Neue Rheinische Zeitung. Nr. 100. Köln, 12. September 1848.diesen Anschluß aus dem Grunde der Nationalität in den Vordergrund gestellt, daß unter einem Volke keine Zollschranken stehen dürften und alle anderen Gründe außer Acht gelassen. Hier ist das etwas anderes, hier haben wir eine nationelle Antipathie gegen jede Vereinigung mit Deutschland und eine kommerzielle würde die politische nicht mehr lange auf sich warten lassen. Allein trotzdem scheint sich die Meinung Bahn zu brechen, daß der Fall der Zollschranken zwischen Deutschland und Oestreich letzterem nur günstig sein könne. Der östreichische Handel concentrit, würde unendlich gewinnen. Nicht nur, daß der Transito, welcher vom Zollverein aus früher aus der Schweiz über Genua nach dem Orient proponirt war, seinen Weg durch die östreichischen Provinzen nach dem adriatischen Meere um so sicherer nehmen wird, findet auch die östreichische Flotte als Vereinsflotte einen sichern Schutz und weder England noch Frankreich wird einen Krieg mit Oestreich wagen, wenn es auch materiell mit Deutschland verbunden ist. Das Parlament wird um so vortheilhaftere Handelsverträge schließen können, indem ein Vertrag von 70 Mill. Consumenten etwas anderes ist, als der mit einem kleinen Staate. Vor allem aber keine lange Uebergangsperiode, denn je länger sich Oestreich ausschließt, desto mehr strengt sich die zolldeutsche Industrie an, die vorzüglichsten östreichischen Produkte im Vereine zu ersetzen und je länger Zeit man dazu läßt, desto gefährlicher wird diese Konkurrenz. Ich glaube daher, daß der größere und intelligentere Theil der böhmischen Industriellen von seinen egoistischen Irrthümern selbst zurückkommt, wenn er die heutigen Tagesverhältnisse mit den großartigen Tendenzen einer nationalökonomischen und kommerziellen Vereinigung mit Deutschland richtig erfaßt, zumal da ein großer Theil der kaufmännischen Welt selbst durch das allen Verkehr abschneidende Prohibitivsystem in einer gänzlichen Unkenntniß aller auswärtigen Verhältnisse erhalten ist; es ist ausgemacht, daß, solange Belgien und die Schweiz ausgeschlossen bleiben, die böhmische Industrie nicht nur für alle ihre wichtigen Zweige einen guten Markt finden wird, sondern daß auch die minderwichtigen durch die ausländische Konkurrenz nicht untergehen werden. Italien. * Das neapolitanische Geschwader ist nun wirklich gegen Sizilien hin aufgebrochen. Es wird sich bald zeigen, ob Frankreich und England die bombardirende Majestät von Neapel ihre Lieblingspläne ungestört zur Ausführung bringen lassen -- Der Herzog von Modena hat mit seiner Kamarilla ein Bürgerwehrgesetz ausgearbeitet, in welchem sich unter andern schönen Bestimmungen auch folgende finden: Fahnen und Kokarden sollen die estensischen sein; die Bürgergarde schwört Treue dem östreichisch-estensischen Hause; ein Drittel der Bürgergarde wird stets mobil gehalten, um auf ein Zeichen des Herzogs zur Vertheidigung seiner Souveränetätsrechte zu maschiren, wohin er befiehlt; vom Lieutenant aufwärts ernennt der Herzog allein sämmtliche Ofiziere etc. Die Bürger sind entschlossen, den Eid zu verweigern und das Gesetz, sobald es erscheint, zu zerreißen und den Flammen zu überliefern. In Parma soll es zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen dem Volk und den Oestreichern gekommen sein, indem Letztere eine starke Contribution ausschrieben und als sie binnen 4 Stunden nicht beisammen war, Gewalt anwandten. Der sardinische Gesandte in Florenz hatte das Journal "il Popolano" wegen Injurien und Verläumdungen gegen Karl Albert gerichtlich belangt. Am 31. August wurde der Prozeß verhandelt: die Geschworenen erklärten nach kurzer Berathung: "nicht schuldig." Livorno ist ruhig. Kaum hat der Pabst die Kammern so plötzlich vertagt, daß die letztern kaum wußten, wie ihnen geschah: so folgt Ferdinand von Neapel diesem Beispiele. Die Kammern sind dort ebenfalls vertagt. So gewinnt die reactionäre Partei überall freie Hand. In Toscana steigende Erbitterung wegen Suspendirung der konstitutionellen Garantien. Einige 100 Polen sind in Livorno angelangt; sie begeben sich nach Venedig, um gegen Oestreich kämpfen zu helfen. Die Vorfälle in Genua (in Folge der willkürlichen Verhaftung de Boni's) zeigen, daß die Camarilla noch nicht stark genug ist, um in jener Stadt ihre Pläne durchzusetzen. Turin spricht laut seine Billigung aus zu dem Verfahren der Genuesen. Die Piemontesen verlangen, daß wegen des Eintritts eines neuen Kabinets die vertagten Kammern schleunig zusammengerufen werden. Statt dessen geht aber das Kabinet Revel damit um, die Kammern völlig aufzulösen. Unter solchen Umständen macht der Eid, den jetzt die Truppen auf die Verfassung leisten -- wie dies am 3. d. in Turin geschah -- geringen Eindruck. Mailand. Aus einer Kundmachung des Militärgouverneurs v. Wimpffen vom 4. d. ersieht man, daß einige den Versuch erneuern, das Cigarrenrauchen in Verruf zu bringen. Denjenigen, welche die Cigarrenraucher in ihrer individuellen Freiheit zu beeinträchtigen sich erlauben sollten, wird mit der Strenge des Militärgesetzes gedroht, Französische Republik. 16 Paris, 9. Sept. Die Klubs entwickeln viel Thätigkeit; in dem des Bazar Bonne Nouvelle waren gestern 2400 Männer (Frauen sind bekanntlich auf Specialantrag des protestantischen Herrn Pastor Athanasius Coquerel, desgleichen Unmündige, seit der Juni-Insurrektion ausgeschlossen) und ein katholischer Priester sprach sich sehr erfreulich aus, so daß man ein donnerndes Lebehoch auf die "demokratisch-sociale Republik" ausbachte, worin er einstimmte. In diesem und andern Klubs wird Considerant, der Chef der Fourieristen, als "ganz stummes Kammermitglied, welches sich nur auf's Lawiren verlege" heftig attakirt; die Spaltung in den Reihen der Phalansterier ist jetzt offenkundig. Der Exbaron Charles Dupin kann nunmehr kein Wort sprechen, ohne daß es nicht Tags darauf dem Volke denunzirt und zerzaust wird; ein sehr fatales Treibjagen, zumal General Cavaignac selbst erklärte: "Nie werde ich dem wissenschaftlichen Kritisiren und Polemisiren Einhalt zu thun wagen." -- Proudhon's Probeblatt "Le Peuble" ist zwar konfiszirt, indeß hat es viel Aufsehen erregt; es sagt (mit Hinweisung auf die "jungen Politiker" der Thiersklike): "Seht da drüben, das kalte, häßliche Geschöpf, ganz pfiffig und geschmeidig wie eine Schlange, spöttelnd, mit Ziffern um sich schmeißend, ohne Schaam, zischelnd und blinzelnd, mit Silberstimme predigt's, und schließt höhnisch lächelnd oder salbungsernst auf die Nothwendigkeit erbarmungsloser Maßregeln; es läugnet keck das heilige Volksrecht, das Arbeitsrecht; es schwatzt Euch weitläuftig von Vorsehung, es vergöttert die malthusianische Fatalität; es hält Religion für ein hübsches politisches Werkzeug, das Gesetz für ein Uebereinkommen, die Revolution für ein Faktum, und damit Punktum! ... Und wenn man Euch vom Haß des Socialismus gegen die Familie vorjammert, o so nehmt die Fackel und leuchtet hinein in die Schauderpalläste der Reichen, der Antisocialisten; klopft einmal an beim Nachbar, beim Kapitalherrn, beim Rentier, beim Börsenmanne, beim Hochbesoldeten, beim Schmarotzer, beim reichen Müßiggänger, beim goldgestickten Tagedieb, beim auf Sammet ruhenden Faulenzer und Intriganten; setzt Euch die Brille auf und forscht da nach. Befragt einmal seine Gattin, und Cousine, und Schwägerin, und Köchin, und die Kammerjungfer seiner Frau; nicht wahr, er hält sie heilig, diese seine große Familie? .. Der Reiche ist ehebrecherisch und naturschänderisch durch Luxus. Der arme Teufel wird es nur durch materielles Elend ... Wahre Liebe findet sich fast nur noch zwischen Arbeiter und Arbeiterin. Ihr Verleumder des Volkes, laßt ab von Eurem heillosen, sophistischen Geschwätz. ... Ihr schreit, die Arbeit sei den Socialmännern zuwider; was treibt aber Ihr, Herren der Bankokratie? Euch muß der Arbeitende fast 100 Prozent von seiner Arbeit geben, und Ihr verlacht ihn obenein. Darum wollen wir unentgeldlichnn Kredit, keine Zinsen, keine Privilegien. Nennt Ihr das Abschaffung des Eigenthums? gut. Wir nennen es Justiz, Arbeit, Ehre ..." Hierauf verlangt Proudhon entweder Frieden, oder revolutionären Propagandakrieg in Europa, aber keinen Kabinetskrieg, kein "militärisches Roulette und Schachspiel." "Macht Ihr Propagandakrieg, so stehen die Proletarier von Schlesien und Rußland, Irland und Lyon mit Euch. Wo nicht, so sind sie Euch Feind, oder sehen Euch gleichgültig an, und Ihr könnt dann wieder ein 1815 erleben." -- Der Professor der Mathemathik, August Comte, von der politechnischen Schule, dehnt seine "Societät des Positivismus" immer aus; er hält Abends bei sich Vorträge und die Arbeiter-Kommissäre Magnin (Schreiner), Jaquemin (Mechanikus) und Belpaume (Schuhmacher) haben einen Rapport im Sinne dieser Doktrin publizirt, worin sie sofortige Volksberathungen über Arbeitsbestellungen und Nachweisungen, statistische Uebersichten, Lokaltabellen fordern; der Staat solle mindestens allen durch Privatindustrie nicht Beschäftigten Arbeit geben; Spitäler und Mildthätigkeitsbureaux seien unproduktiv; Sparsamkeit sei lächerlich den Arbeitern zu predigen. Professor Dr. med. Littre (Uebersetzer des Lebens Jesu von Strauß) ist äußerst thätig in dieser Societät, die auch einen Gouvernementsplan, mit Arbeitern als Ministern, ausgearbeitet hat, August Comte selber ist etwas Pedant, wie sein 7 Bände dickes Buch beweist, aber die Arbeiter sind ein gutes Gegengift für solchen Uebelstand, und es zeigen sich schon gute Erfolge. -- In Südfrankreich und Elsaß ist die Königsfahne geradezu aufgepflanzt, doch wieder einstweilen abgenommen worden; Freiheitsbäume sind an vielen Orten umgehauen. 12 Paris, 3. Sept. Die Besprechung der Konstitution hat in der Kammer Statt. Nach dem Gange, den die Verhandlungen einschlagen, kann die Konstitution in 8 bis 10 Monaten vollendet sein. Unterdessen fährt Marrast fort, die glänzendsten Soiree's in seinem Präsidentenpalast zu geben, und am andern Tage legt er die Rechnung der Nationalversammlung vor. Zur Bestreitung der Kosten wird eine Zulage von 6000 Fr. für Hrn. Marrast verlangt. Am Tage über diskutiren und debattiren die Herren in der Kammer und am Abend machen sie sich vis-a-vis in der Quadrille. Es ist dies ein Mittel der "Vereinbarung" wie die übrigen, vielleicht noch wirksamer als jedes andere, zumal wenn man bedenkt, daß am Abend in den Salons des Hrn. Marrasts die schönsten Frauen von Paris zu der Debatte und der Quadrille zugelassen werden. Die Konstitution zerfällt in drei Abschnitte: wir haben einen religiösen, einen moralischen und einen politischen Abschnitt. Die Verhandlung beschränkte sich bisheran nur auf die Religion und die Moral. Die "größten" Redner, Lamartine, Cremieux, Dupin, Bischof und Pastor haben gesprochen, und alle haben sich nicht über den Moralprediger erhoben. Wie man weiß, geht dem Konstitutionsentwurf eine Art Einleitung voran, die die sogenannten Prinzipien enthält. Wie überhaupt der ganze Konstitutionsentwurf und namentlich der politische Theil im Grunde nichts Weiteres ist, als der politische Ausdruck der bereits begründeten, d. h. der unverändert gebliebenen Zustände, so soll die Einleitung, das sogenannte Vorwort diesem politischen Theile, einen moralischen Anstrich geben. Jetzt fragt es sich: Ist überhaupt eine solche Einleitung nöthig, und, wenn sie nöthig ist, soll sie nicht besser nach der Politik diskutirt werden? Und wenn diese Einleitung, diese Moral diskutirt werden soll, wäre es nicht zweckmäßig, diese Moral religiös zu begründen? Diejenigen, welche wie Cremieux und Lamartine sich für die Beibehaltung der Einleitung aussprachen, wollen darin das Prinzip der Revolution, die "ewigen Wahrheiten" ausgedrückt finden, die als neue, errungene Rechte der Nation zugesichert werden müßten. Die andern, wie Lavat, Cazales u. s. w., welche für die Weglassung der Einleitung sich aussprachen, befürchteten, daß sie Bestimmungen enthalte, deren Ausführung entweder unmöglich sei oder zu neuen Konflikten führen könnte. "Im Namen Gottes;" "die Wahrheit der großen Prinzipien" -- das sind die Phrasen, welche in der Kammer jetzt jeden Augenblick widerhallen. " Angesichts Gottes wollen wir die großen Prinzipien, die ewigen