Neue Rheinische Zeitung. Nr. 99. Köln, 10. September 1848.Bravo.) Von Verantwortung ist übrigens hier gar nicht die Rede. Ein Minister ist nie verantwortlich für Vollziehung der Beschlüsse der National-Versammlung. Hätte nur Herr Dahlmann schnell ein Ministerium gebildet. Es hätten sich wohl einige Gutwillige gefunden. Denn das steht fest, in 3 Wochen wird das neue Ministerium doch wieder entschlafen sein. (Vergnügen.) Es geht ein Antrag auf Tagesordnung ein. Lichnowsky hat sich über Vogt gefreut. Stimmt ganz mit ihm überein. Es handelt sich hier nur um Dahlmann. Er hätte nicht an der Säule (dem Ministerium?) rütteln sollen, wenn er sich nicht stark genug fühlt sie wiederaufzubauen. Bei Krieg und Frieden beschließe übrigens nicht bloß die Nationalversammlung, sondern dieselbe, ein Verein mit der Centralgewalt. Hrn. Wesendonk muß er seine volle Mißbilligung aussprechen. (Schrecklich!) Simon von Trier. Die Majoritätsbeschlüsse sind anzuerkennen, und zu vollziehen. Die Centralgewalt muß erklären, was sie thun wird. Der Unverantwortliche muß Sorge tragen, wie er sich die neuen Verantwortlichen beschafft. Dergleichen Pausen sind nicht geeignet, für das von ihnen so sehr geliebte konstitutionelle System einzunehmen. (Bravo). Siemens. Wir hätten noch gar kein bestimmtes Gesetz was uns diese Frage entscheidet. Wesendonk. Der Reichsverweser hat hier kein Veto einzulegen. Dieser Beschluß hebt nur eine ungültige Handlung auf, er muß sofort vollzogen werden. Lichnowsky will noch einmal sprechen. Kommt nicht zum Wort; macht darüber Bemerkungen, und wird vom Präsidenten zurecht gewiesen. Die Debatte geschlossen! Nach einer abermaligen kurzen Personaldebatte zwischen Wesendonk und dem Präsidenten, in der sich herausstellt daß Wesendonk vorhin Recht hatte, und zu deren Schluß sich Wesendonk vorbehält in dieser Sache noch zu thun was ihm gut dunken wird -- werden alle in dieser Diskussion gestellten Anträge zurückgenommen, und man geht zur Tagesordnung, oder will wenigstens dazu gehen. Denn es kommt ein neuer Antrag von v.Reden des Inhalts: Die Nationalversammlung solle es für eine Pflicht des deutschen Volkes erkennen, denjenigen Rhedern und Schiffseigenthümern in den Ostseeprovinzen Gewähr zu leisten, welche durch den dänischen Krieg Verluste erlitten haben. Präsident. Ob dieser Antrag als ein dringlicher zu behandeln? Das Resultat der Abstimmung ist zwefelhaft. Nach der Zählung ist derselbe mit 234 gegen 190 Stimmen als dringlich erkannt. -- (Links Bravo). v. Reden empfiehlt den Antrag zur Annahme. Zell aus Trier beantragt die Diskussion des Antrags bis Morgen auszusetzen. Löwe. Der Antrag ist ganz außerordentlich dringlich. Seine Annahme ist wichtig zur Begründung der deutschen Einheit. Wir wollen mit demselben eine Quelle des Bürgerkriegs verstopfen. Ich stimme dafür ihn Morgen spätestens zu diskutiren. Moritz Mohl. Gegen die Dringlichkeit. (Oho!) Wichmann: (Preuß. Assessor). Ditto. GrafSchwerin. Man möge Morgen die ganze Waffenstillstandsfrage entscheiden, und dabei diesen Antrag mit. -- Ob die Ausschüsse nicht bis Morgen berichten können? Wurm. (Hamburg.) Die Ausschüsse (der internationale und der der Centralgewalt) wissen noch gar nicht, wenn sie fertig werden, das Material ist massenhaft; und muß ganz durchgesehen werden. -- Ich muß übrigens gestehen, daß, hätte ich gewußt, was ich aus der bisherigen Durchsicht der Akten nunmehr schon weiß, (rechts: hört! hört!) wir unsern Antrag am 5. September ganz anders motivirt hätten. (Rechts mit Nachdruck: hört! hört!) Aber den Antrag hätten wir dennoch auf jeden Fall gestellt (links hört! hört!) und die Majorität würde keineswegs haben anders handeln können, als sie beschlossen hat. (Links mit Hohn und Nachdruck: hört! hört!) erklärt Er den Antrag von Redens für dringlich. -- Merk. (Hamburg.) Begreift nicht wie man für Sistirung der Waffenstillstandsmaßregeln stimmen konnte, wenn man nicht diesen Antrag für dringlich erkennt. -- Heckscher. (Minister.) Mit einiger Genugthuung habe ich gehört, daß Hr. Wurm und der Ausschuß bei voller Kenntniß der Akten ihren Antrag ganz anders motivirt hätten (Rechts Bravo.) Wurm. Unser Bericht wird Hrn. Heckscher schon aufklären. -- Venedey. Der Antrag ist sehr dringlich, die Ostseeprovinzen müssen erfahren, daß die ganze Nation ihren Schaden theilen will. -- Nauwerk. Schon vor 4 Wochen hätte der Antrag dringlich sein müssen. Seine Pflicht zu thun ist das Dringlichste. Morgen ist der äußerste Termin. -- Osterrath hat zwar denselben Antrag bereits vor 4 Wochen gestellt, -- ist aber doch gegen die Dringlichkeit, beantragt Verweisung desselben an die beiden Ausschüsse. von Reden beantragt namentliche Abstimmung über die Dringlichkeit des Antrags. -- Schwerin fragt mit plumpem pommerschen Anlauf zur Ironie, ob mit der Entschädigung im von Redenschen Antrag, Entschädigung für den ganzen durch den Dänenkrieg zugefügten Schaden, oder für den durch die am 5. ausgesprochene Sistirung entstehenden Schaden, gemeint sei? Präsident drei Anträge liegen vor: 1) der von Zell und Reder: "über den Redenschen Antrag morgen zu verhandeln" -- 2) nach Simons zur Tagesordnung überzugehen 3) nach Osterrath "den von Redenschen Antrag den beiden Ausschüssen die über die Waffenstillstands-Angelegenheiten berichten, mit zu überweisen." -- Nach einiger Debatte zeigt sich, daß der Simonsche Antrag auf Tagesordnung, da es sich nur um Entscheidung der Dringlichkeit handelt, gar nicht zulässig ist. -- Er wird bei Seite gelegt. -- Ueber den Zellschen Antrag (S. oben.) wird namentlich abgestimmt, und derselbe mit 238 gegen 216 Stimmen verworfen Schwerin erklärt Namens seiner und seiner Freunde, (!) daß sie deshalb gegen von Redens Antrag gestimmt, weil sie folgendes Amendement jetzt dazu gestellt: "die National-Versammlung solle nicht blos die Entschädigung der unmittelbaren Verluste der Reder und Schiffseigenthümer beschließen, sondern auch die Entschädigung der aus dem ganzen Dänenkrieg, und aus der Sistirung des Waffenstillstandes erfolgten Verluste." -- Präs: Ein solches Amendement ist jetzt ganz unzulässig, nachdem über en Antrag abgestimmt. -- Osterraths Antrag (Siehe oben Nro. 3.) wird angenommen. Schwerin bringt mit pommerscher Consequenz sein obiges Amendement un als Antrag, und verlangt daß damit verfahren werde wie mit von Redens Antrag. -- Die Versammlung genehmigt dies. Nur die Linke bleibt sitzen. -- Präsident verliest nun das Accreditiv eines Wallachischen Geschäftsträgers Johann Babesco, der bei der deutschen Centralgewalt beglaubigt wird. Es wird dem Minister des Aeußeren (welchem?) zu übergeben sein. -- Präsident theilt mit daß die Cottusche Verlagshandlung wie früher Hahn, Schwetschke, Veit etc. ihren Verlag der Nationalversammlung zur Auswahl anbietet. Folgt der Dank der Versammlung. -- Auf einen Antrag von Vogt, beschließt man, für ähnliche Fälle den Präsidenten zu ermächtigen, zu thun, wie bisher in diesen Fällen geschehen. -- Hierauf soll zur Tagesordnung übergegangen werden -- man ruft Vertagung -- entschließt sich aber da es noch ziemlich früh ist, die Ergänzungswahlen für den Verfassungsausschuß noch vorzunehmen. -- Vor der Wahl ereignete sich ein interessanter Fall. -- Rotenhan, Schwerin und Simon stellen nämlich den Antrag, da Bassermann, Robert Mohl und Beckerath nunmehr nicht mehr Minister; also für den Ausschuß wieder wahlfähig, möchte man zu Gunsten dieser drei Herren die Candidatenliste für die Ergänzungswahl in den Verfassungs-Ausschuß (die bereits entworfen.) erneuern, und diese drei Herren mit als Wahlkandidaten darauf setzen. -- Auch die Candidatenliste erst entwerfen, wenn die neuen Minister gewählt. (!) Wesendonk spricht heftig dagegen. Simon (Trier) ebenfalls. Es läge für besondere Berücksichtigung der drei Herren aus dem abgetretenen Ministerium gar kein Grund vor. (Gelächter.) Venedey im Hinblick auf seine Erfahrung im Ausland, warnt vor solchen Partheilichkeiten. -- Der Antrag wird gleichwohl für dringlich erkannt, aber bei der Abstimmung, wenn auch mit schwacher Majorität, verworfen! Hierauf schreitet man zur Ergänzungs-Wahl von 5 Mitgliedern des Verfassungsausschusses. -- Die Namen der Mitglieder Morgen. -- Morgen 9 Uhr Sitzung. Fortsetzung der Grundrechte! (?) 103 Berlin, 7. September. Sitzung der Vereinbarer-Versammung. Tagesordnung: Der Antrag des Abg. Stein: daß es dringendste Pflicht des Staats-Ministerii sei, denjenigen Erlaß, welchen die Versammlung am 9. August beschlossen hat, ohne Weitres zur Beruhigung des Landes und Erhaltung des Vertrauens sowie zur Vermeidung eines Bruches mit der Versammlung ergehen #lassen. -- Zuerst ergreift der Minister-Präsident das Wort: da unsere Erklärung eine so abweichende Beurtheilung erfahren hat, so will ich mit Offenheit unsere Ansichten dieser Versammlung gegenüber darzulegen suchen. Ich erkenne zunächst in dem Beschlusse vom 9. Aug. nicht die Absicht, eine Gesinnungsinquisition unter offizieller Autorität zu organisiren; dennoch kann dem Wortlaute nach, ohne Zwang keine andere Auslegung hineingebracht werden, und dies macht die Ausführung, der Form wie dem Inhalt nach, unmöglich. Die Regierung sah nur einen Weg, ihre Pflicht mit dem Wunsche der Versammlung vereinen zu können, auszusprechen, daß das Einvernehmen der Regierung und des Kriegsministers mit den von der Versammlung ausgesprochenen Grundsätzen vorhanden sei, und den Entschluß auszusprechen, jede Bestrebung gegen die konstitutionellen Grundsätze entschieden zurückzuweisen, auch die einzelnen Maaßregeln, die in Anwendung kommen sollen, anzugeben. Jeder Offizier wird in den stenographischen Berichten lesen, daß der Kriegsminister den Befehlshabern angedeutet habe, allen Bestrebungen gegen die konstitutionelle Freiheit entgegen zu treten. Es liegt in der Ordnung des Dienstes, wenn eine Verwaltungsgewalt einen Grundsatz ausspr#cht, daß sie gehalten sei, auf dienstlichem Wege den Behorden Nachricht zu geben. Dies ist vom Kriegsminister geschehen und an die kommandirenden Generale mitgetheit, um nach dem Inhalt zu verfahren. Ich sehe nicht ein, wie das Ministerium deshalb so heftige Angriffe erfahren kann, daß es die Rechte der Versammlung sollte verletzt und den konstitutionellen Grundsätzen entgegen gehandelt habe. Es handelt sich hier nicht um einen bestrittenen allgemeinen Grundsatz oder Gesetzgebungsakt, sondern um eine Verwaltungsmaßregel. Bei der Durchführung des Beschlusses wird die Regierung zu einem Vollziehungs-Ausschuß herabgesetzt. -- Abg. Unruh. Ich habe den Steinschen Antrag in ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium verwandelt; dies ist mehr eine parlamentarische Form. Der Einwurf, daß die National-Versammlung sich in die Verwaltung mische, sucht der Redner dadurch zu entkräften, daß die Versammlung, wenn sie ein Mißtrauensvotum ergehen läßt, noch kein Recht habe sich in Untersuchungen über Verwaltungsmaßregeln oder Unterlassungen der Verwaltung einzulassen. -- Er entwickelt sein Amendement welches lautet: "In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die, im konstitutionellen Staate nothwendige Uebereinstimmung zwischen Volk und Herr herbeizuführen und reaktionäre Bestrebungen, so wie fernere Conflikte zwischen den Bürgern, welche zum Heere, und denen, welche zum Civilstande gehören, zu vermeiden bezwecken, erklärt die Versammlung: daß das Ministerium das Vertrauen des Landes nicht besitzt, wenn es ferner Anstand nimmt, einen jenem Sinne der Beschlüsse vom 9. August entsprechenden Erlaß an das Herr ergehen zu lassen." Abg. Schulze von Wangleben hebt hervor, daß die Reaktion nicht allein die Contre-Revolution begonnen, sondern sie ruft allen konstituirenden Versammlungen, sowohl der hiesigen als der Frankfurter und andern deutsch. Staaten zu, der Staat müsse sich allein auf die Armee stützen, nur sie sei die beste Stütze des Staates. Er weist aber auf Frankreich hin um eine solche Soldatenherrschaft zu würdigen. -- Abg. Reichensperger: Es wird feststehen, daß wir keinen Gewissenszwang beabsichtigen, wenn wir uns gegen die wörtliche Ausführung der Beschlüsse vom 9. August erklären, mindestens wird das Schulzesche Amendement einer Erklärung bedürfen. Mit diesen Beschlussen beabsichtigte man, einen Erlaß an die Befehlshaber der Armee herbeizuführen, wie ihn die Minister der Finanzen und des Innern an die Regierungs-Präsidenten erlassen haben. Die Offiziere der Armee sollten dadurch nicht genöthigt sein zu einer Darlegung ihre politischen Gesinnung. -- Schon der Königliche Armeebefehl vom 1. Mai forderte die ganze Armee auf im Geiste der neuen Zeit zu handeln. -- Der Zwiespalt der gegenwärtig eingetreten, ist dadurch herbeigeführt, daß die Versammlung zu wenig gesagt und das Ministerium zu wenig gehandelt hat. Der Versammlung gegenüber steht ein Ministerium, das nach dem positiven Gesetz (?) verantwortlich ist. Deshalb ist es die Pflicht dieser Versammlung dahin zu wirken, daß nicht ihre Gewalt die andere absorbire. Die Versammlung muß ihre Gewalt mit Mäßigung und Umsicht gebrauchen, sie könnte dieselbe sonst leicht entweder über Gebühr ausdehnen oder sich zur Ungebühr einer außer ihr liegenden Gewalt unterordnen. Abg. Temme: Wir befinden uns einem