Neue Rheinische Zeitung. Nr. 88/89. Köln, 30. August 1848.gen der Ehre verbleibt es bei dem bisher geltenden Verfahren. Dagegen soll die Entscheidung in allen sonstigen Preßvergehen und in politischen Vergehen künftig nur durch Geschwornen-Gerichte erfolgen. §. 11. Im Bezirke des Appellations-Gerichtshofes zu Köln kommen Vergehen dieser Art zur Aburtheilung vor den Assisen, und verbleiben diejenigen Bestimmungen in Kraft, welche daselbst bei Verhandlungen und Entscheidungen dieser Art Geltung haben. §. 12. In den übrigen Landestheilen gehören dergleichen Vergehen vor Assisen, welche zu diesem Zwecke in der nachstehend näher bestimmten Art eingerichtet werden und nach Bedürfniß vierteljährlich oder auch öfter zusammentreten. §. 13. Der Gerichtshof muß aus wenigstens 5 Mitgliedern bestehen und mindestens einen Bezirk von etwa 100,000 Seelen umfassen. Fehlt es in dem Bezirke an einem Gerichtshofe der gedachten Art, so geschieht die Bildung aus den Mitgliedern der minder besetzten Gerichte. Jedem Gerichtshofe wird eine Deputation von drei Richtern als Anklage-Senat (§. 66 des Gesetzes vom 17. Juni 1846) zugetheilt. §. 14. Die Thatsache wird durch Geschworene entschieden. Die jetzigen für Frankfurt und Berlin in einem Schwurgerichts-Bezirke gewählten Wahlmänner machen zugleich die Liste der Geschworenen aus. (Folgen 46 Paragraphen über die Geschwornengerichte, Kassation etc., die fast in allen Punkten mit dem Code Napoleon übereinstimmen.) Unsere Vereinbarer-Versammlung wird sich genöthigt sehen, ihr bisheriges Sitzungslokal in der Singakademie zu verlassen. Da der Vorstand der Singakademie vom 1. Oktober an monatlich 1000 Thlr. Miethe beansprucht, so hat die Kommission ein anderes Lokal aufgesucht und sich für den großen Saal des Schauspielhauses entschieden, welcher den doppelten Vortheil hat, daß er im Winter geheitzt werden kann und dem Staate keine Miethe kostet. -- Wahrscheinlich wird zu der am 15. Sept. festgesetzten Zeit des Umzuges eine kleine Pause in den Vereinbarungsverhandlungen stattfinden. Diese Ferien werden die Herren Vereinbarer dazu benutzen, sich von ihrer viermonatlichen anstrengenden Thätigkeit, durch eine Reise in ihre resp. Wahlkreise zu erholen. Die Hetzjagd auf die Demokraten hat seit gestern von Neuem begonnen. Zuerst wurde der Prediger Dowiat verhaftet, und so eben verbreitet sich die Nachricht, daß man Edgar Bauer, Ottensosser, Karbe, Mai und mehrere andere bekannte Volksredner verhaftet habe. Es wird auch erzählt, daß ein Freund Bauer's sich dem Polizei-Kommissar, der den Befehl zu Bauer's Verhaftung hatte, für denselben sich vorstellte, und daß es demnach Edgar Bauer gelungen ist, zu entfliehen. -- Fragen Sie nach der Ursache dieser Verhaftungen, so weiß Niemand darauf zu antworten; es ist eine reine Polizeimaßregel nach altem Systeme. Den Verhaftungen ging eine nächtliche Haussuchung voran, wozu von der vollziehenden Polizeibehörde nicht allein einige Hundert Mann Konstabler, sondern auch einige Kompagnieen Bürgerwehr kommandirt wurden. Vergangene Nacht bekam nämlich das im Schloß konsignirte fliegende Korps der jungen Kaufmannschaft und andern Bürgerwehr den Befehl, auszurücken. Unterweges schloß sich ihnen ein großer Zug Konstabler an, und man zog nach dem Lokale des Handwerkervereines in der Johannisstraße. Da angelangt, begaben sich die Konstabler in das Lokal und zwangen den daselbst wohnenden Oekonom zur Herausgabe aller Munition, welche der Handwerkerverein hier aufbewahrt. Dieser Verein ist aber ein der Bürgerwehr aggregirtes fliegendes Korps, zum Tragen der Waffen, mithin auch zur Verwahrung von Munition berechtigt. -- Das Korps der jungen Kaufmannschaft, als es diese ungesetzliche Polizeiwillkür vernahm, verließ entrüstet augenblicklich seinen Posten und begab sich zum Kommandanten der Bürgerwehr, Hrn. Rimpler, welcher ihnen jedoch auf ihre Beschwerde erwiederte, sie hätten seinen Befehlen unbedingten Gehorsam zu leisten. Demzufolge hat sich das Korps der jungen Kaufmannschaft veranlaßt gesehen, einen Protest an die Straßenecken schlagen zu lassen, worin es schließlich heißt: "Das fliegende Korps der jungen Kaufmannschaft protestirt feierlichst gegen das Verlangen eines blinden Gehorsams. Es erkennt als den Zweck der Volkswehr nicht nur die Aufrechthaltung des Gesetzes, sondern auch die Wahrung des Eigenthumes und der Rechte des Volkes. Diese halten wir dadurch für verletzt, daß man einem Theile der Volkswehr die von ihnen vorräthig gehaltene Munition konfiszirt." Man ist hier allgemein entrüstet über das Benehmen unserer Polizei, die wohl in diesen Angelegenheiten nicht ohne Befehl des Ministeriums handelt. Was soll man zu solchen Willkürmaßregeln sagen, da gestern mit Zustimmung des Ministeriums ein Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit angenommen wurde, an dessen Spitze die Worte stehen: "Die persönliche Freiheit ist gewährleistet." "Die Wohnung ist unverletzlich." Bleibt ein solches Ministerium noch länger an der Spitze der Regierung, fällt es nicht schon in der morgenden Sitzung, so ist Alles vorüber, alle schönen Hoffnungen vernichtet, und wir kehren ruhig in die Zeiten des Polizeistaates zurück. -- Und das wird allerdings vor der Hand das Ende der ganzen Revolutionskomödie sein. -- 40 Berlin, 25. Aug. Heute Abend erscheint der Bericht der Central-Abtheilung über das "Martial-Gesetz." Die erste Abtheilung unter Waldeck hat den Regierungsentwurf durchweg verworfen, -- Ein Gerücht spricht von einer Differenz zwischen dem König und dem Prinzen von Preußen, in Folge welcher der etztere wieder eine Reise in das Ausland antreten dürfte. 103 Berlin, 25. August. Gestern wurden einige der Charlottenburger Gefangenen freigelassen, und einer der Gefangenen wurde von den Charlottenburgern im Triumph, bekränzt durch die Straßen des Städtchens geführt. Die andern Gefangenen, die sich noch in Arrest befinden, sucht die Charlottenburger Bourgeoisie durch Zusendung von gutem Essen und Trinken, für ihre der Reaktion bewiesenen Dienste zu entschädigen und ihren Gesinnungen und Handlungen Anerkennung zu geben. Die Untersuchung scheint in Charlottenburg noch gar nichts ermittelt zu haben; wie man sagt, in Folgen der Vorsicht des die Untersuchung leitenden Polizei-Inspektor Gesellius, der in dem Ruf steht, daß er den Ursprung der Charlottenburger Ereignisse gar nicht ermitteln wolle. Der Oberst Kaiser, Kommandant der Schutzmannschaften, ist in Folge von Konflikten, die zwischen ihm und dem Ministerium in Folge der Montagsereignisse stattfinden sollen, seiner Stelle enthoben worden. Man will diese Entlassung auch als eine Folge der enthüllten Instruktionen der Schutzmannschaften ansehen. 103 Berlin, 25. August, Wie bereits früher gemeldet, hatte das Land- und Stadtgericht in Trzemesno bei der Vereinbarerversammlung die Erlaubniß nachgesucht, den Abgeordneten Dr. Piegsa zur gerichtlichen Untersuchung, ohne Verhaftung, ziehen zu dürfen. -- Die Kommission hat ihren Bericht an die Versammlung dahin abgestattet, daß sie beantragt: Die Versammlung wolle beschließen: es sei dem Land- und Stadtgericht zu Trzemesno zu eröffnen, daß keine Veranlassung vorliege, die Genehmigung dazu zu ertheilen. -- Die Cenlral-Abtheilung bringt hiernach die Annahme des Gesetzentwurfes über Klassenstruer-Exemtionen in der folgenden Redaktion in Vorschlag. §. 1. Die nach dem Klassensteuer-Gesetze vom 30. Mai 1820 und den späteren Verordnungen für Standesherren, Geistliche, Schullehrer, Hebammen und Gensd'armen, für Offiziere, Feldwebel und Wachtmeister des stehenden Heeres und der Landwehr, die nicht mobil gemacht sind, und für Militär-Beamte bisher bestandenen Befreiungen von der Klassensteuer werden hiermit, vom 1. Okt. d. J. ab, aufgehoben. §. 2. Der Finanz-Minister ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt. Das Central-Comite der pommerschen Guts- und Brennereibesitzer hat heute an alle Vereinbarer eine Denkschrift gegen die vom Finanz-Minister projektirte Erhöhung der Maischsteuer gesandt. 40 Berlin, 27. August. Das neue Tumult-Mandat, welches durchzusetzen die Minister sich außerordentlich viel Mühe geben, kommt Montag noch nicht in die Kammer, vielleicht die ganze Woche noch nicht. Die Central-Abtheilung debattirt darüber äußerst lebhaft und gründlich. So rasch geht's nicht, wie sich Herr Kühlwetter gedacht haben mag. Das Volk wartet mit Spannung auf das Schicksal dieses Ausnahmegesetzes. Der Abgeordnete für den Mansfelder Gebirgs-Kreis, Regierungs-Assessor v. Meusebach, hat von seinen Committenten ein mit 1755 Unterschriften bedecktes Unfähigkeits-Zeugniß erhalten, weil er die Revolution verleugnet hat, weil er den Adel und seine Vorrechte erhalten wissen und weil er "vereinbaren", nichts als vereinbaren will, mithin dem Volke alle Souverainetät aber kennt; item hat der Pastor Hepohe, Deputirter für Schweidnitz, 2 Nota seiner Committenten erhalten, welche verlangen, daß er sein Mantat niederlegen möge, weil er gegen den Beschluß vom 9. August protestirt. Solche Herrn sind aber sehr dickhäutig. Der König will dem Gesetz über Abschaffung, der Todesstrafe seine Zustimmung versagen und zwar aus religiösen Bedenken. In Anhalt-Dessau soll die von der Linken ausgearbeitete Gemeinde-Ordnung eingeführt werden. 14 Berlin, 27. August. Den hiesigen Kaufleuten, welche mit Pulver handeln, soll der Verkauf desselben untersagt sein. Täglich werden ihre Vorräthe von Polizeiwegen abgewogen, um zu sehen, ob sie sich verringert haben. Eine Curiose Manier das! warum kommt man dem Volke nicht zuvor und saisirt das Pulver? Die Entwaffnung der Maschinenbauer (unserer kräftigsten Fäuste und muthigsten Herzen) soll morgen, wie mit Bestimmtheit verlautet, erfolgen. Wir werden sehen. Man spricht von argen Unruhen in Nauen und Spandau. Die Reaktionäre dieser Städte hätten sich die Charlottenburger zum Muster genommen, aber noch ärger gehaust als diese. Mehrere Demokraten sollen erschlagen sein. Die Clubs sind sehr thätig und sogar geheimnißvoll. Jedenfalls dürfen wir heute und morgen Abend, wo republikanisches Concert im Hofjäger ist, einigen Krawall erwarten. Vielleicht selbst eine Emeute. 40 Erfurt, 27. Juli. Neulich war hier das Stiftungsfest des Bürgerschützenkorps. Die Commandanten von Voß und von Klaß, der Geheime-Rath von Brauchitsch und andere Beamte waren anwesend bei dem großen Zweckessen. Sie erhoben sich hoch und beugten sich tief, als das Hoch auf den König erscholl, sie blieben sitzen, als ein Bürgerschütze ein Hoch auf Erfurt's Deputirte in Frankfurt und Berlin ausbrachte, welche nicht in ihrem Sinne gewählt sind. Solche Kleinigkeiten charakterisiren den Geist von dergleichen Subjekten und sind geeignet, die Erbitterung gegen den Geist vieler Officiere und Beamten zu mehren. 