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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 84. Köln, 24. August 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No. 84. Köln, Donnerstag 24. August 1848.
Deutschland.
* Köln, 22. August.

Auf Veranlassung des Hrn. kommissarischen Polizeidirektors Geiger (aus Koblenz) ist dem Hrn. Schapper der Befehl ertheilt worden, Köln zu verlassen, da er kein preußischer Unterthan, sondern ein Nassauer Bürger sei. Der Arbeiterverein, dessen thätiges Mitglied Herr Schapper ist, hat sich veranlaßt gefunden, die Sache zu der seinigen zu machen und gegen die willkürliche Ausweisung des Hrn. Schapper zu protestiren. Der Protest wurde verflossenen Freitag dem Herrn Dolleschall in Abwesenheit des Hrn. Geiger überreicht. Da Hr. Dolleschall erklärte, nichts von der Sache zu wissen, so wurde die zur Ueberreichung des Protestes bestimmte Kommission auf den kommenden Dienstag, 22. August, zurückbestellt, um mit Hrn. Geiger selbst sprechen zu können. Hr. Geiger empfing heute die Kommission mit der Erklärung, daß die Sache von ihm nicht mehr abhinge, sondern daß in Folge eines Artikels in der Neuen Rheinischen Zeitung, das Ministerium an ihn, Geiger, sich gewandt habe, um einen genauen Bericht über die Sache einzuholen. Der Bericht sei heute abgegangen; mithin hänge es nicht mehr von ihm ab, die Ausweisung des Hrn. Schapper zu vollstrecken oder zurückzunehmen. Ein Mitglied der Kommission glaubte Hrn. Geiger dahin verstanden zu haben, daß die Ausweisung des Hrn. Schapper vom Ministerium ausgegangen sei, worauf Hr. Geiger mit Extase der Kommission heiligst und theuer auf sein Ehrenwort versicherte, daß er es sei, welcher die Initiative dieser Maßregel ergriffen. Er berufe sich erstens auf seine speziellen Kenntnisse der Gesetze, da er früher Instruktionsrichter gewesen; das sei aber nicht der alleinige Grund; "ich glaube nicht allein als kommissarischer Polizeidirektor, sondern auch der Vernunft gemäß gehandelt zu haben: ich habe als ich gehandelt." Er wisse recht wohl, setzte er hinzu, daß alle seine Worte von der Neuen Rheinischen Zeitung wiedergegeben und eigens aufgefaßt würden, aber das sei ihm einerlei: "ich habe als ich gehandelt." Ein anderes Mitglied der Kommission bemerkte ihm, daß wenn der Herr Geiger als ich gehandelt habe, sei dieses Ich doch kein anderes als das Ich des kommissarischen Polizeidirektors, und dieses Ich könne allerdings der Vernunft gemäß sein. Aber der Arbeiterverein habe ebenfalls ein Ich, das sei das Ich von 6000 Arbeitern, und dieses Ich mag ebensoviel gelten als das Ich des Hrn. Geiger und ebenfalls der Vernunft gemäß sein. Der Arbeiterverein protestire gegen eine Maßregel, die allen bestehenden Gesetzen und der Frankfurter Nationalversammlung entgegen sei. Das erste Mitglied der Kommission verlangte, daß Hr. Geiger wenigstens die Maßregel desavouire; Hr. Geiger weigerte sich, und gab der Kommission die Versicherung, daß bis zur Antwort des Ministers von seiner Seite Hr. Schapper ruhig in Köln bleiben könne. In welchem Sinne der Bericht des Hrn. Geiger abgefaßt sei, darüber wurde ebenfalls alle Erklärung verweigert. Hat Herr Geiger andere Beschlüsse gefaßt als Herr Gagern, und ist ein Nassauer kein deutscher Bürger, dem es zusteht, sich in jedem der 34 deutschen Vaterländer niederzulassen?

!!! Frankfurt, 21. Aug.

63. Sitzung der Nationalversammlung. Beginn um 9 1/2 Uhr. Präsident: v. Gagern.

Der Präsident verliest eine Anzeige des Ministerpräsidenten Fürst Leiningen, wonach sämmtliche vorliegenden Interpellationen von den betreffenden Ministern bis Freitag den 25. Aug. beantwortet werden sollen. -

Die Minister, deren gänzliche Abwesenheit aus der Versammlung bereits mehrfach mißliebig bemerkt war, sind diesmal fast alle gegenwärtig.

Minister des Aeußeren Heckscher zeigt die von der provisor Centralgewalt bis dato ernannten Gesandten an. Siehe die gestrige Zeitung, Nachtrag.

Nach Petersburg war Lychnowski in Vorschlag, aber Leiningen soll erklärt haben: in Petersburg dürfen wir uns nicht blamiren.

Sämmtliche Gesandte sind gleichmäßig instruirt, die Ernennung des Reichsverwesers zu notifiziren, und die Verkünder einer gerechten, friedliebenden, aber festen Politik zu sein.

Italien betreffend, theilt der Herr Minister mit, man habe entsprechende Maßregeln getroffen, uns (Deutschland?) die nöthige Theilnahme an den Friedens-Unterhandlungen zu sichern. Dänemark betreffend; von Seiten der prov. Central-Gewalt ist der Unterstaatssekretär Max von Gagern nach Rendsburg gegangen, um Verhandlungen anzuknüpfen. -

Der Minister des Innern Schmerling. Von Hannover aus ist durch den an die provisorische Centralgewalt abgeschickten Bevollmächtigten von Bothmar, in Folge der bekannten Note, eine höchst befriedigende Erklärung abgegeben worden, wonach die provisorische Centralgewalt von Hannover unumwunden anerkannt wird. - Herr Schmerling giebt ferner einen kurzen Bericht über die bisherigen Bestrebungen zur Gründung einer Kriegsmarine. - Bis jetzt besteht sie aus 2 Segel-, 3 Dampf-Schiffen und einem Kanonenboot Namens St. Paul, welches letztere durch die Mittel der Bewohner der Hamburger Vorstadt St. Paul gegründet worden.

Nr. 3. Der Kriegsminister Peucker deklamirt in einer wohleinstudirten Rede von der Erhöhung der deutschen Streitkräfte. Es wird hier in Frankfurt ein Congreß deutscher Offiziere zusammen kommen, welche über die neue deutsche Heerverfassung berathen werden.

Nr. 4. Der Finanz-Minister von Beckerath wird nächster Tage eine Vorlage über den Zustand und die zukünftige Einrichtung des deutschen Finanzwesens machen.

Nach einer Interpellation Eisenmanns an den Minister des Inneren wegen der deutschen Farben und der Verhältnisse Oestreichs zu Deutschland, die später drankommen wird, und einigen Mittheilungen von Beiträgen zur deutschen Flotte geht man zur Tagesordnung über.

Tagesordnung: Bericht des Verfassungsausschusses über die Anträge, die Berathung der Grundrechte betreffend.