Falle, wie wohl noch nie in einem konstitutionellen Staate vorgekommen. Ich verstehe darunter nicht solche Staaten, die unter dem Hasse und dem Schutze der Kanonen des Absolutismus bestehen. -- Das Ministerium verweigert einen Beschluß dieser Versammlung auszuführen. Nach den bisherigen konstitutionellen Ansichten, muß das Ministerium in einem solchen Falle entweder abdanken, oder die Versammlung auflösen. Das Letzte ist unmöglich und daß Erste hat das Ministerium verschmäht und zwingt die Versammlung dadurch zu einem entschiedenen Beschuß. Das ganze Volk ist dadurch in Aufregung gebracht und das Ministerium provozirt zugleich eine Revolution. Es fordert zugleich von uns die Anerkennung seines Verfahrens, die Anerkennung also, unser Wille sei nicht der Wille des Volks, oder der Wille des Volkes gelte nicht dem Willen des Ministeriums gegenüber. Das Erste können wir um unserer Ehre, das Letztere um des Vaterlandes willen nicht erklären. Das Letztere hieße den Grundsatz aussprechen, das Volk sei nur der Regierung wegen und nicht die Regierung des Volkes wegen da -- Das Ministerium hat sich jedenfalls sehr ungeschickt benommen, es hat den Willen des Landes gegen sich. Wenn es dennoch länger auf seiner Stelle bleiben sollte, so weiß man nicht, was daraus entstehen wird. -- Wenn diese Versammlung den Steinschen Antrag nicht ohne alle Aenderung annimmt, so erlaubt es meine Ehre nicht auch noch einen Augenblick meinen Sitz zu behalten und, meine Freunde in diesem Saale werden ihn gleichfalls mit mir verlassen. -- (Mißfallen von der Rechten. Zustimmung zur Linken.) Abg. Baumstark spricht ein Langes und Breites gegen den Stein'schen Antrag. Er bestreitet die Kompetenz der Versammlung, eine Regierungsmaßregel vorzuschreiben. Sodann dekretirt er "daß das Vaterland in Gefahr sei," und will schließlich abwarten und sehen wer weggehet. Er erklärt sich für das Amendement Tamnau. Abg. Grebel weist auf den bekannten Tagesbefehl Friedr. Wilh. III. vom Jahre 1798 an die Offiziere hin und fragt: was Friedr. Wilh. der Gerechte für passend fand, wird Herr v. Schreckenstein etc. sich nicht dafür erklären? Minister Hansemann entschuldigt sich, daß er keinen logisch zusammenhängenden Vortrag halten werde, indem er vorzüglich alle Gründe der bisherigen Redner widerlegen wolle. -- Er ist jedoch wenig glücklich und geschickt in seiner Widerlegung. Schließlich macht er mit ungeheurem Pathos und mit aller Kraft seiner Stimme auf die Folgen aufmerksam, welche die Versammlung durch das Beharren auf dieser Kleinigkeit nach sich ziehen könne. Das Wohlergehen des ganzen Landes, das Bestehen Berlin's ist an diese Frage geknüpft, und der Stern Preußens wird vielleicht erbleichen, wenn, wenn die Versammlung ihren Beschluß vom 9. August festhalte. Abg. Walter zittert bei dem Gedanken an den Eindruck, den eine mögliche Ministerkrisis hervorbringen würde. Er sucht die Unmöglichkeit darzulegen, den Stein'schen Antrag auszuführen. Er erklärt sich für das Amendement Tamnau. Minister Kühlwetter sucht in einer langweiligen Rede auseinanderzusetzen, daß es sich hier nicht um die Aufrechthaltung eines alten Beschlusses, sondern um einen ganz neuen Antrag handele. Man müsse an dem Grundsatz festhalten, die Gewalten, die beschließende und die ausführende ganz von einander getrennt zu halten, die Versammlung, als beschließende Gewalt, dürfe keinen Verwaltungsbefehl geben. Bei vielen Gelegenheiten hat diese Versammlung diesen Grundsatz anerkannt und sich jeder Einmischung in rein administrative Sachen enthalten. Die Versammlung hat vielmehr ihren Boden im Gesetz, und eine andere Befugniß kann ihr das Ministerium nicht einräumen. -- Die Geschichte wird sich des heutigen Tages bemeistern, und das Vaterland wird es dem Ministerium Dank wissen, daß es keinen Fuß breit gewichen ist. (Es muß hier bemerkt werden, daß sowohl der Ministerpräsident und der Finanzminister als der Minister des Innern erklärten, sie hätten am 9. Aug. aus dem Grunde nicht gegen den Stein'schen Antrag gesprochen, weil sie glaubten, daß er keinesfalls eine Majorität bekommen würde. Deshalb müßte auch heute das Prinzip erst erörtert werden, ob die Versammlung befugt ist, solche Beschlüsse zu fassen. Das Ministerium muß es entschieden in Abrede stellen) Abg. Bucher tadelt den Finanzminister, besonders weil derselbe einen von der Versammlung gefaßten Beschluß nachträglich bekritelt. Der Redner widerlegt ferner die Ansicht des Finanzministers, daß diese Versammlung als eine konstituirende sich nicht mit einer konstituirten verwechsele. Die Berufung des Finanzministers auf das die Befugnisse der Versammlung enthaltene Wahlgesetz vom 8. April widerlegt er damit, daß das Volk sich nicht durch ein Blatt Papier binden lasse. Diese Versammlung hat die Pflicht, eine nicht ganz fertig gewordene Revolution weiter zu führen. Das Volk will die Mißstände abgestellt wissen, deshalb ist es ungeduldig. Noch gelten fast alle Gesetze des Absolutismus, alle alten Behörden bestehen noch; wir müssen uns nicht gegen die Außenwelt verschließen, sondern jedem Uebe stand, der sich zeigt, muß sogleich abgeholfen werden. Er wirft dem Ministerium schließlich alle seine Sünden vor und zeigt ihm sein gefährliches Spiel; seine Handlungen sind wie die einer früheren Regierung in Frankreich nicht als ganz und nicht als halb zu betrachten. Wenn das Ministerium die Beschlüsse dieser Versammlung nicht ausführen will wozu sind sie gefaßt und deshalb handelt es sich hier auch nur darum, ob das Ministerium einen mit Majorität gefaßten Beschluß ausführen muß. Abg Tamnau motivirt sein Amendement, welches lautet: "Die Versammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. Aug. d. J. die Absicht gehabt, an die Befehlshaber der Armee einen ähnlichen E#ß #erbeizuführen, wie die Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem 15. Juli an die Regierungspräsidenten erlassen haben. Sie beabsichtigte nicht, die Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen Gesinnung zu nöthigen oder dem Kriegsminister das Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben. Sie erachtet aber einen derartigen Erlaß, in welchem die Offiziere der Armee vor reaktionären und republikanischen Bestrebungen gewarnt werden, im Interesse des staatsbürgerlichen Friedens und zur Förderung des neuen konstitutionellen Staatssystems für nothwendig." Kriegsminister v. Schreckenstein: Ich erkläre in meinem Namen, im Einverständnisse mit meinen Kollegen, daß ich mich mir dem Amendement Tamnau einverstanden erklare und bereit bin, den darin gewünschten Erlaß an die Armee in Ausführung zu bringen. Abg. D'Ester: Die vorliegende Frage ist von zwei Seiten zu betrachten, von der personlichen und der sachlichen. Die persönliche Frage besteht darin, daß sie ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium in sich faßt. Deshalb müssen wir auch an dem Stein'schen Antrag festhalten, denn das Ministerium hat durch die Nichterfüllung dieses Antrags seine Pflicht verletzt. Wenn das Ministerium selbst heute erklärt, es wolle den Antrag zur Ausführung bringen, so hat es doch seine Pflicht verletzt, indem es Montag erklärte, den Antrag nicht ausführen zu wollen. Wir können uns nur für die Annahme des Antrags und gegen die beiden Amendements erklären, denn das Amendement des Abgeordneten Unruh spricht nur eine Pflichtverletzung des Ministeriums für die Zukunft aus, wenn es den heutigen Beschluß nicht ausführt. Das Amendement Tamnau wirft den ganzen am 9. August gefaßten Beschluß um. Das Ministerium hat erklärt, es müsse eine Trennung der Gewalten statt finden und daß diese Versammlung kein Recht zu solchen Beschlüssen habe. Das sind die Ansichten alter Montesquieu'scher Staatsweisheit, die durch unsere Staatsumwälzung umgeworfen sind. Niemand wird läugnen, daß wir in Folge einer großen Staatsumwälzung hier sind und etwas Neues schaffen sollen. Freiheit ist von allen Seiten hier in Anspruch genommen worden. Jeder sagt, die Freiheit ist in Gefahr, wenn meine Ansicht nicht durchgeht. Sie wissen, daß es eine Partei im Lande giebt, die kein Mittel vorübergehen läßt, um den alten Zustand wieder zurückzurufen. Viele Offiziere der Armee hängen dieser Partei an und wenn Sie sich weigern, einen Erlaß an diese Offiziere zu erlassen, so geben Sie der Reaktion bewußt oder unbewußt ihre Zustimmung. Minister Milde: Ein vorgehender Redner hat die Debatte auf den wahren Punkt gebracht, nämlich dahin, ob die Versammlung der Konvent werden wolle oder nicht. Der Beschluß vom 9. Aug. übt in seiner Totalität einen Gewissenszwang aus. Das verehrte Mitglied hat nun gesagt, wir hätten unsere Pflicht verletzt, weil wir diesen Beschluß nicht ausgeführt Das Ministerium konnte nicht, wie Manche verlangt haben, einige Tage nach Fassung des in Rede stehenden Beschlusses gegen denselben remonstriren, sondern die Versammlung mußte dies selbst thun. Ja, meine Herren, wir stehen an einem sehr wichtigen Momente. Es wird sich heute entscheiden, welche Geschicke diesem Lande bestimmt sind, ob wir auf dem Wege des Konvents oder ob wir mit einem möglichen Königthum weiter gehen werden. Abg. Parrisius beantragt den Schluß der Debatte: der Worte seien genug gewechselt; es handelt sich jetzt nur noch um eine That, die in der Abstimmung besteht. Die Versammlung möge zeigen, ob sie konsequent oder inkonsequent sein wolle. Abg. Bauer von Berlin spricht gegen den Schluß, damit jeder Abgeordnete, wenn irgend möglich, seine Abstimmung in dieser hochwichtigen Angelegenheit motiviren könne. (Der Antrag auf Schluß wird verworfen). Abg. Harassewitz, gegen den Stein'schen Antrag: Das was der Kriegsminister versprochen, sei kein Erlaß an die Armee. Wenn beide Theile sagen müßten, daß sie gefehlt, so müßten sie die dargebotene Hand annehmen und nicht auf dem starren Recht beharren. Zeigen Sie, schließt der Redner, dem Lande, daß ein versöhnender Geist hier waltet und daß Sie nur das Wohl des Landes vor Augen haben. Abg. Behrends: Es ist keine Maaßlosigkeit, wenn man das Recht des Volkes bis auf das letzte Titelchen festhalte und keinen Schritt zurückweiche. Auf 2 Punkte will ich nur aufmerksam machen: erstens, auf das Verhältniß der Versammlung zum Volke und zweitens, auf das Verhältniß der Versammlung zur Armee. -- Schon früher habe ich gefordert, die Versammlung möge die Anerkennung der Revolution aussprechen, um auf diese Weise die Revolution zu Ende zu führen, denn das Volk hat seinen Vertretern das Vertrauen geschenkt, daß sie dies thun würden. Es frage sich jetzt wieder, wer souverain sei, die Versammlung oder das Ministerium. Die gesammte Bürgerwehr hat heute eine Adresse an den Präsidenten überreicht, worin sie die Erwartung ausspricht, die Versammlung werde ihren früher gefaßten Beschluß aufrecht erhalten. -- Er übergibt zugleich dem Präsidenten eine Menge anderer Adressen, welche sich in demselben Sinne, wie die der Bürgerwehr äußern. -- Das Volk habe somit seine Ansicht deutlich ausgesprochen. Nachdem noch einige Redner für und gegen den Antrag gesprochen wird endlich der Schluß der Debatte verlangt und angenommen. Der Antragsteller Abg. Stein hielt noch eine ausgezeichnete Rede, worin er klar darlegte, daß es sich hier nur einzig und allein darum handele, ob die Versammlung consequent sein wolle und an ihrem Beschluß vom 9. August ohne alle Aenderung und Erläuterung festhalte und dessen unverzügliche Ausführung fordere. -- Das Fortbestehen des jetzigen Ministeriums ist freilich dadurch unmöglich gemacht. -- Namentliche Abstimmung: Das Amendement Unruh wird mit 320 gegen 38 Stimmen und das Amendement Tamnau mit 210 gegen 156 Stimmen verworfen. Der Steinsche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen angenommen. Majoritat gegen das Ministerium 67 Stimmen. * Berlin, 8. Sept. Wie sehr Freiligrath in seinem Gedicht: "Die Todten an die Lebenden" Recht hat, das wird begreifen, wer sowohl dieses Gedicht als nachfolgende Stelle aus dem "Publicisten" vergleichen will: "Am Morgen des 19. März d. J., nach der verhängnißvollen Revolutions-Nacht, kehrte der Zeugschmiedegeselle Hellmann, mit zwei Infanterie-Gewehren versehen, in seine Wohnung zurück. Er war während des vorangegangenen Nachmittags und der Nacht an verschiedenen Punkten in der Stadt gewesen und hatte auf den Barrikaden mitgekämpft. Auf die ihm von seinen Hausgenossen gestellte Frage, wo er die Gewehre her habe, hatte er erklärt: "Die sind erobert." Wenige Tage darauf stand an den Straßenecken der Residenz eine obrigkeitliche Bekanntmachung, die die Rückgabe der in den Tagen des 18. und 19. März erbeuteten Waffen anempfahl. Er verkaufte die Gewehre für den Preis von 3 Thlr. Die Behörde erhielt hiervon Kenntniß, sie veranlaßte die Beschlagnahme beider Gewehre, und der Polizeianwalt erhob die Anklage gegen denselben wegen wissentlichen und widerrechtlichen Verkaufs fremden Eigenthums. Die Verhandlung fand bei dem Einzelrichter des K. Kriminalgerichts statt. Der Angeklagte wurde -- da er sich nicht gestellt hatte, in contumacium des angeklagten Vergehens für schuldig befunden, und deßhalb zum Korkardenverlust, 6 Thlr. Geldstrafe, im Unvermögensfalle neuntägiger Strafarbeit verurtheilt. 61 Wien, 4. Sept.