115 Breslau, 25. August. Seit einiger Zeit grassiren bei uns wieder die Katzenmusiken; doch sind sie ohne alle politische Farbe. Die Bürgerwehr ist deshalb fast jeden Abend auf den Beinen; wo sich nur ein geringes bedenkliches Lärmen hören läßt, sperrt sie gleich die Straßen; unserer Bürger-Kavallerie, die an Brutalität sich nur mit der ehemaligen Pariser Munizipal-Garde vergleichen kann, (sie besteht aus der Elite der Breslauer Bourgeois) bleibt die Räumung der Straßen überlassen. Mit einer wahren Todesverachtung stürzen sich diese berittenen Fleischer und Bierbrauer säbelschwingend in das dichteste Gedränge und übertreffen unsere wirklichen "Zarucker". -- Der bekannte Witt, gen. von Dörring, Agent der reaktionären Oberschles. Adligen, befand sich seit einigen Tagen in unseren Mauern. Sein Aufenthalt war es namentlich, der jeden Abend eine solenne Katzenmusik hervorrief, wodurch die Bürgerwehr jeden Abend nicht wenig belästigt wurde. Dies rief eine solche Erbitterung unter ihr hervor, daß das gestern wachhabende Bataillon Hrn. Witt in Flagranti ergriff, und ihn noch um Mitternacht zur Stadt hinaus eskortirte. Unsere Bürgerwehr mit Ausnahme der Bürgerwehr-Kavallerie und Scharfschützen hat, wie sie sehen, doch noch Gesinnung! München, 22. August. Thon Dittmer rüstet sich zu einem entschiedenen Schlage; es sind die Chevauxlegers von Augsburg, das Infanteriebataillon von Benediktbeuern und die in der Umgegend kantonirende reitende Artillerie beordert; die Soldaten haben gestern die Feldzulage erhalten, und es wird nach Möglichkeit daran gearbeitet, sie bei ihrer "guten Gesinnung" zu erhalten. Indessen zeigten sich gestern Nachts schon bei einem großen Theile der Infanterie Spuren von übler Stimmung. Die Bürger wollen diesen Abend noch eine Versammlung halten, und die Entfernung Thon Dittmers und des Polizeidirektors Pechmann beantragen. (M. Ab.-Z.)Reichenbach in Schl., vom 20. August. Unser Wochenblatt spricht sich über den Empfang der Schweidnitzer Füsilire folgendermaßen aus: "Heute Mittag 12 Uhr kam das berüchtigte Füsilir-Bataillon des 22. Inf.-Regts. hier an; die Soldaten wurden jedoch, wie zu erwarten stand, von sehr vielen Einwohnern gar nicht erst angenommen und aus den Quartieren gewiesen. -- Aus Frankenstein in Schlesien wird gemeldet, daß der dortige Magistrat das 22. Inf.-Regt. auf seinem Marsche nicht in die Stadt eingelassen hat. Dasselbe wurde in Dörfer der Umgegend einquartirt. -- Tages zuvor sind auch die Fouriere des Regiments schon ausgewiesen worden. 34 Aus Thüringen, 26. August. Hier zu Lande thut sich die alte Polizei-Wirthschaft immer mehr und mehr wieder auf. Bekanntlich hat die Regierung zu Erfurt Volksversammlungen mittelbar gänzlich unterdrückt, nämlich dadurch, daß sie bei schwerer Strafe verboten, daß Nicht-Preußen an solchen Versammlungen Theil nehmen. Die schweren Strafen sollen für einen solchen Fall gegen die Ordner und Redner vollstreckt werden, und da es nun schlechterdings unmöglich ist, in oder bei Erfurt, welches zwischen Sieben-Herren-Deutschländern liegt, Volksversammlungen, ohne Theilnahme von Nicht-Preußen, zu halten, so ist es natürlich, daß überhaupt keine Volksversammlungen mehr stattfinden können. Nun ist aber auch noch die Regierung zu Gotha vermocht worden, bei schwerer Strafe zu verbieten, daß von Erfurtern in ihrem Gebiete, welches an das Erfurter gränzt, Volksversammlungen gehalten werden. Weiter gehen noch dabei die niederen Gothaischen Behörden, indem sie das Verbot des Redehaltens durch Erfurter im Gothaischen Gebiete hinzusetzen. -- In Thüringens Hauptstadt wird übrigens im Beamtenpersonal durch Versetzungen und Abdankungen purifizirt. -- Am 24. d. M. sind zwei Batterieen ausmarschirt, deren Bestimmungsort Berlin sein soll. Kein wirksameres Mittel für Ordnung, Ruhe und Vertrauen, als Versetzungen von Beamten und Dislokationen von Truppen! Schweiz. Nach einer Mittheilung aus Genf, welche die "Berner Zeitung" veröffentlicht, hatte sich "das Volk in Alexandria gegen den König Karl Albert unter dessen Fenster empört, indem es gegen die Generäle Castagnetto, Scalti, Oliviert und Sonnaz schrie. Ein Bataillon Nationalgarde marschirte gegen die Haufen, aber am Platze angelangt, machte es gemeinsame Sache mit dem Volke. Hierauf wurden zwei Bataillone vom Regiment Pigneral geschickt, aber auch diese schlossen sich der Nationalgarde und dem Volke an und drangen auf Absetzung der Generäle. Wenn die Armee von dem Verrath ihrer Offiziere überzeugt ist, und die Bestrafung derselben verlangt, so ist dies ein großer Fortschritt für Italien und läßt eine bessere Zukunft erwarten." Ungarn. In Pesth spricht man ganz offen davon, daß Kossuth's Verrath mit Karl Albert durch aufgefangene Briefe des Marschalls Grafen Radetzky entdeckt sey. Ein anderes Gerücht setzt hinzu, Karl Albert habe es selbst dem Marschall Radetzky verrathen. Französische Republik. 12 Paris, 27. Aug. Die Revolution vom 24. Febr. ist in Anklagestand versetzt. Die Demokraten-Republik sitzt zum Theil in Vincennes, zum Theil in Brest. Die Burgeois-Republik ist in der Kammer. So wäre dann die Aufgabe der Untersuchungs-Kommission zu Ende. Sie hatte angefangen mit der Untersuchung der nach dem 24. Februar vorgefallenen Ereignisse: sie mußte schließen mit der Berurtheilung der aus dem 24. Februar hervorgegangenen Männer. In ihrer Vertheidigung gingen Louis Blanc und Caussidiere beständig auf die Ereignisse nach dem 24. Febr. ein: sie wollten sich rechtfertigen; sie wollten zeigen, daß sie keinen Antheil an denselben genommen hatten: und das war ihr Unglück. Ledru-Rollin dagegen ging beständig auf den 24. Febr. zurück, und zeigte, daß die jetzige Kammer, die frühere Kammer, überhaupt die ganze Partei Odilon's und Thiers's keinen Antheil an dem 24. Feb. genommen hatten, das war seine Rettung. Ledru-Rollin trat trotzig diesen Bourgeois entgegen, während die erstern sich zu rechtfertigen suchten. Wer hat gesiegt? Etwa Odilon-Barrot, etwa Thiers, oder der intriguante Marrast? Nein, keiner von ihnen: die Macht der Geldverhältnisse hat die Oberhand behalten. Am 24. Febr. war das offizielle Frankreich gestürzt. Das offizielle Frankreich aber war dasjenige, welches sich durch Korruption an der Herrschaft erhalten. Die Kapitalisten erkauften sich die Ideologen, welche die Interessen der Kapitalisten, in der Regierung, in der Kammer, in der Presse, in einer idealen Sprache vertraten; jede Fraktion Kapitalisten erkaufte sich ihre besondern Ideologen, welche ihre speziellen Interessen im Gegensatz zu denen anderer Kapitalisten in ideeller Sprache zu vertreten suchten: und so waren es am Ende die Kapitalisten, deren alleinige Interessen in der Kammer vertreten und besprochen wurden. Das korrumpirte Frankreich war am 24. Feb. politisch gestürzt: die politische Spitze der französischen Gesellschaft war umgeworfen; die korrumpirte Gesellschaft selbst, und das in den korrumpirten gesellschaftlichen Verhältnissen Erworbene bestanden noch, aber ohne Bajonette, ohne Schutz. Der Hauch des Volkes drohte auch diese Verhältnisse ebenfalls umzublasen. Die Bourgeois zitterten. Odilon-Barrot und Thiers wagten es nicht, sich auch im Geringsten verlauten zu lassen. Sie erkannten die Republik in aller Demuth an. Rothschild und Fould sogar wurden eifrige Republikaner. Einen Mann schlägt man todt, aber nicht eine Firma. Das sahen die französischen Demokraten zu spät ein. Indem man die Unverletzlichkeit des Eigenthumes proklamirte, verwechselte man das Eigenthum mit den Eigenthumsverhältnissen. Das Volk glaubte das Recht errungen zu haben, durch seine Arbeit leben zu können. Es glaubte, durch den Umsturz der politischen Verhältnisse seine sozialen Verhältnisse umgeändert zu haben. Die Aufrechthaltung der sozialen Bourgeois-Vechältnisse führte auch die alten politischen Bourgeois-Verhältnisse wieder herbei, und in der Lage des Volkes hatte sich nichts geändert. Alle Kämpfe nach dem 14. Februar waren ein Ankämpfen gegen diese Verhältnisse. Das Volk schrie nach Arbeit; man gab ihm zwar "Arbeit" in den National-Werkstätten; Blanc organisirte sogar die Arbeit zwischen Arbeitern und Arbeitgebern: aber man vergaß die Arbeitsinstrumente; man vergaß ganz einfach den Dampf. Laßt den Dampf frei, schrie das Volk; aber es war zu spät. Die Kapitalisten, indem sie einerseits die Auflösung des mit dem frühern Staate, des mit Guizot eingegangenen Anlehens zu erwirken wußten und andererseits die in dem frühern korrumpirten Staate und durch Korruption errungenen Privilegien heilig sprechen ließen, behielten den Dampf in der Tasche. Die Geldmänner, die Dampfmänner, die Männer des Kapitals blieben an der Herrschaft und schoben den Bourgeois-Republikaner Marrast als Strohmann vor. Caussidiere und Louis Blanc rechtfertigten sich, den späteren Kämpfen fremd geblieben zu sein; hätten sie ihre Theilnahme eingestanden, hätten sie geradezu gesagt: Ja, wir haben aus dem 24. Februar eine Wahrheit machen wollen, wir haben Euch stürzen wollen, so hätte vielleicht der panische Schreck, die Furcht vor einem abermaligen Ausbruche der Volkswuth das über sie verhängte Urtheil augenblicklich wenigstens suspendirt. 15 Paris, 25. August. Die "Demokratie pacifique" verlangt die bewaffnete Intervention in Italien. Und der "Spectateur republicain" ruft: "Wir hofften, die Räumung des päbstlichen Gebietes durch General Welden sei das Vorspiel einer ehrlichen Friedensunterhandlung zwischen den Großmächten ... Wir hofften auch, das unregelmäßige Trachten des deutschen Parlaments nach allen deutschredenden Landstrichen würde allgemach sich beruhigen. Geschieht dies nicht sehr bald, verweist uns jenes Parlament immerfort auf die deutsche Zunge in Schleswig und Limburg; nun, so wird sich vielleicht Frankreich noch zu rechter Zeit erinnern, daß Belgien viel französisch spricht." Auffallend genug wird dabei Posen's nicht erwähnt. Nikolaus hat an Cavaignac galante Handbillets gelangen lassen. 15 Paris, 27. August. Schon gestern Abend wußten wir Demokraten, daß Louis Blanc nichts weniger als gefangen, vielleicht schon auf dem Wege nach Belgien sei; ersteres bestätigt heute ein von ihm in "La Reforme" eingesandter kurzer Brief, worin er erklärt, sich nicht vor Anfang seines Prozesses stellen zu wollen. Was sehr vernünftig ist, denn Barbes, Blanquis, Raspail u. s. w. hat die Krämerrepublik schon 3 1/2 Monat sitzen lassen, ohne daß auch nur eine einzige Interpellation in der Kammer geschehen ist. Caussidiere soll beim Herausgehen aus der Nachtsitzung nach der Polizeipräfektur, "wo er kürzlich noch Unheil säend schaltete" (Victor Hugo's Evenement) abgeführt worden sein. Daß die Königthümler das ganze Spiel abgekartet hatten im Zirkel ihrer Straße Poitiers, ist sonnenklar; die Hälfte dieser "jungen Politiker" wollten so gar nicht nur wegen der Mai-, sondern auch wegen der Juniaffaire die Beiden angeklagt, d. h. vor's Kriegsgericht gestellt wissen, indessen fehlten zu letzterm an 100 Stimmen. Als Herr Marrast hohnlächelnd auch noch wegen des Juni abstimmen ließ, rief der junge demokratische Theaterdichter Felix Pyat: "Caussidiere hat ja nur einen Hals!" Ein Bourgeoisdeputirter schrie erblassend dagegen: "Das ist eine Drohung mit dem Schreckenssystem!" und eine Stimme der Linken antwortete: "Ja, und es wird bald über Euch kommen!" (auf die Rechte zeigend.) Die blumengeschmückten Bourgeoisdamen in rosafarbnen und himmelblauen Ballkleidern, die seit Mai, noch mehr seit Juni alle Galerieen besetzt halten (fast noch ärger also wie unter Louis Philipp) hatten einen recht genußreichen Abend und konsu- gen der Ehre verbleibt es bei dem bisher geltenden Verfahren. Dagegen soll die Entscheidung in allen sonstigen Preßvergehen und in politischen Vergehen künftig nur durch Geschwornen-Gerichte erfolgen. §. 11. Im Bezirke des Appellations-Gerichtshofes zu Köln kommen Vergehen dieser Art zur Aburtheilung vor den Assisen, und verbleiben diejenigen Bestimmungen in Kraft, welche daselbst bei Verhandlungen und Entscheidungen dieser Art Geltung haben. §. 12. In den übrigen Landestheilen gehören dergleichen Vergehen vor Assisen, welche zu diesem Zwecke in der nachstehend näher bestimmten Art eingerichtet werden und nach Bedürfniß vierteljährlich oder auch öfter zusammentreten. §. 