Es haben die Herren Eisenmann, Schoder, Vischer, Jacobi und Kuenza Anträge gestellt.

Diese Anträge bezwecken theils: die Beschleunigung der Berathung und Abstimmung über den Entwurf der Grundrechte und über die zu diesem Entwurf übergebenen Veränderungs- und Unteranträge, theils: Abänderungen in der Reihenfolge der zur Berathung vorliegenden einzelnen Artikel der Grundrechte.

Nach einer Debatte an der Vischer, Reinhardt aus Mecklenburg und Lychnowski sich betheiligt haben, wird der Ruf nach Schluß laut und die Versammlung geht zur Tagesordnung über.

Jetzt geräth man in Verlegenheit. Man hat nämlich nicht geglaubt, mit dieser Berathung so schnell fertig zu werden, und auf der gedruckten Tagesordnung steht nichts weiter. Es ist aber noch sehr früh und man kann unmöglich jetzt die Sitzung schließen.

Der Präsident will die Discussion über Artikel 3 und 4 eröffnen.

Vogt. Auf der Tagesordnung steht kein Wort von der Discussion der Artikel 3 und 4 der Grundrechte. Ich protestire gegen dieselbe und gegen die Einschreibung der Redner, die man so eben vorgenommen hat.

N. N. Vogts Bedenken sei formell gegründet, um aber nicht den Tag zu verlieren, solle man eine halbe Stunde pausiren und dann die Verhandlung über die Grundrechte fortsetzen.

Gagern. Die gedruckte Tagesordnung geht mich nichts an. Ich habe zum Schluß der letzten Sitzung verkündet, daß nach der Berathung über die Vischerschen Anträge in den Grundrechten fortgefahren wird und dabei bleibt es. (Punktum.)

Bassermann. Es wird wohl heute noch nicht zur Abstimmung kommen. Man solle nur heute über Artikel 3 (das Declamatorium) beginnen.

N. N. citirt einen Paragraphen der Geschäftsordnung, wonach fortgefahren werden muß.

Moritz Mohl (Schluß! Schluß!) für Vogt's Ansicht.

Wernher von Nierstein deklamirt unter muthwilliger Freude und fortwährendem Schlußgeschrei:, es muß fortgefahren werden."

Gagern spricht auch noch einige empfehlende Worte, worauf, ohne daß die Versammlung entschieden hat, zur Berathung des Artikels III. übergegangen wird. Dieser lautet:

§. 11. Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. §. 12. Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Uebung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen. §. 13. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. - Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun. § 14. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. [Minoritäts-Erachten. Die bestehenden und die neu sich bildenden Religionsgesellschaften sind als solche unabhängig von der Staatsgewalt; sie ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig. (Lasaulx, Deiters, Lichnowsky, Jürgens, M. v. Gagern.) Die bestehenden und die neu sich bildenden Religionsgesellschaften sind als solche unabhängig von der Staatsgewalt; sie ordnen und verwalten ihre inneren Angelegenheiten selbstständig. (v. Beckerath, R. Mohl, Ahrens.) Jede Religionsgesellschaft ist berechtigt, ihre inneren Angelegenheiten unabhängig vom Staate selbst zu ordnen und zu verwalten. Die Bestellung von Kirchenbeamten bedarf keiner Bestätigung von Seiten des Staats. Das Kirchenpatronat ist aufgehoben. (Wigard, Blum, Simon, Schüler.) Keine Religionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat. Es besteht fernerhin keine Staatskirche. (Wigard, Blum, Simon, Schüler.)] §. 15. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. §. 16. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilaktes abhängig; die kirchliche Trauung kann erst nach der Vollziehung des Civilaktes stattfinden.

Weißenborn, Professor aus Weimar, eröffnet diese Debatte, deren Ende, da deutsche Schulmeister und Pastoren sie führen, unabsehlich ist. Nach einer langen Rede erklärt er an die Spitze des Artikels den Satz stellen zu wollen: "Die Kirche ist unabhängig vom Staat."

Nach einem andern Redner, der sich in demselben Sinne ausgesprochen hat, kommt

Biedermann aus Leipzig: Der Begriff des christlich-germanischen Staates hat in der neuen Zeit besonders Anlaß zu Mißbräuchen gegeben. Der einfache Begriff des Staates und der Kirche weist darauf hin, daß beide getrennt sein müssen. Für den Einfluß des Staats auf die Ernennung der Geistlichen liegt kein Grund vor. Dem Staate muß zurückgegeben werden, was unter seine Einrichtungen gehört z. B. die Ehe u. A. m. Der Kirche muß außer Glaubens- und Gewissensfreiheit die Bildung von Religionsgesellschaften und deren Verwaltung zustehen. Dem Staat wird die Schule, die er bis jetzt in sehr unklarer Verbindung mit der Kirche besaß, zurückgegeben werden müssen. Ich empfehle Ihnen, "erkennen Sie das Prinzip einer vollkommenen Theilung an." (Bravo im Centrum und Rechts.)

Pauer, Oberlehrer aus Neisse: Um aufs Kürzeste das Verhältniß zwischen Kirche und Staat zu ermitteln, ist es das Beste auf den Lauf der Jahrhunderte zurückzublicken. Der Redner blickt zurück. Nachdem er vom Lauf der Jahrhunderte bei uns wieder angekommen ist, sagt er: "Wenn die Kirche sich feierlich nur für eine Gesellschaft der Gläubigen erklären und an ihrem innern Leben festhalten wollte, würde ich für unbedingte Trennung sein. Wo sie aber die Grenzen des innern religiösen Lebens überschreitet, da tritt die Berechtigung des Staates ein. Der Staat aber soll nie zur religiösen Ueberzeugung bestimmen, nie eine Konfession für die von ihm wesentlich anerkannte erklären, sonst wird er zu einem Institut des Unrechts. Und dagegen vorzüglich müssen wir auf der Hut sein.

Jordan aus Marburg: Es handelt sich darum, zwei Köpfe von einander zu trennen, die bis jetzt im Konflikt mit einander waren. So lange zwei Gewalten im Staate neben oder unter einander bestehen, wird kein Friede sein. (Bravo links.) Unter Kirche, wie sie bisher, verstehe ich eine äußere Gewalt, die da wacht über die Reinheit des Glaubens, verstehe ich die Klerisei; die übrigen sind die Schaafe, das ist das Verhältniß. (Bravo.) Bei den Protestanten ist es ebenso Es gibt noch viele Eiferer, die gerne Scheiterhaufen errichten möchten, für die so andern Glaubens sind. Ich spreche mich aus, wie ich denke. Die einzig äußere Gewalt ist der Staat, neben ihr keine andern Götter weiter. Hier ist deßhalb von keiner Trennung die Rede. Der Staat hat nur seine Gewalt von der Kirche wieder zu erringen. Die Bischöfe pflegten zu sagen: sie stehen höher wie die Fürsten, weil sie Rechenschaft für das Wirken derselben dort Oben geben müßten. Gut, daß dies nur ein Wort ist, diese Rechenschaft würde etwas schwierig werden. (Heiteres Gelächter.) Die Kirche muß übergehen in die Religionsgenossenschaft. Man wird dies Indifferentismus nennen. Der Redner ergeht sich in einigen Lächerlichkeiten einiger Lehrer und Geistlichen. In der katholischen Kirche ist das Denken verpönt. Das Kirchengehen ist Gewohnheitssache; man geht hin um ein neues Kleid zu zeigen u. s. w. (einige heilige Männer im Centrum unterbrechen ihn; links, furchtbares Geschrei: Ruhe!) Die Kirchengewalt als solche, muß untergehen, muß in der Staatsgewalt aufgehen. (Furchtbares Bravo links, eines Theils der Centren und der Gallerien.)