Das Ministerium hat es nicht gewagt, das Verbot des Trauerzugs zu den Gräbern der am 21. und 23. August gefallenen Arbeiter zur Ausführung zu bringen und der Zug hat deßhalb in der Weise des Ihnen überschickten Programms gestern Nachmittag stattgefunden. Ein großer Theil der Nationalgarde hat sich offiziell an dem Zuge betheiligt und sich bei dem Volke damit bedeutend wieder in integrum restituirt. Den pariser und rheinischen Bourgeois dürfte darüber wieder der Schrecken in die Beine fahren. Der Reichstag hält heute keine Sitzung; der kudlich-lassersche Antrag und der Genuß all der vorgenommenen Amendements haben ihm Magenschmerz verursacht. Uebrigens kam es in der Sitzung vom 2. Sept. doch noch zur Abschaffung des Bier- und Branntweinzwangs und der dalmatinische Abgeordnete Iwichiewich erhob sich wider die von dem Reichstag ausgesprochene Feudal-Entschädigung durch den Staat aus dem Grunde, weil alle Feudalrechte in Dalmatien schon seit 1806 unter französischer Herrschaft verschwunden seien, von dieser Provinz nunmehr also auch keine Entschädigung für die Feudalherren anderer Provinzen verlangt werden könne. (Siehe den Verfolg in der Beilage). Bravo.) Von Verantwortung ist übrigens hier gar nicht die Rede. Ein Minister ist nie verantwortlich für Vollziehung der Beschlüsse der National-Versammlung. Hätte nur Herr Dahlmann schnell ein Ministerium gebildet. Es hätten sich wohl einige Gutwillige gefunden. Denn das steht fest, in 3 Wochen wird das neue Ministerium doch wieder entschlafen sein. (Vergnügen.) Es geht ein Antrag auf Tagesordnung ein. Lichnowsky hat sich über Vogt gefreut. Stimmt ganz mit ihm überein. Es handelt sich hier nur um Dahlmann. Er hätte nicht an der Säule (dem Ministerium?) rütteln sollen, wenn er sich nicht stark genug fühlt sie wiederaufzubauen. Bei Krieg und Frieden beschließe übrigens nicht bloß die Nationalversammlung, sondern dieselbe, ein Verein mit der Centralgewalt. Hrn. Wesendonk muß er seine volle Mißbilligung aussprechen. (Schrecklich!) Simon von Trier. Die Majoritätsbeschlüsse sind anzuerkennen, und zu vollziehen. Die Centralgewalt muß erklären, was sie thun wird. Der Unverantwortliche muß Sorge tragen, wie er sich die neuen Verantwortlichen beschafft. Dergleichen Pausen sind nicht geeignet, für das von ihnen so sehr geliebte konstitutionelle System einzunehmen. (Bravo). Siemens. Wir hätten noch gar kein bestimmtes Gesetz was uns diese Frage entscheidet. Wesendonk. Der Reichsverweser hat hier kein Veto einzulegen. Dieser Beschluß hebt nur eine ungültige Handlung auf, er muß sofort vollzogen werden. Lichnowsky will noch einmal sprechen. Kommt nicht zum Wort; macht darüber Bemerkungen, und wird vom Präsidenten zurecht gewiesen. Die Debatte geschlossen! Nach einer abermaligen kurzen Personaldebatte zwischen Wesendonk und dem Präsidenten, in der sich herausstellt daß Wesendonk vorhin Recht hatte, und zu deren Schluß sich Wesendonk vorbehält in dieser Sache noch zu thun was ihm gut dunken wird — werden alle in dieser Diskussion gestellten Anträge zurückgenommen, und man geht zur Tagesordnung, oder will wenigstens dazu gehen. Denn es kommt ein neuer Antrag von v.Reden des Inhalts: Die Nationalversammlung solle es für eine Pflicht des deutschen Volkes erkennen, denjenigen Rhedern und Schiffseigenthümern in den Ostseeprovinzen Gewähr zu leisten, welche durch den dänischen Krieg Verluste erlitten haben. Präsident. Ob dieser Antrag als ein dringlicher zu behandeln? Das Resultat der Abstimmung ist zwefelhaft. Nach der Zählung ist derselbe mit 234 gegen 190 Stimmen als dringlich erkannt. — (Links Bravo). v. Reden empfiehlt den Antrag zur Annahme. Zell aus Trier beantragt die Diskussion des Antrags bis Morgen auszusetzen. Löwe. Der Antrag ist ganz außerordentlich dringlich. Seine Annahme ist wichtig zur Begründung der deutschen Einheit. Wir wollen mit demselben eine Quelle des Bürgerkriegs verstopfen. Ich stimme dafür ihn Morgen spätestens zu diskutiren. Moritz Mohl. Gegen die Dringlichkeit. (Oho!) Wichmann: (Preuß. Assessor). Ditto. GrafSchwerin. Man möge Morgen die ganze Waffenstillstandsfrage entscheiden, und dabei diesen Antrag mit. — Ob die Ausschüsse nicht bis Morgen berichten können? Wurm. (Hamburg.) Die Ausschüsse (der internationale und der der Centralgewalt) wissen noch gar nicht, wenn sie fertig werden, das Material ist massenhaft; und muß ganz durchgesehen werden. — Ich muß übrigens gestehen, daß, hätte ich gewußt, was ich aus der bisherigen Durchsicht der Akten nunmehr schon weiß, (rechts: hört! hört!) wir unsern Antrag am 5. September ganz anders motivirt hätten. (Rechts mit Nachdruck: hört! hört!) Aber den Antrag hätten wir dennoch auf jeden Fall gestellt (links hört! hört!) und die Majorität würde keineswegs haben anders handeln können, als sie beschlossen hat. (Links mit Hohn und Nachdruck: hört! hört!) erklärt Er den Antrag von Redens für dringlich. — Merk. (Hamburg.) Begreift nicht wie man für Sistirung der Waffenstillstandsmaßregeln stimmen konnte, wenn man nicht diesen Antrag für dringlich erkennt. — Heckscher. (Minister.) Mit einiger Genugthuung habe ich gehört, daß Hr. Wurm und der Ausschuß bei voller Kenntniß der Akten ihren Antrag ganz anders motivirt hätten (Rechts Bravo.) Wurm. Unser Bericht wird Hrn. Heckscher schon aufklären. — Venedey. Der Antrag ist sehr dringlich, die Ostseeprovinzen müssen erfahren, daß die ganze Nation ihren Schaden theilen will. — Nauwerk. Schon vor 4 Wochen hätte der Antrag dringlich sein müssen. Seine Pflicht zu thun ist das Dringlichste. Morgen ist der äußerste Termin. — Osterrath hat zwar denselben Antrag bereits vor 4 Wochen gestellt, — ist aber doch gegen die Dringlichkeit, beantragt Verweisung desselben an die beiden Ausschüsse. von Reden beantragt namentliche Abstimmung über die Dringlichkeit des Antrags. — Schwerin fragt mit plumpem pommerschen Anlauf zur Ironie, ob mit der Entschädigung im von Redenschen Antrag, Entschädigung für den ganzen durch den Dänenkrieg zugefügten Schaden, oder für den durch die am 5. ausgesprochene Sistirung entstehenden Schaden, gemeint sei? Präsident drei Anträge liegen vor: 1) der von Zell und Reder: „über den Redenschen Antrag morgen zu verhandeln“ — 2) nach Simons zur Tagesordnung überzugehen 3) nach Osterrath „den von Redenschen Antrag den beiden Ausschüssen die über die Waffenstillstands-Angelegenheiten berichten, mit zu überweisen.“ — Nach einiger Debatte zeigt sich, daß der Simonsche Antrag auf Tagesordnung, da es sich nur um Entscheidung der Dringlichkeit handelt, gar nicht zulässig ist. — Er wird bei Seite gelegt. — Ueber den Zellschen Antrag (S. oben.) wird namentlich abgestimmt, und derselbe mit 238 gegen 216 Stimmen verworfen Schwerin erklärt Namens seiner und seiner Freunde, (!) daß sie deshalb gegen von Redens Antrag gestimmt, weil sie folgendes Amendement jetzt dazu gestellt: „die National-Versammlung solle nicht blos die Entschädigung der unmittelbaren Verluste der Reder und Schiffseigenthümer beschließen, sondern auch die Entschädigung der aus dem ganzen Dänenkrieg, und aus der Sistirung des Waffenstillstandes erfolgten Verluste.“ — Präs: Ein solches Amendement ist jetzt ganz unzulässig, nachdem über en Antrag abgestimmt. — Osterraths Antrag (Siehe oben Nro. 3.) wird angenommen. Schwerin bringt mit pommerscher Consequenz sein obiges Amendement un als Antrag, und verlangt daß damit verfahren werde wie mit von Redens Antrag. — Die Versammlung genehmigt dies. Nur die Linke bleibt sitzen. — Präsident verliest nun das Accreditiv eines Wallachischen Geschäftsträgers Johann Babesco, der bei der deutschen Centralgewalt beglaubigt wird. Es wird dem Minister des Aeußeren (welchem?) zu übergeben sein. — Präsident theilt mit daß die Cottusche Verlagshandlung wie früher Hahn, Schwetschke, Veit etc. ihren Verlag der Nationalversammlung zur Auswahl anbietet. Folgt der Dank der Versammlung. — Auf einen Antrag von Vogt, beschließt man, für ähnliche Fälle den Präsidenten zu ermächtigen, zu thun, wie bisher in diesen Fällen geschehen. — Hierauf soll zur Tagesordnung übergegangen werden — man ruft Vertagung — entschließt sich aber da es noch ziemlich früh ist, die Ergänzungswahlen für den Verfassungsausschuß noch vorzunehmen. — Vor der Wahl ereignete sich ein interessanter Fall. — Rotenhan, Schwerin und Simon stellen nämlich den Antrag, da Bassermann, Robert Mohl und Beckerath nunmehr nicht mehr Minister; also für den Ausschuß wieder wahlfähig, möchte man zu Gunsten dieser drei Herren die Candidatenliste für die Ergänzungswahl in den Verfassungs-Ausschuß (die bereits entworfen.) erneuern, und diese drei Herren mit als Wahlkandidaten darauf setzen. — Auch die Candidatenliste erst entwerfen, wenn die neuen Minister gewählt. (!) Wesendonk spricht heftig dagegen. Simon (Trier) ebenfalls. Es läge für besondere Berücksichtigung der drei Herren aus dem abgetretenen Ministerium gar kein Grund vor. (Gelächter.) Venedey im Hinblick auf seine Erfahrung im Ausland, warnt vor solchen Partheilichkeiten. — Der Antrag wird gleichwohl für dringlich erkannt, aber bei der Abstimmung, wenn auch mit schwacher Majorität, verworfen! Hierauf schreitet man zur Ergänzungs-Wahl von 5 Mitgliedern des Verfassungsausschusses. — Die Namen der Mitglieder Morgen. — Morgen 9 Uhr Sitzung. Fortsetzung der Grundrechte! (?) 103 Berlin, 7. September. Sitzung der Vereinbarer-Versammung. Tagesordnung: Der Antrag des Abg. Stein: daß es dringendste Pflicht des Staats-Ministerii sei, denjenigen Erlaß, welchen die Versammlung am 9. August beschlossen hat, ohne Weitres zur Beruhigung des Landes und Erhaltung des Vertrauens sowie zur Vermeidung eines Bruches mit der Versammlung ergehen #lassen. — Zuerst ergreift der Minister-Präsident das Wort: da unsere Erklärung eine so abweichende Beurtheilung erfahren hat, so will ich mit Offenheit unsere Ansichten dieser Versammlung gegenüber darzulegen suchen. Ich erkenne zunächst in dem Beschlusse vom 9. Aug. nicht die Absicht, eine Gesinnungsinquisition unter offizieller Autorität zu organisiren; dennoch kann dem Wortlaute nach, ohne Zwang keine andere Auslegung hineingebracht werden, und dies macht die Ausführung, der Form wie dem Inhalt nach, unmöglich. Die Regierung sah nur einen Weg, ihre Pflicht mit dem Wunsche der Versammlung vereinen zu können, auszusprechen, daß das Einvernehmen der Regierung und des Kriegsministers mit den von der Versammlung ausgesprochenen Grundsätzen vorhanden sei, und den Entschluß auszusprechen, jede Bestrebung gegen die konstitutionellen Grundsätze entschieden zurückzuweisen, auch die einzelnen Maaßregeln, die in Anwendung kommen sollen, anzugeben. Jeder Offizier wird in den stenographischen Berichten lesen, daß der Kriegsminister den Befehlshabern angedeutet habe, allen Bestrebungen gegen die konstitutionelle Freiheit entgegen zu treten. Es liegt in der Ordnung des Dienstes, wenn eine Verwaltungsgewalt einen Grundsatz ausspr#cht, daß sie gehalten sei, auf dienstlichem Wege den Behorden Nachricht zu geben. Dies ist vom Kriegsminister geschehen und an die kommandirenden Generale mitgetheit, um nach dem Inhalt zu verfahren. Ich sehe nicht ein, wie das Ministerium deshalb so heftige Angriffe erfahren kann, daß es die Rechte der Versammlung sollte verletzt und den konstitutionellen Grundsätzen entgegen gehandelt habe. Es handelt sich hier nicht um einen bestrittenen allgemeinen Grundsatz oder Gesetzgebungsakt, sondern um eine Verwaltungsmaßregel. Bei der Durchführung des Beschlusses wird die Regierung zu einem Vollziehungs-Ausschuß herabgesetzt. — Abg. Unruh. Ich habe den Steinschen Antrag in ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium verwandelt; dies ist mehr eine parlamentarische Form. Der Einwurf, daß die National-Versammlung sich in die Verwaltung mische, sucht der Redner dadurch zu entkräften, daß die Versammlung, wenn sie ein Mißtrauensvotum ergehen läßt, noch kein Recht habe sich in Untersuchungen über Verwaltungsmaßregeln oder Unterlassungen der Verwaltung einzulassen. — Er entwickelt sein Amendement welches lautet: „In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die, im konstitutionellen Staate nothwendige Uebereinstimmung zwischen Volk und Herr herbeizuführen und reaktionäre Bestrebungen, so wie fernere Conflikte zwischen den Bürgern, welche zum Heere, und denen, welche zum Civilstande gehören, zu vermeiden bezwecken, erklärt die Versammlung: daß das Ministerium das Vertrauen des Landes nicht besitzt, wenn es ferner Anstand nimmt, einen jenem Sinne der Beschlüsse vom 9. August entsprechenden Erlaß an das Herr ergehen zu lassen.