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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 93. Köln, 3. September 1848. Beilage.

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ihre Kandidatenliste durch die Namen: Martin van Büren und F. Adams vervollständigt. -- Die Nachricht von einem Aufstande auf Cuba hat sich jetzt als völlig ungegründet erwiesen.

Aus Pernambuco wird vom 26. Juli gemeldet, daß es dort zwischen Portugiesen und Brasiliern zu einem blutigen Konflikt gekommen, bei dem Viele der Ersteren getödtet wurden.

Belgien.
S Antwerpen, 31. August.

Die Verurtheilung der Angeklagten erregt in ganz Belgien die trauerigste Stimmung. Der Prozeß Risquons-Tout fing an mit einer Komödie und hört auf mit einem Drama. Die Reden des Prokurators Bavay waren das Komische in der Verhandlung; das Ja der Jury ist das Tragische. Wer hätte gedacht, daß hinter den komischen Scenen, die der Prokurator während 19 Tage theilweise aufführen ließ, theilweise selbst aufführte, der Henker mit seinem Beile lauerte. Wer hat nicht herzlich gelacht, als der Prokurator uns das Estaminet "Union" als das General-Quartier einer Verschwörung zeigte, deren Lenker in unsichtbarer Verbindung mit Risquons-Tout gestanden haben sollen? Wer hat nicht noch herzlicher gelacht, als der Prokurator dieser "Verschwörung" eine Wichtigkeit verleihen wollte, indem er Männer wie Ledru-Rollin und Causidiere in die Verschwörung hineinzog? Es fehlte weiter nichts, als eine "provisorische" Regierung zu dem vermeintlichen Complot; glücklicher Weise finden sich einige Namen mit Bleistift geschrieben, und diese Liste zeigt uns die Republik mit ihren Leitern schon fertig ausgearbeitet. Das war das beständige Thema des Prokurators, der von den Advokaten Faider, Picard und Gendebien auf's schmählichste verspottet wurde. Allgemein erwartete man, daß der Prokurator durch das Urtheil der Jury zum Gespött von ganz Belgien würde. Dem war nicht so. Die Geschworenen waren Figuranten, wahre Drahtpuppen, deren Bewegung unsichtbar durch die Hand des Prokurators geleitet wurde. Ihr Stillschweigen während der ganzen Verhandlung kam daher, daß sie kein Französisch zu sprechen verstanden, und als sie zum ersten Mal den Mund öffneten, um Ja zu sagen, wußten sie selbst nicht, daß dieses Ja ein Todesurtheil war.

Uebrigens war Herr Bavay, als bekannter Holländerfreund, im Jahre 1831 nahe daran, vor die Jury belangt zu werden in demselben Antwerpen, das Mellinet von Holländern gesäubert, und das jetzt unter Bavay's Anwaltschaft Mellinet verurtheilt.

Nachtrag.
Frankfurt, 1. Septbr.

In der heutigen 70. Sitzung der Reichsversammlung wurde durch eine von dem Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten gegebene Erklärung in Betreff der Limburger Frage eine mehrstündige Debatte herbeigeführt. Der Abg. Wernher hatte beantragt: Die Nationalversammlung wolle beschließen, daß die betreffenden Papiere auf den Tisch des Hauses niedergelegt werden sollen, und zugleich aussprechen, daß das Ministerium des Auswärtigen in dieser Sache nicht den Grad von Beflissenheit bewiesen habe, den es hätte beweisen sollen. Von dem Abg. Eisenmann war dagegen auf einfache Tagesordnung, von andern Mitgliedern auf motivirte Tagesordnung angetragen. Die einfache Tagesordnung wurde mit 213 gegen 197 Stimmen verworfen, dagegen der Antrag Stedtmann's angenommen: in Erwägung, daß die eingetretene Verzögerung des diplomatischen Verkehrs mit dem Auslande durch die gegebenen Erläuterungen des Ministeriums hinlänglich gerechtfertigt sei, zur motivirten Tagesordnung überzugehen.

Erwiderung.

Die Breslauer Zeitung läßt sich in Nro. 201 aus Berlin schreiben, Ritter Schnapphahnski habe eine Menge Aktien auf die "Neue Rheinische Zeitung" genommen und deshalb hätten die Feuilletons-Artikel über ihn aufgehört, weil eine Zeitung unmöglich gegen ihre eignen Aktionäre polemisiren könne. Die angeblich demokratische Düsseldorfer Zeitung hat sich gemüßigt gesehen diese Insinuation in ihre Spalten aufzunehmen. Mag in Berlin gefabelt werden was da will, eine Schlesische Zeit mußte wissen, daß diese Behauptung eine Lüge war und warum sie es war. Die perfide Insinuation kommt aber leider zu spät. Schon Nro. 92 der N. Rhn. Ztg., die längst vor Ankunft der Nro. 201 der Bresl. Ztg. ausgegeben wurde, enthält die Fortsetzung des besagten Feuilletons. Die Neue Rheinische Zeitung ist übrigens ein Parteiblatt und hat bereits hinlänglich den Beweis geliefert, daß sie nicht käuflich ist.

Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung.

Aufruf an alle freisinnigen Deutschen.

Brüder, Republikaner! Wir brauchen es Euch nicht zu sagen, denn Ihr wißt es, wie so viele redlich gesinnte Vorkämpfer der Freiheit, als Flüchtlinge im Exil weilen, und jetzt in Frankreich oder der Schweiz ein Asyl gesucht und gefunden haben; -- ein Asyl, das sie schützt vor der Anmaßung und den rohen Angriffen der Polizeigewalt in der Heimath. -- Ihr wißt es, wie jene edlen Jünglinge, jene edlen Männer entflammt von dem heiligsten, dem glühendsten Streben nach Freiheit, sich zusammengeschaart, und mit Hecker, dem hochherzigen Hecker, an der Spitze mit bewaffneter Hand, die Sklavenketten zu brechen versucht haben, -- jetzt aber ihr kühnes Unternehmen mit Verbannung büßen müssen. Das aber mögt Ihr nicht wissen, daß die meisten, ja fast alle diese Men'chen hier in Frankreich wie in der Schweiz ein elendes Leben fristen, unter einem schrecklichen Loose seufzen, unter dem Loose der tiefsten Armuth der grenzenlosesten Entblößung von Allem.

Baarfuß und mit Hadern bedeckt, irren sie auf den Landstraßen umher, oder liegen siech in den Spitälern krank und verkommen durch die erduldeten Entbehrungen und Strapazen. Arbeiten wollten sie gerne, wenn nur Beschäftigung zu finden wäre, -- die Zeitungen melden ja täglich neue Tumulte, von hungernden, arbeitslosen französischen Arbeitern.

Darum Ihr deutschen Männer und Freunde rufen wir Euch mahnend zu: "Wollt Ihr noch Anspruch machen, auf den Namen von Republikaner, wollt Ihr Euch noch wahre Patrioten nennen, so bethätigt Eure republikanische Gesinnung; hier ist Gelegenheit dazu!" Spart Euch ein Jeder ein Scherflein ab, und legt sie zusammen.

Unterstützt Eure auf fremder Erde herumirrenden Brüder; laßt diejenigen nicht verhungern, welche ihre Existenz für die gute Sache geopfert, ja ihr Leben für dieselbe eingesetzt haben! -- Noch einmal donnern wir es Euch in die Ohren und hoffen daß unsere Stimme einen Wiederhall in Euren Herzen finden werde: "Bethätigt Eure freie Gesinnung! Schnelle Hülfe ist doppelte Hülfe."

Straßburg, am 22. August 1848.

Das Unterstützungs-Komite für deutsche republikanische Flüchtlinge

Jansen. J. Albert. Heinkelmann. O. Dietz. Ph. Betz.

Die verehrl. Redaktionen freier Blätter werden gebeten, vorstehendem Aufrufe eine Stelle in ihren Spalten zu öffnen.

Briefe, Gelder und Kleidungsstücke wolle man unter obiger Adresse hierher an Gasthaus "zum rothen Männel" schicken.

Das Gesetz über die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatze des bei öffentlichen Aufläufen verursachten Schadens. Von M. Rittinghausen.

Das Ministerium Hansemann-Auerswald verirrt sich immer mehr in den alten Staat zurück, welchen die März-Revolution zu stürzen versucht hat. Ueberall taucht wieder das verderbliche Bestreben auf, Alles zu regeln und Alle für Alles verantwortlich machen zu wollen, was sich im Leben regt und bewegt. Einen unermeßlichen Schritt in dieser Richtung bildet auch der Gesetzvorschlag über die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatze des bei öffentlichen Aufläufen verursachten Schadens.

Es thut mir wirklich leid, daß die Gründe nicht veröffentlicht worden sind, welche das Ministerium veranlaßt haben, einen vor dem Rechtsgefühl so wenig haltbaren Gesetzentwurf auf das Büreau der Vereinbarer-Versammlung niederzulegen. Diese Gründe müssen jedenfalls ein Wunder polizeilicher Spitzfindigkeit sein. Da wir indessen noch nichts Näheres über sie erfahren, so ist es mir weit angenehmer, das Ministerium einer unvorsichtigen Nachahmung dessen zu zeihen, was sich in einem Nachbarstaate -- wenn auch in höchst zweifelhafter Geltung -- vorfindet.

Allerdings besteht eine gewisse Solidarität aller Mitglieder einer Gemeinde; aber diese Solidarität dahin ausdehnen wollen, daß die ganze Gemeinde für den aus dem tumultuarischen Handeln eines kleinen Haufens entstehenden Schaden verantwortlich sein soll: das heißt in der Uebertreibung doch etwas zu weit gehen; besonders wenn man bedenkt, daß in einer Emeute oft meistens nur fremde, der Gemeinde nicht angehorige Personen thätig gewesen sind. Warum soll der ruhige Kölner seinen Beutel ziehen, wenn einige hundert seiner Mitbürger ohne sein Zuthun, ohne sein Wissen, ja gegen seinen Wunsch irgendwo Scheiben eingeworfen oder Mobel zertrummert haben?! "Weil er den Tumult nicht verhindert hat!" sagt man; aber trifft denn die Entschädigung nicht auch Die, welche physisch nicht einmal im Stande waren, einer Emeute entgegenzutreten!? fällt sie nicht auch auf die Nicht-mitglieder der Bürgerwehr, auf die Kranken, Wittwen und Waisen zurück!? Man merke sich wohl, daß es der eigentliche Zweck des Gesetzes nicht ist, die unschuldigen Opfer der Volkswuth zu entschädigen: denn dann würde noch wohl vorher in jedem einzelnen Falle zu untersuchen sein, ob der Beschädigte nicht wirklich den Ausbruch des Volkszornes sich selbst zuzuschreiben habe. Und wie könnte man überhaupt z. B. einen reichen Unschuldigen auf Kosten armer Unschuldiger, d. h. auf Kosten aller armen Gemeindeglieder entschädigen wollen!? Das Gesetz hat blos einen politischen Zweck und wo die Politik des alten regime anfängt, da hört jede Gerechtigkeit auf. Liegt es in der Macht der Bürgerwehr, so möchte ich fragen, eine Emeute nicht allein zu unterdrücken, sondern ihr sogar, wie das Gesetz verlangt, zuvorzukommen!?

Eine schöne Gerechtigkeit, die! welche von dem Bürger verlangt, bei der ersten Nachricht von dem Angriffe auf ein Gebäude oder auf Personen -- sein Geschäft vernachlässigend -- zu den Waffen zu stürzen, die Ruhe wiederherzustellen, und die dann noch obendrein -- trotz seiner Bereitwilligkeit, sich dem allgemeinen Wohle zu opfern --, von ihm Ersatz des Schadens fordert, der vor seiner Ankunft an dem Orte des Tumultes oder auch wahrend des Einschreitens verursacht worden ist; des Schadens welchen er verhindert hat, bedeutender zu werden. Sonderbare Belohnung einer guten That! Der Wehrmann hat seine Pflicht gethan, und er muß bußen für böse Handlungen, denen er ein Ende gemacht hat! Dem Beschädigten, der vielleicht die Schuld des Unglücks dadurch trägt, daß er sich durch niederträchtige Handlungen den Haß des Volkes zugezogen: ihm hat er einen Theil seiner Habe gerettet, und zum Danke dafür soll er ihm auch noch den verlorenen Theil zuruckgeben!

Hätte man die Entschädigungspflicht der Gemeinden nur für den Fall festgestellt, wo die Bürgerwehr die Einschreitung verweigert oder unterläßt: so würde die Bestimmung des Gesetzvorschlages zwar eine unglückliche, aber doch eine begreifliche sein. Eine unglückliche sage ich, weil die Emeute der Art sein kann, daß -- wie bei der März-Revolution -- kein Einschreiten der Bürgerwehr erwartet werden darf, indem sie selbst unzufrieden mit der Regierung ist; weil endlich der Aufruhr die Folge falscher Staatsmaßregeln, der unvernünftigen Aufführung oder gar des Aufhetzens schlechter Beamten sein kann. In solchen Fallen wäre es eigentlich der Staat, der als Hervorrufer oder Anstifter der Emeute für den daraus entspringenden Schaden verantwortlich sein müßte; aber gewiß nicht die Gemeinde. Die Aufruhrer sind dann als Staatsbürger, nicht als Gemeindebürger aufgestanden.

Unter zehn Fällen, die vorkommen werden, wird vielleicht nur ein einziger sein, in welchem die Gemeinde (mithin auch die Bürgerwehr), den verursachten Schaden nach strengen Rechtsbegriffen zu tragen haben würde; und deshalb ist es auch eine schreiende Ungerechtigkeit, ihr denselben immer und ohne Ausnahme aufbürden zu wollen.

Aber noch mehr. Das Ministerium der That ist zu energisch, um auf halbem Wege stehen zu bleiben.

Nach dem §. 1. des Gesetzentwurfs hat die Gemeinde auch für die Beschädigungen des Eigenthums oder der Personen zu haften, die durch die "Anwendung gesetzlicher, zur Zerstreuung der Menge getroffener Maßregeln" verursacht werden.

Das würde wirklicher Machiavelismus sein! Das Gesetz des Staates zwingt den Bürgerwehrmann, seine Flinte zu gebrauchen, im Nothfalle seine Kanonen gegen Gebäude und Straßen spielen zu lassen: und dann soll er schließlich Alles bezahlen; er soll seine Börse verbluten lassen, wie er seinen Körper hat verbluten lassen; er soll vielleicht mit der wenig angenehmen Aussicht fallen, daß seine Wittwe für die Schüsse ausgepfändet werden kann die er für das öffentliche Wohl abgefeuert hat.

So weit ging das lächerliche Gesetz nicht, welches die furchtbare französische Revolution gebar, um zu terrorisiren; jenes Gesetz, das aus einer Versammlung kam, die auch alle "Gleichgültigen" und alle die als "verdachtig" einsperren ließ, welche über den "Druck der Zeit" zu klagen wagten.