Wahrheiten der französischen Nation proklamiren." -- Und was sind diese großen Prinzipien, diese ewigen Wahrheiten? "Gleichheit u. s. w." Alles käme, nach Lamartine, darauf an, die Gleichheit richtig zu definiren; aus Mangel an Definition sei der Kommunismus entstanden. Was ist nach Herrn Lamartine der Kommunismus? Das Chaos, d. h. ein Zustand, worin ein Mann das Gewehr ergreift und auf Erstürmung, auf Wegnahme des Eigenthums losgeht. Herr Lamartine "betet das Eigenthum an;" "es ist ein göttliches Prinzip, ein Gesetz Gottes." Das Gesetz Gottes ist das Eigenthum; ohne Eigenthum gibt es keine Freiheit. Früher hieß es gerade umgekehrt, ohne Freiheit kein Eigenthum. Aber wenn Leute wie Lamartine von Eigenthum sprechen, so denken sie nur zunächst an das Eigenthum, welches durch Einbrechen, Plündern und Rauben gefährdet werden kann, an das handgreifliche Eigenthum, woran kein Mensch Hand anzulegen gedenkt: an den Kleinhandel, an den Kram und den Krämer, und sagt man nun zu diesen Leuten: Seht jetzt heißt es, Haus, Hof und Schrank geöffnet und mit den Kommunisten getheilt, so ist man gewiß seine Wirkung nicht zu verfehlen. Lamartine will nicht, daß man immer von der Konkurrenz, immer vom materiellen Interesse, vom Kapital und Netto-Ertrage spreche; in der Revolution gebe es ein höheres, ein moralisches Interesse, eine geistige Tendenz; diese Tendenz sei in der Konstitution ausgesprochen, und dem Volke kundgethan "Angesichts Gottes. Man müsse die republikanischen Institutionen an religiöse Inspirationen und nicht an die Begriffe des Kaufens und Verkaufens anknüpfen. "Im Namen Gottes! Als man in den Revolutionen des vorigen Jahrhunderts alle alten Feudalzustände und Feudalherren gestürzt hatte, dekretirte man die neue Konstitution: im Namen Gottes. Als man später erkannte, daß der Gott in der Konstitution weiter nichts war, als das Gutheißen der bürgerlichen Zustände, und daß dieser Gott nur denen zu gute kommen sollte, die nichts Besseres hatten auf Erden, mußte mit dem Eintritt des Kampfes gegen die bürgerlichen Zustände, in der Schreckenszeit, auch der bürgerliche Gott fallen: er fiel, der Gott, das höchste Wesen und an seine Stelle trat ein weibliches Wesen, als Ausdruck des damaligen französischen Wesens. Später, als die bürgerlichen Zustände die Einsetzung eines Bürgergottes wieder nothwendig machten, wurde über ihn im Convente mit Aufstehen und Niedersitzen ebenso abgestimmt, wie über alle andere Bürgerrechte. Ein gleiches findet jetzt ebenfalls in der Kammer statt. Nach Annahme der Einleitung ging man zur Diskussion der einzelnen Paragraphen über. Im Eingange finden wir: Angesichts Gottes. So wie man früher mit Gott aufhörte, so fängt man jetzt mit Gott an. Verschiedene Amendements wurden gestellt. "Im Namen Gottes", welches der Bischof von Orleans schon in der ersten Sitzung aufgestellt hatte, war bereits zurückgenommen worden. Jetzt stellt ein anderes Mitglied den Antrag: Unter Anrufung Gottes -- verworfen; wieder ein anderes: In Gegenwart Gottes, Prinzip der ewigen Gerechtigkeit -- verworfen. Der Antrag Devilles: Im Angesicht Gottes und des Belagerungszustandes, das ebenfalls heute zur Sprache kam, ward auch verworfen und der Gott schlechtweg hat triumphirt. Paris, 8. Sept. Ein außerordentlicher Kourier hat der Regierung die Nachricht gebracht, daß Oestreich die Mediation annimmt. Zu welchen Bedingungen? Darüber herrscht noch Staatsgeheimniß. -- Bisher zählte Frankreich 27 Akademien oder Hochschulen, deren Besuch zum Staatsdienste befähigte. Ein Dekret im Moniteur setzt diese Zahl auf 20 herab und bestimmt sie in folgenden Städten: 1) Aix, 2) Angers, 3) Besancon, 4) Bordeaut, 5) Bourges, 6) Caen, 7) Cahors, 8) Dijon, 9) Donai, 10) Grenoble, 11) Lyon, 12) Montpellier, 13) Naucy, 14) Paris, 15) Poitiers, 16) Reims, 17) Rennes, 18) Straßburg, 19) Toulouse, 20) Algier. -- Kriegsminister Lamoricieee hat ein Rundschreiben an die Präfekten richten lassen, worin er ihnen erklärt, daß unter den gegenwärtigen kritischen Umständen keine Urlaube mehr ertheilt wurden und daß sogar alle diejenigen Mannschaften, die sich bei ihren Verwandten auf Urlaub befänden, sofort zu ihren Korps zurückzukehren hätten. -- Das in Auch erscheinende Blatt, Opinion, meldet vom 3. September: "Im hiesigen Nationalgestüt ist der Befehl vom Minister eingetroffen, bedeutende Pferde-Ankäufe im In- oder Auslande zu machen. Die diesfälligen Kredite seien bereits angewiesen." -- Der Independant de l'Quest bringt schon folgendes neue Ministerium für die nächste Restauration: 1) Berryer, Auswärtiges; 2) Genoude, Inneres; 3) Odilon Barrot, Justiz; 4) Changarnier, Krieg; 5) Dufaure, Unterricht; 6) Rainedicke, Finanzen; 7) Billault, Ackerbau und Handel; 8) Benoit, Staatsbauten. Die Republikaner aller Farben werden natürlich unter diesen Umständen zur Einigkeit gedrängt. Im Sarthe-Departement reiten förmliche propagandistische Pilgerer von einem Jahrmarkt zum andern, um von Wagen herab legitimistische Traktätlein und Flüche gegen die Republik zu verkaufen oder gratis zu vertheilen. -- In dem fabrikreichen Thale Deville bei Rouen sind zwischen den dortigen Spinnern und ihren Contre-Maitres so ernste Streitigkeiten ausgebrochen, daß der Ortsbürgermeister das Mobilgardistenbataillon in Rouen (von Paris seit einiger Zeit von Senard dorthin detachirt) zu deren Beilegung herbeirufen mußte. Die Ruhe ist äußerlich hergestellt. -- Diese Nacht fand bei Marrast ein glänzender Hofball Statt. Dreitausend Einladungskarten waren verschickt. Die Elite der europäischen Gesellschaft -- sagt der Moniteur -- war anwesend. Die Säle des Präsidentenhotels genügten kaum für die herbeidrängenden Gäste. Der Palast ist mit wahrhaft blendendem Glanze eingerichtet; die brillanten Toiletten der Damen, die verschiedenartigsten Uniformen der Nationalgarden und Armee, bildeten einen hinreißenden Anblick. Die Tänze finden in den großen Galerien und den benachbarten Sälen Statt. ..... Wir übersetzen wörtlich den Moniteur, dem diese Notiz Nachts um 1 Uhr zugeschickt wurde, um das erwachende Paris mit diesem Glanz auf dem Papier zu überraschen. Es lebe die Republik Marrast! -- Präsident Marrast hat dem Finanzausschusse erklärt, daß er sich mit den dem Präsidenten der Nationalversammlung monatlich bewilligten 4000 Franken nicht begnügen könne. Er beantrage 10,000 Franken, wie der General Cavaignac, um die Pariser gehörig in Nahrung zu setzen. Einem solchen Argumente konnte der liberale Finanzausschuß nicht widerstehen und er entschied mit 6 gegen 4 Stimmen die verlangte Gehaltszulage. -- In Metz sind 100 polnische Flüchtlinge eingetroffen. Sie wurden auf's herzlichste empfangen. Die Regierung that jedoch noch nichts. Bisher leben sie von den Almosen der Metzer Bürger. National-Versammlung. Sitzung vom 8. September. Aus den lebhaften Gesprächen, die in den Nebensälen gepflogen werden, hört man Folgendes: Als diesen Mittag sich der Verfassungsausschuß wie gewöhnlich versammelt, und Cormenin, Marrast und die übrigen Glieder ihre Plätze eingenommen hatten, erhob sich Corbon, der sogenannte Arbeiter und Vizepräsident der National-Versammlung und drückte sich ungefähr folgendermaßen aus: Alle Welt habe mit Entrustung das Pamphlet gelesen, das der Präsident des Verfassungsausschusses selbst durch den Buchhandel zu veröffentlichen für gut befunden habe. Außer mehreren anderen Anstößigkeiten, um gelinde zu reden, komme darin auch eine Stelle vor, worin der Verfasser sage, daß man hier in diesem Saale die neue Verfassung berathe, während zahlreiche Bajonette, dieser Zierrath des Despotismus, zum Fenster herein blitzen u. s. w. Dergleichen Ausfälle gegen die höchsten Prinzipien der Regierung seien von einer Natur, daß er seinen P#atz nicht länger in einer Versammlung behalten wolle, die von einem solchen Spötter präsidirt werde. (Sensation.) Marrast nahm nun das Wort und erklärte, mit den Ansichten Corbons vollständig einverstanden zu sein. Die ganze Versammlung trat diesem Tadelsvotum bei. Cormenin saß wie versteinert auf seinem Präsidentenstuhle. Als er sah, daß die ganze Versammlung gegen ihn gestimmt war, raffte er alle seine Papiere zusammen, und schritt aus dem Saale. Diese Scene rief eine große Aufregung in allen Winkeln des weitläufigen Gebaudes hervor, die sich noch lange nicht gelegt hatte, als Marrast in dem Hauptsaale erschien, um die Sitzung um 1 1/2 Uhr zu eröffnen. Nach Verlesung des Protokolls und einiger Nebengeschäfte erscheint Bastide, Minister des Auwärtigen, auf der Bühne. "Bürger-Repräsentanten, beginnt er, ich habe die Ehre, Ihnen anzuzeigen, daß die Regierung von Wien aus benachrichtigt worden ist, daß Oesterreich die ihm in der italienischen Frage von unsund England angebotene Mediation angenommen hat und sich von den besten Friedensgesinnungen beseelt zeigt. Demzufolge kann ich der Versammlung die Versicherung ertheilen, daß bedeutende Ersparnisse rücksichtlich der Armee-Ausgaben gemacht werden können." Die Versammlung nimmt die Tagesordnung auf, nämlich die schon zwanzig Mal abgebrochene Berathung über das unglückliche Dekret vom 2. März 1848, das die Arbeitsdauer auf 10 Stunden per Tag festsetzt und den Fabrikanten so viele schlaflose Nächte verursachte. Stourm, Besnard, Corbon, Morin, Michot, Barasseur etc. unterstützten, theils bekämpften sie den durch Amendements gänzlich entstellten Entwurf, der kurzweg auf Abschaffung des Marzdekrets antrug. Die Menge von Amendements zu dem Gesetzentwurfe der Arbeitsausschüsse rief eine solche Verwirrung hervor, daß Flocon auf die Tribune eilte und sagte: Der erste Artikel lautet: "Das Dekret vom 2. März, in so weit es die Arbeitsstundenzahl betrifft, ist abgeschafft." Der Deputirte Fourneyron will die Worte, "in so weit es die Arbeitsstundenzahl betrifft," gestrichen wissen. Ich protestire gegen diese Streichung, denn das hieße, jene Verordnung vom 2. März absolut abschaffen. Dieselbe zerfällt aber in zwei Hauptfragen: a. die tägliche Arbeitsdauer, b. die sogenannte Marchandage. Von letzterer ist aber in der mehrtägigen Debatte bisher noch keine Silbe gesprochen worden. (Ja! Ja! Nein! Nein!) Ich trage daher darauf an, nun über den Artikel I. in seinem vollen Text abstimmen zu lassen. Touret, Ackerbau- und Handelsminister, nimmt das Wort und schlägt vor, den Artikel I. erst nach den übrigen Artikeln zu votiren. Dieser Vorschlag wird angenommen und man geht zu Artikel II. über. Derselbe lautet: "Die Arbeitsdauer des Arbeiters in den Manufakturen und allen großen Fabriken, Hütten-, Bergwerken etc. darf 12 Stunden nicht überschreiten." Gambon stellt den Antrag auf zehn Stunden und will das Dekret der provisorischen Regierung retten. Dieser Antrag wird mit 607 gegen 67 Stimmen verworfen. Pierre Leroux schlägt 11 Stunden vor. Wird verworfen Artikel II mit seinen 12 Stunden geht durch. Das Februar-Dekret ist somit begraben. Artikel III. wird ebenfalls angenommen. Die Fortsetzung des Debatte wird auf morgen verschoben. Die Versammlung geht um 6 1/2 Uhr auseinander. Paris, 9. September. Ridolfi außerordentlicher Gesandter des Großherzogs von Toscana, hat dem General Ravaignac die diesen Anschluß aus dem Grunde der Nationalität in den Vordergrund gestellt, daß unter einem Volke keine Zollschranken stehen dürften und alle anderen Gründe außer Acht gelassen. Hier ist das etwas anderes, hier haben wir eine nationelle Antipathie gegen jede Vereinigung mit Deutschland und eine kommerzielle würde die politische nicht mehr lange auf sich warten lassen. Allein trotzdem scheint sich die Meinung Bahn zu brechen, daß der Fall der Zollschranken zwischen Deutschland und Oestreich letzterem nur günstig sein könne. Der östreichische Handel concentrit, würde unendlich gewinnen. Nicht nur, daß der Transito, welcher vom Zollverein aus früher aus der Schweiz über Genua nach dem Orient proponirt war, seinen Weg durch die östreichischen Provinzen nach dem adriatischen Meere um so sicherer nehmen wird, findet auch die östreichische Flotte als Vereinsflotte einen sichern Schutz und weder England noch Frankreich wird einen Krieg mit Oestreich wagen, wenn es auch materiell mit Deutschland verbunden ist. Das Parlament wird um so vortheilhaftere Handelsverträge schließen können, indem ein