Plathner aus Halberstadt (der Duellant): Niemand darf seiner religiösen Ueberzeugung wegen zur Verantwortung gezogen werden. Einigt sich zum Theil mit den Ausschußanträgen, zum Theil stellt er eigene Amendements, wovon später.

Ein Unbekannter. Wir würden in die größten Konflikte gerathen, sollten wir den Staat auf demokratischen Grundsätzen basiren und die Kirche in ihrer alten Einrichtung bestehen lassen. Will für die protestantische Kirche auch eine Centralgewalt, (so eine Art protestantischen Pabst).

Welcker (der neue schwedische Gesandte) für die Ausschußanträge und gegen alle Amendements. Soll die Kirche etwa das Höchste auch in weltlicher Hinsicht sein? Soll das Mittelalter wiederkehren? (polternd und deklamirend) Wollen Sie durch die Grundrechte des deutschen Volks uns die Jesuiten zurückführen? Wollen Sie u. s. w. (woran kein Mensch denkt). Entweder nehmen Sie die einfachen Paragraphen des Ausschusses an, oder setzen Sie ein ganzes Staatskirchenrecht an dessen Stelle.

Vogel, Dekan aus Dillingen, donnert und wettert im höchsten Predigertone gegen (?) Sylvester Jordans frivole Ansichten von der katholischen Kirche. "Nicht denken solle man," hätte Jordan gesagt. Wie kann man die Wahrheiten der christlichen Religion in sich aufnehmen ohne zu denken? "Die Kirche sei die Klerisei" hätte Jordan gesagt; damit meine er wohl die dicken geistlichen Herren? Das ist aber nicht die Kirche (vergnügte Aufregung). Auch ich bin für völlige Unabhängigkeit der Kirche ebenso wie des Staates. Auch ich will wie Hr. Welcker, eine schöne Wechselwirkung zwischen Kirche und Staat. Das Amalgamiren zwischen Kirche und Staat unterdrückt die religiöse und politische Freiheit. In allen bürgerlichen Verhältnissen muß die Kirche unter dem Staat stehen, aber wenn der Staat sich in die innern Angelegenheiten der Kirche mischen will, da muß man sagen: "Nein, Gott ist höher zu achten als die Menschen."

Tafel (Zweibrücken) und Dieringer (aus Bonn) sprechen noch, letzterer zu häufiger Vergnüglichkeit der Horer, worauf die Debatte bis morgen vertagt wird. Am Schluß (halb 3 Uhr) vernichtet man man die Liste der heute eingeschriebenen Redner, und es schreiben sich unter großem Getümmel eine Masse neue Redner auf morgen ein. Erwarten Sie also morgen eine weitere lebhafte Debatte über Artikel 3.

103 Berlin, 21. August.

Die gestrigen Vorfälle in Charlottenburg haben die Gemüther sehr aufgeregt und selbst unsere Bourgeoisie um so mehr empört über solche brutale Gewalt, als sich herausstellt, daß die dortigen Beamten und Behörden den Pöbel zu den Gewaltmaßregeln aufgereizt und sogar dafür bezahl haben. - Nachdem der demokratische Klub durch Lumpenproletarier, welche vom Superintendent und vom Gerichtsrath 10 Sgr. per Mann dafür bekommen hatten, auseinandergesprengt war, wurde der Pöbel, worunter sich übrigens viel Bürgerwehrmänner befanden, aufgemuntert, in die Häuser der Demokraten zu dringen, dieselben herauszuschleppen und Lynchjustitz an ihnen zu üben. Man drang in 8 verschiedene Häuser und schleppte unter Andern Bruno Bauer mit seinem Bruder Egbert aus des Letztern Haus, an den Haaren zur Treppe herunter auf die Straße, wo man sie förmlich Spießruthen laufen ließ. Der Polizei-Kommissar stand dabei und lächelte; der Bürgermeister sagte; "schlagen könnt ihr so viel ihr wollt, schlagt nur keinen todt!" - Der Major der Bürgerwehr, ein Freund Bauers, gab dem Hauptmann Befehl die Bürgerwehr zum Schutz der Mißhandelten zusammenzurufen, aber der Hauptmann ignorirte den Befehl und nur ein Bürgerwehrmann fand sich endlich ein, der Bauer in das Gemeinde-Schulhaus gefangen setzte, um ihn den Händen des Pöbels, unter denen er sich wohl über eine halbe Stunde befand, zu entreißen. Der Pöbel glaubte sich so im Rechte, daß er darauf bestand alle Mitglieder des demokratischen Klubs müßten arretirt werden und holte noch acht Personen mit Gewalt aus ihren Wohnungen, um sie in's Schulhaus zu bringen. Andere Demokraten entflohen nach Berlin, wo sie in den Sitzungssaal des eben versammelten demokratischen Kreis-Kongresses der Mark Brandenburg eilten, um über diese Schreckenherrschaft Bericht zu erstatten. Der Kongreß sandte sofort eine Deputation, an deren Spitze der Abgeordnete Schramm, Präsident des demokratischen Klubs, zu dem Minister Kühlwetter, den man jedoch nicht in seinem Hotel antraf, da es Sonntag Nachmittag war. Auch den Minister-Präsidenten Auerswald traf die Deputation nicht an, auf dem Rückweg aber begegnete sie zufällig dem Minister des Innern, Kühlwetter, an der Wilhelmsstraße und ging mit demselben in das in der Nähe liegende Hotel Auerswald hinein, um ihm von den Charlottenburger Exzessen Bericht zu geben und um sofortige Ergreifung von Maßregeln zum Schutze des Lebens und des Eigenthums der Charlottenburger Demokraten aufzufordern. Auch verlangte Herr Schramm die sofortige Verhaftung der Aufrührer und die Einleitung einer Untersuchung. Als der Minister nicht sogleich hierauf eingehen wollte, indem er meinte, die Charlottenburger Bürgerwehr und die Ortsobrigkeit werde schon für Alles sorgen, wurde ihm auseinandergesetzt, daß diese eben die am meisten Gravirten seien und daß man umsomehr auf sofortige Verhaftung der Schuldigen bestehen müsse, als bisher den Reaktionären alles zu thun freistand, während man die Demokraten bei der geringsten Kleinigkeit verhaftete. Als man auch noch andeutete, daß die Bevölkerung Berlins, im Falle nichts von Seiten des Ministers geschähe, selbst nach Charlottenburg ziehen würde, um Rache an den dortigen Einwohnern auch noch für die früheren Exzesse zu nehmen, gab Herr Kühlwetter nach und versprach sogleich einen Kommissar aus seinem Ministerium zur Untersuchung der Vorfälle abzusenden, und ihn von einem Kommissar aus dem Kriegs-Ministerium begleiten zu lassen, damit derselbe das dortige Militär zum Schutze der Ordnung requiriren könne. - Da sich der Pöbel gegen Abend beruhigte, so hat man von der Thätigkeit dieser Kommissarien noch nichts erfahren, jedenfalls wird aber eine strenge Untersuchung vom Minister erwartet. - Bruno und Egbert Bauer kamen gestern Abend noch hier an, da sie ihr Leben in Charlottenburg nicht für sicher hielten. Die Scenen, die dort im Laufe des gestrigen Tages vorgefallen waren, sind ganz des märkischen Pöbels würdig. Einem armen Manne wurden die Füße zerschlagen, so daß ihm der eine jedenfalls wird abgenommen werden müssen. Die Gebrüder Bauer selbst waren mit Wunden bedeckt und in ihrer Wohnung vieles zerstört. - Man erzählt sich, daß viele Arbeiter sich heute Abend versammeln wollen, um nach Charlottenburg zu ziehen, um die Charlottenburger zu bestrafen. Berlin ist in der größten Gährung.