“ Abg. Schulze von Wangleben hebt hervor, daß die Reaktion nicht allein die Contre-Revolution begonnen, sondern sie ruft allen konstituirenden Versammlungen, sowohl der hiesigen als der Frankfurter und andern deutsch. Staaten zu, der Staat müsse sich allein auf die Armee stützen, nur sie sei die beste Stütze des Staates. Er weist aber auf Frankreich hin um eine solche Soldatenherrschaft zu würdigen. — Abg. Reichensperger: Es wird feststehen, daß wir keinen Gewissenszwang beabsichtigen, wenn wir uns gegen die wörtliche Ausführung der Beschlüsse vom 9. August erklären, mindestens wird das Schulzesche Amendement einer Erklärung bedürfen. Mit diesen Beschlussen beabsichtigte man, einen Erlaß an die Befehlshaber der Armee herbeizuführen, wie ihn die Minister der Finanzen und des Innern an die Regierungs-Präsidenten erlassen haben. Die Offiziere der Armee sollten dadurch nicht genöthigt sein zu einer Darlegung ihre politischen Gesinnung. — Schon der Königliche Armeebefehl vom 1. Mai forderte die ganze Armee auf im Geiste der neuen Zeit zu handeln. — Der Zwiespalt der gegenwärtig eingetreten, ist dadurch herbeigeführt, daß die Versammlung zu wenig gesagt und das Ministerium zu wenig gehandelt hat. Der Versammlung gegenüber steht ein Ministerium, das nach dem positiven Gesetz (?) verantwortlich ist. Deshalb ist es die Pflicht dieser Versammlung dahin zu wirken, daß nicht ihre Gewalt die andere absorbire. Die Versammlung muß ihre Gewalt mit Mäßigung und Umsicht gebrauchen, sie könnte dieselbe sonst leicht entweder über Gebühr ausdehnen oder sich zur Ungebühr einer außer ihr liegenden Gewalt unterordnen. Abg. Temme: Wir befinden uns einem Falle, wie wohl noch nie in einem konstitutionellen Staate vorgekommen. Ich verstehe darunter nicht solche Staaten, die unter dem Hasse und dem Schutze der Kanonen des Absolutismus bestehen. — Das Ministerium verweigert einen Beschluß dieser Versammlung auszuführen. Nach den bisherigen konstitutionellen Ansichten, muß das Ministerium in einem solchen Falle entweder abdanken, oder die Versammlung auflösen. Das Letzte ist unmöglich und daß Erste hat das Ministerium verschmäht und zwingt die Versammlung dadurch zu einem entschiedenen Beschuß. Das ganze Volk ist dadurch in Aufregung gebracht und das Ministerium provozirt zugleich eine Revolution. Es fordert zugleich von uns die Anerkennung seines Verfahrens, die Anerkennung also, unser Wille sei nicht der Wille des Volks, oder der Wille des Volkes gelte nicht dem Willen des Ministeriums gegenüber. Das Erste können wir um unserer Ehre, das Letztere um des Vaterlandes willen nicht erklären. Das Letztere hieße den Grundsatz aussprechen, das Volk sei nur der Regierung wegen und nicht die Regierung des Volkes wegen da — Das Ministerium hat sich jedenfalls sehr ungeschickt benommen, es hat den Willen des Landes gegen sich. Wenn es dennoch länger auf seiner Stelle bleiben sollte, so weiß man nicht, was daraus entstehen wird. — Wenn diese Versammlung den Steinschen Antrag nicht ohne alle Aenderung annimmt, so erlaubt es meine Ehre nicht auch noch einen Augenblick meinen Sitz zu behalten und, meine Freunde in diesem Saale werden ihn gleichfalls mit mir verlassen. — (Mißfallen von der Rechten. Zustimmung zur Linken.) Abg. Baumstark spricht ein Langes und Breites gegen den Stein'schen Antrag. Er bestreitet die Kompetenz der Versammlung, eine Regierungsmaßregel vorzuschreiben. Sodann dekretirt er „daß das Vaterland in Gefahr sei,“ und will schließlich abwarten und sehen wer weggehet. Er erklärt sich für das Amendement Tamnau. Abg. Grebel weist auf den bekannten Tagesbefehl Friedr. Wilh. III. vom Jahre 1798 an die Offiziere hin und fragt: was Friedr. Wilh. der Gerechte für passend fand, wird Herr v. Schreckenstein etc. sich nicht dafür erklären? Minister Hansemann entschuldigt sich, daß er keinen logisch zusammenhängenden Vortrag halten werde, indem er vorzüglich alle Gründe der bisherigen Redner widerlegen wolle. — Er ist jedoch wenig glücklich und geschickt in seiner Widerlegung. Schließlich macht er mit ungeheurem Pathos und mit aller Kraft seiner Stimme auf die Folgen aufmerksam, welche die Versammlung durch das Beharren auf dieser Kleinigkeit nach sich ziehen könne. Das Wohlergehen des ganzen Landes, das Bestehen Berlin's ist an diese Frage geknüpft, und der Stern Preußens wird vielleicht erbleichen, wenn, wenn die Versammlung ihren Beschluß vom 9. August festhalte. Abg. Walter zittert bei dem Gedanken an den Eindruck, den eine mögliche Ministerkrisis hervorbringen würde. Er sucht die Unmöglichkeit darzulegen, den Stein'schen Antrag auszuführen. Er erklärt sich für das Amendement Tamnau. Minister Kühlwetter sucht in einer langweiligen Rede auseinanderzusetzen, daß es sich hier nicht um die Aufrechthaltung eines alten Beschlusses, sondern um einen ganz neuen Antrag handele. Man müsse an dem Grundsatz festhalten, die Gewalten, die beschließende und die ausführende ganz von einander getrennt zu halten, die Versammlung, als beschließende Gewalt, dürfe keinen Verwaltungsbefehl geben. Bei vielen Gelegenheiten hat diese Versammlung diesen Grundsatz anerkannt und sich jeder Einmischung in rein administrative Sachen enthalten. Die Versammlung hat vielmehr ihren Boden im Gesetz, und eine andere Befugniß kann ihr das Ministerium nicht einräumen. — Die Geschichte wird sich des heutigen Tages bemeistern, und das Vaterland wird es dem Ministerium Dank wissen, daß es keinen Fuß breit gewichen ist. (Es muß hier bemerkt werden, daß sowohl der Ministerpräsident und der Finanzminister als der Minister des Innern erklärten, sie hätten am 9. Aug. aus dem Grunde nicht gegen den Stein'schen Antrag gesprochen, weil sie glaubten, daß er keinesfalls eine Majorität bekommen würde. Deshalb müßte auch heute das Prinzip erst erörtert werden, ob die Versammlung befugt ist, solche Beschlüsse zu fassen. Das Ministerium muß es entschieden in Abrede stellen) Abg. Bucher tadelt den Finanzminister, besonders weil derselbe einen von der Versammlung gefaßten Beschluß nachträglich bekritelt. Der Redner widerlegt ferner die Ansicht des Finanzministers, daß diese Versammlung als eine konstituirende sich nicht mit einer konstituirten verwechsele. Die Berufung des Finanzministers auf das die Befugnisse der Versammlung enthaltene Wahlgesetz vom 8. April widerlegt er damit, daß das Volk sich nicht durch ein Blatt Papier binden lasse. Diese Versammlung hat die Pflicht, eine nicht ganz fertig gewordene Revolution weiter zu führen. Das Volk will die Mißstände abgestellt wissen, deshalb ist es ungeduldig. Noch gelten fast alle Gesetze des Absolutismus, alle alten Behörden bestehen noch; wir müssen uns nicht gegen die Außenwelt verschließen, sondern jedem Uebe stand, der sich zeigt, muß sogleich abgeholfen werden. Er wirft dem Ministerium schließlich alle seine Sünden vor und zeigt ihm sein gefährliches Spiel; seine Handlungen sind wie die einer früheren Regierung in Frankreich nicht als ganz und nicht als halb zu betrachten. Wenn das Ministerium die Beschlüsse dieser Versammlung nicht ausführen will wozu sind sie gefaßt und deshalb handelt es sich hier auch nur darum, ob das Ministerium einen mit Majorität gefaßten Beschluß ausführen muß. Abg Tamnau motivirt sein Amendement, welches lautet: „Die Versammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. Aug. d. J. die Absicht gehabt, an die Befehlshaber der Armee einen ähnlichen E#ß #erbeizuführen, wie die Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem 15. Juli an die Regierungspräsidenten erlassen haben. Sie beabsichtigte nicht, die Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen Gesinnung zu nöthigen oder dem Kriegsminister das Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben. Sie erachtet aber einen derartigen Erlaß, in welchem die Offiziere der Armee vor reaktionären und republikanischen Bestrebungen gewarnt werden, im Interesse des staatsbürgerlichen Friedens und zur Förderung des neuen konstitutionellen Staatssystems für nothwendig.“ Kriegsminister v. Schreckenstein: Ich erkläre in meinem Namen, im Einverständnisse mit meinen Kollegen, daß ich mich mir dem Amendement Tamnau einverstanden erklare und bereit bin, den darin gewünschten Erlaß an die Armee in Ausführung zu bringen. Abg. D'Ester: Die vorliegende Frage ist von zwei Seiten zu betrachten, von der personlichen und der sachlichen. Die persönliche Frage besteht darin, daß sie ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium in sich faßt. Deshalb müssen wir auch an dem Stein'schen Antrag festhalten, denn das Ministerium hat durch die Nichterfüllung dieses Antrags seine Pflicht verletzt. Wenn das Ministerium selbst heute erklärt, es wolle den Antrag zur Ausführung bringen, so hat es doch seine Pflicht verletzt, indem es Montag erklärte, den Antrag nicht ausführen zu wollen. Wir können uns nur für die Annahme des Antrags und gegen die beiden Amendements erklären, denn das Amendement des Abgeordneten Unruh spricht nur eine Pflichtverletzung des Ministeriums für die Zukunft aus, wenn es den heutigen Beschluß nicht ausführt. Das Amendement Tamnau wirft den ganzen am 9. August gefaßten Beschluß um. Das Ministerium hat erklärt, es müsse eine Trennung der Gewalten statt finden und daß diese Versammlung kein Recht zu solchen Beschlüssen habe. Das sind die Ansichten alter Montesquieu'scher Staatsweisheit, die durch unsere Staatsumwälzung umgeworfen sind. Niemand wird läugnen, daß wir in Folge einer großen Staatsumwälzung hier sind und etwas Neues schaffen sollen. Freiheit ist von allen Seiten hier in Anspruch genommen worden. Jeder sagt, die Freiheit ist in Gefahr, wenn meine Ansicht nicht durchgeht. Sie wissen, daß es eine Partei im Lande giebt, die kein Mittel vorübergehen läßt, um den alten Zustand wieder zurückzurufen. Viele Offiziere der Armee hängen dieser Partei an und wenn Sie sich weigern, einen Erlaß an diese Offiziere zu erlassen, so geben Sie der Reaktion bewußt oder unbewußt ihre Zustimmung. Minister Milde: Ein vorgehender Redner hat die Debatte auf den wahren Punkt gebracht, nämlich dahin, ob die Versammlung der Konvent werden wolle oder nicht. Der Beschluß vom 9. Aug. übt in seiner Totalität einen Gewissenszwang aus. Das verehrte Mitglied hat nun gesagt, wir hätten unsere Pflicht verletzt, weil wir diesen Beschluß nicht ausgeführt Das Ministerium konnte nicht, wie Manche verlangt haben, einige Tage nach Fassung des in Rede stehenden Beschlusses gegen denselben remonstriren, sondern die Versammlung mußte dies selbst thun. Ja, meine Herren, wir stehen an einem sehr wichtigen Momente. Es wird sich heute entscheiden, welche Geschicke diesem Lande bestimmt sind, ob wir auf dem Wege des Konvents oder ob wir mit einem möglichen Königthum weiter gehen werden. Abg. Parrisius beantragt den Schluß der Debatte: der Worte seien genug gewechselt; es handelt sich jetzt nur noch um eine That, die in der Abstimmung besteht. Die Versammlung möge zeigen, ob sie konsequent oder inkonsequent sein wolle. Abg. Bauer von Berlin spricht gegen den Schluß, damit jeder Abgeordnete, wenn irgend möglich, seine Abstimmung in dieser hochwichtigen Angelegenheit motiviren könne. (Der Antrag auf Schluß wird verworfen). Abg. Harassewitz, gegen den Stein'schen Antrag: Das was der Kriegsminister versprochen, sei kein Erlaß an die Armee. Wenn beide Theile sagen müßten, daß sie gefehlt, so müßten sie die dargebotene Hand annehmen und nicht auf dem starren Recht beharren. Zeigen Sie, schließt der Redner, dem Lande, daß ein versöhnender Geist hier waltet und daß Sie nur das Wohl des Landes vor Augen haben. Abg. Behrends: Es ist keine Maaßlosigkeit, wenn man das Recht des Volkes bis auf das letzte Titelchen festhalte und keinen Schritt zurückweiche. Auf 2 Punkte will ich nur aufmerksam machen: erstens, auf das Verhältniß der Versammlung zum Volke und zweitens, auf das Verhältniß der Versammlung zur Armee. — Schon früher habe ich gefordert, die Versammlung möge die Anerkennung der Revolution aussprechen, um auf diese Weise die Revolution zu Ende zu führen, denn das Volk hat seinen Vertretern das Vertrauen geschenkt, daß sie dies thun würden. Es frage sich jetzt wieder, wer souverain sei, die Versammlung oder das Ministerium. Die gesammte Bürgerwehr hat heute eine Adresse an den Präsidenten überreicht, worin sie die Erwartung ausspricht, die Versammlung werde ihren früher gefaßten Beschluß aufrecht erhalten. — Er übergibt zugleich dem Präsidenten eine Menge anderer Adressen, welche sich in demselben Sinne, wie die der Bürgerwehr äußern. — Das Volk habe somit seine Ansicht deutlich ausgesprochen. Nachdem noch einige Redner für und gegen den Antrag gesprochen wird endlich der Schluß der Debatte verlangt und angenommen. Der Antragsteller Abg. Stein hielt noch eine ausgezeichnete Rede, worin er klar darlegte, daß es sich hier nur einzig und allein darum handele, ob die Versammlung consequent sein wolle und an ihrem Beschluß vom 9. August ohne alle Aenderung und Erläuterung festhalte und dessen unverzügliche Ausführung fordere. — Das Fortbestehen des jetzigen Ministeriums ist freilich dadurch unmöglich gemacht. — Namentliche Abstimmung: Das Amendement Unruh wird mit 320 gegen 38 Stimmen und das Amendement Tamnau mit 210 gegen 156 Stimmen verworfen. Der Steinsche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen angenommen. Majoritat gegen das Ministerium 67 Stimmen. * Berlin, 8. Sept. Wie sehr Freiligrath in seinem Gedicht: „Die Todten an die Lebenden“ Recht hat, das wird begreifen, wer sowohl dieses Gedicht als nachfolgende Stelle aus dem „Publicisten“ vergleichen will: „Am Morgen des 19. März d. J., nach der verhängnißvollen Revolutions-Nacht, kehrte der Zeugschmiedegeselle Hellmann, mit zwei Infanterie-Gewehren versehen, in seine Wohnung zurück. Er war während des vorangegangenen Nachmittags und der Nacht an verschiedenen Punkten in der Stadt gewesen und hatte auf den Barrikaden mitgekämpft. Auf die ihm von seinen Hausgenossen gestellte Frage, wo er die Gewehre her habe, hatte er erklärt: „Die sind erobert.“ Wenige Tage darauf stand an den Straßenecken der Residenz eine obrigkeitliche Bekanntmachung, die die Rückgabe der in den Tagen des 18. und 19. März erbeuteten Waffen anempfahl. Er verkaufte die Gewehre für den Preis von 3 Thlr. Die Behörde erhielt hiervon Kenntniß, sie veranlaßte die Beschlagnahme beider Gewehre, und der Polizeianwalt erhob die Anklage gegen denselben wegen wissentlichen und widerrechtlichen Verkaufs fremden Eigenthums. Die Verhandlung fand bei dem Einzelrichter des K. Kriminalgerichts statt. Der Angeklagte wurde — da er sich nicht gestellt hatte, in contumacium des angeklagten Vergehens für schuldig befunden, und deßhalb zum Korkardenverlust, 6 Thlr. Geldstrafe, im Unvermögensfalle neuntägiger Strafarbeit verurtheilt. 61 Wien, 4. Sept.