Und doch scheint das französische Gesetz, das in Frankreich in den letzten fünfzig Jahren nie ausgeführt worden, das gleich nach der Rückkehr besserer Jahre von selbst in Vergessenheit fiel, das thatsächlich abgeschafft ist, und nur durch die Spitzfindigkeit einiger Richter vor 14 Jahren in Brüssel eine berüchtigte Anwendung fand, -- und doch scheint dieses Gesetz dem preußischen zur Richtschnur gedient zu haben. Nur haben die Schüler noch die Lehrmeister übertroffen! Unsere Gemeinden sollen verbunden sein, auch für alle vorgekommenen persönlichen Verletzungen Schadenersatz zu leisten. Dies allen Neugierigen zur Nachricht, die sich eine Verwundung in einem Tumulte holen. Ob auch für alle Wunden der Bürgerwehr, des Militärs und der Polizei "Entschädigung" gezahlt werden muß, darüber beobachtet das Gesetz ein ziemlich beunruhigendes Schweigen. Eine Ausnahme wird man doch nicht bei ihnen machen wollen; will man es aber nicht, so wäre es gut gewesen, dies bei der eigenthümlichen Stellung klar und deutlich auszusprechen. Der Vorfall in Schweidnitz beweist, daß dies nicht überflüssig ist.

Glaubt das Ministerium etwa, sein Gesetz würde ein Sporn für Bürgerwehr sein, bei Aufständen oder Aufläufen nachdrücklicher aufzutreten, als es jetzt hier oder dort geschehen ist?! Ich bezweifle es, da es im Interesse der Bürgerwehr liegen würde, in den meisten Gelegenheiten gerade das Gegentheil zu thun. Wirft man irgendwo einige Scheiben ein, und die Bürgerwehr sieht das Gewehr im Arm ruhig zu: gut! so wird die Gemeinde zahlen müssen, aber nicht viel. Schreitet die Bürgerwehr dagegen ein, und verwundet einige Personen oder veranlaßt gar ein Gefecht: nun, dann wird die Stadt nicht so leichten Kaufs davonkommen. Besonders wird man sich hüten mussen, schreiende und tobende Banden zu zerstreuen; man konnte sie dadurch reizen, ihre Ausgelassenheit an einigen Gegenständen oder Personen zu erproben, und die Stadt, d. h. wir Alle, müßten dann "entschädigen," die gestrengen Ruhestifter nicht einmal ausgenommen.

Wie gefahrdrohend, wie ungerecht das Gesetz für die Gemeinden ist, möge folgendes Beispiel zeigen, das einzige, welches bekannt ist. Im Jahre 1834 sollten in Brüssel die Pferde des Prinzen von Oranien auf Verlangen des belgischen Staates verkauft werden. Einige pflichtvergessene Belgier ließen eine Beitragsliste umlaufen, aus deren Ertrage man die Pferde zu einem Geschenke für den Prinzen, der mit Belgien noch im Kriege *) begriffen war, wieder ankaufen wollte. Das Ganze schien dem Volke, und wohl nicht mit Unrecht, stark nach Landesverrätherei zu riechen, und gewisse Umtriebe des Ministeriums Lebeau, sagt man, thaten das Uebrige. Der Pöbel zerstorte einige zwanzig Hotels der Orangisten, ohne daß Militär und Bürgergarde einschreiten wollten. In Folge dieser Begebenheit wurde, auf den Antrieb der sehr einflußreichen Beschadigten, die Stadt Brüssel, welche jene Auftritte weder hervorgerufen, noch hatte verhindern können, zum Schadenersatze verurtheilt, wahrend der Assisenhof die Tumultuanten freisprach. Der Schadenersatz belief sich auf viele Millionen, die nur dadurch aufzutreiben waren, daß die Stadt alle ihre Sammlungen an das Land verkaufte. Wäre Brüssel aber nicht zufällig Hauptstadt gewesen, so würde eine solche Operation, ein solcher Scheinverkauf nicht möglich gewesen sein. Durch denselben wollte der Staat seine Mißbilligung des von den Gerichtshofen angewandten, veralteten französischen Gesetzes ausdrücken. Er gab sein Geld hin, ohne daß Brüssel seine Sammlungen faktisch verlor; ja die Stadt hat sogar noch den Vortheil, die Unterhaltungskosten nicht mehr beschaffen zu müssen. Dagegen wende man das Gesetz -- besonders das weit scharfere preußische -- in einem ahnlichen Falle auf Köln oder eine Provinzialstadt an; man wende es auf eine arme Landgemeinde des Bergischen an, in welcher eine Riesenfabrik durch einen Arbeiterhaufen zerstört ist: und man wird diese Gemeinde vielleicht für ein Jahrhundert zerrüttet haben. Aber warum habt ihr auch eine Bürgergarde verlangt! "Was, Teufel! macht ihr auch auf dieser verfluchten Galeere!" wie Moliere scherzend niederschrieb.

Es ist vor Allem die heilige Pflicht der Gemeindebehörden, den Gesetzentwurf im Interesse der von ihnen verwalteten Bürgerschaft genau zu prüfen, und dann auf seine Zurücknahme oder Verwerfung dringend anzutragen.

Handels-Nachrichten. [irrelevantes Material]
[Gerichtsprotokoll]
Kriminal-Prozedur gegen Ferdinand Lassalle wegen Verleitung zum Cassetten-Diebstahl.

(Fortsetzung.)

Zeuge. J. B. Collin, 48 Jahre alt, Weinhändler zu Aachen. Der Kaptain Carter, welcher in meinem Hause wohnt, hatte mir gesagt der Graf Hatzfeld sei auf seinem Gute Champier seines Lebens nicht mehr sicher und daher gesonnen, in meinem Hause Quartier zu nehmen. An demselben Tage, an welchem C. dies Abends mir mittheilte, war Morgens Lassalle bei uns gewesen, um ein Quartier zu miethen; meine Frau hatte aber noch nicht zugesagt, und als nun folgenden Tags der Graf Hatzfeld mit seinen Effekten bei uns anfuhr, erschien auch Lassalle um den Miethvertrag abzuschließen. Meine Frau erklärte jedoch, daß das Quartier bereits vermiethet sei, worauf Lassalle heftig wurde; er blieb in der Nähe der Effekten des Grafen stehen und besah dieselben genau und aufmerksam. -- Am folgenden Tage erschien Lassalle vor meiner Wohnung und verlangte beim Grafen gemeldet zu werden; er wurde aber abgewiesen, ein Brief von ihm an den Grafen nicht angenommen. -- Graf Kaiserlingk, die Gräfin Hatzfeld und der Pfarrer von Calkum kamen auch einmal in mein Haus und verlangten zum Grafen; sie wurden indessen nicht vorgelassen. Lassalles Diener, Hoppe, ist zweimal an meinem Hause gewesen, das erste Mal brachte er den vorerwähnten Brief von Lassalle.

Präsid. Angekl., welchen Zweck hatten Sie, in demselben Hause mit dem Grafen Hatzfeld miethen zu wollen?

Angekl. Ich bitte den Zeuge zu fragen, es geht übrigens aus seiner Erzählung auch hervor, ob nicht, als ich bei ihm miethen wollte, der Graf weder bei ihm wohnte noch gemiethet hatte?

Zeuge bestätigt dies.

Frau Collin, 37 Jahre alt, erzählt den Vorfall in derselben Weise wie der vorige Zeuge. Dann setzt sie hinzu, es sei einmal ein Mädchen mit geöffneten Austern an ihr Haus gekommen und habe dieselbe für den Grafen Hatzfeld übergeben wollen; sie seien von Hungs geschickt. Sie haben die Austern ohne weiteres zurückgeschickt, weil sie gefürchtet, daß sie vergiftet gewesen.

Präsid. Also als der Angekl. das zweite Mal zu Ihnen kam, um zu miethen, da brachte man gerade Effekten des Grafen Hatzfeld?

Zeugin. Ja.

Präsid. Und der Angekl. blieb stehen und sah sie auffällig an, so daß es Ihnen verdächtig vorkam?

Zeugin Ja. als die Sachen aus der Droschke gebracht wurden hatte ich ihm bereits gesagt, daß er die Zimmer nicht haben konne, und da stand er noch einige Augenblicke wie in Gedanken vertieft und sah unverwandt auf die Effekten.

Präsid. Es kam Ihnen dies so verdächtig vor, daß Sie aus Furcht er könne etwas wegnehmen, im Hause stehen blieben bis er weggegangen war.

Zeugin. Nein.

Präsid. Nun blieben Sie denn nicht stehen, bis er fortgegangen war?

Zeugin. Ja wohl.

Präsid. Nun warum denn das?

Zeugin. Aus Anstand und Höflichkeit.

Präsid. In Ihrer Vernehmung haben Sie gesagt, Sie wären stehen geblieben, damit er nichts fortnehmen möge. -- Angekl. zu welchem Zwecke haben Sie jene Effekten betrachtet in auffälliger Weise?

Angekl. Ich bitte die Zeugin zu fragen ob nicht der junge Sturz aus Aachen mich damals begleitete.

Zeugin. Ja ich glaube wohl.

Präsid. Nun aber, Angekl., Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, warum Sie jene Sachen angesehen, so daß es der Zeugin aufgefallen ist.

Angekl. Sollte die Zeugin nicht phantasirt haben?

Thomas Carter, 58 Jahre alt, Kapitän a. D. Da der Zeuge der deutschen Sprache nicht mächtig ist, wird seine Aussage durch den als Dolmetscher vereideten Adv.-Anw. Rheinstein verdeutscht. Im Juli 1846 kam der Graf Hatzfeld nach Aachen und bezog das Gut Champier, am Louisberge gelegen. Der Graf war indessen kaum einige Tage dort, als er mir anzeigen ließ, daß er nicht, wie er versprochen, zu Mittag bei mir erscheinen könne. Am folgenden Morgen ritt ich zu ihm hinaus und hier gab er mir als Grund seines Ausbleibens an, daß er von seiner Frau belästigt werde. Ich bemerkte ihm hierauf, daß er vor seiner Frau nur dann Ruhe haben werde, wenn er zu mir ziehe, worauf der Graf denn auch einging. Ich miethete nun von Collin das Quartier für meine Rechnung und der Graf zog zu mir. Seine Frau hatte ihm schriftlich angezeigt, daß der Pfarrer von Calcum an einem bestimmten Tage nach Aachen kommen werde, um eine Versöhnung zwischen ihnen zu Stande zu bringen. Der Pfarrer erschien indeß an diesem Tage nicht, kam jedoch einige Tage später und überbrachte dem Grafen einen Brief der Gräfin, den er nicht angenommen hatte. Der Pfarrer machte ihm Vorwürfe, daß er, der Graf, die Versöhnung, die er bereits versprochen, nun wieder brechen wolle. Der Graf erwiederte ihm, daß er von keiner Versöhnung etwas wisse noch wissen wolle. Am Nachmittag desselben Tages erschien die Gräfin mit dem Grafen Keiserlingk und dem Pfarrer Bochum vor meiner Wohnung. Ich hatte sie auf der Straße kommen gesehen und frug den Grafen, ob man die Gräfin einlassen solle. Der Graf verbot dies streng, er wolle sie nicht sehen. Deshalb begab ich mich an die Hausthür und als die Gräfin eintreten wollte, sagte ich ihr zuerst, der Graf sei nicht zu Hause. Die Gräfin erwiederte: das ist unwahr, ich habe ihn eben durch das Fenster gesehen. Hierauf erwiederte ich: "wenn er auch zu Hause ist, Sie werden nie zu ihm gelassen werden, Madame." Die Gräfin sagte dagegen: "Er ist mein rechtmäßiger Gatte und Sie haben kein Recht, mich zu hindern, meinen Gatten zu sehen, ich muß ihn sprechen." Mit diesen Worten wollte sie an mir vorbeieilen; da trat ich ihr entgegen und drängte sie mit vorgehaltenem Stocke zurück. (Der Zeuge macht dabei die Pantomime eines horizontal entgegengehaltenen Stockes; als der Dollmetscher die Worte übersetzt hat, durchläuft ein Gemurmel des Unwillens das Publikum. Dem Präsidenten entfährt ein: So?!) Die Gräfin war hierüber sehr entrüstet und zog sich zurück mit den Worten: ich werde Sie durch meine Leute bestrafen lassen! Nachher machte Graf Keiserlingk noch einen Versuch vorgelassen zu werden, indem er mir sagte, es handle sich um eine Ehrensache. Ich antwortete ihm jedoch, es werde das auch morgen Zeit haben. Keiserlingk ging darauf weg. Ich besuchte ihn, nachdem ich Rücksprache mit dem Grafen genommen und sagte ihm, wenn es eine Ehrensache sei, so möge er sie ihm mittheilen. Graf Keiserlingk antwortete jedoch, er habe mit diesem Ausdruck nur gemeint, daß seine Ehre es nicht dulde, die Gräfin in seiner Begleitung beleidigen zu lassen; er habe die Zusammenkunft mit dem Grafen gewollt der Versöhnung wegen, die der Graf ja versprochen habe etc. -- Der Diener Lassalle's brachte einmal einen Brief an den Grafen; ich wies ihn zurück, da er ihn aber mit Gewalt aufdringen wollte, warf ich ihn mit Gewalt zurück. -- Nach dem Kassettendiebstahl, als ich von dem Pollmannschen Briefe gehört hatte, der im Ueberziehen Mendelsohns gefunden worden war, ging ich zur Polizei in Aachen, um sie zu veranlassen, Lassalle, Mendelsohn und Oppenheim, so wie die Gräfin zu beobachten. Der Graf war damals krank und ich hielt es für meine Pflicht, meinen Gast vor Verfolgungen zu schützen.

Angekl. Ich bitte den Zeugen zu fragen, ob er sich nicht erinnert, daß Pastor Bochum an jenem Vormittage, wo er den Grafen bei Carter besucht, ihm den Vorwurf gemacht habe, daß er das in seiner eigenen Gegenwart gegebene Wort brechen wolle.

Z. Der Graf hat dies allerdings gesagt, er hat aber zugleich entgegnet, er wisse nichts davon.

(Fortsetzung folgt.)

*) Es bestand ein bloßer Waffenstillstand. Anm. d. Verf.

ihre Kandidatenliste durch die Namen: Martin van Büren und F. Adams vervollständigt. — Die Nachricht von einem Aufstande auf Cuba hat sich jetzt als völlig ungegründet erwiesen.

Aus Pernambuco wird vom 26. Juli gemeldet, daß es dort zwischen Portugiesen und Brasiliern zu einem blutigen Konflikt gekommen, bei dem Viele der Ersteren getödtet wurden.

Belgien.
S Antwerpen, 31. August.

