Neue Rheinische Zeitung. Nr. 110. Köln, 23. September 1848.setzt hat. Dabei ist zu bedenken, daß Berlin seit dem 18. März nicht so ruhig war, wie in den letzten vier Wochen, besonders seit dem 7. September, seit der Niederlage des Ministeriums und doch spricht Wrangel von Anarchie, die er mit seinen ruhmgekrönten Soldaten, die mit geschliffenem Schwerte und Kugeln in der Tasche seinem Rufe harrten, niederschlagen werde.- So spricht man zu den Soldaten nur immer von einem kleinen Haufen Aufwiegler, um sie an den Gedanken eines baldigen Kampfes zu gewöhnen, den man bald hervorrufen wird, an dem aber nicht ein kleiner Haufen, sondern die halbe Bevölkerung Berlins Theil nehmen dürfte. Man erzählte heute folgenden Plan der Contrerevolution: Das neue Ministerium solle der Vereinbarer-Versammlung ein in Potsdam schon ausgearbeitete Verfassung vorlegen, worüber sich die Versammlung sofort über deren Annahme oder Verwerfung en bloc zu erklären haben würde. In beiden Fällen wird die Versammlung alsdann sogleich aufgelöst und die Wahl der verfassungsmäßigen Kammern, zur Berathung der organischen Gesetzte u. s. w. sogleich durch Wahlen mit Census, die in der Verfassung vorgeschrieben sind, angeordnet. Wie unsere demokratischen Klubs hierüber denken, braucht kaum bemerkt zu werden. Man spricht schon allgemein von dem bevorstehenden entscheidenden Kampfe, wo man das Aeußerste wagen, aber auch Alles erringen will. Die nöthigen Pläne zum Kampfe werden schon entworfen; es fehlt jedoch an einem fähigen und tüchtigen Anführer, dem sich Alle unterzuordnen hätten. Mit größter Spannung sieht man unter diesen Umständen der morgenden Sitzung der Vereinbarer-Versammlung entgegen. Es heißt allgemein, daß das neue Ministerium seine Sitze morgen einnehmen wird. Die Linke entwirft schon ihren Operationsplan, die Majorität ist ihr gewiß, da die Partei Unruh, das Centrum, wenn auch nicht vollständig, doch gewiß zum größten Theil mit der Linken stimmen und ihr die Majorität verschaffen wird. - In diesem Falle soll die gemäßigte Partei am Hofe es mit einem Ministerium des linken Centrums versuchen wollen, aber die Partei der Contrerevolution wird dies wahrscheinlich zu verhindern wissen. Soviel scheint sicher, daß am Hofe selbst sich zwei Parteien noch stark bekämpfen. Der König selbst, sagt man, sei unentschieden; er für seine Person möchte an seine Versprechungen vom März festhalten, während seine Umgebungen ihn mit jesuitischer Beredsamkeit zur Contrerevolution verleiten wollen. 61 Wien, 18. Sept. Wien war ehemals nur ein menschlicher Viehstall, in welchem kaum erlaubt war, zu - grunzen; durch die Aula hat Wien Geist erhalten, darum muß diese Aula vernichtet werden. Das ist seit lange das Feldgeschrei des spießbürgerlichen Blödsinns und der absolutistischen Wüthriche; mit diesem Feldgeschrei ward der Sicherheitsausschuß beseitigt, mit diesem Feldgeschrei wird, wenn's gut geht, die Legion und Nationalgarde, werden Vereine und Presse und endlich auch der Reichstag beseitigt werden. Nur mit Beseitigung des Sicherheitsausschußes konnte am 21. und 23. Aug. der Koup gegen die Arbeiter und damit ihre Trennung von Legion und Garde gelingen. Die Arbeiter werden nun von denen niedergemetzelt, von welchen sie Schutz erwarten durften; ein nachträgliches Bedauern durch Trauerzüge und gedrücktes Gestöhn konnte sie nicht versöhnen. Ihre gegenwärtige Stimmung ist daher eine grollende und sie haben erklärt, sich nun um nichts mehr kümmern zu wollen, möge geschehen, was wolle. Dies ist ein Hauptgrund der am 13. so frech hervorgetretenen kontrerevolutionären Unverschämtheit. Es hatten sich damals nur etwa 800 Arbeiter bei der Universität bewaffnet eingefunden. Nur das diktatorische Auftreten des Reichstags und die getheilte Stimmung der Nationalgarde ist im Stande gewesen, den Banditenchef Latour zum Verschieben der unvermeidlichen Metzelei zu bewegen. Dieselbe wird seit gestern aber nun auf heute bestimmt angesagt; der Farbenkrieg soll sie in der Weise einleiten, daß schwarzgelbe Fahnen überall statt der dreifarbigen ausgesteckt und so ein Krawall herbeigeführt werde. Ein großer Theil der Nationalgarde hat bereits die Dreifarbe abgelegt, um vorläufig keine zu tragen, es ist derjenige Theil, der unter anderm auch alle Fremden aus Wien vertrieben, die Legion und alle Genies, wie sie sich ausdrücken, zusammenkartätscht haben will. Ueber dem Schlosse von Schönbrunn wehte indessen gestern noch die deutsche Dreifarbenfahne; nur bemerkte ich, daß schwarz und gelb darin gänzlich zerrissen, roth aber noch unversehrt geblieben war. Aus Prag sind gestern Nationalgarden hier eingetroffen; es sind Czechen, welche dem freigesinnten Theile der Wiener Nationalgarde die Sympathie der Prager Bürgerschaft durch Ueberreichung einer czechisch-deutschen Fahne überbringen. Zugleich ist an den Abgeordneten Borrosch eine Adresse aus Prag angelangt, in welcher die Czechen sich gegen das Verhalten ihrer Abgeordneten im Reichstag verwahren und Borrosch's Verdienste um die Freiheit anerkennen. Um den Zwei- und Dreifarbenkrieg lächerlich zu machen, sind viele mit Kokarden aller Völker und Kronen Oestreichs herumspazirt und haben ihre Hunde, die meistentheils noch immer Metternich getauft werden, mit schwarzgelb dekorirt. Nach dem Beispiel mehrer Akademiker tragen auch die entschiedenen Demokraten keine Dreifarben mehr, sondern eine rothe Halsbinde, oder eine rothe Feder auf dem Kalabreser ist ihr neuester Schmuck und diese Rothen werden tagtäglich zahlreicher. So eben vernehme ich, daß die Nationalgarde der Stadt während der ganzen Nacht sur le qui vive bleiben mußte, ferner, daß die Nationalgarden der Vorstadt Wieden erklärt haben, ihre deutschen Farben nur mit den rothen vertauschen zu wollen. Später, 2 Uhr Nachmittags. Eine Deputation aus Pesth durchzieht so eben die Straßen der Stadt unter dem Jubelruf des Volks. Nationalgarden und akademische Legion waren zu ihrem Empfang in die Leopoldsstadt geeilt. Was die Deputation will, wird folgendes Plakat sagen:"Mitbürger! Die ungarische Reichsversammlung hat in der Sitzung vom 15. d. M. einstimmig beschlossen, aus ihrer Mitte eine Deputation nach Wien zu senden. Nicht an den König, nicht an die Minister, sondern an das Volk von Oestreich. Das östreichische Volk hat gewiß seine alten Sympathien für die hochherzigen Magyaren trotz der unablässigen Bemühungen einer großen Rückschrittspartei bis jetzt aufrecht erhalten. Es gilt nur bei der Gelegenheit dieser feierlichen und entscheidendsten Deputation, diese Gesinnungen, wie es freien Völkern geziemt, öffentlich vor Gott und der Welt zu bethätigen. Wir hoffen, das Volk Oestreichs wird sich als freie Nation beweisen! Im Namen vieler Garden." Der Empfang der Deputation war erschütternd. Nirgendwo in Deutschland erblickt man so begeisterte Physionomien, nirgendwo steht dem großen Volke so auf der Stirne geschrieben, daß gewaltige Bewegungen es sehr bald durchzucken werden. Gestern ist die Stadt Komorn in Ungarn gänzlich abgebrannt; das Regiment des Prinzen von Preußen soll sie angezündet haben: Komorn ist nämlich auch Festung. 800 Freiwillige aus Wien sind bereits in Budapesth angelangt. Das Militär soll die schwarzgelben Kokarden abgerissen und rothe dafür angesteckt haben. Das Repräsentantenhaus hat dem Palatin Stephan, der sich an die Spitze der ungarischen Armee gestellt und ins Lager begeben hat, zwei Commissarien zur Seite gestellt; ebenso dem Kriegsminister Meßaros. Die ungarische Deputation wird sich Morgen mit dem östreichischen Reichstag in Verbindung setzen. Die Dinge müssen nun einer letzten, gewaltsamen Entscheidung entgegengehen; der Anfang ist vielleicht heute noch möglich, denn die Aufregung und bange Erwartung ist die gewaltigste. Heute Morgen wurden auf dem Kohlmarkt mehre Läden zertrümmert, welche schwarzgelbe Bänder ausgestellt hatten. Ich begegnete ungewöhnlich vielen rothen Kokarden, rothen Bändern und rothen Kalabresern. Kühnheit und Energie lagert auf allen Gesichtern. - Heute keine Reichstagssitzung, aber eine große Versammlung im Odeon, viel Spannung und Ingrimm. Wien, 16. Sept. Der "Radikale" denunzirt folgende "Lüge des Ministeriums ": "Der erste Punkt der in der gestrigen Reichstagssitzung von Dr. Bioland gemachten Interpellation lautet: " Ist etwas davon wahr, daß unser Ministerium sich in seinen einzelnen Individuen nicht jenes Grades von Zugänglichkeit zum Monarchen erfreue, die ein gänzlich unbehinderter Verkehr mit ihm voraussetzt." Minister Wessenberg antwortete hierauf lakonisch: Nein. Ich erlaube mir dagegen folgendes Faktum zur Oeffentlichkeit zu bringen. Einige Tage nach der Arbeiter-Hetze stand Minister Schwarzer, ich, Ed. Mauthner und Redakteur P. Löwe im Vorsaale der Kammer. Die jüngsten Ereignisse bildeten Anfangs den Stoff des Gespräches. Man kam endlich auf andere Gegenstände und so theilte uns der Hr. Minister auch mit, daß nicht alle Glieder des Ministeriums gleich freien Zutritt beim Monarchen haben, sondern daß sich dieses Vorzuges nur einige Mitglieder desselben erfreuen, welche auch zur Tafel gezogen werden. Herr Schwarzer führte noch an, daß wenn die übrigen Minister etwas veranlassen wollen, sie es stets durch die Bevorzugten müssen einleiten lassen, so z. B. daß endlich Jemand von Hof in der Kammer erscheine u. dgl. Als ich mich hierauf äußerte, daß, wenn ich Minister wäre, ich dies gewiß nicht so dulden würde, setzte mir Hr. Schwarzer noch auseinander, daß in dieser Beziehung durchaus nichts zu machen sei. - Also wer hat gelogen, Schwarzer dazumal oder Wessenberg gestern? Uebrigens dürfen uns Widersprüche von unsern Herren Ministern nicht wundern. Am 21. August hörte ich Hrn. Schwarzer sagen, daß blos Geldmangel den 5 Kr. Abzug bei dem Taglohn der Arbeiter veranlaßt habe, wenige Tage darauf hörte ich Hrn. Schwarzer wieder sagen, daß durchaus nicht Geldmangel die Ursache des Abzuges gewesen ist. - Was war Lüge? - - Potsdam, 19. Sept. Einer vom Bürgerwehrklub an den Kommandeur des Garde-du-Corps-Regiments abgesendeten Deputation hat derselbe auf die Frage, ob eine Untersuchung gegen die Soldaten eingeleitet sei, welche am 12. Abends ohne vorherige Aufforderung zum Auseinandergehen und ohne Kommando scharf eingehauen haben, die Antwort ertheilt, daß dies nicht der Fall, da ihm die Sache amtlich nicht zu Ohren gekommen wäre. - Bei der ersten hier gehaltenen Volksversammlung haben sich über 2000 Soldaten aller Truppengattungen betheiligt, trotzdem ihnen von vielen Offizieren das Versprechen abgenommen war, nicht hinzugehen. Sie ging ohne Störung vorüber und die Redner, welche über denselben Gegenstand sprachen, der in der Volksversammlung vor dem Schönhauser Thore am vorigen Sonntage verhandelt wurde, ernteten ungeheuren Beifall. (B. Z. H.) Potsdam, 17. Sept. Heute Nachmittag um 3 1/2 Uhr war ein Jägerkommando in dem auf dem Brauhausberge neuerbauten Schießhause mit der Anfertigung von Spitzkugel-Patronen beschäftigt, als sich der nicht unbeträchtliche Pulvervorrath entzündete und das Dach sowie ein Theil des Hauses in die Luft flog. Glaubhaftem Vernehmen nach sind dabei 11 Mann mehr oder minder beschädigt. Provinz Posen. Kosten, 15. Sept. Der hiesige Distrikts-Kommissar hat in Folge höherer Anweisung an die Schul-Vorsteher die Aufforderung ergehen lassen, die bei jeder Schule angesammelten Fonds aus den für Schulversäumnisse eingezogenen Strafen zur freiwilligen Staatsanleihe beizusteuern oder die Fonds bei der Regierungshauptkasse niederzulegen, welche 4 procentige Staatspapiere dafür ankaufen und der Schule die Zinsen erstatten werde. Eine gleiche Aufforderung ist auch an die Schulvorstande, sowohl in Dörfern als in Städten, vermuthlich