Vertrag von 70 Mill. Consumenten etwas anderes ist, als der mit einem kleinen Staate. Vor allem aber keine lange Uebergangsperiode, denn je länger sich Oestreich ausschließt, desto mehr strengt sich die zolldeutsche Industrie an, die vorzüglichsten östreichischen Produkte im Vereine zu ersetzen und je länger Zeit man dazu läßt, desto gefährlicher wird diese Konkurrenz. Ich glaube daher, daß der größere und intelligentere Theil der böhmischen Industriellen von seinen egoistischen Irrthümern selbst zurückkommt, wenn er die heutigen Tagesverhältnisse mit den großartigen Tendenzen einer nationalökonomischen und kommerziellen Vereinigung mit Deutschland richtig erfaßt, zumal da ein großer Theil der kaufmännischen Welt selbst durch das allen Verkehr abschneidende Prohibitivsystem in einer gänzlichen Unkenntniß aller auswärtigen Verhältnisse erhalten ist; es ist ausgemacht, daß, solange Belgien und die Schweiz ausgeschlossen bleiben, die böhmische Industrie nicht nur für alle ihre wichtigen Zweige einen guten Markt finden wird, sondern daß auch die minderwichtigen durch die ausländische Konkurrenz nicht untergehen werden. Italien. * Das neapolitanische Geschwader ist nun wirklich gegen Sizilien hin aufgebrochen. Es wird sich bald zeigen, ob Frankreich und England die bombardirende Majestät von Neapel ihre Lieblingspläne ungestört zur Ausführung bringen lassen — Der Herzog von Modena hat mit seiner Kamarilla ein Bürgerwehrgesetz ausgearbeitet, in welchem sich unter andern schönen Bestimmungen auch folgende finden: Fahnen und Kokarden sollen die estensischen sein; die Bürgergarde schwört Treue dem östreichisch-estensischen Hause; ein Drittel der Bürgergarde wird stets mobil gehalten, um auf ein Zeichen des Herzogs zur Vertheidigung seiner Souveränetätsrechte zu maschiren, wohin er befiehlt; vom Lieutenant aufwärts ernennt der Herzog allein sämmtliche Ofiziere etc. Die Bürger sind entschlossen, den Eid zu verweigern und das Gesetz, sobald es erscheint, zu zerreißen und den Flammen zu überliefern. In Parma soll es zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen dem Volk und den Oestreichern gekommen sein, indem Letztere eine starke Contribution ausschrieben und als sie binnen 4 Stunden nicht beisammen war, Gewalt anwandten. Der sardinische Gesandte in Florenz hatte das Journal „il Popolano“ wegen Injurien und Verläumdungen gegen Karl Albert gerichtlich belangt. Am 31. August wurde der Prozeß verhandelt: die Geschworenen erklärten nach kurzer Berathung: „nicht schuldig.“ Livorno ist ruhig. Kaum hat der Pabst die Kammern so plötzlich vertagt, daß die letztern kaum wußten, wie ihnen geschah: so folgt Ferdinand von Neapel diesem Beispiele. Die Kammern sind dort ebenfalls vertagt. So gewinnt die reactionäre Partei überall freie Hand. In Toscana steigende Erbitterung wegen Suspendirung der konstitutionellen Garantien. Einige 100 Polen sind in Livorno angelangt; sie begeben sich nach Venedig, um gegen Oestreich kämpfen zu helfen. Die Vorfälle in Genua (in Folge der willkürlichen Verhaftung de Boni's) zeigen, daß die Camarilla noch nicht stark genug ist, um in jener Stadt ihre Pläne durchzusetzen. Turin spricht laut seine Billigung aus zu dem Verfahren der Genuesen. Die Piemontesen verlangen, daß wegen des Eintritts eines neuen Kabinets die vertagten Kammern schleunig zusammengerufen werden. Statt dessen geht aber das Kabinet Revel damit um, die Kammern völlig aufzulösen. Unter solchen Umständen macht der Eid, den jetzt die Truppen auf die Verfassung leisten — wie dies am 3. d. in Turin geschah — geringen Eindruck. Mailand. Aus einer Kundmachung des Militärgouverneurs v. Wimpffen vom 4. d. ersieht man, daß einige den Versuch erneuern, das Cigarrenrauchen in Verruf zu bringen. Denjenigen, welche die Cigarrenraucher in ihrer individuellen Freiheit zu beeinträchtigen sich erlauben sollten, wird mit der Strenge des Militärgesetzes gedroht, Französische Republik. 16 Paris, 9. Sept. Die Klubs entwickeln viel Thätigkeit; in dem des Bazar Bonne Nouvelle waren gestern 2400 Männer (Frauen sind bekanntlich auf Specialantrag des protestantischen Herrn Pastor Athanasius Coquerel, desgleichen Unmündige, seit der Juni-Insurrektion ausgeschlossen) und ein katholischer Priester sprach sich sehr erfreulich aus, so daß man ein donnerndes Lebehoch auf die „demokratisch-sociale Republik“ ausbachte, worin er einstimmte. In diesem und andern Klubs wird Considerant, der Chef der Fourieristen, als „ganz stummes Kammermitglied, welches sich nur auf's Lawiren verlege“ heftig attakirt; die Spaltung in den Reihen der Phalansterier ist jetzt offenkundig. Der Exbaron Charles Dupin kann nunmehr kein Wort sprechen, ohne daß es nicht Tags darauf dem Volke denunzirt und zerzaust wird; ein sehr fatales Treibjagen, zumal General Cavaignac selbst erklärte: „Nie werde ich dem wissenschaftlichen Kritisiren und Polemisiren Einhalt zu thun wagen.“ — Proudhon's Probeblatt „Le Peuble“ ist zwar konfiszirt, indeß hat es viel Aufsehen erregt; es sagt (mit Hinweisung auf die „jungen Politiker“ der Thiersklike): „Seht da drüben, das kalte, häßliche Geschöpf, ganz pfiffig und geschmeidig wie eine Schlange, spöttelnd, mit Ziffern um sich schmeißend, ohne Schaam, zischelnd und blinzelnd, mit Silberstimme predigt's, und schließt höhnisch lächelnd oder salbungsernst auf die Nothwendigkeit erbarmungsloser Maßregeln; es läugnet keck das heilige Volksrecht, das Arbeitsrecht; es schwatzt Euch weitläuftig von Vorsehung, es vergöttert die malthusianische Fatalität; es hält Religion für ein hübsches politisches Werkzeug, das Gesetz für ein Uebereinkommen, die Revolution für ein Faktum, und damit Punktum! … Und wenn man Euch vom Haß des Socialismus gegen die Familie vorjammert, o so nehmt die Fackel und leuchtet hinein in die Schauderpalläste der Reichen, der Antisocialisten; klopft einmal an beim Nachbar, beim Kapitalherrn, beim Rentier, beim Börsenmanne, beim Hochbesoldeten, beim Schmarotzer, beim reichen Müßiggänger, beim goldgestickten Tagedieb, beim auf Sammet ruhenden Faulenzer und Intriganten; setzt Euch die Brille auf und forscht da nach. Befragt einmal seine Gattin, und Cousine, und Schwägerin, und Köchin, und die Kammerjungfer seiner Frau; nicht wahr, er hält sie heilig, diese seine große Familie? ‥ Der Reiche ist ehebrecherisch und naturschänderisch durch Luxus. Der arme Teufel wird es nur durch materielles Elend … Wahre Liebe findet sich fast nur noch zwischen Arbeiter und Arbeiterin. Ihr Verleumder des Volkes, laßt ab von Eurem heillosen, sophistischen Geschwätz. … Ihr schreit, die Arbeit sei den Socialmännern zuwider; was treibt aber Ihr, Herren der Bankokratie? Euch muß der Arbeitende fast 100 Prozent von seiner Arbeit geben, und Ihr verlacht ihn obenein. Darum wollen wir unentgeldlichnn Kredit, keine Zinsen, keine Privilegien. Nennt Ihr das Abschaffung des Eigenthums? gut. Wir nennen es Justiz, Arbeit, Ehre …“ Hierauf verlangt Proudhon entweder Frieden, oder revolutionären Propagandakrieg in Europa, aber keinen Kabinetskrieg, kein „militärisches Roulette und Schachspiel.“ „Macht Ihr Propagandakrieg, so stehen die Proletarier von Schlesien und Rußland, Irland und Lyon mit Euch. Wo nicht, so sind sie Euch Feind, oder sehen Euch gleichgültig an, und Ihr könnt dann wieder ein 1815 erleben.“ — Der Professor der Mathemathik, August Comte, von der politechnischen Schule, dehnt seine „Societät des Positivismus“ immer aus; er hält Abends bei sich Vorträge und die Arbeiter-Kommissäre Magnin (Schreiner), Jaquemin (Mechanikus) und Belpaume (Schuhmacher) haben einen Rapport im Sinne dieser Doktrin publizirt, worin sie sofortige Volksberathungen über Arbeitsbestellungen und Nachweisungen, statistische Uebersichten, Lokaltabellen fordern; der Staat solle mindestens allen durch Privatindustrie nicht Beschäftigten Arbeit geben; Spitäler und Mildthätigkeitsbureaux seien unproduktiv; Sparsamkeit sei lächerlich den Arbeitern zu predigen. Professor Dr. med. Littré (Uebersetzer des Lebens Jesu von Strauß) ist äußerst thätig in dieser Societät, die auch einen Gouvernementsplan, mit Arbeitern als Ministern, ausgearbeitet hat, August Comte selber ist etwas Pedant, wie sein 7 Bände dickes Buch beweist, aber die Arbeiter sind ein gutes Gegengift für solchen Uebelstand, und es zeigen sich schon gute Erfolge. — In Südfrankreich und Elsaß ist die Königsfahne geradezu aufgepflanzt, doch wieder einstweilen abgenommen worden; Freiheitsbäume sind an vielen Orten umgehauen. 12 Paris, 3. Sept. Die Besprechung der Konstitution hat in der Kammer Statt. Nach dem Gange, den die Verhandlungen einschlagen, kann die Konstitution in 8 bis 10 Monaten vollendet sein. Unterdessen fährt Marrast fort, die glänzendsten Soiree's in seinem Präsidentenpalast zu geben, und am andern Tage legt er die Rechnung der Nationalversammlung vor. Zur Bestreitung der Kosten wird eine Zulage von 6000 Fr. für Hrn. Marrast verlangt. Am Tage über diskutiren und debattiren die Herren in der Kammer und am Abend machen sie sich vis-à-vis in der Quadrille. Es ist dies ein Mittel der „Vereinbarung“ wie die übrigen, vielleicht noch wirksamer als jedes andere, zumal wenn man bedenkt, daß am Abend in den Salons des Hrn. Marrasts die schönsten Frauen von Paris zu der Debatte und der Quadrille zugelassen werden. Die Konstitution zerfällt in drei Abschnitte: wir haben einen religiösen, einen moralischen und einen politischen Abschnitt. Die Verhandlung beschränkte sich bisheran nur auf die Religion und die Moral. Die „größten“ Redner, Lamartine, Cremieux, Dupin, Bischof und Pastor haben gesprochen, und alle haben sich nicht über den Moralprediger erhoben. Wie man weiß, geht dem Konstitutionsentwurf eine Art Einleitung voran, die die sogenannten Prinzipien enthält. Wie überhaupt der ganze Konstitutionsentwurf und namentlich der politische Theil im Grunde nichts Weiteres ist, als der politische Ausdruck der bereits begründeten, d. h. der unverändert gebliebenen Zustände, so soll die Einleitung, das sogenannte Vorwort diesem politischen Theile, einen moralischen Anstrich geben. Jetzt fragt es sich: Ist überhaupt eine solche Einleitung nöthig, und, wenn sie nöthig ist, soll sie nicht besser nach der Politik diskutirt werden? Und wenn diese Einleitung, diese Moral diskutirt werden soll, wäre es nicht zweckmäßig, diese Moral religiös zu begründen? Diejenigen, welche wie Cremieux und Lamartine sich für die Beibehaltung der Einleitung aussprachen, wollen darin das Prinzip der Revolution, die „ewigen Wahrheiten“ ausgedrückt finden, die als neue, errungene Rechte der Nation zugesichert werden müßten. Die andern, wie Lavat, Cazales u. s. w., welche für die Weglassung der Einleitung sich aussprachen, befürchteten, daß sie Bestimmungen enthalte, deren Ausführung entweder unmöglich sei oder zu neuen Konflikten führen könnte. „Im Namen Gottes;“ „die Wahrheit der großen Prinzipien“ — das sind die Phrasen, welche in der Kammer jetzt jeden Augenblick widerhallen. „ Angesichts Gottes wollen wir die großen Prinzipien, die ewigen Wahrheiten der französischen Nation proklamiren.“ — Und was sind diese großen Prinzipien, diese ewigen Wahrheiten? „Gleichheit u. s. w.“ Alles käme, nach Lamartine, darauf an, die Gleichheit richtig zu definiren; aus Mangel an Definition sei der Kommunismus entstanden. Was ist nach Herrn Lamartine der Kommunismus? Das Chaos, d. h. ein Zustand, worin ein Mann das Gewehr ergreift und auf Erstürmung, auf Wegnahme des Eigenthums losgeht. Herr Lamartine „betet das Eigenthum an;“ „es ist ein göttliches Prinzip, ein Gesetz Gottes.