13. Der Gerichtshof muß aus wenigstens 5 Mitgliedern bestehen und mindestens einen Bezirk von etwa 100,000 Seelen umfassen. Fehlt es in dem Bezirke an einem Gerichtshofe der gedachten Art, so geschieht die Bildung aus den Mitgliedern der minder besetzten Gerichte. Jedem Gerichtshofe wird eine Deputation von drei Richtern als Anklage-Senat (§. 66 des Gesetzes vom 17. Juni 1846) zugetheilt. §. 14. Die Thatsache wird durch Geschworene entschieden. Die jetzigen für Frankfurt und Berlin in einem Schwurgerichts-Bezirke gewählten Wahlmänner machen zugleich die Liste der Geschworenen aus. (Folgen 46 Paragraphen über die Geschwornengerichte, Kassation etc., die fast in allen Punkten mit dem Code Napoléon übereinstimmen.) Unsere Vereinbarer-Versammlung wird sich genöthigt sehen, ihr bisheriges Sitzungslokal in der Singakademie zu verlassen. Da der Vorstand der Singakademie vom 1. Oktober an monatlich 1000 Thlr. Miethe beansprucht, so hat die Kommission ein anderes Lokal aufgesucht und sich für den großen Saal des Schauspielhauses entschieden, welcher den doppelten Vortheil hat, daß er im Winter geheitzt werden kann und dem Staate keine Miethe kostet. — Wahrscheinlich wird zu der am 15. Sept. festgesetzten Zeit des Umzuges eine kleine Pause in den Vereinbarungsverhandlungen stattfinden. Diese Ferien werden die Herren Vereinbarer dazu benutzen, sich von ihrer viermonatlichen anstrengenden Thätigkeit, durch eine Reise in ihre resp. Wahlkreise zu erholen. Die Hetzjagd auf die Demokraten hat seit gestern von Neuem begonnen. Zuerst wurde der Prediger Dowiat verhaftet, und so eben verbreitet sich die Nachricht, daß man Edgar Bauer, Ottensosser, Karbe, Mai und mehrere andere bekannte Volksredner verhaftet habe. Es wird auch erzählt, daß ein Freund Bauer's sich dem Polizei-Kommissar, der den Befehl zu Bauer's Verhaftung hatte, für denselben sich vorstellte, und daß es demnach Edgar Bauer gelungen ist, zu entfliehen. — Fragen Sie nach der Ursache dieser Verhaftungen, so weiß Niemand darauf zu antworten; es ist eine reine Polizeimaßregel nach altem Systeme. Den Verhaftungen ging eine nächtliche Haussuchung voran, wozu von der vollziehenden Polizeibehörde nicht allein einige Hundert Mann Konstabler, sondern auch einige Kompagnieen Bürgerwehr kommandirt wurden. Vergangene Nacht bekam nämlich das im Schloß konsignirte fliegende Korps der jungen Kaufmannschaft und andern Bürgerwehr den Befehl, auszurücken. Unterweges schloß sich ihnen ein großer Zug Konstabler an, und man zog nach dem Lokale des Handwerkervereines in der Johannisstraße. Da angelangt, begaben sich die Konstabler in das Lokal und zwangen den daselbst wohnenden Oekonom zur Herausgabe aller Munition, welche der Handwerkerverein hier aufbewahrt. Dieser Verein ist aber ein der Bürgerwehr aggregirtes fliegendes Korps, zum Tragen der Waffen, mithin auch zur Verwahrung von Munition berechtigt. — Das Korps der jungen Kaufmannschaft, als es diese ungesetzliche Polizeiwillkür vernahm, verließ entrüstet augenblicklich seinen Posten und begab sich zum Kommandanten der Bürgerwehr, Hrn. Rimpler, welcher ihnen jedoch auf ihre Beschwerde erwiederte, sie hätten seinen Befehlen unbedingten Gehorsam zu leisten. Demzufolge hat sich das Korps der jungen Kaufmannschaft veranlaßt gesehen, einen Protest an die Straßenecken schlagen zu lassen, worin es schließlich heißt: „Das fliegende Korps der jungen Kaufmannschaft protestirt feierlichst gegen das Verlangen eines blinden Gehorsams. Es erkennt als den Zweck der Volkswehr nicht nur die Aufrechthaltung des Gesetzes, sondern auch die Wahrung des Eigenthumes und der Rechte des Volkes. Diese halten wir dadurch für verletzt, daß man einem Theile der Volkswehr die von ihnen vorräthig gehaltene Munition konfiszirt.“ Man ist hier allgemein entrüstet über das Benehmen unserer Polizei, die wohl in diesen Angelegenheiten nicht ohne Befehl des Ministeriums handelt. Was soll man zu solchen Willkürmaßregeln sagen, da gestern mit Zustimmung des Ministeriums ein Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit angenommen wurde, an dessen Spitze die Worte stehen: „Die persönliche Freiheit ist gewährleistet.“ „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Bleibt ein solches Ministerium noch länger an der Spitze der Regierung, fällt es nicht schon in der morgenden Sitzung, so ist Alles vorüber, alle schönen Hoffnungen vernichtet, und wir kehren ruhig in die Zeiten des Polizeistaates zurück. — Und das wird allerdings vor der Hand das Ende der ganzen Revolutionskomödie sein. — 40 Berlin, 25. Aug. Heute Abend erscheint der Bericht der Central-Abtheilung über das „Martial-Gesetz.“ Die erste Abtheilung unter Waldeck hat den Regierungsentwurf durchweg verworfen, — Ein Gerücht spricht von einer Differenz zwischen dem König und dem Prinzen von Preußen, in Folge welcher der etztere wieder eine Reise in das Ausland antreten dürfte. 103 Berlin, 25. August. Gestern wurden einige der Charlottenburger Gefangenen freigelassen, und einer der Gefangenen wurde von den Charlottenburgern im Triumph, bekränzt durch die Straßen des Städtchens geführt. Die andern Gefangenen, die sich noch in Arrest befinden, sucht die Charlottenburger Bourgeoisie durch Zusendung von gutem Essen und Trinken, für ihre der Reaktion bewiesenen Dienste zu entschädigen und ihren Gesinnungen und Handlungen Anerkennung zu geben. Die Untersuchung scheint in Charlottenburg noch gar nichts ermittelt zu haben; wie man sagt, in Folgen der Vorsicht des die Untersuchung leitenden Polizei-Inspektor Gesellius, der in dem Ruf steht, daß er den Ursprung der Charlottenburger Ereignisse gar nicht ermitteln wolle. Der Oberst Kaiser, Kommandant der Schutzmannschaften, ist in Folge von Konflikten, die zwischen ihm und dem Ministerium in Folge der Montagsereignisse stattfinden sollen, seiner Stelle enthoben worden. Man will diese Entlassung auch als eine Folge der enthüllten Instruktionen der Schutzmannschaften ansehen. 103 Berlin, 25. August, Wie bereits früher gemeldet, hatte das Land- und Stadtgericht in Trzemesno bei der Vereinbarerversammlung die Erlaubniß nachgesucht, den Abgeordneten Dr. Piègsa zur gerichtlichen Untersuchung, ohne Verhaftung, ziehen zu dürfen. — Die Kommission hat ihren Bericht an die Versammlung dahin abgestattet, daß sie beantragt: Die Versammlung wolle beschließen: es sei dem Land- und Stadtgericht zu Trzemesno zu eröffnen, daß keine Veranlassung vorliege, die Genehmigung dazu zu ertheilen. — Die Cenlral-Abtheilung bringt hiernach die Annahme des Gesetzentwurfes über Klassenstruer-Exemtionen in der folgenden Redaktion in Vorschlag. §. 1. Die nach dem Klassensteuer-Gesetze vom 30. Mai 1820 und den späteren Verordnungen für Standesherren, Geistliche, Schullehrer, Hebammen und Gensd'armen, für Offiziere, Feldwebel und Wachtmeister des stehenden Heeres und der Landwehr, die nicht mobil gemacht sind, und für Militär-Beamte bisher bestandenen Befreiungen von der Klassensteuer werden hiermit, vom 1. Okt. d. J. ab, aufgehoben. §. 2. Der Finanz-Minister ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt. Das Central-Comité der pommerschen Guts- und Brennereibesitzer hat heute an alle Vereinbarer eine Denkschrift gegen die vom Finanz-Minister projektirte Erhöhung der Maischsteuer gesandt. 40 Berlin, 27. August. Das neue Tumult-Mandat, welches durchzusetzen die Minister sich außerordentlich viel Mühe geben, kommt Montag noch nicht in die Kammer, vielleicht die ganze Woche noch nicht. Die Central-Abtheilung debattirt darüber äußerst lebhaft und gründlich. So rasch geht's nicht, wie sich Herr Kühlwetter gedacht haben mag. Das Volk wartet mit Spannung auf das Schicksal dieses Ausnahmegesetzes. Der Abgeordnete für den Mansfelder Gebirgs-Kreis, Regierungs-Assessor v. Meusebach, hat von seinen Committenten ein mit 1755 Unterschriften bedecktes Unfähigkeits-Zeugniß erhalten, weil er die Revolution verleugnet hat, weil er den Adel und seine Vorrechte erhalten wissen und weil er „vereinbaren“, nichts als vereinbaren will, mithin dem Volke alle Souverainetät aber kennt; item hat der Pastor Hepohe, Deputirter für Schweidnitz, 2 Nota seiner Committenten erhalten, welche verlangen, daß er sein Mantat niederlegen möge, weil er gegen den Beschluß vom 9. August protestirt. Solche Herrn sind aber sehr dickhäutig. Der König will dem Gesetz über Abschaffung, der Todesstrafe seine Zustimmung versagen und zwar aus religiösen Bedenken. In Anhalt-Dessau soll die von der Linken ausgearbeitete Gemeinde-Ordnung eingeführt werden. 14 Berlin, 27. August. Den hiesigen Kaufleuten, welche mit Pulver handeln, soll der Verkauf desselben untersagt sein. Täglich werden ihre Vorräthe von Polizeiwegen abgewogen, um zu sehen, ob sie sich verringert haben. Eine Curiose Manier das! warum kommt man dem Volke nicht zuvor und saisirt das Pulver? Die Entwaffnung der Maschinenbauer (unserer kräftigsten Fäuste und muthigsten Herzen) soll morgen, wie mit Bestimmtheit verlautet, erfolgen. Wir werden sehen. Man spricht von argen Unruhen in Nauen und Spandau. Die Reaktionäre dieser Städte hätten sich die Charlottenburger zum Muster genommen, aber noch ärger gehaust als diese. Mehrere Demokraten sollen erschlagen sein. Die Clubs sind sehr thätig und sogar geheimnißvoll. Jedenfalls dürfen wir heute und morgen Abend, wo republikanisches Concert im Hofjäger ist, einigen Krawall erwarten. Vielleicht selbst eine Emeute. 40 Erfurt, 27. Juli. Neulich war hier das Stiftungsfest des Bürgerschützenkorps. Die Commandanten von Voß und von Klaß, der Geheime-Rath von Brauchitsch und andere Beamte waren anwesend bei dem großen Zweckessen. Sie erhoben sich hoch und beugten sich tief, als das Hoch auf den König erscholl, sie blieben sitzen, als ein Bürgerschütze ein Hoch auf Erfurt's Deputirte in Frankfurt und Berlin ausbrachte, welche nicht in ihrem Sinne gewählt sind. Solche Kleinigkeiten charakterisiren den Geist von dergleichen Subjekten und sind geeignet, die Erbitterung gegen den Geist vieler Officiere und Beamten zu mehren. 115 Breslau, 25. August. Seit einiger Zeit grassiren bei uns wieder die Katzenmusiken; doch sind sie ohne alle politische Farbe. Die Bürgerwehr ist deshalb fast jeden Abend auf den Beinen; wo sich nur ein geringes bedenkliches Lärmen hören läßt, sperrt sie gleich die Straßen; unserer Bürger-Kavallerie, die an Brutalität sich nur mit der ehemaligen Pariser Munizipal-Garde vergleichen kann, (sie besteht aus der Elite der Breslauer Bourgeois) bleibt die Räumung der Straßen überlassen. Mit einer wahren Todesverachtung stürzen sich diese berittenen Fleischer und Bierbrauer säbelschwingend in das dichteste Gedränge und übertreffen unsere wirklichen „Zarucker“. — Der bekannte Witt, gen. von Dörring, Agent der reaktionären Oberschles. Adligen, befand sich seit einigen Tagen in unseren Mauern. Sein Aufenthalt war es namentlich, der jeden Abend eine solenne Katzenmusik hervorrief, wodurch die Bürgerwehr jeden Abend nicht wenig belästigt wurde. Dies rief eine solche Erbitterung unter ihr hervor, daß das gestern wachhabende Bataillon Hrn. Witt in Flagranti ergriff, und ihn noch um Mitternacht zur Stadt hinaus eskortirte. Unsere Bürgerwehr mit Ausnahme der Bürgerwehr-Kavallerie und Scharfschützen hat, wie sie sehen, doch noch Gesinnung! München, 22. August. Thon Dittmer rüstet sich zu einem entschiedenen Schlage; es sind die Chevauxlegers von Augsburg, das Infanteriebataillon von Benediktbeuern und die in der Umgegend kantonirende reitende Artillerie beordert; die Soldaten haben gestern die Feldzulage erhalten, und es wird nach Möglichkeit daran gearbeitet, sie bei ihrer „guten Gesinnung“ zu erhalten. Indessen zeigten sich gestern Nachts schon bei einem großen Theile der Infanterie Spuren von übler Stimmung. Die Bürger wollen diesen Abend noch eine Versammlung halten, und die Entfernung Thon Dittmers und des Polizeidirektors Pechmann beantragen. (M. Ab.