im ganzen Großherzogthum, ergangen. Nun muß man wissen, daß von diesen Fonds, die sich gewöhnlich auf 15-25 Thaler belaufen, die Reparaturen in den Schullokalen, an dem Inventarium etc. bestritten, daß endlich auch Bücher für arme Schulknaben dafür angeschafft werden. Wie groß muß die Armuth des Staates sein, wenn er sich an dem winzigen Vermögen der Landschulen wieder emporarbeiten will. Oder soll diese Maßregel vielleicht eine Strafe fur die Insurrektion sein? (B. Z. H.) 34 Mülheim a. d. Ruhr, 19. Septbr. In unser schönes romantisch-preuß. Ruhrthal, in dem das politische Leben sich bisher höchstens in dem begeisterten Bewußtsein:"Ich bin ein Preuße" koncentrirt hat, hat auch die neue Zeit ihre unheilvollen Ideen hineingeschleudert. Man denke sich den Greuel, es hat sich hier neben dem constitutionellen preuß. Verein ein demokratischer Verein constituirt. Obschon der erstgenannte Verein bis dato immer der Majorität der Berliner-Versammlung gehuldigt, so fand sich derselbe doch in Folge des Beschlusses über den Steinschen Antrag veranlaßt, gegen diesen Majoritäts-Beschluß Protest einzulegen, und hat diesen Protest am 16. d. M. beschlossen. Der hiesige demokratische Verein erließ gegen obigen Protest eine Gegen-Adresse, und schrieb Tags nachher durch Maueranschlag eine Volks-Versammlung in einem hiesigen Locale aus. Eine Volks-Versammlung durch Maueranschlag, vielleicht die erste in unserm lieben Mühlheim. Man denke sich die Besturzung, das ganze pietistische Bürgerthum faltete zitternd seine Hände, und rüstete sich gegen solch gottloses Unwesen, das Preußenthum witterte Republick und Anarchie, und mußte seinen Konig schützen. Die ganze Stadt war in Allarm, ob diesen unerhörten Wuhlereien, und wurde der Operations-Plan gehörig eingeleitet. Als am Abende zur bestimmten Zeit die Versammlung ihren Anfang nahm, hatten sich denn auch, obschon nur diejenigen die die Adresse in unserm Sinne wünschten, eingeladen waren, alle Schattirungen des Volks in solcher Zahl eingefunden, daß die Demokraten glaubten Wunder gethan zu haben. Aber das Wunder enthüllte sich noch mehr als der Präsident nach kurzer Motivirung die Adresse vorzulesen versuchte. Er konnte vor Pfeifen, Toben, Rufen und Skandal kaum mehr zu Worte kommen. Wenige Worte von den Häuptera des konstitutionellen Vereins reichten hin, um die ganze Versamluung in Allarm zu bringen."Herunter mit den Kerls""wir wollen Preußen bleiben","Hurrah's, Bivats", Getrommel und Wuthgeschrei im höchsten Grade, und als der Sturm sich wieder etwas gelegt hatte, und sich die wirklich demokratisch Gesinnten anschickten zur Unterschrift, und so der Plan der Gegner am Ende noch vereitelt worden wäre, da wurden noch einmal alle Maschinen angesetzt, und ein neuer Tumult brach los, so daß sich der Vorstand des demokratischen Vereins mit Mühe und unter Lebensgefahr aus dem Staube machen mußte. Das Luftspiel endete mit Fahndung auf Demokraten in allen Wirthshäusern, unter starkem Zusetzen von gebranntem Wasser, was von einigen hiesigen aristokratischen Wohlhabenden zu diesem Zweck bezahlt worden sein soll. Es fehlte weiter nichts, als Allarmirung der Bürgerwehr, und Mühlheim hätte einen seiner vollends würdigen Tage erlebt. 15 Crefeld, 21. Sept. Mit welcher fanatischen Wuth die Reaktion da, wo sie durch Geld und Macht noch das Uebergewicht hat, auftritt, davon gibt ein in Uerdingen a. Rhein stattgehabtes Attentat ein gutes Beispiel ab. Unterm 19. d. M. kamen mit dem Dampfboote von Düsseldorf in Uerdingen mehrere Demokraten an, um mit dem Lokalwagen von dort nach Crefeld zu fahren. Durch Bestechungen gelang es einigen Uerdinger Fabrikanten, eine Schaar Rheinarbeiter gegen jene Reisenden aufzuhetzen. Ein Steueraufseher Namens Meuten war der Anführer dieser Rotte, und suchte die mit Schnaps angefeuerte Masse zum Todtschlagen zu haranguiren. Nur das ruhige und feste Benehmen der Angegriffenen, deren Wagen von einigen Hunderten schon gewaltsam angefallen war, rettete sie. - Dies ist der gesetzliche Boden, von welchem die Reaktion so erbaulich winselt, und solcher Art sind die Mittel, deren sich die Fanatiker der Ruhe und Ordnung mit Gott für König und Vaterland bedienen. Dem Oberprokurator ist die Sache bereits angezeigt und wir werden seiner Zeit über das Weitere berichten. - Bei dieser Gelegenheit füge ich Ihnen noch die Namen der Denuncianten bei, welche einen Verhaftsbefehl gegen den Präsidenten des demokratischen Vereins, Bürger Imandt, auszuwirken suchten. Sie heißen: Camphausen, Bloem, Puller, Höffelmann, Overlach, Halfes, Paulus. - Der hiesige Denunziantenverein hat eine Dankadresse an Beckerath ausgelegt, woraus zu ersehen, was für Hoffnungen man auf Beckerath setzt. Der demokratische Klub wird ein Mißtrauensvotum gegen denselben erlassen. - In der letzten Volksversammlung von beinahe 2000 Personen wurde ein Protest gegen das Bürgerwehrgesetz erlassen, worauf der reaktionäre Theil der Bürgerwehr durch Bajonnett-Attaken in der Nähe des Sitzungssaales den demokratischen Klub einzuschüchtern versucht. An der Spitze dieser Umtriebe steht Herr Beckerath, Bruder des Ex-Reichsministers. * Koblenz, 20.Sept. Gestern Abend, als die Nachricht von dem durch den ehrlosen Waffenstillstand hervorgerufenen Blutvergießen in Frankfurt sich hier verbreitete, sammelte sich das Volk vor dem Hause des Abg. Adams, welcher jenen volksverrätherischen Beschluß mit durchgesetzt hatte. Die Fenster, Thüren, Fenstergesimse und Laden wurden demolirt, und zuletzt stürmte das Volk in das Haus, von wo man die Möbel auf die Straße warf. Zwei Stunden darauf wurde der Generalmarsch geschlagen, und von den 2000 Mann der Bürgerwehr fanden sich wirklich 150 "Wohlgesinnte" ein, welche von dem Volk verhöhnt wurden. Hrn. Stedmann, dem Frankfurter komischen Portefeuillejäger, war ein gleicher Besuch zugedacht. "Die Stimme der Frankfurter Versammlung aber ist die Stimme des Volkes!" (Jordan,) R. Aus Franken, 18. Sept. (Baierische Justiz.) Die Verhaftung des Herrn Sticht, Redakteurs der "Fränkischen Volkszeitung" in Schwabach, wegen Preßvergehen, wurde seiner Zeit in Ihrem Blatte mitgetheilt. Was ich Ihnen damals über die Schamlosigkeit des baierischen Richterstaates schrieb, findet in dem gegen Sticht nun vollendeten Untersuchungsverfahren und in dem soeben erfolgten Erkenntniß seine volle Bestätigung. Sticht wurde wegen Majestätsbeleidigung und Amtsehrenbeleidigung zu einem Jahre Festungsstrafe verurtheilt, ein nach dem baierischen Gesetzbuch mildes Erkenntniß, wenn Sticht strafbar war, ein himmelschreiendes aber, da selbst nach dem Buchstaben des baierischen Strafgesetzbuches Sticht durchaus schuldlos erscheint, und nur seine eigenen, dem objektiven Thatbestand geradezu widersprechenden, nur durch beispiellose Gefängnißqualen abgefolterten und den Charakter der Unzurechnungsfähigkeit allzudeutlich an der Stirne tragenden Geständnisse eine gewisse Handhabe zu einem verurtheilenden Erkenntniß darboten. Ich bitte Sie, mir über diesen baierischen Justizmord, über den natürlich die baierische "unabhängige" Presse ein tiefes Schweigen beobachtet, in Ihrem geschätzten Blatte einigen Raum zu gönnen. Was ich Ihnen gebe, ist zwar nichts vollständiges, aber es ist authentisch. Nach dem baierischen Strafgesetzbuch gehört zum Begriff der Majestätsbeleidigung, daß man " die Person des Staatsoberhauptes mit herabwürdigender Verachtung durch Worte oder Handlungen beleidigt." Von der Person des Königs von Baiern nun ist in den sämmtlichen incriminirten Stellen, welche aus dem Blatte Sticht's herausgehoben wurden, gar nicht die Rede. Nur aus Anlaß der Einladung, durch welche der König von Baiern vor dem Beginn der Nationalversammlung mehrere baierische Abgeordnete zu sich beschied, war in Sticht's Blatt bemerkt, daß solche königliche Einwirkungen auf Volksvertreter unstatthaft seien, und es war die Frage gestellt:"Kann ein solcher Fürst ein Herz zu seinem Volke haben, kann er es redlich meinen mit dem Wohle desselben?" Und darin findet man hier Majestätsbeleidigung! In folgender historischen Schilderung von dem Treiben der deutschen Fürsten im vorigen Jahrhundert:"Wir alle haben davon gehört, wie diese Geschlechter in Deutschland haus'ten, wie bei uns die entmenschten Markgrafen wütheten, wie in Sachsen die wollüstigen Churfürsten bankettirten und banquerottirten, wie die hessischen Seelenverkäufer ihre Unterthanen jochweise an England als Kriegssklaven verkauften u. s. w. " - in dieser Stelle fand der Untersuchungsrichter eine Majestätsbeleidigung. Und zwar folgendermaßen: Er findet darin eine Unterlassungssünde; - weil, da die Wahrheit der Geschichte für den Stand der Fürsten unangenehm sei (sic), man neben dem Sündenregister wenigstens auch einen Tugendspiegel edler Regenten hätte beisetzen müssen, wenn man nicht eine Beleidigung aller Fürsten habe beabsichtigen wollen!! - Eine weitere angeschuldigte Stelle ist ganz unverfänglich, und der Untersuchungsrichter hatte zuerst gar nicht auf sie reflektirt, und nahm sie erst dann vor, als er sah, daß der "mürbe gewordene", d. h. durch die scheußlichste Mißhandlung in völlige Apathie und an die Gränze des Wahnsinns gebrachte Angeschuldigte Alles zugab, was man nur wünschte. Es ist nämlich jetzt von der Untersuchungshaft des Unglücklichen ein Wort zu sagen. Sticht war während der Dauer der Untersuchung mit einem wegen gemeiner Verbrechen inhaftirten Subjekte zusammengesperrt, er mußte mit diesem ein und dasselbe, mit dem scheußlichsten, ekelhaftesten Ungeziefer angefüllte Lager theilen, man ließ ihn in diesem Loch dem Schmutz und Unrath preisgegeben ohne Wäsche, ohne Waschwasser, und als man ihm endlich frische Wäsche gewährte, gab sie ihm keine Erleichterung, weil sein Schlafgefährte nicht ebenfalls sich gereinigt hatte; man ließ ihn in diesem Zustand ohne Bücher, ohne Schreibzeug, ohne die Möglichkeit einer geistigen Beschäftigung. Wie es ihm gelang, einige mit Bleistift geschriebene Briefe aus dem Gefängniß zu spediren, ist mir nicht bekannt. Die, welche ich sah, lassen keinen Zweifel darüber, daß bereits der Wahnsinn bei dem durch diese ungewohnte, schauderhafte Mißhandlung gänzlich gebrochenen Unglücklichen angesetzt hatte. In der Hoffnung, nach Beendigung der Untersuchung in ein besseres Gefängniß versetzt zu werden, gab er alle Antworten, die man nur wünschte, ließ aufzeichnen und sich in den Mund legen, was man nur wollte, ohne im Mindesten etwas gegen das Protokoll zu erinnern, wenn er es sich je vorlesen ließ. Dieser Gemüthszustand wurde, wie von einem baierischen Untersuchungsrichter zu erwarten, zu Gunsten der Schuldhaftigkeit gehörig ausgebeutet. Der Vertheidiger, welcher die Fragen und Antworten durchlesen hat, spricht sich hierüber zwar sehr gemäßigt aber unzweideutig aus. Er sagt:"Dieser Aufsatz ist so unverfänglich, daß der Inquirent beim ersten Verhör ihn wegzulassen selbst für gut befunden hat und erst im 2. Verhör mit herausrückt, als er sah, daß Sticht mit einer wah setzt hat. Dabei ist zu bedenken, daß Berlin seit dem 18. März nicht so ruhig war, wie in den letzten vier Wochen, besonders seit dem 7. September, seit der Niederlage des Ministeriums und doch spricht Wrangel von Anarchie, die er mit seinen ruhmgekrönten Soldaten, die mit geschliffenem Schwerte und Kugeln in der Tasche seinem Rufe harrten, niederschlagen werde.