiheit am meisten gefährdet wird, sind in jüngster Zei! an mehreren Orten vorgekommen; insbesondere ist auch die freie Presse und das Recht der freien Vereinigung gemißbraucht worden, um die Ordnung zu stören, zur Verweigerung rechtlich noch bestehender Leistungen aufzufordern und zur gewaltsamen Empörung aufzureizen. Nach dem Willen Sr. Majestät des Königs im Einvernehmen mit der Deutschen Centralgewalt und mit Rücksicht auf eine deshalb besonders ergangene Requisition des Reichs-Justiz-Ministeriums zu Frankfurt vom 24. v. M. wende ich mich an die Justiz-Behörden des Landes, um daran zu erinnern, daß es vorzugsweise ihre Aufgabe ist, die Achtung und Wirksamkeit des Gesetzes aufrecht zu erhalten, und daß sie durch Lösung dieser Aufgabe dem Lande am besten dienen, da die wahre Freiheit nur auf dem Boden des Gesetzes gedeihen kann. Sie haben, wo ihnen die Verfolgung der Verbrechen von Amts wegen obliegt, nach erlangter Kenntniß ungesäumt einzuschreiten, wenn in Zeitschriften, durch Plakate, durch Reden bei Volks-Versammlungen und in Vereinen, oder durch Bildung von Vereinen mit verbrecherischen Zwecken die bestehenden Gesetze verletzt werden. Es ist nicht minder ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihren auf Grund der Gesetze ergehenden Verfügungen und Entscheidungen die gebührende Folge geleistet und deren Ausführung nöthigenfalls im Vereine mit den deshalb von dem Herrn Minister drs Innern mit besonderer Anweisung versehenen Verwaltungs-Behörden gesichert werde. Sie haben endlich nicht allein die Erledigung der bereits eingeleiteten Untersuchungen wegen Verbrechen der bezeichneten Gattung möglichst zu beschleunigen, sondern auch darauf bedacht zu seyn, daß bei Verübung neuer Verbrechen die Strafe möglichst schnell der That nachfolgt. Gleiche Pflichten liegen den Staats-Anwälten innerhalb ihrer Amtswirksamkeit ob. Je fester das Staats-Ministerium entschlossen ist, auf dem konstitutionellen Wege fortzuschreiten und dem Volke den Besitz seiner Freiheit vollständig zu erhalten, um so sicherer darf es darauf rechnen, daß kein wahrer Freund des Vaterlandes die Nothwendigkeit der baldigen Herstellung des gestörten Rechtszustandes verkennen werde und um so mehr darf es sich der Hoffnung hingeben, daß die Justiz-Behörden durch kräftiges Einschreiten wesentlich dazu beitragen werden. den von der großen Mehrheit des Volks bewahrten Sinn für Gesetzmäsigkeit und Ordnung zur Geltung gelangen zu lassen.
Berlin, den 8. Oktober 1848.
Der Hustiz-Minister, Kisker.
An sämmtliche Gerichtsbehörden“.
39 Breslau, 13. Okt. Das Gesetz der Nationalversammlung zu Frankfurt a. M. zu ihrem Schutze bringt mehr Lachen und Verachtung als Entrüstung hervor. Die „Oderzeitung“, ein entschieden demokratisches Journal, gibt folgende Erklärung: „Die Redakteure dieser Zeitung werden von heut ab keine Berichte über die Gesellschaft in der Paulskirche mehr mittheilen. Eine Versammlung, welche im Bewußtsein ihrer verlornen Ehre sich durch Strafgesetze vor der Kritik sicher stellen muß, ist moralisch todt. Ihr gegenüber hat die Presse nur noch eine Waffe ‒ Verachtung und Schweigen.“
Die demokratische Partei macht bei uns jede Anstrengung, den Willen des gesammten Volkes in der Verfassungsfrage zur Geltung zu bringen. Der demokratische Provinzial-Ausschuß für Schlesien hat an alle demokratischen Vereine der Provinz Rundschreiben geschickt, worin die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes angegeben werden. Es wird darin zu einer Monstrepetition an die Nationalversammlung aufgefordert, daß in der Verfassung: 1. bestimmt werde, daß jeder Deputirte, der ein von der Mehrzahl seiner Wähler ausgehendes Mißtrauensvotum erhält, sofort sein Mandat niederlegen müsse; 2. daß die Verfassung vier Wochen nach ihrer Annahme in der Nationalversammlung an ein und demselben Tage jeder Gemeinde des Landes zur Abstimmung durch ja oder nein vorgelegt werden müsse, weil nur auf diese Weise der Wille der Majorität des Volks zu erkennen sei. An dieses Schreiben knüpft sich eine Petition an die Nationalversammlung in Berlin, in welcher die Aufnahme folgender fünf Punkte in die Verfassung verlangt wird: direkte Wahlen; Einkammersystem; die Befugniß der Wähler, ihrem Deputirten das Mandat zu entziehen; für das Staatsoberhaupt nur ein suspensives Veto, wenn überhaupt von einem Veto die Rede sein solle; und endlich, daß die Verfassung zu jeder Zeit erweitert und verbessert werden könne.