-Z.)Reichenbach in Schl., vom 20. August. Unser Wochenblatt spricht sich über den Empfang der Schweidnitzer Füsilire folgendermaßen aus: „Heute Mittag 12 Uhr kam das berüchtigte Füsilir-Bataillon des 22. Inf.-Regts. hier an; die Soldaten wurden jedoch, wie zu erwarten stand, von sehr vielen Einwohnern gar nicht erst angenommen und aus den Quartieren gewiesen. — Aus Frankenstein in Schlesien wird gemeldet, daß der dortige Magistrat das 22. Inf.-Regt. auf seinem Marsche nicht in die Stadt eingelassen hat. Dasselbe wurde in Dörfer der Umgegend einquartirt. — Tages zuvor sind auch die Fouriere des Regiments schon ausgewiesen worden. 34 Aus Thüringen, 26. August. Hier zu Lande thut sich die alte Polizei-Wirthschaft immer mehr und mehr wieder auf. Bekanntlich hat die Regierung zu Erfurt Volksversammlungen mittelbar gänzlich unterdrückt, nämlich dadurch, daß sie bei schwerer Strafe verboten, daß Nicht-Preußen an solchen Versammlungen Theil nehmen. Die schweren Strafen sollen für einen solchen Fall gegen die Ordner und Redner vollstreckt werden, und da es nun schlechterdings unmöglich ist, in oder bei Erfurt, welches zwischen Sieben-Herren-Deutschländern liegt, Volksversammlungen, ohne Theilnahme von Nicht-Preußen, zu halten, so ist es natürlich, daß überhaupt keine Volksversammlungen mehr stattfinden können. Nun ist aber auch noch die Regierung zu Gotha vermocht worden, bei schwerer Strafe zu verbieten, daß von Erfurtern in ihrem Gebiete, welches an das Erfurter gränzt, Volksversammlungen gehalten werden. Weiter gehen noch dabei die niederen Gothaischen Behörden, indem sie das Verbot des Redehaltens durch Erfurter im Gothaischen Gebiete hinzusetzen. — In Thüringens Hauptstadt wird übrigens im Beamtenpersonal durch Versetzungen und Abdankungen purifizirt. — Am 24. d. M. sind zwei Batterieen ausmarschirt, deren Bestimmungsort Berlin sein soll. Kein wirksameres Mittel für Ordnung, Ruhe und Vertrauen, als Versetzungen von Beamten und Dislokationen von Truppen! Schweiz. Nach einer Mittheilung aus Genf, welche die „Berner Zeitung“ veröffentlicht, hatte sich „das Volk in Alexandria gegen den König Karl Albert unter dessen Fenster empört, indem es gegen die Generäle Castagnetto, Scalti, Oliviert und Sonnaz schrie. Ein Bataillon Nationalgarde marschirte gegen die Haufen, aber am Platze angelangt, machte es gemeinsame Sache mit dem Volke. Hierauf wurden zwei Bataillone vom Regiment Pigneral geschickt, aber auch diese schlossen sich der Nationalgarde und dem Volke an und drangen auf Absetzung der Generäle. Wenn die Armee von dem Verrath ihrer Offiziere überzeugt ist, und die Bestrafung derselben verlangt, so ist dies ein großer Fortschritt für Italien und läßt eine bessere Zukunft erwarten.“ Ungarn. In Pesth spricht man ganz offen davon, daß Kossuth's Verrath mit Karl Albert durch aufgefangene Briefe des Marschalls Grafen Radetzky entdeckt sey. Ein anderes Gerücht setzt hinzu, Karl Albert habe es selbst dem Marschall Radetzky verrathen. Französische Republik. 12 Paris, 27. Aug. Die Revolution vom 24. Febr. ist in Anklagestand versetzt. Die Demokraten-Republik sitzt zum Theil in Vincennes, zum Theil in Brest. Die Burgeois-Republik ist in der Kammer. So wäre dann die Aufgabe der Untersuchungs-Kommission zu Ende. Sie hatte angefangen mit der Untersuchung der nach dem 24. Februar vorgefallenen Ereignisse: sie mußte schließen mit der Berurtheilung der aus dem 24. Februar hervorgegangenen Männer. In ihrer Vertheidigung gingen Louis Blanc und Caussidière beständig auf die Ereignisse nach dem 24. Febr. ein: sie wollten sich rechtfertigen; sie wollten zeigen, daß sie keinen Antheil an denselben genommen hatten: und das war ihr Unglück. Ledru-Rollin dagegen ging beständig auf den 24. Febr. zurück, und zeigte, daß die jetzige Kammer, die frühere Kammer, überhaupt die ganze Partei Odilon's und Thiers's keinen Antheil an dem 24. Feb. genommen hatten, das war seine Rettung. Ledru-Rollin trat trotzig diesen Bourgeois entgegen, während die erstern sich zu rechtfertigen suchten. Wer hat gesiegt? Etwa Odilon-Barrot, etwa Thiers, oder der intriguante Marrast? Nein, keiner von ihnen: die Macht der Geldverhältnisse hat die Oberhand behalten. Am 24. Febr. war das offizielle Frankreich gestürzt. Das offizielle Frankreich aber war dasjenige, welches sich durch Korruption an der Herrschaft erhalten. Die Kapitalisten erkauften sich die Ideologen, welche die Interessen der Kapitalisten, in der Regierung, in der Kammer, in der Presse, in einer idealen Sprache vertraten; jede Fraktion Kapitalisten erkaufte sich ihre besondern Ideologen, welche ihre speziellen Interessen im Gegensatz zu denen anderer Kapitalisten in ideeller Sprache zu vertreten suchten: und so waren es am Ende die Kapitalisten, deren alleinige Interessen in der Kammer vertreten und besprochen wurden. Das korrumpirte Frankreich war am 24. Feb. politisch gestürzt: die politische Spitze der französischen Gesellschaft war umgeworfen; die korrumpirte Gesellschaft selbst, und das in den korrumpirten gesellschaftlichen Verhältnissen Erworbene bestanden noch, aber ohne Bajonette, ohne Schutz. Der Hauch des Volkes drohte auch diese Verhältnisse ebenfalls umzublasen. Die Bourgeois zitterten. Odilon-Barrot und Thiers wagten es nicht, sich auch im Geringsten verlauten zu lassen. Sie erkannten die Republik in aller Demuth an. Rothschild und Fould sogar wurden eifrige Republikaner. Einen Mann schlägt man todt, aber nicht eine Firma. Das sahen die französischen Demokraten zu spät ein. Indem man die Unverletzlichkeit des Eigenthumes proklamirte, verwechselte man das Eigenthum mit den Eigenthumsverhältnissen. Das Volk glaubte das Recht errungen zu haben, durch seine Arbeit leben zu können. Es glaubte, durch den Umsturz der politischen Verhältnisse seine sozialen Verhältnisse umgeändert zu haben. Die Aufrechthaltung der sozialen Bourgeois-Vechältnisse führte auch die alten politischen Bourgeois-Verhältnisse wieder herbei, und in der Lage des Volkes hatte sich nichts geändert. Alle Kämpfe nach dem 14. Februar waren ein Ankämpfen gegen diese Verhältnisse. Das Volk schrie nach Arbeit; man gab ihm zwar „Arbeit“ in den National-Werkstätten; Blanc organisirte sogar die Arbeit zwischen Arbeitern und Arbeitgebern: aber man vergaß die Arbeitsinstrumente; man vergaß ganz einfach den Dampf. Laßt den Dampf frei, schrie das Volk; aber es war zu spät. Die Kapitalisten, indem sie einerseits die Auflösung des mit dem frühern Staate, des mit Guizot eingegangenen Anlehens zu erwirken wußten und andererseits die in dem frühern korrumpirten Staate und durch Korruption errungenen Privilegien heilig sprechen ließen, behielten den Dampf in der Tasche. Die Geldmänner, die Dampfmänner, die Männer des Kapitals blieben an der Herrschaft und schoben den Bourgeois-Republikaner Marrast als Strohmann vor. Caussidière und Louis Blanc rechtfertigten sich, den späteren Kämpfen fremd geblieben zu sein; hätten sie ihre Theilnahme eingestanden, hätten sie geradezu gesagt: Ja, wir haben aus dem 24. Februar eine Wahrheit machen wollen, wir haben Euch stürzen wollen, so hätte vielleicht der panische Schreck, die Furcht vor einem abermaligen Ausbruche der Volkswuth das über sie verhängte Urtheil augenblicklich wenigstens suspendirt. 15 Paris, 25. August. Die „Demokratie pacifique“ verlangt die bewaffnete Intervention in Italien. Und der „Spectateur republicain“ ruft: „Wir hofften, die Räumung des päbstlichen Gebietes durch General Welden sei das Vorspiel einer ehrlichen Friedensunterhandlung zwischen den Großmächten … Wir hofften auch, das unregelmäßige Trachten des deutschen Parlaments nach allen deutschredenden Landstrichen würde allgemach sich beruhigen. Geschieht dies nicht sehr bald, verweist uns jenes Parlament immerfort auf die deutsche Zunge in Schleswig und Limburg; nun, so wird sich vielleicht Frankreich noch zu rechter Zeit erinnern, daß Belgien viel französisch spricht.“ Auffallend genug wird dabei Posen's nicht erwähnt. Nikolaus hat an Cavaignac galante Handbillets gelangen lassen. 15 Paris, 27. August. Schon gestern Abend wußten wir Demokraten, daß Louis Blanc nichts weniger als gefangen, vielleicht schon auf dem Wege nach Belgien sei; ersteres bestätigt heute ein von ihm in „La Reforme“ eingesandter kurzer Brief, worin er erklärt, sich nicht vor Anfang seines Prozesses stellen zu wollen. Was sehr vernünftig ist, denn Barbes, Blanquis, Raspail u. s. w. hat die Krämerrepublik schon 3 1/2 Monat sitzen lassen, ohne daß auch nur eine einzige Interpellation in der Kammer geschehen ist. Caussidière soll beim Herausgehen aus der Nachtsitzung nach der Polizeipräfektur, „wo er kürzlich noch Unheil säend schaltete“ (Victor Hugo's Evenement) abgeführt worden sein. Daß die Königthümler das ganze Spiel abgekartet hatten im Zirkel ihrer Straße Poitiers, ist sonnenklar; die Hälfte dieser „jungen Politiker“ wollten so gar nicht nur wegen der Mai-, sondern auch wegen der Juniaffaire die Beiden angeklagt, d. h. vor's Kriegsgericht gestellt wissen, indessen fehlten zu letzterm an 100 Stimmen. Als Herr Marrast hohnlächelnd auch noch wegen des Juni abstimmen ließ, rief der junge demokratische Theaterdichter Felix Pyat: „Caussidière hat ja nur einen Hals!“ Ein Bourgeoisdeputirter schrie erblassend dagegen: „Das ist eine Drohung mit dem Schreckenssystem!“ und eine Stimme der Linken antwortete: „Ja, und es wird bald über Euch kommen!“ (auf die Rechte zeigend.) Die blumengeschmückten Bourgeoisdamen in rosafarbnen und himmelblauen Ballkleidern, die seit Mai, noch mehr seit Juni alle Galerieen besetzt halten (fast noch ärger also wie unter Louis Philipp) hatten einen recht genußreichen Abend und konsu- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar088-089_011" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0453"/> gen der Ehre verbleibt es bei dem bisher geltenden Verfahren. Dagegen soll die Entscheidung in allen sonstigen Preßvergehen und in politischen Vergehen künftig nur durch Geschwornen-Gerichte erfolgen.</p> <p>§. 11. Im Bezirke des Appellations-Gerichtshofes zu Köln kommen Vergehen dieser Art zur Aburtheilung vor den Assisen, und verbleiben diejenigen Bestimmungen in Kraft, welche daselbst bei Verhandlungen und Entscheidungen dieser Art Geltung haben.</p> <p>§. 12. In den übrigen Landestheilen gehören dergleichen Vergehen vor Assisen, welche zu diesem Zwecke in der nachstehend näher bestimmten Art eingerichtet werden und nach Bedürfniß vierteljährlich oder auch öfter zusammentreten.</p> <p>§. 13. Der Gerichtshof muß aus wenigstens 5 Mitgliedern bestehen und mindestens einen Bezirk von etwa 100,000 Seelen umfassen. Fehlt es in dem Bezirke an einem Gerichtshofe der gedachten Art, so geschieht die Bildung aus den Mitgliedern der minder besetzten Gerichte. Jedem Gerichtshofe wird eine Deputation von drei Richtern als Anklage-Senat (§. 66 des Gesetzes vom 17. Juni 1846) zugetheilt.</p> <p>§. 14. Die Thatsache wird durch Geschworene entschieden. Die jetzigen für Frankfurt und Berlin in einem Schwurgerichts-Bezirke gewählten Wahlmänner machen zugleich die Liste der Geschworenen aus.</p> <p>(Folgen 46 Paragraphen über die Geschwornengerichte, Kassation etc., die fast in allen Punkten mit dem Code Napoléon übereinstimmen.)