‒ So spricht man zu den Soldaten nur immer von einem kleinen Haufen Aufwiegler, um sie an den Gedanken eines baldigen Kampfes zu gewöhnen, den man bald hervorrufen wird, an dem aber nicht ein kleiner Haufen, sondern die halbe Bevölkerung Berlins Theil nehmen dürfte. Man erzählte heute folgenden Plan der Contrerevolution: Das neue Ministerium solle der Vereinbarer-Versammlung ein in Potsdam schon ausgearbeitete Verfassung vorlegen, worüber sich die Versammlung sofort über deren Annahme oder Verwerfung en bloc zu erklären haben würde. In beiden Fällen wird die Versammlung alsdann sogleich aufgelöst und die Wahl der verfassungsmäßigen Kammern, zur Berathung der organischen Gesetzte u. s. w. sogleich durch Wahlen mit Census, die in der Verfassung vorgeschrieben sind, angeordnet. Wie unsere demokratischen Klubs hierüber denken, braucht kaum bemerkt zu werden. Man spricht schon allgemein von dem bevorstehenden entscheidenden Kampfe, wo man das Aeußerste wagen, aber auch Alles erringen will. Die nöthigen Pläne zum Kampfe werden schon entworfen; es fehlt jedoch an einem fähigen und tüchtigen Anführer, dem sich Alle unterzuordnen hätten. Mit größter Spannung sieht man unter diesen Umständen der morgenden Sitzung der Vereinbarer-Versammlung entgegen. Es heißt allgemein, daß das neue Ministerium seine Sitze morgen einnehmen wird. Die Linke entwirft schon ihren Operationsplan, die Majorität ist ihr gewiß, da die Partei Unruh, das Centrum, wenn auch nicht vollständig, doch gewiß zum größten Theil mit der Linken stimmen und ihr die Majorität verschaffen wird. ‒ In diesem Falle soll die gemäßigte Partei am Hofe es mit einem Ministerium des linken Centrums versuchen wollen, aber die Partei der Contrerevolution wird dies wahrscheinlich zu verhindern wissen. Soviel scheint sicher, daß am Hofe selbst sich zwei Parteien noch stark bekämpfen. Der König selbst, sagt man, sei unentschieden; er für seine Person möchte an seine Versprechungen vom März festhalten, während seine Umgebungen ihn mit jesuitischer Beredsamkeit zur Contrerevolution verleiten wollen. 61 Wien, 18. Sept. Wien war ehemals nur ein menschlicher Viehstall, in welchem kaum erlaubt war, zu ‒ grunzen; durch die Aula hat Wien Geist erhalten, darum muß diese Aula vernichtet werden. Das ist seit lange das Feldgeschrei des spießbürgerlichen Blödsinns und der absolutistischen Wüthriche; mit diesem Feldgeschrei ward der Sicherheitsausschuß beseitigt, mit diesem Feldgeschrei wird, wenn's gut geht, die Legion und Nationalgarde, werden Vereine und Presse und endlich auch der Reichstag beseitigt werden. Nur mit Beseitigung des Sicherheitsausschußes konnte am 21. und 23. Aug. der Koup gegen die Arbeiter und damit ihre Trennung von Legion und Garde gelingen. Die Arbeiter werden nun von denen niedergemetzelt, von welchen sie Schutz erwarten durften; ein nachträgliches Bedauern durch Trauerzüge und gedrücktes Gestöhn konnte sie nicht versöhnen. Ihre gegenwärtige Stimmung ist daher eine grollende und sie haben erklärt, sich nun um nichts mehr kümmern zu wollen, möge geschehen, was wolle. Dies ist ein Hauptgrund der am 13. so frech hervorgetretenen kontrerevolutionären Unverschämtheit. Es hatten sich damals nur etwa 800 Arbeiter bei der Universität bewaffnet eingefunden. Nur das diktatorische Auftreten des Reichstags und die getheilte Stimmung der Nationalgarde ist im Stande gewesen, den Banditenchef Latour zum Verschieben der unvermeidlichen Metzelei zu bewegen. Dieselbe wird seit gestern aber nun auf heute bestimmt angesagt; der Farbenkrieg soll sie in der Weise einleiten, daß schwarzgelbe Fahnen überall statt der dreifarbigen ausgesteckt und so ein Krawall herbeigeführt werde. Ein großer Theil der Nationalgarde hat bereits die Dreifarbe abgelegt, um vorläufig keine zu tragen, es ist derjenige Theil, der unter anderm auch alle Fremden aus Wien vertrieben, die Legion und alle Genies, wie sie sich ausdrücken, zusammenkartätscht haben will. Ueber dem Schlosse von Schönbrunn wehte indessen gestern noch die deutsche Dreifarbenfahne; nur bemerkte ich, daß schwarz und gelb darin gänzlich zerrissen, roth aber noch unversehrt geblieben war. Aus Prag sind gestern Nationalgarden hier eingetroffen; es sind Czechen, welche dem freigesinnten Theile der Wiener Nationalgarde die Sympathie der Prager Bürgerschaft durch Ueberreichung einer czechisch-deutschen Fahne überbringen. Zugleich ist an den Abgeordneten Borrosch eine Adresse aus Prag angelangt, in welcher die Czechen sich gegen das Verhalten ihrer Abgeordneten im Reichstag verwahren und Borrosch's Verdienste um die Freiheit anerkennen. Um den Zwei- und Dreifarbenkrieg lächerlich zu machen, sind viele mit Kokarden aller Völker und Kronen Oestreichs herumspazirt und haben ihre Hunde, die meistentheils noch immer Metternich getauft werden, mit schwarzgelb dekorirt. Nach dem Beispiel mehrer Akademiker tragen auch die entschiedenen Demokraten keine Dreifarben mehr, sondern eine rothe Halsbinde, oder eine rothe Feder auf dem Kalabreser ist ihr neuester Schmuck und diese Rothen werden tagtäglich zahlreicher. So eben vernehme ich, daß die Nationalgarde der Stadt während der ganzen Nacht sur le qui vive bleiben mußte, ferner, daß die Nationalgarden der Vorstadt Wieden erklärt haben, ihre deutschen Farben nur mit den rothen vertauschen zu wollen. Später, 2 Uhr Nachmittags. Eine Deputation aus Pesth durchzieht so eben die Straßen der Stadt unter dem Jubelruf des Volks. Nationalgarden und akademische Legion waren zu ihrem Empfang in die Leopoldsstadt geeilt. Was die Deputation will, wird folgendes Plakat sagen:„Mitbürger! Die ungarische Reichsversammlung hat in der Sitzung vom 15. d. M. einstimmig beschlossen, aus ihrer Mitte eine Deputation nach Wien zu senden. Nicht an den König, nicht an die Minister, sondern an das Volk von Oestreich. Das östreichische Volk hat gewiß seine alten Sympathien für die hochherzigen Magyaren trotz der unablässigen Bemühungen einer großen Rückschrittspartei bis jetzt aufrecht erhalten. Es gilt nur bei der Gelegenheit dieser feierlichen und entscheidendsten Deputation, diese Gesinnungen, wie es freien Völkern geziemt, öffentlich vor Gott und der Welt zu bethätigen. Wir hoffen, das Volk Oestreichs wird sich als freie Nation beweisen! Im Namen vieler Garden.“ Der Empfang der Deputation war erschütternd. Nirgendwo in Deutschland erblickt man so begeisterte Physionomien, nirgendwo steht dem großen Volke so auf der Stirne geschrieben, daß gewaltige Bewegungen es sehr bald durchzucken werden. Gestern ist die Stadt Komorn in Ungarn gänzlich abgebrannt; das Regiment des Prinzen von Preußen soll sie angezündet haben: Komorn ist nämlich auch Festung. 800 Freiwillige aus Wien sind bereits in Budapesth angelangt. Das Militär soll die schwarzgelben Kokarden abgerissen und rothe dafür angesteckt haben. Das Repräsentantenhaus hat dem Palatin Stephan, der sich an die Spitze der ungarischen Armee gestellt und ins Lager begeben hat, zwei Commissarien zur Seite gestellt; ebenso dem Kriegsminister Meßaros. Die ungarische Deputation wird sich Morgen mit dem östreichischen Reichstag in Verbindung setzen. Die Dinge müssen nun einer letzten, gewaltsamen Entscheidung entgegengehen; der Anfang ist vielleicht heute noch möglich, denn die Aufregung und bange Erwartung ist die gewaltigste. Heute Morgen wurden auf dem Kohlmarkt mehre Läden zertrümmert, welche schwarzgelbe Bänder ausgestellt hatten. Ich begegnete ungewöhnlich vielen rothen Kokarden, rothen Bändern und rothen Kalabresern. Kühnheit und Energie lagert auf allen Gesichtern. ‒ Heute keine Reichstagssitzung, aber eine große Versammlung im Odeon, viel Spannung und Ingrimm. Wien, 16. Sept. Der „Radikale“ denunzirt folgende „Lüge des Ministeriums “: „Der erste Punkt der in der gestrigen Reichstagssitzung von Dr. Bioland gemachten Interpellation lautet: „ Ist etwas davon wahr, daß unser Ministerium sich in seinen einzelnen Individuen nicht jenes Grades von Zugänglichkeit zum Monarchen erfreue, die ein gänzlich unbehinderter Verkehr mit ihm voraussetzt.“ Minister Wessenberg antwortete hierauf lakonisch: Nein. Ich erlaube mir dagegen folgendes Faktum zur Oeffentlichkeit zu bringen. Einige Tage nach der Arbeiter-Hetze stand Minister Schwarzer, ich, Ed. Mauthner und Redakteur P. Löwe im Vorsaale der Kammer. Die jüngsten Ereignisse bildeten Anfangs den Stoff des Gespräches. Man kam endlich auf andere Gegenstände und so theilte uns der Hr. Minister auch mit, daß nicht alle Glieder des Ministeriums gleich freien Zutritt beim Monarchen haben, sondern daß sich dieses Vorzuges nur einige Mitglieder desselben erfreuen, welche auch zur Tafel gezogen werden. Herr Schwarzer führte noch an, daß wenn die übrigen Minister etwas veranlassen wollen, sie es stets durch die Bevorzugten müssen einleiten lassen, so z. B. daß endlich Jemand von Hof in der Kammer erscheine u. dgl. Als ich mich hierauf äußerte, daß, wenn ich Minister wäre, ich dies gewiß nicht so dulden würde, setzte mir Hr. Schwarzer noch auseinander, daß in dieser Beziehung durchaus nichts zu machen sei. ‒ Also wer hat gelogen, Schwarzer dazumal oder Wessenberg gestern? Uebrigens dürfen uns Widersprüche von unsern Herren Ministern nicht wundern. Am 21. August hörte ich Hrn. Schwarzer sagen, daß blos Geldmangel den 5 Kr. Abzug bei dem Taglohn der Arbeiter veranlaßt habe, wenige Tage darauf hörte ich Hrn. Schwarzer wieder sagen, daß durchaus nicht Geldmangel die Ursache des Abzuges gewesen ist. ‒ Was war Lüge? ‒ ‒ Potsdam, 19. Sept. Einer vom Bürgerwehrklub an den Kommandeur des Garde-du-Corps-Regiments abgesendeten Deputation hat derselbe auf die Frage, ob eine Untersuchung gegen die Soldaten eingeleitet sei, welche am 12. Abends ohne vorherige Aufforderung zum Auseinandergehen und ohne Kommando scharf eingehauen haben, die Antwort ertheilt, daß dies nicht der Fall, da ihm die Sache amtlich nicht zu Ohren gekommen wäre. ‒ Bei der ersten hier gehaltenen Volksversammlung haben sich über 2000 Soldaten aller Truppengattungen betheiligt, trotzdem ihnen von vielen Offizieren das Versprechen abgenommen war, nicht hinzugehen. Sie ging ohne Störung vorüber und die Redner, welche über denselben Gegenstand sprachen, der in der Volksversammlung vor dem Schönhauser Thore am vorigen Sonntage verhandelt wurde, ernteten ungeheuren Beifall. (B. Z. H.) Potsdam, 17. Sept. Heute Nachmittag um 3 1/2 Uhr war ein Jägerkommando in dem auf dem Brauhausberge neuerbauten Schießhause mit der Anfertigung von Spitzkugel-Patronen beschäftigt, als sich der nicht unbeträchtliche Pulvervorrath entzündete und das Dach sowie ein Theil des Hauses in die Luft flog. Glaubhaftem Vernehmen nach sind dabei 11 Mann mehr oder minder beschädigt. Provinz Posen. Kosten, 15. Sept. Der hiesige Distrikts-Kommissar hat in Folge höherer Anweisung an die Schul-Vorsteher die Aufforderung ergehen lassen, die bei jeder Schule angesammelten Fonds aus den für Schulversäumnisse eingezogenen Strafen zur freiwilligen Staatsanleihe beizusteuern oder die Fonds bei der Regierungshauptkasse niederzulegen, welche 4 procentige Staatspapiere dafür ankaufen und der Schule die Zinsen erstatten werde. Eine gleiche Aufforderung ist auch an die Schulvorstande, sowohl in Dörfern als in Städten, vermuthlich im ganzen Großherzogthum, ergangen. Nun muß man wissen, daß von diesen Fonds, die sich gewöhnlich auf 15-25 Thaler belaufen, die Reparaturen in den Schullokalen, an dem Inventarium etc. bestritten, daß endlich auch Bücher für arme Schulknaben dafür angeschafft werden. Wie groß muß die Armuth des Staates sein, wenn er sich an dem winzigen Vermögen der Landschulen wieder emporarbeiten will. Oder soll diese Maßregel vielleicht eine Strafe fur die Insurrektion sein? (B. Z. H.) 34 Mülheim a. d. Ruhr, 19. Septbr. In unser schönes romantisch-preuß. Ruhrthal, in dem das politische Leben sich bisher höchstens in dem begeisterten Bewußtsein:„Ich bin ein Preuße“ koncentrirt hat, hat auch die neue Zeit ihre unheilvollen Ideen hineingeschleudert. Man denke sich den Greuel, es hat sich hier neben dem constitutionellen preuß. Verein ein demokratischer Verein constituirt. Obschon der erstgenannte Verein bis dato immer der Majorität der Berliner-Versammlung gehuldigt, so fand sich derselbe doch in Folge des Beschlusses über den Steinschen Antrag veranlaßt, gegen diesen Majoritäts-Beschluß Protest einzulegen, und hat diesen Protest am 16. d. M. beschlossen. Der hiesige demokratische Verein erließ gegen obigen Protest eine Gegen-Adresse, und schrieb Tags nachher durch Maueranschlag eine Volks-Versammlung in einem hiesigen Locale aus. Eine Volks-Versammlung durch Maueranschlag, vielleicht die erste in unserm lieben Mühlheim. Man denke sich die Besturzung, das ganze pietistische Bürgerthum faltete zitternd seine Hände, und rüstete sich gegen solch gottloses Unwesen, das Preußenthum witterte Republick und Anarchie, und mußte seinen Konig schützen. Die ganze Stadt war in Allarm, ob diesen unerhörten Wuhlereien, und wurde der Operations-Plan gehörig eingeleitet. Als am Abende zur bestimmten Zeit die Versammlung ihren Anfang nahm, hatten sich denn auch, obschon nur diejenigen die die Adresse in unserm Sinne wünschten, eingeladen waren, alle Schattirungen des Volks in solcher Zahl eingefunden, daß die Demokraten glaubten Wunder gethan zu haben. Aber das Wunder enthüllte sich noch mehr als der Präsident nach kurzer Motivirung die Adresse vorzulesen versuchte. Er konnte vor Pfeifen, Toben, Rufen und Skandal kaum mehr zu Worte kommen. Wenige Worte von den Häuptera des konstitutionellen Vereins reichten hin, um die ganze Versamluung in Allarm zu bringen.