Diese Aufregung wurde heute noch dadurch vermehrt, daß sich mehrere hundert Arbeiter, welche größtentheils vom Magistrat aus ihrer bisherigen Arbeit entlassen wurden, vor dem Hotel des Ministers für Arbeit, Herrn Milde, versammelten und Arbeit verlangten. Aber es wurde Niemand in's Ministerium eingelassen, vielmehr das feingesittete Institut der Schutzmannschaften zusammengerufen, welche diese unerlaubten Attroupements vor dem Hause des Ministers zerstreuen sollten. Die Arbeiter weigerten sich den Platz zu räumen und es kam, da die Konstabler Gewalt brauchten, an einzelnen Orten zu Thätlichkeiten. Mehrere Verhaftungen haben stattgefunden.

Die Vereinbarer-Versammlung wird in Folge des guten Rathes, den sie bei Gelegenheit der Debatte über die Schutzmannschaften von dem Abgeordneten Rodbertus erhielt, dem vorjährigen vereinigten Landtag nachahmen und die Zwangsanleihe nicht eher bewilligen, bis die Verfassung mit dem Könige vereinbart und das Budget von der Versammlung genehmigt ist. So hat die Central-Abtheilung beschlossen.

Herr Held veröffentlicht in der Lokomotive "die enthüllte Instruktion der Berliner Schutzmannschaft". Man weiß wie viele nutzlose Mühe man sich gegeben hat, die Regierung zur Veröffentlichung der Instruktion der Schutzmannschaft zu vermögen. Jetzt, da es uns gelungen ist, dieser so geheim gehaltenen Instruktion habhaft zu werden, wird man leicht ersehen, aus welchen Gründen man sie so geheim hielt. Denn namentlich aus den §§. 19 und 26 wird man den Schluß ziehen können, daß es bei diesem gesegneten Institute darauf abgesehen ist, die Bevölkerung Berlins unter beständiger, der heiligen Hermandad würdiger Polizei-Aufsicht zu halten. - Die Instruktion lautet folgendermaßen:

§. 1. Die Schutzmänner sind ihren Vorgesetzten, den Wachtmeistern, Lieutenants, Hauptleuten, dem Obersten und dem königl. Polizei-Präsidio in Dienstsachen unbedingten Gehorsam schuldig.

§. 2. Dieselben sollen ein anständiges, nüchternes Leben führen; Trunkenheit außer Dienst wird mit Ordnungsstrafen, Trunkenheit im Dienste mit sofortiger Entlassung geahndet.

§. 3. Der Besuch von Wirthshäusern in den Freistunden ist möglichst zu beschränken; während den Dienststunden ist solcher unbedingt verboten, es sei denn, daß eine dienstliche Veranlassung dazu vorliegt; in diesem Falle darf der Schutzmann aber in dem Wirthshause nichts verzehren und muß dasselbe nach Beendigung seines Geschäfts sofort wieder verlassen.

§. 9. Der Schutzmann muß Courage haben: wer sich feig zeigt, dem wird der Dienst gekündigt.

§. 11. Jeder Schutzmann soll sich mit den hier gültigen Po

Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No. 84. Köln, Donnerstag 24. August 1848.
Deutschland.
* Köln, 22. August.

Auf Veranlassung des Hrn. kommissarischen Polizeidirektors Geiger (aus Koblenz) ist dem Hrn. Schapper der Befehl ertheilt worden, Köln zu verlassen, da er kein preußischer Unterthan, sondern ein Nassauer Bürger sei. Der Arbeiterverein, dessen thätiges Mitglied Herr Schapper ist, hat sich veranlaßt gefunden, die Sache zu der seinigen zu machen und gegen die willkürliche Ausweisung des Hrn. Schapper zu protestiren. Der Protest wurde verflossenen Freitag dem Herrn Dolleschall in Abwesenheit des Hrn. Geiger überreicht. Da Hr. Dolleschall erklärte, nichts von der Sache zu wissen, so wurde die zur Ueberreichung des Protestes bestimmte Kommission auf den kommenden Dienstag, 22. August, zurückbestellt, um mit Hrn. Geiger selbst sprechen zu können. Hr. Geiger empfing heute die Kommission mit der Erklärung, daß die Sache von ihm nicht mehr abhinge, sondern daß in Folge eines Artikels in der Neuen Rheinischen Zeitung, das Ministerium an ihn, Geiger, sich gewandt habe, um einen genauen Bericht über die Sache einzuholen. Der Bericht sei heute abgegangen; mithin hänge es nicht mehr von ihm ab, die Ausweisung des Hrn. Schapper zu vollstrecken oder zurückzunehmen. Ein Mitglied der Kommission glaubte Hrn. Geiger dahin verstanden zu haben, daß die Ausweisung des Hrn. Schapper vom Ministerium ausgegangen sei, worauf Hr. Geiger mit Extase der Kommission heiligst und theuer auf sein Ehrenwort versicherte, daß er es sei, welcher die Initiative dieser Maßregel ergriffen. Er berufe sich erstens auf seine speziellen Kenntnisse der Gesetze, da er früher Instruktionsrichter gewesen; das sei aber nicht der alleinige Grund; „ich glaube nicht allein als kommissarischer Polizeidirektor, sondern auch der Vernunft gemäß gehandelt zu haben: ich habe als ich gehandelt.“ Er wisse recht wohl, setzte er hinzu, daß alle seine Worte von der Neuen Rheinischen Zeitung wiedergegeben und eigens aufgefaßt würden, aber das sei ihm einerlei: „ich habe als ich gehandelt.“ Ein anderes Mitglied der Kommission bemerkte ihm, daß wenn der Herr Geiger als ich gehandelt habe, sei dieses Ich doch kein anderes als das Ich des kommissarischen Polizeidirektors, und dieses Ich könne allerdings der Vernunft gemäß sein. Aber der Arbeiterverein habe ebenfalls ein Ich, das sei das Ich von 6000 Arbeitern, und dieses Ich mag ebensoviel gelten als das Ich des Hrn. Geiger und ebenfalls der Vernunft gemäß sein. Der Arbeiterverein protestire gegen eine Maßregel, die allen bestehenden Gesetzen und der Frankfurter Nationalversammlung entgegen sei. Das erste Mitglied der Kommission verlangte, daß Hr. Geiger wenigstens die Maßregel desavouire; Hr. Geiger weigerte sich, und gab der Kommission die Versicherung, daß bis zur Antwort des Ministers von seiner Seite Hr. Schapper ruhig in Köln bleiben könne. In welchem Sinne der Bericht des Hrn. Geiger abgefaßt sei, darüber wurde ebenfalls alle Erklärung verweigert. Hat Herr Geiger andere Beschlüsse gefaßt als Herr Gagern, und ist ein Nassauer kein deutscher Bürger, dem es zusteht, sich in jedem der 34 deutschen Vaterländer niederzulassen?