</p> <p>Unsere Vereinbarer-Versammlung wird sich genöthigt sehen, ihr bisheriges Sitzungslokal in der Singakademie zu verlassen. Da der Vorstand der Singakademie vom 1. Oktober an monatlich 1000 Thlr. Miethe beansprucht, so hat die Kommission ein anderes Lokal aufgesucht und sich für den großen Saal des Schauspielhauses entschieden, welcher den doppelten Vortheil hat, daß er im Winter geheitzt werden kann und dem Staate keine Miethe kostet. — Wahrscheinlich wird zu der am 15. Sept. festgesetzten Zeit des Umzuges eine kleine Pause in den Vereinbarungsverhandlungen stattfinden. Diese Ferien werden die Herren Vereinbarer dazu benutzen, sich von ihrer viermonatlichen anstrengenden Thätigkeit, durch eine Reise in ihre resp. Wahlkreise zu erholen.</p> <p>Die Hetzjagd auf die Demokraten hat seit gestern von Neuem begonnen. Zuerst wurde der Prediger <hi rendition="#g">Dowiat</hi> verhaftet, und so eben verbreitet sich die Nachricht, daß man <hi rendition="#g">Edgar Bauer, Ottensosser, Karbe, Mai</hi> und mehrere andere bekannte Volksredner verhaftet habe. Es wird auch erzählt, daß ein Freund Bauer's sich dem Polizei-Kommissar, der den Befehl zu Bauer's Verhaftung hatte, für denselben sich vorstellte, und daß es demnach Edgar Bauer gelungen ist, zu entfliehen. — Fragen Sie nach der Ursache dieser Verhaftungen, so weiß Niemand darauf zu antworten; es ist eine reine Polizeimaßregel nach altem Systeme.</p> <p>Den Verhaftungen ging eine nächtliche Haussuchung voran, wozu von der vollziehenden Polizeibehörde nicht allein einige Hundert Mann Konstabler, sondern auch einige Kompagnieen Bürgerwehr kommandirt wurden. Vergangene Nacht bekam nämlich das im Schloß konsignirte fliegende Korps der jungen Kaufmannschaft und andern Bürgerwehr den Befehl, auszurücken. Unterweges schloß sich ihnen ein großer Zug Konstabler an, und man zog nach dem Lokale des Handwerkervereines in der Johannisstraße. Da angelangt, begaben sich die Konstabler in das Lokal und zwangen den daselbst wohnenden Oekonom zur Herausgabe aller Munition, welche der Handwerkerverein hier aufbewahrt. Dieser Verein ist aber ein der Bürgerwehr aggregirtes fliegendes Korps, zum Tragen der Waffen, mithin auch zur Verwahrung von Munition berechtigt. — Das Korps der jungen Kaufmannschaft, als es diese ungesetzliche Polizeiwillkür vernahm, verließ entrüstet augenblicklich seinen Posten und begab sich zum Kommandanten der Bürgerwehr, Hrn. Rimpler, welcher ihnen jedoch auf ihre Beschwerde erwiederte, sie hätten seinen Befehlen unbedingten Gehorsam zu leisten. Demzufolge hat sich das Korps der jungen Kaufmannschaft veranlaßt gesehen, einen Protest an die Straßenecken schlagen zu lassen, worin es schließlich heißt:</p> <p>„Das fliegende Korps der jungen Kaufmannschaft protestirt feierlichst gegen das Verlangen eines blinden Gehorsams. Es erkennt als den Zweck der Volkswehr nicht nur die Aufrechthaltung des Gesetzes, sondern auch <hi rendition="#g">die Wahrung des Eigenthumes</hi> und <hi rendition="#g">der Rechte des Volkes</hi>. Diese halten wir dadurch für verletzt, daß man einem Theile der Volkswehr die von ihnen vorräthig gehaltene Munition konfiszirt.“</p> <p>Man ist hier allgemein entrüstet über das Benehmen unserer Polizei, die wohl in diesen Angelegenheiten nicht ohne Befehl des Ministeriums handelt. Was soll man zu solchen Willkürmaßregeln sagen, da gestern mit Zustimmung des Ministeriums ein Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit angenommen wurde, an dessen Spitze die Worte stehen:</p> <p>„Die persönliche Freiheit ist gewährleistet.“</p> <p>„Die Wohnung ist unverletzlich.“</p> <p>Bleibt ein solches Ministerium noch länger an der Spitze der Regierung, fällt es nicht schon in der morgenden Sitzung, so ist Alles vorüber, alle schönen Hoffnungen vernichtet, und wir kehren ruhig in die Zeiten des Polizeistaates zurück. —</p> <p>Und das wird allerdings vor der Hand das Ende der ganzen Revolutionskomödie sein. —</p> </div> <div xml:id="ar088-089_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>40</author></bibl> Berlin, 25. Aug.</head> <p><hi rendition="#g">Heute Abend</hi> erscheint der Bericht der Central-Abtheilung über das „Martial-Gesetz.“ Die erste Abtheilung unter Waldeck hat den Regierungsentwurf durchweg <hi rendition="#g">verworfen</hi>, — Ein Gerücht spricht von einer Differenz zwischen dem König und dem Prinzen von Preußen, in Folge welcher der etztere wieder eine Reise in das Ausland antreten dürfte.</p> </div> <div xml:id="ar088-089_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 25. August.</head> <p>Gestern wurden einige der Charlottenburger Gefangenen freigelassen, und einer der Gefangenen wurde von den Charlottenburgern im Triumph, bekränzt durch die Straßen des Städtchens geführt. Die andern Gefangenen, die sich noch in Arrest befinden, sucht die Charlottenburger Bourgeoisie durch Zusendung von gutem Essen und Trinken, für ihre der Reaktion bewiesenen Dienste zu entschädigen und ihren Gesinnungen und Handlungen Anerkennung zu geben. Die Untersuchung scheint in Charlottenburg noch gar nichts ermittelt zu haben; wie man sagt, in Folgen der Vorsicht des die Untersuchung leitenden Polizei-Inspektor <hi rendition="#g">Gesellius</hi>, der in dem Ruf steht, daß er den Ursprung der Charlottenburger Ereignisse gar nicht ermitteln wolle.</p> <p>Der Oberst <hi rendition="#g">Kaiser,</hi> Kommandant der Schutzmannschaften, ist in Folge von Konflikten, die zwischen ihm und dem Ministerium in Folge der Montagsereignisse stattfinden sollen, seiner Stelle enthoben worden. Man will diese Entlassung auch als eine Folge der enthüllten Instruktionen der Schutzmannschaften ansehen.</p> </div> <div xml:id="ar088-089_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 25. August,</head> <p>Wie bereits früher gemeldet, hatte das Land- und Stadtgericht in Trzemesno bei der Vereinbarerversammlung die Erlaubniß nachgesucht, den Abgeordneten Dr. Piègsa zur gerichtlichen Untersuchung, ohne Verhaftung, ziehen zu dürfen.</p> <p>— Die Kommission hat ihren Bericht an die Versammlung dahin abgestattet, daß sie beantragt: Die Versammlung wolle beschließen: es sei dem Land- und Stadtgericht zu Trzemesno zu eröffnen, daß keine Veranlassung vorliege, die Genehmigung dazu zu ertheilen.</p> <p>— Die Cenlral-Abtheilung bringt hiernach die Annahme des Gesetzentwurfes über Klassenstruer-Exemtionen in der folgenden Redaktion in Vorschlag.</p> <p>§. 1. Die nach dem Klassensteuer-Gesetze vom 30. Mai 1820 und den späteren Verordnungen für Standesherren, Geistliche, Schullehrer, Hebammen und Gensd'armen, für Offiziere, Feldwebel und Wachtmeister des stehenden Heeres und der Landwehr, die nicht mobil gemacht sind, und für Militär-Beamte bisher bestandenen Befreiungen von der Klassensteuer werden hiermit, vom 1. Okt. d. J. ab, aufgehoben.</p> <p>§. 2. Der Finanz-Minister ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.</p> <p>Das Central-Comité der pommerschen Guts- und Brennereibesitzer hat heute an alle Vereinbarer eine Denkschrift gegen die vom Finanz-Minister projektirte Erhöhung der Maischsteuer gesandt.</p> </div> <div xml:id="ar088-089_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>40</author></bibl> Berlin, 27. August.</head> <p>Das neue Tumult-Mandat, welches durchzusetzen die Minister sich außerordentlich viel Mühe geben, kommt Montag noch nicht in die Kammer, vielleicht die ganze Woche noch nicht. Die Central-Abtheilung debattirt darüber äußerst lebhaft und gründlich. So rasch geht's nicht, wie sich Herr Kühlwetter gedacht haben mag. Das Volk wartet mit Spannung auf das Schicksal dieses Ausnahmegesetzes.</p> <p>Der Abgeordnete für den Mansfelder Gebirgs-Kreis, Regierungs-Assessor v. Meusebach, hat von seinen Committenten ein mit 1755 Unterschriften bedecktes Unfähigkeits-Zeugniß erhalten, weil er die Revolution verleugnet hat, weil er den Adel und seine Vorrechte erhalten wissen und weil er „vereinbaren“, nichts als vereinbaren will, mithin dem Volke alle Souverainetät aber kennt; item hat der Pastor Hepohe, Deputirter für Schweidnitz, 2 Nota seiner Committenten erhalten, welche verlangen, daß er sein Mantat niederlegen möge, weil er gegen den Beschluß vom 9. August protestirt. Solche Herrn sind aber sehr dickhäutig.</p> <p>Der König will dem Gesetz über Abschaffung, der Todesstrafe seine Zustimmung versagen und zwar aus <hi rendition="#g">religiösen Bedenken</hi>. In Anhalt-Dessau soll die von der Linken ausgearbeitete Gemeinde-Ordnung eingeführt werden.</p> </div> <div xml:id="ar088-089_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Berlin, 27. August.</head> <p>Den hiesigen Kaufleuten, welche mit Pulver handeln, soll der Verkauf desselben untersagt sein. Täglich werden ihre Vorräthe von Polizeiwegen abgewogen, um zu sehen, ob sie sich verringert haben. Eine Curiose Manier das! warum kommt man dem Volke nicht zuvor und saisirt das Pulver? Die Entwaffnung der Maschinenbauer (unserer kräftigsten Fäuste und muthigsten Herzen) soll morgen, wie mit Bestimmtheit verlautet, erfolgen. Wir werden sehen. Man spricht von argen Unruhen in Nauen und Spandau.</p> <p>Die Reaktionäre dieser Städte hätten sich die Charlottenburger zum Muster genommen, aber noch ärger gehaust als diese. Mehrere Demokraten sollen erschlagen sein.</p> <p>Die Clubs sind sehr thätig und sogar geheimnißvoll. Jedenfalls dürfen wir heute und morgen Abend, wo republikanisches Concert im Hofjäger ist, einigen Krawall erwarten. Vielleicht selbst eine Emeute.</p> </div> <div xml:id="ar088-089_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>40</author></bibl> Erfurt, 27. Juli.</head> <p>Neulich war hier das Stiftungsfest des Bürgerschützenkorps. Die Commandanten von Voß und von Klaß, der Geheime-Rath von Brauchitsch und andere Beamte waren anwesend bei dem großen Zweckessen. Sie erhoben sich hoch und beugten sich tief, als das Hoch auf den König erscholl, sie blieben sitzen, als ein Bürgerschütze ein Hoch auf Erfurt's Deputirte in Frankfurt und Berlin ausbrachte, welche nicht in ihrem Sinne gewählt sind. Solche Kleinigkeiten charakterisiren den Geist von dergleichen Subjekten und sind geeignet, die Erbitterung gegen den Geist vieler Officiere und Beamten zu mehren.</p> </div> <div xml:id="ar088-089_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>115</author></bibl> Breslau, 25. August.</head> <p>Seit einiger Zeit grassiren bei uns wieder die Katzenmusiken; doch sind sie ohne alle politische Farbe. Die Bürgerwehr ist deshalb fast jeden Abend auf den Beinen; wo sich nur ein geringes bedenkliches Lärmen hören läßt, sperrt sie gleich die Straßen; unserer Bürger-Kavallerie, die an Brutalität sich nur mit der ehemaligen Pariser Munizipal-Garde vergleichen kann, (sie besteht aus der Elite der Breslauer Bourgeois) bleibt die Räumung der Straßen überlassen. Mit einer wahren Todesverachtung stürzen sich diese berittenen Fleischer und Bierbrauer säbelschwingend in das dichteste Gedränge und übertreffen unsere wirklichen „Zarucker“. — Der bekannte <hi rendition="#g">Witt</hi>, gen. von <hi rendition="#g">Dörring</hi>, Agent der reaktionären Oberschles. Adligen, befand sich seit einigen Tagen in unseren Mauern. Sein Aufenthalt war es namentlich, der jeden Abend eine solenne Katzenmusik hervorrief, wodurch die Bürgerwehr jeden Abend nicht wenig belästigt wurde. Dies rief eine solche Erbitterung unter ihr hervor, daß das gestern wachhabende Bataillon Hrn. Witt in Flagranti ergriff, und ihn noch um Mitternacht zur Stadt hinaus eskortirte. Unsere Bürgerwehr mit Ausnahme der Bürgerwehr-Kavallerie und Scharfschützen hat, wie sie sehen, doch noch Gesinnung!