“ Das Gesetz Gottes ist das Eigenthum; ohne Eigenthum gibt es keine Freiheit. Früher hieß es gerade umgekehrt, ohne Freiheit kein Eigenthum. Aber wenn Leute wie Lamartine von Eigenthum sprechen, so denken sie nur zunächst an das Eigenthum, welches durch Einbrechen, Plündern und Rauben gefährdet werden kann, an das handgreifliche Eigenthum, woran kein Mensch Hand anzulegen gedenkt: an den Kleinhandel, an den Kram und den Krämer, und sagt man nun zu diesen Leuten: Seht jetzt heißt es, Haus, Hof und Schrank geöffnet und mit den Kommunisten getheilt, so ist man gewiß seine Wirkung nicht zu verfehlen. Lamartine will nicht, daß man immer von der Konkurrenz, immer vom materiellen Interesse, vom Kapital und Netto-Ertrage spreche; in der Revolution gebe es ein höheres, ein moralisches Interesse, eine geistige Tendenz; diese Tendenz sei in der Konstitution ausgesprochen, und dem Volke kundgethan „Angesichts Gottes. Man müsse die republikanischen Institutionen an religiöse Inspirationen und nicht an die Begriffe des Kaufens und Verkaufens anknüpfen. „Im Namen Gottes! Als man in den Revolutionen des vorigen Jahrhunderts alle alten Feudalzustände und Feudalherren gestürzt hatte, dekretirte man die neue Konstitution: im Namen Gottes. Als man später erkannte, daß der Gott in der Konstitution weiter nichts war, als das Gutheißen der bürgerlichen Zustände, und daß dieser Gott nur denen zu gute kommen sollte, die nichts Besseres hatten auf Erden, mußte mit dem Eintritt des Kampfes gegen die bürgerlichen Zustände, in der Schreckenszeit, auch der bürgerliche Gott fallen: er fiel, der Gott, das höchste Wesen und an seine Stelle trat ein weibliches Wesen, als Ausdruck des damaligen französischen Wesens. Später, als die bürgerlichen Zustände die Einsetzung eines Bürgergottes wieder nothwendig machten, wurde über ihn im Convente mit Aufstehen und Niedersitzen ebenso abgestimmt, wie über alle andere Bürgerrechte. Ein gleiches findet jetzt ebenfalls in der Kammer statt. Nach Annahme der Einleitung ging man zur Diskussion der einzelnen Paragraphen über. Im Eingange finden wir: Angesichts Gottes. So wie man früher mit Gott aufhörte, so fängt man jetzt mit Gott an. Verschiedene Amendements wurden gestellt. „Im Namen Gottes“, welches der Bischof von Orleans schon in der ersten Sitzung aufgestellt hatte, war bereits zurückgenommen worden. Jetzt stellt ein anderes Mitglied den Antrag: Unter Anrufung Gottes — verworfen; wieder ein anderes: In Gegenwart Gottes, Prinzip der ewigen Gerechtigkeit — verworfen. Der Antrag Devilles: Im Angesicht Gottes und des Belagerungszustandes, das ebenfalls heute zur Sprache kam, ward auch verworfen und der Gott schlechtweg hat triumphirt. Paris, 8. Sept. Ein außerordentlicher Kourier hat der Regierung die Nachricht gebracht, daß Oestreich die Mediation annimmt. Zu welchen Bedingungen? Darüber herrscht noch Staatsgeheimniß. — Bisher zählte Frankreich 27 Akademien oder Hochschulen, deren Besuch zum Staatsdienste befähigte. Ein Dekret im Moniteur setzt diese Zahl auf 20 herab und bestimmt sie in folgenden Städten: 1) Aix, 2) Angers, 3) Besancon, 4) Bordeaut, 5) Bourges, 6) Caen, 7) Cahors, 8) Dijon, 9) Donai, 10) Grenoble, 11) Lyon, 12) Montpellier, 13) Naucy, 14) Paris, 15) Poitiers, 16) Reims, 17) Rennes, 18) Straßburg, 19) Toulouse, 20) Algier. — Kriegsminister Lamoricièee hat ein Rundschreiben an die Präfekten richten lassen, worin er ihnen erklärt, daß unter den gegenwärtigen kritischen Umständen keine Urlaube mehr ertheilt wurden und daß sogar alle diejenigen Mannschaften, die sich bei ihren Verwandten auf Urlaub befänden, sofort zu ihren Korps zurückzukehren hätten. — Das in Auch erscheinende Blatt, Opinion, meldet vom 3. September: „Im hiesigen Nationalgestüt ist der Befehl vom Minister eingetroffen, bedeutende Pferde-Ankäufe im In- oder Auslande zu machen. Die diesfälligen Kredite seien bereits angewiesen.“ — Der Indépendant de l'Quest bringt schon folgendes neue Ministerium für die nächste Restauration: 1) Berryer, Auswärtiges; 2) Genoude, Inneres; 3) Odilon Barrot, Justiz; 4) Changarnier, Krieg; 5) Dufaure, Unterricht; 6) Rainedicke, Finanzen; 7) Billault, Ackerbau und Handel; 8) Benoit, Staatsbauten. Die Republikaner aller Farben werden natürlich unter diesen Umständen zur Einigkeit gedrängt. Im Sarthe-Departement reiten förmliche propagandistische Pilgerer von einem Jahrmarkt zum andern, um von Wagen herab legitimistische Traktätlein und Flüche gegen die Republik zu verkaufen oder gratis zu vertheilen. — In dem fabrikreichen Thale Deville bei Rouen sind zwischen den dortigen Spinnern und ihren Contre-Maitres so ernste Streitigkeiten ausgebrochen, daß der Ortsbürgermeister das Mobilgardistenbataillon in Rouen (von Paris seit einiger Zeit von Senard dorthin detachirt) zu deren Beilegung herbeirufen mußte. Die Ruhe ist äußerlich hergestellt. — Diese Nacht fand bei Marrast ein glänzender Hofball Statt. Dreitausend Einladungskarten waren verschickt. Die Elite der europäischen Gesellschaft — sagt der Moniteur — war anwesend. Die Säle des Präsidentenhotels genügten kaum für die herbeidrängenden Gäste. Der Palast ist mit wahrhaft blendendem Glanze eingerichtet; die brillanten Toiletten der Damen, die verschiedenartigsten Uniformen der Nationalgarden und Armee, bildeten einen hinreißenden Anblick. Die Tänze finden in den großen Galerien und den benachbarten Sälen Statt. ‥… Wir übersetzen wörtlich den Moniteur, dem diese Notiz Nachts um 1 Uhr zugeschickt wurde, um das erwachende Paris mit diesem Glanz auf dem Papier zu überraschen. Es lebe die Republik Marrast! — Präsident Marrast hat dem Finanzausschusse erklärt, daß er sich mit den dem Präsidenten der Nationalversammlung monatlich bewilligten 4000 Franken nicht begnügen könne. Er beantrage 10,000 Franken, wie der General Cavaignac, um die Pariser gehörig in Nahrung zu setzen. Einem solchen Argumente konnte der liberale Finanzausschuß nicht widerstehen und er entschied mit 6 gegen 4 Stimmen die verlangte Gehaltszulage. — In Metz sind 100 polnische Flüchtlinge eingetroffen. Sie wurden auf's herzlichste empfangen. Die Regierung that jedoch noch nichts. Bisher leben sie von den Almosen der Metzer Bürger. National-Versammlung. Sitzung vom 8. September. Aus den lebhaften Gesprächen, die in den Nebensälen gepflogen werden, hört man Folgendes: Als diesen Mittag sich der Verfassungsausschuß wie gewöhnlich versammelt, und Cormenin, Marrast und die übrigen Glieder ihre Plätze eingenommen hatten, erhob sich Corbon, der sogenannte Arbeiter und Vizepräsident der National-Versammlung und drückte sich ungefähr folgendermaßen aus: Alle Welt habe mit Entrustung das Pamphlet gelesen, das der Präsident des Verfassungsausschusses selbst durch den Buchhandel zu veröffentlichen für gut befunden habe. Außer mehreren anderen Anstößigkeiten, um gelinde zu reden, komme darin auch eine Stelle vor, worin der Verfasser sage, daß man hier in diesem Saale die neue Verfassung berathe, während zahlreiche Bajonette, dieser Zierrath des Despotismus, zum Fenster herein blitzen u. s. w. Dergleichen Ausfälle gegen die höchsten Prinzipien der Regierung seien von einer Natur, daß er seinen P#atz nicht länger in einer Versammlung behalten wolle, die von einem solchen Spötter präsidirt werde. (Sensation.) Marrast nahm nun das Wort und erklärte, mit den Ansichten Corbons vollständig einverstanden zu sein. Die ganze Versammlung trat diesem Tadelsvotum bei. Cormenin saß wie versteinert auf seinem Präsidentenstuhle. Als er sah, daß die ganze Versammlung gegen ihn gestimmt war, raffte er alle seine Papiere zusammen, und schritt aus dem Saale. Diese Scene rief eine große Aufregung in allen Winkeln des weitläufigen Gebaudes hervor, die sich noch lange nicht gelegt hatte, als Marrast in dem Hauptsaale erschien, um die Sitzung um 1 1/2 Uhr zu eröffnen. Nach Verlesung des Protokolls und einiger Nebengeschäfte erscheint Bastide, Minister des Auwärtigen, auf der Bühne. „Bürger-Repräsentanten, beginnt er, ich habe die Ehre, Ihnen anzuzeigen, daß die Regierung von Wien aus benachrichtigt worden ist, daß Oesterreich die ihm in der italienischen Frage von unsund England angebotene Mediation angenommen hat und sich von den besten Friedensgesinnungen beseelt zeigt. Demzufolge kann ich der Versammlung die Versicherung ertheilen, daß bedeutende Ersparnisse rücksichtlich der Armee-Ausgaben gemacht werden können.“ Die Versammlung nimmt die Tagesordnung auf, nämlich die schon zwanzig Mal abgebrochene Berathung über das unglückliche Dekret vom 2. März 1848, das die Arbeitsdauer auf 10 Stunden per Tag festsetzt und den Fabrikanten so viele schlaflose Nächte verursachte. Stourm, Besnard, Corbon, Morin, Michot, Barasseur etc. unterstützten, theils bekämpften sie den durch Amendements gänzlich entstellten Entwurf, der kurzweg auf Abschaffung des Marzdekrets antrug. Die Menge von Amendements zu dem Gesetzentwurfe der Arbeitsausschüsse rief eine solche Verwirrung hervor, daß Flocon auf die Tribune eilte und sagte: Der erste Artikel lautet: „Das Dekret vom 2. März, in so weit es die Arbeitsstundenzahl betrifft, ist abgeschafft.“ Der Deputirte Fourneyron will die Worte, „in so weit es die Arbeitsstundenzahl betrifft,“ gestrichen wissen. Ich protestire gegen diese Streichung, denn das hieße, jene Verordnung vom 2. März absolut abschaffen. Dieselbe zerfällt aber in zwei Hauptfragen: a. die tägliche Arbeitsdauer, b. die sogenannte Marchandage. Von letzterer ist aber in der mehrtägigen Debatte bisher noch keine Silbe gesprochen worden. (Ja! Ja! Nein! Nein!) Ich trage daher darauf an, nun über den Artikel I. in seinem vollen Text abstimmen zu lassen. Touret, Ackerbau- und Handelsminister, nimmt das Wort und schlägt vor, den Artikel I. erst nach den übrigen Artikeln zu votiren. Dieser Vorschlag wird angenommen und man geht zu Artikel II. über. Derselbe lautet: „Die Arbeitsdauer des Arbeiters in den Manufakturen und allen großen Fabriken, Hütten-, Bergwerken etc. darf 12 Stunden nicht überschreiten.“ Gambon stellt den Antrag auf zehn Stunden und will das Dekret der provisorischen Regierung retten. Dieser Antrag wird mit 607 gegen 67 Stimmen verworfen. Pierre Leroux schlägt 11 Stunden vor. Wird verworfen Artikel II mit seinen 12 Stunden geht durch. Das Februar-Dekret ist somit begraben. Artikel III. wird ebenfalls angenommen. Die Fortsetzung des Debatte wird auf morgen verschoben. Die Versammlung geht um 6 1/2 Uhr auseinander. Paris, 9. September. Ridolfi außerordentlicher Gesandter des Großherzogs von Toscana, hat dem General Ravaignac die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar100_022" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0503"/> diesen Anschluß aus dem Grunde der Nationalität in den Vordergrund gestellt, daß unter <hi rendition="#g">einem</hi> Volke keine Zollschranken stehen dürften und alle anderen Gründe außer Acht gelassen. Hier ist das etwas anderes, hier haben wir eine nationelle Antipathie gegen jede Vereinigung mit Deutschland und eine kommerzielle würde die politische nicht mehr lange auf sich warten lassen. Allein trotzdem scheint sich die Meinung Bahn zu brechen, daß der Fall der Zollschranken zwischen Deutschland und Oestreich letzterem nur günstig sein könne. Der östreichische Handel concentrit, würde unendlich gewinnen. Nicht nur, daß der Transito, welcher vom Zollverein aus früher aus der Schweiz über Genua nach dem Orient proponirt war, seinen Weg durch die östreichischen Provinzen nach dem adriatischen Meere um so sicherer nehmen wird, findet auch die östreichische Flotte als Vereinsflotte einen sichern Schutz und weder England noch Frankreich wird einen Krieg mit Oestreich wagen, wenn es auch materiell mit Deutschland verbunden ist. Das Parlament wird um so vortheilhaftere Handelsverträge schließen können, indem ein Vertrag von 70 Mill. Consumenten etwas anderes ist, als der mit einem kleinen Staate. Vor allem aber keine lange Uebergangsperiode, denn je länger sich Oestreich ausschließt, desto mehr strengt sich die zolldeutsche Industrie an, die vorzüglichsten östreichischen Produkte im Vereine zu ersetzen und je länger Zeit man dazu läßt, desto gefährlicher wird diese Konkurrenz. Ich glaube daher, daß der größere und intelligentere Theil der böhmischen Industriellen von seinen egoistischen Irrthümern selbst zurückkommt, wenn er die heutigen Tagesverhältnisse mit den großartigen Tendenzen einer nationalökonomischen und kommerziellen Vereinigung mit Deutschland richtig erfaßt, zumal da ein großer Theil der kaufmännischen Welt selbst durch das allen Verkehr abschneidende Prohibitivsystem in einer gänzlichen Unkenntniß aller auswärtigen Verhältnisse erhalten ist; es ist ausgemacht, daß, solange Belgien und die Schweiz ausgeschlossen bleiben, die böhmische Industrie nicht nur für alle ihre wichtigen Zweige einen guten Markt finden wird, sondern daß auch die minderwichtigen durch die ausländische Konkurrenz nicht untergehen werden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar100_023" type="jArticle"> <head> <bibl> <author>*</author> </bibl> </head> <p>Das neapolitanische Geschwader ist nun wirklich gegen Sizilien hin aufgebrochen. Es wird sich bald zeigen, ob Frankreich und England die bombardirende Majestät von Neapel ihre Lieblingspläne ungestört zur Ausführung bringen lassen — Der Herzog von Modena hat mit seiner Kamarilla ein Bürgerwehrgesetz ausgearbeitet, in welchem sich unter andern schönen Bestimmungen auch folgende finden: Fahnen und Kokarden sollen die estensischen sein; die Bürgergarde schwört Treue dem östreichisch-estensischen Hause; ein Drittel der Bürgergarde wird stets mobil gehalten, um auf ein Zeichen des Herzogs zur Vertheidigung seiner Souveränetätsrechte zu maschiren, wohin er befiehlt; vom Lieutenant aufwärts ernennt der Herzog allein sämmtliche Ofiziere etc. Die Bürger sind entschlossen, den Eid zu verweigern und das Gesetz, sobald es erscheint, zu zerreißen und den Flammen zu überliefern. In Parma soll es zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen dem Volk und den Oestreichern gekommen sein, indem Letztere eine starke Contribution ausschrieben und als sie binnen 4 Stunden nicht beisammen war, Gewalt anwandten.