Das Ministerium hat es nicht gewagt, das Verbot des Trauerzugs zu den Gräbern der am 21. und 23. August gefallenen Arbeiter zur Ausführung zu bringen und der Zug hat deßhalb in der Weise des Ihnen überschickten Programms gestern Nachmittag stattgefunden. Ein großer Theil der Nationalgarde hat sich offiziell an dem Zuge betheiligt und sich bei dem Volke damit bedeutend wieder in integrum restituirt. Den pariser und rheinischen Bourgeois dürfte darüber wieder der Schrecken in die Beine fahren. Der Reichstag hält heute keine Sitzung; der kudlich-lassersche Antrag und der Genuß all der vorgenommenen Amendements haben ihm Magenschmerz verursacht. Uebrigens kam es in der Sitzung vom 2. Sept. doch noch zur Abschaffung des Bier- und Branntweinzwangs und der dalmatinische Abgeordnete Iwichiewich erhob sich wider die von dem Reichstag ausgesprochene Feudal-Entschädigung durch den Staat aus dem Grunde, weil alle Feudalrechte in Dalmatien schon seit 1806 unter französischer Herrschaft verschwunden seien, von dieser Provinz nunmehr also auch keine Entschädigung für die Feudalherren anderer Provinzen verlangt werden könne. (Siehe den Verfolg in der Beilage). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar099_011" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0497"/> Bravo.) Von Verantwortung ist übrigens hier gar nicht die Rede. Ein Minister ist nie verantwortlich für Vollziehung der Beschlüsse der National-Versammlung. Hätte nur Herr Dahlmann schnell ein Ministerium gebildet. Es hätten sich wohl einige Gutwillige gefunden. Denn das steht fest, in 3 Wochen wird das neue Ministerium doch wieder entschlafen sein. (Vergnügen.)</p> <p>Es geht ein Antrag auf Tagesordnung ein.</p> <p><hi rendition="#g">Lichnowsky</hi> hat sich über Vogt gefreut. Stimmt ganz mit ihm überein. Es handelt sich hier nur um Dahlmann. Er hätte nicht an der Säule (dem Ministerium?) rütteln sollen, wenn er sich nicht stark genug fühlt sie wiederaufzubauen.</p> <p>Bei Krieg und Frieden beschließe übrigens nicht bloß die Nationalversammlung, sondern dieselbe, ein Verein mit der Centralgewalt.</p> <p>Hrn. Wesendonk muß er seine volle Mißbilligung aussprechen. (Schrecklich!)</p> <p><hi rendition="#g">Simon</hi> von Trier. Die Majoritätsbeschlüsse sind anzuerkennen, und zu vollziehen. Die Centralgewalt muß erklären, was sie thun wird. Der Unverantwortliche muß Sorge tragen, wie er sich die neuen Verantwortlichen beschafft. Dergleichen Pausen sind nicht geeignet, für das von ihnen so sehr geliebte konstitutionelle System einzunehmen. (Bravo).</p> <p><hi rendition="#g">Siemens</hi>. Wir hätten noch gar kein bestimmtes Gesetz was uns diese Frage entscheidet.</p> <p><hi rendition="#g">Wesendonk</hi>. Der Reichsverweser hat hier kein Veto einzulegen. Dieser Beschluß hebt nur eine ungültige Handlung auf, er muß sofort vollzogen werden.</p> <p><hi rendition="#g">Lichnowsky</hi> will noch einmal sprechen. Kommt nicht zum Wort; macht darüber Bemerkungen, und wird vom Präsidenten zurecht gewiesen. Die Debatte geschlossen! Nach einer abermaligen kurzen Personaldebatte zwischen Wesendonk und dem Präsidenten, in der sich herausstellt daß Wesendonk vorhin Recht hatte, und zu deren Schluß sich Wesendonk vorbehält in dieser Sache noch zu thun was ihm gut dunken wird — werden alle in dieser Diskussion gestellten Anträge zurückgenommen, und man geht zur Tagesordnung, oder will wenigstens dazu gehen. Denn es kommt ein neuer Antrag von</p> <p>v.<hi rendition="#g">Reden</hi> des Inhalts: Die Nationalversammlung solle es für eine Pflicht des deutschen Volkes erkennen, denjenigen Rhedern und Schiffseigenthümern in den Ostseeprovinzen Gewähr zu leisten, welche durch den dänischen Krieg Verluste erlitten haben.</p> <p><hi rendition="#g">Präsident</hi>. Ob dieser Antrag als ein dringlicher zu behandeln? Das Resultat der Abstimmung ist zwefelhaft. Nach der Zählung ist derselbe mit 234 gegen 190 Stimmen als dringlich erkannt. — (Links Bravo).</p> <p>v. <hi rendition="#g">Reden</hi> empfiehlt den Antrag zur Annahme.</p> <p><hi rendition="#g">Zell</hi> aus Trier beantragt die Diskussion des Antrags bis Morgen auszusetzen.</p> <p><hi rendition="#g">Löwe</hi>. Der Antrag ist ganz außerordentlich dringlich. Seine Annahme ist wichtig zur Begründung der deutschen Einheit. Wir wollen mit demselben eine Quelle des Bürgerkriegs verstopfen. Ich stimme dafür ihn Morgen spätestens zu diskutiren.</p> <p><hi rendition="#g">Moritz Mohl</hi>. Gegen die Dringlichkeit. (Oho!)</p> <p><hi rendition="#g">Wichmann</hi>: (Preuß. Assessor). Ditto.</p> <p>Graf<hi rendition="#g">Schwerin</hi>. Man möge Morgen die ganze Waffenstillstandsfrage entscheiden, und dabei diesen Antrag mit. — Ob die Ausschüsse nicht bis Morgen berichten können?</p> <p>Wurm. (Hamburg.) Die Ausschüsse (der internationale und der der Centralgewalt) wissen noch gar nicht, wenn sie fertig werden, das Material ist massenhaft; und muß ganz durchgesehen werden. — Ich muß übrigens gestehen, daß, hätte ich gewußt, was ich aus der bisherigen Durchsicht der Akten nunmehr schon weiß, (rechts: hört! hört!) wir unsern Antrag am 5. September ganz anders motivirt hätten. (Rechts mit Nachdruck: hört! hört!) Aber den Antrag hätten wir dennoch auf jeden Fall gestellt (links hört! hört!) und die Majorität würde keineswegs haben anders handeln können, als sie beschlossen hat. (Links mit Hohn und Nachdruck: hört! hört!) erklärt Er den Antrag von Redens für dringlich. —</p> <p>Merk. (Hamburg.) Begreift nicht wie man für Sistirung der Waffenstillstandsmaßregeln stimmen konnte, wenn man nicht diesen Antrag für dringlich erkennt. —</p> <p>Heckscher. (Minister.) Mit einiger Genugthuung habe ich gehört, daß Hr. Wurm und der Ausschuß bei voller Kenntniß der Akten ihren Antrag ganz anders motivirt hätten (Rechts Bravo.)</p> <p>Wurm. Unser Bericht wird Hrn. Heckscher schon aufklären. —</p> <p>Venedey. Der Antrag ist sehr dringlich, die Ostseeprovinzen müssen erfahren, daß die ganze Nation ihren Schaden theilen will. —</p> <p>Nauwerk. Schon vor 4 Wochen hätte der Antrag dringlich sein müssen. Seine Pflicht zu thun ist das Dringlichste. Morgen ist der äußerste Termin. —</p> <p>Osterrath hat zwar denselben Antrag bereits vor 4 Wochen gestellt, — ist aber doch gegen die Dringlichkeit, beantragt Verweisung desselben an die beiden Ausschüsse.</p> <p>von Reden beantragt namentliche Abstimmung über die Dringlichkeit des Antrags. —</p> <p>Schwerin fragt mit plumpem pommerschen Anlauf zur Ironie, ob mit der Entschädigung im von Redenschen Antrag, Entschädigung für den ganzen durch den Dänenkrieg zugefügten Schaden, oder für den durch die am 5. ausgesprochene Sistirung entstehenden Schaden, gemeint sei?</p> <p>Präsident drei Anträge liegen vor:</p> <p>1) der von Zell und Reder: „über den Redenschen Antrag morgen zu verhandeln“ —</p> <p>2) nach Simons zur Tagesordnung überzugehen</p> <p>3) nach Osterrath „den von Redenschen Antrag den beiden Ausschüssen die über die Waffenstillstands-Angelegenheiten berichten, mit zu überweisen.“ —</p> <p>Nach einiger Debatte zeigt sich, daß der Simonsche Antrag auf Tagesordnung, da es sich nur um Entscheidung der Dringlichkeit handelt, gar nicht zulässig ist. —</p> <p>Er wird bei Seite gelegt. —</p> <p>Ueber den Zellschen Antrag (S. oben.) wird namentlich abgestimmt, und derselbe mit 238 gegen 216 Stimmen verworfen</p> <p>Schwerin erklärt Namens seiner und seiner Freunde, (!) daß sie deshalb gegen von Redens Antrag gestimmt, weil sie folgendes Amendement jetzt dazu gestellt: „die National-Versammlung solle nicht blos die Entschädigung der unmittelbaren Verluste der Reder und Schiffseigenthümer beschließen, sondern auch die Entschädigung der aus dem ganzen Dänenkrieg, und aus der Sistirung des Waffenstillstandes erfolgten Verluste.“ —</p> <p>Präs: Ein solches Amendement ist jetzt ganz unzulässig, nachdem über en Antrag abgestimmt. —</p> <p>Osterraths Antrag (Siehe oben Nro. 3.) wird angenommen.</p> <p>Schwerin bringt mit pommerscher Consequenz sein obiges Amendement un als Antrag, und verlangt daß damit verfahren werde wie mit von Redens Antrag. —</p> <p>Die Versammlung genehmigt dies. Nur die Linke bleibt sitzen. —</p> <p>Präsident verliest nun das Accreditiv eines Wallachischen Geschäftsträgers Johann Babesco, der bei der deutschen Centralgewalt beglaubigt wird. Es wird dem Minister des Aeußeren (welchem?) zu übergeben sein. —</p> <p>Präsident theilt mit daß die Cottusche Verlagshandlung wie früher Hahn, Schwetschke, Veit etc. ihren Verlag der Nationalversammlung zur Auswahl anbietet.</p> <p>Folgt der Dank der Versammlung. — Auf einen Antrag von Vogt, beschließt man, für ähnliche Fälle den Präsidenten zu ermächtigen, zu thun, wie bisher in diesen Fällen geschehen. —</p> <p>Hierauf soll zur Tagesordnung übergegangen werden — man ruft Vertagung — entschließt sich aber da es noch ziemlich früh ist, die Ergänzungswahlen für den Verfassungsausschuß noch vorzunehmen. —</p> <p>Vor der Wahl ereignete sich ein interessanter Fall. —</p> <p>Rotenhan, Schwerin und Simon stellen nämlich den Antrag, da Bassermann, Robert Mohl und Beckerath nunmehr nicht mehr Minister; also für den Ausschuß wieder wahlfähig, möchte man zu Gunsten dieser drei Herren die Candidatenliste für die Ergänzungswahl in den Verfassungs-Ausschuß (die bereits entworfen.) erneuern, und diese drei Herren mit als Wahlkandidaten darauf setzen. — Auch die Candidatenliste erst entwerfen, wenn die neuen Minister gewählt. (!)</p> <p>Wesendonk spricht heftig dagegen. Simon (Trier) ebenfalls. Es läge für besondere Berücksichtigung der drei Herren aus dem abgetretenen Ministerium gar kein Grund vor. (Gelächter.) Venedey im Hinblick auf seine Erfahrung im Ausland, warnt vor solchen Partheilichkeiten. —</p> <p>Der Antrag wird gleichwohl für dringlich erkannt, aber bei der Abstimmung, wenn auch mit schwacher Majorität, verworfen!</p> <p>Hierauf schreitet man zur Ergänzungs-Wahl von 5 Mitgliedern des Verfassungsausschusses. —</p> <p>Die Namen der Mitglieder Morgen. —</p> <p>Morgen 9 Uhr Sitzung. Fortsetzung der Grundrechte! (?)</p> </div> <div xml:id="ar099_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 7. September.</head> <p>Sitzung der Vereinbarer-Versammung. Tagesordnung: Der Antrag des Abg. <hi rendition="#g">Stein</hi>: daß es dringendste Pflicht des Staats-Ministerii sei, denjenigen Erlaß, welchen die Versammlung am 9. August beschlossen hat, ohne Weitres zur Beruhigung des Landes und Erhaltung des Vertrauens sowie zur Vermeidung eines Bruches mit der Versammlung ergehen #lassen. —</p> <p>Zuerst ergreift der Minister-Präsident das Wort: da unsere Erklärung eine so abweichende Beurtheilung erfahren hat, so will ich mit Offenheit unsere Ansichten dieser Versammlung gegenüber darzulegen suchen. Ich erkenne zunächst in dem Beschlusse vom 9. Aug. nicht die Absicht, eine Gesinnungsinquisition unter offizieller Autorität zu organisiren; dennoch kann dem Wortlaute nach, ohne Zwang keine andere Auslegung hineingebracht werden, und dies macht die Ausführung, der Form wie dem Inhalt nach, unmöglich. Die Regierung sah nur einen Weg, ihre Pflicht mit dem Wunsche der Versammlung vereinen zu können, auszusprechen, daß das Einvernehmen der Regierung und des Kriegsministers mit den von der Versammlung ausgesprochenen Grundsätzen vorhanden sei, und den Entschluß auszusprechen, jede Bestrebung gegen die konstitutionellen Grundsätze entschieden zurückzuweisen, auch die einzelnen Maaßregeln, die in Anwendung kommen sollen, anzugeben. Jeder Offizier wird in den stenographischen Berichten lesen, daß der Kriegsminister den Befehlshabern angedeutet habe, allen Bestrebungen gegen die konstitutionelle Freiheit entgegen zu treten. Es liegt in der Ordnung des Dienstes, wenn eine Verwaltungsgewalt einen Grundsatz ausspr#cht, daß sie gehalten sei, auf dienstlichem Wege den Behorden Nachricht zu geben. Dies ist vom Kriegsminister geschehen und an die kommandirenden Generale mitgetheit, um nach dem Inhalt zu verfahren. Ich sehe nicht ein, wie das Ministerium deshalb so heftige Angriffe erfahren kann, daß es die Rechte der Versammlung sollte verletzt und den konstitutionellen Grundsätzen entgegen gehandelt habe. Es handelt sich hier nicht um einen bestrittenen allgemeinen Grundsatz oder Gesetzgebungsakt, sondern um eine Verwaltungsmaßregel. Bei der Durchführung des Beschlusses wird die Regierung zu einem Vollziehungs-Ausschuß herabgesetzt. —</p> <p>Abg. Unruh. Ich habe den Steinschen Antrag in ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium verwandelt; dies ist mehr eine parlamentarische Form. Der Einwurf, daß die National-Versammlung sich in die Verwaltung mische, sucht der Redner dadurch zu entkräften, daß die Versammlung, wenn sie ein Mißtrauensvotum ergehen läßt, noch kein Recht habe sich in Untersuchungen über Verwaltungsmaßregeln oder Unterlassungen der Verwaltung einzulassen. — Er entwickelt sein Amendement welches lautet:</p> <p rendition="#et">„In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die, im konstitutionellen Staate nothwendige Uebereinstimmung zwischen Volk und Herr herbeizuführen und reaktionäre Bestrebungen, so wie fernere Conflikte zwischen den Bürgern, welche zum Heere, und denen, welche zum Civilstande gehören, zu vermeiden bezwecken,</p> <p>erklärt die Versammlung:</p> <p rendition="#et">daß das Ministerium das Vertrauen des Landes nicht besitzt, wenn es ferner Anstand nimmt, einen jenem Sinne der Beschlüsse vom 9. August entsprechenden Erlaß an das Herr ergehen zu lassen.“</p> <p>Abg. Schulze von Wangleben hebt hervor, daß die Reaktion nicht allein die Contre-Revolution begonnen, sondern sie ruft allen konstituirenden Versammlungen, sowohl der hiesigen als der Frankfurter und andern deutsch. Staaten zu, der Staat müsse sich allein auf die Armee stützen, nur sie sei die beste Stütze des Staates. Er weist aber auf Frankreich hin um eine solche Soldatenherrschaft zu würdigen. —</p> <p>Abg. Reichensperger: Es wird feststehen, daß wir keinen Gewissenszwang beabsichtigen, wenn wir uns gegen die wörtliche Ausführung der Beschlüsse vom 9. August erklären, mindestens wird das Schulzesche Amendement einer Erklärung bedürfen. Mit diesen Beschlussen beabsichtigte man, einen Erlaß an die Befehlshaber der Armee herbeizuführen, wie ihn die Minister der Finanzen und des Innern an die Regierungs-Präsidenten erlassen haben. Die Offiziere der Armee sollten dadurch nicht genöthigt sein zu einer Darlegung ihre politischen Gesinnung. — Schon der Königliche Armeebefehl vom 1. Mai forderte die ganze Armee auf im Geiste der neuen Zeit zu handeln. — Der Zwiespalt der gegenwärtig eingetreten, ist dadurch herbeigeführt, daß die Versammlung zu wenig gesagt und das Ministerium zu wenig gehandelt hat. Der Versammlung gegenüber steht ein Ministerium, das nach dem positiven Gesetz (?) verantwortlich ist. Deshalb ist es die Pflicht dieser Versammlung dahin zu wirken, daß nicht ihre Gewalt die andere absorbire. Die Versammlung muß ihre Gewalt mit Mäßigung und Umsicht gebrauchen, sie könnte dieselbe sonst leicht entweder über Gebühr ausdehnen oder sich zur Ungebühr einer außer ihr liegenden Gewalt unterordnen.