</p> </div> <div xml:id="ar088-089_019" type="jArticle"> <head>München, 22. August.</head> <p>Thon Dittmer rüstet sich zu einem entschiedenen Schlage; es sind die Chevauxlegers von Augsburg, das Infanteriebataillon von Benediktbeuern und die in der Umgegend kantonirende reitende Artillerie beordert; die Soldaten haben gestern die Feldzulage erhalten, und es wird nach Möglichkeit daran gearbeitet, sie bei ihrer „guten Gesinnung“ zu erhalten. Indessen zeigten sich gestern Nachts schon bei einem großen Theile der Infanterie Spuren von übler Stimmung. Die Bürger wollen diesen Abend noch eine Versammlung halten, und die Entfernung Thon Dittmers und des Polizeidirektors Pechmann beantragen.</p> <bibl>(M. Ab.-Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar088-089_020" type="jArticle"> <head>Reichenbach in Schl., vom 20. August.</head> <p>Unser Wochenblatt spricht sich über den Empfang der Schweidnitzer Füsilire folgendermaßen aus: „Heute Mittag 12 Uhr kam das berüchtigte Füsilir-Bataillon des 22. Inf.-Regts. hier an; die Soldaten wurden jedoch, wie zu erwarten stand, von sehr vielen Einwohnern gar nicht erst angenommen und aus den Quartieren gewiesen.</p> <p>— Aus Frankenstein in Schlesien wird gemeldet, daß der dortige Magistrat das 22. Inf.-Regt. auf seinem Marsche nicht in die Stadt eingelassen hat. Dasselbe wurde in Dörfer der Umgegend einquartirt. — Tages zuvor sind auch die Fouriere des Regiments schon ausgewiesen worden.</p> </div> <div xml:id="ar088-089_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>34</author></bibl> Aus Thüringen, 26. August.</head> <p>Hier zu Lande thut sich die alte Polizei-Wirthschaft immer mehr und mehr wieder auf. Bekanntlich hat die Regierung zu Erfurt Volksversammlungen mittelbar gänzlich unterdrückt, nämlich dadurch, daß sie bei schwerer Strafe verboten, daß Nicht-Preußen an solchen Versammlungen Theil nehmen. Die schweren Strafen sollen für einen solchen Fall gegen die Ordner und Redner vollstreckt werden, und da es nun schlechterdings unmöglich ist, in oder bei Erfurt, welches zwischen Sieben-Herren-Deutschländern liegt, Volksversammlungen, ohne Theilnahme von Nicht-Preußen, zu halten, so ist es natürlich, daß überhaupt keine Volksversammlungen mehr stattfinden können. Nun ist aber auch noch die Regierung zu Gotha vermocht worden, bei schwerer Strafe zu verbieten, daß von Erfurtern in ihrem Gebiete, welches an das Erfurter gränzt, Volksversammlungen gehalten werden. Weiter gehen noch dabei die niederen Gothaischen Behörden, indem sie das Verbot des Redehaltens durch Erfurter im Gothaischen Gebiete hinzusetzen. — In Thüringens Hauptstadt wird übrigens im Beamtenpersonal durch Versetzungen und Abdankungen purifizirt. — Am 24. d. M. sind zwei Batterieen ausmarschirt, deren Bestimmungsort Berlin sein soll. Kein wirksameres Mittel für Ordnung, Ruhe und Vertrauen, als Versetzungen von Beamten und Dislokationen von Truppen!</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Schweiz.</head> <div xml:id="ar088-089_022" type="jArticle"> <p>Nach einer Mittheilung aus Genf, welche die „Berner Zeitung“ veröffentlicht, hatte sich „das Volk in Alexandria gegen den König Karl Albert unter dessen Fenster empört, indem es gegen die Generäle Castagnetto, Scalti, Oliviert und Sonnaz schrie. Ein Bataillon Nationalgarde marschirte gegen die Haufen, aber am Platze angelangt, machte es gemeinsame Sache mit dem Volke. Hierauf wurden zwei Bataillone vom Regiment Pigneral geschickt, aber auch diese schlossen sich der Nationalgarde und dem Volke an und drangen auf Absetzung der Generäle. Wenn die Armee von dem Verrath ihrer Offiziere überzeugt ist, und die Bestrafung derselben verlangt, so ist dies ein großer Fortschritt für Italien und läßt eine bessere Zukunft erwarten.“</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar088-089_023" type="jArticle"> <p>In Pesth spricht man ganz offen davon, daß Kossuth's Verrath mit Karl Albert durch aufgefangene Briefe des Marschalls Grafen Radetzky entdeckt sey. Ein anderes Gerücht setzt hinzu, Karl Albert habe es selbst dem Marschall Radetzky verrathen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar088-089_024" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 27. Aug.</head> <p>Die Revolution vom 24. Febr. ist in Anklagestand versetzt. Die Demokraten-Republik sitzt zum Theil in Vincennes, zum Theil in Brest. Die Burgeois-Republik ist in der Kammer. So wäre dann die Aufgabe der Untersuchungs-Kommission zu Ende. Sie hatte angefangen mit der Untersuchung der nach dem 24. Februar vorgefallenen Ereignisse: sie mußte schließen mit der Berurtheilung der aus dem 24. Februar hervorgegangenen Männer.</p> <p>In ihrer Vertheidigung gingen Louis Blanc und Caussidière beständig auf die Ereignisse nach dem 24. Febr. ein: sie wollten sich rechtfertigen; sie wollten zeigen, daß sie keinen Antheil an denselben genommen hatten: und das war ihr Unglück. Ledru-Rollin dagegen ging beständig auf den 24. Febr. zurück, und zeigte, daß die jetzige Kammer, die frühere Kammer, überhaupt die ganze Partei Odilon's und Thiers's keinen Antheil an dem 24. Feb. genommen hatten, das war seine Rettung. Ledru-Rollin trat trotzig diesen Bourgeois entgegen, während die erstern sich zu rechtfertigen suchten.</p> <p>Wer hat gesiegt? Etwa Odilon-Barrot, etwa Thiers, oder der intriguante Marrast? Nein, keiner von ihnen: die Macht der Geldverhältnisse hat die Oberhand behalten. Am 24. Febr. war das offizielle Frankreich gestürzt. Das offizielle Frankreich aber war dasjenige, welches sich durch Korruption an der Herrschaft erhalten. Die Kapitalisten erkauften sich die Ideologen, welche die Interessen der Kapitalisten, in der Regierung, in der Kammer, in der Presse, in einer idealen Sprache vertraten; jede Fraktion Kapitalisten erkaufte sich ihre besondern Ideologen, welche ihre speziellen Interessen im Gegensatz zu denen anderer Kapitalisten in ideeller Sprache zu vertreten suchten: und so waren es am Ende die Kapitalisten, deren alleinige Interessen in der Kammer vertreten und besprochen wurden.</p> <p>Das korrumpirte Frankreich war am 24. Feb. politisch gestürzt: die politische Spitze der französischen Gesellschaft war umgeworfen; die korrumpirte Gesellschaft selbst, und das in den korrumpirten gesellschaftlichen Verhältnissen Erworbene bestanden noch, aber ohne Bajonette, ohne Schutz. Der Hauch des Volkes drohte auch diese Verhältnisse ebenfalls umzublasen. Die Bourgeois zitterten. Odilon-Barrot und Thiers wagten es nicht, sich auch im Geringsten verlauten zu lassen. Sie erkannten die Republik in aller Demuth an. Rothschild und Fould sogar wurden eifrige Republikaner.</p> <p>Einen Mann schlägt man todt, aber nicht eine Firma. Das sahen die französischen Demokraten zu spät ein. Indem man die Unverletzlichkeit des Eigenthumes proklamirte, verwechselte man das Eigenthum mit den Eigenthumsverhältnissen. Das Volk glaubte das Recht errungen zu haben, durch seine Arbeit leben zu können. Es glaubte, durch den Umsturz der politischen Verhältnisse seine sozialen Verhältnisse umgeändert zu haben. Die Aufrechthaltung der sozialen Bourgeois-Vechältnisse führte auch die alten politischen Bourgeois-Verhältnisse wieder herbei, und in der Lage des Volkes hatte sich nichts geändert. Alle Kämpfe nach dem 14. Februar waren ein Ankämpfen gegen diese Verhältnisse. Das Volk schrie nach Arbeit; man gab ihm zwar „Arbeit“ in den National-Werkstätten; Blanc organisirte sogar die Arbeit zwischen Arbeitern und Arbeitgebern: aber man vergaß die Arbeitsinstrumente; man vergaß ganz einfach den Dampf. Laßt den Dampf frei, schrie das Volk; aber es war zu spät. Die Kapitalisten, indem sie einerseits die Auflösung des mit dem frühern Staate, des mit Guizot eingegangenen Anlehens zu erwirken wußten und andererseits die in dem frühern korrumpirten Staate und durch Korruption errungenen Privilegien heilig sprechen ließen, behielten den Dampf in der Tasche. Die Geldmänner, die Dampfmänner, die Männer des Kapitals blieben an der Herrschaft und schoben den Bourgeois-Republikaner Marrast als Strohmann vor. Caussidière und Louis Blanc rechtfertigten sich, den späteren Kämpfen fremd geblieben zu sein; hätten sie ihre Theilnahme eingestanden, hätten sie geradezu gesagt: Ja, wir haben aus dem 24. Februar eine Wahrheit machen wollen, wir haben Euch stürzen wollen, so hätte vielleicht der panische Schreck, die Furcht vor einem abermaligen Ausbruche der Volkswuth das über sie verhängte Urtheil augenblicklich wenigstens suspendirt.</p> </div> <div xml:id="ar088-089_025" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Paris, 25. August.</head> <p>Die „Demokratie pacifique“ verlangt die bewaffnete Intervention in Italien. Und der „Spectateur republicain“ ruft: „Wir hofften, die Räumung des päbstlichen Gebietes durch General Welden sei das Vorspiel einer ehrlichen Friedensunterhandlung zwischen den Großmächten … Wir hofften auch, das unregelmäßige Trachten des deutschen Parlaments nach allen <hi rendition="#g">deutschredenden</hi> Landstrichen würde allgemach sich beruhigen. Geschieht dies nicht sehr bald, verweist uns jenes Parlament immerfort auf die <hi rendition="#g">deutsche Zunge</hi> in Schleswig und Limburg; nun, so wird sich vielleicht Frankreich noch zu rechter Zeit erinnern, <hi rendition="#g">daß Belgien viel französisch spricht</hi>.“ Auffallend genug wird dabei Posen's nicht erwähnt. Nikolaus hat an Cavaignac galante Handbillets gelangen lassen.</p> </div> <div xml:id="ar088-089_026" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Paris, 27. August.</head> <p>Schon gestern Abend wußten wir Demokraten, daß Louis Blanc nichts weniger als gefangen, vielleicht schon auf dem Wege nach Belgien sei; ersteres bestätigt heute ein von ihm in „La Reforme“ eingesandter kurzer Brief, worin er erklärt, sich nicht vor Anfang seines Prozesses stellen zu wollen. Was sehr vernünftig ist, denn Barbes, Blanquis, Raspail u. s. w. hat die Krämerrepublik schon 3 1/2 Monat sitzen lassen, ohne daß auch nur eine einzige Interpellation in der Kammer geschehen ist. Caussidière <hi rendition="#g">soll</hi> beim Herausgehen aus der Nachtsitzung nach der Polizeipräfektur, „wo er kürzlich noch Unheil säend schaltete“ (Victor Hugo's Evenement) abgeführt worden sein. Daß die Königthümler das ganze Spiel abgekartet hatten im Zirkel ihrer Straße Poitiers, ist sonnenklar; die Hälfte dieser „jungen Politiker“ wollten so gar nicht nur wegen der Mai-, sondern auch wegen der Juniaffaire die Beiden angeklagt, d. h. vor's Kriegsgericht gestellt wissen, indessen fehlten zu letzterm an 100 Stimmen. Als Herr Marrast hohnlächelnd auch noch wegen des Juni abstimmen ließ, rief der junge demokratische Theaterdichter Felix Pyat: „Caussidière hat ja nur einen Hals!“ Ein Bourgeoisdeputirter schrie erblassend dagegen: „Das ist eine Drohung mit dem Schreckenssystem!“ und eine Stimme der Linken antwortete: „Ja, und es wird bald über Euch kommen!“ (auf die Rechte zeigend.) Die blumengeschmückten Bourgeoisdamen in rosafarbnen und himmelblauen Ballkleidern, die seit Mai, noch mehr seit Juni <hi rendition="#g">alle</hi> Galerieen besetzt halten (fast noch ärger also wie unter Louis Philipp) hatten einen recht genußreichen Abend und konsu- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0453/0003]
gen der Ehre verbleibt es bei dem bisher geltenden Verfahren. Dagegen soll die Entscheidung in allen sonstigen Preßvergehen und in politischen Vergehen künftig nur durch Geschwornen-Gerichte erfolgen.