„Herunter mit den Kerls“„wir wollen Preußen bleiben“,„Hurrah's, Bivats“, Getrommel und Wuthgeschrei im höchsten Grade, und als der Sturm sich wieder etwas gelegt hatte, und sich die wirklich demokratisch Gesinnten anschickten zur Unterschrift, und so der Plan der Gegner am Ende noch vereitelt worden wäre, da wurden noch einmal alle Maschinen angesetzt, und ein neuer Tumult brach los, so daß sich der Vorstand des demokratischen Vereins mit Mühe und unter Lebensgefahr aus dem Staube machen mußte. Das Luftspiel endete mit Fahndung auf Demokraten in allen Wirthshäusern, unter starkem Zusetzen von gebranntem Wasser, was von einigen hiesigen aristokratischen Wohlhabenden zu diesem Zweck bezahlt worden sein soll. Es fehlte weiter nichts, als Allarmirung der Bürgerwehr, und Mühlheim hätte einen seiner vollends würdigen Tage erlebt. 15 Crefeld, 21. Sept. Mit welcher fanatischen Wuth die Reaktion da, wo sie durch Geld und Macht noch das Uebergewicht hat, auftritt, davon gibt ein in Uerdingen a. Rhein stattgehabtes Attentat ein gutes Beispiel ab. Unterm 19. d. M. kamen mit dem Dampfboote von Düsseldorf in Uerdingen mehrere Demokraten an, um mit dem Lokalwagen von dort nach Crefeld zu fahren. Durch Bestechungen gelang es einigen Uerdinger Fabrikanten, eine Schaar Rheinarbeiter gegen jene Reisenden aufzuhetzen. Ein Steueraufseher Namens Meuten war der Anführer dieser Rotte, und suchte die mit Schnaps angefeuerte Masse zum Todtschlagen zu haranguiren. Nur das ruhige und feste Benehmen der Angegriffenen, deren Wagen von einigen Hunderten schon gewaltsam angefallen war, rettete sie. ‒ Dies ist der gesetzliche Boden, von welchem die Reaktion so erbaulich winselt, und solcher Art sind die Mittel, deren sich die Fanatiker der Ruhe und Ordnung mit Gott für König und Vaterland bedienen. Dem Oberprokurator ist die Sache bereits angezeigt und wir werden seiner Zeit über das Weitere berichten. ‒ Bei dieser Gelegenheit füge ich Ihnen noch die Namen der Denuncianten bei, welche einen Verhaftsbefehl gegen den Präsidenten des demokratischen Vereins, Bürger Imandt, auszuwirken suchten. Sie heißen: Camphausen, Bloem, Puller, Höffelmann, Overlach, Halfes, Paulus. ‒ Der hiesige Denunziantenverein hat eine Dankadresse an Beckerath ausgelegt, woraus zu ersehen, was für Hoffnungen man auf Beckerath setzt. Der demokratische Klub wird ein Mißtrauensvotum gegen denselben erlassen. ‒ In der letzten Volksversammlung von beinahe 2000 Personen wurde ein Protest gegen das Bürgerwehrgesetz erlassen, worauf der reaktionäre Theil der Bürgerwehr durch Bajonnett-Attaken in der Nähe des Sitzungssaales den demokratischen Klub einzuschüchtern versucht. An der Spitze dieser Umtriebe steht Herr Beckerath, Bruder des Ex-Reichsministers. * Koblenz, 20.Sept. Gestern Abend, als die Nachricht von dem durch den ehrlosen Waffenstillstand hervorgerufenen Blutvergießen in Frankfurt sich hier verbreitete, sammelte sich das Volk vor dem Hause des Abg. Adams, welcher jenen volksverrätherischen Beschluß mit durchgesetzt hatte. Die Fenster, Thüren, Fenstergesimse und Laden wurden demolirt, und zuletzt stürmte das Volk in das Haus, von wo man die Möbel auf die Straße warf. Zwei Stunden darauf wurde der Generalmarsch geschlagen, und von den 2000 Mann der Bürgerwehr fanden sich wirklich 150 „Wohlgesinnte“ ein, welche von dem Volk verhöhnt wurden. Hrn. Stedmann, dem Frankfurter komischen Portefeuillejäger, war ein gleicher Besuch zugedacht. „Die Stimme der Frankfurter Versammlung aber ist die Stimme des Volkes!“ (Jordan,) R. Aus Franken, 18. Sept. (Baierische Justiz.) Die Verhaftung des Herrn Sticht, Redakteurs der „Fränkischen Volkszeitung“ in Schwabach, wegen Preßvergehen, wurde seiner Zeit in Ihrem Blatte mitgetheilt. Was ich Ihnen damals über die Schamlosigkeit des baierischen Richterstaates schrieb, findet in dem gegen Sticht nun vollendeten Untersuchungsverfahren und in dem soeben erfolgten Erkenntniß seine volle Bestätigung. Sticht wurde wegen Majestätsbeleidigung und Amtsehrenbeleidigung zu einem Jahre Festungsstrafe verurtheilt, ein nach dem baierischen Gesetzbuch mildes Erkenntniß, wenn Sticht strafbar war, ein himmelschreiendes aber, da selbst nach dem Buchstaben des baierischen Strafgesetzbuches Sticht durchaus schuldlos erscheint, und nur seine eigenen, dem objektiven Thatbestand geradezu widersprechenden, nur durch beispiellose Gefängnißqualen abgefolterten und den Charakter der Unzurechnungsfähigkeit allzudeutlich an der Stirne tragenden Geständnisse eine gewisse Handhabe zu einem verurtheilenden Erkenntniß darboten. Ich bitte Sie, mir über diesen baierischen Justizmord, über den natürlich die baierische „unabhängige“ Presse ein tiefes Schweigen beobachtet, in Ihrem geschätzten Blatte einigen Raum zu gönnen. Was ich Ihnen gebe, ist zwar nichts vollständiges, aber es ist authentisch. Nach dem baierischen Strafgesetzbuch gehört zum Begriff der Majestätsbeleidigung, daß man „ die Person des Staatsoberhauptes mit herabwürdigender Verachtung durch Worte oder Handlungen beleidigt.“ Von der Person des Königs von Baiern nun ist in den sämmtlichen incriminirten Stellen, welche aus dem Blatte Sticht's herausgehoben wurden, gar nicht die Rede. Nur aus Anlaß der Einladung, durch welche der König von Baiern vor dem Beginn der Nationalversammlung mehrere baierische Abgeordnete zu sich beschied, war in Sticht's Blatt bemerkt, daß solche königliche Einwirkungen auf Volksvertreter unstatthaft seien, und es war die Frage gestellt:„Kann ein solcher Fürst ein Herz zu seinem Volke haben, kann er es redlich meinen mit dem Wohle desselben?“ Und darin findet man hier Majestätsbeleidigung! In folgender historischen Schilderung von dem Treiben der deutschen Fürsten im vorigen Jahrhundert:„Wir alle haben davon gehört, wie diese Geschlechter in Deutschland haus'ten, wie bei uns die entmenschten Markgrafen wütheten, wie in Sachsen die wollüstigen Churfürsten bankettirten und banquerottirten, wie die hessischen Seelenverkäufer ihre Unterthanen jochweise an England als Kriegssklaven verkauften u. s. w. “ ‒ in dieser Stelle fand der Untersuchungsrichter eine Majestätsbeleidigung. Und zwar folgendermaßen: Er findet darin eine Unterlassungssünde; ‒ weil, da die Wahrheit der Geschichte für den Stand der Fürsten unangenehm sei (sic), man neben dem Sündenregister wenigstens auch einen Tugendspiegel edler Regenten hätte beisetzen müssen, wenn man nicht eine Beleidigung aller Fürsten habe beabsichtigen wollen!! ‒ Eine weitere angeschuldigte Stelle ist ganz unverfänglich, und der Untersuchungsrichter hatte zuerst gar nicht auf sie reflektirt, und nahm sie erst dann vor, als er sah, daß der „mürbe gewordene“, d. h. durch die scheußlichste Mißhandlung in völlige Apathie und an die Gränze des Wahnsinns gebrachte Angeschuldigte Alles zugab, was man nur wünschte. Es ist nämlich jetzt von der Untersuchungshaft des Unglücklichen ein Wort zu sagen. Sticht war während der Dauer der Untersuchung mit einem wegen gemeiner Verbrechen inhaftirten Subjekte zusammengesperrt, er mußte mit diesem ein und dasselbe, mit dem scheußlichsten, ekelhaftesten Ungeziefer angefüllte Lager theilen, man ließ ihn in diesem Loch dem Schmutz und Unrath preisgegeben ohne Wäsche, ohne Waschwasser, und als man ihm endlich frische Wäsche gewährte, gab sie ihm keine Erleichterung, weil sein Schlafgefährte nicht ebenfalls sich gereinigt hatte; man ließ ihn in diesem Zustand ohne Bücher, ohne Schreibzeug, ohne die Möglichkeit einer geistigen Beschäftigung. Wie es ihm gelang, einige mit Bleistift geschriebene Briefe aus dem Gefängniß zu spediren, ist mir nicht bekannt. Die, welche ich sah, lassen keinen Zweifel darüber, daß bereits der Wahnsinn bei dem durch diese ungewohnte, schauderhafte Mißhandlung gänzlich gebrochenen Unglücklichen angesetzt hatte. In der Hoffnung, nach Beendigung der Untersuchung in ein besseres Gefängniß versetzt zu werden, gab er alle Antworten, die man nur wünschte, ließ aufzeichnen und sich in den Mund legen, was man nur wollte, ohne im Mindesten etwas gegen das Protokoll zu erinnern, wenn er es sich je vorlesen ließ. Dieser Gemüthszustand wurde, wie von einem baierischen Untersuchungsrichter zu erwarten, zu Gunsten der Schuldhaftigkeit gehörig ausgebeutet. Der Vertheidiger, welcher die Fragen und Antworten durchlesen hat, spricht sich hierüber zwar sehr gemäßigt aber unzweideutig aus. Er sagt:„Dieser Aufsatz ist so unverfänglich, daß der Inquirent beim ersten Verhör ihn wegzulassen selbst für gut befunden hat und erst im 2. Verhör mit herausrückt, als er sah, daß Sticht mit einer wah <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar110_007" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0546"/> setzt hat. Dabei ist zu bedenken, daß Berlin seit dem 18. März nicht so ruhig war, wie in den letzten vier Wochen, besonders seit dem 7. September, seit der Niederlage des Ministeriums und doch spricht Wrangel von Anarchie, die er mit seinen ruhmgekrönten Soldaten, die mit geschliffenem Schwerte und Kugeln in der Tasche seinem Rufe harrten, niederschlagen werde.‒ So spricht man zu den Soldaten nur immer von einem kleinen Haufen Aufwiegler, um sie an den Gedanken eines baldigen Kampfes zu gewöhnen, den man bald hervorrufen wird, an dem aber nicht ein kleiner Haufen, sondern die halbe Bevölkerung Berlins Theil nehmen dürfte.</p> <p>Man erzählte heute folgenden Plan der Contrerevolution: Das neue Ministerium solle der Vereinbarer-Versammlung ein in Potsdam schon ausgearbeitete Verfassung vorlegen, worüber sich die Versammlung sofort über deren Annahme oder Verwerfung en bloc zu erklären haben würde. In beiden Fällen wird die Versammlung alsdann sogleich aufgelöst und die Wahl der verfassungsmäßigen Kammern, zur Berathung der organischen Gesetzte u. s. w. sogleich durch Wahlen mit <hi rendition="#g">Census,</hi> die in der Verfassung vorgeschrieben sind, angeordnet.