Die Verurtheilung der Angeklagten erregt in ganz Belgien die trauerigste Stimmung. Der Prozeß Risquons-Tout fing an mit einer Komödie und hört auf mit einem Drama. Die Reden des Prokurators Bavay waren das Komische in der Verhandlung; das Ja der Jury ist das Tragische. Wer hätte gedacht, daß hinter den komischen Scenen, die der Prokurator während 19 Tage theilweise aufführen ließ, theilweise selbst aufführte, der Henker mit seinem Beile lauerte. Wer hat nicht herzlich gelacht, als der Prokurator uns das Estaminet „Union“ als das General-Quartier einer Verschwörung zeigte, deren Lenker in unsichtbarer Verbindung mit Risquons-Tout gestanden haben sollen? Wer hat nicht noch herzlicher gelacht, als der Prokurator dieser „Verschwörung“ eine Wichtigkeit verleihen wollte, indem er Männer wie Ledru-Rollin und Causidière in die Verschwörung hineinzog? Es fehlte weiter nichts, als eine „provisorische“ Regierung zu dem vermeintlichen Complot; glücklicher Weise finden sich einige Namen mit Bleistift geschrieben, und diese Liste zeigt uns die Republik mit ihren Leitern schon fertig ausgearbeitet. Das war das beständige Thema des Prokurators, der von den Advokaten Faider, Picard und Gendebien auf's schmählichste verspottet wurde. Allgemein erwartete man, daß der Prokurator durch das Urtheil der Jury zum Gespött von ganz Belgien würde. Dem war nicht so. Die Geschworenen waren Figuranten, wahre Drahtpuppen, deren Bewegung unsichtbar durch die Hand des Prokurators geleitet wurde. Ihr Stillschweigen während der ganzen Verhandlung kam daher, daß sie kein Französisch zu sprechen verstanden, und als sie zum ersten Mal den Mund öffneten, um Ja zu sagen, wußten sie selbst nicht, daß dieses Ja ein Todesurtheil war.

Uebrigens war Herr Bavay, als bekannter Holländerfreund, im Jahre 1831 nahe daran, vor die Jury belangt zu werden in demselben Antwerpen, das Mellinet von Holländern gesäubert, und das jetzt unter Bavay's Anwaltschaft Mellinet verurtheilt.

Nachtrag.
Frankfurt, 1. Septbr.

In der heutigen 70. Sitzung der Reichsversammlung wurde durch eine von dem Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten gegebene Erklärung in Betreff der Limburger Frage eine mehrstündige Debatte herbeigeführt. Der Abg. Wernher hatte beantragt: Die Nationalversammlung wolle beschließen, daß die betreffenden Papiere auf den Tisch des Hauses niedergelegt werden sollen, und zugleich aussprechen, daß das Ministerium des Auswärtigen in dieser Sache nicht den Grad von Beflissenheit bewiesen habe, den es hätte beweisen sollen. Von dem Abg. Eisenmann war dagegen auf einfache Tagesordnung, von andern Mitgliedern auf motivirte Tagesordnung angetragen. Die einfache Tagesordnung wurde mit 213 gegen 197 Stimmen verworfen, dagegen der Antrag Stedtmann's angenommen: in Erwägung, daß die eingetretene Verzögerung des diplomatischen Verkehrs mit dem Auslande durch die gegebenen Erläuterungen des Ministeriums hinlänglich gerechtfertigt sei, zur motivirten Tagesordnung überzugehen.

Erwiderung.

Die Breslauer Zeitung läßt sich in Nro. 201 aus Berlin schreiben, Ritter Schnapphahnski habe eine Menge Aktien auf die „Neue Rheinische Zeitung“ genommen und deshalb hätten die Feuilletons-Artikel über ihn aufgehört, weil eine Zeitung unmöglich gegen ihre eignen Aktionäre polemisiren könne. Die angeblich demokratische Düsseldorfer Zeitung hat sich gemüßigt gesehen diese Insinuation in ihre Spalten aufzunehmen. Mag in Berlin gefabelt werden was da will, eine Schlesische Zeit mußte wissen, daß diese Behauptung eine Lüge war und warum sie es war. Die perfide Insinuation kommt aber leider zu spät. Schon Nro. 92 der N. Rhn. Ztg., die längst vor Ankunft der Nro. 201 der Bresl. Ztg. ausgegeben wurde, enthält die Fortsetzung des besagten Feuilletons. Die Neue Rheinische Zeitung ist übrigens ein Parteiblatt und hat bereits hinlänglich den Beweis geliefert, daß sie nicht käuflich ist.

Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung.

Aufruf an alle freisinnigen Deutschen.

Brüder, Republikaner! Wir brauchen es Euch nicht zu sagen, denn Ihr wißt es, wie so viele redlich gesinnte Vorkämpfer der Freiheit, als Flüchtlinge im Exil weilen, und jetzt in Frankreich oder der Schweiz ein Asyl gesucht und gefunden haben; — ein Asyl, das sie schützt vor der Anmaßung und den rohen Angriffen der Polizeigewalt in der Heimath. — Ihr wißt es, wie jene edlen Jünglinge, jene edlen Männer entflammt von dem heiligsten, dem glühendsten Streben nach Freiheit, sich zusammengeschaart, und mit Hecker, dem hochherzigen Hecker, an der Spitze mit bewaffneter Hand, die Sklavenketten zu brechen versucht haben, — jetzt aber ihr kühnes Unternehmen mit Verbannung büßen müssen. Das aber mögt Ihr nicht wissen, daß die meisten, ja fast alle diese Men'chen hier in Frankreich wie in der Schweiz ein elendes Leben fristen, unter einem schrecklichen Loose seufzen, unter dem Loose der tiefsten Armuth der grenzenlosesten Entblößung von Allem.

Baarfuß und mit Hadern bedeckt, irren sie auf den Landstraßen umher, oder liegen siech in den Spitälern krank und verkommen durch die erduldeten Entbehrungen und Strapazen. Arbeiten wollten sie gerne, wenn nur Beschäftigung zu finden wäre, — die Zeitungen melden ja täglich neue Tumulte, von hungernden, arbeitslosen französischen Arbeitern.

Darum Ihr deutschen Männer und Freunde rufen wir Euch mahnend zu: „Wollt Ihr noch Anspruch machen, auf den Namen von Republikaner, wollt Ihr Euch noch wahre Patrioten nennen, so bethätigt Eure republikanische Gesinnung; hier ist Gelegenheit dazu!“ Spart Euch ein Jeder ein Scherflein ab, und legt sie zusammen.

Unterstützt Eure auf fremder Erde herumirrenden Brüder; laßt diejenigen nicht verhungern, welche ihre Existenz für die gute Sache geopfert, ja ihr Leben für dieselbe eingesetzt haben! — Noch einmal donnern wir es Euch in die Ohren und hoffen daß unsere Stimme einen Wiederhall in Euren Herzen finden werde: „Bethätigt Eure freie Gesinnung! Schnelle Hülfe ist doppelte Hülfe.“

Straßburg, am 22. August 1848.

Das Unterstützungs-Komite für deutsche republikanische Flüchtlinge

Jansen. J. Albert. Heinkelmann. O. Dietz. Ph. Betz.

Die verehrl. Redaktionen freier Blätter werden gebeten, vorstehendem Aufrufe eine Stelle in ihren Spalten zu öffnen.

Briefe, Gelder und Kleidungsstücke wolle man unter obiger Adresse hierher an Gasthaus „zum rothen Männel“ schicken.

Das Gesetz über die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatze des bei öffentlichen Aufläufen verursachten Schadens. Von M. Rittinghausen.

Das Ministerium Hansemann-Auerswald verirrt sich immer mehr in den alten Staat zurück, welchen die März-Revolution zu stürzen versucht hat. Ueberall taucht wieder das verderbliche Bestreben auf, Alles zu regeln und Alle für Alles verantwortlich machen zu wollen, was sich im Leben regt und bewegt. Einen unermeßlichen Schritt in dieser Richtung bildet auch der Gesetzvorschlag über die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatze des bei öffentlichen Aufläufen verursachten Schadens.

Es thut mir wirklich leid, daß die Gründe nicht veröffentlicht worden sind, welche das Ministerium veranlaßt haben, einen vor dem Rechtsgefühl so wenig haltbaren Gesetzentwurf auf das Büreau der Vereinbarer-Versammlung niederzulegen. Diese Gründe müssen jedenfalls ein Wunder polizeilicher Spitzfindigkeit sein. Da wir indessen noch nichts Näheres über sie erfahren, so ist es mir weit angenehmer, das Ministerium einer unvorsichtigen Nachahmung dessen zu zeihen, was sich in einem Nachbarstaate — wenn auch in höchst zweifelhafter Geltung — vorfindet.

Allerdings besteht eine gewisse Solidarität aller Mitglieder einer Gemeinde; aber diese Solidarität dahin ausdehnen wollen, daß die ganze Gemeinde für den aus dem tumultuarischen Handeln eines kleinen Haufens entstehenden Schaden verantwortlich sein soll: das heißt in der Uebertreibung doch etwas zu weit gehen; besonders wenn man bedenkt, daß in einer Emeute oft meistens nur fremde, der Gemeinde nicht angehorige Personen thätig gewesen sind. Warum soll der ruhige Kölner seinen Beutel ziehen, wenn einige hundert seiner Mitbürger ohne sein Zuthun, ohne sein Wissen, ja gegen seinen Wunsch irgendwo Scheiben eingeworfen oder Mobel zertrummert haben?! „Weil er den Tumult nicht verhindert hat!“ sagt man; aber trifft denn die Entschädigung nicht auch Die, welche physisch nicht einmal im Stande waren, einer Emeute entgegenzutreten!? fällt sie nicht auch auf die Nicht-mitglieder der Bürgerwehr, auf die Kranken, Wittwen und Waisen zurück!? Man merke sich wohl, daß es der eigentliche Zweck des Gesetzes nicht ist, die unschuldigen Opfer der Volkswuth zu entschädigen: denn dann würde noch wohl vorher in jedem einzelnen Falle zu untersuchen sein, ob der Beschädigte nicht wirklich den Ausbruch des Volkszornes sich selbst zuzuschreiben habe. Und wie könnte man überhaupt z. B. einen reichen Unschuldigen auf Kosten armer Unschuldiger, d. h. auf Kosten aller armen Gemeindeglieder entschädigen wollen!? Das Gesetz hat blos einen politischen Zweck und wo die Politik des alten régime anfängt, da hört jede Gerechtigkeit auf. Liegt es in der Macht der Bürgerwehr, so möchte ich fragen, eine Emeute nicht allein zu unterdrücken, sondern ihr sogar, wie das Gesetz verlangt, zuvorzukommen!?

Eine schöne Gerechtigkeit, die! welche von dem Bürger verlangt, bei der ersten Nachricht von dem Angriffe auf ein Gebäude oder auf Personen — sein Geschäft vernachlässigend — zu den Waffen zu stürzen, die Ruhe wiederherzustellen, und die dann noch obendrein — trotz seiner Bereitwilligkeit, sich dem allgemeinen Wohle zu opfern —, von ihm Ersatz des Schadens fordert, der vor seiner Ankunft an dem Orte des Tumultes oder auch wahrend des Einschreitens verursacht worden ist; des Schadens welchen er verhindert hat, bedeutender zu werden. Sonderbare Belohnung einer guten That! Der Wehrmann hat seine Pflicht gethan, und er muß bußen für böse Handlungen, denen er ein Ende gemacht hat! Dem Beschädigten, der vielleicht die Schuld des Unglücks dadurch trägt, daß er sich durch niederträchtige Handlungen den Haß des Volkes zugezogen: ihm hat er einen Theil seiner Habe gerettet, und zum Danke dafür soll er ihm auch noch den verlorenen Theil zuruckgeben!

Hätte man die Entschädigungspflicht der Gemeinden nur für den Fall festgestellt, wo die Bürgerwehr die Einschreitung verweigert oder unterläßt: so würde die Bestimmung des Gesetzvorschlages zwar eine unglückliche, aber doch eine begreifliche sein. Eine unglückliche sage ich, weil die Emeute der Art sein kann, daß — wie bei der März-Revolution — kein Einschreiten der Bürgerwehr erwartet werden darf, indem sie selbst unzufrieden mit der Regierung ist; weil endlich der Aufruhr die Folge falscher Staatsmaßregeln, der unvernünftigen Aufführung oder gar des Aufhetzens schlechter Beamten sein kann. In solchen Fallen wäre es eigentlich der Staat, der als Hervorrufer oder Anstifter der Emeute für den daraus entspringenden Schaden verantwortlich sein müßte; aber gewiß nicht die Gemeinde. Die Aufruhrer sind dann als Staatsbürger, nicht als Gemeindebürger aufgestanden.

Unter zehn Fällen, die vorkommen werden, wird vielleicht nur ein einziger sein, in welchem die Gemeinde (mithin auch die Bürgerwehr), den verursachten Schaden nach strengen Rechtsbegriffen zu tragen haben würde; und deshalb ist es auch eine schreiende Ungerechtigkeit, ihr denselben immer und ohne Ausnahme aufbürden zu wollen.

Aber noch mehr. Das Ministerium der That ist zu energisch, um auf halbem Wege stehen zu bleiben.

Nach dem §. 1. des Gesetzentwurfs hat die Gemeinde auch für die Beschädigungen des Eigenthums oder der Personen zu haften, die durch die „Anwendung gesetzlicher, zur Zerstreuung der Menge getroffener Maßregeln“ verursacht werden.

Das würde wirklicher Machiavelismus sein! Das Gesetz des Staates zwingt den Bürgerwehrmann, seine Flinte zu gebrauchen, im Nothfalle seine Kanonen gegen Gebäude und Straßen spielen zu lassen: und dann soll er schließlich Alles bezahlen; er soll seine Börse verbluten lassen, wie er seinen Körper hat verbluten lassen; er soll vielleicht mit der wenig angenehmen Aussicht fallen, daß seine Wittwe für die Schüsse ausgepfändet werden kann die er für das öffentliche Wohl abgefeuert hat.

So weit ging das lächerliche Gesetz nicht, welches die furchtbare französische Revolution gebar, um zu terrorisiren; jenes Gesetz, das aus einer Versammlung kam, die auch alle „Gleichgültigen“ und alle die als „verdachtig“ einsperren ließ, welche über den „Druck der Zeit“ zu klagen wagten.

Und doch scheint das französische Gesetz, das in Frankreich in den letzten fünfzig Jahren nie ausgeführt worden, das gleich nach der Rückkehr besserer Jahre von selbst in Vergessenheit fiel, das thatsächlich abgeschafft ist, und nur durch die Spitzfindigkeit einiger Richter vor 14 Jahren in Brüssel eine berüchtigte Anwendung fand, — und doch scheint dieses Gesetz dem preußischen zur Richtschnur gedient zu haben. Nur haben die Schüler noch die Lehrmeister übertroffen! Unsere Gemeinden sollen verbunden sein, auch für alle vorgekommenen persönlichen Verletzungen Schadenersatz zu leisten. Dies allen Neugierigen zur Nachricht, die sich eine Verwundung in einem Tumulte holen. Ob auch für alle Wunden der Bürgerwehr, des Militärs und der Polizei „Entschädigung“ gezahlt werden muß, darüber beobachtet das Gesetz ein ziemlich beunruhigendes Schweigen. Eine Ausnahme wird man doch nicht bei ihnen machen wollen; will man es aber nicht, so wäre es gut gewesen, dies bei der eigenthümlichen Stellung klar und deutlich auszusprechen. Der Vorfall in Schweidnitz beweist, daß dies nicht überflüssig ist.