</p> <p>Der sardinische Gesandte in Florenz hatte das Journal „il Popolano“ wegen Injurien und Verläumdungen gegen Karl Albert gerichtlich belangt. Am 31. August wurde der Prozeß verhandelt: die Geschworenen erklärten nach kurzer Berathung: „nicht schuldig.“ Livorno ist ruhig.</p> <p>Kaum hat der Pabst die Kammern so plötzlich vertagt, daß die letztern kaum wußten, wie ihnen geschah: so folgt Ferdinand von Neapel diesem Beispiele. Die Kammern sind dort ebenfalls vertagt. So gewinnt die reactionäre Partei überall freie Hand. In Toscana steigende Erbitterung wegen Suspendirung der konstitutionellen Garantien. Einige 100 Polen sind in Livorno angelangt; sie begeben sich nach Venedig, um gegen Oestreich kämpfen zu helfen. Die Vorfälle in Genua (in Folge der willkürlichen Verhaftung de Boni's) zeigen, daß die Camarilla noch nicht stark genug ist, um in jener Stadt ihre Pläne durchzusetzen. Turin spricht laut seine Billigung aus zu dem Verfahren der Genuesen. Die Piemontesen verlangen, daß wegen des Eintritts eines neuen Kabinets die vertagten Kammern schleunig zusammengerufen werden. Statt dessen geht aber das Kabinet Revel damit um, die Kammern völlig aufzulösen. Unter solchen Umständen macht der Eid, den jetzt die Truppen auf die Verfassung leisten — wie dies am 3. d. in Turin geschah — geringen Eindruck.</p> </div> <div xml:id="ar100_024" type="jArticle"> <head>Mailand.</head> <p>Aus einer Kundmachung des Militärgouverneurs v. Wimpffen vom 4. d. ersieht man, daß einige den Versuch erneuern, das Cigarrenrauchen in Verruf zu bringen. Denjenigen, welche die Cigarrenraucher in ihrer individuellen Freiheit zu beeinträchtigen sich erlauben sollten, wird mit der Strenge des Militärgesetzes gedroht,</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar100_025" type="jArticle"> <head><bibl><author>16</author></bibl> Paris, 9. Sept.</head> <p>Die Klubs entwickeln viel Thätigkeit; in dem des Bazar Bonne Nouvelle waren gestern 2400 Männer (Frauen sind bekanntlich auf Specialantrag des <hi rendition="#g">protestantischen</hi> Herrn Pastor Athanasius Coquerel, desgleichen Unmündige, seit der Juni-Insurrektion ausgeschlossen) und ein <hi rendition="#g">katholischer</hi> Priester sprach sich sehr erfreulich aus, so daß man ein donnerndes Lebehoch auf die „demokratisch-sociale Republik“ ausbachte, worin er einstimmte. In diesem und andern Klubs wird Considerant, der Chef der Fourieristen, als „ganz stummes Kammermitglied, welches sich nur auf's Lawiren verlege“ heftig attakirt; die Spaltung in den Reihen der Phalansterier ist jetzt offenkundig. Der Exbaron Charles Dupin kann nunmehr kein Wort sprechen, ohne daß es nicht Tags darauf dem Volke denunzirt und zerzaust wird; ein sehr fatales Treibjagen, zumal General Cavaignac selbst erklärte: „Nie werde ich dem wissenschaftlichen Kritisiren und Polemisiren Einhalt zu thun wagen.“ — Proudhon's Probeblatt „Le Peuble“ ist zwar konfiszirt, indeß hat es viel Aufsehen erregt; es sagt (mit Hinweisung auf die „jungen Politiker“ der Thiersklike): „Seht da drüben, das kalte, häßliche Geschöpf, ganz pfiffig und geschmeidig wie eine Schlange, spöttelnd, mit Ziffern um sich schmeißend, ohne Schaam, zischelnd und blinzelnd, mit Silberstimme predigt's, und schließt höhnisch lächelnd oder salbungsernst auf die Nothwendigkeit erbarmungsloser Maßregeln; es läugnet keck das heilige Volksrecht, das Arbeitsrecht; es schwatzt Euch weitläuftig von Vorsehung, es vergöttert die malthusianische Fatalität; es hält Religion für ein hübsches politisches Werkzeug, das Gesetz für ein Uebereinkommen, die Revolution für ein Faktum, und damit Punktum! … Und wenn man Euch vom Haß des Socialismus gegen die Familie vorjammert, o so nehmt die Fackel und leuchtet hinein in die Schauderpalläste der Reichen, der Antisocialisten; klopft einmal an beim Nachbar, beim Kapitalherrn, beim Rentier, beim Börsenmanne, beim Hochbesoldeten, beim Schmarotzer, beim reichen Müßiggänger, beim goldgestickten Tagedieb, beim auf Sammet ruhenden Faulenzer und Intriganten; setzt Euch die Brille auf und forscht <hi rendition="#g">da</hi> nach. Befragt einmal seine Gattin, und Cousine, und Schwägerin, und Köchin, und die Kammerjungfer seiner Frau; nicht wahr, er hält sie heilig, diese seine große Familie? ‥ Der Reiche ist ehebrecherisch und naturschänderisch durch <hi rendition="#g">Luxus</hi>. Der arme Teufel wird es nur durch materielles <hi rendition="#g">Elend</hi> … Wahre Liebe findet sich fast nur noch zwischen Arbeiter und Arbeiterin. Ihr Verleumder des Volkes, laßt ab von Eurem heillosen, sophistischen Geschwätz. … Ihr schreit, die Arbeit sei den Socialmännern zuwider; was treibt aber Ihr, Herren der <hi rendition="#g">Bankokratie</hi>? Euch muß der Arbeitende fast 100 Prozent von seiner Arbeit geben, und Ihr verlacht ihn obenein. Darum wollen wir unentgeldlichnn Kredit, keine Zinsen, keine Privilegien. Nennt Ihr das Abschaffung des Eigenthums? gut. Wir nennen es Justiz, Arbeit, Ehre …“ Hierauf verlangt Proudhon entweder Frieden, oder revolutionären Propagandakrieg in Europa, aber keinen Kabinetskrieg, kein „militärisches Roulette und Schachspiel.“ „Macht Ihr Propagandakrieg, so stehen die Proletarier von Schlesien und Rußland, Irland und Lyon mit Euch. Wo nicht, so sind sie Euch Feind, oder sehen Euch gleichgültig an, und Ihr könnt dann wieder ein 1815 erleben.“ — Der Professor der Mathemathik, August Comte, von der politechnischen Schule, dehnt seine „Societät des Positivismus“ immer aus; er hält Abends bei sich Vorträge und die Arbeiter-Kommissäre Magnin (Schreiner), Jaquemin (Mechanikus) und Belpaume (Schuhmacher) haben einen Rapport im Sinne dieser Doktrin publizirt, worin sie sofortige Volksberathungen über Arbeitsbestellungen und Nachweisungen, statistische Uebersichten, Lokaltabellen fordern; der Staat solle mindestens allen durch Privatindustrie nicht Beschäftigten Arbeit geben; Spitäler und Mildthätigkeitsbureaux seien unproduktiv; Sparsamkeit sei lächerlich den Arbeitern zu predigen. Professor Dr. med. Littré (Uebersetzer des Lebens Jesu von Strauß) ist äußerst thätig in dieser Societät, die auch einen Gouvernementsplan, mit Arbeitern als Ministern, ausgearbeitet hat, August Comte selber ist etwas Pedant, wie sein 7 Bände dickes Buch beweist, aber die Arbeiter sind ein gutes Gegengift für solchen Uebelstand, und es zeigen sich schon gute Erfolge. — In Südfrankreich und Elsaß ist die Königsfahne geradezu aufgepflanzt, doch wieder einstweilen abgenommen worden; Freiheitsbäume sind an vielen Orten umgehauen.</p> </div> <div xml:id="ar100_026" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 3. Sept.</head> <p>Die Besprechung der Konstitution hat in der Kammer Statt. Nach dem Gange, den die Verhandlungen einschlagen, kann die Konstitution in 8 bis 10 Monaten vollendet sein. Unterdessen fährt Marrast fort, die glänzendsten Soiree's in seinem Präsidentenpalast zu geben, und am andern Tage legt er die Rechnung der Nationalversammlung vor. Zur Bestreitung der Kosten wird eine Zulage von 6000 Fr. für Hrn. Marrast verlangt. Am Tage über diskutiren und debattiren die Herren in der Kammer und am Abend machen sie sich vis-à-vis in der Quadrille. Es ist dies ein Mittel der „Vereinbarung“ wie die übrigen, vielleicht noch wirksamer als jedes andere, zumal wenn man bedenkt, daß am Abend in den Salons des Hrn. Marrasts die schönsten Frauen von Paris zu der Debatte und der Quadrille zugelassen werden.</p> <p>Die Konstitution zerfällt in drei Abschnitte: wir haben einen religiösen, einen moralischen und einen politischen Abschnitt. Die Verhandlung beschränkte sich bisheran nur auf die Religion und die Moral. Die „größten“ Redner, Lamartine, Cremieux, Dupin, Bischof und Pastor haben gesprochen, und alle haben sich nicht über den Moralprediger erhoben. Wie man weiß, geht dem Konstitutionsentwurf eine Art Einleitung voran, die die sogenannten Prinzipien enthält. Wie überhaupt der ganze Konstitutionsentwurf und namentlich der politische Theil im Grunde nichts Weiteres ist, als der politische Ausdruck der bereits begründeten, d. h. der unverändert gebliebenen Zustände, so soll die Einleitung, das sogenannte Vorwort diesem politischen Theile, einen moralischen Anstrich geben. Jetzt fragt es sich: Ist überhaupt eine solche Einleitung nöthig, und, wenn sie nöthig ist, soll sie nicht besser nach der Politik diskutirt werden? Und wenn diese Einleitung, diese Moral diskutirt werden soll, wäre es nicht zweckmäßig, diese Moral religiös zu begründen?</p> <p>Diejenigen, welche wie Cremieux und Lamartine sich für die Beibehaltung der Einleitung aussprachen, wollen darin das Prinzip der Revolution, die „ewigen Wahrheiten“ ausgedrückt finden, die als neue, errungene Rechte der Nation zugesichert werden müßten. Die andern, wie Lavat, Cazales u. s. w., welche für die Weglassung der Einleitung sich aussprachen, befürchteten, daß sie Bestimmungen enthalte, deren Ausführung entweder unmöglich sei oder zu neuen Konflikten führen könnte.</p> <p>„Im Namen Gottes;“ „die Wahrheit der großen Prinzipien“ — das sind die Phrasen, welche in der Kammer jetzt jeden Augenblick widerhallen. „ Angesichts Gottes wollen wir die großen Prinzipien, die ewigen Wahrheiten der französischen Nation proklamiren.“ — Und was sind diese großen Prinzipien, diese ewigen Wahrheiten? „Gleichheit u. s. w.“ Alles käme, nach Lamartine, darauf an, die Gleichheit richtig zu definiren; aus Mangel an Definition sei der Kommunismus entstanden. Was ist nach Herrn Lamartine der Kommunismus? Das Chaos, d. h. ein Zustand, worin ein Mann das Gewehr ergreift und auf Erstürmung, auf Wegnahme des Eigenthums losgeht. Herr Lamartine „betet das Eigenthum an;“ „es ist ein göttliches Prinzip, ein Gesetz Gottes.“ Das Gesetz Gottes ist das Eigenthum; ohne Eigenthum gibt es keine Freiheit. Früher hieß es gerade umgekehrt, ohne Freiheit kein Eigenthum. Aber wenn Leute wie Lamartine von Eigenthum sprechen, so denken sie nur zunächst an das Eigenthum, welches durch Einbrechen, Plündern und Rauben gefährdet werden kann, an das handgreifliche Eigenthum, woran kein Mensch Hand anzulegen gedenkt: an den Kleinhandel, an den Kram und den Krämer, und sagt man nun zu diesen Leuten: Seht jetzt heißt es, Haus, Hof und Schrank geöffnet und mit den Kommunisten getheilt, so ist man gewiß seine Wirkung nicht zu verfehlen. Lamartine will nicht, daß man immer von der Konkurrenz, immer vom materiellen Interesse, vom Kapital und Netto-Ertrage spreche; in der Revolution gebe es ein höheres, ein moralisches Interesse, eine geistige Tendenz; diese Tendenz sei in der Konstitution ausgesprochen, und dem Volke kundgethan „Angesichts Gottes. Man müsse die republikanischen Institutionen an religiöse Inspirationen und nicht an die Begriffe des Kaufens und Verkaufens anknüpfen.