!!! Frankfurt, 21. Aug.

63. Sitzung der Nationalversammlung. Beginn um 9 1/2 Uhr. Präsident: v. Gagern.

Der Präsident verliest eine Anzeige des Ministerpräsidenten Fürst Leiningen, wonach sämmtliche vorliegenden Interpellationen von den betreffenden Ministern bis Freitag den 25. Aug. beantwortet werden sollen. ‒

Die Minister, deren gänzliche Abwesenheit aus der Versammlung bereits mehrfach mißliebig bemerkt war, sind diesmal fast alle gegenwärtig.

Minister des Aeußeren Heckscher zeigt die von der provisor Centralgewalt bis dato ernannten Gesandten an. Siehe die gestrige Zeitung, Nachtrag.

Nach Petersburg war Lychnowski in Vorschlag, aber Leiningen soll erklärt haben: in Petersburg dürfen wir uns nicht blamiren.

Sämmtliche Gesandte sind gleichmäßig instruirt, die Ernennung des Reichsverwesers zu notifiziren, und die Verkünder einer gerechten, friedliebenden, aber festen Politik zu sein.

Italien betreffend, theilt der Herr Minister mit, man habe entsprechende Maßregeln getroffen, uns (Deutschland?) die nöthige Theilnahme an den Friedens-Unterhandlungen zu sichern. Dänemark betreffend; von Seiten der prov. Central-Gewalt ist der Unterstaatssekretär Max von Gagern nach Rendsburg gegangen, um Verhandlungen anzuknüpfen. ‒

Der Minister des Innern Schmerling. Von Hannover aus ist durch den an die provisorische Centralgewalt abgeschickten Bevollmächtigten von Bothmar, in Folge der bekannten Note, eine höchst befriedigende Erklärung abgegeben worden, wonach die provisorische Centralgewalt von Hannover unumwunden anerkannt wird. ‒ Herr Schmerling giebt ferner einen kurzen Bericht über die bisherigen Bestrebungen zur Gründung einer Kriegsmarine. ‒ Bis jetzt besteht sie aus 2 Segel-, 3 Dampf-Schiffen und einem Kanonenboot Namens St. Paul, welches letztere durch die Mittel der Bewohner der Hamburger Vorstadt St. Paul gegründet worden.

Nr. 3. Der Kriegsminister Peucker deklamirt in einer wohleinstudirten Rede von der Erhöhung der deutschen Streitkräfte. Es wird hier in Frankfurt ein Congreß deutscher Offiziere zusammen kommen, welche über die neue deutsche Heerverfassung berathen werden.

Nr. 4. Der Finanz-Minister von Beckerath wird nächster Tage eine Vorlage über den Zustand und die zukünftige Einrichtung des deutschen Finanzwesens machen.

Nach einer Interpellation Eisenmanns an den Minister des Inneren wegen der deutschen Farben und der Verhältnisse Oestreichs zu Deutschland, die später drankommen wird, und einigen Mittheilungen von Beiträgen zur deutschen Flotte geht man zur Tagesordnung über.

Tagesordnung: Bericht des Verfassungsausschusses über die Anträge, die Berathung der Grundrechte betreffend.

Es haben die Herren Eisenmann, Schoder, Vischer, Jacobi und Kuenza Anträge gestellt.

Diese Anträge bezwecken theils: die Beschleunigung der Berathung und Abstimmung über den Entwurf der Grundrechte und über die zu diesem Entwurf übergebenen Veränderungs- und Unteranträge, theils: Abänderungen in der Reihenfolge der zur Berathung vorliegenden einzelnen Artikel der Grundrechte.

Nach einer Debatte an der Vischer, Reinhardt aus Mecklenburg und Lychnowski sich betheiligt haben, wird der Ruf nach Schluß laut und die Versammlung geht zur Tagesordnung über.

Jetzt geräth man in Verlegenheit. Man hat nämlich nicht geglaubt, mit dieser Berathung so schnell fertig zu werden, und auf der gedruckten Tagesordnung steht nichts weiter. Es ist aber noch sehr früh und man kann unmöglich jetzt die Sitzung schließen.

Der Präsident will die Discussion über Artikel 3 und 4 eröffnen.

Vogt. Auf der Tagesordnung steht kein Wort von der Discussion der Artikel 3 und 4 der Grundrechte. Ich protestire gegen dieselbe und gegen die Einschreibung der Redner, die man so eben vorgenommen hat.

N. N. Vogts Bedenken sei formell gegründet, um aber nicht den Tag zu verlieren, solle man eine halbe Stunde pausiren und dann die Verhandlung über die Grundrechte fortsetzen.

Gagern. Die gedruckte Tagesordnung geht mich nichts an. Ich habe zum Schluß der letzten Sitzung verkündet, daß nach der Berathung über die Vischerschen Anträge in den Grundrechten fortgefahren wird und dabei bleibt es. (Punktum.)

Bassermann. Es wird wohl heute noch nicht zur Abstimmung kommen. Man solle nur heute über Artikel 3 (das Declamatorium) beginnen.

N. N. citirt einen Paragraphen der Geschäftsordnung, wonach fortgefahren werden muß.

Moritz Mohl (Schluß! Schluß!) für Vogt's Ansicht.