Glaubt das Ministerium etwa, sein Gesetz würde ein Sporn für Bürgerwehr sein, bei Aufständen oder Aufläufen nachdrücklicher aufzutreten, als es jetzt hier oder dort geschehen ist?! Ich bezweifle es, da es im Interesse der Bürgerwehr liegen würde, in den meisten Gelegenheiten gerade das Gegentheil zu thun. Wirft man irgendwo einige Scheiben ein, und die Bürgerwehr sieht das Gewehr im Arm ruhig zu: gut! so wird die Gemeinde zahlen müssen, aber nicht viel. Schreitet die Bürgerwehr dagegen ein, und verwundet einige Personen oder veranlaßt gar ein Gefecht: nun, dann wird die Stadt nicht so leichten Kaufs davonkommen. Besonders wird man sich hüten mussen, schreiende und tobende Banden zu zerstreuen; man konnte sie dadurch reizen, ihre Ausgelassenheit an einigen Gegenständen oder Personen zu erproben, und die Stadt, d. h. wir Alle, müßten dann „entschädigen,“ die gestrengen Ruhestifter nicht einmal ausgenommen.

Wie gefahrdrohend, wie ungerecht das Gesetz für die Gemeinden ist, möge folgendes Beispiel zeigen, das einzige, welches bekannt ist. Im Jahre 1834 sollten in Brüssel die Pferde des Prinzen von Oranien auf Verlangen des belgischen Staates verkauft werden. Einige pflichtvergessene Belgier ließen eine Beitragsliste umlaufen, aus deren Ertrage man die Pferde zu einem Geschenke für den Prinzen, der mit Belgien noch im Kriege *) begriffen war, wieder ankaufen wollte. Das Ganze schien dem Volke, und wohl nicht mit Unrecht, stark nach Landesverrätherei zu riechen, und gewisse Umtriebe des Ministeriums Lebeau, sagt man, thaten das Uebrige. Der Pöbel zerstorte einige zwanzig Hotels der Orangisten, ohne daß Militär und Bürgergarde einschreiten wollten. In Folge dieser Begebenheit wurde, auf den Antrieb der sehr einflußreichen Beschadigten, die Stadt Brüssel, welche jene Auftritte weder hervorgerufen, noch hatte verhindern können, zum Schadenersatze verurtheilt, wahrend der Assisenhof die Tumultuanten freisprach. Der Schadenersatz belief sich auf viele Millionen, die nur dadurch aufzutreiben waren, daß die Stadt alle ihre Sammlungen an das Land verkaufte. Wäre Brüssel aber nicht zufällig Hauptstadt gewesen, so würde eine solche Operation, ein solcher Scheinverkauf nicht möglich gewesen sein. Durch denselben wollte der Staat seine Mißbilligung des von den Gerichtshofen angewandten, veralteten französischen Gesetzes ausdrücken. Er gab sein Geld hin, ohne daß Brüssel seine Sammlungen faktisch verlor; ja die Stadt hat sogar noch den Vortheil, die Unterhaltungskosten nicht mehr beschaffen zu müssen. Dagegen wende man das Gesetz — besonders das weit scharfere preußische — in einem ahnlichen Falle auf Köln oder eine Provinzialstadt an; man wende es auf eine arme Landgemeinde des Bergischen an, in welcher eine Riesenfabrik durch einen Arbeiterhaufen zerstört ist: und man wird diese Gemeinde vielleicht für ein Jahrhundert zerrüttet haben. Aber warum habt ihr auch eine Bürgergarde verlangt! „Was, Teufel! macht ihr auch auf dieser verfluchten Galeere!“ wie Moliere scherzend niederschrieb.

Es ist vor Allem die heilige Pflicht der Gemeindebehörden, den Gesetzentwurf im Interesse der von ihnen verwalteten Bürgerschaft genau zu prüfen, und dann auf seine Zurücknahme oder Verwerfung dringend anzutragen.

Handels-Nachrichten. [irrelevantes Material]
[Gerichtsprotokoll]
Kriminal-Prozedur gegen Ferdinand Lassalle wegen Verleitung zum Cassetten-Diebstahl.

(Fortsetzung.)

Zeuge. J. B. Collin, 48 Jahre alt, Weinhändler zu Aachen. Der Kaptain Carter, welcher in meinem Hause wohnt, hatte mir gesagt der Graf Hatzfeld sei auf seinem Gute Champier seines Lebens nicht mehr sicher und daher gesonnen, in meinem Hause Quartier zu nehmen. An demselben Tage, an welchem C. dies Abends mir mittheilte, war Morgens Lassalle bei uns gewesen, um ein Quartier zu miethen; meine Frau hatte aber noch nicht zugesagt, und als nun folgenden Tags der Graf Hatzfeld mit seinen Effekten bei uns anfuhr, erschien auch Lassalle um den Miethvertrag abzuschließen. Meine Frau erklärte jedoch, daß das Quartier bereits vermiethet sei, worauf Lassalle heftig wurde; er blieb in der Nähe der Effekten des Grafen stehen und besah dieselben genau und aufmerksam. — Am folgenden Tage erschien Lassalle vor meiner Wohnung und verlangte beim Grafen gemeldet zu werden; er wurde aber abgewiesen, ein Brief von ihm an den Grafen nicht angenommen. — Graf Kaiserlingk, die Gräfin Hatzfeld und der Pfarrer von Calkum kamen auch einmal in mein Haus und verlangten zum Grafen; sie wurden indessen nicht vorgelassen. Lassalles Diener, Hoppe, ist zweimal an meinem Hause gewesen, das erste Mal brachte er den vorerwähnten Brief von Lassalle.

Präsid. Angekl., welchen Zweck hatten Sie, in demselben Hause mit dem Grafen Hatzfeld miethen zu wollen?

Angekl. Ich bitte den Zeuge zu fragen, es geht übrigens aus seiner Erzählung auch hervor, ob nicht, als ich bei ihm miethen wollte, der Graf weder bei ihm wohnte noch gemiethet hatte?

Zeuge bestätigt dies.

Frau Collin, 37 Jahre alt, erzählt den Vorfall in derselben Weise wie der vorige Zeuge. Dann setzt sie hinzu, es sei einmal ein Mädchen mit geöffneten Austern an ihr Haus gekommen und habe dieselbe für den Grafen Hatzfeld übergeben wollen; sie seien von Hungs geschickt. Sie haben die Austern ohne weiteres zurückgeschickt, weil sie gefürchtet, daß sie vergiftet gewesen.

Präsid. Also als der Angekl. das zweite Mal zu Ihnen kam, um zu miethen, da brachte man gerade Effekten des Grafen Hatzfeld?

Zeugin. Ja.

Präsid. Und der Angekl. blieb stehen und sah sie auffällig an, so daß es Ihnen verdächtig vorkam?

Zeugin Ja. als die Sachen aus der Droschke gebracht wurden hatte ich ihm bereits gesagt, daß er die Zimmer nicht haben konne, und da stand er noch einige Augenblicke wie in Gedanken vertieft und sah unverwandt auf die Effekten.

Präsid. Es kam Ihnen dies so verdächtig vor, daß Sie aus Furcht er könne etwas wegnehmen, im Hause stehen blieben bis er weggegangen war.

Zeugin. Nein.

Präsid. Nun blieben Sie denn nicht stehen, bis er fortgegangen war?

Zeugin. Ja wohl.

Präsid. Nun warum denn das?

Zeugin. Aus Anstand und Höflichkeit.

Präsid. In Ihrer Vernehmung haben Sie gesagt, Sie wären stehen geblieben, damit er nichts fortnehmen möge. — Angekl. zu welchem Zwecke haben Sie jene Effekten betrachtet in auffälliger Weise?

Angekl. Ich bitte die Zeugin zu fragen ob nicht der junge Sturz aus Aachen mich damals begleitete.

Zeugin. Ja ich glaube wohl.

Präsid. Nun aber, Angekl., Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, warum Sie jene Sachen angesehen, so daß es der Zeugin aufgefallen ist.

Angekl. Sollte die Zeugin nicht phantasirt haben?

Thomas Carter, 58 Jahre alt, Kapitän a. D. Da der Zeuge der deutschen Sprache nicht mächtig ist, wird seine Aussage durch den als Dolmetscher vereideten Adv.-Anw. Rheinstein verdeutscht. Im Juli 1846 kam der Graf Hatzfeld nach Aachen und bezog das Gut Champier, am Louisberge gelegen. Der Graf war indessen kaum einige Tage dort, als er mir anzeigen ließ, daß er nicht, wie er versprochen, zu Mittag bei mir erscheinen könne. Am folgenden Morgen ritt ich zu ihm hinaus und hier gab er mir als Grund seines Ausbleibens an, daß er von seiner Frau belästigt werde. Ich bemerkte ihm hierauf, daß er vor seiner Frau nur dann Ruhe haben werde, wenn er zu mir ziehe, worauf der Graf denn auch einging. Ich miethete nun von Collin das Quartier für meine Rechnung und der Graf zog zu mir. Seine Frau hatte ihm schriftlich angezeigt, daß der Pfarrer von Calcum an einem bestimmten Tage nach Aachen kommen werde, um eine Versöhnung zwischen ihnen zu Stande zu bringen. Der Pfarrer erschien indeß an diesem Tage nicht, kam jedoch einige Tage später und überbrachte dem Grafen einen Brief der Gräfin, den er nicht angenommen hatte. Der Pfarrer machte ihm Vorwürfe, daß er, der Graf, die Versöhnung, die er bereits versprochen, nun wieder brechen wolle. Der Graf erwiederte ihm, daß er von keiner Versöhnung etwas wisse noch wissen wolle. Am Nachmittag desselben Tages erschien die Gräfin mit dem Grafen Keiserlingk und dem Pfarrer Bochum vor meiner Wohnung. Ich hatte sie auf der Straße kommen gesehen und frug den Grafen, ob man die Gräfin einlassen solle. Der Graf verbot dies streng, er wolle sie nicht sehen. Deshalb begab ich mich an die Hausthür und als die Gräfin eintreten wollte, sagte ich ihr zuerst, der Graf sei nicht zu Hause. Die Gräfin erwiederte: das ist unwahr, ich habe ihn eben durch das Fenster gesehen. Hierauf erwiederte ich: „wenn er auch zu Hause ist, Sie werden nie zu ihm gelassen werden, Madame.“ Die Gräfin sagte dagegen: „Er ist mein rechtmäßiger Gatte und Sie haben kein Recht, mich zu hindern, meinen Gatten zu sehen, ich muß ihn sprechen.“ Mit diesen Worten wollte sie an mir vorbeieilen; da trat ich ihr entgegen und drängte sie mit vorgehaltenem Stocke zurück. (Der Zeuge macht dabei die Pantomime eines horizontal entgegengehaltenen Stockes; als der Dollmetscher die Worte übersetzt hat, durchläuft ein Gemurmel des Unwillens das Publikum. Dem Präsidenten entfährt ein: So?!) Die Gräfin war hierüber sehr entrüstet und zog sich zurück mit den Worten: ich werde Sie durch meine Leute bestrafen lassen! Nachher machte Graf Keiserlingk noch einen Versuch vorgelassen zu werden, indem er mir sagte, es handle sich um eine Ehrensache. Ich antwortete ihm jedoch, es werde das auch morgen Zeit haben. Keiserlingk ging darauf weg. Ich besuchte ihn, nachdem ich Rücksprache mit dem Grafen genommen und sagte ihm, wenn es eine Ehrensache sei, so möge er sie ihm mittheilen. Graf Keiserlingk antwortete jedoch, er habe mit diesem Ausdruck nur gemeint, daß seine Ehre es nicht dulde, die Gräfin in seiner Begleitung beleidigen zu lassen; er habe die Zusammenkunft mit dem Grafen gewollt der Versöhnung wegen, die der Graf ja versprochen habe etc. — Der Diener Lassalle's brachte einmal einen Brief an den Grafen; ich wies ihn zurück, da er ihn aber mit Gewalt aufdringen wollte, warf ich ihn mit Gewalt zurück. — Nach dem Kassettendiebstahl, als ich von dem Pollmannschen Briefe gehört hatte, der im Ueberziehen Mendelsohns gefunden worden war, ging ich zur Polizei in Aachen, um sie zu veranlassen, Lassalle, Mendelsohn und Oppenheim, so wie die Gräfin zu beobachten. Der Graf war damals krank und ich hielt es für meine Pflicht, meinen Gast vor Verfolgungen zu schützen.

Angekl. Ich bitte den Zeugen zu fragen, ob er sich nicht erinnert, daß Pastor Bochum an jenem Vormittage, wo er den Grafen bei Carter besucht, ihm den Vorwurf gemacht habe, daß er das in seiner eigenen Gegenwart gegebene Wort brechen wolle.

Z. Der Graf hat dies allerdings gesagt, er hat aber zugleich entgegnet, er wisse nichts davon.

(Fortsetzung folgt.)