</p> <p>Wie unsere demokratischen Klubs hierüber denken, braucht kaum bemerkt zu werden. Man spricht schon allgemein von dem bevorstehenden entscheidenden Kampfe, wo man das Aeußerste wagen, aber auch Alles erringen will. Die nöthigen Pläne zum Kampfe werden schon entworfen; es fehlt jedoch an einem fähigen und tüchtigen Anführer, dem sich Alle unterzuordnen hätten.</p> <p>Mit größter Spannung sieht man unter diesen Umständen der morgenden Sitzung der Vereinbarer-Versammlung entgegen. Es heißt allgemein, daß das neue Ministerium seine Sitze morgen einnehmen wird. Die Linke entwirft schon ihren Operationsplan, die Majorität ist ihr gewiß, da die Partei Unruh, das Centrum, wenn auch nicht vollständig, doch gewiß zum größten Theil mit der Linken stimmen und ihr die Majorität verschaffen wird. ‒ In diesem Falle soll die gemäßigte Partei am Hofe es mit einem Ministerium des linken Centrums versuchen wollen, aber die Partei der Contrerevolution wird dies wahrscheinlich zu verhindern wissen.</p> <p>Soviel scheint sicher, daß am Hofe selbst sich zwei Parteien noch stark bekämpfen. Der König selbst, sagt man, sei unentschieden; er für seine Person möchte an seine Versprechungen vom März festhalten, während seine Umgebungen ihn mit jesuitischer Beredsamkeit zur Contrerevolution verleiten wollen.</p> </div> <div xml:id="ar110_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 18. Sept.</head> <p>Wien war ehemals nur ein menschlicher Viehstall, in welchem kaum erlaubt war, zu ‒ grunzen; durch die Aula hat Wien Geist erhalten, darum muß diese Aula vernichtet werden. Das ist seit lange das Feldgeschrei des spießbürgerlichen Blödsinns und der absolutistischen Wüthriche; mit diesem Feldgeschrei ward der Sicherheitsausschuß beseitigt, mit diesem Feldgeschrei wird, wenn's gut geht, die Legion und Nationalgarde, werden Vereine und Presse und endlich auch der Reichstag beseitigt werden. Nur mit Beseitigung des Sicherheitsausschußes konnte am 21. und 23. Aug. der Koup gegen die Arbeiter und damit ihre Trennung von Legion und Garde gelingen. Die Arbeiter werden nun von denen niedergemetzelt, von welchen sie Schutz erwarten durften; ein nachträgliches Bedauern durch Trauerzüge und gedrücktes Gestöhn konnte sie nicht versöhnen. Ihre gegenwärtige Stimmung ist daher eine grollende und sie haben erklärt, sich nun um nichts mehr kümmern zu wollen, möge geschehen, was wolle. Dies ist ein Hauptgrund der am 13. so frech hervorgetretenen kontrerevolutionären Unverschämtheit. Es hatten sich damals nur etwa 800 Arbeiter bei der Universität bewaffnet eingefunden. Nur das diktatorische Auftreten des Reichstags und die getheilte Stimmung der Nationalgarde ist im Stande gewesen, den Banditenchef Latour zum Verschieben der unvermeidlichen Metzelei zu bewegen. Dieselbe wird seit gestern aber nun auf heute bestimmt angesagt; der Farbenkrieg soll sie in der Weise einleiten, daß schwarzgelbe Fahnen überall statt der dreifarbigen ausgesteckt und so ein Krawall herbeigeführt werde. Ein großer Theil der Nationalgarde hat bereits die Dreifarbe abgelegt, um vorläufig keine zu tragen, es ist derjenige Theil, der unter anderm auch alle Fremden aus Wien vertrieben, die Legion und alle Genies, wie sie sich ausdrücken, zusammenkartätscht haben will.</p> <p>Ueber dem Schlosse von Schönbrunn wehte indessen gestern noch die deutsche Dreifarbenfahne; nur bemerkte ich, daß schwarz und gelb darin gänzlich zerrissen, <hi rendition="#g">roth</hi> aber noch unversehrt geblieben war.</p> <p>Aus Prag sind gestern Nationalgarden hier eingetroffen; es sind Czechen, welche dem freigesinnten Theile der Wiener Nationalgarde die Sympathie der Prager Bürgerschaft durch Ueberreichung einer czechisch-deutschen Fahne überbringen. Zugleich ist an den Abgeordneten Borrosch eine Adresse aus Prag angelangt, in welcher die Czechen sich gegen das Verhalten ihrer Abgeordneten im Reichstag verwahren und Borrosch's Verdienste um die Freiheit anerkennen.</p> <p>Um den Zwei- und Dreifarbenkrieg lächerlich zu machen, sind viele mit Kokarden aller Völker und Kronen Oestreichs herumspazirt und haben ihre Hunde, die meistentheils noch immer Metternich getauft werden, mit schwarzgelb dekorirt. Nach dem Beispiel mehrer Akademiker tragen auch die entschiedenen Demokraten keine Dreifarben mehr, sondern eine rothe Halsbinde, oder eine rothe Feder auf dem Kalabreser ist ihr neuester Schmuck und diese <hi rendition="#g">Rothen</hi> werden tagtäglich zahlreicher.</p> <p>So eben vernehme ich, daß die Nationalgarde der Stadt während der ganzen Nacht sur le qui vive bleiben mußte, ferner, daß die Nationalgarden der Vorstadt Wieden erklärt haben, ihre deutschen Farben nur mit den rothen vertauschen zu wollen.</p> <p><hi rendition="#g">Später,</hi> 2 Uhr Nachmittags. Eine Deputation aus Pesth durchzieht so eben die Straßen der Stadt unter dem Jubelruf des Volks. Nationalgarden und akademische Legion waren zu ihrem Empfang in die Leopoldsstadt geeilt. Was die Deputation will, wird folgendes Plakat sagen:„Mitbürger! Die ungarische Reichsversammlung hat in der Sitzung vom 15. d. M. einstimmig beschlossen, aus ihrer Mitte eine Deputation nach Wien zu senden. Nicht an den <hi rendition="#g">König,</hi> nicht an die <hi rendition="#g">Minister,</hi> sondern an das Volk von Oestreich. Das östreichische Volk hat gewiß seine alten Sympathien für die hochherzigen Magyaren trotz der unablässigen Bemühungen einer großen Rückschrittspartei bis jetzt aufrecht erhalten. Es gilt nur bei der Gelegenheit dieser feierlichen und entscheidendsten Deputation, diese Gesinnungen, wie es freien Völkern geziemt, öffentlich vor Gott und der Welt zu bethätigen. Wir hoffen, das Volk Oestreichs wird sich als <hi rendition="#g">freie</hi> Nation beweisen! Im Namen vieler Garden.“</p> <p>Der Empfang der Deputation war erschütternd. Nirgendwo in Deutschland erblickt man so begeisterte Physionomien, nirgendwo steht dem großen Volke so auf der Stirne geschrieben, daß gewaltige Bewegungen es sehr bald durchzucken werden.</p> <p>Gestern ist die Stadt Komorn in Ungarn gänzlich abgebrannt; das Regiment des Prinzen von Preußen soll sie angezündet haben: Komorn ist nämlich auch Festung. 800 Freiwillige aus Wien sind bereits in Budapesth angelangt. Das Militär soll die schwarzgelben Kokarden abgerissen und rothe dafür angesteckt haben. Das Repräsentantenhaus hat dem Palatin Stephan, der sich an die Spitze der ungarischen Armee gestellt und ins Lager begeben hat, zwei Commissarien zur Seite gestellt; ebenso dem Kriegsminister Meßaros. Die ungarische Deputation wird sich Morgen mit dem östreichischen Reichstag in Verbindung setzen. Die Dinge müssen nun einer letzten, gewaltsamen Entscheidung entgegengehen; der Anfang ist vielleicht heute noch möglich, denn die Aufregung und bange Erwartung ist die gewaltigste. Heute Morgen wurden auf dem Kohlmarkt mehre Läden zertrümmert, welche schwarzgelbe Bänder ausgestellt hatten. Ich begegnete ungewöhnlich vielen rothen Kokarden, rothen Bändern und rothen Kalabresern. Kühnheit und Energie lagert auf allen Gesichtern. ‒ Heute keine Reichstagssitzung, aber eine große Versammlung im Odeon, viel Spannung und Ingrimm.</p> </div> <div xml:id="ar110_009" type="jArticle"> <head>Wien, 16. Sept.</head> <p>Der „Radikale“ denunzirt folgende „Lüge des Ministeriums “:</p> <p>„Der erste Punkt der in der gestrigen Reichstagssitzung von <hi rendition="#g">Dr. Bioland</hi> gemachten Interpellation lautet:</p> <p>„ Ist etwas davon wahr, daß unser Ministerium sich in seinen einzelnen Individuen nicht jenes Grades von Zugänglichkeit zum Monarchen erfreue, die ein gänzlich unbehinderter Verkehr mit ihm voraussetzt.“</p> <p>Minister Wessenberg antwortete hierauf lakonisch: Nein.</p> <p>Ich erlaube mir dagegen folgendes Faktum zur Oeffentlichkeit zu bringen.</p> <p>Einige Tage nach der Arbeiter-Hetze stand Minister Schwarzer, ich, Ed. Mauthner und Redakteur P. Löwe im Vorsaale der Kammer. Die jüngsten Ereignisse bildeten Anfangs den Stoff des Gespräches. Man kam endlich auf andere Gegenstände und so theilte uns der Hr. Minister auch mit, daß nicht alle Glieder des Ministeriums gleich freien Zutritt beim Monarchen haben, sondern daß sich dieses Vorzuges nur einige Mitglieder desselben erfreuen, welche auch zur Tafel gezogen werden. Herr Schwarzer führte noch an, daß wenn die übrigen Minister etwas veranlassen wollen, sie es stets durch die Bevorzugten müssen einleiten lassen, so z. B. daß endlich Jemand von Hof in der Kammer erscheine u. dgl.</p> <p>Als ich mich hierauf äußerte, daß, wenn ich Minister wäre, ich dies gewiß nicht so dulden würde, setzte mir Hr. Schwarzer noch auseinander, daß in dieser Beziehung durchaus nichts zu machen sei. ‒ Also wer hat gelogen, Schwarzer dazumal oder Wessenberg gestern? Uebrigens dürfen uns Widersprüche von unsern Herren Ministern nicht wundern. Am 21. August hörte ich Hrn. Schwarzer sagen, daß blos Geldmangel den 5 Kr. Abzug bei dem Taglohn der Arbeiter veranlaßt habe, wenige Tage darauf hörte ich Hrn. Schwarzer wieder sagen, daß durchaus nicht Geldmangel die Ursache des Abzuges gewesen ist. ‒ Was war Lüge? ‒ ‒</p> </div> <div xml:id="ar110_010" type="jArticle"> <head>Potsdam, 19. Sept.</head> <p>Einer vom Bürgerwehrklub an den Kommandeur des Garde-du-Corps-Regiments abgesendeten Deputation hat derselbe auf die Frage, ob eine Untersuchung gegen die Soldaten eingeleitet sei, welche am 12. Abends ohne vorherige Aufforderung zum Auseinandergehen und ohne Kommando scharf eingehauen haben, die Antwort ertheilt, daß dies nicht der Fall, da ihm die Sache <hi rendition="#g">amtlich</hi> nicht zu Ohren gekommen wäre. ‒ Bei der ersten hier gehaltenen Volksversammlung haben sich über 2000 Soldaten aller Truppengattungen betheiligt, trotzdem ihnen von vielen Offizieren das Versprechen abgenommen war, nicht hinzugehen. Sie ging ohne Störung vorüber und die Redner, welche über denselben Gegenstand sprachen, der in der Volksversammlung vor dem Schönhauser Thore am vorigen Sonntage verhandelt wurde, ernteten ungeheuren Beifall.</p> <p> <bibl>(B. Z. H.)</bibl> </p> </div> <div xml:id="ar110_011" type="jArticle"> <head>Potsdam, 17. Sept.</head> <p>Heute Nachmittag um 3 1/2 Uhr war ein Jägerkommando in dem auf dem Brauhausberge neuerbauten Schießhause mit der Anfertigung von Spitzkugel-Patronen beschäftigt, als sich der nicht unbeträchtliche Pulvervorrath entzündete und das Dach sowie ein Theil des Hauses in die Luft flog. Glaubhaftem Vernehmen nach sind dabei 11 Mann mehr oder minder beschädigt.</p> </div> <div xml:id="ar110_012" type="jArticle"> <head>Provinz Posen. Kosten, 15. Sept.</head> <p>Der hiesige Distrikts-Kommissar hat in Folge höherer Anweisung an die Schul-Vorsteher die Aufforderung ergehen lassen, die bei jeder Schule angesammelten Fonds aus den für Schulversäumnisse eingezogenen Strafen zur freiwilligen Staatsanleihe beizusteuern oder die Fonds bei der Regierungshauptkasse niederzulegen, welche 4 procentige Staatspapiere dafür ankaufen und der Schule die Zinsen erstatten werde. Eine gleiche Aufforderung ist auch an die Schulvorstande, sowohl in Dörfern als in Städten, vermuthlich im ganzen Großherzogthum, ergangen. Nun muß man wissen, daß von diesen Fonds, die sich gewöhnlich auf 15-25 Thaler belaufen, die Reparaturen in den Schullokalen, an dem Inventarium etc. bestritten, daß endlich auch Bücher für arme Schulknaben dafür angeschafft werden. Wie groß muß die Armuth des Staates sein, wenn er sich an dem winzigen Vermögen der Landschulen wieder emporarbeiten will. Oder soll diese Maßregel vielleicht eine Strafe fur die Insurrektion sein?</p> <p> <bibl>(B. Z. H.)</bibl> </p> </div> <div xml:id="ar110_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>34</author></bibl> Mülheim a. d. Ruhr, 19. Septbr.