Wernher von Nierstein deklamirt unter muthwilliger Freude und fortwährendem Schlußgeschrei:, es muß fortgefahren werden.“

Gagern spricht auch noch einige empfehlende Worte, worauf, ohne daß die Versammlung entschieden hat, zur Berathung des Artikels III. übergegangen wird. Dieser lautet:

§. 11. Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. §. 12. Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Uebung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen. §. 13. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. ‒ Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun. § 14. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. [Minoritäts-Erachten. Die bestehenden und die neu sich bildenden Religionsgesellschaften sind als solche unabhängig von der Staatsgewalt; sie ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig. (Lasaulx, Deiters, Lichnowsky, Jürgens, M. v. Gagern.) Die bestehenden und die neu sich bildenden Religionsgesellschaften sind als solche unabhängig von der Staatsgewalt; sie ordnen und verwalten ihre inneren Angelegenheiten selbstständig. (v. Beckerath, R. Mohl, Ahrens.) Jede Religionsgesellschaft ist berechtigt, ihre inneren Angelegenheiten unabhängig vom Staate selbst zu ordnen und zu verwalten. Die Bestellung von Kirchenbeamten bedarf keiner Bestätigung von Seiten des Staats. Das Kirchenpatronat ist aufgehoben. (Wigard, Blum, Simon, Schüler.) Keine Religionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat. Es besteht fernerhin keine Staatskirche. (Wigard, Blum, Simon, Schüler.)] §. 15. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. §. 16. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilaktes abhängig; die kirchliche Trauung kann erst nach der Vollziehung des Civilaktes stattfinden.

Weißenborn, Professor aus Weimar, eröffnet diese Debatte, deren Ende, da deutsche Schulmeister und Pastoren sie führen, unabsehlich ist. Nach einer langen Rede erklärt er an die Spitze des Artikels den Satz stellen zu wollen: „Die Kirche ist unabhängig vom Staat.“

Nach einem andern Redner, der sich in demselben Sinne ausgesprochen hat, kommt

Biedermann aus Leipzig: Der Begriff des christlich-germanischen Staates hat in der neuen Zeit besonders Anlaß zu Mißbräuchen gegeben. Der einfache Begriff des Staates und der Kirche weist darauf hin, daß beide getrennt sein müssen. Für den Einfluß des Staats auf die Ernennung der Geistlichen liegt kein Grund vor. Dem Staate muß zurückgegeben werden, was unter seine Einrichtungen gehört z. B. die Ehe u. A. m. Der Kirche muß außer Glaubens- und Gewissensfreiheit die Bildung von Religionsgesellschaften und deren Verwaltung zustehen. Dem Staat wird die Schule, die er bis jetzt in sehr unklarer Verbindung mit der Kirche besaß, zurückgegeben werden müssen. Ich empfehle Ihnen, „erkennen Sie das Prinzip einer vollkommenen Theilung an.“ (Bravo im Centrum und Rechts.)

Pauer, Oberlehrer aus Neisse: Um aufs Kürzeste das Verhältniß zwischen Kirche und Staat zu ermitteln, ist es das Beste auf den Lauf der Jahrhunderte zurückzublicken. Der Redner blickt zurück. Nachdem er vom Lauf der Jahrhunderte bei uns wieder angekommen ist, sagt er: „Wenn die Kirche sich feierlich nur für eine Gesellschaft der Gläubigen erklären und an ihrem innern Leben festhalten wollte, würde ich für unbedingte Trennung sein. Wo sie aber die Grenzen des innern religiösen Lebens überschreitet, da tritt die Berechtigung des Staates ein. Der Staat aber soll nie zur religiösen Ueberzeugung bestimmen, nie eine Konfession für die von ihm wesentlich anerkannte erklären, sonst wird er zu einem Institut des Unrechts. Und dagegen vorzüglich müssen wir auf der Hut sein.

Jordan aus Marburg: Es handelt sich darum, zwei Köpfe von einander zu trennen, die bis jetzt im Konflikt mit einander waren. So lange zwei Gewalten im Staate neben oder unter einander bestehen, wird kein Friede sein. (Bravo links.) Unter Kirche, wie sie bisher, verstehe ich eine äußere Gewalt, die da wacht über die Reinheit des Glaubens, verstehe ich die Klerisei; die übrigen sind die Schaafe, das ist das Verhältniß. (Bravo.) Bei den Protestanten ist es ebenso Es gibt noch viele Eiferer, die gerne Scheiterhaufen errichten möchten, für die so andern Glaubens sind. Ich spreche mich aus, wie ich denke. Die einzig äußere Gewalt ist der Staat, neben ihr keine andern Götter weiter. Hier ist deßhalb von keiner Trennung die Rede. Der Staat hat nur seine Gewalt von der Kirche wieder zu erringen. Die Bischöfe pflegten zu sagen: sie stehen höher wie die Fürsten, weil sie Rechenschaft für das Wirken derselben dort Oben geben müßten. Gut, daß dies nur ein Wort ist, diese Rechenschaft würde etwas schwierig werden. (Heiteres Gelächter.) Die Kirche muß übergehen in die Religionsgenossenschaft. Man wird dies Indifferentismus nennen. Der Redner ergeht sich in einigen Lächerlichkeiten einiger Lehrer und Geistlichen. In der katholischen Kirche ist das Denken verpönt. Das Kirchengehen ist Gewohnheitssache; man geht hin um ein neues Kleid zu zeigen u. s. w. (einige heilige Männer im Centrum unterbrechen ihn; links, furchtbares Geschrei: Ruhe!) Die Kirchengewalt als solche, muß untergehen, muß in der Staatsgewalt aufgehen. (Furchtbares Bravo links, eines Theils der Centren und der Gallerien.)

Plathner aus Halberstadt (der Duellant): Niemand darf seiner religiösen Ueberzeugung wegen zur Verantwortung gezogen werden. Einigt sich zum Theil mit den Ausschußanträgen, zum Theil stellt er eigene Amendements, wovon später.

Ein Unbekannter. Wir würden in die größten Konflikte gerathen, sollten wir den Staat auf demokratischen Grundsätzen basiren und die Kirche in ihrer alten Einrichtung bestehen lassen. Will für die protestantische Kirche auch eine Centralgewalt, (so eine Art protestantischen Pabst).

Welcker (der neue schwedische Gesandte) für die Ausschußanträge und gegen alle Amendements. Soll die Kirche etwa das Höchste auch in weltlicher Hinsicht sein? Soll das Mittelalter wiederkehren? (polternd und deklamirend) Wollen Sie durch die Grundrechte des deutschen Volks uns die Jesuiten zurückführen? Wollen Sie u. s. w. (woran kein Mensch denkt). Entweder nehmen Sie die einfachen Paragraphen des Ausschusses an, oder setzen Sie ein ganzes Staatskirchenrecht an dessen Stelle.