</p> <p>Abg. Temme: Wir befinden uns einem Falle, wie wohl noch nie in einem konstitutionellen Staate vorgekommen. Ich verstehe darunter nicht solche Staaten, die unter dem Hasse und dem Schutze der Kanonen des Absolutismus bestehen. — Das Ministerium verweigert einen Beschluß dieser Versammlung auszuführen. Nach den bisherigen konstitutionellen Ansichten, muß das Ministerium in einem solchen Falle entweder abdanken, oder die Versammlung auflösen. Das Letzte ist unmöglich und daß Erste hat das Ministerium verschmäht und zwingt die Versammlung dadurch zu einem entschiedenen Beschuß. Das ganze Volk ist dadurch in Aufregung gebracht und das Ministerium provozirt zugleich eine Revolution. Es fordert zugleich von uns die Anerkennung seines Verfahrens, die Anerkennung also, unser Wille sei nicht der Wille des Volks, oder der Wille des Volkes gelte nicht dem Willen des Ministeriums gegenüber. Das Erste können wir um unserer Ehre, das Letztere um des Vaterlandes willen nicht erklären. Das Letztere hieße den Grundsatz aussprechen, das Volk sei nur der Regierung wegen und nicht die Regierung des Volkes wegen da — Das Ministerium hat sich jedenfalls sehr ungeschickt benommen, es hat den Willen des Landes gegen sich. Wenn es dennoch länger auf seiner Stelle bleiben sollte, so weiß man nicht, was daraus entstehen wird. — Wenn diese Versammlung den Steinschen Antrag nicht ohne alle Aenderung annimmt, so erlaubt es meine Ehre nicht auch noch einen Augenblick meinen Sitz zu behalten und, meine Freunde in diesem Saale werden ihn gleichfalls mit mir verlassen. — (Mißfallen von der Rechten. Zustimmung zur Linken.)</p> <p>Abg. Baumstark spricht ein Langes und Breites gegen den Stein'schen Antrag. Er bestreitet die Kompetenz der Versammlung, eine Regierungsmaßregel vorzuschreiben. Sodann dekretirt er „daß das Vaterland in Gefahr sei,“ und will schließlich abwarten und sehen wer weggehet. Er erklärt sich für das Amendement Tamnau.</p> <p>Abg. Grebel weist auf den bekannten Tagesbefehl Friedr. Wilh. III. vom Jahre 1798 an die Offiziere hin und fragt: was Friedr. Wilh. der Gerechte für passend fand, wird Herr v. Schreckenstein etc. sich nicht dafür erklären?</p> <p>Minister Hansemann entschuldigt sich, daß er keinen logisch zusammenhängenden Vortrag halten werde, indem er vorzüglich alle Gründe der bisherigen Redner widerlegen wolle. — Er ist jedoch wenig glücklich und geschickt in seiner Widerlegung. Schließlich macht er mit ungeheurem Pathos und mit aller Kraft seiner Stimme auf die Folgen aufmerksam, welche die Versammlung durch das Beharren auf dieser Kleinigkeit nach sich ziehen könne. Das Wohlergehen des ganzen Landes, das Bestehen Berlin's ist an diese Frage geknüpft, und der Stern Preußens wird vielleicht erbleichen, wenn, wenn die Versammlung ihren Beschluß vom 9. August festhalte.</p> <p>Abg. Walter zittert bei dem Gedanken an den Eindruck, den eine mögliche Ministerkrisis hervorbringen würde. Er sucht die Unmöglichkeit darzulegen, den Stein'schen Antrag auszuführen. Er erklärt sich für das Amendement Tamnau.</p> <p>Minister Kühlwetter sucht in einer langweiligen Rede auseinanderzusetzen, daß es sich hier nicht um die Aufrechthaltung eines alten Beschlusses, sondern um einen ganz neuen Antrag handele. Man müsse an dem Grundsatz festhalten, die Gewalten, die beschließende und die ausführende ganz von einander getrennt zu halten, die Versammlung, als beschließende Gewalt, dürfe keinen Verwaltungsbefehl geben. Bei vielen Gelegenheiten hat diese Versammlung diesen Grundsatz anerkannt und sich jeder Einmischung in rein administrative Sachen enthalten. Die Versammlung hat vielmehr ihren Boden im Gesetz, und eine andere Befugniß kann ihr das Ministerium nicht einräumen. — Die Geschichte wird sich des heutigen Tages bemeistern, und das Vaterland wird es dem Ministerium Dank wissen, daß es keinen Fuß breit gewichen ist.</p> <p>(Es muß hier bemerkt werden, daß sowohl der Ministerpräsident und der Finanzminister als der Minister des Innern erklärten, sie hätten am 9. Aug. aus dem Grunde nicht gegen den Stein'schen Antrag gesprochen, weil sie glaubten, daß er keinesfalls eine Majorität bekommen würde. Deshalb müßte auch heute das Prinzip erst erörtert werden, ob die Versammlung befugt ist, solche Beschlüsse zu fassen. Das Ministerium muß es entschieden in Abrede stellen)</p> <p>Abg. Bucher tadelt den Finanzminister, besonders weil derselbe einen von der Versammlung gefaßten Beschluß nachträglich bekritelt. Der Redner widerlegt ferner die Ansicht des Finanzministers, daß diese Versammlung als eine konstituirende sich nicht mit einer konstituirten verwechsele. Die Berufung des Finanzministers auf das die Befugnisse der Versammlung enthaltene Wahlgesetz vom 8. April widerlegt er damit, daß das Volk sich nicht durch ein Blatt Papier binden lasse. Diese Versammlung hat die Pflicht, eine nicht ganz fertig gewordene Revolution weiter zu führen. Das Volk will die Mißstände abgestellt wissen, deshalb ist es ungeduldig. Noch gelten fast alle Gesetze des Absolutismus, alle alten Behörden bestehen noch; wir müssen uns nicht gegen die Außenwelt verschließen, sondern jedem Uebe stand, der sich zeigt, muß sogleich abgeholfen werden. Er wirft dem Ministerium schließlich alle seine Sünden vor und zeigt ihm sein gefährliches Spiel; seine Handlungen sind wie die einer früheren Regierung in Frankreich nicht als ganz und nicht als halb zu betrachten. Wenn das Ministerium die Beschlüsse dieser Versammlung nicht ausführen will wozu sind sie gefaßt und deshalb handelt es sich hier auch nur darum, ob das Ministerium einen mit Majorität gefaßten Beschluß ausführen muß.</p> <p>Abg Tamnau motivirt sein Amendement, welches lautet:</p> <p rendition="#et">„Die Versammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. Aug. d. J. die Absicht gehabt, an die Befehlshaber der Armee einen ähnlichen E#ß #erbeizuführen, wie die Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem 15. Juli an die Regierungspräsidenten erlassen haben. Sie beabsichtigte nicht, die Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen Gesinnung zu nöthigen oder dem Kriegsminister das Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben. Sie erachtet aber einen derartigen Erlaß, in welchem die Offiziere der Armee vor reaktionären und republikanischen Bestrebungen gewarnt werden, im Interesse des staatsbürgerlichen Friedens und zur Förderung des neuen konstitutionellen Staatssystems für nothwendig.“</p> <p>Kriegsminister v. Schreckenstein: Ich erkläre in meinem Namen, im Einverständnisse mit meinen Kollegen, daß ich mich mir dem Amendement Tamnau einverstanden erklare und bereit bin, den darin gewünschten Erlaß an die Armee in Ausführung zu bringen.</p> <p>Abg. D'Ester: Die vorliegende Frage ist von zwei Seiten zu betrachten, von der personlichen und der sachlichen. Die persönliche Frage besteht darin, daß sie ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium in sich faßt. Deshalb müssen wir auch an dem Stein'schen Antrag festhalten, denn das Ministerium hat durch die Nichterfüllung dieses Antrags seine Pflicht verletzt. Wenn das Ministerium selbst heute erklärt, es wolle den Antrag zur Ausführung bringen, so hat es doch seine Pflicht verletzt, indem es Montag erklärte, den Antrag nicht ausführen zu wollen. Wir können uns nur für die Annahme des Antrags und gegen die beiden Amendements erklären, denn das Amendement des Abgeordneten Unruh spricht nur eine Pflichtverletzung des Ministeriums für die Zukunft aus, wenn es den heutigen Beschluß nicht ausführt. Das Amendement Tamnau wirft den ganzen am 9. August gefaßten Beschluß um. Das Ministerium hat erklärt, es müsse eine Trennung der Gewalten statt finden und daß diese Versammlung kein Recht zu solchen Beschlüssen habe. Das sind die Ansichten alter Montesquieu'scher Staatsweisheit, die durch unsere Staatsumwälzung umgeworfen sind. Niemand wird läugnen, daß wir in Folge einer großen Staatsumwälzung hier sind und etwas Neues schaffen sollen. Freiheit ist von allen Seiten hier in Anspruch genommen worden. Jeder sagt, die Freiheit ist in Gefahr, wenn meine Ansicht nicht durchgeht. Sie wissen, daß es eine Partei im Lande giebt, die kein Mittel vorübergehen läßt, um den alten Zustand wieder zurückzurufen. Viele Offiziere der Armee hängen dieser Partei an und wenn Sie sich weigern, einen Erlaß an diese Offiziere zu erlassen, so geben Sie der Reaktion bewußt oder unbewußt ihre Zustimmung.</p> <p>Minister Milde: Ein vorgehender Redner hat die Debatte auf den wahren Punkt gebracht, nämlich dahin, ob die Versammlung der Konvent werden wolle oder nicht. Der Beschluß vom 9. Aug. übt in seiner Totalität einen Gewissenszwang aus. Das verehrte Mitglied hat nun gesagt, wir hätten unsere Pflicht verletzt, weil wir diesen Beschluß nicht ausgeführt Das Ministerium konnte nicht, wie Manche verlangt haben, einige Tage nach Fassung des in Rede stehenden Beschlusses gegen denselben remonstriren, sondern die Versammlung mußte dies selbst thun. Ja, meine Herren, wir stehen an einem sehr wichtigen Momente. Es wird sich heute entscheiden, welche Geschicke diesem Lande bestimmt sind, ob wir auf dem Wege des Konvents oder ob wir mit einem möglichen Königthum weiter gehen werden.</p> <p>Abg. Parrisius beantragt den Schluß der Debatte: der Worte seien genug gewechselt; es handelt sich jetzt nur noch um eine That, die in der Abstimmung besteht. Die Versammlung möge zeigen, ob sie konsequent oder inkonsequent sein wolle.</p> <p>Abg. Bauer von Berlin spricht gegen den Schluß, damit jeder Abgeordnete, wenn irgend möglich, seine Abstimmung in dieser hochwichtigen Angelegenheit motiviren könne. (Der Antrag auf Schluß wird verworfen).</p> <p>Abg. Harassewitz, gegen den Stein'schen Antrag: Das was der Kriegsminister versprochen, sei kein Erlaß an die Armee. Wenn beide Theile sagen müßten, daß sie gefehlt, so müßten sie die dargebotene Hand annehmen und nicht auf dem starren Recht beharren. Zeigen Sie, schließt der Redner, dem Lande, daß ein versöhnender Geist hier waltet und daß Sie nur das Wohl des Landes vor Augen haben.</p> <p>Abg. Behrends: Es ist keine Maaßlosigkeit, wenn man das Recht des Volkes bis auf das letzte Titelchen festhalte und keinen Schritt zurückweiche. Auf 2 Punkte will ich nur aufmerksam machen: erstens, auf das Verhältniß der Versammlung zum Volke und zweitens, auf das Verhältniß der Versammlung zur Armee. — Schon früher habe ich gefordert, die Versammlung möge die Anerkennung der Revolution aussprechen, um auf diese Weise die Revolution zu Ende zu führen, denn das Volk hat seinen Vertretern das Vertrauen geschenkt, daß sie dies thun würden. Es frage sich jetzt wieder, wer souverain sei, die Versammlung oder das Ministerium. Die gesammte Bürgerwehr hat heute eine Adresse an den Präsidenten überreicht, worin sie die Erwartung ausspricht, die Versammlung werde ihren früher gefaßten Beschluß aufrecht erhalten. — Er übergibt zugleich dem Präsidenten eine Menge anderer Adressen, welche sich in demselben Sinne, wie die der Bürgerwehr äußern. — Das Volk habe somit seine Ansicht deutlich ausgesprochen.</p> <p>Nachdem noch einige Redner für und gegen den Antrag gesprochen wird endlich der Schluß der Debatte verlangt und angenommen.</p> <p>Der Antragsteller Abg. Stein hielt noch eine ausgezeichnete Rede, worin er klar darlegte, daß es sich hier nur einzig und allein darum handele, ob die Versammlung consequent sein wolle und an ihrem Beschluß vom 9. August ohne alle Aenderung und Erläuterung festhalte und dessen unverzügliche Ausführung fordere. — Das Fortbestehen des jetzigen Ministeriums ist freilich dadurch unmöglich gemacht. —</p> <p>Namentliche Abstimmung: Das Amendement Unruh wird mit 320 gegen 38 Stimmen und das Amendement Tamnau mit 210 gegen 156 Stimmen verworfen.</p> <p>Der Steinsche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen angenommen.</p> <p>Majoritat gegen das Ministerium 67 Stimmen.</p> </div> <div xml:id="ar099_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 8. Sept.</head> <p>Wie sehr Freiligrath in seinem Gedicht: „Die Todten an die Lebenden“ Recht hat, das wird begreifen, wer sowohl dieses Gedicht als nachfolgende Stelle aus dem „Publicisten“ vergleichen will:</p> <p>„Am Morgen des 19. März d. J., nach der verhängnißvollen Revolutions-Nacht, kehrte der Zeugschmiedegeselle <hi rendition="#g">Hellmann</hi>, mit zwei Infanterie-Gewehren versehen, in seine Wohnung zurück. Er war während des vorangegangenen Nachmittags und der Nacht an verschiedenen Punkten in der Stadt gewesen und hatte auf den Barrikaden mitgekämpft. Auf die ihm von seinen Hausgenossen gestellte Frage, wo er die Gewehre her habe, hatte er erklärt: „Die sind erobert.“ Wenige Tage darauf stand an den Straßenecken der Residenz eine obrigkeitliche Bekanntmachung, die die Rückgabe der in den Tagen des 18. und 19. März erbeuteten Waffen anempfahl. Er verkaufte die Gewehre für den Preis von 3 Thlr. Die Behörde erhielt hiervon Kenntniß, sie veranlaßte die Beschlagnahme beider Gewehre, und der Polizeianwalt erhob die Anklage gegen denselben wegen wissentlichen und widerrechtlichen Verkaufs fremden Eigenthums. Die Verhandlung fand bei dem Einzelrichter des K. Kriminalgerichts statt. Der Angeklagte wurde — da er sich nicht gestellt hatte, in contumacium des angeklagten Vergehens für schuldig befunden, und deßhalb zum Korkardenverlust, 6 Thlr. Geldstrafe, im Unvermögensfalle neuntägiger Strafarbeit verurtheilt.</p> </div> <div xml:id="ar099_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 4. Sept.</head> <p>Das Ministerium hat es nicht gewagt, das Verbot des Trauerzugs zu den Gräbern der am 21. und 23. August gefallenen Arbeiter zur Ausführung zu bringen und der Zug hat deßhalb in der Weise des Ihnen überschickten Programms gestern Nachmittag stattgefunden. Ein großer Theil der Nationalgarde hat sich offiziell an dem Zuge betheiligt und sich bei dem Volke damit bedeutend wieder in integrum restituirt. Den pariser und rheinischen Bourgeois dürfte darüber wieder der Schrecken in die Beine fahren.</p> <p>Der Reichstag hält heute keine Sitzung; der kudlich-lassersche Antrag und der Genuß all der vorgenommenen Amendements haben ihm Magenschmerz verursacht. Uebrigens kam es in der Sitzung vom 2. Sept. doch noch zur Abschaffung des Bier- und Branntweinzwangs und der dalmatinische Abgeordnete Iwichiewich erhob sich wider die von dem Reichstag ausgesprochene Feudal-Entschädigung durch den Staat aus dem Grunde, weil alle Feudalrechte in Dalmatien schon seit 1806 unter französischer Herrschaft verschwunden seien, von dieser Provinz nunmehr also auch keine Entschädigung für die Feudalherren anderer Provinzen verlangt werden könne.</p> <p> <ref type="link"> <hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg in der Beilage).</hi> </ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0497/0003]
Bravo.) Von Verantwortung ist übrigens hier gar nicht die Rede. Ein Minister ist nie verantwortlich für Vollziehung der Beschlüsse der National-Versammlung. Hätte nur Herr Dahlmann schnell ein Ministerium gebildet. Es hätten sich wohl einige Gutwillige gefunden. Denn das steht fest, in 3 Wochen wird das neue Ministerium doch wieder entschlafen sein. (Vergnügen.)