Mannheim, 11. Okt. Wir haben neue Verhaftungen zu berichten; gestern um die Mittagsstunde wurden die Bürger Dr. Welker, Barth und Wimmer plötzlich in ihren Wohnungen durch Polizeidiener, Gensdarmerie und Gerichtspersonen überrascht, und sofort über Hals und Kopf nach Weinheim eskortirt. Die Scharfsinnigkeit der Polizei hat die Entdeckung gemacht, daß jene Männer bei der Eisenbahndemolirung zwischen Weinheim und Großsachsen betheiligt sein müßten, indem sie Tags vorher in Privat-Angelegenheiten sich in Weinheim befanden. Die Untersuchung wird herausstellen, wie viel an der ganzen Sache ist; wir greifen ihr nicht vor. Aber wir möchten doch gerne das Räthsel gelöst haben, was es mit der Rettung der Monarchie zu thun hat, daß die Verhafteten von hier nach Weinheim geschleppt wurden, während man die Weinheimer umgekehrt in Mannheim aufzubewahren sucht. Geschieht das vielleicht, um die Werkzeuge der Gewalt durch beständige Bewegung vor möglicher Erschlaffung zu schützen, oder ist es blos auf eine rechte Hetzjagd der verhafteten freigesinnten Bürger abgesehen? Wer weiß es; die Wege der Polizei sind unerforschlich und was sie zusagt, das hält sie gewiß. ‒ Aber was soll man von den Gerichten sagen, die einen solchen Unfug treiben, oder von oben der geduldig mit ansehen und geschehen lassen, während doch kein badischer Staatsbürger verfassungsmäßig seinem ordentlichen Gerichte entzogen werden kann, die Verbringung vor ein anderes Gericht und in einen andern Gerichtssprengel aber nichts weiter als eine willkürliche Entziehung oder Beschränkung des rechtlich zugesicherten Schutzes ist? Wir protestiren auch hier gegen eine derartige Behandlung unserer Mitbürger und wollen von den obern Gerichten erwarten, daß sie sofort dieser Willkürherrschaft Einhalt thun.
(M. A. Z.) Mannheim, 13. Okt. So eben kommt die „Mannheimer Abendzeitung“ in ihrer Nro. 151 von gerichtlicher Verfolgung vor hiesigem Hofgerichte zurück. Diese Nr. war wegen eines Artikels „vom Rhein“, der die Republik als das in dieser Zeitperiode zu erreichende Ziel darstellte, mit Beschlag belegt worden und der gr. Staatsanwalt Ammann hatte sowohl gegen den Verfasser des Artikels Bürger Ludwig Degen von hier als gegen den verantwortlichen Redakteur Bürger Münck je eine sechsmonatliche Arbeitshausstrafe beantragt. Die Vertheidigung führten O.-G.-Adv. Brentano und O.-G.-Adv. Eller, die Angeklagten wirkten persönlich dabei mit, namentlich hielt Degen eine treffliche Vertheidigungsrede. Das Ergebnis der Verhandlung ist, daß der Gerichtshof die Angeklagten frei sprach und die Staatskasse in die Kosten verurtheilte.
(M. A. Z.) Alzei, 13. Okt. Das hiesige Gericht verurtheilte heute den Redakteur der „Neuen Zeit“ wegen eines Artikels, der in diesem Blatt erschien und der nach dem Urtheil des Gerichtes eine Verletzung der „Amts- und Dienstehre“ des Ministers Jaup enthalten soll, zu drei Monaten Gefängniß.