*) Es bestand ein bloßer Waffenstillstand. Anm. d. Verf.
<TEI>
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          <p><pb facs="#f0002" n="0472"/>
ihre Kandidatenliste durch die Namen: Martin van Büren                         und F. Adams vervollständigt. &#x2014; Die Nachricht von einem Aufstande auf Cuba                         hat sich jetzt als völlig ungegründet erwiesen.</p>
          <p>Aus Pernambuco wird vom 26. Juli gemeldet, daß es dort zwischen Portugiesen                         und Brasiliern zu einem blutigen Konflikt gekommen, bei dem Viele der                         Ersteren getödtet wurden.</p>
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        <head>Belgien.</head>
        <div xml:id="ar093b_014" type="jArticle">
          <head><bibl><author>S</author></bibl> Antwerpen, 31. August.</head>
          <p>Die Verurtheilung der Angeklagten erregt in ganz Belgien die trauerigste                         Stimmung. Der Prozeß Risquons-Tout fing an mit einer Komödie und hört auf                         mit einem Drama. Die Reden des Prokurators Bavay waren das Komische in der                         Verhandlung; das Ja der Jury ist das Tragische. Wer hätte gedacht, daß                         hinter den komischen Scenen, die der Prokurator während 19 Tage theilweise                         aufführen ließ, theilweise selbst aufführte, der Henker mit seinem Beile                         lauerte. Wer hat nicht herzlich gelacht, als der Prokurator uns das                         Estaminet &#x201E;Union&#x201C; als das General-Quartier einer Verschwörung zeigte, deren                         Lenker in unsichtbarer Verbindung mit Risquons-Tout gestanden haben sollen?                         Wer hat nicht noch herzlicher gelacht, als der Prokurator dieser                         &#x201E;Verschwörung&#x201C; eine Wichtigkeit verleihen wollte, indem er Männer wie                         Ledru-Rollin und Causidière in die Verschwörung hineinzog? Es fehlte weiter                         nichts, als eine &#x201E;provisorische&#x201C; Regierung zu dem vermeintlichen Complot;                         glücklicher Weise finden sich einige Namen mit Bleistift geschrieben, und                         diese Liste zeigt uns die Republik mit ihren Leitern schon fertig                         ausgearbeitet. Das war das beständige Thema des Prokurators, der von den                         Advokaten Faider, Picard und Gendebien auf's schmählichste verspottet wurde.                         Allgemein erwartete man, daß der Prokurator durch das Urtheil der Jury zum                         Gespött von ganz Belgien würde. Dem war nicht so. Die Geschworenen waren                         Figuranten, wahre Drahtpuppen, deren Bewegung unsichtbar durch die Hand des                         Prokurators geleitet wurde. Ihr Stillschweigen während der ganzen                         Verhandlung kam daher, daß sie kein Französisch zu sprechen verstanden, und                         als sie zum ersten Mal den Mund öffneten, um Ja zu sagen, wußten sie selbst                         nicht, daß dieses Ja ein Todesurtheil war.</p>
          <p>Uebrigens war Herr Bavay, als bekannter Holländerfreund, im Jahre 1831 nahe                         daran, vor die Jury belangt zu werden in demselben Antwerpen, das Mellinet                         von Holländern gesäubert, und das jetzt unter Bavay's Anwaltschaft Mellinet                         verurtheilt.</p>
        </div>
      </div>
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        <head>Nachtrag.</head>
        <div xml:id="ar093b_015" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 1. Septbr.</head>
          <p>In der heutigen 70. Sitzung der Reichsversammlung wurde durch eine von dem                         Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten gegebene Erklärung in Betreff                         der Limburger Frage eine mehrstündige Debatte herbeigeführt. Der Abg. <hi rendition="#g">Wernher</hi> hatte beantragt: Die Nationalversammlung                         wolle beschließen, daß die betreffenden Papiere auf den Tisch des Hauses                         niedergelegt werden sollen, und zugleich aussprechen, daß das Ministerium                         des Auswärtigen in dieser Sache nicht den Grad von Beflissenheit bewiesen                         habe, den es hätte beweisen sollen. Von dem Abg. <hi rendition="#g">Eisenmann</hi> war dagegen auf einfache Tagesordnung, von andern                         Mitgliedern auf motivirte Tagesordnung angetragen. Die einfache Tagesordnung                         wurde mit 213 gegen 197 Stimmen verworfen, dagegen der Antrag <hi rendition="#g">Stedtmann's</hi> angenommen: in Erwägung, daß die                         eingetretene Verzögerung des diplomatischen Verkehrs mit dem Auslande durch                         die gegebenen Erläuterungen des Ministeriums hinlänglich gerechtfertigt sei,                         zur motivirten Tagesordnung überzugehen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Erwiderung.</head>
        <div type="jAn">
          <p>Die Breslauer Zeitung läßt sich in Nro. 201 aus Berlin schreiben, Ritter                         Schnapphahnski habe eine Menge Aktien auf die &#x201E;Neue Rheinische Zeitung&#x201C;                         genommen und deshalb hätten die Feuilletons-Artikel über ihn aufgehört, weil                         eine Zeitung unmöglich gegen ihre eignen Aktionäre polemisiren könne. Die                         angeblich demokratische Düsseldorfer Zeitung hat sich gemüßigt gesehen diese                         Insinuation in ihre Spalten aufzunehmen. Mag in Berlin gefabelt werden was                         da will, eine <hi rendition="#g">Schlesische</hi> Zeit mußte wissen, daß                         diese Behauptung eine Lüge war und warum sie es war. Die perfide Insinuation                         kommt aber leider zu spät. Schon Nro. 92 der N. Rhn. Ztg., die längst vor                         Ankunft der Nro. 201 der Bresl. Ztg. ausgegeben wurde, enthält die                         Fortsetzung des besagten Feuilletons. Die Neue Rheinische Zeitung ist                         übrigens ein Parteiblatt und hat bereits hinlänglich den Beweis geliefert,                         daß sie nicht käuflich ist.</p>
          <p>Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Aufruf an alle freisinnigen Deutschen.</head>
        <div type="jAn">
          <p>Brüder, Republikaner! Wir brauchen es Euch nicht zu sagen, denn Ihr wißt es,                         wie so viele redlich gesinnte Vorkämpfer der Freiheit, als Flüchtlinge im                         Exil weilen, und jetzt in Frankreich oder der Schweiz ein Asyl gesucht und                         gefunden haben; &#x2014; ein Asyl, das sie schützt vor der Anmaßung und den rohen                         Angriffen der Polizeigewalt in der Heimath. &#x2014; Ihr wißt es, wie jene edlen                         Jünglinge, jene edlen Männer entflammt von dem heiligsten, dem glühendsten                         Streben nach Freiheit, sich zusammengeschaart, und mit Hecker, dem                         hochherzigen Hecker, an der Spitze mit bewaffneter Hand, die Sklavenketten                         zu brechen versucht haben, &#x2014; jetzt aber ihr kühnes Unternehmen mit                         Verbannung büßen müssen. Das aber mögt Ihr nicht wissen, daß die meisten, ja                         fast alle diese Men'chen hier in Frankreich wie in der Schweiz ein elendes                         Leben fristen, unter einem schrecklichen Loose seufzen, unter dem Loose der                         tiefsten Armuth der grenzenlosesten Entblößung von Allem.</p>
          <p>Baarfuß und mit Hadern bedeckt, irren sie auf den Landstraßen umher, oder                         liegen siech in den Spitälern krank und verkommen durch die erduldeten                         Entbehrungen und Strapazen. Arbeiten wollten sie gerne, wenn nur                         Beschäftigung zu finden wäre, &#x2014; die Zeitungen melden ja täglich neue                         Tumulte, von hungernden, arbeitslosen französischen Arbeitern.</p>
          <p>Darum Ihr deutschen Männer und Freunde rufen wir Euch mahnend zu: &#x201E;Wollt Ihr                         noch Anspruch machen, auf den Namen von Republikaner, wollt Ihr Euch noch                         wahre Patrioten nennen, so bethätigt Eure republikanische Gesinnung; hier                         ist Gelegenheit dazu!&#x201C; Spart Euch ein Jeder ein Scherflein ab, und legt sie                         zusammen.</p>
          <p>Unterstützt Eure auf fremder Erde herumirrenden Brüder; laßt diejenigen nicht                         verhungern, welche ihre Existenz für die gute Sache geopfert, ja ihr Leben                         für dieselbe eingesetzt haben! &#x2014; Noch einmal donnern wir es Euch in die                         Ohren und hoffen daß unsere Stimme einen Wiederhall in Euren Herzen finden                         werde: &#x201E;Bethätigt Eure freie Gesinnung! Schnelle Hülfe ist doppelte                         Hülfe.&#x201C;</p>
          <p>Straßburg, am 22. August 1848.</p>
          <p>Das Unterstützungs-Komite für deutsche republikanische Flüchtlinge</p>
          <p><hi rendition="#g">Jansen</hi>. J. <hi rendition="#g">Albert</hi>. <hi rendition="#g">Heinkelmann</hi>. O. <hi rendition="#g">Dietz</hi>. <hi rendition="#g">Ph. Betz</hi>.</p>
          <p>Die verehrl. Redaktionen freier Blätter werden gebeten, vorstehendem Aufrufe                         eine Stelle in ihren Spalten zu öffnen.</p>
          <p>Briefe, Gelder und Kleidungsstücke wolle man unter obiger Adresse hierher an                         Gasthaus &#x201E;zum rothen Männel&#x201C; schicken.</p>
        </div>
      </div>
      <div type="jReadersLetters" n="1">
        <div xml:id="ar093b_016" type="jArticle">
          <head>Das Gesetz über die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatze des bei                         öffentlichen Aufläufen verursachten Schadens.</head>
          <bibl>Von M. <hi rendition="#g">Rittinghausen</hi>.</bibl>
          <p>Das Ministerium Hansemann-Auerswald verirrt sich immer mehr in den alten                         Staat zurück, welchen die März-Revolution zu stürzen <hi rendition="#g">versucht</hi> hat. Ueberall taucht wieder das verderbliche Bestreben                         auf, Alles zu regeln und Alle für Alles verantwortlich machen zu wollen, was                         sich im Leben regt und bewegt. Einen unermeßlichen Schritt in dieser                         Richtung bildet auch der Gesetzvorschlag über die Verpflichtung der                         Gemeinden zum Ersatze des bei öffentlichen Aufläufen verursachten                         Schadens.</p>
          <p>Es thut mir wirklich leid, daß die Gründe nicht veröffentlicht worden sind,                         welche das Ministerium veranlaßt haben, einen vor dem Rechtsgefühl so wenig                         haltbaren Gesetzentwurf auf das Büreau der Vereinbarer-Versammlung                         niederzulegen. Diese Gründe müssen jedenfalls ein Wunder polizeilicher                         Spitzfindigkeit sein. Da wir indessen noch nichts Näheres über sie erfahren,                         so ist es mir weit angenehmer, das Ministerium einer <hi rendition="#g">unvorsichtigen</hi> Nachahmung dessen zu zeihen, was sich in einem                         Nachbarstaate &#x2014; wenn auch in höchst zweifelhafter Geltung &#x2014; vorfindet.</p>
          <p>Allerdings besteht eine gewisse Solidarität aller Mitglieder einer Gemeinde;                         aber diese Solidarität dahin ausdehnen wollen, daß die ganze Gemeinde für                         den aus dem tumultuarischen Handeln eines kleinen Haufens entstehenden                         Schaden verantwortlich sein soll: das heißt in der Uebertreibung doch etwas                         zu weit gehen; besonders wenn man bedenkt, daß in einer Emeute oft meistens                         nur fremde, der Gemeinde nicht angehorige Personen thätig gewesen sind.                         Warum soll der ruhige Kölner seinen Beutel ziehen, wenn einige hundert                         seiner Mitbürger ohne sein Zuthun, ohne sein Wissen, ja gegen seinen Wunsch                         irgendwo Scheiben eingeworfen oder Mobel zertrummert haben?! &#x201E;Weil er den                         Tumult nicht verhindert hat!&#x201C; sagt man; aber trifft denn die Entschädigung                         nicht auch Die, welche physisch nicht einmal im Stande waren, einer Emeute                         entgegenzutreten!? fällt sie nicht auch auf die <hi rendition="#g">Nicht</hi>-mitglieder der Bürgerwehr, auf die Kranken, Wittwen und                         Waisen zurück!? Man merke sich wohl, daß es der <hi rendition="#g">eigentliche</hi> Zweck des Gesetzes <hi rendition="#g">nicht</hi> ist,                         die unschuldigen Opfer der Volkswuth zu entschädigen: denn dann würde noch                         wohl vorher in jedem einzelnen Falle zu untersuchen sein, ob der Beschädigte                         nicht wirklich den Ausbruch des Volkszornes sich selbst zuzuschreiben habe.                         Und wie könnte man überhaupt z. B. einen <hi rendition="#g">reichen</hi> Unschuldigen auf Kosten <hi rendition="#g">armer</hi> Unschuldiger, d. h.                         auf Kosten <hi rendition="#g">aller</hi> armen Gemeindeglieder entschädigen                         wollen!? Das Gesetz hat blos einen politischen Zweck und wo die Politik des                         alten régime anfängt, da hört jede Gerechtigkeit auf. Liegt es in der Macht                         der Bürgerwehr, so möchte ich fragen, eine Emeute nicht allein zu                         unterdrücken, sondern ihr sogar, wie das Gesetz verlangt,                         zuvorzukommen!?</p>
          <p>Eine schöne Gerechtigkeit, die! welche von dem Bürger verlangt, bei der                         ersten Nachricht von dem Angriffe auf ein Gebäude oder auf Personen &#x2014; sein                         Geschäft vernachlässigend &#x2014; zu den Waffen zu stürzen, die Ruhe                         wiederherzustellen, und die dann noch obendrein &#x2014; trotz seiner                         Bereitwilligkeit, sich dem allgemeinen Wohle zu opfern &#x2014;, von ihm Ersatz des                         Schadens fordert, der vor seiner Ankunft an dem Orte des Tumultes oder auch                         wahrend des Einschreitens verursacht worden ist; des Schadens welchen er                         verhindert hat, bedeutender zu werden. Sonderbare Belohnung einer guten                         That! Der Wehrmann hat seine Pflicht gethan, und er muß bußen für böse                         Handlungen, denen er ein Ende gemacht hat! Dem Beschädigten, der vielleicht                         die Schuld des Unglücks dadurch trägt, daß er sich durch niederträchtige                         Handlungen den Haß des Volkes zugezogen: ihm hat er einen Theil seiner Habe                         gerettet, und zum Danke dafür soll er ihm auch noch den verlorenen Theil                         zuruckgeben!</p>