</head> <p>In unser schönes romantisch-preuß. Ruhrthal, in dem das politische Leben sich bisher höchstens in dem begeisterten Bewußtsein:„Ich bin ein Preuße“ koncentrirt hat, hat auch die neue Zeit ihre unheilvollen Ideen hineingeschleudert. Man denke sich den Greuel, es hat sich hier neben dem constitutionellen preuß. Verein ein demokratischer Verein constituirt.</p> <p>Obschon der erstgenannte Verein bis dato immer der Majorität der Berliner-Versammlung gehuldigt, so fand sich derselbe doch in Folge des Beschlusses über den Steinschen Antrag veranlaßt, gegen diesen Majoritäts-Beschluß Protest einzulegen, und hat diesen Protest am 16. d. M. beschlossen.</p> <p>Der hiesige demokratische Verein erließ gegen obigen Protest eine Gegen-Adresse, und schrieb Tags nachher durch Maueranschlag eine Volks-Versammlung in einem hiesigen Locale aus. Eine Volks-Versammlung durch Maueranschlag, vielleicht die erste in unserm lieben Mühlheim. Man denke sich die Besturzung, das ganze pietistische Bürgerthum faltete zitternd seine Hände, und rüstete sich gegen solch gottloses Unwesen, das Preußenthum witterte Republick und Anarchie, und mußte seinen Konig schützen. Die ganze Stadt war in Allarm, ob diesen unerhörten Wuhlereien, und wurde der Operations-Plan gehörig eingeleitet.</p> <p>Als am Abende zur bestimmten Zeit die Versammlung ihren Anfang nahm, hatten sich denn auch, obschon nur diejenigen die die Adresse in unserm Sinne wünschten, eingeladen waren, alle Schattirungen des Volks in solcher Zahl eingefunden, daß die Demokraten glaubten Wunder gethan zu haben.</p> <p>Aber das Wunder enthüllte sich noch mehr als der Präsident nach kurzer Motivirung die Adresse vorzulesen versuchte. Er konnte vor Pfeifen, Toben, Rufen und Skandal kaum mehr zu Worte kommen. Wenige Worte von den Häuptera des konstitutionellen Vereins reichten hin, um die ganze Versamluung in Allarm zu bringen.„Herunter mit den Kerls“„wir wollen Preußen bleiben“,„Hurrah's, Bivats“, Getrommel und Wuthgeschrei im höchsten Grade, und als der Sturm sich wieder etwas gelegt hatte, und sich die wirklich demokratisch Gesinnten anschickten zur Unterschrift, und so der Plan der Gegner am Ende noch vereitelt worden wäre, da wurden noch einmal alle Maschinen angesetzt, und ein neuer Tumult brach los, so daß sich der Vorstand des demokratischen Vereins mit Mühe und unter Lebensgefahr aus dem Staube machen mußte. Das Luftspiel endete mit Fahndung auf Demokraten in allen Wirthshäusern, unter starkem Zusetzen von gebranntem Wasser, was von einigen hiesigen aristokratischen Wohlhabenden zu diesem Zweck bezahlt worden sein soll.</p> <p>Es fehlte weiter nichts, als Allarmirung der Bürgerwehr, und Mühlheim hätte einen seiner vollends würdigen Tage erlebt.</p> </div> <div xml:id="ar110_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Crefeld, 21. Sept.</head> <p>Mit welcher fanatischen Wuth die Reaktion da, wo sie durch Geld und Macht noch das Uebergewicht hat, auftritt, davon gibt ein in Uerdingen a. Rhein stattgehabtes Attentat ein gutes Beispiel ab. Unterm 19. d. M. kamen mit dem Dampfboote von Düsseldorf in Uerdingen mehrere Demokraten an, um mit dem Lokalwagen von dort nach Crefeld zu fahren. Durch Bestechungen gelang es einigen Uerdinger Fabrikanten, eine Schaar Rheinarbeiter gegen jene Reisenden aufzuhetzen. Ein Steueraufseher Namens Meuten war der Anführer dieser Rotte, und suchte die mit Schnaps angefeuerte Masse zum Todtschlagen zu haranguiren. Nur das ruhige und feste Benehmen der Angegriffenen, deren Wagen von einigen Hunderten schon gewaltsam angefallen war, rettete sie. ‒ Dies ist der gesetzliche Boden, von welchem die Reaktion so erbaulich winselt, und solcher Art sind die Mittel, deren sich die Fanatiker der Ruhe und Ordnung mit Gott für König und Vaterland bedienen. Dem Oberprokurator ist die Sache bereits angezeigt und wir werden seiner Zeit über das Weitere berichten. ‒ Bei dieser Gelegenheit füge ich Ihnen noch die Namen der Denuncianten bei, welche einen Verhaftsbefehl gegen den Präsidenten des demokratischen Vereins, Bürger <hi rendition="#g">Imandt,</hi> auszuwirken suchten. Sie heißen: Camphausen, Bloem, Puller, Höffelmann, Overlach, Halfes, Paulus. ‒ Der hiesige Denunziantenverein hat eine Dankadresse an Beckerath ausgelegt, woraus zu ersehen, was für Hoffnungen man auf Beckerath setzt. Der demokratische Klub wird ein Mißtrauensvotum gegen denselben erlassen. ‒ In der letzten Volksversammlung von beinahe 2000 Personen wurde ein Protest gegen das Bürgerwehrgesetz erlassen, worauf der reaktionäre Theil der Bürgerwehr durch Bajonnett-Attaken in der Nähe des Sitzungssaales den demokratischen Klub einzuschüchtern versucht. An der Spitze dieser Umtriebe steht Herr Beckerath, Bruder des Ex-Reichsministers.</p> </div> <div xml:id="ar110_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Koblenz, 20.Sept.</head> <p>Gestern Abend, als die Nachricht von dem durch den ehrlosen Waffenstillstand hervorgerufenen Blutvergießen in Frankfurt sich hier verbreitete, sammelte sich das Volk vor dem Hause des Abg. <hi rendition="#g">Adams,</hi> welcher jenen volksverrätherischen Beschluß mit durchgesetzt hatte. Die Fenster, Thüren, Fenstergesimse und Laden wurden demolirt, und zuletzt stürmte das Volk in das Haus, von wo man die Möbel auf die Straße warf.</p> <p>Zwei Stunden darauf wurde der Generalmarsch geschlagen, und von den 2000 Mann der Bürgerwehr fanden sich wirklich 150 „Wohlgesinnte“ ein, welche von dem Volk verhöhnt wurden.</p> <p>Hrn. <hi rendition="#g">Stedmann,</hi> dem Frankfurter komischen Portefeuillejäger, war ein gleicher Besuch zugedacht.</p> <p>„Die Stimme der Frankfurter Versammlung aber ist die Stimme des Volkes!“ (Jordan,)</p> </div> <div xml:id="ar110_016" type="jArticle"> <head>R. Aus Franken, 18. Sept.</head> <p>(Baierische Justiz.) Die Verhaftung des Herrn Sticht, Redakteurs der „Fränkischen Volkszeitung“ in Schwabach, wegen Preßvergehen, wurde seiner Zeit in Ihrem Blatte mitgetheilt. Was ich Ihnen damals über die Schamlosigkeit des baierischen Richterstaates schrieb, findet in dem gegen Sticht nun vollendeten Untersuchungsverfahren und in dem soeben erfolgten Erkenntniß seine volle Bestätigung. Sticht wurde wegen Majestäts<hi rendition="#g">beleidigung</hi> und Amtsehrenbeleidigung zu einem Jahre Festungsstrafe verurtheilt, ein nach dem baierischen Gesetzbuch mildes Erkenntniß, <hi rendition="#g">wenn</hi> Sticht strafbar war, ein <hi rendition="#g">himmelschreiendes</hi> aber, da selbst nach dem Buchstaben des baierischen Strafgesetzbuches Sticht durchaus schuldlos erscheint, und nur seine eigenen, dem objektiven Thatbestand geradezu widersprechenden, nur durch beispiellose Gefängnißqualen abgefolterten und den Charakter der Unzurechnungsfähigkeit allzudeutlich an der Stirne tragenden Geständnisse eine gewisse Handhabe zu einem verurtheilenden Erkenntniß darboten. Ich bitte Sie, mir über diesen baierischen Justizmord, über den natürlich die baierische „unabhängige“ Presse ein tiefes Schweigen beobachtet, in Ihrem geschätzten Blatte einigen Raum zu gönnen. Was ich Ihnen gebe, ist zwar nichts vollständiges, aber es ist <hi rendition="#g">authentisch.</hi> Nach dem baierischen Strafgesetzbuch gehört zum Begriff der Majestätsbeleidigung, daß man „ die <hi rendition="#g">Person</hi> des Staatsoberhauptes mit herabwürdigender Verachtung durch Worte oder Handlungen beleidigt.“ Von der Person des Königs von Baiern nun ist in den sämmtlichen incriminirten Stellen, welche aus dem Blatte Sticht's herausgehoben wurden, gar nicht die Rede. Nur aus Anlaß der Einladung, durch welche der König von Baiern vor dem Beginn der Nationalversammlung mehrere baierische Abgeordnete zu sich beschied, war in Sticht's Blatt bemerkt, daß solche königliche Einwirkungen auf Volksvertreter unstatthaft seien, und es war die Frage gestellt:„Kann ein solcher Fürst ein Herz zu seinem Volke haben, kann er es redlich meinen mit dem Wohle desselben?“ Und darin findet man hier Majestätsbeleidigung!</p> <p>In folgender historischen Schilderung von dem Treiben der deutschen Fürsten im vorigen Jahrhundert:„Wir alle haben davon gehört, wie diese Geschlechter in Deutschland haus'ten, wie bei uns die entmenschten Markgrafen wütheten, wie in Sachsen die wollüstigen Churfürsten bankettirten und banquerottirten, wie die hessischen Seelenverkäufer ihre Unterthanen jochweise an England als Kriegssklaven verkauften u. s. w. “ ‒ in dieser Stelle fand der Untersuchungsrichter eine Majestätsbeleidigung. Und zwar folgendermaßen: Er findet darin eine <hi rendition="#g">Unterlassungssünde;</hi> ‒ weil, da die Wahrheit der Geschichte für den Stand der Fürsten unangenehm sei (sic), man neben dem Sündenregister wenigstens auch einen Tugendspiegel edler Regenten hätte beisetzen müssen, wenn man nicht eine Beleidigung <hi rendition="#g">aller</hi> Fürsten habe beabsichtigen wollen!! ‒ Eine weitere angeschuldigte Stelle ist ganz unverfänglich, und der Untersuchungsrichter hatte zuerst gar nicht auf sie reflektirt, und nahm sie erst dann vor, als er sah, daß der „mürbe gewordene“, d. h. durch die scheußlichste Mißhandlung in völlige Apathie und an die Gränze des Wahnsinns gebrachte Angeschuldigte Alles zugab, was man nur wünschte. Es ist nämlich jetzt von der Untersuchungshaft des Unglücklichen ein Wort zu sagen. Sticht war während der Dauer der Untersuchung mit einem wegen gemeiner Verbrechen inhaftirten Subjekte zusammengesperrt, er mußte mit diesem ein und dasselbe, mit dem scheußlichsten, ekelhaftesten Ungeziefer angefüllte Lager theilen, man ließ ihn in diesem Loch dem Schmutz und Unrath preisgegeben <hi rendition="#g">ohne Wäsche, ohne Waschwasser,</hi> und als man ihm endlich frische Wäsche gewährte, gab sie ihm keine Erleichterung, weil sein Schlafgefährte nicht ebenfalls sich gereinigt hatte; man ließ ihn in diesem Zustand ohne Bücher, ohne Schreibzeug, ohne die Möglichkeit einer geistigen Beschäftigung. Wie es ihm gelang, einige mit Bleistift geschriebene Briefe aus dem Gefängniß zu spediren, ist mir nicht bekannt. Die, welche ich sah, lassen keinen Zweifel darüber, daß bereits der Wahnsinn bei dem durch diese ungewohnte, schauderhafte Mißhandlung gänzlich gebrochenen Unglücklichen angesetzt hatte. In der Hoffnung, nach Beendigung der Untersuchung in ein besseres Gefängniß versetzt zu werden, gab er alle Antworten, die man nur wünschte, ließ aufzeichnen und sich in den Mund legen, was man nur wollte, ohne im Mindesten etwas gegen das Protokoll zu erinnern, wenn er es sich je vorlesen ließ. Dieser Gemüthszustand wurde, wie von einem baierischen Untersuchungsrichter zu erwarten, zu Gunsten der Schuldhaftigkeit gehörig ausgebeutet. Der Vertheidiger, welcher die Fragen und Antworten durchlesen hat, spricht sich hierüber zwar sehr gemäßigt aber unzweideutig aus. Er sagt:„Dieser Aufsatz ist so unverfänglich, daß der Inquirent beim ersten Verhör ihn wegzulassen selbst für gut befunden hat und erst im 2. Verhör mit herausrückt, als er sah, daß Sticht mit einer wah </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0546/0002]
setzt hat. Dabei ist zu bedenken, daß Berlin seit dem 18. März nicht so ruhig war, wie in den letzten vier Wochen, besonders seit dem 7. September, seit der Niederlage des Ministeriums und doch spricht Wrangel von Anarchie, die er mit seinen ruhmgekrönten Soldaten, die mit geschliffenem Schwerte und Kugeln in der Tasche seinem Rufe harrten, niederschlagen werde.‒ So spricht man zu den Soldaten nur immer von einem kleinen Haufen Aufwiegler, um sie an den Gedanken eines baldigen Kampfes zu gewöhnen, den man bald hervorrufen wird, an dem aber nicht ein kleiner Haufen, sondern die halbe Bevölkerung Berlins Theil nehmen dürfte.