</p> <p>„Im Namen Gottes! Als man in den Revolutionen des vorigen Jahrhunderts alle alten Feudalzustände und Feudalherren gestürzt hatte, dekretirte man die neue Konstitution: im Namen Gottes. Als man später erkannte, daß der Gott in der Konstitution weiter nichts war, als das Gutheißen der bürgerlichen Zustände, und daß dieser Gott nur denen zu gute kommen sollte, die nichts Besseres hatten auf Erden, mußte mit dem Eintritt des Kampfes gegen die bürgerlichen Zustände, in der Schreckenszeit, auch der bürgerliche Gott fallen: er fiel, der Gott, das höchste Wesen und an seine Stelle trat ein weibliches Wesen, als Ausdruck des damaligen französischen Wesens. Später, als die bürgerlichen Zustände die Einsetzung eines Bürgergottes wieder nothwendig machten, wurde über ihn im Convente mit Aufstehen und Niedersitzen ebenso abgestimmt, wie über alle andere Bürgerrechte.</p> <p>Ein gleiches findet jetzt ebenfalls in der Kammer statt. Nach Annahme der Einleitung ging man zur Diskussion der einzelnen Paragraphen über. Im Eingange finden wir: Angesichts Gottes. So wie man früher mit Gott aufhörte, so fängt man jetzt mit Gott an. Verschiedene Amendements wurden gestellt. „Im Namen Gottes“, welches der Bischof von Orleans schon in der ersten Sitzung aufgestellt hatte, war bereits zurückgenommen worden. Jetzt stellt ein anderes Mitglied den Antrag: Unter Anrufung Gottes — verworfen; wieder ein anderes: In Gegenwart Gottes, Prinzip der ewigen Gerechtigkeit — verworfen. Der Antrag Devilles: Im Angesicht Gottes und des Belagerungszustandes, das ebenfalls heute zur Sprache kam, ward auch verworfen und der Gott schlechtweg hat triumphirt.</p> </div> <div xml:id="ar100_027" type="jArticle"> <head>Paris, 8. Sept.</head> <p>Ein außerordentlicher Kourier hat der Regierung die Nachricht gebracht, daß Oestreich die Mediation annimmt. Zu welchen Bedingungen? Darüber herrscht noch Staatsgeheimniß.</p> <p>— Bisher zählte Frankreich 27 Akademien oder Hochschulen, deren Besuch zum Staatsdienste befähigte. Ein Dekret im Moniteur setzt diese Zahl auf 20 herab und bestimmt sie in folgenden Städten: 1) Aix, 2) Angers, 3) Besancon, 4) Bordeaut, 5) Bourges, 6) Caen, 7) Cahors, 8) Dijon, 9) Donai, 10) Grenoble, 11) Lyon, 12) Montpellier, 13) Naucy, 14) Paris, 15) Poitiers, 16) Reims, 17) Rennes, 18) Straßburg, 19) Toulouse, 20) Algier.</p> <p>— Kriegsminister Lamoricièee hat ein Rundschreiben an die Präfekten richten lassen, worin er ihnen erklärt, daß unter den gegenwärtigen kritischen Umständen keine Urlaube mehr ertheilt wurden und daß sogar alle diejenigen Mannschaften, die sich bei ihren Verwandten auf Urlaub befänden, sofort zu ihren Korps zurückzukehren hätten.</p> <p>— Das in Auch erscheinende Blatt, Opinion, meldet vom 3. September:</p> <p>„Im hiesigen Nationalgestüt ist der Befehl vom Minister eingetroffen, bedeutende Pferde-Ankäufe im In- oder Auslande zu machen. Die diesfälligen Kredite seien bereits angewiesen.“</p> <p>— Der Indépendant de l'Quest bringt schon folgendes neue Ministerium für die nächste Restauration: 1) Berryer, Auswärtiges; 2) Genoude, Inneres; 3) Odilon Barrot, Justiz; 4) Changarnier, Krieg; 5) Dufaure, Unterricht; 6) Rainedicke, Finanzen; 7) Billault, Ackerbau und Handel; 8) Benoit, Staatsbauten.</p> <p>Die Republikaner aller Farben werden natürlich unter diesen Umständen zur Einigkeit gedrängt.</p> <p>Im Sarthe-Departement reiten förmliche propagandistische Pilgerer von einem Jahrmarkt zum andern, um von Wagen herab legitimistische Traktätlein und Flüche gegen die Republik zu verkaufen oder gratis zu vertheilen.</p> <p>— In dem fabrikreichen Thale Deville bei Rouen sind zwischen den dortigen Spinnern und ihren Contre-Maitres so ernste Streitigkeiten ausgebrochen, daß der Ortsbürgermeister das Mobilgardistenbataillon in Rouen (von Paris seit einiger Zeit von Senard dorthin detachirt) zu deren Beilegung herbeirufen mußte. Die Ruhe ist äußerlich hergestellt.</p> <p>— Diese Nacht fand bei Marrast ein glänzender Hofball Statt. Dreitausend Einladungskarten waren verschickt. Die Elite der europäischen Gesellschaft — sagt der Moniteur — war anwesend. Die Säle des Präsidentenhotels genügten kaum für die herbeidrängenden Gäste. Der Palast ist mit wahrhaft blendendem Glanze eingerichtet; die brillanten Toiletten der Damen, die verschiedenartigsten Uniformen der Nationalgarden und Armee, bildeten einen hinreißenden Anblick. Die Tänze finden in den großen Galerien und den benachbarten Sälen Statt. ‥… Wir übersetzen wörtlich den Moniteur, dem diese Notiz Nachts um 1 Uhr zugeschickt wurde, um das erwachende Paris mit diesem Glanz auf dem Papier zu überraschen. Es lebe die Republik Marrast!</p> <p>— Präsident Marrast hat dem Finanzausschusse erklärt, daß er sich mit den dem Präsidenten der Nationalversammlung monatlich bewilligten 4000 Franken nicht begnügen könne. Er beantrage 10,000 Franken, wie der General Cavaignac, um die Pariser gehörig in Nahrung zu setzen. Einem solchen Argumente konnte der liberale Finanzausschuß nicht widerstehen und er entschied mit 6 gegen 4 Stimmen die verlangte Gehaltszulage.</p> <p>— In Metz sind 100 polnische Flüchtlinge eingetroffen. Sie wurden auf's herzlichste empfangen. Die Regierung that jedoch noch nichts. Bisher leben sie von den Almosen der Metzer Bürger.</p> <p><hi rendition="#g">National-Versammlung</hi>. Sitzung vom 8. September. Aus den lebhaften Gesprächen, die in den Nebensälen gepflogen werden, hört man Folgendes:</p> <p>Als diesen Mittag sich der Verfassungsausschuß wie gewöhnlich versammelt, und Cormenin, Marrast und die übrigen Glieder ihre Plätze eingenommen hatten, erhob sich Corbon, der sogenannte Arbeiter und Vizepräsident der National-Versammlung und drückte sich ungefähr folgendermaßen aus: Alle Welt habe mit Entrustung das Pamphlet gelesen, das der Präsident des Verfassungsausschusses selbst durch den Buchhandel zu veröffentlichen für gut befunden habe. Außer mehreren anderen Anstößigkeiten, um gelinde zu reden, komme darin auch eine Stelle vor, worin der Verfasser sage, daß man hier in diesem Saale die neue Verfassung berathe, während zahlreiche Bajonette, dieser Zierrath des Despotismus, zum Fenster herein blitzen u. s. w. Dergleichen Ausfälle gegen die höchsten Prinzipien der Regierung seien von einer Natur, daß er seinen <hi rendition="#g">P#atz</hi> nicht länger in einer Versammlung behalten wolle, die von einem solchen Spötter präsidirt werde. (Sensation.) Marrast nahm nun das Wort und erklärte, mit den Ansichten Corbons vollständig einverstanden zu sein.</p> <p>Die ganze Versammlung trat diesem Tadelsvotum bei.</p> <p>Cormenin saß wie versteinert auf seinem Präsidentenstuhle. Als er sah, daß die ganze Versammlung gegen ihn gestimmt war, raffte er alle seine Papiere zusammen, und schritt aus dem Saale.</p> <p>Diese Scene rief eine große Aufregung in allen Winkeln des weitläufigen Gebaudes hervor, die sich noch lange nicht gelegt hatte, als Marrast in dem Hauptsaale erschien, um die Sitzung um 1 1/2 Uhr zu eröffnen.</p> <p>Nach Verlesung des Protokolls und einiger Nebengeschäfte erscheint Bastide, Minister des Auwärtigen, auf der Bühne. „Bürger-Repräsentanten, beginnt er, ich habe die Ehre, Ihnen anzuzeigen, daß die Regierung von Wien aus benachrichtigt worden ist, daß Oesterreich die ihm in der italienischen Frage von unsund England angebotene Mediation angenommen hat und sich von den besten Friedensgesinnungen beseelt zeigt. Demzufolge kann ich der Versammlung die Versicherung ertheilen, daß bedeutende Ersparnisse rücksichtlich der Armee-Ausgaben gemacht werden können.“</p> <p>Die Versammlung nimmt die Tagesordnung auf, nämlich die schon zwanzig Mal abgebrochene Berathung über das unglückliche Dekret vom 2. März 1848, das die Arbeitsdauer auf 10 Stunden per Tag festsetzt und den Fabrikanten so viele schlaflose Nächte verursachte.</p> <p>Stourm, Besnard, Corbon, Morin, Michot, Barasseur etc. unterstützten, theils bekämpften sie den durch Amendements gänzlich entstellten Entwurf, der kurzweg auf Abschaffung des Marzdekrets antrug.</p> <p>Die Menge von Amendements zu dem Gesetzentwurfe der Arbeitsausschüsse rief eine solche Verwirrung hervor, daß Flocon auf die Tribune eilte und sagte:</p> <p>Der erste Artikel lautet:</p> <p rendition="#et">„Das Dekret vom 2. März, in so weit es die Arbeitsstundenzahl betrifft, ist abgeschafft.“</p> <p>Der Deputirte Fourneyron will die Worte, „in so weit es die Arbeitsstundenzahl betrifft,“ gestrichen wissen.</p> <p>Ich protestire gegen diese Streichung, denn das hieße, jene Verordnung vom 2. März absolut abschaffen. Dieselbe zerfällt aber in zwei Hauptfragen: a. die tägliche Arbeitsdauer, b. die sogenannte Marchandage. Von letzterer ist aber in der mehrtägigen Debatte bisher noch keine Silbe gesprochen worden. (Ja! Ja! Nein! Nein!) Ich trage daher darauf an, nun über den Artikel I. in seinem vollen Text abstimmen zu lassen.</p> <p>Touret, Ackerbau- und Handelsminister, nimmt das Wort und schlägt vor, den Artikel I. erst nach den übrigen Artikeln zu votiren.</p> <p>Dieser Vorschlag wird angenommen und man geht zu Artikel II. über.</p> <p>Derselbe lautet:</p> <p rendition="#et">„Die Arbeitsdauer des Arbeiters in den Manufakturen und allen großen Fabriken, Hütten-, Bergwerken etc. darf 12 Stunden nicht überschreiten.“</p> <p>Gambon stellt den Antrag auf zehn Stunden und will das Dekret der provisorischen Regierung retten.</p> <p>Dieser Antrag wird mit 607 gegen 67 Stimmen verworfen.</p> <p>Pierre Leroux schlägt 11 Stunden vor.</p> <p>Wird verworfen</p> <p>Artikel II mit seinen 12 Stunden geht durch.</p> <p>Das Februar-Dekret ist somit begraben.</p> <p>Artikel III. wird ebenfalls angenommen.</p> <p>Die Fortsetzung des Debatte wird auf morgen verschoben.</p> <p>Die Versammlung geht um 6 1/2 Uhr auseinander.</p> </div> <div xml:id="ar100_028" type="jArticle"> <head>Paris, 9. September.</head> <p>Ridolfi außerordentlicher Gesandter des Großherzogs von Toscana, hat dem General Ravaignac die </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0503/0003]
diesen Anschluß aus dem Grunde der Nationalität in den Vordergrund gestellt, daß unter einem Volke keine Zollschranken stehen dürften und alle anderen Gründe außer Acht gelassen. Hier ist das etwas anderes, hier haben wir eine nationelle Antipathie gegen jede Vereinigung mit Deutschland und eine kommerzielle würde die politische nicht mehr lange auf sich warten lassen. Allein trotzdem scheint sich die Meinung Bahn zu brechen, daß der Fall der Zollschranken zwischen Deutschland und Oestreich letzterem nur günstig sein könne. Der östreichische Handel concentrit, würde unendlich gewinnen. Nicht nur, daß der Transito, welcher vom Zollverein aus früher aus der Schweiz über Genua nach dem Orient proponirt war, seinen Weg durch die östreichischen Provinzen nach dem adriatischen Meere um so sicherer nehmen wird, findet auch die östreichische Flotte als Vereinsflotte einen sichern Schutz und weder England noch Frankreich wird einen Krieg mit Oestreich wagen, wenn es auch materiell mit Deutschland verbunden ist. Das Parlament wird um so vortheilhaftere Handelsverträge schließen können, indem ein Vertrag von 70 Mill. Consumenten etwas anderes ist, als der mit einem kleinen Staate. Vor allem aber keine lange Uebergangsperiode, denn je länger sich Oestreich ausschließt, desto mehr strengt sich die zolldeutsche Industrie an, die vorzüglichsten östreichischen Produkte im Vereine zu ersetzen und je länger Zeit man dazu läßt, desto gefährlicher wird diese Konkurrenz. Ich glaube daher, daß der größere und intelligentere Theil der böhmischen Industriellen von seinen egoistischen Irrthümern selbst zurückkommt, wenn er die heutigen Tagesverhältnisse mit den großartigen Tendenzen einer nationalökonomischen und kommerziellen Vereinigung mit Deutschland richtig erfaßt, zumal da ein großer Theil der kaufmännischen Welt selbst durch das allen Verkehr abschneidende Prohibitivsystem in einer gänzlichen Unkenntniß aller auswärtigen Verhältnisse erhalten ist; es ist ausgemacht, daß, solange Belgien und die Schweiz ausgeschlossen bleiben, die böhmische Industrie nicht nur für alle ihre wichtigen Zweige einen guten Markt finden wird, sondern daß auch die minderwichtigen durch die ausländische Konkurrenz nicht untergehen werden.