          <p>Hätte man die Entschädigungspflicht der Gemeinden nur für den Fall                         festgestellt, wo die Bürgerwehr die Einschreitung verweigert oder unterläßt:                         so würde die Bestimmung des Gesetzvorschlages zwar eine unglückliche, aber                         doch eine begreifliche sein. Eine unglückliche sage ich, weil die Emeute der                         Art sein kann, daß &#x2014; wie bei der März-Revolution &#x2014; kein Einschreiten der                         Bürgerwehr erwartet werden darf, indem sie selbst unzufrieden mit der                         Regierung ist; weil endlich der Aufruhr die Folge falscher Staatsmaßregeln,                         der unvernünftigen Aufführung oder gar des Aufhetzens schlechter Beamten                         sein kann. In solchen Fallen wäre es eigentlich der Staat, der als                         Hervorrufer oder Anstifter der Emeute für den daraus entspringenden Schaden                         verantwortlich sein müßte; aber gewiß nicht die Gemeinde. Die Aufruhrer sind                         dann als Staatsbürger, nicht als Gemeindebürger aufgestanden.</p>
          <p>Unter zehn Fällen, die vorkommen werden, wird vielleicht nur ein einziger                         sein, in welchem die Gemeinde (mithin auch die Bürgerwehr), den verursachten                         Schaden nach strengen Rechtsbegriffen zu tragen haben würde; und deshalb ist                         es auch eine schreiende Ungerechtigkeit, ihr denselben immer und ohne                         Ausnahme aufbürden zu wollen.</p>
          <p>Aber noch mehr. Das Ministerium der That ist zu energisch, um auf halbem Wege                         stehen zu bleiben.</p>
          <p>Nach dem §. 1. des Gesetzentwurfs hat die Gemeinde auch für die                         Beschädigungen des Eigenthums oder der Personen zu haften, die durch die                         &#x201E;Anwendung gesetzlicher, zur Zerstreuung der Menge getroffener Maßregeln&#x201C;                         verursacht werden.</p>
          <p>Das würde wirklicher Machiavelismus sein! Das Gesetz des Staates zwingt den                         Bürgerwehrmann, seine Flinte zu gebrauchen, im Nothfalle seine Kanonen gegen                         Gebäude und Straßen spielen zu lassen: und dann soll er schließlich Alles                         bezahlen; er soll seine Börse verbluten lassen, wie er seinen Körper hat                         verbluten lassen; er soll vielleicht mit der wenig angenehmen Aussicht                         fallen, daß seine Wittwe für die Schüsse ausgepfändet werden kann die er für                         das öffentliche Wohl abgefeuert hat.</p>
          <p>So weit ging das lächerliche Gesetz nicht, welches die furchtbare                         französische Revolution gebar, um zu terrorisiren; jenes Gesetz, das aus                         einer Versammlung kam, die auch alle &#x201E;Gleichgültigen&#x201C; und alle die als                         &#x201E;verdachtig&#x201C; einsperren ließ, welche über den &#x201E;Druck der Zeit&#x201C; zu klagen                         wagten.</p>
          <p>Und doch scheint das französische Gesetz, das in Frankreich in den letzten                         fünfzig Jahren nie ausgeführt worden, das gleich nach der Rückkehr besserer                         Jahre von selbst in Vergessenheit fiel, das thatsächlich abgeschafft ist,                         und nur durch die Spitzfindigkeit einiger Richter vor 14 Jahren in Brüssel                         eine berüchtigte Anwendung fand, &#x2014; und doch scheint dieses Gesetz dem                         preußischen zur Richtschnur gedient zu haben. Nur haben die Schüler noch die                         Lehrmeister übertroffen! Unsere Gemeinden sollen verbunden sein, auch für                         alle vorgekommenen persönlichen Verletzungen Schadenersatz zu leisten. Dies                         allen Neugierigen zur Nachricht, die sich eine Verwundung in einem Tumulte                         holen. Ob auch für alle Wunden der Bürgerwehr, des Militärs und der Polizei                         &#x201E;Entschädigung&#x201C; gezahlt werden muß, darüber beobachtet das Gesetz ein                         ziemlich beunruhigendes Schweigen. Eine Ausnahme wird man doch nicht bei                         ihnen machen wollen; will man es aber nicht, so wäre es gut gewesen, dies                         bei der eigenthümlichen Stellung klar und deutlich auszusprechen. Der                         Vorfall in Schweidnitz beweist, daß dies nicht überflüssig ist.</p>
          <p>Glaubt das Ministerium etwa, sein Gesetz würde ein Sporn für Bürgerwehr sein,                         bei Aufständen oder Aufläufen nachdrücklicher aufzutreten, als es jetzt hier                         oder dort geschehen ist?! Ich bezweifle es, da es im Interesse der                         Bürgerwehr liegen würde, in den meisten Gelegenheiten gerade das Gegentheil                         zu thun. Wirft man irgendwo einige Scheiben ein, und die Bürgerwehr sieht                         das Gewehr im Arm ruhig zu: gut! so wird die Gemeinde zahlen müssen, aber                         nicht viel. Schreitet die Bürgerwehr dagegen ein, und verwundet einige                         Personen oder veranlaßt gar ein Gefecht: nun, dann wird die Stadt nicht so                         leichten Kaufs davonkommen. Besonders wird man sich hüten mussen, schreiende                         und tobende Banden zu zerstreuen; man konnte sie dadurch reizen, ihre                         Ausgelassenheit an einigen Gegenständen oder Personen zu erproben, und die                         Stadt, d. h. wir Alle, müßten dann &#x201E;entschädigen,&#x201C; die gestrengen                         Ruhestifter nicht einmal ausgenommen.</p>
          <p>Wie gefahrdrohend, wie ungerecht das Gesetz für die Gemeinden ist, möge                         folgendes Beispiel zeigen, das einzige, welches bekannt ist. Im Jahre 1834                         sollten in Brüssel die Pferde des Prinzen von Oranien auf Verlangen des                         belgischen Staates verkauft werden. Einige pflichtvergessene Belgier ließen                         eine Beitragsliste umlaufen, aus deren Ertrage man die Pferde zu einem                         Geschenke für den Prinzen, der mit Belgien noch im Kriege *) <note place="foot">*) Es bestand ein bloßer Waffenstillstand. Anm. d.                             Verf.</note> begriffen war, wieder ankaufen wollte. Das Ganze schien dem                         Volke, und wohl nicht mit Unrecht, stark nach Landesverrätherei zu riechen,                         und gewisse Umtriebe des Ministeriums Lebeau, sagt man, thaten das Uebrige.                         Der Pöbel zerstorte einige zwanzig Hotels der Orangisten, ohne daß Militär                         und Bürgergarde einschreiten wollten. In Folge dieser Begebenheit wurde, auf                         den Antrieb der sehr einflußreichen Beschadigten, die Stadt Brüssel, welche                         jene Auftritte weder hervorgerufen, noch hatte verhindern können, zum                         Schadenersatze verurtheilt, wahrend der Assisenhof die Tumultuanten                         freisprach. Der Schadenersatz belief sich auf viele Millionen, die nur                         dadurch aufzutreiben waren, daß die Stadt alle ihre Sammlungen an das Land                         verkaufte. Wäre Brüssel aber nicht zufällig Hauptstadt gewesen, so würde                         eine solche Operation, ein solcher Scheinverkauf nicht möglich gewesen sein.                         Durch denselben wollte der Staat seine Mißbilligung des von den                         Gerichtshofen angewandten, veralteten französischen Gesetzes ausdrücken. Er                         gab sein Geld hin, ohne daß Brüssel seine Sammlungen faktisch verlor; ja die                         Stadt hat sogar noch den Vortheil, die Unterhaltungskosten nicht mehr                         beschaffen zu müssen. Dagegen wende man das Gesetz &#x2014; besonders das weit                         scharfere preußische &#x2014; in einem ahnlichen Falle auf Köln oder eine                         Provinzialstadt an; man wende es auf eine arme Landgemeinde des Bergischen                         an, in welcher eine Riesenfabrik durch einen Arbeiterhaufen zerstört ist:                         und man wird diese Gemeinde vielleicht für ein Jahrhundert zerrüttet haben.                         Aber warum habt ihr auch eine Bürgergarde verlangt! &#x201E;Was, Teufel! macht ihr                         auch auf dieser verfluchten Galeere!&#x201C; wie Moliere scherzend                         niederschrieb.</p>
          <p>Es ist vor Allem die heilige Pflicht der Gemeindebehörden, den Gesetzentwurf                         im Interesse der von ihnen verwalteten Bürgerschaft genau zu prüfen, und                         dann auf seine Zurücknahme oder Verwerfung dringend anzutragen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Handels-Nachrichten.</head>
        <gap reason="insignificant"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head>[Gerichtsprotokoll]</head>
        <div xml:id="ar093b_017" type="jArticle">
          <head>Kriminal-Prozedur gegen Ferdinand Lassalle wegen Verleitung zum                         Cassetten-Diebstahl.</head>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung.)</ref>
          </p>
          <p>Zeuge. J. B. Collin, 48 Jahre alt, Weinhändler zu Aachen. Der Kaptain Carter,                         welcher in meinem Hause wohnt, hatte mir gesagt der Graf Hatzfeld sei auf                         seinem Gute Champier seines Lebens nicht mehr sicher und daher gesonnen, in                         meinem Hause Quartier zu nehmen. An demselben Tage, an welchem C. dies                         Abends mir mittheilte, war Morgens Lassalle bei uns gewesen, um ein Quartier                         zu miethen; meine Frau hatte aber noch nicht zugesagt, und als nun folgenden                         Tags der Graf Hatzfeld mit seinen Effekten bei uns anfuhr, erschien auch                         Lassalle um den Miethvertrag abzuschließen. Meine Frau erklärte jedoch, daß                         das Quartier bereits vermiethet sei, worauf Lassalle heftig wurde; er blieb                         in der Nähe der Effekten des Grafen stehen und besah dieselben genau und                         aufmerksam. &#x2014; Am folgenden Tage erschien Lassalle vor meiner Wohnung und                         verlangte beim Grafen gemeldet zu werden; er wurde aber abgewiesen, ein                         Brief von ihm an den Grafen nicht angenommen. &#x2014; Graf Kaiserlingk, die Gräfin                         Hatzfeld und der Pfarrer von Calkum kamen auch einmal in mein Haus und                         verlangten zum Grafen; sie wurden indessen nicht vorgelassen. Lassalles                         Diener, Hoppe, ist zweimal an meinem Hause gewesen, das erste Mal brachte er                         den vorerwähnten Brief von Lassalle.</p>
          <p>Präsid. Angekl., welchen Zweck hatten Sie, in demselben Hause mit dem Grafen                         Hatzfeld miethen zu wollen?</p>
          <p>Angekl. Ich bitte den Zeuge zu fragen, es geht übrigens aus seiner Erzählung                         auch hervor, ob nicht, als ich bei ihm miethen wollte, der Graf weder bei                         ihm wohnte noch gemiethet hatte?</p>
          <p>Zeuge bestätigt dies.</p>
          <p>Frau Collin, 37 Jahre alt, erzählt den Vorfall in derselben Weise wie der                         vorige Zeuge. Dann setzt sie hinzu, es sei einmal ein Mädchen mit geöffneten                         Austern an ihr Haus gekommen und habe dieselbe für den Grafen Hatzfeld                         übergeben wollen; sie seien von Hungs geschickt. Sie haben die Austern ohne                         weiteres zurückgeschickt, weil sie gefürchtet, daß sie vergiftet                         gewesen.</p>
          <p>Präsid. Also als der Angekl. das zweite Mal zu Ihnen kam, um zu miethen, da                         brachte man gerade Effekten des Grafen Hatzfeld?</p>
          <p>Zeugin. Ja.</p>
          <p>Präsid. Und der Angekl. blieb stehen und sah sie auffällig an, so daß es                         Ihnen verdächtig vorkam?</p>
          <p>Zeugin Ja. als die Sachen aus der Droschke gebracht wurden hatte ich ihm                         bereits gesagt, daß er die Zimmer nicht haben konne, und da stand er noch                         einige Augenblicke wie in Gedanken vertieft und sah unverwandt auf die                         Effekten.</p>
          <p>Präsid. Es kam Ihnen dies so verdächtig vor, daß Sie aus Furcht er könne                         etwas wegnehmen, im Hause stehen blieben bis er weggegangen war.</p>
          <p>Zeugin. Nein.</p>
          <p>Präsid. Nun blieben Sie denn nicht stehen, bis er fortgegangen war?</p>
          <p>Zeugin. Ja wohl.</p>
          <p>Präsid. Nun warum denn das?</p>
          <p>Zeugin. Aus Anstand und Höflichkeit.</p>
          <p>Präsid. In Ihrer Vernehmung haben Sie gesagt, Sie wären stehen geblieben,                         damit er nichts fortnehmen möge. &#x2014; Angekl. zu welchem Zwecke haben Sie jene                         Effekten betrachtet in auffälliger Weise?</p>
          <p>Angekl. Ich bitte die Zeugin zu fragen ob nicht der junge Sturz aus Aachen                         mich damals begleitete.</p>
          <p>Zeugin. Ja ich glaube wohl.</p>
          <p>Präsid. Nun aber, Angekl., Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet,                         warum Sie jene Sachen angesehen, so daß es der Zeugin aufgefallen ist.</p>
          <p>Angekl. Sollte die Zeugin nicht phantasirt haben?</p>