Es geht ein Antrag auf Tagesordnung ein.
Lichnowsky hat sich über Vogt gefreut. Stimmt ganz mit ihm überein. Es handelt sich hier nur um Dahlmann. Er hätte nicht an der Säule (dem Ministerium?) rütteln sollen, wenn er sich nicht stark genug fühlt sie wiederaufzubauen.
Bei Krieg und Frieden beschließe übrigens nicht bloß die Nationalversammlung, sondern dieselbe, ein Verein mit der Centralgewalt.
Hrn. Wesendonk muß er seine volle Mißbilligung aussprechen. (Schrecklich!)
Simon von Trier. Die Majoritätsbeschlüsse sind anzuerkennen, und zu vollziehen. Die Centralgewalt muß erklären, was sie thun wird. Der Unverantwortliche muß Sorge tragen, wie er sich die neuen Verantwortlichen beschafft. Dergleichen Pausen sind nicht geeignet, für das von ihnen so sehr geliebte konstitutionelle System einzunehmen. (Bravo).
Siemens. Wir hätten noch gar kein bestimmtes Gesetz was uns diese Frage entscheidet.
Wesendonk. Der Reichsverweser hat hier kein Veto einzulegen. Dieser Beschluß hebt nur eine ungültige Handlung auf, er muß sofort vollzogen werden.
Lichnowsky will noch einmal sprechen. Kommt nicht zum Wort; macht darüber Bemerkungen, und wird vom Präsidenten zurecht gewiesen. Die Debatte geschlossen! Nach einer abermaligen kurzen Personaldebatte zwischen Wesendonk und dem Präsidenten, in der sich herausstellt daß Wesendonk vorhin Recht hatte, und zu deren Schluß sich Wesendonk vorbehält in dieser Sache noch zu thun was ihm gut dunken wird — werden alle in dieser Diskussion gestellten Anträge zurückgenommen, und man geht zur Tagesordnung, oder will wenigstens dazu gehen. Denn es kommt ein neuer Antrag von
v.Reden des Inhalts: Die Nationalversammlung solle es für eine Pflicht des deutschen Volkes erkennen, denjenigen Rhedern und Schiffseigenthümern in den Ostseeprovinzen Gewähr zu leisten, welche durch den dänischen Krieg Verluste erlitten haben.
Präsident. Ob dieser Antrag als ein dringlicher zu behandeln? Das Resultat der Abstimmung ist zwefelhaft. Nach der Zählung ist derselbe mit 234 gegen 190 Stimmen als dringlich erkannt. — (Links Bravo).
v. Reden empfiehlt den Antrag zur Annahme.
Zell aus Trier beantragt die Diskussion des Antrags bis Morgen auszusetzen.
Löwe. Der Antrag ist ganz außerordentlich dringlich. Seine Annahme ist wichtig zur Begründung der deutschen Einheit. Wir wollen mit demselben eine Quelle des Bürgerkriegs verstopfen. Ich stimme dafür ihn Morgen spätestens zu diskutiren.
Moritz Mohl. Gegen die Dringlichkeit. (Oho!)
Wichmann: (Preuß. Assessor). Ditto.
GrafSchwerin. Man möge Morgen die ganze Waffenstillstandsfrage entscheiden, und dabei diesen Antrag mit. — Ob die Ausschüsse nicht bis Morgen berichten können?
Wurm. (Hamburg.) Die Ausschüsse (der internationale und der der Centralgewalt) wissen noch gar nicht, wenn sie fertig werden, das Material ist massenhaft; und muß ganz durchgesehen werden. — Ich muß übrigens gestehen, daß, hätte ich gewußt, was ich aus der bisherigen Durchsicht der Akten nunmehr schon weiß, (rechts: hört! hört!) wir unsern Antrag am 5. September ganz anders motivirt hätten. (Rechts mit Nachdruck: hört! hört!) Aber den Antrag hätten wir dennoch auf jeden Fall gestellt (links hört! hört!) und die Majorität würde keineswegs haben anders handeln können, als sie beschlossen hat. (Links mit Hohn und Nachdruck: hört! hört!) erklärt Er den Antrag von Redens für dringlich. —
Merk. (Hamburg.) Begreift nicht wie man für Sistirung der Waffenstillstandsmaßregeln stimmen konnte, wenn man nicht diesen Antrag für dringlich erkennt. —
Heckscher. (Minister.) Mit einiger Genugthuung habe ich gehört, daß Hr. Wurm und der Ausschuß bei voller Kenntniß der Akten ihren Antrag ganz anders motivirt hätten (Rechts Bravo.)
Wurm. Unser Bericht wird Hrn. Heckscher schon aufklären. —
Venedey. Der Antrag ist sehr dringlich, die Ostseeprovinzen müssen erfahren, daß die ganze Nation ihren Schaden theilen will. —
Nauwerk. Schon vor 4 Wochen hätte der Antrag dringlich sein müssen. Seine Pflicht zu thun ist das Dringlichste. Morgen ist der äußerste Termin. —
Osterrath hat zwar denselben Antrag bereits vor 4 Wochen gestellt, — ist aber doch gegen die Dringlichkeit, beantragt Verweisung desselben an die beiden Ausschüsse.
von Reden beantragt namentliche Abstimmung über die Dringlichkeit des Antrags. —
Schwerin fragt mit plumpem pommerschen Anlauf zur Ironie, ob mit der Entschädigung im von Redenschen Antrag, Entschädigung für den ganzen durch den Dänenkrieg zugefügten Schaden, oder für den durch die am 5. ausgesprochene Sistirung entstehenden Schaden, gemeint sei?
Präsident drei Anträge liegen vor:
1) der von Zell und Reder: „über den Redenschen Antrag morgen zu verhandeln“ —
2) nach Simons zur Tagesordnung überzugehen
3) nach Osterrath „den von Redenschen Antrag den beiden Ausschüssen die über die Waffenstillstands-Angelegenheiten berichten, mit zu überweisen.“ —
Nach einiger Debatte zeigt sich, daß der Simonsche Antrag auf Tagesordnung, da es sich nur um Entscheidung der Dringlichkeit handelt, gar nicht zulässig ist. —
Er wird bei Seite gelegt. —
Ueber den Zellschen Antrag (S. oben.) wird namentlich abgestimmt, und derselbe mit 238 gegen 216 Stimmen verworfen
Schwerin erklärt Namens seiner und seiner Freunde, (!) daß sie deshalb gegen von Redens Antrag gestimmt, weil sie folgendes Amendement jetzt dazu gestellt: „die National-Versammlung solle nicht blos die Entschädigung der unmittelbaren Verluste der Reder und Schiffseigenthümer beschließen, sondern auch die Entschädigung der aus dem ganzen Dänenkrieg, und aus der Sistirung des Waffenstillstandes erfolgten Verluste.“ —
Präs: Ein solches Amendement ist jetzt ganz unzulässig, nachdem über en Antrag abgestimmt. —
Osterraths Antrag (Siehe oben Nro. 3.) wird angenommen.
Schwerin bringt mit pommerscher Consequenz sein obiges Amendement un als Antrag, und verlangt daß damit verfahren werde wie mit von Redens Antrag. —
Die Versammlung genehmigt dies. Nur die Linke bleibt sitzen. —
Präsident verliest nun das Accreditiv eines Wallachischen Geschäftsträgers Johann Babesco, der bei der deutschen Centralgewalt beglaubigt wird. Es wird dem Minister des Aeußeren (welchem?) zu übergeben sein. —
Präsident theilt mit daß die Cottusche Verlagshandlung wie früher Hahn, Schwetschke, Veit etc. ihren Verlag der Nationalversammlung zur Auswahl anbietet.
Folgt der Dank der Versammlung. — Auf einen Antrag von Vogt, beschließt man, für ähnliche Fälle den Präsidenten zu ermächtigen, zu thun, wie bisher in diesen Fällen geschehen. —
Hierauf soll zur Tagesordnung übergegangen werden — man ruft Vertagung — entschließt sich aber da es noch ziemlich früh ist, die Ergänzungswahlen für den Verfassungsausschuß noch vorzunehmen. —
Vor der Wahl ereignete sich ein interessanter Fall. —
Rotenhan, Schwerin und Simon stellen nämlich den Antrag, da Bassermann, Robert Mohl und Beckerath nunmehr nicht mehr Minister; also für den Ausschuß wieder wahlfähig, möchte man zu Gunsten dieser drei Herren die Candidatenliste für die Ergänzungswahl in den Verfassungs-Ausschuß (die bereits entworfen.) erneuern, und diese drei Herren mit als Wahlkandidaten darauf setzen. — Auch die Candidatenliste erst entwerfen, wenn die neuen Minister gewählt. (!)
Wesendonk spricht heftig dagegen. Simon (Trier) ebenfalls. Es läge für besondere Berücksichtigung der drei Herren aus dem abgetretenen Ministerium gar kein Grund vor. (Gelächter.) Venedey im Hinblick auf seine Erfahrung im Ausland, warnt vor solchen Partheilichkeiten. —
Der Antrag wird gleichwohl für dringlich erkannt, aber bei der Abstimmung, wenn auch mit schwacher Majorität, verworfen!
Hierauf schreitet man zur Ergänzungs-Wahl von 5 Mitgliedern des Verfassungsausschusses. —
Die Namen der Mitglieder Morgen. —
Morgen 9 Uhr Sitzung. Fortsetzung der Grundrechte! (?)
103 Berlin, 7. September. Sitzung der Vereinbarer-Versammung. Tagesordnung: Der Antrag des Abg. Stein: daß es dringendste Pflicht des Staats-Ministerii sei, denjenigen Erlaß, welchen die Versammlung am 9. August beschlossen hat, ohne Weitres zur Beruhigung des Landes und Erhaltung des Vertrauens sowie zur Vermeidung eines Bruches mit der Versammlung ergehen #lassen. —
Zuerst ergreift der Minister-Präsident das Wort: da unsere Erklärung eine so abweichende Beurtheilung erfahren hat, so will ich mit Offenheit unsere Ansichten dieser Versammlung gegenüber darzulegen suchen. Ich erkenne zunächst in dem Beschlusse vom 9. Aug. nicht die Absicht, eine Gesinnungsinquisition unter offizieller Autorität zu organisiren; dennoch kann dem Wortlaute nach, ohne Zwang keine andere Auslegung hineingebracht werden, und dies macht die Ausführung, der Form wie dem Inhalt nach, unmöglich. Die Regierung sah nur einen Weg, ihre Pflicht mit dem Wunsche der Versammlung vereinen zu können, auszusprechen, daß das Einvernehmen der Regierung und des Kriegsministers mit den von der Versammlung ausgesprochenen Grundsätzen vorhanden sei, und den Entschluß auszusprechen, jede Bestrebung gegen die konstitutionellen Grundsätze entschieden zurückzuweisen, auch die einzelnen Maaßregeln, die in Anwendung kommen sollen, anzugeben. Jeder Offizier wird in den stenographischen Berichten lesen, daß der Kriegsminister den Befehlshabern angedeutet habe, allen Bestrebungen gegen die konstitutionelle Freiheit entgegen zu treten. Es liegt in der Ordnung des Dienstes, wenn eine Verwaltungsgewalt einen Grundsatz ausspr#cht, daß sie gehalten sei, auf dienstlichem Wege den Behorden Nachricht zu geben. Dies ist vom Kriegsminister geschehen und an die kommandirenden Generale mitgetheit, um nach dem Inhalt zu verfahren. Ich sehe nicht ein, wie das Ministerium deshalb so heftige Angriffe erfahren kann, daß es die Rechte der Versammlung sollte verletzt und den konstitutionellen Grundsätzen entgegen gehandelt habe. Es handelt sich hier nicht um einen bestrittenen allgemeinen Grundsatz oder Gesetzgebungsakt, sondern um eine Verwaltungsmaßregel. Bei der Durchführung des Beschlusses wird die Regierung zu einem Vollziehungs-Ausschuß herabgesetzt. —
Abg. Unruh. Ich habe den Steinschen Antrag in ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium verwandelt; dies ist mehr eine parlamentarische Form. Der Einwurf, daß die National-Versammlung sich in die Verwaltung mische, sucht der Redner dadurch zu entkräften, daß die Versammlung, wenn sie ein Mißtrauensvotum ergehen läßt, noch kein Recht habe sich in Untersuchungen über Verwaltungsmaßregeln oder Unterlassungen der Verwaltung einzulassen. — Er entwickelt sein Amendement welches lautet:
„In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die, im konstitutionellen Staate nothwendige Uebereinstimmung zwischen Volk und Herr herbeizuführen und reaktionäre Bestrebungen, so wie fernere Conflikte zwischen den Bürgern, welche zum Heere, und denen, welche zum Civilstande gehören, zu vermeiden bezwecken,
erklärt die Versammlung:
daß das Ministerium das Vertrauen des Landes nicht besitzt, wenn es ferner Anstand nimmt, einen jenem Sinne der Beschlüsse vom 9. August entsprechenden Erlaß an das Herr ergehen zu lassen.“
Abg. Schulze von Wangleben hebt hervor, daß die Reaktion nicht allein die Contre-Revolution begonnen, sondern sie ruft allen konstituirenden Versammlungen, sowohl der hiesigen als der Frankfurter und andern deutsch. Staaten zu, der Staat müsse sich allein auf die Armee stützen, nur sie sei die beste Stütze des Staates. Er weist aber auf Frankreich hin um eine solche Soldatenherrschaft zu würdigen. —
Abg. Reichensperger: Es wird feststehen, daß wir keinen Gewissenszwang beabsichtigen, wenn wir uns gegen die wörtliche Ausführung der Beschlüsse vom 9. August erklären, mindestens wird das Schulzesche Amendement einer Erklärung bedürfen. Mit diesen Beschlussen beabsichtigte man, einen Erlaß an die Befehlshaber der Armee herbeizuführen, wie ihn die Minister der Finanzen und des Innern an die Regierungs-Präsidenten erlassen haben. Die Offiziere der Armee sollten dadurch nicht genöthigt sein zu einer Darlegung ihre politischen Gesinnung. — Schon der Königliche Armeebefehl vom 1. Mai forderte die ganze Armee auf im Geiste der neuen Zeit zu handeln. — Der Zwiespalt der gegenwärtig eingetreten, ist dadurch herbeigeführt, daß die Versammlung zu wenig gesagt und das Ministerium zu wenig gehandelt hat. Der Versammlung gegenüber steht ein Ministerium, das nach dem positiven Gesetz (?) verantwortlich ist. Deshalb ist es die Pflicht dieser Versammlung dahin zu wirken, daß nicht ihre Gewalt die andere absorbire. Die Versammlung muß ihre Gewalt mit Mäßigung und Umsicht gebrauchen, sie könnte dieselbe sonst leicht entweder über Gebühr ausdehnen oder sich zur Ungebühr einer außer ihr liegenden Gewalt unterordnen.