Italien. * Das neapolitanische Geschwader ist nun wirklich gegen Sizilien hin aufgebrochen. Es wird sich bald zeigen, ob Frankreich und England die bombardirende Majestät von Neapel ihre Lieblingspläne ungestört zur Ausführung bringen lassen — Der Herzog von Modena hat mit seiner Kamarilla ein Bürgerwehrgesetz ausgearbeitet, in welchem sich unter andern schönen Bestimmungen auch folgende finden: Fahnen und Kokarden sollen die estensischen sein; die Bürgergarde schwört Treue dem östreichisch-estensischen Hause; ein Drittel der Bürgergarde wird stets mobil gehalten, um auf ein Zeichen des Herzogs zur Vertheidigung seiner Souveränetätsrechte zu maschiren, wohin er befiehlt; vom Lieutenant aufwärts ernennt der Herzog allein sämmtliche Ofiziere etc. Die Bürger sind entschlossen, den Eid zu verweigern und das Gesetz, sobald es erscheint, zu zerreißen und den Flammen zu überliefern. In Parma soll es zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen dem Volk und den Oestreichern gekommen sein, indem Letztere eine starke Contribution ausschrieben und als sie binnen 4 Stunden nicht beisammen war, Gewalt anwandten.
Der sardinische Gesandte in Florenz hatte das Journal „il Popolano“ wegen Injurien und Verläumdungen gegen Karl Albert gerichtlich belangt. Am 31. August wurde der Prozeß verhandelt: die Geschworenen erklärten nach kurzer Berathung: „nicht schuldig.“ Livorno ist ruhig.
Kaum hat der Pabst die Kammern so plötzlich vertagt, daß die letztern kaum wußten, wie ihnen geschah: so folgt Ferdinand von Neapel diesem Beispiele. Die Kammern sind dort ebenfalls vertagt. So gewinnt die reactionäre Partei überall freie Hand. In Toscana steigende Erbitterung wegen Suspendirung der konstitutionellen Garantien. Einige 100 Polen sind in Livorno angelangt; sie begeben sich nach Venedig, um gegen Oestreich kämpfen zu helfen. Die Vorfälle in Genua (in Folge der willkürlichen Verhaftung de Boni's) zeigen, daß die Camarilla noch nicht stark genug ist, um in jener Stadt ihre Pläne durchzusetzen. Turin spricht laut seine Billigung aus zu dem Verfahren der Genuesen. Die Piemontesen verlangen, daß wegen des Eintritts eines neuen Kabinets die vertagten Kammern schleunig zusammengerufen werden. Statt dessen geht aber das Kabinet Revel damit um, die Kammern völlig aufzulösen. Unter solchen Umständen macht der Eid, den jetzt die Truppen auf die Verfassung leisten — wie dies am 3. d. in Turin geschah — geringen Eindruck.
Mailand. Aus einer Kundmachung des Militärgouverneurs v. Wimpffen vom 4. d. ersieht man, daß einige den Versuch erneuern, das Cigarrenrauchen in Verruf zu bringen. Denjenigen, welche die Cigarrenraucher in ihrer individuellen Freiheit zu beeinträchtigen sich erlauben sollten, wird mit der Strenge des Militärgesetzes gedroht,
Französische Republik. 16 Paris, 9. Sept. Die Klubs entwickeln viel Thätigkeit; in dem des Bazar Bonne Nouvelle waren gestern 2400 Männer (Frauen sind bekanntlich auf Specialantrag des protestantischen Herrn Pastor Athanasius Coquerel, desgleichen Unmündige, seit der Juni-Insurrektion ausgeschlossen) und ein katholischer Priester sprach sich sehr erfreulich aus, so daß man ein donnerndes Lebehoch auf die „demokratisch-sociale Republik“ ausbachte, worin er einstimmte. In diesem und andern Klubs wird Considerant, der Chef der Fourieristen, als „ganz stummes Kammermitglied, welches sich nur auf's Lawiren verlege“ heftig attakirt; die Spaltung in den Reihen der Phalansterier ist jetzt offenkundig. Der Exbaron Charles Dupin kann nunmehr kein Wort sprechen, ohne daß es nicht Tags darauf dem Volke denunzirt und zerzaust wird; ein sehr fatales Treibjagen, zumal General Cavaignac selbst erklärte: „Nie werde ich dem wissenschaftlichen Kritisiren und Polemisiren Einhalt zu thun wagen.“ — Proudhon's Probeblatt „Le Peuble“ ist zwar konfiszirt, indeß hat es viel Aufsehen erregt; es sagt (mit Hinweisung auf die „jungen Politiker“ der Thiersklike): „Seht da drüben, das kalte, häßliche Geschöpf, ganz pfiffig und geschmeidig wie eine Schlange, spöttelnd, mit Ziffern um sich schmeißend, ohne Schaam, zischelnd und blinzelnd, mit Silberstimme predigt's, und schließt höhnisch lächelnd oder salbungsernst auf die Nothwendigkeit erbarmungsloser Maßregeln; es läugnet keck das heilige Volksrecht, das Arbeitsrecht; es schwatzt Euch weitläuftig von Vorsehung, es vergöttert die malthusianische Fatalität; es hält Religion für ein hübsches politisches Werkzeug, das Gesetz für ein Uebereinkommen, die Revolution für ein Faktum, und damit Punktum! … Und wenn man Euch vom Haß des Socialismus gegen die Familie vorjammert, o so nehmt die Fackel und leuchtet hinein in die Schauderpalläste der Reichen, der Antisocialisten; klopft einmal an beim Nachbar, beim Kapitalherrn, beim Rentier, beim Börsenmanne, beim Hochbesoldeten, beim Schmarotzer, beim reichen Müßiggänger, beim goldgestickten Tagedieb, beim auf Sammet ruhenden Faulenzer und Intriganten; setzt Euch die Brille auf und forscht da nach. Befragt einmal seine Gattin, und Cousine, und Schwägerin, und Köchin, und die Kammerjungfer seiner Frau; nicht wahr, er hält sie heilig, diese seine große Familie? ‥ Der Reiche ist ehebrecherisch und naturschänderisch durch Luxus. Der arme Teufel wird es nur durch materielles Elend … Wahre Liebe findet sich fast nur noch zwischen Arbeiter und Arbeiterin. Ihr Verleumder des Volkes, laßt ab von Eurem heillosen, sophistischen Geschwätz. … Ihr schreit, die Arbeit sei den Socialmännern zuwider; was treibt aber Ihr, Herren der Bankokratie? Euch muß der Arbeitende fast 100 Prozent von seiner Arbeit geben, und Ihr verlacht ihn obenein. Darum wollen wir unentgeldlichnn Kredit, keine Zinsen, keine Privilegien. Nennt Ihr das Abschaffung des Eigenthums? gut. Wir nennen es Justiz, Arbeit, Ehre …“ Hierauf verlangt Proudhon entweder Frieden, oder revolutionären Propagandakrieg in Europa, aber keinen Kabinetskrieg, kein „militärisches Roulette und Schachspiel.“ „Macht Ihr Propagandakrieg, so stehen die Proletarier von Schlesien und Rußland, Irland und Lyon mit Euch. Wo nicht, so sind sie Euch Feind, oder sehen Euch gleichgültig an, und Ihr könnt dann wieder ein 1815 erleben.“ — Der Professor der Mathemathik, August Comte, von der politechnischen Schule, dehnt seine „Societät des Positivismus“ immer aus; er hält Abends bei sich Vorträge und die Arbeiter-Kommissäre Magnin (Schreiner), Jaquemin (Mechanikus) und Belpaume (Schuhmacher) haben einen Rapport im Sinne dieser Doktrin publizirt, worin sie sofortige Volksberathungen über Arbeitsbestellungen und Nachweisungen, statistische Uebersichten, Lokaltabellen fordern; der Staat solle mindestens allen durch Privatindustrie nicht Beschäftigten Arbeit geben; Spitäler und Mildthätigkeitsbureaux seien unproduktiv; Sparsamkeit sei lächerlich den Arbeitern zu predigen. Professor Dr. med. Littré (Uebersetzer des Lebens Jesu von Strauß) ist äußerst thätig in dieser Societät, die auch einen Gouvernementsplan, mit Arbeitern als Ministern, ausgearbeitet hat, August Comte selber ist etwas Pedant, wie sein 7 Bände dickes Buch beweist, aber die Arbeiter sind ein gutes Gegengift für solchen Uebelstand, und es zeigen sich schon gute Erfolge. — In Südfrankreich und Elsaß ist die Königsfahne geradezu aufgepflanzt, doch wieder einstweilen abgenommen worden; Freiheitsbäume sind an vielen Orten umgehauen.
12 Paris, 3. Sept. Die Besprechung der Konstitution hat in der Kammer Statt. Nach dem Gange, den die Verhandlungen einschlagen, kann die Konstitution in 8 bis 10 Monaten vollendet sein. Unterdessen fährt Marrast fort, die glänzendsten Soiree's in seinem Präsidentenpalast zu geben, und am andern Tage legt er die Rechnung der Nationalversammlung vor. Zur Bestreitung der Kosten wird eine Zulage von 6000 Fr. für Hrn. Marrast verlangt. Am Tage über diskutiren und debattiren die Herren in der Kammer und am Abend machen sie sich vis-à-vis in der Quadrille. Es ist dies ein Mittel der „Vereinbarung“ wie die übrigen, vielleicht noch wirksamer als jedes andere, zumal wenn man bedenkt, daß am Abend in den Salons des Hrn. Marrasts die schönsten Frauen von Paris zu der Debatte und der Quadrille zugelassen werden.
Die Konstitution zerfällt in drei Abschnitte: wir haben einen religiösen, einen moralischen und einen politischen Abschnitt. Die Verhandlung beschränkte sich bisheran nur auf die Religion und die Moral. Die „größten“ Redner, Lamartine, Cremieux, Dupin, Bischof und Pastor haben gesprochen, und alle haben sich nicht über den Moralprediger erhoben. Wie man weiß, geht dem Konstitutionsentwurf eine Art Einleitung voran, die die sogenannten Prinzipien enthält. Wie überhaupt der ganze Konstitutionsentwurf und namentlich der politische Theil im Grunde nichts Weiteres ist, als der politische Ausdruck der bereits begründeten, d. h. der unverändert gebliebenen Zustände, so soll die Einleitung, das sogenannte Vorwort diesem politischen Theile, einen moralischen Anstrich geben. Jetzt fragt es sich: Ist überhaupt eine solche Einleitung nöthig, und, wenn sie nöthig ist, soll sie nicht besser nach der Politik diskutirt werden? Und wenn diese Einleitung, diese Moral diskutirt werden soll, wäre es nicht zweckmäßig, diese Moral religiös zu begründen?