Man erzählte heute folgenden Plan der Contrerevolution: Das neue Ministerium solle der Vereinbarer-Versammlung ein in Potsdam schon ausgearbeitete Verfassung vorlegen, worüber sich die Versammlung sofort über deren Annahme oder Verwerfung en bloc zu erklären haben würde. In beiden Fällen wird die Versammlung alsdann sogleich aufgelöst und die Wahl der verfassungsmäßigen Kammern, zur Berathung der organischen Gesetzte u. s. w. sogleich durch Wahlen mit Census, die in der Verfassung vorgeschrieben sind, angeordnet.
Wie unsere demokratischen Klubs hierüber denken, braucht kaum bemerkt zu werden. Man spricht schon allgemein von dem bevorstehenden entscheidenden Kampfe, wo man das Aeußerste wagen, aber auch Alles erringen will. Die nöthigen Pläne zum Kampfe werden schon entworfen; es fehlt jedoch an einem fähigen und tüchtigen Anführer, dem sich Alle unterzuordnen hätten.
Mit größter Spannung sieht man unter diesen Umständen der morgenden Sitzung der Vereinbarer-Versammlung entgegen. Es heißt allgemein, daß das neue Ministerium seine Sitze morgen einnehmen wird. Die Linke entwirft schon ihren Operationsplan, die Majorität ist ihr gewiß, da die Partei Unruh, das Centrum, wenn auch nicht vollständig, doch gewiß zum größten Theil mit der Linken stimmen und ihr die Majorität verschaffen wird. ‒ In diesem Falle soll die gemäßigte Partei am Hofe es mit einem Ministerium des linken Centrums versuchen wollen, aber die Partei der Contrerevolution wird dies wahrscheinlich zu verhindern wissen.
Soviel scheint sicher, daß am Hofe selbst sich zwei Parteien noch stark bekämpfen. Der König selbst, sagt man, sei unentschieden; er für seine Person möchte an seine Versprechungen vom März festhalten, während seine Umgebungen ihn mit jesuitischer Beredsamkeit zur Contrerevolution verleiten wollen.
61 Wien, 18. Sept. Wien war ehemals nur ein menschlicher Viehstall, in welchem kaum erlaubt war, zu ‒ grunzen; durch die Aula hat Wien Geist erhalten, darum muß diese Aula vernichtet werden. Das ist seit lange das Feldgeschrei des spießbürgerlichen Blödsinns und der absolutistischen Wüthriche; mit diesem Feldgeschrei ward der Sicherheitsausschuß beseitigt, mit diesem Feldgeschrei wird, wenn's gut geht, die Legion und Nationalgarde, werden Vereine und Presse und endlich auch der Reichstag beseitigt werden. Nur mit Beseitigung des Sicherheitsausschußes konnte am 21. und 23. Aug. der Koup gegen die Arbeiter und damit ihre Trennung von Legion und Garde gelingen. Die Arbeiter werden nun von denen niedergemetzelt, von welchen sie Schutz erwarten durften; ein nachträgliches Bedauern durch Trauerzüge und gedrücktes Gestöhn konnte sie nicht versöhnen. Ihre gegenwärtige Stimmung ist daher eine grollende und sie haben erklärt, sich nun um nichts mehr kümmern zu wollen, möge geschehen, was wolle. Dies ist ein Hauptgrund der am 13. so frech hervorgetretenen kontrerevolutionären Unverschämtheit. Es hatten sich damals nur etwa 800 Arbeiter bei der Universität bewaffnet eingefunden. Nur das diktatorische Auftreten des Reichstags und die getheilte Stimmung der Nationalgarde ist im Stande gewesen, den Banditenchef Latour zum Verschieben der unvermeidlichen Metzelei zu bewegen. Dieselbe wird seit gestern aber nun auf heute bestimmt angesagt; der Farbenkrieg soll sie in der Weise einleiten, daß schwarzgelbe Fahnen überall statt der dreifarbigen ausgesteckt und so ein Krawall herbeigeführt werde. Ein großer Theil der Nationalgarde hat bereits die Dreifarbe abgelegt, um vorläufig keine zu tragen, es ist derjenige Theil, der unter anderm auch alle Fremden aus Wien vertrieben, die Legion und alle Genies, wie sie sich ausdrücken, zusammenkartätscht haben will.
Ueber dem Schlosse von Schönbrunn wehte indessen gestern noch die deutsche Dreifarbenfahne; nur bemerkte ich, daß schwarz und gelb darin gänzlich zerrissen, roth aber noch unversehrt geblieben war.
Aus Prag sind gestern Nationalgarden hier eingetroffen; es sind Czechen, welche dem freigesinnten Theile der Wiener Nationalgarde die Sympathie der Prager Bürgerschaft durch Ueberreichung einer czechisch-deutschen Fahne überbringen. Zugleich ist an den Abgeordneten Borrosch eine Adresse aus Prag angelangt, in welcher die Czechen sich gegen das Verhalten ihrer Abgeordneten im Reichstag verwahren und Borrosch's Verdienste um die Freiheit anerkennen.
Um den Zwei- und Dreifarbenkrieg lächerlich zu machen, sind viele mit Kokarden aller Völker und Kronen Oestreichs herumspazirt und haben ihre Hunde, die meistentheils noch immer Metternich getauft werden, mit schwarzgelb dekorirt. Nach dem Beispiel mehrer Akademiker tragen auch die entschiedenen Demokraten keine Dreifarben mehr, sondern eine rothe Halsbinde, oder eine rothe Feder auf dem Kalabreser ist ihr neuester Schmuck und diese Rothen werden tagtäglich zahlreicher.
So eben vernehme ich, daß die Nationalgarde der Stadt während der ganzen Nacht sur le qui vive bleiben mußte, ferner, daß die Nationalgarden der Vorstadt Wieden erklärt haben, ihre deutschen Farben nur mit den rothen vertauschen zu wollen.
Später, 2 Uhr Nachmittags. Eine Deputation aus Pesth durchzieht so eben die Straßen der Stadt unter dem Jubelruf des Volks. Nationalgarden und akademische Legion waren zu ihrem Empfang in die Leopoldsstadt geeilt. Was die Deputation will, wird folgendes Plakat sagen:„Mitbürger! Die ungarische Reichsversammlung hat in der Sitzung vom 15. d. M. einstimmig beschlossen, aus ihrer Mitte eine Deputation nach Wien zu senden. Nicht an den König, nicht an die Minister, sondern an das Volk von Oestreich. Das östreichische Volk hat gewiß seine alten Sympathien für die hochherzigen Magyaren trotz der unablässigen Bemühungen einer großen Rückschrittspartei bis jetzt aufrecht erhalten. Es gilt nur bei der Gelegenheit dieser feierlichen und entscheidendsten Deputation, diese Gesinnungen, wie es freien Völkern geziemt, öffentlich vor Gott und der Welt zu bethätigen. Wir hoffen, das Volk Oestreichs wird sich als freie Nation beweisen! Im Namen vieler Garden.“
Der Empfang der Deputation war erschütternd. Nirgendwo in Deutschland erblickt man so begeisterte Physionomien, nirgendwo steht dem großen Volke so auf der Stirne geschrieben, daß gewaltige Bewegungen es sehr bald durchzucken werden.
Gestern ist die Stadt Komorn in Ungarn gänzlich abgebrannt; das Regiment des Prinzen von Preußen soll sie angezündet haben: Komorn ist nämlich auch Festung. 800 Freiwillige aus Wien sind bereits in Budapesth angelangt. Das Militär soll die schwarzgelben Kokarden abgerissen und rothe dafür angesteckt haben. Das Repräsentantenhaus hat dem Palatin Stephan, der sich an die Spitze der ungarischen Armee gestellt und ins Lager begeben hat, zwei Commissarien zur Seite gestellt; ebenso dem Kriegsminister Meßaros. Die ungarische Deputation wird sich Morgen mit dem östreichischen Reichstag in Verbindung setzen. Die Dinge müssen nun einer letzten, gewaltsamen Entscheidung entgegengehen; der Anfang ist vielleicht heute noch möglich, denn die Aufregung und bange Erwartung ist die gewaltigste. Heute Morgen wurden auf dem Kohlmarkt mehre Läden zertrümmert, welche schwarzgelbe Bänder ausgestellt hatten. Ich begegnete ungewöhnlich vielen rothen Kokarden, rothen Bändern und rothen Kalabresern. Kühnheit und Energie lagert auf allen Gesichtern. ‒ Heute keine Reichstagssitzung, aber eine große Versammlung im Odeon, viel Spannung und Ingrimm.
Wien, 16. Sept. Der „Radikale“ denunzirt folgende „Lüge des Ministeriums “:
„Der erste Punkt der in der gestrigen Reichstagssitzung von Dr. Bioland gemachten Interpellation lautet:
„ Ist etwas davon wahr, daß unser Ministerium sich in seinen einzelnen Individuen nicht jenes Grades von Zugänglichkeit zum Monarchen erfreue, die ein gänzlich unbehinderter Verkehr mit ihm voraussetzt.“
Minister Wessenberg antwortete hierauf lakonisch: Nein.
Ich erlaube mir dagegen folgendes Faktum zur Oeffentlichkeit zu bringen.
Einige Tage nach der Arbeiter-Hetze stand Minister Schwarzer, ich, Ed. Mauthner und Redakteur P. Löwe im Vorsaale der Kammer. Die jüngsten Ereignisse bildeten Anfangs den Stoff des Gespräches. Man kam endlich auf andere Gegenstände und so theilte uns der Hr. Minister auch mit, daß nicht alle Glieder des Ministeriums gleich freien Zutritt beim Monarchen haben, sondern daß sich dieses Vorzuges nur einige Mitglieder desselben erfreuen, welche auch zur Tafel gezogen werden. Herr Schwarzer führte noch an, daß wenn die übrigen Minister etwas veranlassen wollen, sie es stets durch die Bevorzugten müssen einleiten lassen, so z. B. daß endlich Jemand von Hof in der Kammer erscheine u. dgl.
Als ich mich hierauf äußerte, daß, wenn ich Minister wäre, ich dies gewiß nicht so dulden würde, setzte mir Hr. Schwarzer noch auseinander, daß in dieser Beziehung durchaus nichts zu machen sei. ‒ Also wer hat gelogen, Schwarzer dazumal oder Wessenberg gestern? Uebrigens dürfen uns Widersprüche von unsern Herren Ministern nicht wundern. Am 21. August hörte ich Hrn. Schwarzer sagen, daß blos Geldmangel den 5 Kr. Abzug bei dem Taglohn der Arbeiter veranlaßt habe, wenige Tage darauf hörte ich Hrn. Schwarzer wieder sagen, daß durchaus nicht Geldmangel die Ursache des Abzuges gewesen ist. ‒ Was war Lüge? ‒ ‒
Potsdam, 19. Sept. Einer vom Bürgerwehrklub an den Kommandeur des Garde-du-Corps-Regiments abgesendeten Deputation hat derselbe auf die Frage, ob eine Untersuchung gegen die Soldaten eingeleitet sei, welche am 12. Abends ohne vorherige Aufforderung zum Auseinandergehen und ohne Kommando scharf eingehauen haben, die Antwort ertheilt, daß dies nicht der Fall, da ihm die Sache amtlich nicht zu Ohren gekommen wäre. ‒ Bei der ersten hier gehaltenen Volksversammlung haben sich über 2000 Soldaten aller Truppengattungen betheiligt, trotzdem ihnen von vielen Offizieren das Versprechen abgenommen war, nicht hinzugehen. Sie ging ohne Störung vorüber und die Redner, welche über denselben Gegenstand sprachen, der in der Volksversammlung vor dem Schönhauser Thore am vorigen Sonntage verhandelt wurde, ernteten ungeheuren Beifall.
(B. Z. H.)
Potsdam, 17. Sept. Heute Nachmittag um 3 1/2 Uhr war ein Jägerkommando in dem auf dem Brauhausberge neuerbauten Schießhause mit der Anfertigung von Spitzkugel-Patronen beschäftigt, als sich der nicht unbeträchtliche Pulvervorrath entzündete und das Dach sowie ein Theil des Hauses in die Luft flog. Glaubhaftem Vernehmen nach sind dabei 11 Mann mehr oder minder beschädigt.