Abg. Temme: Wir befinden uns einem Falle, wie wohl noch nie in einem konstitutionellen Staate vorgekommen. Ich verstehe darunter nicht solche Staaten, die unter dem Hasse und dem Schutze der Kanonen des Absolutismus bestehen. — Das Ministerium verweigert einen Beschluß dieser Versammlung auszuführen. Nach den bisherigen konstitutionellen Ansichten, muß das Ministerium in einem solchen Falle entweder abdanken, oder die Versammlung auflösen. Das Letzte ist unmöglich und daß Erste hat das Ministerium verschmäht und zwingt die Versammlung dadurch zu einem entschiedenen Beschuß. Das ganze Volk ist dadurch in Aufregung gebracht und das Ministerium provozirt zugleich eine Revolution. Es fordert zugleich von uns die Anerkennung seines Verfahrens, die Anerkennung also, unser Wille sei nicht der Wille des Volks, oder der Wille des Volkes gelte nicht dem Willen des Ministeriums gegenüber. Das Erste können wir um unserer Ehre, das Letztere um des Vaterlandes willen nicht erklären. Das Letztere hieße den Grundsatz aussprechen, das Volk sei nur der Regierung wegen und nicht die Regierung des Volkes wegen da — Das Ministerium hat sich jedenfalls sehr ungeschickt benommen, es hat den Willen des Landes gegen sich. Wenn es dennoch länger auf seiner Stelle bleiben sollte, so weiß man nicht, was daraus entstehen wird. — Wenn diese Versammlung den Steinschen Antrag nicht ohne alle Aenderung annimmt, so erlaubt es meine Ehre nicht auch noch einen Augenblick meinen Sitz zu behalten und, meine Freunde in diesem Saale werden ihn gleichfalls mit mir verlassen. — (Mißfallen von der Rechten. Zustimmung zur Linken.)
Abg. Baumstark spricht ein Langes und Breites gegen den Stein'schen Antrag. Er bestreitet die Kompetenz der Versammlung, eine Regierungsmaßregel vorzuschreiben. Sodann dekretirt er „daß das Vaterland in Gefahr sei,“ und will schließlich abwarten und sehen wer weggehet. Er erklärt sich für das Amendement Tamnau.
Abg. Grebel weist auf den bekannten Tagesbefehl Friedr. Wilh. III. vom Jahre 1798 an die Offiziere hin und fragt: was Friedr. Wilh. der Gerechte für passend fand, wird Herr v. Schreckenstein etc. sich nicht dafür erklären?
Minister Hansemann entschuldigt sich, daß er keinen logisch zusammenhängenden Vortrag halten werde, indem er vorzüglich alle Gründe der bisherigen Redner widerlegen wolle. — Er ist jedoch wenig glücklich und geschickt in seiner Widerlegung. Schließlich macht er mit ungeheurem Pathos und mit aller Kraft seiner Stimme auf die Folgen aufmerksam, welche die Versammlung durch das Beharren auf dieser Kleinigkeit nach sich ziehen könne. Das Wohlergehen des ganzen Landes, das Bestehen Berlin's ist an diese Frage geknüpft, und der Stern Preußens wird vielleicht erbleichen, wenn, wenn die Versammlung ihren Beschluß vom 9. August festhalte.
Abg. Walter zittert bei dem Gedanken an den Eindruck, den eine mögliche Ministerkrisis hervorbringen würde. Er sucht die Unmöglichkeit darzulegen, den Stein'schen Antrag auszuführen. Er erklärt sich für das Amendement Tamnau.
Minister Kühlwetter sucht in einer langweiligen Rede auseinanderzusetzen, daß es sich hier nicht um die Aufrechthaltung eines alten Beschlusses, sondern um einen ganz neuen Antrag handele. Man müsse an dem Grundsatz festhalten, die Gewalten, die beschließende und die ausführende ganz von einander getrennt zu halten, die Versammlung, als beschließende Gewalt, dürfe keinen Verwaltungsbefehl geben. Bei vielen Gelegenheiten hat diese Versammlung diesen Grundsatz anerkannt und sich jeder Einmischung in rein administrative Sachen enthalten. Die Versammlung hat vielmehr ihren Boden im Gesetz, und eine andere Befugniß kann ihr das Ministerium nicht einräumen. — Die Geschichte wird sich des heutigen Tages bemeistern, und das Vaterland wird es dem Ministerium Dank wissen, daß es keinen Fuß breit gewichen ist.
(Es muß hier bemerkt werden, daß sowohl der Ministerpräsident und der Finanzminister als der Minister des Innern erklärten, sie hätten am 9. Aug. aus dem Grunde nicht gegen den Stein'schen Antrag gesprochen, weil sie glaubten, daß er keinesfalls eine Majorität bekommen würde. Deshalb müßte auch heute das Prinzip erst erörtert werden, ob die Versammlung befugt ist, solche Beschlüsse zu fassen. Das Ministerium muß es entschieden in Abrede stellen)
Abg. Bucher tadelt den Finanzminister, besonders weil derselbe einen von der Versammlung gefaßten Beschluß nachträglich bekritelt. Der Redner widerlegt ferner die Ansicht des Finanzministers, daß diese Versammlung als eine konstituirende sich nicht mit einer konstituirten verwechsele. Die Berufung des Finanzministers auf das die Befugnisse der Versammlung enthaltene Wahlgesetz vom 8. April widerlegt er damit, daß das Volk sich nicht durch ein Blatt Papier binden lasse. Diese Versammlung hat die Pflicht, eine nicht ganz fertig gewordene Revolution weiter zu führen. Das Volk will die Mißstände abgestellt wissen, deshalb ist es ungeduldig. Noch gelten fast alle Gesetze des Absolutismus, alle alten Behörden bestehen noch; wir müssen uns nicht gegen die Außenwelt verschließen, sondern jedem Uebe stand, der sich zeigt, muß sogleich abgeholfen werden. Er wirft dem Ministerium schließlich alle seine Sünden vor und zeigt ihm sein gefährliches Spiel; seine Handlungen sind wie die einer früheren Regierung in Frankreich nicht als ganz und nicht als halb zu betrachten. Wenn das Ministerium die Beschlüsse dieser Versammlung nicht ausführen will wozu sind sie gefaßt und deshalb handelt es sich hier auch nur darum, ob das Ministerium einen mit Majorität gefaßten Beschluß ausführen muß.
Abg Tamnau motivirt sein Amendement, welches lautet:
„Die Versammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. Aug. d. J. die Absicht gehabt, an die Befehlshaber der Armee einen ähnlichen E#ß #erbeizuführen, wie die Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem 15. Juli an die Regierungspräsidenten erlassen haben. Sie beabsichtigte nicht, die Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen Gesinnung zu nöthigen oder dem Kriegsminister das Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben. Sie erachtet aber einen derartigen Erlaß, in welchem die Offiziere der Armee vor reaktionären und republikanischen Bestrebungen gewarnt werden, im Interesse des staatsbürgerlichen Friedens und zur Förderung des neuen konstitutionellen Staatssystems für nothwendig.“
Kriegsminister v. Schreckenstein: Ich erkläre in meinem Namen, im Einverständnisse mit meinen Kollegen, daß ich mich mir dem Amendement Tamnau einverstanden erklare und bereit bin, den darin gewünschten Erlaß an die Armee in Ausführung zu bringen.
Abg. D'Ester: Die vorliegende Frage ist von zwei Seiten zu betrachten, von der personlichen und der sachlichen. Die persönliche Frage besteht darin, daß sie ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium in sich faßt. Deshalb müssen wir auch an dem Stein'schen Antrag festhalten, denn das Ministerium hat durch die Nichterfüllung dieses Antrags seine Pflicht verletzt. Wenn das Ministerium selbst heute erklärt, es wolle den Antrag zur Ausführung bringen, so hat es doch seine Pflicht verletzt, indem es Montag erklärte, den Antrag nicht ausführen zu wollen. Wir können uns nur für die Annahme des Antrags und gegen die beiden Amendements erklären, denn das Amendement des Abgeordneten Unruh spricht nur eine Pflichtverletzung des Ministeriums für die Zukunft aus, wenn es den heutigen Beschluß nicht ausführt. Das Amendement Tamnau wirft den ganzen am 9. August gefaßten Beschluß um. Das Ministerium hat erklärt, es müsse eine Trennung der Gewalten statt finden und daß diese Versammlung kein Recht zu solchen Beschlüssen habe. Das sind die Ansichten alter Montesquieu'scher Staatsweisheit, die durch unsere Staatsumwälzung umgeworfen sind. Niemand wird läugnen, daß wir in Folge einer großen Staatsumwälzung hier sind und etwas Neues schaffen sollen. Freiheit ist von allen Seiten hier in Anspruch genommen worden. Jeder sagt, die Freiheit ist in Gefahr, wenn meine Ansicht nicht durchgeht. Sie wissen, daß es eine Partei im Lande giebt, die kein Mittel vorübergehen läßt, um den alten Zustand wieder zurückzurufen. Viele Offiziere der Armee hängen dieser Partei an und wenn Sie sich weigern, einen Erlaß an diese Offiziere zu erlassen, so geben Sie der Reaktion bewußt oder unbewußt ihre Zustimmung.
Minister Milde: Ein vorgehender Redner hat die Debatte auf den wahren Punkt gebracht, nämlich dahin, ob die Versammlung der Konvent werden wolle oder nicht. Der Beschluß vom 9. Aug. übt in seiner Totalität einen Gewissenszwang aus. Das verehrte Mitglied hat nun gesagt, wir hätten unsere Pflicht verletzt, weil wir diesen Beschluß nicht ausgeführt Das Ministerium konnte nicht, wie Manche verlangt haben, einige Tage nach Fassung des in Rede stehenden Beschlusses gegen denselben remonstriren, sondern die Versammlung mußte dies selbst thun. Ja, meine Herren, wir stehen an einem sehr wichtigen Momente. Es wird sich heute entscheiden, welche Geschicke diesem Lande bestimmt sind, ob wir auf dem Wege des Konvents oder ob wir mit einem möglichen Königthum weiter gehen werden.
Abg. Parrisius beantragt den Schluß der Debatte: der Worte seien genug gewechselt; es handelt sich jetzt nur noch um eine That, die in der Abstimmung besteht. Die Versammlung möge zeigen, ob sie konsequent oder inkonsequent sein wolle.
Abg. Bauer von Berlin spricht gegen den Schluß, damit jeder Abgeordnete, wenn irgend möglich, seine Abstimmung in dieser hochwichtigen Angelegenheit motiviren könne. (Der Antrag auf Schluß wird verworfen).
Abg. Harassewitz, gegen den Stein'schen Antrag: Das was der Kriegsminister versprochen, sei kein Erlaß an die Armee. Wenn beide Theile sagen müßten, daß sie gefehlt, so müßten sie die dargebotene Hand annehmen und nicht auf dem starren Recht beharren. Zeigen Sie, schließt der Redner, dem Lande, daß ein versöhnender Geist hier waltet und daß Sie nur das Wohl des Landes vor Augen haben.
Abg. Behrends: Es ist keine Maaßlosigkeit, wenn man das Recht des Volkes bis auf das letzte Titelchen festhalte und keinen Schritt zurückweiche. Auf 2 Punkte will ich nur aufmerksam machen: erstens, auf das Verhältniß der Versammlung zum Volke und zweitens, auf das Verhältniß der Versammlung zur Armee. — Schon früher habe ich gefordert, die Versammlung möge die Anerkennung der Revolution aussprechen, um auf diese Weise die Revolution zu Ende zu führen, denn das Volk hat seinen Vertretern das Vertrauen geschenkt, daß sie dies thun würden. Es frage sich jetzt wieder, wer souverain sei, die Versammlung oder das Ministerium. Die gesammte Bürgerwehr hat heute eine Adresse an den Präsidenten überreicht, worin sie die Erwartung ausspricht, die Versammlung werde ihren früher gefaßten Beschluß aufrecht erhalten. — Er übergibt zugleich dem Präsidenten eine Menge anderer Adressen, welche sich in demselben Sinne, wie die der Bürgerwehr äußern. — Das Volk habe somit seine Ansicht deutlich ausgesprochen.
Nachdem noch einige Redner für und gegen den Antrag gesprochen wird endlich der Schluß der Debatte verlangt und angenommen.
Der Antragsteller Abg. Stein hielt noch eine ausgezeichnete Rede, worin er klar darlegte, daß es sich hier nur einzig und allein darum handele, ob die Versammlung consequent sein wolle und an ihrem Beschluß vom 9. August ohne alle Aenderung und Erläuterung festhalte und dessen unverzügliche Ausführung fordere. — Das Fortbestehen des jetzigen Ministeriums ist freilich dadurch unmöglich gemacht. —
Namentliche Abstimmung: Das Amendement Unruh wird mit 320 gegen 38 Stimmen und das Amendement Tamnau mit 210 gegen 156 Stimmen verworfen.
Der Steinsche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen angenommen.
Majoritat gegen das Ministerium 67 Stimmen.
* Berlin, 8. Sept. Wie sehr Freiligrath in seinem Gedicht: „Die Todten an die Lebenden“ Recht hat, das wird begreifen, wer sowohl dieses Gedicht als nachfolgende Stelle aus dem „Publicisten“ vergleichen will:
„Am Morgen des 19. März d. J., nach der verhängnißvollen Revolutions-Nacht, kehrte der Zeugschmiedegeselle Hellmann, mit zwei Infanterie-Gewehren versehen, in seine Wohnung zurück. Er war während des vorangegangenen Nachmittags und der Nacht an verschiedenen Punkten in der Stadt gewesen und hatte auf den Barrikaden mitgekämpft. Auf die ihm von seinen Hausgenossen gestellte Frage, wo er die Gewehre her habe, hatte er erklärt: „Die sind erobert.“ Wenige Tage darauf stand an den Straßenecken der Residenz eine obrigkeitliche Bekanntmachung, die die Rückgabe der in den Tagen des 18. und 19. März erbeuteten Waffen anempfahl. Er verkaufte die Gewehre für den Preis von 3 Thlr. Die Behörde erhielt hiervon Kenntniß, sie veranlaßte die Beschlagnahme beider Gewehre, und der Polizeianwalt erhob die Anklage gegen denselben wegen wissentlichen und widerrechtlichen Verkaufs fremden Eigenthums. Die Verhandlung fand bei dem Einzelrichter des K. Kriminalgerichts statt. Der Angeklagte wurde — da er sich nicht gestellt hatte, in contumacium des angeklagten Vergehens für schuldig befunden, und deßhalb zum Korkardenverlust, 6 Thlr. Geldstrafe, im Unvermögensfalle neuntägiger Strafarbeit verurtheilt.
61 Wien, 4. Sept. Das Ministerium hat es nicht gewagt, das Verbot des Trauerzugs zu den Gräbern der am 21. und 23. August gefallenen Arbeiter zur Ausführung zu bringen und der Zug hat deßhalb in der Weise des Ihnen überschickten Programms gestern Nachmittag stattgefunden. Ein großer Theil der Nationalgarde hat sich offiziell an dem Zuge betheiligt und sich bei dem Volke damit bedeutend wieder in integrum restituirt. Den pariser und rheinischen Bourgeois dürfte darüber wieder der Schrecken in die Beine fahren.
Der Reichstag hält heute keine Sitzung; der kudlich-lassersche Antrag und der Genuß all der vorgenommenen Amendements haben ihm Magenschmerz verursacht. Uebrigens kam es in der Sitzung vom 2. Sept. doch noch zur Abschaffung des Bier- und Branntweinzwangs und der dalmatinische Abgeordnete Iwichiewich erhob sich wider die von dem Reichstag ausgesprochene Feudal-Entschädigung durch den Staat aus dem Grunde, weil alle Feudalrechte in Dalmatien schon seit 1806 unter französischer Herrschaft verschwunden seien, von dieser Provinz nunmehr also auch keine Entschädigung für die Feudalherren anderer Provinzen verlangt werden könne.
(Siehe den Verfolg in der Beilage).
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