          <p>Thomas Carter, 58 Jahre alt, Kapitän a. D. Da der Zeuge der deutschen Sprache                         nicht mächtig ist, wird seine Aussage durch den als Dolmetscher vereideten                         Adv.-Anw. Rheinstein verdeutscht. Im Juli 1846 kam der Graf Hatzfeld nach                         Aachen und bezog das Gut Champier, am Louisberge gelegen. Der Graf war                         indessen kaum einige Tage dort, als er mir anzeigen ließ, daß er nicht, wie                         er versprochen, zu Mittag bei mir erscheinen könne. Am folgenden Morgen ritt                         ich zu ihm hinaus und hier gab er mir als Grund seines Ausbleibens an, daß                         er von seiner Frau belästigt werde. Ich bemerkte ihm hierauf, daß er vor                         seiner Frau nur dann Ruhe haben werde, wenn er zu mir ziehe, worauf der Graf                         denn auch einging. Ich miethete nun von Collin das Quartier für meine                         Rechnung und der Graf zog zu mir. Seine Frau hatte ihm schriftlich                         angezeigt, daß der Pfarrer von Calcum an einem bestimmten Tage nach Aachen                         kommen werde, um eine Versöhnung zwischen ihnen zu Stande zu bringen. Der                         Pfarrer erschien indeß an diesem Tage nicht, kam jedoch einige Tage später                         und überbrachte dem Grafen einen Brief der Gräfin, den er nicht angenommen                         hatte. Der Pfarrer machte ihm Vorwürfe, daß er, der Graf, die Versöhnung,                         die er bereits versprochen, nun wieder brechen wolle. Der Graf erwiederte                         ihm, daß er von keiner Versöhnung etwas wisse noch wissen wolle. Am                         Nachmittag desselben Tages erschien die Gräfin mit dem Grafen Keiserlingk                         und dem Pfarrer Bochum vor meiner Wohnung. Ich hatte sie auf der Straße                         kommen gesehen und frug den Grafen, ob man die Gräfin einlassen solle. Der                         Graf verbot dies streng, er wolle sie nicht sehen. Deshalb begab ich mich an                         die Hausthür und als die Gräfin eintreten wollte, sagte ich ihr zuerst, der                         Graf sei nicht zu Hause. Die Gräfin erwiederte: das ist unwahr, ich habe ihn                         eben durch das Fenster gesehen. Hierauf erwiederte ich: &#x201E;wenn er auch zu                         Hause ist, Sie werden nie zu ihm gelassen werden, Madame.&#x201C; Die Gräfin sagte                         dagegen: &#x201E;Er ist mein rechtmäßiger Gatte und Sie haben kein Recht, mich zu                         hindern, meinen Gatten zu sehen, ich muß ihn sprechen.&#x201C; Mit diesen Worten                         wollte sie an mir vorbeieilen; da trat ich ihr entgegen und drängte sie mit                         vorgehaltenem Stocke zurück. (Der Zeuge macht dabei die Pantomime eines                         horizontal entgegengehaltenen Stockes; als der Dollmetscher die Worte                         übersetzt hat, durchläuft ein Gemurmel des Unwillens das Publikum. Dem                         Präsidenten entfährt ein: So?!) Die Gräfin war hierüber sehr entrüstet und                         zog sich zurück mit den Worten: ich werde Sie durch meine Leute bestrafen                         lassen! Nachher machte Graf Keiserlingk noch einen Versuch vorgelassen zu                         werden, indem er mir sagte, es handle sich um eine Ehrensache. Ich                         antwortete ihm jedoch, es werde das auch morgen Zeit haben. Keiserlingk ging                         darauf weg. Ich besuchte ihn, nachdem ich Rücksprache mit dem Grafen                         genommen und sagte ihm, wenn es eine Ehrensache sei, so möge er sie ihm                         mittheilen. Graf Keiserlingk antwortete jedoch, er habe mit diesem Ausdruck                         nur gemeint, daß seine Ehre es nicht dulde, die Gräfin in seiner Begleitung                         beleidigen zu lassen; er habe die Zusammenkunft mit dem Grafen gewollt der                         Versöhnung wegen, die der Graf ja versprochen habe etc. &#x2014; Der Diener                         Lassalle's brachte einmal einen Brief an den Grafen; ich wies ihn zurück, da                         er ihn aber mit Gewalt aufdringen wollte, warf ich ihn mit Gewalt zurück. &#x2014;                         Nach dem Kassettendiebstahl, als ich von dem Pollmannschen Briefe gehört                         hatte, der im Ueberziehen Mendelsohns gefunden worden war, ging ich zur                         Polizei in Aachen, um sie zu veranlassen, Lassalle, Mendelsohn und                         Oppenheim, so wie die Gräfin zu beobachten. Der Graf war damals krank und                         ich hielt es für meine Pflicht, meinen Gast vor Verfolgungen zu                         schützen.</p>
          <p>Angekl. Ich bitte den Zeugen zu fragen, ob er sich nicht erinnert, daß Pastor                         Bochum an jenem Vormittage, wo er den Grafen bei Carter besucht, ihm den                         Vorwurf gemacht habe, daß er das in seiner eigenen Gegenwart gegebene Wort                         brechen wolle.</p>
          <p>Z. Der Graf hat dies allerdings gesagt, er hat aber zugleich entgegnet, er                         wisse nichts davon.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref>
          </p>
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</TEI>
[0472/0002] ihre Kandidatenliste durch die Namen: Martin van Büren und F. Adams vervollständigt. — Die Nachricht von einem Aufstande auf Cuba hat sich jetzt als völlig ungegründet erwiesen. Aus Pernambuco wird vom 26. Juli gemeldet, daß es dort zwischen Portugiesen und Brasiliern zu einem blutigen Konflikt gekommen, bei dem Viele der Ersteren getödtet wurden. Belgien. S Antwerpen, 31. August. Die Verurtheilung der Angeklagten erregt in ganz Belgien die trauerigste Stimmung. Der Prozeß Risquons-Tout fing an mit einer Komödie und hört auf mit einem Drama. Die Reden des Prokurators Bavay waren das Komische in der Verhandlung; das Ja der Jury ist das Tragische. Wer hätte gedacht, daß hinter den komischen Scenen, die der Prokurator während 19 Tage theilweise aufführen ließ, theilweise selbst aufführte, der Henker mit seinem Beile lauerte. Wer hat nicht herzlich gelacht, als der Prokurator uns das Estaminet „Union“ als das General-Quartier einer Verschwörung zeigte, deren Lenker in unsichtbarer Verbindung mit Risquons-Tout gestanden haben sollen? Wer hat nicht noch herzlicher gelacht, als der Prokurator dieser „Verschwörung“ eine Wichtigkeit verleihen wollte, indem er Männer wie Ledru-Rollin und Causidière in die Verschwörung hineinzog? Es fehlte weiter nichts, als eine „provisorische“ Regierung zu dem vermeintlichen Complot; glücklicher Weise finden sich einige Namen mit Bleistift geschrieben, und diese Liste zeigt uns die Republik mit ihren Leitern schon fertig ausgearbeitet. Das war das beständige Thema des Prokurators, der von den Advokaten Faider, Picard und Gendebien auf's schmählichste verspottet wurde. Allgemein erwartete man, daß der Prokurator durch das Urtheil der Jury zum Gespött von ganz Belgien würde. Dem war nicht so. Die Geschworenen waren Figuranten, wahre Drahtpuppen, deren Bewegung unsichtbar durch die Hand des Prokurators geleitet wurde. Ihr Stillschweigen während der ganzen Verhandlung kam daher, daß sie kein Französisch zu sprechen verstanden, und als sie zum ersten Mal den Mund öffneten, um Ja zu sagen, wußten sie selbst nicht, daß dieses Ja ein Todesurtheil war. Uebrigens war Herr Bavay, als bekannter Holländerfreund, im Jahre 1831 nahe daran, vor die Jury belangt zu werden in demselben Antwerpen, das Mellinet von Holländern gesäubert, und das jetzt unter Bavay's Anwaltschaft Mellinet verurtheilt. Nachtrag. Frankfurt, 1. Septbr. In der heutigen 70. Sitzung der Reichsversammlung wurde durch eine von dem Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten gegebene Erklärung in Betreff der Limburger Frage eine mehrstündige Debatte herbeigeführt. Der Abg. Wernher hatte beantragt: Die Nationalversammlung wolle beschließen, daß die betreffenden Papiere auf den Tisch des Hauses niedergelegt werden sollen, und zugleich aussprechen, daß das Ministerium des Auswärtigen in dieser Sache nicht den Grad von Beflissenheit bewiesen habe, den es hätte beweisen sollen. Von dem Abg. Eisenmann war dagegen auf einfache Tagesordnung, von andern Mitgliedern auf motivirte Tagesordnung angetragen. Die einfache Tagesordnung wurde mit 213 gegen 197 Stimmen verworfen, dagegen der Antrag Stedtmann's angenommen: in Erwägung, daß die eingetretene Verzögerung des diplomatischen Verkehrs mit dem Auslande durch die gegebenen Erläuterungen des Ministeriums hinlänglich gerechtfertigt sei, zur motivirten Tagesordnung überzugehen. Erwiderung. Die Breslauer Zeitung läßt sich in Nro. 201 aus Berlin schreiben, Ritter Schnapphahnski habe eine Menge Aktien auf die „Neue Rheinische Zeitung“ genommen und deshalb hätten die Feuilletons-Artikel über ihn aufgehört, weil eine Zeitung unmöglich gegen ihre eignen Aktionäre polemisiren könne. Die angeblich demokratische Düsseldorfer Zeitung hat sich gemüßigt gesehen diese Insinuation in ihre Spalten aufzunehmen. Mag in Berlin gefabelt werden was da will, eine Schlesische Zeit mußte wissen, daß diese Behauptung eine Lüge war und warum sie es war. Die perfide Insinuation kommt aber leider zu spät. Schon Nro. 92 der N. Rhn. Ztg., die längst vor Ankunft der Nro. 201 der Bresl. Ztg. ausgegeben wurde, enthält die Fortsetzung des besagten Feuilletons. Die Neue Rheinische Zeitung ist übrigens ein Parteiblatt und hat bereits hinlänglich den Beweis geliefert, daß sie nicht käuflich ist. Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung. Aufruf an alle freisinnigen Deutschen. Brüder, Republikaner! Wir brauchen es Euch nicht zu sagen, denn Ihr wißt es, wie so viele redlich gesinnte Vorkämpfer der Freiheit, als Flüchtlinge im Exil weilen, und jetzt in Frankreich oder der Schweiz ein Asyl gesucht und gefunden haben; — ein Asyl, das sie schützt vor der Anmaßung und den rohen Angriffen der Polizeigewalt in der Heimath. — Ihr wißt es, wie jene edlen Jünglinge, jene edlen Männer entflammt von dem heiligsten, dem glühendsten Streben nach Freiheit, sich zusammengeschaart, und mit Hecker, dem hochherzigen Hecker, an der Spitze mit bewaffneter Hand, die Sklavenketten zu brechen versucht haben, — jetzt aber ihr kühnes Unternehmen mit Verbannung büßen müssen. Das aber mögt Ihr nicht wissen, daß die meisten, ja fast alle diese Men'chen hier in Frankreich wie in der Schweiz ein elendes Leben fristen, unter einem schrecklichen Loose seufzen, unter dem Loose der tiefsten Armuth der grenzenlosesten Entblößung von Allem. Baarfuß und mit Hadern bedeckt, irren sie auf den Landstraßen umher, oder liegen siech in den Spitälern krank und verkommen durch die erduldeten Entbehrungen und Strapazen. Arbeiten wollten sie gerne, wenn nur Beschäftigung zu finden wäre, — die Zeitungen melden ja täglich neue Tumulte, von hungernden, arbeitslosen französischen Arbeitern. Darum Ihr deutschen Männer und Freunde rufen wir Euch mahnend zu: „Wollt Ihr noch Anspruch machen, auf den Namen von Republikaner, wollt Ihr Euch noch wahre Patrioten nennen, so bethätigt Eure republikanische Gesinnung; hier ist Gelegenheit dazu!“ Spart Euch ein Jeder ein Scherflein ab, und legt sie zusammen. Unterstützt Eure auf fremder Erde herumirrenden Brüder; laßt diejenigen nicht verhungern, welche ihre Existenz für die gute Sache geopfert, ja ihr Leben für dieselbe eingesetzt haben! — Noch einmal donnern wir es Euch in die Ohren und hoffen daß unsere Stimme einen Wiederhall in Euren Herzen finden werde: „Bethätigt Eure freie Gesinnung! Schnelle Hülfe ist doppelte Hülfe.“ Straßburg, am 22. August 1848. Das Unterstützungs-Komite für deutsche republikanische Flüchtlinge Jansen. J. Albert. Heinkelmann. O. Dietz. Ph. Betz. Die verehrl. Redaktionen freier Blätter werden gebeten, vorstehendem Aufrufe eine Stelle in ihren Spalten zu öffnen. Briefe, Gelder und Kleidungsstücke wolle man unter obiger Adresse hierher an Gasthaus „zum rothen Männel“ schicken. Das Gesetz über die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatze des bei öffentlichen Aufläufen verursachten Schadens. Von M. Rittinghausen. Das Ministerium Hansemann-Auerswald verirrt sich immer mehr in den alten Staat zurück, welchen die März-Revolution zu stürzen versucht hat. Ueberall taucht wieder das verderbliche Bestreben auf, Alles zu regeln und Alle für Alles verantwortlich machen zu wollen, was sich im Leben regt und bewegt. Einen unermeßlichen Schritt in dieser Richtung bildet auch der Gesetzvorschlag über die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatze des bei öffentlichen Aufläufen verursachten Schadens. Es thut mir wirklich leid, daß die Gründe nicht veröffentlicht worden sind, welche das Ministerium veranlaßt haben, einen vor dem Rechtsgefühl so wenig haltbaren Gesetzentwurf auf das Büreau der Vereinbarer-Versammlung niederzulegen. Diese Gründe müssen jedenfalls ein Wunder polizeilicher Spitzfindigkeit sein. Da wir indessen noch nichts Näheres über sie erfahren, so ist es mir weit angenehmer, das Ministerium einer unvorsichtigen Nachahmung dessen zu zeihen, was sich in einem Nachbarstaate — wenn auch in höchst zweifelhafter Geltung — vorfindet. Allerdings besteht eine gewisse Solidarität aller Mitglieder einer Gemeinde; aber diese Solidarität dahin ausdehnen wollen, daß die ganze Gemeinde für den aus dem tumultuarischen Handeln eines kleinen Haufens entstehenden Schaden verantwortlich sein soll: das heißt in der Uebertreibung doch etwas zu weit gehen; besonders wenn man bedenkt, daß in einer Emeute oft meistens nur fremde, der Gemeinde nicht angehorige Personen thätig gewesen sind. Warum soll der ruhige Kölner seinen Beutel ziehen, wenn einige hundert seiner Mitbürger ohne sein Zuthun, ohne sein Wissen, ja gegen seinen Wunsch irgendwo Scheiben eingeworfen oder Mobel zertrummert haben?! „Weil er den Tumult nicht verhindert hat!