Vogel, Dekan aus Dillingen, donnert und wettert im höchsten Predigertone gegen (?) Sylvester Jordans frivole Ansichten von der katholischen Kirche. „Nicht denken solle man,“ hätte Jordan gesagt. Wie kann man die Wahrheiten der christlichen Religion in sich aufnehmen ohne zu denken? „Die Kirche sei die Klerisei“ hätte Jordan gesagt; damit meine er wohl die dicken geistlichen Herren? Das ist aber nicht die Kirche (vergnügte Aufregung). Auch ich bin für völlige Unabhängigkeit der Kirche ebenso wie des Staates. Auch ich will wie Hr. Welcker, eine schöne Wechselwirkung zwischen Kirche und Staat. Das Amalgamiren zwischen Kirche und Staat unterdrückt die religiöse und politische Freiheit. In allen bürgerlichen Verhältnissen muß die Kirche unter dem Staat stehen, aber wenn der Staat sich in die innern Angelegenheiten der Kirche mischen will, da muß man sagen: „Nein, Gott ist höher zu achten als die Menschen.“

Tafel (Zweibrücken) und Dieringer (aus Bonn) sprechen noch, letzterer zu häufiger Vergnüglichkeit der Horer, worauf die Debatte bis morgen vertagt wird. Am Schluß (halb 3 Uhr) vernichtet man man die Liste der heute eingeschriebenen Redner, und es schreiben sich unter großem Getümmel eine Masse neue Redner auf morgen ein. Erwarten Sie also morgen eine weitere lebhafte Debatte über Artikel 3.

103 Berlin, 21. August.

Die gestrigen Vorfälle in Charlottenburg haben die Gemüther sehr aufgeregt und selbst unsere Bourgeoisie um so mehr empört über solche brutale Gewalt, als sich herausstellt, daß die dortigen Beamten und Behörden den Pöbel zu den Gewaltmaßregeln aufgereizt und sogar dafür bezahl haben. ‒ Nachdem der demokratische Klub durch Lumpenproletarier, welche vom Superintendent und vom Gerichtsrath 10 Sgr. per Mann dafür bekommen hatten, auseinandergesprengt war, wurde der Pöbel, worunter sich übrigens viel Bürgerwehrmänner befanden, aufgemuntert, in die Häuser der Demokraten zu dringen, dieselben herauszuschleppen und Lynchjustitz an ihnen zu üben. Man drang in 8 verschiedene Häuser und schleppte unter Andern Bruno Bauer mit seinem Bruder Egbert aus des Letztern Haus, an den Haaren zur Treppe herunter auf die Straße, wo man sie förmlich Spießruthen laufen ließ. Der Polizei-Kommissar stand dabei und lächelte; der Bürgermeister sagte; „schlagen könnt ihr so viel ihr wollt, schlagt nur keinen todt!“ ‒ Der Major der Bürgerwehr, ein Freund Bauers, gab dem Hauptmann Befehl die Bürgerwehr zum Schutz der Mißhandelten zusammenzurufen, aber der Hauptmann ignorirte den Befehl und nur ein Bürgerwehrmann fand sich endlich ein, der Bauer in das Gemeinde-Schulhaus gefangen setzte, um ihn den Händen des Pöbels, unter denen er sich wohl über eine halbe Stunde befand, zu entreißen. Der Pöbel glaubte sich so im Rechte, daß er darauf bestand alle Mitglieder des demokratischen Klubs müßten arretirt werden und holte noch acht Personen mit Gewalt aus ihren Wohnungen, um sie in's Schulhaus zu bringen. Andere Demokraten entflohen nach Berlin, wo sie in den Sitzungssaal des eben versammelten demokratischen Kreis-Kongresses der Mark Brandenburg eilten, um über diese Schreckenherrschaft Bericht zu erstatten. Der Kongreß sandte sofort eine Deputation, an deren Spitze der Abgeordnete Schramm, Präsident des demokratischen Klubs, zu dem Minister Kühlwetter, den man jedoch nicht in seinem Hotel antraf, da es Sonntag Nachmittag war. Auch den Minister-Präsidenten Auerswald traf die Deputation nicht an, auf dem Rückweg aber begegnete sie zufällig dem Minister des Innern, Kühlwetter, an der Wilhelmsstraße und ging mit demselben in das in der Nähe liegende Hotel Auerswald hinein, um ihm von den Charlottenburger Exzessen Bericht zu geben und um sofortige Ergreifung von Maßregeln zum Schutze des Lebens und des Eigenthums der Charlottenburger Demokraten aufzufordern. Auch verlangte Herr Schramm die sofortige Verhaftung der Aufrührer und die Einleitung einer Untersuchung. Als der Minister nicht sogleich hierauf eingehen wollte, indem er meinte, die Charlottenburger Bürgerwehr und die Ortsobrigkeit werde schon für Alles sorgen, wurde ihm auseinandergesetzt, daß diese eben die am meisten Gravirten seien und daß man umsomehr auf sofortige Verhaftung der Schuldigen bestehen müsse, als bisher den Reaktionären alles zu thun freistand, während man die Demokraten bei der geringsten Kleinigkeit verhaftete. Als man auch noch andeutete, daß die Bevölkerung Berlins, im Falle nichts von Seiten des Ministers geschähe, selbst nach Charlottenburg ziehen würde, um Rache an den dortigen Einwohnern auch noch für die früheren Exzesse zu nehmen, gab Herr Kühlwetter nach und versprach sogleich einen Kommissar aus seinem Ministerium zur Untersuchung der Vorfälle abzusenden, und ihn von einem Kommissar aus dem Kriegs-Ministerium begleiten zu lassen, damit derselbe das dortige Militär zum Schutze der Ordnung requiriren könne. ‒ Da sich der Pöbel gegen Abend beruhigte, so hat man von der Thätigkeit dieser Kommissarien noch nichts erfahren, jedenfalls wird aber eine strenge Untersuchung vom Minister erwartet. ‒ Bruno und Egbert Bauer kamen gestern Abend noch hier an, da sie ihr Leben in Charlottenburg nicht für sicher hielten. Die Scenen, die dort im Laufe des gestrigen Tages vorgefallen waren, sind ganz des märkischen Pöbels würdig. Einem armen Manne wurden die Füße zerschlagen, so daß ihm der eine jedenfalls wird abgenommen werden müssen. Die Gebrüder Bauer selbst waren mit Wunden bedeckt und in ihrer Wohnung vieles zerstört. ‒ Man erzählt sich, daß viele Arbeiter sich heute Abend versammeln wollen, um nach Charlottenburg zu ziehen, um die Charlottenburger zu bestrafen. Berlin ist in der größten Gährung.

Diese Aufregung wurde heute noch dadurch vermehrt, daß sich mehrere hundert Arbeiter, welche größtentheils vom Magistrat aus ihrer bisherigen Arbeit entlassen wurden, vor dem Hotel des Ministers für Arbeit, Herrn Milde, versammelten und Arbeit verlangten. Aber es wurde Niemand in's Ministerium eingelassen, vielmehr das feingesittete Institut der Schutzmannschaften zusammengerufen, welche diese unerlaubten Attroupements vor dem Hause des Ministers zerstreuen sollten. Die Arbeiter weigerten sich den Platz zu räumen und es kam, da die Konstabler Gewalt brauchten, an einzelnen Orten zu Thätlichkeiten. Mehrere Verhaftungen haben stattgefunden.