§. 11. Im Bezirke des Appellations-Gerichtshofes zu Köln kommen Vergehen dieser Art zur Aburtheilung vor den Assisen, und verbleiben diejenigen Bestimmungen in Kraft, welche daselbst bei Verhandlungen und Entscheidungen dieser Art Geltung haben.
§. 12. In den übrigen Landestheilen gehören dergleichen Vergehen vor Assisen, welche zu diesem Zwecke in der nachstehend näher bestimmten Art eingerichtet werden und nach Bedürfniß vierteljährlich oder auch öfter zusammentreten.
§. 13. Der Gerichtshof muß aus wenigstens 5 Mitgliedern bestehen und mindestens einen Bezirk von etwa 100,000 Seelen umfassen. Fehlt es in dem Bezirke an einem Gerichtshofe der gedachten Art, so geschieht die Bildung aus den Mitgliedern der minder besetzten Gerichte. Jedem Gerichtshofe wird eine Deputation von drei Richtern als Anklage-Senat (§. 66 des Gesetzes vom 17. Juni 1846) zugetheilt.
§. 14. Die Thatsache wird durch Geschworene entschieden. Die jetzigen für Frankfurt und Berlin in einem Schwurgerichts-Bezirke gewählten Wahlmänner machen zugleich die Liste der Geschworenen aus.
(Folgen 46 Paragraphen über die Geschwornengerichte, Kassation etc., die fast in allen Punkten mit dem Code Napoléon übereinstimmen.)
Unsere Vereinbarer-Versammlung wird sich genöthigt sehen, ihr bisheriges Sitzungslokal in der Singakademie zu verlassen. Da der Vorstand der Singakademie vom 1. Oktober an monatlich 1000 Thlr. Miethe beansprucht, so hat die Kommission ein anderes Lokal aufgesucht und sich für den großen Saal des Schauspielhauses entschieden, welcher den doppelten Vortheil hat, daß er im Winter geheitzt werden kann und dem Staate keine Miethe kostet. — Wahrscheinlich wird zu der am 15. Sept. festgesetzten Zeit des Umzuges eine kleine Pause in den Vereinbarungsverhandlungen stattfinden. Diese Ferien werden die Herren Vereinbarer dazu benutzen, sich von ihrer viermonatlichen anstrengenden Thätigkeit, durch eine Reise in ihre resp. Wahlkreise zu erholen.
Die Hetzjagd auf die Demokraten hat seit gestern von Neuem begonnen. Zuerst wurde der Prediger Dowiat verhaftet, und so eben verbreitet sich die Nachricht, daß man Edgar Bauer, Ottensosser, Karbe, Mai und mehrere andere bekannte Volksredner verhaftet habe. Es wird auch erzählt, daß ein Freund Bauer's sich dem Polizei-Kommissar, der den Befehl zu Bauer's Verhaftung hatte, für denselben sich vorstellte, und daß es demnach Edgar Bauer gelungen ist, zu entfliehen. — Fragen Sie nach der Ursache dieser Verhaftungen, so weiß Niemand darauf zu antworten; es ist eine reine Polizeimaßregel nach altem Systeme.
Den Verhaftungen ging eine nächtliche Haussuchung voran, wozu von der vollziehenden Polizeibehörde nicht allein einige Hundert Mann Konstabler, sondern auch einige Kompagnieen Bürgerwehr kommandirt wurden. Vergangene Nacht bekam nämlich das im Schloß konsignirte fliegende Korps der jungen Kaufmannschaft und andern Bürgerwehr den Befehl, auszurücken. Unterweges schloß sich ihnen ein großer Zug Konstabler an, und man zog nach dem Lokale des Handwerkervereines in der Johannisstraße. Da angelangt, begaben sich die Konstabler in das Lokal und zwangen den daselbst wohnenden Oekonom zur Herausgabe aller Munition, welche der Handwerkerverein hier aufbewahrt. Dieser Verein ist aber ein der Bürgerwehr aggregirtes fliegendes Korps, zum Tragen der Waffen, mithin auch zur Verwahrung von Munition berechtigt. — Das Korps der jungen Kaufmannschaft, als es diese ungesetzliche Polizeiwillkür vernahm, verließ entrüstet augenblicklich seinen Posten und begab sich zum Kommandanten der Bürgerwehr, Hrn. Rimpler, welcher ihnen jedoch auf ihre Beschwerde erwiederte, sie hätten seinen Befehlen unbedingten Gehorsam zu leisten. Demzufolge hat sich das Korps der jungen Kaufmannschaft veranlaßt gesehen, einen Protest an die Straßenecken schlagen zu lassen, worin es schließlich heißt:
„Das fliegende Korps der jungen Kaufmannschaft protestirt feierlichst gegen das Verlangen eines blinden Gehorsams. Es erkennt als den Zweck der Volkswehr nicht nur die Aufrechthaltung des Gesetzes, sondern auch die Wahrung des Eigenthumes und der Rechte des Volkes. Diese halten wir dadurch für verletzt, daß man einem Theile der Volkswehr die von ihnen vorräthig gehaltene Munition konfiszirt.“
Man ist hier allgemein entrüstet über das Benehmen unserer Polizei, die wohl in diesen Angelegenheiten nicht ohne Befehl des Ministeriums handelt. Was soll man zu solchen Willkürmaßregeln sagen, da gestern mit Zustimmung des Ministeriums ein Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit angenommen wurde, an dessen Spitze die Worte stehen:
„Die persönliche Freiheit ist gewährleistet.“
„Die Wohnung ist unverletzlich.“
Bleibt ein solches Ministerium noch länger an der Spitze der Regierung, fällt es nicht schon in der morgenden Sitzung, so ist Alles vorüber, alle schönen Hoffnungen vernichtet, und wir kehren ruhig in die Zeiten des Polizeistaates zurück. —
Und das wird allerdings vor der Hand das Ende der ganzen Revolutionskomödie sein. —
40 Berlin, 25. Aug. Heute Abend erscheint der Bericht der Central-Abtheilung über das „Martial-Gesetz.“ Die erste Abtheilung unter Waldeck hat den Regierungsentwurf durchweg verworfen, — Ein Gerücht spricht von einer Differenz zwischen dem König und dem Prinzen von Preußen, in Folge welcher der etztere wieder eine Reise in das Ausland antreten dürfte.
103 Berlin, 25. August. Gestern wurden einige der Charlottenburger Gefangenen freigelassen, und einer der Gefangenen wurde von den Charlottenburgern im Triumph, bekränzt durch die Straßen des Städtchens geführt. Die andern Gefangenen, die sich noch in Arrest befinden, sucht die Charlottenburger Bourgeoisie durch Zusendung von gutem Essen und Trinken, für ihre der Reaktion bewiesenen Dienste zu entschädigen und ihren Gesinnungen und Handlungen Anerkennung zu geben. Die Untersuchung scheint in Charlottenburg noch gar nichts ermittelt zu haben; wie man sagt, in Folgen der Vorsicht des die Untersuchung leitenden Polizei-Inspektor Gesellius, der in dem Ruf steht, daß er den Ursprung der Charlottenburger Ereignisse gar nicht ermitteln wolle.
Der Oberst Kaiser, Kommandant der Schutzmannschaften, ist in Folge von Konflikten, die zwischen ihm und dem Ministerium in Folge der Montagsereignisse stattfinden sollen, seiner Stelle enthoben worden. Man will diese Entlassung auch als eine Folge der enthüllten Instruktionen der Schutzmannschaften ansehen.
103 Berlin, 25. August, Wie bereits früher gemeldet, hatte das Land- und Stadtgericht in Trzemesno bei der Vereinbarerversammlung die Erlaubniß nachgesucht, den Abgeordneten Dr. Piègsa zur gerichtlichen Untersuchung, ohne Verhaftung, ziehen zu dürfen.
— Die Kommission hat ihren Bericht an die Versammlung dahin abgestattet, daß sie beantragt: Die Versammlung wolle beschließen: es sei dem Land- und Stadtgericht zu Trzemesno zu eröffnen, daß keine Veranlassung vorliege, die Genehmigung dazu zu ertheilen.
— Die Cenlral-Abtheilung bringt hiernach die Annahme des Gesetzentwurfes über Klassenstruer-Exemtionen in der folgenden Redaktion in Vorschlag.
§. 1. Die nach dem Klassensteuer-Gesetze vom 30. Mai 1820 und den späteren Verordnungen für Standesherren, Geistliche, Schullehrer, Hebammen und Gensd'armen, für Offiziere, Feldwebel und Wachtmeister des stehenden Heeres und der Landwehr, die nicht mobil gemacht sind, und für Militär-Beamte bisher bestandenen Befreiungen von der Klassensteuer werden hiermit, vom 1. Okt. d. J. ab, aufgehoben.
§. 2. Der Finanz-Minister ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.
Das Central-Comité der pommerschen Guts- und Brennereibesitzer hat heute an alle Vereinbarer eine Denkschrift gegen die vom Finanz-Minister projektirte Erhöhung der Maischsteuer gesandt.
40 Berlin, 27. August. Das neue Tumult-Mandat, welches durchzusetzen die Minister sich außerordentlich viel Mühe geben, kommt Montag noch nicht in die Kammer, vielleicht die ganze Woche noch nicht. Die Central-Abtheilung debattirt darüber äußerst lebhaft und gründlich. So rasch geht's nicht, wie sich Herr Kühlwetter gedacht haben mag. Das Volk wartet mit Spannung auf das Schicksal dieses Ausnahmegesetzes.
Der Abgeordnete für den Mansfelder Gebirgs-Kreis, Regierungs-Assessor v. Meusebach, hat von seinen Committenten ein mit 1755 Unterschriften bedecktes Unfähigkeits-Zeugniß erhalten, weil er die Revolution verleugnet hat, weil er den Adel und seine Vorrechte erhalten wissen und weil er „vereinbaren“, nichts als vereinbaren will, mithin dem Volke alle Souverainetät aber kennt; item hat der Pastor Hepohe, Deputirter für Schweidnitz, 2 Nota seiner Committenten erhalten, welche verlangen, daß er sein Mantat niederlegen möge, weil er gegen den Beschluß vom 9. August protestirt. Solche Herrn sind aber sehr dickhäutig.
Der König will dem Gesetz über Abschaffung, der Todesstrafe seine Zustimmung versagen und zwar aus religiösen Bedenken. In Anhalt-Dessau soll die von der Linken ausgearbeitete Gemeinde-Ordnung eingeführt werden.
14 Berlin, 27. August. Den hiesigen Kaufleuten, welche mit Pulver handeln, soll der Verkauf desselben untersagt sein. Täglich werden ihre Vorräthe von Polizeiwegen abgewogen, um zu sehen, ob sie sich verringert haben. Eine Curiose Manier das! warum kommt man dem Volke nicht zuvor und saisirt das Pulver? Die Entwaffnung der Maschinenbauer (unserer kräftigsten Fäuste und muthigsten Herzen) soll morgen, wie mit Bestimmtheit verlautet, erfolgen. Wir werden sehen. Man spricht von argen Unruhen in Nauen und Spandau.
Die Reaktionäre dieser Städte hätten sich die Charlottenburger zum Muster genommen, aber noch ärger gehaust als diese. Mehrere Demokraten sollen erschlagen sein.
Die Clubs sind sehr thätig und sogar geheimnißvoll. Jedenfalls dürfen wir heute und morgen Abend, wo republikanisches Concert im Hofjäger ist, einigen Krawall erwarten. Vielleicht selbst eine Emeute.
40 Erfurt, 27. Juli. Neulich war hier das Stiftungsfest des Bürgerschützenkorps. Die Commandanten von Voß und von Klaß, der Geheime-Rath von Brauchitsch und andere Beamte waren anwesend bei dem großen Zweckessen. Sie erhoben sich hoch und beugten sich tief, als das Hoch auf den König erscholl, sie blieben sitzen, als ein Bürgerschütze ein Hoch auf Erfurt's Deputirte in Frankfurt und Berlin ausbrachte, welche nicht in ihrem Sinne gewählt sind. Solche Kleinigkeiten charakterisiren den Geist von dergleichen Subjekten und sind geeignet, die Erbitterung gegen den Geist vieler Officiere und Beamten zu mehren.
115 Breslau, 25. August. Seit einiger Zeit grassiren bei uns wieder die Katzenmusiken; doch sind sie ohne alle politische Farbe. Die Bürgerwehr ist deshalb fast jeden Abend auf den Beinen; wo sich nur ein geringes bedenkliches Lärmen hören läßt, sperrt sie gleich die Straßen; unserer Bürger-Kavallerie, die an Brutalität sich nur mit der ehemaligen Pariser Munizipal-Garde vergleichen kann, (sie besteht aus der Elite der Breslauer Bourgeois) bleibt die Räumung der Straßen überlassen. Mit einer wahren Todesverachtung stürzen sich diese berittenen Fleischer und Bierbrauer säbelschwingend in das dichteste Gedränge und übertreffen unsere wirklichen „Zarucker“. — Der bekannte Witt, gen. von Dörring, Agent der reaktionären Oberschles. Adligen, befand sich seit einigen Tagen in unseren Mauern. Sein Aufenthalt war es namentlich, der jeden Abend eine solenne Katzenmusik hervorrief, wodurch die Bürgerwehr jeden Abend nicht wenig belästigt wurde. Dies rief eine solche Erbitterung unter ihr hervor, daß das gestern wachhabende Bataillon Hrn. Witt in Flagranti ergriff, und ihn noch um Mitternacht zur Stadt hinaus eskortirte. Unsere Bürgerwehr mit Ausnahme der Bürgerwehr-Kavallerie und Scharfschützen hat, wie sie sehen, doch noch Gesinnung!
München, 22. August. Thon Dittmer rüstet sich zu einem entschiedenen Schlage; es sind die Chevauxlegers von Augsburg, das Infanteriebataillon von Benediktbeuern und die in der Umgegend kantonirende reitende Artillerie beordert; die Soldaten haben gestern die Feldzulage erhalten, und es wird nach Möglichkeit daran gearbeitet, sie bei ihrer „guten Gesinnung“ zu erhalten. Indessen zeigten sich gestern Nachts schon bei einem großen Theile der Infanterie Spuren von übler Stimmung. Die Bürger wollen diesen Abend noch eine Versammlung halten, und die Entfernung Thon Dittmers und des Polizeidirektors Pechmann beantragen.
(M. Ab.-Z.) Reichenbach in Schl., vom 20. August. Unser Wochenblatt spricht sich über den Empfang der Schweidnitzer Füsilire folgendermaßen aus: „Heute Mittag 12 Uhr kam das berüchtigte Füsilir-Bataillon des 22. Inf.-Regts. hier an; die Soldaten wurden jedoch, wie zu erwarten stand, von sehr vielen Einwohnern gar nicht erst angenommen und aus den Quartieren gewiesen.
— Aus Frankenstein in Schlesien wird gemeldet, daß der dortige Magistrat das 22. Inf.-Regt. auf seinem Marsche nicht in die Stadt eingelassen hat. Dasselbe wurde in Dörfer der Umgegend einquartirt. — Tages zuvor sind auch die Fouriere des Regiments schon ausgewiesen worden.
34 Aus Thüringen, 26. August. Hier zu Lande thut sich die alte Polizei-Wirthschaft immer mehr und mehr wieder auf. Bekanntlich hat die Regierung zu Erfurt Volksversammlungen mittelbar gänzlich unterdrückt, nämlich dadurch, daß sie bei schwerer Strafe verboten, daß Nicht-Preußen an solchen Versammlungen Theil nehmen. Die schweren Strafen sollen für einen solchen Fall gegen die Ordner und Redner vollstreckt werden, und da es nun schlechterdings unmöglich ist, in oder bei Erfurt, welches zwischen Sieben-Herren-Deutschländern liegt, Volksversammlungen, ohne Theilnahme von Nicht-Preußen, zu halten, so ist es natürlich, daß überhaupt keine Volksversammlungen mehr stattfinden können. Nun ist aber auch noch die Regierung zu Gotha vermocht worden, bei schwerer Strafe zu verbieten, daß von Erfurtern in ihrem Gebiete, welches an das Erfurter gränzt, Volksversammlungen gehalten werden. Weiter gehen noch dabei die niederen Gothaischen Behörden, indem sie das Verbot des Redehaltens durch Erfurter im Gothaischen Gebiete hinzusetzen. — In Thüringens Hauptstadt wird übrigens im Beamtenpersonal durch Versetzungen und Abdankungen purifizirt. — Am 24. d. M. sind zwei Batterieen ausmarschirt, deren Bestimmungsort Berlin sein soll. Kein wirksameres Mittel für Ordnung, Ruhe und Vertrauen, als Versetzungen von Beamten und Dislokationen von Truppen!
Schweiz. Nach einer Mittheilung aus Genf, welche die „Berner Zeitung“ veröffentlicht, hatte sich „das Volk in Alexandria gegen den König Karl Albert unter dessen Fenster empört, indem es gegen die Generäle Castagnetto, Scalti, Oliviert und Sonnaz schrie. Ein Bataillon Nationalgarde marschirte gegen die Haufen, aber am Platze angelangt, machte es gemeinsame Sache mit dem Volke. Hierauf wurden zwei Bataillone vom Regiment Pigneral geschickt, aber auch diese schlossen sich der Nationalgarde und dem Volke an und drangen auf Absetzung der Generäle. Wenn die Armee von dem Verrath ihrer Offiziere überzeugt ist, und die Bestrafung derselben verlangt, so ist dies ein großer Fortschritt für Italien und läßt eine bessere Zukunft erwarten.“
Ungarn. In Pesth spricht man ganz offen davon, daß Kossuth's Verrath mit Karl Albert durch aufgefangene Briefe des Marschalls Grafen Radetzky entdeckt sey. Ein anderes Gerücht setzt hinzu, Karl Albert habe es selbst dem Marschall Radetzky verrathen.
Französische Republik. 12 Paris, 27. Aug. Die Revolution vom 24. Febr. ist in Anklagestand versetzt. Die Demokraten-Republik sitzt zum Theil in Vincennes, zum Theil in Brest. Die Burgeois-Republik ist in der Kammer. So wäre dann die Aufgabe der Untersuchungs-Kommission zu Ende. Sie hatte angefangen mit der Untersuchung der nach dem 24. Februar vorgefallenen Ereignisse: sie mußte schließen mit der Berurtheilung der aus dem 24. Februar hervorgegangenen Männer.
In ihrer Vertheidigung gingen Louis Blanc und Caussidière beständig auf die Ereignisse nach dem 24. Febr. ein: sie wollten sich rechtfertigen; sie wollten zeigen, daß sie keinen Antheil an denselben genommen hatten: und das war ihr Unglück. Ledru-Rollin dagegen ging beständig auf den 24. Febr. zurück, und zeigte, daß die jetzige Kammer, die frühere Kammer, überhaupt die ganze Partei Odilon's und Thiers's keinen Antheil an dem 24. Feb. genommen hatten, das war seine Rettung. Ledru-Rollin trat trotzig diesen Bourgeois entgegen, während die erstern sich zu rechtfertigen suchten.
Wer hat gesiegt? Etwa Odilon-Barrot, etwa Thiers, oder der intriguante Marrast? Nein, keiner von ihnen: die Macht der Geldverhältnisse hat die Oberhand behalten. Am 24. Febr. war das offizielle Frankreich gestürzt. Das offizielle Frankreich aber war dasjenige, welches sich durch Korruption an der Herrschaft erhalten. Die Kapitalisten erkauften sich die Ideologen, welche die Interessen der Kapitalisten, in der Regierung, in der Kammer, in der Presse, in einer idealen Sprache vertraten; jede Fraktion Kapitalisten erkaufte sich ihre besondern Ideologen, welche ihre speziellen Interessen im Gegensatz zu denen anderer Kapitalisten in ideeller Sprache zu vertreten suchten: und so waren es am Ende die Kapitalisten, deren alleinige Interessen in der Kammer vertreten und besprochen wurden.
Das korrumpirte Frankreich war am 24. Feb. politisch gestürzt: die politische Spitze der französischen Gesellschaft war umgeworfen; die korrumpirte Gesellschaft selbst, und das in den korrumpirten gesellschaftlichen Verhältnissen Erworbene bestanden noch, aber ohne Bajonette, ohne Schutz. Der Hauch des Volkes drohte auch diese Verhältnisse ebenfalls umzublasen. Die Bourgeois zitterten. Odilon-Barrot und Thiers wagten es nicht, sich auch im Geringsten verlauten zu lassen. Sie erkannten die Republik in aller Demuth an. Rothschild und Fould sogar wurden eifrige Republikaner.
Einen Mann schlägt man todt, aber nicht eine Firma. Das sahen die französischen Demokraten zu spät ein. Indem man die Unverletzlichkeit des Eigenthumes proklamirte, verwechselte man das Eigenthum mit den Eigenthumsverhältnissen. Das Volk glaubte das Recht errungen zu haben, durch seine Arbeit leben zu können. Es glaubte, durch den Umsturz der politischen Verhältnisse seine sozialen Verhältnisse umgeändert zu haben. Die Aufrechthaltung der sozialen Bourgeois-Vechältnisse führte auch die alten politischen Bourgeois-Verhältnisse wieder herbei, und in der Lage des Volkes hatte sich nichts geändert. Alle Kämpfe nach dem 14. Februar waren ein Ankämpfen gegen diese Verhältnisse. Das Volk schrie nach Arbeit; man gab ihm zwar „Arbeit“ in den National-Werkstätten; Blanc organisirte sogar die Arbeit zwischen Arbeitern und Arbeitgebern: aber man vergaß die Arbeitsinstrumente; man vergaß ganz einfach den Dampf. Laßt den Dampf frei, schrie das Volk; aber es war zu spät. Die Kapitalisten, indem sie einerseits die Auflösung des mit dem frühern Staate, des mit Guizot eingegangenen Anlehens zu erwirken wußten und andererseits die in dem frühern korrumpirten Staate und durch Korruption errungenen Privilegien heilig sprechen ließen, behielten den Dampf in der Tasche. Die Geldmänner, die Dampfmänner, die Männer des Kapitals blieben an der Herrschaft und schoben den Bourgeois-Republikaner Marrast als Strohmann vor. Caussidière und Louis Blanc rechtfertigten sich, den späteren Kämpfen fremd geblieben zu sein; hätten sie ihre Theilnahme eingestanden, hätten sie geradezu gesagt: Ja, wir haben aus dem 24. Februar eine Wahrheit machen wollen, wir haben Euch stürzen wollen, so hätte vielleicht der panische Schreck, die Furcht vor einem abermaligen Ausbruche der Volkswuth das über sie verhängte Urtheil augenblicklich wenigstens suspendirt.
15 Paris, 25. August. Die „Demokratie pacifique“ verlangt die bewaffnete Intervention in Italien. Und der „Spectateur republicain“ ruft: „Wir hofften, die Räumung des päbstlichen Gebietes durch General Welden sei das Vorspiel einer ehrlichen Friedensunterhandlung zwischen den Großmächten … Wir hofften auch, das unregelmäßige Trachten des deutschen Parlaments nach allen deutschredenden Landstrichen würde allgemach sich beruhigen. Geschieht dies nicht sehr bald, verweist uns jenes Parlament immerfort auf die deutsche Zunge in Schleswig und Limburg; nun, so wird sich vielleicht Frankreich noch zu rechter Zeit erinnern, daß Belgien viel französisch spricht.“ Auffallend genug wird dabei Posen's nicht erwähnt. Nikolaus hat an Cavaignac galante Handbillets gelangen lassen.
15 Paris, 27. August. Schon gestern Abend wußten wir Demokraten, daß Louis Blanc nichts weniger als gefangen, vielleicht schon auf dem Wege nach Belgien sei; ersteres bestätigt heute ein von ihm in „La Reforme“ eingesandter kurzer Brief, worin er erklärt, sich nicht vor Anfang seines Prozesses stellen zu wollen. Was sehr vernünftig ist, denn Barbes, Blanquis, Raspail u. s. w. hat die Krämerrepublik schon 3 1/2 Monat sitzen lassen, ohne daß auch nur eine einzige Interpellation in der Kammer geschehen ist. Caussidière soll beim Herausgehen aus der Nachtsitzung nach der Polizeipräfektur, „wo er kürzlich noch Unheil säend schaltete“ (Victor Hugo's Evenement) abgeführt worden sein. Daß die Königthümler das ganze Spiel abgekartet hatten im Zirkel ihrer Straße Poitiers, ist sonnenklar; die Hälfte dieser „jungen Politiker“ wollten so gar nicht nur wegen der Mai-, sondern auch wegen der Juniaffaire die Beiden angeklagt, d. h. vor's Kriegsgericht gestellt wissen, indessen fehlten zu letzterm an 100 Stimmen. Als Herr Marrast hohnlächelnd auch noch wegen des Juni abstimmen ließ, rief der junge demokratische Theaterdichter Felix Pyat: „Caussidière hat ja nur einen Hals!“ Ein Bourgeoisdeputirter schrie erblassend dagegen: „Das ist eine Drohung mit dem Schreckenssystem!“ und eine Stimme der Linken antwortete: „Ja, und es wird bald über Euch kommen!“ (auf die Rechte zeigend.) Die blumengeschmückten Bourgeoisdamen in rosafarbnen und himmelblauen Ballkleidern, die seit Mai, noch mehr seit Juni alle Galerieen besetzt halten (fast noch ärger also wie unter Louis Philipp) hatten einen recht genußreichen Abend und konsu-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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