Diejenigen, welche wie Cremieux und Lamartine sich für die Beibehaltung der Einleitung aussprachen, wollen darin das Prinzip der Revolution, die „ewigen Wahrheiten“ ausgedrückt finden, die als neue, errungene Rechte der Nation zugesichert werden müßten. Die andern, wie Lavat, Cazales u. s. w., welche für die Weglassung der Einleitung sich aussprachen, befürchteten, daß sie Bestimmungen enthalte, deren Ausführung entweder unmöglich sei oder zu neuen Konflikten führen könnte.
„Im Namen Gottes;“ „die Wahrheit der großen Prinzipien“ — das sind die Phrasen, welche in der Kammer jetzt jeden Augenblick widerhallen. „ Angesichts Gottes wollen wir die großen Prinzipien, die ewigen Wahrheiten der französischen Nation proklamiren.“ — Und was sind diese großen Prinzipien, diese ewigen Wahrheiten? „Gleichheit u. s. w.“ Alles käme, nach Lamartine, darauf an, die Gleichheit richtig zu definiren; aus Mangel an Definition sei der Kommunismus entstanden. Was ist nach Herrn Lamartine der Kommunismus? Das Chaos, d. h. ein Zustand, worin ein Mann das Gewehr ergreift und auf Erstürmung, auf Wegnahme des Eigenthums losgeht. Herr Lamartine „betet das Eigenthum an;“ „es ist ein göttliches Prinzip, ein Gesetz Gottes.“ Das Gesetz Gottes ist das Eigenthum; ohne Eigenthum gibt es keine Freiheit. Früher hieß es gerade umgekehrt, ohne Freiheit kein Eigenthum. Aber wenn Leute wie Lamartine von Eigenthum sprechen, so denken sie nur zunächst an das Eigenthum, welches durch Einbrechen, Plündern und Rauben gefährdet werden kann, an das handgreifliche Eigenthum, woran kein Mensch Hand anzulegen gedenkt: an den Kleinhandel, an den Kram und den Krämer, und sagt man nun zu diesen Leuten: Seht jetzt heißt es, Haus, Hof und Schrank geöffnet und mit den Kommunisten getheilt, so ist man gewiß seine Wirkung nicht zu verfehlen. Lamartine will nicht, daß man immer von der Konkurrenz, immer vom materiellen Interesse, vom Kapital und Netto-Ertrage spreche; in der Revolution gebe es ein höheres, ein moralisches Interesse, eine geistige Tendenz; diese Tendenz sei in der Konstitution ausgesprochen, und dem Volke kundgethan „Angesichts Gottes. Man müsse die republikanischen Institutionen an religiöse Inspirationen und nicht an die Begriffe des Kaufens und Verkaufens anknüpfen.
„Im Namen Gottes! Als man in den Revolutionen des vorigen Jahrhunderts alle alten Feudalzustände und Feudalherren gestürzt hatte, dekretirte man die neue Konstitution: im Namen Gottes. Als man später erkannte, daß der Gott in der Konstitution weiter nichts war, als das Gutheißen der bürgerlichen Zustände, und daß dieser Gott nur denen zu gute kommen sollte, die nichts Besseres hatten auf Erden, mußte mit dem Eintritt des Kampfes gegen die bürgerlichen Zustände, in der Schreckenszeit, auch der bürgerliche Gott fallen: er fiel, der Gott, das höchste Wesen und an seine Stelle trat ein weibliches Wesen, als Ausdruck des damaligen französischen Wesens. Später, als die bürgerlichen Zustände die Einsetzung eines Bürgergottes wieder nothwendig machten, wurde über ihn im Convente mit Aufstehen und Niedersitzen ebenso abgestimmt, wie über alle andere Bürgerrechte.
Ein gleiches findet jetzt ebenfalls in der Kammer statt. Nach Annahme der Einleitung ging man zur Diskussion der einzelnen Paragraphen über. Im Eingange finden wir: Angesichts Gottes. So wie man früher mit Gott aufhörte, so fängt man jetzt mit Gott an. Verschiedene Amendements wurden gestellt. „Im Namen Gottes“, welches der Bischof von Orleans schon in der ersten Sitzung aufgestellt hatte, war bereits zurückgenommen worden. Jetzt stellt ein anderes Mitglied den Antrag: Unter Anrufung Gottes — verworfen; wieder ein anderes: In Gegenwart Gottes, Prinzip der ewigen Gerechtigkeit — verworfen. Der Antrag Devilles: Im Angesicht Gottes und des Belagerungszustandes, das ebenfalls heute zur Sprache kam, ward auch verworfen und der Gott schlechtweg hat triumphirt.
Paris, 8. Sept. Ein außerordentlicher Kourier hat der Regierung die Nachricht gebracht, daß Oestreich die Mediation annimmt. Zu welchen Bedingungen? Darüber herrscht noch Staatsgeheimniß.
— Bisher zählte Frankreich 27 Akademien oder Hochschulen, deren Besuch zum Staatsdienste befähigte. Ein Dekret im Moniteur setzt diese Zahl auf 20 herab und bestimmt sie in folgenden Städten: 1) Aix, 2) Angers, 3) Besancon, 4) Bordeaut, 5) Bourges, 6) Caen, 7) Cahors, 8) Dijon, 9) Donai, 10) Grenoble, 11) Lyon, 12) Montpellier, 13) Naucy, 14) Paris, 15) Poitiers, 16) Reims, 17) Rennes, 18) Straßburg, 19) Toulouse, 20) Algier.
— Kriegsminister Lamoricièee hat ein Rundschreiben an die Präfekten richten lassen, worin er ihnen erklärt, daß unter den gegenwärtigen kritischen Umständen keine Urlaube mehr ertheilt wurden und daß sogar alle diejenigen Mannschaften, die sich bei ihren Verwandten auf Urlaub befänden, sofort zu ihren Korps zurückzukehren hätten.
— Das in Auch erscheinende Blatt, Opinion, meldet vom 3. September:
„Im hiesigen Nationalgestüt ist der Befehl vom Minister eingetroffen, bedeutende Pferde-Ankäufe im In- oder Auslande zu machen. Die diesfälligen Kredite seien bereits angewiesen.“
— Der Indépendant de l'Quest bringt schon folgendes neue Ministerium für die nächste Restauration: 1) Berryer, Auswärtiges; 2) Genoude, Inneres; 3) Odilon Barrot, Justiz; 4) Changarnier, Krieg; 5) Dufaure, Unterricht; 6) Rainedicke, Finanzen; 7) Billault, Ackerbau und Handel; 8) Benoit, Staatsbauten.
Die Republikaner aller Farben werden natürlich unter diesen Umständen zur Einigkeit gedrängt.
Im Sarthe-Departement reiten förmliche propagandistische Pilgerer von einem Jahrmarkt zum andern, um von Wagen herab legitimistische Traktätlein und Flüche gegen die Republik zu verkaufen oder gratis zu vertheilen.
— In dem fabrikreichen Thale Deville bei Rouen sind zwischen den dortigen Spinnern und ihren Contre-Maitres so ernste Streitigkeiten ausgebrochen, daß der Ortsbürgermeister das Mobilgardistenbataillon in Rouen (von Paris seit einiger Zeit von Senard dorthin detachirt) zu deren Beilegung herbeirufen mußte. Die Ruhe ist äußerlich hergestellt.
— Diese Nacht fand bei Marrast ein glänzender Hofball Statt. Dreitausend Einladungskarten waren verschickt. Die Elite der europäischen Gesellschaft — sagt der Moniteur — war anwesend. Die Säle des Präsidentenhotels genügten kaum für die herbeidrängenden Gäste. Der Palast ist mit wahrhaft blendendem Glanze eingerichtet; die brillanten Toiletten der Damen, die verschiedenartigsten Uniformen der Nationalgarden und Armee, bildeten einen hinreißenden Anblick. Die Tänze finden in den großen Galerien und den benachbarten Sälen Statt. ‥… Wir übersetzen wörtlich den Moniteur, dem diese Notiz Nachts um 1 Uhr zugeschickt wurde, um das erwachende Paris mit diesem Glanz auf dem Papier zu überraschen. Es lebe die Republik Marrast!
— Präsident Marrast hat dem Finanzausschusse erklärt, daß er sich mit den dem Präsidenten der Nationalversammlung monatlich bewilligten 4000 Franken nicht begnügen könne. Er beantrage 10,000 Franken, wie der General Cavaignac, um die Pariser gehörig in Nahrung zu setzen. Einem solchen Argumente konnte der liberale Finanzausschuß nicht widerstehen und er entschied mit 6 gegen 4 Stimmen die verlangte Gehaltszulage.
— In Metz sind 100 polnische Flüchtlinge eingetroffen. Sie wurden auf's herzlichste empfangen. Die Regierung that jedoch noch nichts. Bisher leben sie von den Almosen der Metzer Bürger.
National-Versammlung. Sitzung vom 8. September. Aus den lebhaften Gesprächen, die in den Nebensälen gepflogen werden, hört man Folgendes:
Als diesen Mittag sich der Verfassungsausschuß wie gewöhnlich versammelt, und Cormenin, Marrast und die übrigen Glieder ihre Plätze eingenommen hatten, erhob sich Corbon, der sogenannte Arbeiter und Vizepräsident der National-Versammlung und drückte sich ungefähr folgendermaßen aus: Alle Welt habe mit Entrustung das Pamphlet gelesen, das der Präsident des Verfassungsausschusses selbst durch den Buchhandel zu veröffentlichen für gut befunden habe. Außer mehreren anderen Anstößigkeiten, um gelinde zu reden, komme darin auch eine Stelle vor, worin der Verfasser sage, daß man hier in diesem Saale die neue Verfassung berathe, während zahlreiche Bajonette, dieser Zierrath des Despotismus, zum Fenster herein blitzen u. s. w. Dergleichen Ausfälle gegen die höchsten Prinzipien der Regierung seien von einer Natur, daß er seinen P#atz nicht länger in einer Versammlung behalten wolle, die von einem solchen Spötter präsidirt werde. (Sensation.) Marrast nahm nun das Wort und erklärte, mit den Ansichten Corbons vollständig einverstanden zu sein.
Die ganze Versammlung trat diesem Tadelsvotum bei.
Cormenin saß wie versteinert auf seinem Präsidentenstuhle. Als er sah, daß die ganze Versammlung gegen ihn gestimmt war, raffte er alle seine Papiere zusammen, und schritt aus dem Saale.
Diese Scene rief eine große Aufregung in allen Winkeln des weitläufigen Gebaudes hervor, die sich noch lange nicht gelegt hatte, als Marrast in dem Hauptsaale erschien, um die Sitzung um 1 1/2 Uhr zu eröffnen.
Nach Verlesung des Protokolls und einiger Nebengeschäfte erscheint Bastide, Minister des Auwärtigen, auf der Bühne. „Bürger-Repräsentanten, beginnt er, ich habe die Ehre, Ihnen anzuzeigen, daß die Regierung von Wien aus benachrichtigt worden ist, daß Oesterreich die ihm in der italienischen Frage von unsund England angebotene Mediation angenommen hat und sich von den besten Friedensgesinnungen beseelt zeigt. Demzufolge kann ich der Versammlung die Versicherung ertheilen, daß bedeutende Ersparnisse rücksichtlich der Armee-Ausgaben gemacht werden können.“
Die Versammlung nimmt die Tagesordnung auf, nämlich die schon zwanzig Mal abgebrochene Berathung über das unglückliche Dekret vom 2. März 1848, das die Arbeitsdauer auf 10 Stunden per Tag festsetzt und den Fabrikanten so viele schlaflose Nächte verursachte.
Stourm, Besnard, Corbon, Morin, Michot, Barasseur etc. unterstützten, theils bekämpften sie den durch Amendements gänzlich entstellten Entwurf, der kurzweg auf Abschaffung des Marzdekrets antrug.
Die Menge von Amendements zu dem Gesetzentwurfe der Arbeitsausschüsse rief eine solche Verwirrung hervor, daß Flocon auf die Tribune eilte und sagte:
Der erste Artikel lautet:
„Das Dekret vom 2. März, in so weit es die Arbeitsstundenzahl betrifft, ist abgeschafft.“
Der Deputirte Fourneyron will die Worte, „in so weit es die Arbeitsstundenzahl betrifft,“ gestrichen wissen.
Ich protestire gegen diese Streichung, denn das hieße, jene Verordnung vom 2. März absolut abschaffen. Dieselbe zerfällt aber in zwei Hauptfragen: a. die tägliche Arbeitsdauer, b. die sogenannte Marchandage. Von letzterer ist aber in der mehrtägigen Debatte bisher noch keine Silbe gesprochen worden. (Ja! Ja! Nein! Nein!) Ich trage daher darauf an, nun über den Artikel I. in seinem vollen Text abstimmen zu lassen.
Touret, Ackerbau- und Handelsminister, nimmt das Wort und schlägt vor, den Artikel I. erst nach den übrigen Artikeln zu votiren.
Dieser Vorschlag wird angenommen und man geht zu Artikel II. über.
Derselbe lautet:
„Die Arbeitsdauer des Arbeiters in den Manufakturen und allen großen Fabriken, Hütten-, Bergwerken etc. darf 12 Stunden nicht überschreiten.“
Gambon stellt den Antrag auf zehn Stunden und will das Dekret der provisorischen Regierung retten.
Dieser Antrag wird mit 607 gegen 67 Stimmen verworfen.
Pierre Leroux schlägt 11 Stunden vor.
Wird verworfen
Artikel II mit seinen 12 Stunden geht durch.
Das Februar-Dekret ist somit begraben.
Artikel III. wird ebenfalls angenommen.
Die Fortsetzung des Debatte wird auf morgen verschoben.
Die Versammlung geht um 6 1/2 Uhr auseinander.
Paris, 9. September. Ridolfi außerordentlicher Gesandter des Großherzogs von Toscana, hat dem General Ravaignac die
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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