Provinz Posen. Kosten, 15. Sept. Der hiesige Distrikts-Kommissar hat in Folge höherer Anweisung an die Schul-Vorsteher die Aufforderung ergehen lassen, die bei jeder Schule angesammelten Fonds aus den für Schulversäumnisse eingezogenen Strafen zur freiwilligen Staatsanleihe beizusteuern oder die Fonds bei der Regierungshauptkasse niederzulegen, welche 4 procentige Staatspapiere dafür ankaufen und der Schule die Zinsen erstatten werde. Eine gleiche Aufforderung ist auch an die Schulvorstande, sowohl in Dörfern als in Städten, vermuthlich im ganzen Großherzogthum, ergangen. Nun muß man wissen, daß von diesen Fonds, die sich gewöhnlich auf 15-25 Thaler belaufen, die Reparaturen in den Schullokalen, an dem Inventarium etc. bestritten, daß endlich auch Bücher für arme Schulknaben dafür angeschafft werden. Wie groß muß die Armuth des Staates sein, wenn er sich an dem winzigen Vermögen der Landschulen wieder emporarbeiten will. Oder soll diese Maßregel vielleicht eine Strafe fur die Insurrektion sein?
(B. Z. H.)
34 Mülheim a. d. Ruhr, 19. Septbr. In unser schönes romantisch-preuß. Ruhrthal, in dem das politische Leben sich bisher höchstens in dem begeisterten Bewußtsein:„Ich bin ein Preuße“ koncentrirt hat, hat auch die neue Zeit ihre unheilvollen Ideen hineingeschleudert. Man denke sich den Greuel, es hat sich hier neben dem constitutionellen preuß. Verein ein demokratischer Verein constituirt.
Obschon der erstgenannte Verein bis dato immer der Majorität der Berliner-Versammlung gehuldigt, so fand sich derselbe doch in Folge des Beschlusses über den Steinschen Antrag veranlaßt, gegen diesen Majoritäts-Beschluß Protest einzulegen, und hat diesen Protest am 16. d. M. beschlossen.
Der hiesige demokratische Verein erließ gegen obigen Protest eine Gegen-Adresse, und schrieb Tags nachher durch Maueranschlag eine Volks-Versammlung in einem hiesigen Locale aus. Eine Volks-Versammlung durch Maueranschlag, vielleicht die erste in unserm lieben Mühlheim. Man denke sich die Besturzung, das ganze pietistische Bürgerthum faltete zitternd seine Hände, und rüstete sich gegen solch gottloses Unwesen, das Preußenthum witterte Republick und Anarchie, und mußte seinen Konig schützen. Die ganze Stadt war in Allarm, ob diesen unerhörten Wuhlereien, und wurde der Operations-Plan gehörig eingeleitet.
Als am Abende zur bestimmten Zeit die Versammlung ihren Anfang nahm, hatten sich denn auch, obschon nur diejenigen die die Adresse in unserm Sinne wünschten, eingeladen waren, alle Schattirungen des Volks in solcher Zahl eingefunden, daß die Demokraten glaubten Wunder gethan zu haben.
Aber das Wunder enthüllte sich noch mehr als der Präsident nach kurzer Motivirung die Adresse vorzulesen versuchte. Er konnte vor Pfeifen, Toben, Rufen und Skandal kaum mehr zu Worte kommen. Wenige Worte von den Häuptera des konstitutionellen Vereins reichten hin, um die ganze Versamluung in Allarm zu bringen.„Herunter mit den Kerls“„wir wollen Preußen bleiben“,„Hurrah's, Bivats“, Getrommel und Wuthgeschrei im höchsten Grade, und als der Sturm sich wieder etwas gelegt hatte, und sich die wirklich demokratisch Gesinnten anschickten zur Unterschrift, und so der Plan der Gegner am Ende noch vereitelt worden wäre, da wurden noch einmal alle Maschinen angesetzt, und ein neuer Tumult brach los, so daß sich der Vorstand des demokratischen Vereins mit Mühe und unter Lebensgefahr aus dem Staube machen mußte. Das Luftspiel endete mit Fahndung auf Demokraten in allen Wirthshäusern, unter starkem Zusetzen von gebranntem Wasser, was von einigen hiesigen aristokratischen Wohlhabenden zu diesem Zweck bezahlt worden sein soll.
Es fehlte weiter nichts, als Allarmirung der Bürgerwehr, und Mühlheim hätte einen seiner vollends würdigen Tage erlebt.
15 Crefeld, 21. Sept. Mit welcher fanatischen Wuth die Reaktion da, wo sie durch Geld und Macht noch das Uebergewicht hat, auftritt, davon gibt ein in Uerdingen a. Rhein stattgehabtes Attentat ein gutes Beispiel ab. Unterm 19. d. M. kamen mit dem Dampfboote von Düsseldorf in Uerdingen mehrere Demokraten an, um mit dem Lokalwagen von dort nach Crefeld zu fahren. Durch Bestechungen gelang es einigen Uerdinger Fabrikanten, eine Schaar Rheinarbeiter gegen jene Reisenden aufzuhetzen. Ein Steueraufseher Namens Meuten war der Anführer dieser Rotte, und suchte die mit Schnaps angefeuerte Masse zum Todtschlagen zu haranguiren. Nur das ruhige und feste Benehmen der Angegriffenen, deren Wagen von einigen Hunderten schon gewaltsam angefallen war, rettete sie. ‒ Dies ist der gesetzliche Boden, von welchem die Reaktion so erbaulich winselt, und solcher Art sind die Mittel, deren sich die Fanatiker der Ruhe und Ordnung mit Gott für König und Vaterland bedienen. Dem Oberprokurator ist die Sache bereits angezeigt und wir werden seiner Zeit über das Weitere berichten. ‒ Bei dieser Gelegenheit füge ich Ihnen noch die Namen der Denuncianten bei, welche einen Verhaftsbefehl gegen den Präsidenten des demokratischen Vereins, Bürger Imandt, auszuwirken suchten. Sie heißen: Camphausen, Bloem, Puller, Höffelmann, Overlach, Halfes, Paulus. ‒ Der hiesige Denunziantenverein hat eine Dankadresse an Beckerath ausgelegt, woraus zu ersehen, was für Hoffnungen man auf Beckerath setzt. Der demokratische Klub wird ein Mißtrauensvotum gegen denselben erlassen. ‒ In der letzten Volksversammlung von beinahe 2000 Personen wurde ein Protest gegen das Bürgerwehrgesetz erlassen, worauf der reaktionäre Theil der Bürgerwehr durch Bajonnett-Attaken in der Nähe des Sitzungssaales den demokratischen Klub einzuschüchtern versucht. An der Spitze dieser Umtriebe steht Herr Beckerath, Bruder des Ex-Reichsministers.
* Koblenz, 20.Sept. Gestern Abend, als die Nachricht von dem durch den ehrlosen Waffenstillstand hervorgerufenen Blutvergießen in Frankfurt sich hier verbreitete, sammelte sich das Volk vor dem Hause des Abg. Adams, welcher jenen volksverrätherischen Beschluß mit durchgesetzt hatte. Die Fenster, Thüren, Fenstergesimse und Laden wurden demolirt, und zuletzt stürmte das Volk in das Haus, von wo man die Möbel auf die Straße warf.
Zwei Stunden darauf wurde der Generalmarsch geschlagen, und von den 2000 Mann der Bürgerwehr fanden sich wirklich 150 „Wohlgesinnte“ ein, welche von dem Volk verhöhnt wurden.
Hrn. Stedmann, dem Frankfurter komischen Portefeuillejäger, war ein gleicher Besuch zugedacht.
„Die Stimme der Frankfurter Versammlung aber ist die Stimme des Volkes!“ (Jordan,)
R. Aus Franken, 18. Sept. (Baierische Justiz.) Die Verhaftung des Herrn Sticht, Redakteurs der „Fränkischen Volkszeitung“ in Schwabach, wegen Preßvergehen, wurde seiner Zeit in Ihrem Blatte mitgetheilt. Was ich Ihnen damals über die Schamlosigkeit des baierischen Richterstaates schrieb, findet in dem gegen Sticht nun vollendeten Untersuchungsverfahren und in dem soeben erfolgten Erkenntniß seine volle Bestätigung. Sticht wurde wegen Majestätsbeleidigung und Amtsehrenbeleidigung zu einem Jahre Festungsstrafe verurtheilt, ein nach dem baierischen Gesetzbuch mildes Erkenntniß, wenn Sticht strafbar war, ein himmelschreiendes aber, da selbst nach dem Buchstaben des baierischen Strafgesetzbuches Sticht durchaus schuldlos erscheint, und nur seine eigenen, dem objektiven Thatbestand geradezu widersprechenden, nur durch beispiellose Gefängnißqualen abgefolterten und den Charakter der Unzurechnungsfähigkeit allzudeutlich an der Stirne tragenden Geständnisse eine gewisse Handhabe zu einem verurtheilenden Erkenntniß darboten. Ich bitte Sie, mir über diesen baierischen Justizmord, über den natürlich die baierische „unabhängige“ Presse ein tiefes Schweigen beobachtet, in Ihrem geschätzten Blatte einigen Raum zu gönnen. Was ich Ihnen gebe, ist zwar nichts vollständiges, aber es ist authentisch. Nach dem baierischen Strafgesetzbuch gehört zum Begriff der Majestätsbeleidigung, daß man „ die Person des Staatsoberhauptes mit herabwürdigender Verachtung durch Worte oder Handlungen beleidigt.“ Von der Person des Königs von Baiern nun ist in den sämmtlichen incriminirten Stellen, welche aus dem Blatte Sticht's herausgehoben wurden, gar nicht die Rede. Nur aus Anlaß der Einladung, durch welche der König von Baiern vor dem Beginn der Nationalversammlung mehrere baierische Abgeordnete zu sich beschied, war in Sticht's Blatt bemerkt, daß solche königliche Einwirkungen auf Volksvertreter unstatthaft seien, und es war die Frage gestellt:„Kann ein solcher Fürst ein Herz zu seinem Volke haben, kann er es redlich meinen mit dem Wohle desselben?“ Und darin findet man hier Majestätsbeleidigung!
In folgender historischen Schilderung von dem Treiben der deutschen Fürsten im vorigen Jahrhundert:„Wir alle haben davon gehört, wie diese Geschlechter in Deutschland haus'ten, wie bei uns die entmenschten Markgrafen wütheten, wie in Sachsen die wollüstigen Churfürsten bankettirten und banquerottirten, wie die hessischen Seelenverkäufer ihre Unterthanen jochweise an England als Kriegssklaven verkauften u. s. w. “ ‒ in dieser Stelle fand der Untersuchungsrichter eine Majestätsbeleidigung. Und zwar folgendermaßen: Er findet darin eine Unterlassungssünde; ‒ weil, da die Wahrheit der Geschichte für den Stand der Fürsten unangenehm sei (sic), man neben dem Sündenregister wenigstens auch einen Tugendspiegel edler Regenten hätte beisetzen müssen, wenn man nicht eine Beleidigung aller Fürsten habe beabsichtigen wollen!! ‒ Eine weitere angeschuldigte Stelle ist ganz unverfänglich, und der Untersuchungsrichter hatte zuerst gar nicht auf sie reflektirt, und nahm sie erst dann vor, als er sah, daß der „mürbe gewordene“, d. h. durch die scheußlichste Mißhandlung in völlige Apathie und an die Gränze des Wahnsinns gebrachte Angeschuldigte Alles zugab, was man nur wünschte. Es ist nämlich jetzt von der Untersuchungshaft des Unglücklichen ein Wort zu sagen. Sticht war während der Dauer der Untersuchung mit einem wegen gemeiner Verbrechen inhaftirten Subjekte zusammengesperrt, er mußte mit diesem ein und dasselbe, mit dem scheußlichsten, ekelhaftesten Ungeziefer angefüllte Lager theilen, man ließ ihn in diesem Loch dem Schmutz und Unrath preisgegeben ohne Wäsche, ohne Waschwasser, und als man ihm endlich frische Wäsche gewährte, gab sie ihm keine Erleichterung, weil sein Schlafgefährte nicht ebenfalls sich gereinigt hatte; man ließ ihn in diesem Zustand ohne Bücher, ohne Schreibzeug, ohne die Möglichkeit einer geistigen Beschäftigung. Wie es ihm gelang, einige mit Bleistift geschriebene Briefe aus dem Gefängniß zu spediren, ist mir nicht bekannt. Die, welche ich sah, lassen keinen Zweifel darüber, daß bereits der Wahnsinn bei dem durch diese ungewohnte, schauderhafte Mißhandlung gänzlich gebrochenen Unglücklichen angesetzt hatte. In der Hoffnung, nach Beendigung der Untersuchung in ein besseres Gefängniß versetzt zu werden, gab er alle Antworten, die man nur wünschte, ließ aufzeichnen und sich in den Mund legen, was man nur wollte, ohne im Mindesten etwas gegen das Protokoll zu erinnern, wenn er es sich je vorlesen ließ. Dieser Gemüthszustand wurde, wie von einem baierischen Untersuchungsrichter zu erwarten, zu Gunsten der Schuldhaftigkeit gehörig ausgebeutet. Der Vertheidiger, welcher die Fragen und Antworten durchlesen hat, spricht sich hierüber zwar sehr gemäßigt aber unzweideutig aus. Er sagt:„Dieser Aufsatz ist so unverfänglich, daß der Inquirent beim ersten Verhör ihn wegzulassen selbst für gut befunden hat und erst im 2. Verhör mit herausrückt, als er sah, daß Sticht mit einer wah
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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