“ sagt man; aber trifft denn die Entschädigung nicht auch Die, welche physisch nicht einmal im Stande waren, einer Emeute entgegenzutreten!? fällt sie nicht auch auf die Nicht-mitglieder der Bürgerwehr, auf die Kranken, Wittwen und Waisen zurück!? Man merke sich wohl, daß es der eigentliche Zweck des Gesetzes nicht ist, die unschuldigen Opfer der Volkswuth zu entschädigen: denn dann würde noch wohl vorher in jedem einzelnen Falle zu untersuchen sein, ob der Beschädigte nicht wirklich den Ausbruch des Volkszornes sich selbst zuzuschreiben habe. Und wie könnte man überhaupt z. B. einen reichen Unschuldigen auf Kosten armer Unschuldiger, d. h. auf Kosten aller armen Gemeindeglieder entschädigen wollen!? Das Gesetz hat blos einen politischen Zweck und wo die Politik des alten régime anfängt, da hört jede Gerechtigkeit auf. Liegt es in der Macht der Bürgerwehr, so möchte ich fragen, eine Emeute nicht allein zu unterdrücken, sondern ihr sogar, wie das Gesetz verlangt, zuvorzukommen!? Eine schöne Gerechtigkeit, die! welche von dem Bürger verlangt, bei der ersten Nachricht von dem Angriffe auf ein Gebäude oder auf Personen — sein Geschäft vernachlässigend — zu den Waffen zu stürzen, die Ruhe wiederherzustellen, und die dann noch obendrein — trotz seiner Bereitwilligkeit, sich dem allgemeinen Wohle zu opfern —, von ihm Ersatz des Schadens fordert, der vor seiner Ankunft an dem Orte des Tumultes oder auch wahrend des Einschreitens verursacht worden ist; des Schadens welchen er verhindert hat, bedeutender zu werden. Sonderbare Belohnung einer guten That! Der Wehrmann hat seine Pflicht gethan, und er muß bußen für böse Handlungen, denen er ein Ende gemacht hat! Dem Beschädigten, der vielleicht die Schuld des Unglücks dadurch trägt, daß er sich durch niederträchtige Handlungen den Haß des Volkes zugezogen: ihm hat er einen Theil seiner Habe gerettet, und zum Danke dafür soll er ihm auch noch den verlorenen Theil zuruckgeben! Hätte man die Entschädigungspflicht der Gemeinden nur für den Fall festgestellt, wo die Bürgerwehr die Einschreitung verweigert oder unterläßt: so würde die Bestimmung des Gesetzvorschlages zwar eine unglückliche, aber doch eine begreifliche sein. Eine unglückliche sage ich, weil die Emeute der Art sein kann, daß — wie bei der März-Revolution — kein Einschreiten der Bürgerwehr erwartet werden darf, indem sie selbst unzufrieden mit der Regierung ist; weil endlich der Aufruhr die Folge falscher Staatsmaßregeln, der unvernünftigen Aufführung oder gar des Aufhetzens schlechter Beamten sein kann. In solchen Fallen wäre es eigentlich der Staat, der als Hervorrufer oder Anstifter der Emeute für den daraus entspringenden Schaden verantwortlich sein müßte; aber gewiß nicht die Gemeinde. Die Aufruhrer sind dann als Staatsbürger, nicht als Gemeindebürger aufgestanden. Unter zehn Fällen, die vorkommen werden, wird vielleicht nur ein einziger sein, in welchem die Gemeinde (mithin auch die Bürgerwehr), den verursachten Schaden nach strengen Rechtsbegriffen zu tragen haben würde; und deshalb ist es auch eine schreiende Ungerechtigkeit, ihr denselben immer und ohne Ausnahme aufbürden zu wollen. Aber noch mehr. Das Ministerium der That ist zu energisch, um auf halbem Wege stehen zu bleiben. Nach dem §. 1. des Gesetzentwurfs hat die Gemeinde auch für die Beschädigungen des Eigenthums oder der Personen zu haften, die durch die „Anwendung gesetzlicher, zur Zerstreuung der Menge getroffener Maßregeln“ verursacht werden. Das würde wirklicher Machiavelismus sein! Das Gesetz des Staates zwingt den Bürgerwehrmann, seine Flinte zu gebrauchen, im Nothfalle seine Kanonen gegen Gebäude und Straßen spielen zu lassen: und dann soll er schließlich Alles bezahlen; er soll seine Börse verbluten lassen, wie er seinen Körper hat verbluten lassen; er soll vielleicht mit der wenig angenehmen Aussicht fallen, daß seine Wittwe für die Schüsse ausgepfändet werden kann die er für das öffentliche Wohl abgefeuert hat. So weit ging das lächerliche Gesetz nicht, welches die furchtbare französische Revolution gebar, um zu terrorisiren; jenes Gesetz, das aus einer Versammlung kam, die auch alle „Gleichgültigen“ und alle die als „verdachtig“ einsperren ließ, welche über den „Druck der Zeit“ zu klagen wagten. Und doch scheint das französische Gesetz, das in Frankreich in den letzten fünfzig Jahren nie ausgeführt worden, das gleich nach der Rückkehr besserer Jahre von selbst in Vergessenheit fiel, das thatsächlich abgeschafft ist, und nur durch die Spitzfindigkeit einiger Richter vor 14 Jahren in Brüssel eine berüchtigte Anwendung fand, — und doch scheint dieses Gesetz dem preußischen zur Richtschnur gedient zu haben. Nur haben die Schüler noch die Lehrmeister übertroffen! Unsere Gemeinden sollen verbunden sein, auch für alle vorgekommenen persönlichen Verletzungen Schadenersatz zu leisten. Dies allen Neugierigen zur Nachricht, die sich eine Verwundung in einem Tumulte holen. Ob auch für alle Wunden der Bürgerwehr, des Militärs und der Polizei „Entschädigung“ gezahlt werden muß, darüber beobachtet das Gesetz ein ziemlich beunruhigendes Schweigen. Eine Ausnahme wird man doch nicht bei ihnen machen wollen; will man es aber nicht, so wäre es gut gewesen, dies bei der eigenthümlichen Stellung klar und deutlich auszusprechen. Der Vorfall in Schweidnitz beweist, daß dies nicht überflüssig ist. Glaubt das Ministerium etwa, sein Gesetz würde ein Sporn für Bürgerwehr sein, bei Aufständen oder Aufläufen nachdrücklicher aufzutreten, als es jetzt hier oder dort geschehen ist?! Ich bezweifle es, da es im Interesse der Bürgerwehr liegen würde, in den meisten Gelegenheiten gerade das Gegentheil zu thun. Wirft man irgendwo einige Scheiben ein, und die Bürgerwehr sieht das Gewehr im Arm ruhig zu: gut! so wird die Gemeinde zahlen müssen, aber nicht viel. Schreitet die Bürgerwehr dagegen ein, und verwundet einige Personen oder veranlaßt gar ein Gefecht: nun, dann wird die Stadt nicht so leichten Kaufs davonkommen. Besonders wird man sich hüten mussen, schreiende und tobende Banden zu zerstreuen; man konnte sie dadurch reizen, ihre Ausgelassenheit an einigen Gegenständen oder Personen zu erproben, und die Stadt, d. h. wir Alle, müßten dann „entschädigen,“ die gestrengen Ruhestifter nicht einmal ausgenommen. Wie gefahrdrohend, wie ungerecht das Gesetz für die Gemeinden ist, möge folgendes Beispiel zeigen, das einzige, welches bekannt ist. Im Jahre 1834 sollten in Brüssel die Pferde des Prinzen von Oranien auf Verlangen des belgischen Staates verkauft werden. Einige pflichtvergessene Belgier ließen eine Beitragsliste umlaufen, aus deren Ertrage man die Pferde zu einem Geschenke für den Prinzen, der mit Belgien noch im Kriege *) begriffen war, wieder ankaufen wollte. Das Ganze schien dem Volke, und wohl nicht mit Unrecht, stark nach Landesverrätherei zu riechen, und gewisse Umtriebe des Ministeriums Lebeau, sagt man, thaten das Uebrige. Der Pöbel zerstorte einige zwanzig Hotels der Orangisten, ohne daß Militär und Bürgergarde einschreiten wollten. In Folge dieser Begebenheit wurde, auf den Antrieb der sehr einflußreichen Beschadigten, die Stadt Brüssel, welche jene Auftritte weder hervorgerufen, noch hatte verhindern können, zum Schadenersatze verurtheilt, wahrend der Assisenhof die Tumultuanten freisprach. Der Schadenersatz belief sich auf viele Millionen, die nur dadurch aufzutreiben waren, daß die Stadt alle ihre Sammlungen an das Land verkaufte. Wäre Brüssel aber nicht zufällig Hauptstadt gewesen, so würde eine solche Operation, ein solcher Scheinverkauf nicht möglich gewesen sein. Durch denselben wollte der Staat seine Mißbilligung des von den Gerichtshofen angewandten, veralteten französischen Gesetzes ausdrücken. Er gab sein Geld hin, ohne daß Brüssel seine Sammlungen faktisch verlor; ja die Stadt hat sogar noch den Vortheil, die Unterhaltungskosten nicht mehr beschaffen zu müssen. Dagegen wende man das Gesetz — besonders das weit scharfere preußische — in einem ahnlichen Falle auf Köln oder eine Provinzialstadt an; man wende es auf eine arme Landgemeinde des Bergischen an, in welcher eine Riesenfabrik durch einen Arbeiterhaufen zerstört ist: und man wird diese Gemeinde vielleicht für ein Jahrhundert zerrüttet haben. Aber warum habt ihr auch eine Bürgergarde verlangt! „Was, Teufel! macht ihr auch auf dieser verfluchten Galeere!“ wie Moliere scherzend niederschrieb. Es ist vor Allem die heilige Pflicht der Gemeindebehörden, den Gesetzentwurf im Interesse der von ihnen verwalteten Bürgerschaft genau zu prüfen, und dann auf seine Zurücknahme oder Verwerfung dringend anzutragen. Handels-Nachrichten. _ [Gerichtsprotokoll] Kriminal-Prozedur gegen Ferdinand Lassalle wegen Verleitung zum Cassetten-Diebstahl. (Fortsetzung.) Zeuge. J. B. Collin, 48 Jahre alt, Weinhändler zu Aachen. Der Kaptain Carter, welcher in meinem Hause wohnt, hatte mir gesagt der Graf Hatzfeld sei auf seinem Gute Champier seines Lebens nicht mehr sicher und daher gesonnen, in meinem Hause Quartier zu nehmen. An demselben Tage, an welchem C. dies Abends mir mittheilte, war Morgens Lassalle bei uns gewesen, um ein Quartier zu miethen; meine Frau hatte aber noch nicht zugesagt, und als nun folgenden Tags der Graf Hatzfeld mit seinen Effekten bei uns anfuhr, erschien auch Lassalle um den Miethvertrag abzuschließen. Meine Frau erklärte jedoch, daß das Quartier bereits vermiethet sei, worauf Lassalle heftig wurde; er blieb in der Nähe der Effekten des Grafen stehen und besah dieselben genau und aufmerksam. — Am folgenden Tage erschien Lassalle vor meiner Wohnung und verlangte beim Grafen gemeldet zu werden; er wurde aber abgewiesen, ein Brief von ihm an den Grafen nicht angenommen. — Graf Kaiserlingk, die Gräfin Hatzfeld und der Pfarrer von Calkum kamen auch einmal in mein Haus und verlangten zum Grafen; sie wurden indessen nicht vorgelassen. Lassalles Diener, Hoppe, ist zweimal an meinem Hause gewesen, das erste Mal brachte er den vorerwähnten Brief von Lassalle. Präsid. Angekl., welchen Zweck hatten Sie, in demselben Hause mit dem Grafen Hatzfeld miethen zu wollen? Angekl. Ich bitte den Zeuge zu fragen, es geht übrigens aus seiner Erzählung auch hervor, ob nicht, als ich bei ihm miethen wollte, der Graf weder bei ihm wohnte noch gemiethet hatte? Zeuge bestätigt dies. Frau Collin, 37 Jahre alt, erzählt den Vorfall in derselben Weise wie der vorige Zeuge. Dann setzt sie hinzu, es sei einmal ein Mädchen mit geöffneten Austern an ihr Haus gekommen und habe dieselbe für den Grafen Hatzfeld übergeben wollen; sie seien von Hungs geschickt. Sie haben die Austern ohne weiteres zurückgeschickt, weil sie gefürchtet, daß sie vergiftet gewesen. Präsid. Also als der Angekl. das zweite Mal zu Ihnen kam, um zu miethen, da brachte man gerade Effekten des Grafen Hatzfeld? Zeugin. Ja. Präsid. Und der Angekl. blieb stehen und sah sie auffällig an, so daß es Ihnen verdächtig vorkam? Zeugin Ja. als die Sachen aus der Droschke gebracht wurden hatte ich ihm bereits gesagt, daß er die Zimmer nicht haben konne, und da stand er noch einige Augenblicke wie in Gedanken vertieft und sah unverwandt auf die Effekten. Präsid. Es kam Ihnen dies so verdächtig vor, daß Sie aus Furcht er könne etwas wegnehmen, im Hause stehen blieben bis er weggegangen war. Zeugin. Nein. Präsid. Nun blieben Sie denn nicht stehen, bis er fortgegangen war? Zeugin. Ja wohl. Präsid. Nun warum denn das? Zeugin. Aus Anstand und Höflichkeit. Präsid. In Ihrer Vernehmung haben Sie gesagt, Sie wären stehen geblieben, damit er nichts fortnehmen möge. — Angekl. zu welchem Zwecke haben Sie jene Effekten betrachtet in auffälliger Weise? Angekl. Ich bitte die Zeugin zu fragen ob nicht der junge Sturz aus Aachen mich damals begleitete. Zeugin. Ja ich glaube wohl. Präsid. Nun aber, Angekl., Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, warum Sie jene Sachen angesehen, so daß es der Zeugin aufgefallen ist. Angekl. Sollte die Zeugin nicht phantasirt haben? Thomas Carter, 58 Jahre alt, Kapitän a. D. Da der Zeuge der deutschen Sprache nicht mächtig ist, wird seine Aussage durch den als Dolmetscher vereideten Adv.-Anw. Rheinstein verdeutscht. Im Juli 1846 kam der Graf Hatzfeld nach Aachen und bezog das Gut Champier, am Louisberge gelegen. Der Graf war indessen kaum einige Tage dort, als er mir anzeigen ließ, daß er nicht, wie er versprochen, zu Mittag bei mir erscheinen könne. Am folgenden Morgen ritt ich zu ihm hinaus und hier gab er mir als Grund seines Ausbleibens an, daß er von seiner Frau belästigt werde. Ich bemerkte ihm hierauf, daß er vor seiner Frau nur dann Ruhe haben werde, wenn er zu mir ziehe, worauf der Graf denn auch einging. Ich miethete nun von Collin das Quartier für meine Rechnung und der Graf zog zu mir. Seine Frau hatte ihm schriftlich angezeigt, daß der Pfarrer von Calcum an einem bestimmten Tage nach Aachen kommen werde, um eine Versöhnung zwischen ihnen zu Stande zu bringen. Der Pfarrer erschien indeß an diesem Tage nicht, kam jedoch einige Tage später und überbrachte dem Grafen einen Brief der Gräfin, den er nicht angenommen hatte. Der Pfarrer machte ihm Vorwürfe, daß er, der Graf, die Versöhnung, die er bereits versprochen, nun wieder brechen wolle. Der Graf erwiederte ihm, daß er von keiner Versöhnung etwas wisse noch wissen wolle. Am Nachmittag desselben Tages erschien die Gräfin mit dem Grafen Keiserlingk und dem Pfarrer Bochum vor meiner Wohnung. Ich hatte sie auf der Straße kommen gesehen und frug den Grafen, ob man die Gräfin einlassen solle. Der Graf verbot dies streng, er wolle sie nicht sehen. Deshalb begab ich mich an die Hausthür und als die Gräfin eintreten wollte, sagte ich ihr zuerst, der Graf sei nicht zu Hause. Die Gräfin erwiederte: das ist unwahr, ich habe ihn eben durch das Fenster gesehen. Hierauf erwiederte ich: „wenn er auch zu Hause ist, Sie werden nie zu ihm gelassen werden, Madame.“ Die Gräfin sagte dagegen: „Er ist mein rechtmäßiger Gatte und Sie haben kein Recht, mich zu hindern, meinen Gatten zu sehen, ich muß ihn sprechen.“ Mit diesen Worten wollte sie an mir vorbeieilen; da trat ich ihr entgegen und drängte sie mit vorgehaltenem Stocke zurück. (Der Zeuge macht dabei die Pantomime eines horizontal entgegengehaltenen Stockes; als der Dollmetscher die Worte übersetzt hat, durchläuft ein Gemurmel des Unwillens das Publikum. Dem Präsidenten entfährt ein: So?!) Die Gräfin war hierüber sehr entrüstet und zog sich zurück mit den Worten: ich werde Sie durch meine Leute bestrafen lassen! Nachher machte Graf Keiserlingk noch einen Versuch vorgelassen zu werden, indem er mir sagte, es handle sich um eine Ehrensache. Ich antwortete ihm jedoch, es werde das auch morgen Zeit haben. Keiserlingk ging darauf weg. Ich besuchte ihn, nachdem ich Rücksprache mit dem Grafen genommen und sagte ihm, wenn es eine Ehrensache sei, so möge er sie ihm mittheilen. Graf Keiserlingk antwortete jedoch, er habe mit diesem Ausdruck nur gemeint, daß seine Ehre es nicht dulde, die Gräfin in seiner Begleitung beleidigen zu lassen; er habe die Zusammenkunft mit dem Grafen gewollt der Versöhnung wegen, die der Graf ja versprochen habe etc. — Der Diener Lassalle's brachte einmal einen Brief an den Grafen; ich wies ihn zurück, da er ihn aber mit Gewalt aufdringen wollte, warf ich ihn mit Gewalt zurück. — Nach dem Kassettendiebstahl, als ich von dem Pollmannschen Briefe gehört hatte, der im Ueberziehen Mendelsohns gefunden worden war, ging ich zur Polizei in Aachen, um sie zu veranlassen, Lassalle, Mendelsohn und Oppenheim, so wie die Gräfin zu beobachten. Der Graf war damals krank und ich hielt es für meine Pflicht, meinen Gast vor Verfolgungen zu schützen. Angekl. Ich bitte den Zeugen zu fragen, ob er sich nicht erinnert, daß Pastor Bochum an jenem Vormittage, wo er den Grafen bei Carter besucht, ihm den Vorwurf gemacht habe, daß er das in seiner eigenen Gegenwart gegebene Wort brechen wolle. Z. Der Graf hat dies allerdings gesagt, er hat aber zugleich entgegnet, er wisse nichts davon. (Fortsetzung folgt.) *) Es bestand ein bloßer Waffenstillstand. Anm. d. Verf.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 93. Köln, 3. September 1848. Beilage, S. 0472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz093b_1848/2>, abgerufen am 24.11.2024.