Sigmaringen, 10. Okt. Die Regierung ist zurückgekehrt, und heute rückte das bairische Leibregiment nebst einiger Artillerie und Reiterei hier ein; die eine Hälfte ist in der Stadt, die andere in den benachbarten Dörfern einquartirt. Regierungsrath Stephani, der von dem Reichskommissar Grafen Keller mit der Führung der Untersuchung beauftragt ist, wohnt nebst dem Regimentsstabe in dem Schlosse. Die Verhaftungen und Untersuchungen haben bereits begonnen; Oberlieutenant v. Hofstetter hat sich in die Schweiz geflüchtet und befindet sich in Emmishofen. Würth, der Präsident des Sicherheitsausschusses, hütet seit acht Tagen das Bett; der Fürst wird nächster Tage zurückerwartet.
(Schw. M.) Heidelberg, 11. Okt. Gestern erhielt der Redakteur des hiesigen Journals ein Paket aus Frankfurt, welches mit dem großen deutschen Reichssiegel verschlossen war. Zitternd und zagend, um das doppelhalsige Thier nicht zu verletzen, öffnete er das Paket und fand darin?: ‒ Einige 100 derjenigen Exemplare der Flugblätter aus der „deutschen Nationalversammlung,“ in welchen die „Antwort deutscher Bürger auf die Ansprache der Linken an das deutsche Volk“ enthalten ist,“ und ein kleines verbindliches Brieflein eines hohen Beamten des Reichsministeriums, eines Mannheimers, welches die Bitte enthielt, obige Flugblätter zum Nutzen und Frommen der Majorität und zum abschreckenden Beispiele vor der gesinnungslosen u. s. w. Minorität der „deutschen Nationalversammlung“ als Beilage des hiesigen Journals zu verbreiten.
Ungarn Pesth. Kossuth ist am 6ten Abens von seiner Reise nach Pesth zurückgekehrt und wurde, als er am folgenden Tage in der Sitzung erschien, mit unbeschreiblichem Jubel aufgenommen. Er erzählte, daß 50,000 Mann ihm folgen und daß es nur eines Wortes von Seiten des Hauses bedürfe und es werde 300,000 Mann unter den Waffen habe.
Pesth, 6. Okt. Heute wurden dem Repräsentantenhause von dem königl. Kommissar Csanyi die übergebenen 226 neu aufgefangenen Briefe des Jellachich vorgelegt. Ein Theil ist noch gestern Abend bekannt geworden. Jellachich spricht sich in diesen Briefen offen aus, daß er die demokratische Partei in Oesterreich stürzen wolle und ein großes Slawenreich zu bilden seine Absicht sei. Am 30. Sept. wollte der Ban in Pesth einmarschiren. ‒ Gestern sind die gefangenen Kroaten und sechs österreichische Offiziere von der osener Nationalgarde begleitet, hier angekommen. Im Publikum spricht man den brutalen Wunsch aus, man solle die gefangenen Offiziere und je den fünften Mann von der Horde erschießen. Ueber die Offiziere ist man darum erbost, weil sie sich gebrauchen ließen, die Anführer solcher Räuber und Mordbrenner zu sein. ‒ Man spricht hier, daß die Landespolizei bei mehreren Aristokraten neue verrätherische Plane entdeckt habe; unter Andern bezeichnet man den Grafen Waldenstein, bei dem man Geld und Papiere für Jellachich gefunden haben soll.
(O. P.) Pesth, 7. Okt. Schon wieder wird eine Partie aufgefangerer Briefe aus dem kroatischen Lager ‒ sie sollen sich auf 226 nelaufen ‒ veröffentlicht. Sie sind meist an Privatpersonen gebichtet und enthalten manche interessante Details. Namentlich wird über den Mangel an Mannszucht, der beim kroatischen Landsturme herrscht, geklagt: „Unsere Gränzer (nicht die regulären Bataillons) sind von den gröbsten Exzessen nicht abzuhalten und rauben und plündern ganz fürchterlich; wir lassen alle Tage an 1000 Prügel austheilen, aber es hilft nichts, kein Gott, viel weniger ein Offizier hält sie zurück.“ Auch vertraute Herzensergießungen kommen vor, welche den Wienern wol schlecht munden dürften: „Heute sind wir in Stuhlweißenburg eingerückt, morgen, am 28. Sept. Hierzu eine Beilage.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |