Neue Rheinische Zeitung. Nr. 87. Köln, 27. August 1848.Quadratfüßlerseelen des Rheines sich dabei die behaglichen Wänste füllen, nachdem sie den Säckel des Volks in den ihrigen hineinspekulirt, bringt Wien die schönsten Opfer zur Festhaltung der Freiheit. Wir lächeln darum auch mitleidig, wenn uns ein Herwegh zuruft, (Gedicht v. 9. Aug.) wir seien: "Eine Schöpfung ohne Leben und ein Chaos ohne Geist" -- Wien kann sich nur freuen, wenn angeliche Genies, welche die von deutschen Plattköpfen angeglotzte Dummheit ausgerufen: "O Volk von 40 Millionen, das 40 Menschen unterthan!" es verhöhnen. Ich wenigstens habe das deutsche Volk immer gerade darum allein nur noch entschuldbar gefunden, weil es 40 einige Tyrannen im Nacken sitzen hatte und nicht etwa einen. Ich glaube Sie versichern zu können, daß mit dem einfachen Herzen und mit dem einfachen, sehr begabten Naturverstande des Wieners sich keiner benommen haben würde, wie Herwegh, wenn es hier einmal auf einen republikanischen Kampf angekommen wäre. Schon längst zuckt daher der Wiener die Achsel über die sogenannten politisch-großen Geister und Charaktere Deutschlands, denn er sieht, daß es im Grunde ziemlich arme Schlucker sind, die man bemitleiden muß. Die Thätigkeit der Kamerilla hat mit der Rückkehr nach Schönbrunn keineswegs aufgehört, sie ist durch ihre Niederlagen zur äußersten Wuth getrieben. Das Rückfordern, die kalte Aufnahme des Kaisers; das Durchfallen des Selinger'schen Antrags; die Parade mit dem ca ira, welche man als eine Verhöhnung des Kaisers auslegte; das demokratische Benehmen des Reichstag[e]s, der seinen schwarz-gelb-zuckersüßen Präsidenten Schmitt, nachdem er Salbader in Schönbrunn gesprochen, sogleich abgesetzt hat; das Fortbestehen des Sicherheitsausschusses und der akademischen Legion, überhaupt die fortwährend demokratische Haltung Wien's, geboten äußerste Mittel der List. Man bemühte sich, die demokratisch genannten Mitglieder des Ministeriums zu fangen und zu kompromittiren. Dazu taugte Niemand besser, als Schwarzer, den ich Ihnen schon früher als politischen Charlatan bezeichnet habe. Schwarzer wurde veranlaßt, den Arbeitslohn um 5 Kr. herabzusetzen; man wußte wohl, daß dadurch ein Arbeitersturm heraufbeschworen würde. Der Minister ging in die Falle, denn man zeigte ihm darin einen vortrefflichen Speck. Er erließ also schon am Samstag eine Verordnung, wodurch der Arbeitslohn herabgesetzt wurde. -- Diesen Beschluß theilte er, wie die erste Pflicht gebot, nicht etwa dem Sicherheitsausschusse mit, sondern ließ ihn durch das Komite für die Arbeiter der Stadthauptmannschaft (früher Polizei-Oberdirektion) dem verhaßten Gemeindeausschusse mit dem Bedeuten zugehen, den Oberkommandant der Nationalgarde, Streffleur, aufzufordern, die sämmtlichen Kompagnieen der Garde in Bereitschaft zu halten, weil am Montag, wo er, der Minister, seinen Beschluß veröffentlichen würde, ein Arbeiteraufstand zu befürchten stehe. Zugleich war der Gemeindeausschuß autorisirt, das Militär zu requiriren. Dem Sicherheitsausschuß wurde davon keine Silbe mitgetheilt. Am Montag erscheint nun Schwarzer's Verordnung und macht auf die Arbeiter den gehörigen Effekt. Sie strömen mit Frau und Kindern zu Haufen in die Stadt und vor das Rathhaus, vor den Sicherheitsausschuß und zur Aula, indem sie die Aufhebung des Beschlusses verlangen. Augenblicklich wird der Generalmarsch geschlagen, Gerüchte verbreiten sich, die Arbeiter sollten von der Nationalgarde zu Paaren getrieben werden und man wolle dann in den Sicherheitsausschuß dringen, um denselben zu sprengen, worauf die Auflösung der akademischen Legion erfolgen müsse. -- Durch tausend Verleumdungen, die seit der Rückkehr des Kaisers ausgesprengt worden, war es gelungen, die Nationalgarde theilweise sowohl gegen die Legion, als auch gegen den Sicherheitsausschuß einzunehmen und dieselbe ging sogar schon so weit, daß einzelne Kompagnieen ihre Abgeordneten zurückberiefen, ohne neue zu ernennen. Dies widerfuhr namentlich den freisinnigsten Mitgliedern des Ausschusses, welche für die an die Frankfurter Linke zu sendende Adresse gestimmt hatten. Der Sicherheitsausschuß glaubte, mit der öffentlichen Meinung nicht mehr in Einklang zu stehen; es erhoben sich viele Stimmen für freiwillige Auflösung. Da erschienen die Arbeitermassen, die Verordnung wurde bekannt, man fühlte sogleich die hinterlistige Gewalt, welche im Verborgenen wirkte und sich durch Uebergehen des Sicherheitsausschusses bei allen genommenen Maßregeln, nur zu deutlich zu erkennen gegeben hatte. Die beredtsten Mitglieder überzeugten Alle alsbald von der vorhandenen Gefahr und man beschloß, eine Deputation an den Minister Dobblhof zu senden, deren Resutat ich Ihnen gestern mitgetheilt habe und welches in einem Nu den Sicherheitsausschuß wieder über jede andere in Wien vorhandene Exekutivbehörde erhob. Jetzt schritt der Sicherheitsausschuß während des Nachmittags und in der Nacht zu den energischsten Maßregeln. Er erklärte, daß keine Behörde in Wien mehr eine von ihm unabhängige Exekutivgewalt habe. Daß auch der Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft (Polizei) sich seinen Befehlen zu fügen habe. Er forderte den Oberkommandanten der Nationalgarde vor seine Schranken und ließ sich von ihm erklären, woher er die Weisung zum Schlagen des Generalmarsches erhalten, und als derselbe darauf den Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft als solche bezeichnete, die ihn benachrichtigt, die Arbeiter in den Vorstädten seien gegen die Stadt im Anzuge, wurde die Stadthauptmannschaft ebenfalls vorgefordert. Glieder des Gemeindeausschusses wurden vernommen. So kam man auf die Quelle des Verraths -- das Ministerium. Weil der Ausschuß kein Recht hatte, Minister zur Verantwortung zu ziehen, so wurde einstweilen nur das Kabinet des Arbeits-Ministers vorgeladen. Urkunden mußten vorgelegt werden, die Räthe wurden aus den Betten geholt und mußten in der Nacht Verhöre bestehen, die vollends ergaben, daß es auf einen Konflikt abgesehen war, den die Kamarilla für sich ausbeuten wollte. -- Die Arbeiter wollten gestern Abend den Minister Schwarzer, der indessen entflohen war, aufhängen, ja, sie drohten, nach Schönbrunn zu ziehen, um, wie sie sagten, das ganze Nest dort im Park an die Bäume zu knüpfen. Schönbrunn war darum gestern Abend mit Militär und Nationalgarden ganz umstellt und ist es noch. Der Zorn des Volks wendet sich, je klarer es sieht, immer mehr gegen Schönbrunn, dessen Streich abermals mißlungen ist. Die Untersuchung im Sicherheitsausschusse dauert fort, man ist unermüdlich und entdeckt nach und nach Intriguen, die gesponnen wurden und noch gesponnen werden, die Bevölkerung aneinanderzuhetzen, um dann mit dem Militär dazwischen zu fahren. -- Der Hof ist verloren, ich glaube nicht, daß er bleiben wird; entflieht er aber, so wird's ihm schlimm ergehen; es wird allen schlimm ergehen, die es mit ihm halten. Das Wort schwarz-gelb ist heute Nacht zu einer Bezeichnung geworden, die jeden verdirbt, dem das Volk sie beilegt. Während der Nacht waren alle Basteien mit Nationalgarde und ihrer Artillerie besetzt. Die akademische Legion und der Ausschuß wußten die Arbeiter einstweilen zu besänftigen; so eben heißt es aber, es seien 40,000 Arbeiter in den Vorstädten versammelt, um in der Aula mit den Studenten Brüderschaft zu machen. Es ist nicht möglich in die Aula zu kommen und ich war daher einige Zeit im Sicherheitsausschuß, dessen Permanenz noch fortdauert. Die Behörden sind angewiesen worden, jede Stunde über den Zustand der Stadt Bericht zu erstatten; der Befehl über die Nationalgarbe ist dem Ministerium des Innern entzogen worden, indem der Oberkommandant einstweilen unter den Ausschuß gestellt ist. Die Nationalgarde sieht die aristokratisch-spießbürgerliche Wühlerei immer mehr ein; die meisten Kompagnien senden Ergebenheitsadressen an den Ausschuß. Das Ministerium wird vom Reichstag in Anklagezustand versetzt werden. -- Um ihre Intriguen durchzusetzen, hat die Camarilla gewöhnliche Jungen in akademische Uniform kleiden und dieselben im Verlaufe des Tages überall Unordnungen stiften lassen. Auf diese Weise sind von der Nationalgarde viele falsche Akademiker verhaftet worden und es gelang, den Bürgerstand, der ohnehin die Legion nicht recht leiden mag, noch mehr dagegen einzunehmen. Die Studenten entdeckten aber auch diese List und verfügten sich in der Nacht zum Ausschuß, um eine Untersuchung zu beantragen. -- Die akademische Legion hat sich gestern vorzüglich dadurch die Zuneigung der Arbeiter gewonnen, daß sie die Bajonnette von den Gewehren genommen und sich bei der Vertreibung der Arbeiter aus der innern Stadt mit weit mehr Milde benommen hat, als die aufgehetzte Nationalgarde. An dem Sicherheitsausschusse, an der Legion, hängt das Herz Wiens und aller deutschen Provinzen. Die Freiheit Oestreichs hängt daran, weil sie der Spießbürger hier eben so wenig zu vertheidigen vermag, als anderwärts. Ein gewisser Viennet hatte sich dazu hergegeben, eine Adresse an das Ministerium zu verfassen, worin die Universität republikanischer Tendenzen beschuldigt und deshalb ihre Auflösung vom Ministerium verlangt wird, wenn sich dasselbe nicht der Uebereinstimmung mit diesen Tendenzen schuldig machen wolle. "Sollte sich das Ministerium zu schwach fühlen, so heißt es perfiderweise in dieser Adresse, so würden die unterzeichneten Bürger und Nationalgarden im Vereine mit dem Militäre für seine kräftigste Unterstützung Sorge tragen!" Sie sehen, wo man hinaus wollte; man wollte eine Pariser Juni-Schlächterei. Leider finden die absolutistischen Wühlereien schon zu viel Halt in dem Kommißbrod der Freiheit, dem Bürgerthum, obgleich das wiener Bürgerthum von der klassischen Gemeinheit des westeuropäischen noch himmelweit entfernt ist. -- Das Benehmen der Nationalgarde gegen die Arbeiter war hie und da schon sehr schroff und man hört von mancherlei Ex[z]essen, die vorgefallen sein sollen. Vor allem aber empörte das Benehmen des Gemeindeausschusses, der in einem Plakate die gutgesinnten Einwohner Wiens aufforderte, nach Hause zu gehen, da er, der Gemeindeausschuß, schon die nöthigen Anstalten zur Aufrechthaltung der gefährdeten Ruhe der Hauptstadt getroffen habe. Man ersah daraus, daß Alles zum Sturze der freisinnigen Körper verabredet war und ein 26. Mai mit Gewalt heraufbeschworen werden sollte. Hecker kann ohne Umstände hieher kommen, Plakate verkünden heute seine baldige Ankunft. 15 Wien, 22. August. Unsere Stellung zu Ungarn hat sich nicht geändert, die beiden Ministerien werden immer gereizter, ihre Schritte immer feindseliger. Ungarn beharrt auf seiner mit den kaiserlichen Worten verbrieften und versiegelten Unabhängigkeit als auf sein gutes, altes, in Zeitenstürmen verlorenes, nun wieder errungenes Recht, und die Ueberzeugung gewimmt immer mehr Raum, daß nur das Schwerdt entscheiden werde. Der Kaiser hat alle Preßvergehen, welche nach dem provisorischen Preßgesetze gegen seine Person begangen worden, amnestirt, und es frägt sich nun, in wie weit der Staatsanwalt und die Jury die kaiserliche Amnestie erweitern oder einschränken werden, da sich so ziemlich alle bisher obschwebenden Preßprozesse auf den berührten Paragraphen reduciren ließen. Uebermorgen, den 24., sitzt das erste Geschwornengericht über die Preßklage gegen den "Studenten-Kourier." Justizminister Bach ist von den Betreffenden angegangen worden, eine der geräumigsten Lokalitäten der Residenz zum Sitzungssaale einrichten zu lassen, und er willfahrte diesem Wunsche. Ganz Wien sieht mit der gespanntesten Erwartung diesen ersten Anfängen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit im Gerichtsverfahren entgegen, die sich nur der zu erklären vermag, der den frühern Gang der österreichischen Justizpflege zu kennen Gelegenheit hatte. 103 Berlin, 24. August. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Frage über den Modus der Berathung des vom Ministerium vorgelegten Gesetzes über unerlaubte Volksversammlungen und Zusammenrottungen. Auf den Wunsch des Ministeriums hatte der Präsident Grabow die Berathung dieses Gesetzes im Sturmschritt beschlossen. Dienstag Abend um 6 Uhr erhielt derselbe die Königliche Botschaft mit dem Gesetze, beförderte sie sogleich zum Druck, und ließ sie gestern Morgen an alle Abtheilungen vertheilen, und ertheilte deren Vorsitzenden den Auftrag die Berathung und die Wahl eines Mitgliedes zum Berichterstatter sogleich vorzunehmen. Die Central-Abtheilung sollte noch gestern Nachmittag zusammenkommen und ihren Bericht zur heutigen Sitzung erstatten. -- Eine solche übereilte Berathung fand jedoch in verschiedenen Abtheilungen entschiedene Mißbilligung und besonders die zweite Abtheilung fand sich veranlaßt eine Deputation zum Präsidenten Grabow zu senden um gegen die sofortige Berathung zu protestiren. Die erste und dritte Abtheilung theilen dieselbe Ansicht, nahmen aber eventuell die Wahl eines Berichterstatters vor, um in der Central-Abtheilung, wenn sie wirklich zusammentreten sollte, nicht unvertreten zu sein. Die fünfte und sechste Abtheilung konnten mit der Berathung im Laufe des gestrigen Tages nicht zu Ende kommen und obgleich die andern vier Abtheilungen ihre Berichterstatter gewählt, zog es der Vice-Präsident Phiipps doch vor, dieselbe noch nicht zusammentreten zu lassen. -- Nachdem sich dieser Thatbestand aus den verschiedenen Mittheilungen des Präsidiums herausgestellt, wird die Debatte darüber eröffnet, wie man ferner mit dem eingereichten Gesetz-Entwurf zu verfahren habe. Vice-Präsid. Kosch Vorsitzender der zweiten Abtheilung will einige vorgekommene Mißverständnisse widerlegen. Er erzählt den Hergang der ganzen Berathung, wie sie in seiner Abtheilung startgefunden und schließt mit folgenden Worten: Das vorgelegte Gesetz ist jedenfalls ein sehr bedeutendes, denn es soll eins, der durch die Märzrevolution errungenen Rechte, die Fre[i]heit des Versammlungsrechts, aufs Engste beschränkt werden. Das Gesetz ist unter dem Einfluß des Schreckens der Montag-Ereignisse eingebracht, und unter solchen Umständen trägt es einen terroristischen Karakter. Lassen wir diesen Einfluß erst verschwinden und gehen dann mit ruhiger Ueberlegung an die Berathung des Gesetzentwurfs. -- Abg. von Berg schlägt vor, daß man ganz nach Vorschrift der Geschäftsordnung über den Antrag des Ministerpräsidenten, ob die sofortige Berathung vor allen anderen Vorlagen stattfinden solle, abstimmen möge und wird dieser Antrag verworfen, so tritt der gewöhnliche Geschäftsgang ein, daß diese Gesetzvorlage in der Reihe ihrer Nummer in den Abtheilungen berathen werde. (vielseitige Beistimmung.) Abg. Behnsch. Der Herr Präsident glaubte, daß die Versammlung stillschweigend den Antrag des Ministerpräsidenten auf sofortige Berathung angenommen habe, wobei er jedenfalls im Irrthum ist. Es gibt keine stillschweigende Beschlüsse, keine stillschweigende Zustimmung noch Verwerfung. Der Herr Präsident erinnere sich seines eigenen Ausspruchs bei Gelegenheit der Fragestellungen über die Befugnisse der zur Untersuchung der Posenschen Angelegenheiten niedergesetzten Kommission. Es muß demnach noch ein Beschluß der Versammlung nachgesucht werden. Der Präsident Grabow erkennt an, daß er die Geschäftsordnung verletzt und einen Formfehler begangen habe. -- Abg. Zachariä, bekannt durch seine ministeriellen Vermittlungsvorschläge, stellt das Amendement, daß die Gesetzesvorlage nächsten Montag in der Plenarversammlung zur Berathung kommen solle. Bis dahin mögen die Abtheilungen und Central-Abtheilungen das Gesetz berathen und sollte der Bericht bis Montag nicht abgestattet werden können, so soll die Berathung nach dem Eingang des Berichts angesetzt werden. -- Minister-Präsident Auerswald. Er habe in der letzten Sitzung nur den Wunsch ausgesprochen, daß die Berathung über das vorgelegte Gesetz so schnell wie möglich geschehe; die Regierung sei weit entfernt eine Uebereilung bei der Berathung herbeizuführen. Die Regierung ist durchdrungen von der Wichtigkeit der Gesetzes-Vorlage, deren baldige Erlassung zum Schutze der Ordnung und Ruhe und zur Herstellung der Sicherheit und des Vertrauens nothwendig sei, hat jedoch keine Interesse daran, ob die Berathung einige Tage früher oder später stattfinde und überläßt der Versammlung die desfallsige Bestimmung. -- (Bravo zur Rechten. Zischen zur Linken.) Abg. Wachsmuth bedauert die letzten Vorfälle, zu welchen das Volk durch schamlose Plakate, wie diejenigen von deren der Herr Minister des Innern in letzter Sitzung eins verlas, verleitet worden sei. Nachdem noch eine kurze Debatte stattgefunden, wird das Amendement Zachariä angenommen und die Berathung findet demnach Montag statt. -- Der Abg. Jung erhält hierauf das Wort. Er habe in einer der ersten Sitzungen dieser Versammlung den Antrag gestellt auf Pensionirung der in der März-Revolution verwundeten Kämpfer und der Hinterbliebenen der Gefallenen. Obgleich nun schon die Central-Abtheilung über Berathung dieses Antrages vor länger als zehn Wochen zusammengetreten, so sei doch bis jetzt noch kein Bericht darüber erstattet worden. Man hat ihn von vielen Seiten deshalb um Erklärung dieser Hinschleppung ersucht, da man von mancher Seite der Versammlung selbst Schuld gab, daß dieselbe diesen Antrag vorsätzlich unterdrücken wolle; bei einer deshalb von ihm angestellten Untersuchung hat sich aber ergeben, daß die Verzögerung von einer Seite herrühre, von welcher man es am Wenigsten erwarten sollte, nämlich vom Berliner Magistrat. Er bittet den Vorsitzenden der Central-Abtheilung um die nähern Mittheilung. -- Dieser, der Vicepräsident Kosch, berichtet, daß die Central-Abtheilung geglaubt hätte, vom Berliner Magistrat einen Ausweis über die Anzahl der zu Pensionirenden und über die zur Unterstützung derselben eingegangenen Fonds zu erhalten. Der Magistrat hat aber dieses Gesuch unberücksichtigt gelassen und deshalb hat die Abtheilung vor ungefähr vier Wochen den Minister des Innern ersucht, den Magistrat zur Ertheilung des verlangten Nachweises aufzufordern. Hierauf Tagesordnung über §. 3. des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit. Abgeordneter von Daniels stellt folgendes Amendement: "Personen, welche ohne gerichtlichen Befehl zu ihrem eigenen Schutze, oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, oder auf den Grund einer besonderen gesetzlichen Befugniß festgenommen worden sind, müssen in vier und zwanzig Stunden in Freiheit gesetzt, oder dem geeigneten Verfahren überwiesen werden. Die Vorschriften der rheinischen Strafprozeß-Ordnung At. 615-617. werden auf den ganzen Umfang des Staats ausgedehnt, mit er Maaßgabe, daß an die Stelle der in Art 615. benannten Beamten die Ortsrichter, die Directoren der Inquisitoriate, die Präsidenten der vorgesetzten Obergerichte und die Beamten der Staatsanwaltschaft des Gerichtsbezirks treten." Abg. Harrassowitz will den §. kurz fassen und schlägt folgendes Amendement vor: "Eine Verhaftung, die lediglich zu polizeilichen Zwecken erfolgt ist, darf in keinem Falle die Dauer von vier und zwanzig Stunden überschreiten." Abgeordneter Borchardt. Wer die Ruhe, Sittlichkeit oder Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten wirklich verletzt, begeht ein Verbrechen oder Vergehen, und kann, wenn er auf frischer That betroffen wird, sofort verhaftet werden. -- Eine bloße Besorgniß, daß Jemand die Ruhe und Sittlichkeit verletzen werde, kann aber weder eine Verhaftung noch eine sogenannte polizeiliche Verwahrung, die dasselbe ist, rechtfertigen. Die persönliche Freiheit würde sonst der polizeilichen Willkür, die überall Gefahr wittert, völlig preisgegeben sein. -- Er schlägt demnach das Amendement vor, daß im § 3. des Kommissionsentwurfs die Worte: "oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich verwahrt werden" -- gestrichen werden. -- Nachdem noch viele Redner für und gegen den Kommissions-Entwurf gesprochen, erklärt sich der Minister des Innern, Kühlwetter, in einer längern weitschweifigen Rede für den Kommissionsentwurf ohne alle Aenderung und Zusätze. -- Berichterstatter Waldeck. Die §§. 1. und 2. beziehen sich nur auf die Fälle eigentlicher Verhaftungen, diejenigen nämlich, welche sich auf die Anschuldigung einer strafbaren Handlung gründen. Die Polizei der Straßen und öffentlichen Plätze macht es jedoch unerläßlich, daß mitunter, namentlich zur Nachtzeit, zeitweise polizeiliche Verwahrungen vorgenommen werden müssen, theils zum Schutze der in Verwahr genommenen Personen selbst, z. B. der Trunkenen, Wahnsinnigen, Kinder, theils bei Störungen der Ruhe, der Sittlichkeit oder der Sicherheit der Plätze. Es konnte nicht die Absicht sein, der Polizeigewalt diese Befugniß, deren Grenzen sich aus Vorstehendem von selbst ergeben, zu entziehen. Entsprechend dem bloß vorsorglichen Charakter derartiger Maaßregeln ist es jedoch nothwendig, eine möglichst kurze Dauer derselben allgemein vorzuschreiben. -- Er, für seine Person, erklärt sich jedoch aus den von andern Rednern schon mitgetheilten Gründen gegen den §. 3. des Kommissions-Entwurfs. Abstimmung: Alle oben angegebenen Amendements werden verworfen. -- Das Amendement des Abg. v. Lisiecki: Statt des Wortes "wenigstens" das Wort "spätestens" zu setzen, wird angenommen. Demnach wird der ganze §. 3. mit kleiner Majorität angenommen, welcher nun folgendermaßen lautet: "Diese Bestimmungen (§§. 1. 2.) bleiben außer Anwendung auf Personen, welche zu ihrem eigenen Schutze oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich in Verwahrung genommen werden. Diese Personen müssen jedoch spätestens binnen vierundzwanzig Stunden entweder in Freiheit gesetzt, oder dem gewöhnlichen Verfahren überwiesen werden." Abg. Walter hat noch folgenden Zusatz gestellt, welcher angenommen wird. §. 3. a. "Jeder Verhaftete muß binnen 24 Stunden nach seiner Vorführung vor den zuständigen Richter von demselben so vernommen werden, daß ihm die Anschuldigungsgründe mitgetheilt, und ihm die Möglichkeit zur Aufklärung eines Mißverständnisses gegeben wird." Ein von Demselben gestellter zweiter Zusatz wird jedoch mit kleiner Majorität verworfen; er lautete: "Der Beamte, welchem die Aufsicht über das Gefängniß zusteht, ist verpflichtet, den Verwandten und Freunden des Verhafteten zu gestatten, sich denselben vorstellen zu lassen, und der Gefangenwärter ist verpflichtet, dieser Weisung Folge zu leisten, wenn er nicht einen richterlichen Befehl vorzeigt, der ihm vorschreibt, den Verhafteten in geheimer Haft zu halten. Der Beamte oder Gefangenwärter, welcher jener Verfügung zuwider handelt, ist des Vergehens willkürlicher Verhaftung schuldig." Hierauf kommt man zum §. 4, worüber nur eine kurze Debatte stattfindet. §. 4. lautet: "Niemand darf vor einen andern als den im Gesetz bezeichneten Richter gestellt werden. Ausnahmsgerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft. Keine Strafe kann angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit des Gesetzes" Wird ohne Aenderung angenommen. Schluß der Sitzung. Nächste Sitzung Sonnabend. 103 Berlin, 24. August. Die von den 6 vereinigten Clubs gestern Abend vor den Zelten abgehaltene Volksversammlung war unstreitig die bedeutendste, die je hier Statt gefunden, (was nicht viel sagen will. Nächst einem Protest an die Vereinbarer-Versammlung gegen den Gesetzentwurf der Minister, welcher mit vielen Tausend Unterschriften bedeckt wurde, ward auch eine Proklamation des demokratischen Clubs an die Bürgerwehr verlesen. Der letzte Redner schloß die Versammlung mit einer Aufforderung zur Bildung eines großen Nationalbundes zum Schutz der Freiheit und verlas folgendes Programm, welches jeder Beitretende unterschreiben sollte: "Wir, deren Namen hier unterschrieben sind, verpflichten und verpfänden uns feierlichst mit unserer Ehre und bei dem Andenken an unsere große (!) und glorreiche (!!) März-Revolution, für die öffentliche Wohlfahrt und für die Freiheit der Nation, für einander und für unser Vaterland zu stehen und zusammenzuhalten wie Ein Mann, um die durch die Revolution errungene (!!!) und seitdem zu Recht bestehende (!!) Freiheit vor jedem verbrecherischem und heimtückischen Angriff und vor jeder schimpflichen Beschränkung zu schützen und zu wahren. -- Wir hoffen, daß alle guten und ehrenhaften Staatsbürger, daß insbesondere die erwählten Vertreter der Nation, welche nicht Verräther sein wollen, unsere Bestrebungen kräftigst unterstützen werden; wir beschließen, daß unser Ausschuß befugt und berechtigt ist, in unserm Namen alle Schritte zu thun, welche er zur Erhaltung und zum Schutz unserer eroberten Freiheit für nothwendig hält; wir schwören endlich mit Gut und Blut für diese Freiheit der Nation einstehen zu wollen." Ehe der Redner den letzten Satz verlas, frug er die Versammlung ob sie diesen "Schwur" leisten wollten, in diesem Falle sollten sie seine Worte wiederholen und die ganze Versammlung, über 10,000 Männer, leisteten diesen Eid. (Schönes Schauspiel! Märkischer Rütlibund!) Der Moment war erhebend! Wie läppisch erscheint die Metropole der norddeutschen Intelligenz neben dem "gemüthlichen" Wien! Quadratfüßlerseelen des Rheines sich dabei die behaglichen Wänste füllen, nachdem sie den Säckel des Volks in den ihrigen hineinspekulirt, bringt Wien die schönsten Opfer zur Festhaltung der Freiheit. Wir lächeln darum auch mitleidig, wenn uns ein Herwegh zuruft, (Gedicht v. 9. Aug.) wir seien: „Eine Schöpfung ohne Leben und ein Chaos ohne Geist“ — Wien kann sich nur freuen, wenn angeliche Genies, welche die von deutschen Plattköpfen angeglotzte Dummheit ausgerufen: „O Volk von 40 Millionen, das 40 Menschen unterthan!“ es verhöhnen. Ich wenigstens habe das deutsche Volk immer gerade darum allein nur noch entschuldbar gefunden, weil es 40 einige Tyrannen im Nacken sitzen hatte und nicht etwa einen. Ich glaube Sie versichern zu können, daß mit dem einfachen Herzen und mit dem einfachen, sehr begabten Naturverstande des Wieners sich keiner benommen haben würde, wie Herwegh, wenn es hier einmal auf einen republikanischen Kampf angekommen wäre. Schon längst zuckt daher der Wiener die Achsel über die sogenannten politisch-großen Geister und Charaktere Deutschlands, denn er sieht, daß es im Grunde ziemlich arme Schlucker sind, die man bemitleiden muß. Die Thätigkeit der Kamerilla hat mit der Rückkehr nach Schönbrunn keineswegs aufgehört, sie ist durch ihre Niederlagen zur äußersten Wuth getrieben. Das Rückfordern, die kalte Aufnahme des Kaisers; das Durchfallen des Selinger'schen Antrags; die Parade mit dem ça ira, welche man als eine Verhöhnung des Kaisers auslegte; das demokratische Benehmen des Reichstag[e]s, der seinen schwarz-gelb-zuckersüßen Präsidenten Schmitt, nachdem er Salbader in Schönbrunn gesprochen, sogleich abgesetzt hat; das Fortbestehen des Sicherheitsausschusses und der akademischen Legion, überhaupt die fortwährend demokratische Haltung Wien's, geboten äußerste Mittel der List. Man bemühte sich, die demokratisch genannten Mitglieder des Ministeriums zu fangen und zu kompromittiren. Dazu taugte Niemand besser, als Schwarzer, den ich Ihnen schon früher als politischen Charlatan bezeichnet habe. Schwarzer wurde veranlaßt, den Arbeitslohn um 5 Kr. herabzusetzen; man wußte wohl, daß dadurch ein Arbeitersturm heraufbeschworen würde. Der Minister ging in die Falle, denn man zeigte ihm darin einen vortrefflichen Speck. Er erließ also schon am Samstag eine Verordnung, wodurch der Arbeitslohn herabgesetzt wurde. — Diesen Beschluß theilte er, wie die erste Pflicht gebot, nicht etwa dem Sicherheitsausschusse mit, sondern ließ ihn durch das Komité für die Arbeiter der Stadthauptmannschaft (früher Polizei-Oberdirektion) dem verhaßten Gemeindeausschusse mit dem Bedeuten zugehen, den Oberkommandant der Nationalgarde, Streffleur, aufzufordern, die sämmtlichen Kompagnieen der Garde in Bereitschaft zu halten, weil am Montag, wo er, der Minister, seinen Beschluß veröffentlichen würde, ein Arbeiteraufstand zu befürchten stehe. Zugleich war der Gemeindeausschuß autorisirt, das Militär zu requiriren. Dem Sicherheitsausschuß wurde davon keine Silbe mitgetheilt. Am Montag erscheint nun Schwarzer's Verordnung und macht auf die Arbeiter den gehörigen Effekt. Sie strömen mit Frau und Kindern zu Haufen in die Stadt und vor das Rathhaus, vor den Sicherheitsausschuß und zur Aula, indem sie die Aufhebung des Beschlusses verlangen. Augenblicklich wird der Generalmarsch geschlagen, Gerüchte verbreiten sich, die Arbeiter sollten von der Nationalgarde zu Paaren getrieben werden und man wolle dann in den Sicherheitsausschuß dringen, um denselben zu sprengen, worauf die Auflösung der akademischen Legion erfolgen müsse. — Durch tausend Verleumdungen, die seit der Rückkehr des Kaisers ausgesprengt worden, war es gelungen, die Nationalgarde theilweise sowohl gegen die Legion, als auch gegen den Sicherheitsausschuß einzunehmen und dieselbe ging sogar schon so weit, daß einzelne Kompagnieen ihre Abgeordneten zurückberiefen, ohne neue zu ernennen. Dies widerfuhr namentlich den freisinnigsten Mitgliedern des Ausschusses, welche für die an die Frankfurter Linke zu sendende Adresse gestimmt hatten. Der Sicherheitsausschuß glaubte, mit der öffentlichen Meinung nicht mehr in Einklang zu stehen; es erhoben sich viele Stimmen für freiwillige Auflösung. Da erschienen die Arbeitermassen, die Verordnung wurde bekannt, man fühlte sogleich die hinterlistige Gewalt, welche im Verborgenen wirkte und sich durch Uebergehen des Sicherheitsausschusses bei allen genommenen Maßregeln, nur zu deutlich zu erkennen gegeben hatte. Die beredtsten Mitglieder überzeugten Alle alsbald von der vorhandenen Gefahr und man beschloß, eine Deputation an den Minister Dobblhof zu senden, deren Resutat ich Ihnen gestern mitgetheilt habe und welches in einem Nu den Sicherheitsausschuß wieder über jede andere in Wien vorhandene Exekutivbehörde erhob. Jetzt schritt der Sicherheitsausschuß während des Nachmittags und in der Nacht zu den energischsten Maßregeln. Er erklärte, daß keine Behörde in Wien mehr eine von ihm unabhängige Exekutivgewalt habe. Daß auch der Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft (Polizei) sich seinen Befehlen zu fügen habe. Er forderte den Oberkommandanten der Nationalgarde vor seine Schranken und ließ sich von ihm erklären, woher er die Weisung zum Schlagen des Generalmarsches erhalten, und als derselbe darauf den Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft als solche bezeichnete, die ihn benachrichtigt, die Arbeiter in den Vorstädten seien gegen die Stadt im Anzuge, wurde die Stadthauptmannschaft ebenfalls vorgefordert. Glieder des Gemeindeausschusses wurden vernommen. So kam man auf die Quelle des Verraths — das Ministerium. Weil der Ausschuß kein Recht hatte, Minister zur Verantwortung zu ziehen, so wurde einstweilen nur das Kabinet des Arbeits-Ministers vorgeladen. Urkunden mußten vorgelegt werden, die Räthe wurden aus den Betten geholt und mußten in der Nacht Verhöre bestehen, die vollends ergaben, daß es auf einen Konflikt abgesehen war, den die Kamarilla für sich ausbeuten wollte. — Die Arbeiter wollten gestern Abend den Minister Schwarzer, der indessen entflohen war, aufhängen, ja, sie drohten, nach Schönbrunn zu ziehen, um, wie sie sagten, das ganze Nest dort im Park an die Bäume zu knüpfen. Schönbrunn war darum gestern Abend mit Militär und Nationalgarden ganz umstellt und ist es noch. Der Zorn des Volks wendet sich, je klarer es sieht, immer mehr gegen Schönbrunn, dessen Streich abermals mißlungen ist. Die Untersuchung im Sicherheitsausschusse dauert fort, man ist unermüdlich und entdeckt nach und nach Intriguen, die gesponnen wurden und noch gesponnen werden, die Bevölkerung aneinanderzuhetzen, um dann mit dem Militär dazwischen zu fahren. — Der Hof ist verloren, ich glaube nicht, daß er bleiben wird; entflieht er aber, so wird's ihm schlimm ergehen; es wird allen schlimm ergehen, die es mit ihm halten. Das Wort schwarz-gelb ist heute Nacht zu einer Bezeichnung geworden, die jeden verdirbt, dem das Volk sie beilegt. Während der Nacht waren alle Basteien mit Nationalgarde und ihrer Artillerie besetzt. Die akademische Legion und der Ausschuß wußten die Arbeiter einstweilen zu besänftigen; so eben heißt es aber, es seien 40,000 Arbeiter in den Vorstädten versammelt, um in der Aula mit den Studenten Brüderschaft zu machen. Es ist nicht möglich in die Aula zu kommen und ich war daher einige Zeit im Sicherheitsausschuß, dessen Permanenz noch fortdauert. Die Behörden sind angewiesen worden, jede Stunde über den Zustand der Stadt Bericht zu erstatten; der Befehl über die Nationalgarbe ist dem Ministerium des Innern entzogen worden, indem der Oberkommandant einstweilen unter den Ausschuß gestellt ist. Die Nationalgarde sieht die aristokratisch-spießbürgerliche Wühlerei immer mehr ein; die meisten Kompagnien senden Ergebenheitsadressen an den Ausschuß. Das Ministerium wird vom Reichstag in Anklagezustand versetzt werden. — Um ihre Intriguen durchzusetzen, hat die Camarilla gewöhnliche Jungen in akademische Uniform kleiden und dieselben im Verlaufe des Tages überall Unordnungen stiften lassen. Auf diese Weise sind von der Nationalgarde viele falsche Akademiker verhaftet worden und es gelang, den Bürgerstand, der ohnehin die Legion nicht recht leiden mag, noch mehr dagegen einzunehmen. Die Studenten entdeckten aber auch diese List und verfügten sich in der Nacht zum Ausschuß, um eine Untersuchung zu beantragen. — Die akademische Legion hat sich gestern vorzüglich dadurch die Zuneigung der Arbeiter gewonnen, daß sie die Bajonnette von den Gewehren genommen und sich bei der Vertreibung der Arbeiter aus der innern Stadt mit weit mehr Milde benommen hat, als die aufgehetzte Nationalgarde. An dem Sicherheitsausschusse, an der Legion, hängt das Herz Wiens und aller deutschen Provinzen. Die Freiheit Oestreichs hängt daran, weil sie der Spießbürger hier eben so wenig zu vertheidigen vermag, als anderwärts. Ein gewisser Viennet hatte sich dazu hergegeben, eine Adresse an das Ministerium zu verfassen, worin die Universität republikanischer Tendenzen beschuldigt und deshalb ihre Auflösung vom Ministerium verlangt wird, wenn sich dasselbe nicht der Uebereinstimmung mit diesen Tendenzen schuldig machen wolle. „Sollte sich das Ministerium zu schwach fühlen, so heißt es perfiderweise in dieser Adresse, so würden die unterzeichneten Bürger und Nationalgarden im Vereine mit dem Militäre für seine kräftigste Unterstützung Sorge tragen!“ Sie sehen, wo man hinaus wollte; man wollte eine Pariser Juni-Schlächterei. Leider finden die absolutistischen Wühlereien schon zu viel Halt in dem Kommißbrod der Freiheit, dem Bürgerthum, obgleich das wiener Bürgerthum von der klassischen Gemeinheit des westeuropäischen noch himmelweit entfernt ist. — Das Benehmen der Nationalgarde gegen die Arbeiter war hie und da schon sehr schroff und man hört von mancherlei Ex[z]essen, die vorgefallen sein sollen. Vor allem aber empörte das Benehmen des Gemeindeausschusses, der in einem Plakate die gutgesinnten Einwohner Wiens aufforderte, nach Hause zu gehen, da er, der Gemeindeausschuß, schon die nöthigen Anstalten zur Aufrechthaltung der gefährdeten Ruhe der Hauptstadt getroffen habe. Man ersah daraus, daß Alles zum Sturze der freisinnigen Körper verabredet war und ein 26. Mai mit Gewalt heraufbeschworen werden sollte. Hecker kann ohne Umstände hieher kommen, Plakate verkünden heute seine baldige Ankunft. 15 Wien, 22. August. Unsere Stellung zu Ungarn hat sich nicht geändert, die beiden Ministerien werden immer gereizter, ihre Schritte immer feindseliger. Ungarn beharrt auf seiner mit den kaiserlichen Worten verbrieften und versiegelten Unabhängigkeit als auf sein gutes, altes, in Zeitenstürmen verlorenes, nun wieder errungenes Recht, und die Ueberzeugung gewimmt immer mehr Raum, daß nur das Schwerdt entscheiden werde. Der Kaiser hat alle Preßvergehen, welche nach dem provisorischen Preßgesetze gegen seine Person begangen worden, amnestirt, und es frägt sich nun, in wie weit der Staatsanwalt und die Jury die kaiserliche Amnestie erweitern oder einschränken werden, da sich so ziemlich alle bisher obschwebenden Preßprozesse auf den berührten Paragraphen reduciren ließen. Uebermorgen, den 24., sitzt das erste Geschwornengericht über die Preßklage gegen den „Studenten-Kourier.“ Justizminister Bach ist von den Betreffenden angegangen worden, eine der geräumigsten Lokalitäten der Residenz zum Sitzungssaale einrichten zu lassen, und er willfahrte diesem Wunsche. Ganz Wien sieht mit der gespanntesten Erwartung diesen ersten Anfängen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit im Gerichtsverfahren entgegen, die sich nur der zu erklären vermag, der den frühern Gang der österreichischen Justizpflege zu kennen Gelegenheit hatte. 103 Berlin, 24. August. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Frage über den Modus der Berathung des vom Ministerium vorgelegten Gesetzes über unerlaubte Volksversammlungen und Zusammenrottungen. Auf den Wunsch des Ministeriums hatte der Präsident Grabow die Berathung dieses Gesetzes im Sturmschritt beschlossen. Dienstag Abend um 6 Uhr erhielt derselbe die Königliche Botschaft mit dem Gesetze, beförderte sie sogleich zum Druck, und ließ sie gestern Morgen an alle Abtheilungen vertheilen, und ertheilte deren Vorsitzenden den Auftrag die Berathung und die Wahl eines Mitgliedes zum Berichterstatter sogleich vorzunehmen. Die Central-Abtheilung sollte noch gestern Nachmittag zusammenkommen und ihren Bericht zur heutigen Sitzung erstatten. — Eine solche übereilte Berathung fand jedoch in verschiedenen Abtheilungen entschiedene Mißbilligung und besonders die zweite Abtheilung fand sich veranlaßt eine Deputation zum Präsidenten Grabow zu senden um gegen die sofortige Berathung zu protestiren. Die erste und dritte Abtheilung theilen dieselbe Ansicht, nahmen aber eventuell die Wahl eines Berichterstatters vor, um in der Central-Abtheilung, wenn sie wirklich zusammentreten sollte, nicht unvertreten zu sein. Die fünfte und sechste Abtheilung konnten mit der Berathung im Laufe des gestrigen Tages nicht zu Ende kommen und obgleich die andern vier Abtheilungen ihre Berichterstatter gewählt, zog es der Vice-Präsident Phiipps doch vor, dieselbe noch nicht zusammentreten zu lassen. — Nachdem sich dieser Thatbestand aus den verschiedenen Mittheilungen des Präsidiums herausgestellt, wird die Debatte darüber eröffnet, wie man ferner mit dem eingereichten Gesetz-Entwurf zu verfahren habe. Vice-Präsid. Kosch Vorsitzender der zweiten Abtheilung will einige vorgekommene Mißverständnisse widerlegen. Er erzählt den Hergang der ganzen Berathung, wie sie in seiner Abtheilung startgefunden und schließt mit folgenden Worten: Das vorgelegte Gesetz ist jedenfalls ein sehr bedeutendes, denn es soll eins, der durch die Märzrevolution errungenen Rechte, die Fre[i]heit des Versammlungsrechts, aufs Engste beschränkt werden. Das Gesetz ist unter dem Einfluß des Schreckens der Montag-Ereignisse eingebracht, und unter solchen Umständen trägt es einen terroristischen Karakter. Lassen wir diesen Einfluß erst verschwinden und gehen dann mit ruhiger Ueberlegung an die Berathung des Gesetzentwurfs. — Abg. von Berg schlägt vor, daß man ganz nach Vorschrift der Geschäftsordnung über den Antrag des Ministerpräsidenten, ob die sofortige Berathung vor allen anderen Vorlagen stattfinden solle, abstimmen möge und wird dieser Antrag verworfen, so tritt der gewöhnliche Geschäftsgang ein, daß diese Gesetzvorlage in der Reihe ihrer Nummer in den Abtheilungen berathen werde. (vielseitige Beistimmung.) Abg. Behnsch. Der Herr Präsident glaubte, daß die Versammlung stillschweigend den Antrag des Ministerpräsidenten auf sofortige Berathung angenommen habe, wobei er jedenfalls im Irrthum ist. Es gibt keine stillschweigende Beschlüsse, keine stillschweigende Zustimmung noch Verwerfung. Der Herr Präsident erinnere sich seines eigenen Ausspruchs bei Gelegenheit der Fragestellungen über die Befugnisse der zur Untersuchung der Posenschen Angelegenheiten niedergesetzten Kommission. Es muß demnach noch ein Beschluß der Versammlung nachgesucht werden. Der Präsident Grabow erkennt an, daß er die Geschäftsordnung verletzt und einen Formfehler begangen habe. — Abg. Zachariä, bekannt durch seine ministeriellen Vermittlungsvorschläge, stellt das Amendement, daß die Gesetzesvorlage nächsten Montag in der Plenarversammlung zur Berathung kommen solle. Bis dahin mögen die Abtheilungen und Central-Abtheilungen das Gesetz berathen und sollte der Bericht bis Montag nicht abgestattet werden können, so soll die Berathung nach dem Eingang des Berichts angesetzt werden. — Minister-Präsident Auerswald. Er habe in der letzten Sitzung nur den Wunsch ausgesprochen, daß die Berathung über das vorgelegte Gesetz so schnell wie möglich geschehe; die Regierung sei weit entfernt eine Uebereilung bei der Berathung herbeizuführen. Die Regierung ist durchdrungen von der Wichtigkeit der Gesetzes-Vorlage, deren baldige Erlassung zum Schutze der Ordnung und Ruhe und zur Herstellung der Sicherheit und des Vertrauens nothwendig sei, hat jedoch keine Interesse daran, ob die Berathung einige Tage früher oder später stattfinde und überläßt der Versammlung die desfallsige Bestimmung. — (Bravo zur Rechten. Zischen zur Linken.) Abg. Wachsmuth bedauert die letzten Vorfälle, zu welchen das Volk durch schamlose Plakate, wie diejenigen von deren der Herr Minister des Innern in letzter Sitzung eins verlas, verleitet worden sei. Nachdem noch eine kurze Debatte stattgefunden, wird das Amendement Zachariä angenommen und die Berathung findet demnach Montag statt. — Der Abg. Jung erhält hierauf das Wort. Er habe in einer der ersten Sitzungen dieser Versammlung den Antrag gestellt auf Pensionirung der in der März-Revolution verwundeten Kämpfer und der Hinterbliebenen der Gefallenen. Obgleich nun schon die Central-Abtheilung über Berathung dieses Antrages vor länger als zehn Wochen zusammengetreten, so sei doch bis jetzt noch kein Bericht darüber erstattet worden. Man hat ihn von vielen Seiten deshalb um Erklärung dieser Hinschleppung ersucht, da man von mancher Seite der Versammlung selbst Schuld gab, daß dieselbe diesen Antrag vorsätzlich unterdrücken wolle; bei einer deshalb von ihm angestellten Untersuchung hat sich aber ergeben, daß die Verzögerung von einer Seite herrühre, von welcher man es am Wenigsten erwarten sollte, nämlich vom Berliner Magistrat. Er bittet den Vorsitzenden der Central-Abtheilung um die nähern Mittheilung. — Dieser, der Vicepräsident Kosch, berichtet, daß die Central-Abtheilung geglaubt hätte, vom Berliner Magistrat einen Ausweis über die Anzahl der zu Pensionirenden und über die zur Unterstützung derselben eingegangenen Fonds zu erhalten. Der Magistrat hat aber dieses Gesuch unberücksichtigt gelassen und deshalb hat die Abtheilung vor ungefähr vier Wochen den Minister des Innern ersucht, den Magistrat zur Ertheilung des verlangten Nachweises aufzufordern. Hierauf Tagesordnung über §. 3. des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit. Abgeordneter von Daniels stellt folgendes Amendement: „Personen, welche ohne gerichtlichen Befehl zu ihrem eigenen Schutze, oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, oder auf den Grund einer besonderen gesetzlichen Befugniß festgenommen worden sind, müssen in vier und zwanzig Stunden in Freiheit gesetzt, oder dem geeigneten Verfahren überwiesen werden. Die Vorschriften der rheinischen Strafprozeß-Ordnung At. 615-617. werden auf den ganzen Umfang des Staats ausgedehnt, mit er Maaßgabe, daß an die Stelle der in Art 615. benannten Beamten die Ortsrichter, die Directoren der Inquisitoriate, die Präsidenten der vorgesetzten Obergerichte und die Beamten der Staatsanwaltschaft des Gerichtsbezirks treten.“ Abg. Harrassowitz will den §. kurz fassen und schlägt folgendes Amendement vor: „Eine Verhaftung, die lediglich zu polizeilichen Zwecken erfolgt ist, darf in keinem Falle die Dauer von vier und zwanzig Stunden überschreiten.“ Abgeordneter Borchardt. Wer die Ruhe, Sittlichkeit oder Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten wirklich verletzt, begeht ein Verbrechen oder Vergehen, und kann, wenn er auf frischer That betroffen wird, sofort verhaftet werden. — Eine bloße Besorgniß, daß Jemand die Ruhe und Sittlichkeit verletzen werde, kann aber weder eine Verhaftung noch eine sogenannte polizeiliche Verwahrung, die dasselbe ist, rechtfertigen. Die persönliche Freiheit würde sonst der polizeilichen Willkür, die überall Gefahr wittert, völlig preisgegeben sein. — Er schlägt demnach das Amendement vor, daß im § 3. des Kommissionsentwurfs die Worte: „oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich verwahrt werden“ — gestrichen werden. — Nachdem noch viele Redner für und gegen den Kommissions-Entwurf gesprochen, erklärt sich der Minister des Innern, Kühlwetter, in einer längern weitschweifigen Rede für den Kommissionsentwurf ohne alle Aenderung und Zusätze. — Berichterstatter Waldeck. Die §§. 1. und 2. beziehen sich nur auf die Fälle eigentlicher Verhaftungen, diejenigen nämlich, welche sich auf die Anschuldigung einer strafbaren Handlung gründen. Die Polizei der Straßen und öffentlichen Plätze macht es jedoch unerläßlich, daß mitunter, namentlich zur Nachtzeit, zeitweise polizeiliche Verwahrungen vorgenommen werden müssen, theils zum Schutze der in Verwahr genommenen Personen selbst, z. B. der Trunkenen, Wahnsinnigen, Kinder, theils bei Störungen der Ruhe, der Sittlichkeit oder der Sicherheit der Plätze. Es konnte nicht die Absicht sein, der Polizeigewalt diese Befugniß, deren Grenzen sich aus Vorstehendem von selbst ergeben, zu entziehen. Entsprechend dem bloß vorsorglichen Charakter derartiger Maaßregeln ist es jedoch nothwendig, eine möglichst kurze Dauer derselben allgemein vorzuschreiben. — Er, für seine Person, erklärt sich jedoch aus den von andern Rednern schon mitgetheilten Gründen gegen den §. 3. des Kommissions-Entwurfs. Abstimmung: Alle oben angegebenen Amendements werden verworfen. — Das Amendement des Abg. v. Lisiecki: Statt des Wortes „wenigstens“ das Wort „spätestens“ zu setzen, wird angenommen. Demnach wird der ganze §. 3. mit kleiner Majorität angenommen, welcher nun folgendermaßen lautet: „Diese Bestimmungen (§§. 1. 2.) bleiben außer Anwendung auf Personen, welche zu ihrem eigenen Schutze oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich in Verwahrung genommen werden. Diese Personen müssen jedoch spätestens binnen vierundzwanzig Stunden entweder in Freiheit gesetzt, oder dem gewöhnlichen Verfahren überwiesen werden.“ Abg. Walter hat noch folgenden Zusatz gestellt, welcher angenommen wird. §. 3. a. „Jeder Verhaftete muß binnen 24 Stunden nach seiner Vorführung vor den zuständigen Richter von demselben so vernommen werden, daß ihm die Anschuldigungsgründe mitgetheilt, und ihm die Möglichkeit zur Aufklärung eines Mißverständnisses gegeben wird.“ Ein von Demselben gestellter zweiter Zusatz wird jedoch mit kleiner Majorität verworfen; er lautete: „Der Beamte, welchem die Aufsicht über das Gefängniß zusteht, ist verpflichtet, den Verwandten und Freunden des Verhafteten zu gestatten, sich denselben vorstellen zu lassen, und der Gefangenwärter ist verpflichtet, dieser Weisung Folge zu leisten, wenn er nicht einen richterlichen Befehl vorzeigt, der ihm vorschreibt, den Verhafteten in geheimer Haft zu halten. Der Beamte oder Gefangenwärter, welcher jener Verfügung zuwider handelt, ist des Vergehens willkürlicher Verhaftung schuldig.“ Hierauf kommt man zum §. 4, worüber nur eine kurze Debatte stattfindet. §. 4. lautet: „Niemand darf vor einen andern als den im Gesetz bezeichneten Richter gestellt werden. Ausnahmsgerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft. Keine Strafe kann angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit des Gesetzes“ Wird ohne Aenderung angenommen. Schluß der Sitzung. Nächste Sitzung Sonnabend. 103 Berlin, 24. August. Die von den 6 vereinigten Clubs gestern Abend vor den Zelten abgehaltene Volksversammlung war unstreitig die bedeutendste, die je hier Statt gefunden, (was nicht viel sagen will. Nächst einem Protest an die Vereinbarer-Versammlung gegen den Gesetzentwurf der Minister, welcher mit vielen Tausend Unterschriften bedeckt wurde, ward auch eine Proklamation des demokratischen Clubs an die Bürgerwehr verlesen. Der letzte Redner schloß die Versammlung mit einer Aufforderung zur Bildung eines großen Nationalbundes zum Schutz der Freiheit und verlas folgendes Programm, welches jeder Beitretende unterschreiben sollte: „Wir, deren Namen hier unterschrieben sind, verpflichten und verpfänden uns feierlichst mit unserer Ehre und bei dem Andenken an unsere große (!) und glorreiche (!!) März-Revolution, für die öffentliche Wohlfahrt und für die Freiheit der Nation, für einander und für unser Vaterland zu stehen und zusammenzuhalten wie Ein Mann, um die durch die Revolution errungene (!!!) und seitdem zu Recht bestehende (!!) Freiheit vor jedem verbrecherischem und heimtückischen Angriff und vor jeder schimpflichen Beschränkung zu schützen und zu wahren. — Wir hoffen, daß alle guten und ehrenhaften Staatsbürger, daß insbesondere die erwählten Vertreter der Nation, welche nicht Verräther sein wollen, unsere Bestrebungen kräftigst unterstützen werden; wir beschließen, daß unser Ausschuß befugt und berechtigt ist, in unserm Namen alle Schritte zu thun, welche er zur Erhaltung und zum Schutz unserer eroberten Freiheit für nothwendig hält; wir schwören endlich mit Gut und Blut für diese Freiheit der Nation einstehen zu wollen.“ Ehe der Redner den letzten Satz verlas, frug er die Versammlung ob sie diesen „Schwur“ leisten wollten, in diesem Falle sollten sie seine Worte wiederholen und die ganze Versammlung, über 10,000 Männer, leisteten diesen Eid. (Schönes Schauspiel! Märkischer Rütlibund!) Der Moment war erhebend! Wie läppisch erscheint die Metropole der norddeutschen Intelligenz neben dem „gemüthlichen“ Wien! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar087_009" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0447"/> Quadratfüßlerseelen des Rheines sich dabei die behaglichen Wänste füllen, nachdem sie den Säckel des Volks in den ihrigen hineinspekulirt, bringt Wien die schönsten Opfer zur Festhaltung der Freiheit. Wir lächeln darum auch mitleidig, wenn uns ein Herwegh zuruft, (Gedicht v. 9. Aug.) wir seien: „Eine Schöpfung ohne Leben und ein Chaos ohne Geist“ — Wien kann sich nur freuen, wenn angeliche Genies, welche die von deutschen Plattköpfen angeglotzte Dummheit ausgerufen: „O Volk von 40 Millionen, das 40 Menschen unterthan!“ es verhöhnen. Ich wenigstens habe das deutsche Volk immer gerade darum allein nur noch entschuldbar gefunden, weil es 40 <hi rendition="#g">einige</hi> Tyrannen im Nacken sitzen hatte und nicht etwa einen.</p> <p>Ich glaube Sie versichern zu können, daß mit dem einfachen Herzen und mit dem einfachen, sehr begabten Naturverstande des Wieners sich keiner benommen haben würde, wie Herwegh, wenn es hier einmal auf einen republikanischen Kampf angekommen wäre. Schon längst zuckt daher der Wiener die Achsel über die sogenannten politisch-großen Geister und Charaktere Deutschlands, denn er sieht, daß es im Grunde ziemlich arme Schlucker sind, die man bemitleiden muß.</p> <p>Die Thätigkeit der Kamerilla hat mit der Rückkehr nach Schönbrunn keineswegs aufgehört, sie ist durch ihre Niederlagen zur äußersten Wuth getrieben. Das Rückfordern, die kalte Aufnahme des Kaisers; das Durchfallen des Selinger'schen Antrags; die Parade mit dem ça ira, welche man als eine Verhöhnung des Kaisers auslegte; das demokratische Benehmen des Reichstag[e]s, der seinen schwarz-gelb-zuckersüßen Präsidenten Schmitt, nachdem er Salbader in Schönbrunn gesprochen, sogleich abgesetzt hat; das Fortbestehen des Sicherheitsausschusses und der akademischen Legion, überhaupt die fortwährend demokratische Haltung Wien's, geboten äußerste Mittel der List. Man bemühte sich, die demokratisch genannten Mitglieder des Ministeriums zu fangen und zu kompromittiren. Dazu taugte Niemand besser, als Schwarzer, den ich Ihnen schon früher als politischen Charlatan bezeichnet habe. Schwarzer wurde veranlaßt, den Arbeitslohn um 5 Kr. herabzusetzen; man wußte wohl, daß dadurch ein Arbeitersturm heraufbeschworen würde. Der Minister ging in die Falle, denn man zeigte ihm darin einen vortrefflichen Speck. Er erließ also schon am Samstag eine Verordnung, wodurch der Arbeitslohn herabgesetzt wurde. — Diesen Beschluß theilte er, wie die erste Pflicht gebot, nicht etwa dem Sicherheitsausschusse mit, sondern ließ ihn durch das Komité für die Arbeiter der Stadthauptmannschaft (früher Polizei-Oberdirektion) dem verhaßten Gemeindeausschusse mit dem Bedeuten zugehen, den Oberkommandant der Nationalgarde, Streffleur, aufzufordern, die sämmtlichen Kompagnieen der Garde in Bereitschaft zu halten, weil am Montag, wo er, der Minister, seinen Beschluß veröffentlichen würde, ein Arbeiteraufstand zu befürchten stehe. Zugleich war der Gemeindeausschuß autorisirt, das Militär zu requiriren. Dem Sicherheitsausschuß wurde davon keine Silbe mitgetheilt. Am Montag erscheint nun Schwarzer's Verordnung und macht auf die Arbeiter den gehörigen Effekt. Sie strömen mit Frau und Kindern zu Haufen in die Stadt und vor das Rathhaus, vor den Sicherheitsausschuß und zur Aula, indem sie die Aufhebung des Beschlusses verlangen. Augenblicklich wird der Generalmarsch geschlagen, Gerüchte verbreiten sich, die Arbeiter sollten von der Nationalgarde zu Paaren getrieben werden und man wolle dann in den Sicherheitsausschuß dringen, um denselben zu sprengen, worauf die Auflösung der akademischen Legion erfolgen müsse. — Durch tausend Verleumdungen, die seit der Rückkehr des Kaisers ausgesprengt worden, war es gelungen, die Nationalgarde theilweise sowohl gegen die Legion, als auch gegen den Sicherheitsausschuß einzunehmen und dieselbe ging sogar schon so weit, daß einzelne Kompagnieen ihre Abgeordneten zurückberiefen, ohne neue zu ernennen. Dies widerfuhr namentlich den freisinnigsten Mitgliedern des Ausschusses, welche für die an die Frankfurter Linke zu sendende Adresse gestimmt hatten. Der Sicherheitsausschuß glaubte, mit der öffentlichen Meinung nicht mehr in Einklang zu stehen; es erhoben sich viele Stimmen für freiwillige Auflösung. Da erschienen die Arbeitermassen, die Verordnung wurde bekannt, man fühlte sogleich die hinterlistige Gewalt, welche im Verborgenen wirkte und sich durch Uebergehen des Sicherheitsausschusses bei allen genommenen Maßregeln, nur zu deutlich zu erkennen gegeben hatte. Die beredtsten Mitglieder überzeugten Alle alsbald von der vorhandenen Gefahr und man beschloß, eine Deputation an den Minister Dobblhof zu senden, deren Resutat ich Ihnen gestern mitgetheilt habe und welches in einem Nu den Sicherheitsausschuß wieder über jede andere in Wien vorhandene Exekutivbehörde erhob.</p> <p>Jetzt schritt der Sicherheitsausschuß während des Nachmittags und in der Nacht zu den energischsten Maßregeln. Er erklärte, daß keine Behörde in Wien mehr eine von ihm unabhängige Exekutivgewalt habe. Daß auch der Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft (Polizei) sich seinen Befehlen zu fügen habe. Er forderte den Oberkommandanten der Nationalgarde vor seine Schranken und ließ sich von ihm erklären, woher er die Weisung zum Schlagen des Generalmarsches erhalten, und als derselbe darauf den Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft als solche bezeichnete, die ihn benachrichtigt, die Arbeiter in den Vorstädten seien gegen die Stadt im Anzuge, wurde die Stadthauptmannschaft ebenfalls vorgefordert. Glieder des Gemeindeausschusses wurden vernommen. So kam man auf die Quelle des Verraths — das Ministerium.</p> <p>Weil der Ausschuß kein Recht hatte, Minister zur Verantwortung zu ziehen, so wurde einstweilen nur das Kabinet des Arbeits-Ministers vorgeladen. Urkunden mußten vorgelegt werden, die Räthe wurden aus den Betten geholt und mußten in der Nacht Verhöre bestehen, die vollends ergaben, daß es auf einen Konflikt abgesehen war, den die Kamarilla für sich ausbeuten wollte. — Die Arbeiter wollten gestern Abend den Minister Schwarzer, der indessen entflohen war, aufhängen, ja, sie drohten, nach Schönbrunn zu ziehen, um, wie sie sagten, das ganze Nest dort im Park an die Bäume zu knüpfen. Schönbrunn war darum gestern Abend mit Militär und Nationalgarden ganz umstellt und ist es noch. Der Zorn des Volks wendet sich, je klarer es sieht, immer mehr gegen Schönbrunn, dessen Streich abermals mißlungen ist. Die Untersuchung im Sicherheitsausschusse dauert fort, man ist unermüdlich und entdeckt nach und nach Intriguen, die gesponnen wurden und noch gesponnen werden, die Bevölkerung aneinanderzuhetzen, um dann mit dem Militär dazwischen zu fahren. — Der Hof ist verloren, ich glaube nicht, daß er bleiben wird; entflieht er aber, so wird's ihm schlimm ergehen; es wird allen schlimm ergehen, die es mit ihm halten. Das Wort <hi rendition="#g">schwarz-gelb</hi> ist heute Nacht zu einer Bezeichnung geworden, die jeden verdirbt, dem das Volk sie beilegt.</p> <p>Während der Nacht waren alle Basteien mit Nationalgarde und ihrer Artillerie besetzt. Die akademische Legion und der Ausschuß wußten die Arbeiter einstweilen zu besänftigen; so eben heißt es aber, es seien 40,000 Arbeiter in den Vorstädten versammelt, um in der Aula mit den Studenten Brüderschaft zu machen. Es ist nicht möglich in die Aula zu kommen und ich war daher einige Zeit im Sicherheitsausschuß, dessen Permanenz noch fortdauert. Die Behörden sind angewiesen worden, jede Stunde über den Zustand der Stadt Bericht zu erstatten; der Befehl über die Nationalgarbe ist dem Ministerium des Innern entzogen worden, indem der Oberkommandant einstweilen unter den Ausschuß gestellt ist. Die Nationalgarde sieht die aristokratisch-spießbürgerliche Wühlerei immer mehr ein; die meisten Kompagnien senden Ergebenheitsadressen an den Ausschuß. Das Ministerium wird vom Reichstag in Anklagezustand versetzt werden. — Um ihre Intriguen durchzusetzen, hat die Camarilla gewöhnliche Jungen in akademische Uniform kleiden und dieselben im Verlaufe des Tages überall Unordnungen stiften lassen. Auf diese Weise sind von der Nationalgarde viele falsche Akademiker verhaftet worden und es gelang, den Bürgerstand, der ohnehin die Legion nicht recht leiden mag, noch mehr dagegen einzunehmen. Die Studenten entdeckten aber auch diese List und verfügten sich in der Nacht zum Ausschuß, um eine Untersuchung zu beantragen. — Die akademische Legion hat sich gestern vorzüglich dadurch die Zuneigung der Arbeiter gewonnen, daß sie die Bajonnette von den Gewehren genommen und sich bei der Vertreibung der Arbeiter aus der innern Stadt mit weit mehr Milde benommen hat, als die aufgehetzte Nationalgarde. An dem Sicherheitsausschusse, an der Legion, hängt das Herz Wiens und aller deutschen Provinzen. Die Freiheit Oestreichs hängt daran, weil sie der Spießbürger hier eben so wenig zu vertheidigen vermag, als anderwärts.</p> <p>Ein gewisser <hi rendition="#g">Viennet</hi> hatte sich dazu hergegeben, eine Adresse an das Ministerium zu verfassen, worin die Universität republikanischer Tendenzen beschuldigt und deshalb ihre Auflösung vom Ministerium verlangt wird, wenn sich dasselbe nicht der Uebereinstimmung mit diesen Tendenzen schuldig machen wolle. „Sollte sich das Ministerium zu schwach fühlen, so heißt es perfiderweise in dieser Adresse, so würden die unterzeichneten Bürger und Nationalgarden <hi rendition="#g">im Vereine mit dem Militäre</hi> für seine kräftigste Unterstützung Sorge tragen!“ Sie sehen, wo man hinaus wollte; man wollte eine Pariser Juni-Schlächterei. Leider finden die absolutistischen Wühlereien schon zu viel Halt in dem Kommißbrod der Freiheit, dem Bürgerthum, obgleich das wiener Bürgerthum von der klassischen Gemeinheit des westeuropäischen noch himmelweit entfernt ist. — Das Benehmen der Nationalgarde gegen die Arbeiter war hie und da schon sehr schroff und man hört von mancherlei Ex[z]essen, die vorgefallen sein sollen. Vor allem aber empörte das Benehmen des Gemeindeausschusses, der in einem Plakate die <hi rendition="#g">gutgesinnten</hi> Einwohner Wiens aufforderte, nach Hause zu gehen, da er, der Gemeindeausschuß, <hi rendition="#g">schon</hi> die nöthigen Anstalten zur Aufrechthaltung der gefährdeten Ruhe der Hauptstadt <hi rendition="#g">getroffen habe</hi>. Man ersah daraus, daß Alles zum Sturze der freisinnigen Körper verabredet war und ein 26. Mai mit Gewalt heraufbeschworen werden sollte. <hi rendition="#g">Hecker kann ohne Umstände hieher kommen, Plakate verkünden heute seine baldige Ankunft</hi>.</p> </div> <div xml:id="ar087_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Wien, 22. August.</head> <p>Unsere Stellung zu Ungarn hat sich nicht geändert, die beiden Ministerien werden immer gereizter, ihre Schritte immer feindseliger. Ungarn beharrt auf seiner mit den kaiserlichen Worten verbrieften und versiegelten Unabhängigkeit als auf sein gutes, altes, in Zeitenstürmen verlorenes, nun wieder errungenes Recht, und die Ueberzeugung gewimmt immer mehr Raum, daß nur das Schwerdt entscheiden werde.</p> <p>Der Kaiser hat alle Preßvergehen, welche nach dem provisorischen Preßgesetze gegen seine Person begangen worden, amnestirt, und es frägt sich nun, in wie weit der Staatsanwalt und die Jury die kaiserliche Amnestie erweitern oder einschränken werden, da sich so ziemlich alle bisher obschwebenden Preßprozesse auf den berührten Paragraphen reduciren ließen. Uebermorgen, den 24., sitzt das erste Geschwornengericht über die Preßklage gegen den „Studenten-Kourier.“ Justizminister Bach ist von den Betreffenden angegangen worden, eine der geräumigsten Lokalitäten der Residenz zum Sitzungssaale einrichten zu lassen, und er willfahrte diesem Wunsche. Ganz Wien sieht mit der gespanntesten Erwartung diesen ersten Anfängen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit im Gerichtsverfahren entgegen, die sich nur der zu erklären vermag, der den frühern Gang der österreichischen Justizpflege zu kennen Gelegenheit hatte.</p> </div> <div xml:id="ar087_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 24. August.</head> <p>Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Frage über den Modus der Berathung des vom Ministerium vorgelegten Gesetzes über unerlaubte Volksversammlungen und Zusammenrottungen.</p> <p>Auf den Wunsch des Ministeriums hatte der Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> die Berathung dieses Gesetzes im Sturmschritt beschlossen. Dienstag Abend um 6 Uhr erhielt derselbe die Königliche Botschaft mit dem Gesetze, beförderte sie sogleich zum Druck, und ließ sie gestern Morgen an alle Abtheilungen vertheilen, und ertheilte deren Vorsitzenden den Auftrag die Berathung und die Wahl eines Mitgliedes zum Berichterstatter sogleich vorzunehmen. Die Central-Abtheilung sollte noch gestern Nachmittag zusammenkommen und ihren Bericht zur heutigen Sitzung erstatten. — Eine solche übereilte Berathung fand jedoch in verschiedenen Abtheilungen entschiedene Mißbilligung und besonders die zweite Abtheilung fand sich veranlaßt eine Deputation zum Präsidenten <hi rendition="#g">Grabow</hi> zu senden um gegen die sofortige Berathung zu protestiren. Die erste und dritte Abtheilung theilen dieselbe Ansicht, nahmen aber eventuell die Wahl eines Berichterstatters vor, um in der Central-Abtheilung, wenn sie wirklich zusammentreten sollte, nicht unvertreten zu sein. Die fünfte und sechste Abtheilung konnten mit der Berathung im Laufe des gestrigen Tages nicht zu Ende kommen und obgleich die andern vier Abtheilungen ihre Berichterstatter gewählt, zog es der Vice-Präsident <hi rendition="#g">Phiipps</hi> doch vor, dieselbe noch nicht zusammentreten zu lassen. —</p> <p>Nachdem sich dieser Thatbestand aus den verschiedenen Mittheilungen des Präsidiums herausgestellt, wird die Debatte darüber eröffnet, wie man ferner mit dem eingereichten Gesetz-Entwurf zu verfahren habe.</p> <p>Vice-Präsid. <hi rendition="#g">Kosch</hi> Vorsitzender der zweiten Abtheilung will einige vorgekommene Mißverständnisse widerlegen. Er erzählt den Hergang der ganzen Berathung, wie sie in seiner Abtheilung startgefunden und schließt mit folgenden Worten: Das vorgelegte Gesetz ist jedenfalls ein sehr bedeutendes, denn es soll eins, der durch die Märzrevolution errungenen Rechte, die Fre[i]heit des Versammlungsrechts, aufs Engste beschränkt werden. Das Gesetz ist unter dem Einfluß des Schreckens der Montag-Ereignisse eingebracht, und unter solchen Umständen trägt es einen terroristischen Karakter. Lassen wir diesen Einfluß erst verschwinden und gehen dann mit ruhiger Ueberlegung an die Berathung des Gesetzentwurfs. —</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">von Berg</hi> schlägt vor, daß man ganz nach Vorschrift der Geschäftsordnung über den Antrag des Ministerpräsidenten, ob die sofortige Berathung vor allen anderen Vorlagen stattfinden solle, abstimmen möge und wird dieser Antrag verworfen, so tritt der gewöhnliche Geschäftsgang ein, daß diese Gesetzvorlage in der Reihe ihrer Nummer in den Abtheilungen berathen werde. (vielseitige Beistimmung.)</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Behnsch</hi>. Der Herr Präsident glaubte, daß die Versammlung stillschweigend den Antrag des Ministerpräsidenten auf sofortige Berathung angenommen habe, wobei er jedenfalls im Irrthum ist. Es gibt keine stillschweigende Beschlüsse, keine stillschweigende Zustimmung noch Verwerfung. Der Herr Präsident erinnere sich seines eigenen Ausspruchs bei Gelegenheit der Fragestellungen über die Befugnisse der zur Untersuchung der Posenschen Angelegenheiten niedergesetzten Kommission. Es muß demnach noch ein Beschluß der Versammlung nachgesucht werden.</p> <p>Der Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> erkennt an, daß er die Geschäftsordnung verletzt und einen Formfehler begangen habe. —</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Zachariä</hi>, bekannt durch seine ministeriellen Vermittlungsvorschläge, stellt das Amendement, daß die Gesetzesvorlage nächsten Montag in der Plenarversammlung zur Berathung kommen solle. Bis dahin mögen die Abtheilungen und Central-Abtheilungen das Gesetz berathen und sollte der Bericht bis Montag nicht abgestattet werden können, so soll die Berathung nach dem Eingang des Berichts angesetzt werden. —</p> <p>Minister-Präsident <hi rendition="#g">Auerswald</hi>. Er habe in der letzten Sitzung nur den Wunsch ausgesprochen, daß die Berathung über das vorgelegte Gesetz so schnell wie möglich geschehe; die Regierung sei weit entfernt eine Uebereilung bei der Berathung herbeizuführen. Die Regierung ist durchdrungen von der Wichtigkeit der Gesetzes-Vorlage, deren baldige Erlassung zum Schutze der Ordnung und Ruhe und zur Herstellung der Sicherheit und des Vertrauens nothwendig sei, hat jedoch keine Interesse daran, ob die Berathung einige Tage früher oder später stattfinde und überläßt der Versammlung die desfallsige Bestimmung. — (Bravo zur Rechten. Zischen zur Linken.)</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Wachsmuth</hi> bedauert die letzten Vorfälle, zu welchen das Volk durch schamlose Plakate, wie diejenigen von deren der Herr Minister des Innern in letzter Sitzung eins verlas, verleitet worden sei.</p> <p>Nachdem noch eine kurze Debatte stattgefunden, wird das Amendement <hi rendition="#g">Zachariä</hi> angenommen und die Berathung findet demnach Montag statt. —</p> <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Jung</hi> erhält hierauf das Wort. Er habe in einer der ersten Sitzungen dieser Versammlung den Antrag gestellt auf Pensionirung der in der März-Revolution verwundeten Kämpfer und der Hinterbliebenen der Gefallenen. Obgleich nun schon die Central-Abtheilung über Berathung dieses Antrages vor länger als zehn Wochen zusammengetreten, so sei doch bis jetzt noch kein Bericht darüber erstattet worden. Man hat ihn von vielen Seiten deshalb um Erklärung dieser Hinschleppung ersucht, da man von mancher Seite der Versammlung selbst Schuld gab, daß dieselbe diesen Antrag vorsätzlich unterdrücken wolle; bei einer deshalb von ihm angestellten Untersuchung hat sich aber ergeben, daß die Verzögerung von einer Seite herrühre, von welcher man es am Wenigsten erwarten sollte, nämlich vom Berliner Magistrat. Er bittet den Vorsitzenden der Central-Abtheilung um die nähern Mittheilung. —</p> <p>Dieser, der Vicepräsident <hi rendition="#g">Kosch</hi>, berichtet, daß die Central-Abtheilung geglaubt hätte, vom Berliner Magistrat einen Ausweis über die Anzahl der zu Pensionirenden und über die zur Unterstützung derselben eingegangenen Fonds zu erhalten. Der Magistrat hat aber dieses Gesuch unberücksichtigt gelassen und deshalb hat die Abtheilung vor ungefähr vier Wochen den Minister des Innern ersucht, den Magistrat zur Ertheilung des verlangten Nachweises aufzufordern.</p> <p>Hierauf Tagesordnung über §. 3. des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit.</p> <p>Abgeordneter <hi rendition="#g">von Daniels</hi> stellt folgendes Amendement:</p> <p>„Personen, welche ohne gerichtlichen Befehl zu ihrem eigenen Schutze, oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, oder auf den Grund einer besonderen gesetzlichen Befugniß festgenommen worden sind, müssen in vier und zwanzig Stunden in Freiheit gesetzt, oder dem geeigneten Verfahren überwiesen werden.</p> <p>Die Vorschriften der rheinischen Strafprozeß-Ordnung At. 615-617. werden auf den ganzen Umfang des Staats ausgedehnt, mit er Maaßgabe, daß an die Stelle der in Art 615. benannten Beamten die Ortsrichter, die Directoren der Inquisitoriate, die Präsidenten der vorgesetzten Obergerichte und die Beamten der Staatsanwaltschaft des Gerichtsbezirks treten.“</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Harrassowitz</hi> will den §. kurz fassen und schlägt folgendes Amendement vor:</p> <p>„Eine Verhaftung, die lediglich zu polizeilichen Zwecken erfolgt ist, darf in keinem Falle die Dauer von vier und zwanzig Stunden überschreiten.“</p> <p>Abgeordneter <hi rendition="#g">Borchardt</hi>. Wer die Ruhe, Sittlichkeit oder Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten wirklich <hi rendition="#g">verletzt</hi>, begeht ein Verbrechen oder Vergehen, und kann, wenn er auf frischer That betroffen wird, sofort verhaftet werden. — Eine bloße Besorgniß, daß Jemand die Ruhe und Sittlichkeit verletzen werde, kann aber weder eine Verhaftung noch eine sogenannte polizeiliche Verwahrung, die dasselbe ist, rechtfertigen. Die persönliche Freiheit würde sonst der polizeilichen Willkür, die überall Gefahr wittert, völlig preisgegeben sein. — Er schlägt demnach das Amendement vor, daß im § 3. des Kommissionsentwurfs die Worte: „oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich verwahrt werden“ — gestrichen werden. —</p> <p>Nachdem noch viele Redner für und gegen den Kommissions-Entwurf gesprochen, erklärt sich der <hi rendition="#g">Minister des Innern, Kühlwetter</hi>, in einer längern weitschweifigen Rede für den Kommissionsentwurf ohne alle Aenderung und Zusätze. —</p> <p>Berichterstatter <hi rendition="#g">Waldeck</hi>. Die §§. 1. und 2. beziehen sich nur auf die Fälle eigentlicher Verhaftungen, diejenigen nämlich, welche sich auf die Anschuldigung einer strafbaren Handlung gründen. Die Polizei der Straßen und öffentlichen Plätze macht es jedoch unerläßlich, daß mitunter, namentlich zur Nachtzeit, zeitweise polizeiliche Verwahrungen vorgenommen werden müssen, theils zum Schutze der in Verwahr genommenen Personen selbst, z. B. der Trunkenen, Wahnsinnigen, Kinder, theils bei Störungen der Ruhe, der Sittlichkeit oder der Sicherheit der Plätze. Es konnte nicht die Absicht sein, der Polizeigewalt diese Befugniß, deren Grenzen sich aus Vorstehendem von selbst ergeben, zu entziehen. Entsprechend dem bloß vorsorglichen Charakter derartiger Maaßregeln ist es jedoch nothwendig, eine möglichst kurze Dauer derselben allgemein vorzuschreiben. — Er, für seine Person, erklärt sich jedoch aus den von andern Rednern schon mitgetheilten Gründen gegen den §. 3. des Kommissions-Entwurfs.</p> <p><hi rendition="#g">Abstimmung:</hi> Alle oben angegebenen Amendements werden verworfen. —</p> <p>Das Amendement des Abg. v. <hi rendition="#g">Lisiecki</hi>: Statt des Wortes „<hi rendition="#g">wenigstens</hi>“ das Wort „<hi rendition="#g">spätestens</hi>“ zu setzen, wird angenommen. Demnach wird der ganze §. 3. mit kleiner Majorität angenommen, welcher nun folgendermaßen lautet:</p> <p>„Diese Bestimmungen (§§. 1. 2.) bleiben außer Anwendung auf Personen, welche zu ihrem eigenen Schutze oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich in Verwahrung genommen werden. Diese Personen müssen jedoch spätestens binnen vierundzwanzig Stunden entweder in Freiheit gesetzt, oder dem gewöhnlichen Verfahren überwiesen werden.“</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Walter</hi> hat noch folgenden Zusatz gestellt, welcher <hi rendition="#g">angenommen</hi> wird.</p> <p>§. 3. a. „Jeder Verhaftete muß binnen 24 Stunden nach seiner Vorführung vor den zuständigen Richter von demselben so vernommen werden, daß ihm die Anschuldigungsgründe mitgetheilt, und ihm die Möglichkeit zur Aufklärung eines Mißverständnisses gegeben wird.“</p> <p>Ein von Demselben gestellter zweiter Zusatz wird jedoch mit kleiner Majorität <hi rendition="#g">verworfen</hi>; er lautete:</p> <p>„Der Beamte, welchem die Aufsicht über das Gefängniß zusteht, ist verpflichtet, den Verwandten und Freunden des Verhafteten zu gestatten, sich denselben vorstellen zu lassen, und der Gefangenwärter ist verpflichtet, dieser Weisung Folge zu leisten, wenn er nicht einen richterlichen Befehl vorzeigt, der ihm vorschreibt, den Verhafteten in geheimer Haft zu halten. Der Beamte oder Gefangenwärter, welcher jener Verfügung zuwider handelt, ist des Vergehens willkürlicher Verhaftung schuldig.“</p> <p>Hierauf kommt man zum §. 4, worüber nur eine kurze Debatte stattfindet.</p> <p>§. 4. lautet: „Niemand darf vor einen andern als den im Gesetz bezeichneten Richter gestellt werden.</p> <p>Ausnahmsgerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft.</p> <p>Keine Strafe kann angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit des Gesetzes“</p> <p>Wird ohne Aenderung <hi rendition="#g">angenommen</hi>. Schluß der Sitzung. Nächste Sitzung Sonnabend.</p> </div> <div xml:id="ar087_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 24. August.</head> <p>Die von den 6 vereinigten Clubs gestern Abend vor den Zelten abgehaltene <hi rendition="#g">Volksversammlung</hi> war unstreitig die bedeutendste, die je hier Statt gefunden, (was nicht viel sagen will. Nächst einem Protest an die Vereinbarer-Versammlung gegen den Gesetzentwurf der Minister, welcher mit vielen Tausend Unterschriften bedeckt wurde, ward auch eine Proklamation des demokratischen Clubs an die Bürgerwehr verlesen.</p> <p>Der letzte Redner schloß die Versammlung mit einer Aufforderung zur Bildung eines großen Nationalbundes zum Schutz der Freiheit und verlas folgendes Programm, welches jeder Beitretende unterschreiben sollte:</p> <p>„Wir, deren Namen hier unterschrieben sind, verpflichten und verpfänden uns feierlichst mit unserer Ehre und bei dem Andenken an unsere große (!) und glorreiche (!!) März-Revolution, für die öffentliche Wohlfahrt und für die Freiheit der Nation, für einander und für unser Vaterland zu stehen und zusammenzuhalten wie Ein Mann, um die durch die Revolution errungene (!!!) und seitdem zu Recht bestehende (!!) Freiheit vor jedem verbrecherischem und heimtückischen Angriff und vor jeder schimpflichen Beschränkung zu schützen und zu wahren. —</p> <p>Wir hoffen, daß alle guten und ehrenhaften Staatsbürger, daß insbesondere die erwählten Vertreter der Nation, welche nicht Verräther sein wollen, unsere Bestrebungen kräftigst unterstützen werden; wir beschließen, daß unser Ausschuß befugt und berechtigt ist, in unserm Namen alle Schritte zu thun, welche er zur Erhaltung und zum Schutz unserer eroberten Freiheit für nothwendig hält; <hi rendition="#g">wir schwören endlich mit Gut und Blut für diese Freiheit der Nation einstehen zu wollen</hi>.“</p> <p>Ehe der Redner den letzten Satz verlas, frug er die Versammlung ob sie diesen „<hi rendition="#g">Schwur</hi>“ leisten wollten, in diesem Falle sollten sie seine Worte wiederholen und die ganze Versammlung, über 10,000 Männer, leisteten diesen Eid. (Schönes Schauspiel! Märkischer Rütlibund!) Der Moment war erhebend! Wie läppisch erscheint die Metropole der norddeutschen Intelligenz neben dem „gemüthlichen“ Wien!</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0447/0003]
Quadratfüßlerseelen des Rheines sich dabei die behaglichen Wänste füllen, nachdem sie den Säckel des Volks in den ihrigen hineinspekulirt, bringt Wien die schönsten Opfer zur Festhaltung der Freiheit. Wir lächeln darum auch mitleidig, wenn uns ein Herwegh zuruft, (Gedicht v. 9. Aug.) wir seien: „Eine Schöpfung ohne Leben und ein Chaos ohne Geist“ — Wien kann sich nur freuen, wenn angeliche Genies, welche die von deutschen Plattköpfen angeglotzte Dummheit ausgerufen: „O Volk von 40 Millionen, das 40 Menschen unterthan!“ es verhöhnen. Ich wenigstens habe das deutsche Volk immer gerade darum allein nur noch entschuldbar gefunden, weil es 40 einige Tyrannen im Nacken sitzen hatte und nicht etwa einen.
Ich glaube Sie versichern zu können, daß mit dem einfachen Herzen und mit dem einfachen, sehr begabten Naturverstande des Wieners sich keiner benommen haben würde, wie Herwegh, wenn es hier einmal auf einen republikanischen Kampf angekommen wäre. Schon längst zuckt daher der Wiener die Achsel über die sogenannten politisch-großen Geister und Charaktere Deutschlands, denn er sieht, daß es im Grunde ziemlich arme Schlucker sind, die man bemitleiden muß.
Die Thätigkeit der Kamerilla hat mit der Rückkehr nach Schönbrunn keineswegs aufgehört, sie ist durch ihre Niederlagen zur äußersten Wuth getrieben. Das Rückfordern, die kalte Aufnahme des Kaisers; das Durchfallen des Selinger'schen Antrags; die Parade mit dem ça ira, welche man als eine Verhöhnung des Kaisers auslegte; das demokratische Benehmen des Reichstag[e]s, der seinen schwarz-gelb-zuckersüßen Präsidenten Schmitt, nachdem er Salbader in Schönbrunn gesprochen, sogleich abgesetzt hat; das Fortbestehen des Sicherheitsausschusses und der akademischen Legion, überhaupt die fortwährend demokratische Haltung Wien's, geboten äußerste Mittel der List. Man bemühte sich, die demokratisch genannten Mitglieder des Ministeriums zu fangen und zu kompromittiren. Dazu taugte Niemand besser, als Schwarzer, den ich Ihnen schon früher als politischen Charlatan bezeichnet habe. Schwarzer wurde veranlaßt, den Arbeitslohn um 5 Kr. herabzusetzen; man wußte wohl, daß dadurch ein Arbeitersturm heraufbeschworen würde. Der Minister ging in die Falle, denn man zeigte ihm darin einen vortrefflichen Speck. Er erließ also schon am Samstag eine Verordnung, wodurch der Arbeitslohn herabgesetzt wurde. — Diesen Beschluß theilte er, wie die erste Pflicht gebot, nicht etwa dem Sicherheitsausschusse mit, sondern ließ ihn durch das Komité für die Arbeiter der Stadthauptmannschaft (früher Polizei-Oberdirektion) dem verhaßten Gemeindeausschusse mit dem Bedeuten zugehen, den Oberkommandant der Nationalgarde, Streffleur, aufzufordern, die sämmtlichen Kompagnieen der Garde in Bereitschaft zu halten, weil am Montag, wo er, der Minister, seinen Beschluß veröffentlichen würde, ein Arbeiteraufstand zu befürchten stehe. Zugleich war der Gemeindeausschuß autorisirt, das Militär zu requiriren. Dem Sicherheitsausschuß wurde davon keine Silbe mitgetheilt. Am Montag erscheint nun Schwarzer's Verordnung und macht auf die Arbeiter den gehörigen Effekt. Sie strömen mit Frau und Kindern zu Haufen in die Stadt und vor das Rathhaus, vor den Sicherheitsausschuß und zur Aula, indem sie die Aufhebung des Beschlusses verlangen. Augenblicklich wird der Generalmarsch geschlagen, Gerüchte verbreiten sich, die Arbeiter sollten von der Nationalgarde zu Paaren getrieben werden und man wolle dann in den Sicherheitsausschuß dringen, um denselben zu sprengen, worauf die Auflösung der akademischen Legion erfolgen müsse. — Durch tausend Verleumdungen, die seit der Rückkehr des Kaisers ausgesprengt worden, war es gelungen, die Nationalgarde theilweise sowohl gegen die Legion, als auch gegen den Sicherheitsausschuß einzunehmen und dieselbe ging sogar schon so weit, daß einzelne Kompagnieen ihre Abgeordneten zurückberiefen, ohne neue zu ernennen. Dies widerfuhr namentlich den freisinnigsten Mitgliedern des Ausschusses, welche für die an die Frankfurter Linke zu sendende Adresse gestimmt hatten. Der Sicherheitsausschuß glaubte, mit der öffentlichen Meinung nicht mehr in Einklang zu stehen; es erhoben sich viele Stimmen für freiwillige Auflösung. Da erschienen die Arbeitermassen, die Verordnung wurde bekannt, man fühlte sogleich die hinterlistige Gewalt, welche im Verborgenen wirkte und sich durch Uebergehen des Sicherheitsausschusses bei allen genommenen Maßregeln, nur zu deutlich zu erkennen gegeben hatte. Die beredtsten Mitglieder überzeugten Alle alsbald von der vorhandenen Gefahr und man beschloß, eine Deputation an den Minister Dobblhof zu senden, deren Resutat ich Ihnen gestern mitgetheilt habe und welches in einem Nu den Sicherheitsausschuß wieder über jede andere in Wien vorhandene Exekutivbehörde erhob.
Jetzt schritt der Sicherheitsausschuß während des Nachmittags und in der Nacht zu den energischsten Maßregeln. Er erklärte, daß keine Behörde in Wien mehr eine von ihm unabhängige Exekutivgewalt habe. Daß auch der Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft (Polizei) sich seinen Befehlen zu fügen habe. Er forderte den Oberkommandanten der Nationalgarde vor seine Schranken und ließ sich von ihm erklären, woher er die Weisung zum Schlagen des Generalmarsches erhalten, und als derselbe darauf den Gemeindeausschuß und die Stadthauptmannschaft als solche bezeichnete, die ihn benachrichtigt, die Arbeiter in den Vorstädten seien gegen die Stadt im Anzuge, wurde die Stadthauptmannschaft ebenfalls vorgefordert. Glieder des Gemeindeausschusses wurden vernommen. So kam man auf die Quelle des Verraths — das Ministerium.
Weil der Ausschuß kein Recht hatte, Minister zur Verantwortung zu ziehen, so wurde einstweilen nur das Kabinet des Arbeits-Ministers vorgeladen. Urkunden mußten vorgelegt werden, die Räthe wurden aus den Betten geholt und mußten in der Nacht Verhöre bestehen, die vollends ergaben, daß es auf einen Konflikt abgesehen war, den die Kamarilla für sich ausbeuten wollte. — Die Arbeiter wollten gestern Abend den Minister Schwarzer, der indessen entflohen war, aufhängen, ja, sie drohten, nach Schönbrunn zu ziehen, um, wie sie sagten, das ganze Nest dort im Park an die Bäume zu knüpfen. Schönbrunn war darum gestern Abend mit Militär und Nationalgarden ganz umstellt und ist es noch. Der Zorn des Volks wendet sich, je klarer es sieht, immer mehr gegen Schönbrunn, dessen Streich abermals mißlungen ist. Die Untersuchung im Sicherheitsausschusse dauert fort, man ist unermüdlich und entdeckt nach und nach Intriguen, die gesponnen wurden und noch gesponnen werden, die Bevölkerung aneinanderzuhetzen, um dann mit dem Militär dazwischen zu fahren. — Der Hof ist verloren, ich glaube nicht, daß er bleiben wird; entflieht er aber, so wird's ihm schlimm ergehen; es wird allen schlimm ergehen, die es mit ihm halten. Das Wort schwarz-gelb ist heute Nacht zu einer Bezeichnung geworden, die jeden verdirbt, dem das Volk sie beilegt.
Während der Nacht waren alle Basteien mit Nationalgarde und ihrer Artillerie besetzt. Die akademische Legion und der Ausschuß wußten die Arbeiter einstweilen zu besänftigen; so eben heißt es aber, es seien 40,000 Arbeiter in den Vorstädten versammelt, um in der Aula mit den Studenten Brüderschaft zu machen. Es ist nicht möglich in die Aula zu kommen und ich war daher einige Zeit im Sicherheitsausschuß, dessen Permanenz noch fortdauert. Die Behörden sind angewiesen worden, jede Stunde über den Zustand der Stadt Bericht zu erstatten; der Befehl über die Nationalgarbe ist dem Ministerium des Innern entzogen worden, indem der Oberkommandant einstweilen unter den Ausschuß gestellt ist. Die Nationalgarde sieht die aristokratisch-spießbürgerliche Wühlerei immer mehr ein; die meisten Kompagnien senden Ergebenheitsadressen an den Ausschuß. Das Ministerium wird vom Reichstag in Anklagezustand versetzt werden. — Um ihre Intriguen durchzusetzen, hat die Camarilla gewöhnliche Jungen in akademische Uniform kleiden und dieselben im Verlaufe des Tages überall Unordnungen stiften lassen. Auf diese Weise sind von der Nationalgarde viele falsche Akademiker verhaftet worden und es gelang, den Bürgerstand, der ohnehin die Legion nicht recht leiden mag, noch mehr dagegen einzunehmen. Die Studenten entdeckten aber auch diese List und verfügten sich in der Nacht zum Ausschuß, um eine Untersuchung zu beantragen. — Die akademische Legion hat sich gestern vorzüglich dadurch die Zuneigung der Arbeiter gewonnen, daß sie die Bajonnette von den Gewehren genommen und sich bei der Vertreibung der Arbeiter aus der innern Stadt mit weit mehr Milde benommen hat, als die aufgehetzte Nationalgarde. An dem Sicherheitsausschusse, an der Legion, hängt das Herz Wiens und aller deutschen Provinzen. Die Freiheit Oestreichs hängt daran, weil sie der Spießbürger hier eben so wenig zu vertheidigen vermag, als anderwärts.
Ein gewisser Viennet hatte sich dazu hergegeben, eine Adresse an das Ministerium zu verfassen, worin die Universität republikanischer Tendenzen beschuldigt und deshalb ihre Auflösung vom Ministerium verlangt wird, wenn sich dasselbe nicht der Uebereinstimmung mit diesen Tendenzen schuldig machen wolle. „Sollte sich das Ministerium zu schwach fühlen, so heißt es perfiderweise in dieser Adresse, so würden die unterzeichneten Bürger und Nationalgarden im Vereine mit dem Militäre für seine kräftigste Unterstützung Sorge tragen!“ Sie sehen, wo man hinaus wollte; man wollte eine Pariser Juni-Schlächterei. Leider finden die absolutistischen Wühlereien schon zu viel Halt in dem Kommißbrod der Freiheit, dem Bürgerthum, obgleich das wiener Bürgerthum von der klassischen Gemeinheit des westeuropäischen noch himmelweit entfernt ist. — Das Benehmen der Nationalgarde gegen die Arbeiter war hie und da schon sehr schroff und man hört von mancherlei Ex[z]essen, die vorgefallen sein sollen. Vor allem aber empörte das Benehmen des Gemeindeausschusses, der in einem Plakate die gutgesinnten Einwohner Wiens aufforderte, nach Hause zu gehen, da er, der Gemeindeausschuß, schon die nöthigen Anstalten zur Aufrechthaltung der gefährdeten Ruhe der Hauptstadt getroffen habe. Man ersah daraus, daß Alles zum Sturze der freisinnigen Körper verabredet war und ein 26. Mai mit Gewalt heraufbeschworen werden sollte. Hecker kann ohne Umstände hieher kommen, Plakate verkünden heute seine baldige Ankunft.
15 Wien, 22. August. Unsere Stellung zu Ungarn hat sich nicht geändert, die beiden Ministerien werden immer gereizter, ihre Schritte immer feindseliger. Ungarn beharrt auf seiner mit den kaiserlichen Worten verbrieften und versiegelten Unabhängigkeit als auf sein gutes, altes, in Zeitenstürmen verlorenes, nun wieder errungenes Recht, und die Ueberzeugung gewimmt immer mehr Raum, daß nur das Schwerdt entscheiden werde.
Der Kaiser hat alle Preßvergehen, welche nach dem provisorischen Preßgesetze gegen seine Person begangen worden, amnestirt, und es frägt sich nun, in wie weit der Staatsanwalt und die Jury die kaiserliche Amnestie erweitern oder einschränken werden, da sich so ziemlich alle bisher obschwebenden Preßprozesse auf den berührten Paragraphen reduciren ließen. Uebermorgen, den 24., sitzt das erste Geschwornengericht über die Preßklage gegen den „Studenten-Kourier.“ Justizminister Bach ist von den Betreffenden angegangen worden, eine der geräumigsten Lokalitäten der Residenz zum Sitzungssaale einrichten zu lassen, und er willfahrte diesem Wunsche. Ganz Wien sieht mit der gespanntesten Erwartung diesen ersten Anfängen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit im Gerichtsverfahren entgegen, die sich nur der zu erklären vermag, der den frühern Gang der österreichischen Justizpflege zu kennen Gelegenheit hatte.
103 Berlin, 24. August. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Frage über den Modus der Berathung des vom Ministerium vorgelegten Gesetzes über unerlaubte Volksversammlungen und Zusammenrottungen.
Auf den Wunsch des Ministeriums hatte der Präsident Grabow die Berathung dieses Gesetzes im Sturmschritt beschlossen. Dienstag Abend um 6 Uhr erhielt derselbe die Königliche Botschaft mit dem Gesetze, beförderte sie sogleich zum Druck, und ließ sie gestern Morgen an alle Abtheilungen vertheilen, und ertheilte deren Vorsitzenden den Auftrag die Berathung und die Wahl eines Mitgliedes zum Berichterstatter sogleich vorzunehmen. Die Central-Abtheilung sollte noch gestern Nachmittag zusammenkommen und ihren Bericht zur heutigen Sitzung erstatten. — Eine solche übereilte Berathung fand jedoch in verschiedenen Abtheilungen entschiedene Mißbilligung und besonders die zweite Abtheilung fand sich veranlaßt eine Deputation zum Präsidenten Grabow zu senden um gegen die sofortige Berathung zu protestiren. Die erste und dritte Abtheilung theilen dieselbe Ansicht, nahmen aber eventuell die Wahl eines Berichterstatters vor, um in der Central-Abtheilung, wenn sie wirklich zusammentreten sollte, nicht unvertreten zu sein. Die fünfte und sechste Abtheilung konnten mit der Berathung im Laufe des gestrigen Tages nicht zu Ende kommen und obgleich die andern vier Abtheilungen ihre Berichterstatter gewählt, zog es der Vice-Präsident Phiipps doch vor, dieselbe noch nicht zusammentreten zu lassen. —
Nachdem sich dieser Thatbestand aus den verschiedenen Mittheilungen des Präsidiums herausgestellt, wird die Debatte darüber eröffnet, wie man ferner mit dem eingereichten Gesetz-Entwurf zu verfahren habe.
Vice-Präsid. Kosch Vorsitzender der zweiten Abtheilung will einige vorgekommene Mißverständnisse widerlegen. Er erzählt den Hergang der ganzen Berathung, wie sie in seiner Abtheilung startgefunden und schließt mit folgenden Worten: Das vorgelegte Gesetz ist jedenfalls ein sehr bedeutendes, denn es soll eins, der durch die Märzrevolution errungenen Rechte, die Fre[i]heit des Versammlungsrechts, aufs Engste beschränkt werden. Das Gesetz ist unter dem Einfluß des Schreckens der Montag-Ereignisse eingebracht, und unter solchen Umständen trägt es einen terroristischen Karakter. Lassen wir diesen Einfluß erst verschwinden und gehen dann mit ruhiger Ueberlegung an die Berathung des Gesetzentwurfs. —
Abg. von Berg schlägt vor, daß man ganz nach Vorschrift der Geschäftsordnung über den Antrag des Ministerpräsidenten, ob die sofortige Berathung vor allen anderen Vorlagen stattfinden solle, abstimmen möge und wird dieser Antrag verworfen, so tritt der gewöhnliche Geschäftsgang ein, daß diese Gesetzvorlage in der Reihe ihrer Nummer in den Abtheilungen berathen werde. (vielseitige Beistimmung.)
Abg. Behnsch. Der Herr Präsident glaubte, daß die Versammlung stillschweigend den Antrag des Ministerpräsidenten auf sofortige Berathung angenommen habe, wobei er jedenfalls im Irrthum ist. Es gibt keine stillschweigende Beschlüsse, keine stillschweigende Zustimmung noch Verwerfung. Der Herr Präsident erinnere sich seines eigenen Ausspruchs bei Gelegenheit der Fragestellungen über die Befugnisse der zur Untersuchung der Posenschen Angelegenheiten niedergesetzten Kommission. Es muß demnach noch ein Beschluß der Versammlung nachgesucht werden.
Der Präsident Grabow erkennt an, daß er die Geschäftsordnung verletzt und einen Formfehler begangen habe. —
Abg. Zachariä, bekannt durch seine ministeriellen Vermittlungsvorschläge, stellt das Amendement, daß die Gesetzesvorlage nächsten Montag in der Plenarversammlung zur Berathung kommen solle. Bis dahin mögen die Abtheilungen und Central-Abtheilungen das Gesetz berathen und sollte der Bericht bis Montag nicht abgestattet werden können, so soll die Berathung nach dem Eingang des Berichts angesetzt werden. —
Minister-Präsident Auerswald. Er habe in der letzten Sitzung nur den Wunsch ausgesprochen, daß die Berathung über das vorgelegte Gesetz so schnell wie möglich geschehe; die Regierung sei weit entfernt eine Uebereilung bei der Berathung herbeizuführen. Die Regierung ist durchdrungen von der Wichtigkeit der Gesetzes-Vorlage, deren baldige Erlassung zum Schutze der Ordnung und Ruhe und zur Herstellung der Sicherheit und des Vertrauens nothwendig sei, hat jedoch keine Interesse daran, ob die Berathung einige Tage früher oder später stattfinde und überläßt der Versammlung die desfallsige Bestimmung. — (Bravo zur Rechten. Zischen zur Linken.)
Abg. Wachsmuth bedauert die letzten Vorfälle, zu welchen das Volk durch schamlose Plakate, wie diejenigen von deren der Herr Minister des Innern in letzter Sitzung eins verlas, verleitet worden sei.
Nachdem noch eine kurze Debatte stattgefunden, wird das Amendement Zachariä angenommen und die Berathung findet demnach Montag statt. —
Der Abg. Jung erhält hierauf das Wort. Er habe in einer der ersten Sitzungen dieser Versammlung den Antrag gestellt auf Pensionirung der in der März-Revolution verwundeten Kämpfer und der Hinterbliebenen der Gefallenen. Obgleich nun schon die Central-Abtheilung über Berathung dieses Antrages vor länger als zehn Wochen zusammengetreten, so sei doch bis jetzt noch kein Bericht darüber erstattet worden. Man hat ihn von vielen Seiten deshalb um Erklärung dieser Hinschleppung ersucht, da man von mancher Seite der Versammlung selbst Schuld gab, daß dieselbe diesen Antrag vorsätzlich unterdrücken wolle; bei einer deshalb von ihm angestellten Untersuchung hat sich aber ergeben, daß die Verzögerung von einer Seite herrühre, von welcher man es am Wenigsten erwarten sollte, nämlich vom Berliner Magistrat. Er bittet den Vorsitzenden der Central-Abtheilung um die nähern Mittheilung. —
Dieser, der Vicepräsident Kosch, berichtet, daß die Central-Abtheilung geglaubt hätte, vom Berliner Magistrat einen Ausweis über die Anzahl der zu Pensionirenden und über die zur Unterstützung derselben eingegangenen Fonds zu erhalten. Der Magistrat hat aber dieses Gesuch unberücksichtigt gelassen und deshalb hat die Abtheilung vor ungefähr vier Wochen den Minister des Innern ersucht, den Magistrat zur Ertheilung des verlangten Nachweises aufzufordern.
Hierauf Tagesordnung über §. 3. des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit.
Abgeordneter von Daniels stellt folgendes Amendement:
„Personen, welche ohne gerichtlichen Befehl zu ihrem eigenen Schutze, oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, oder auf den Grund einer besonderen gesetzlichen Befugniß festgenommen worden sind, müssen in vier und zwanzig Stunden in Freiheit gesetzt, oder dem geeigneten Verfahren überwiesen werden.
Die Vorschriften der rheinischen Strafprozeß-Ordnung At. 615-617. werden auf den ganzen Umfang des Staats ausgedehnt, mit er Maaßgabe, daß an die Stelle der in Art 615. benannten Beamten die Ortsrichter, die Directoren der Inquisitoriate, die Präsidenten der vorgesetzten Obergerichte und die Beamten der Staatsanwaltschaft des Gerichtsbezirks treten.“
Abg. Harrassowitz will den §. kurz fassen und schlägt folgendes Amendement vor:
„Eine Verhaftung, die lediglich zu polizeilichen Zwecken erfolgt ist, darf in keinem Falle die Dauer von vier und zwanzig Stunden überschreiten.“
Abgeordneter Borchardt. Wer die Ruhe, Sittlichkeit oder Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten wirklich verletzt, begeht ein Verbrechen oder Vergehen, und kann, wenn er auf frischer That betroffen wird, sofort verhaftet werden. — Eine bloße Besorgniß, daß Jemand die Ruhe und Sittlichkeit verletzen werde, kann aber weder eine Verhaftung noch eine sogenannte polizeiliche Verwahrung, die dasselbe ist, rechtfertigen. Die persönliche Freiheit würde sonst der polizeilichen Willkür, die überall Gefahr wittert, völlig preisgegeben sein. — Er schlägt demnach das Amendement vor, daß im § 3. des Kommissionsentwurfs die Worte: „oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich verwahrt werden“ — gestrichen werden. —
Nachdem noch viele Redner für und gegen den Kommissions-Entwurf gesprochen, erklärt sich der Minister des Innern, Kühlwetter, in einer längern weitschweifigen Rede für den Kommissionsentwurf ohne alle Aenderung und Zusätze. —
Berichterstatter Waldeck. Die §§. 1. und 2. beziehen sich nur auf die Fälle eigentlicher Verhaftungen, diejenigen nämlich, welche sich auf die Anschuldigung einer strafbaren Handlung gründen. Die Polizei der Straßen und öffentlichen Plätze macht es jedoch unerläßlich, daß mitunter, namentlich zur Nachtzeit, zeitweise polizeiliche Verwahrungen vorgenommen werden müssen, theils zum Schutze der in Verwahr genommenen Personen selbst, z. B. der Trunkenen, Wahnsinnigen, Kinder, theils bei Störungen der Ruhe, der Sittlichkeit oder der Sicherheit der Plätze. Es konnte nicht die Absicht sein, der Polizeigewalt diese Befugniß, deren Grenzen sich aus Vorstehendem von selbst ergeben, zu entziehen. Entsprechend dem bloß vorsorglichen Charakter derartiger Maaßregeln ist es jedoch nothwendig, eine möglichst kurze Dauer derselben allgemein vorzuschreiben. — Er, für seine Person, erklärt sich jedoch aus den von andern Rednern schon mitgetheilten Gründen gegen den §. 3. des Kommissions-Entwurfs.
Abstimmung: Alle oben angegebenen Amendements werden verworfen. —
Das Amendement des Abg. v. Lisiecki: Statt des Wortes „wenigstens“ das Wort „spätestens“ zu setzen, wird angenommen. Demnach wird der ganze §. 3. mit kleiner Majorität angenommen, welcher nun folgendermaßen lautet:
„Diese Bestimmungen (§§. 1. 2.) bleiben außer Anwendung auf Personen, welche zu ihrem eigenen Schutze oder während sie die Ruhe, die Sittlichkeit oder die Sicherheit auf den Straßen und an öffentlichen Orten gefährden, polizeilich in Verwahrung genommen werden. Diese Personen müssen jedoch spätestens binnen vierundzwanzig Stunden entweder in Freiheit gesetzt, oder dem gewöhnlichen Verfahren überwiesen werden.“
Abg. Walter hat noch folgenden Zusatz gestellt, welcher angenommen wird.
§. 3. a. „Jeder Verhaftete muß binnen 24 Stunden nach seiner Vorführung vor den zuständigen Richter von demselben so vernommen werden, daß ihm die Anschuldigungsgründe mitgetheilt, und ihm die Möglichkeit zur Aufklärung eines Mißverständnisses gegeben wird.“
Ein von Demselben gestellter zweiter Zusatz wird jedoch mit kleiner Majorität verworfen; er lautete:
„Der Beamte, welchem die Aufsicht über das Gefängniß zusteht, ist verpflichtet, den Verwandten und Freunden des Verhafteten zu gestatten, sich denselben vorstellen zu lassen, und der Gefangenwärter ist verpflichtet, dieser Weisung Folge zu leisten, wenn er nicht einen richterlichen Befehl vorzeigt, der ihm vorschreibt, den Verhafteten in geheimer Haft zu halten. Der Beamte oder Gefangenwärter, welcher jener Verfügung zuwider handelt, ist des Vergehens willkürlicher Verhaftung schuldig.“
Hierauf kommt man zum §. 4, worüber nur eine kurze Debatte stattfindet.
§. 4. lautet: „Niemand darf vor einen andern als den im Gesetz bezeichneten Richter gestellt werden.
Ausnahmsgerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft.
Keine Strafe kann angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit des Gesetzes“
Wird ohne Aenderung angenommen. Schluß der Sitzung. Nächste Sitzung Sonnabend.
103 Berlin, 24. August. Die von den 6 vereinigten Clubs gestern Abend vor den Zelten abgehaltene Volksversammlung war unstreitig die bedeutendste, die je hier Statt gefunden, (was nicht viel sagen will. Nächst einem Protest an die Vereinbarer-Versammlung gegen den Gesetzentwurf der Minister, welcher mit vielen Tausend Unterschriften bedeckt wurde, ward auch eine Proklamation des demokratischen Clubs an die Bürgerwehr verlesen.
Der letzte Redner schloß die Versammlung mit einer Aufforderung zur Bildung eines großen Nationalbundes zum Schutz der Freiheit und verlas folgendes Programm, welches jeder Beitretende unterschreiben sollte:
„Wir, deren Namen hier unterschrieben sind, verpflichten und verpfänden uns feierlichst mit unserer Ehre und bei dem Andenken an unsere große (!) und glorreiche (!!) März-Revolution, für die öffentliche Wohlfahrt und für die Freiheit der Nation, für einander und für unser Vaterland zu stehen und zusammenzuhalten wie Ein Mann, um die durch die Revolution errungene (!!!) und seitdem zu Recht bestehende (!!) Freiheit vor jedem verbrecherischem und heimtückischen Angriff und vor jeder schimpflichen Beschränkung zu schützen und zu wahren. —
Wir hoffen, daß alle guten und ehrenhaften Staatsbürger, daß insbesondere die erwählten Vertreter der Nation, welche nicht Verräther sein wollen, unsere Bestrebungen kräftigst unterstützen werden; wir beschließen, daß unser Ausschuß befugt und berechtigt ist, in unserm Namen alle Schritte zu thun, welche er zur Erhaltung und zum Schutz unserer eroberten Freiheit für nothwendig hält; wir schwören endlich mit Gut und Blut für diese Freiheit der Nation einstehen zu wollen.“
Ehe der Redner den letzten Satz verlas, frug er die Versammlung ob sie diesen „Schwur“ leisten wollten, in diesem Falle sollten sie seine Worte wiederholen und die ganze Versammlung, über 10,000 Männer, leisteten diesen Eid. (Schönes Schauspiel! Märkischer Rütlibund!) Der Moment war erhebend! Wie läppisch erscheint die Metropole der norddeutschen Intelligenz neben dem „gemüthlichen“ Wien!
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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