Die Vereinbarer-Versammlung wird in Folge des guten Rathes, den sie bei Gelegenheit der Debatte über die Schutzmannschaften von dem Abgeordneten Rodbertus erhielt, dem vorjährigen vereinigten Landtag nachahmen und die Zwangsanleihe nicht eher bewilligen, bis die Verfassung mit dem Könige vereinbart und das Budget von der Versammlung genehmigt ist. So hat die Central-Abtheilung beschlossen.

Herr Held veröffentlicht in der Lokomotive „die enthüllte Instruktion der Berliner Schutzmannschaft“. Man weiß wie viele nutzlose Mühe man sich gegeben hat, die Regierung zur Veröffentlichung der Instruktion der Schutzmannschaft zu vermögen. Jetzt, da es uns gelungen ist, dieser so geheim gehaltenen Instruktion habhaft zu werden, wird man leicht ersehen, aus welchen Gründen man sie so geheim hielt. Denn namentlich aus den §§. 19 und 26 wird man den Schluß ziehen können, daß es bei diesem gesegneten Institute darauf abgesehen ist, die Bevölkerung Berlins unter beständiger, der heiligen Hermandad würdiger Polizei-Aufsicht zu halten. ‒ Die Instruktion lautet folgendermaßen:

§. 1. Die Schutzmänner sind ihren Vorgesetzten, den Wachtmeistern, Lieutenants, Hauptleuten, dem Obersten und dem königl. Polizei-Präsidio in Dienstsachen unbedingten Gehorsam schuldig.

§. 2. Dieselben sollen ein anständiges, nüchternes Leben führen; Trunkenheit außer Dienst wird mit Ordnungsstrafen, Trunkenheit im Dienste mit sofortiger Entlassung geahndet.

§. 3. Der Besuch von Wirthshäusern in den Freistunden ist möglichst zu beschränken; während den Dienststunden ist solcher unbedingt verboten, es sei denn, daß eine dienstliche Veranlassung dazu vorliegt; in diesem Falle darf der Schutzmann aber in dem Wirthshause nichts verzehren und muß dasselbe nach Beendigung seines Geschäfts sofort wieder verlassen.

§. 9. Der Schutzmann muß Courage haben: wer sich feig zeigt, dem wird der Dienst gekündigt.

§. 11. Jeder Schutzmann soll sich mit den hier gültigen Po

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No. 84. Köln, Donnerstag 24. August 1848.</docDate>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#b">Köln</hi>, 22. August.</head><lb/>
          <p>Auf Veranlassung des Hrn. <choice><abbr>komm.</abbr><expan>kommissarischen</expan></choice> Polizeidirektors Geiger (aus Koblenz) ist dem Hrn. Schapper der Befehl ertheilt worden, Köln zu verlassen, da er kein preußischer Unterthan, sondern ein Nassauer Bürger sei. Der Arbeiterverein, dessen thätiges Mitglied Herr Schapper ist, hat sich veranlaßt gefunden, die Sache zu der seinigen zu machen und gegen die willkürliche Ausweisung des Hrn. Schapper zu protestiren. Der Protest wurde verflossenen Freitag dem Herrn Dolleschall in Abwesenheit des Hrn. Geiger überreicht. Da Hr. Dolleschall erklärte, nichts von der Sache zu wissen, so wurde die zur Ueberreichung des Protestes <choice><sic>beimmte</sic><corr>bestimmte</corr></choice> Kommission auf den kommenden Dienstag, 22. August, zurückbestellt, um mit Hrn. Geiger selbst sprechen zu können. Hr. Geiger empfing heute die Kommission mit der Erklärung, daß die Sache von ihm nicht mehr abhinge, sondern daß in Folge eines Artikels in der Neuen Rheinischen Zeitung, das Ministerium an ihn, Geiger, sich gewandt habe, um einen genauen Bericht über die Sache einzuholen. Der Bericht sei heute abgegangen; mithin hänge es nicht mehr von ihm ab, die Ausweisung des Hrn. Schapper zu vollstrecken oder zurückzunehmen. Ein Mitglied der Kommission glaubte Hrn. Geiger dahin verstanden zu haben, daß die Ausweisung des Hrn. Schapper vom Ministerium ausgegangen sei, worauf Hr. Geiger mit Extase der Kommission heiligst und theuer auf sein Ehrenwort versicherte, daß <hi rendition="#g">er</hi> es sei, welcher die Initiative dieser Maßregel ergriffen. Er berufe sich erstens auf seine speziellen Kenntnisse der Gesetze, da er früher Instruktionsrichter gewesen;                         das sei aber nicht der alleinige Grund; &#x201E;ich glaube nicht allein als <choice><abbr>komm.</abbr><expan>kommissarischer</expan></choice> Polizeidirektor, sondern auch der Vernunft gemäß gehandelt zu haben: <hi rendition="#g">ich</hi> habe als <hi rendition="#g">ich</hi> gehandelt.&#x201C; Er wisse recht wohl, setzte er hinzu, daß alle seine Worte von der Neuen Rheinischen Zeitung wiedergegeben und eigens aufgefaßt würden, aber das sei ihm einerlei: &#x201E;<hi rendition="#g">ich</hi> habe als <hi rendition="#g">ich</hi> gehandelt.&#x201C; Ein anderes Mitglied der Kommission bemerkte ihm, daß wenn der Herr Geiger als <hi rendition="#g">ich</hi> gehandelt habe, sei dieses <hi rendition="#g">Ich</hi> doch kein anderes als das <hi rendition="#g">Ich</hi> des <choice><abbr>komm.</abbr><expan>kommissarischen</expan></choice> Polizeidirektors, und dieses <hi rendition="#g">Ich</hi> könne allerdings der Vernunft gemäß sein. Aber der Arbeiterverein habe ebenfalls ein Ich, das sei das Ich von 6000 Arbeitern, und dieses Ich mag ebensoviel gelten als das Ich des Hrn. Geiger und ebenfalls der Vernunft gemäß sein. Der Arbeiterverein protestire gegen eine Maßregel, die allen bestehenden Gesetzen und der Frankfurter Nationalversammlung entgegen sei. Das erste Mitglied der Kommission verlangte, daß Hr. Geiger wenigstens die Maßregel desavouire; Hr. Geiger weigerte sich, und gab der Kommission die Versicherung, daß bis zur Antwort des Ministers von seiner Seite Hr. Schapper ruhig in Köln bleiben könne. In welchem Sinne der Bericht des Hrn. Geiger abgefaßt sei, darüber wurde ebenfalls alle Erklärung verweigert. Hat Herr Geiger andere Beschlüsse gefaßt als Herr Gagern, und ist ein Nassauer kein deutscher Bürger, dem es zusteht, sich in jedem der 34 deutschen Vaterländer niederzulassen?</p>
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          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 21. Aug.</head>
          <p>63. Sitzung der Nationalversammlung. Beginn um 9 1/2 Uhr. Präsident: v.                         Gagern.</p>
          <p>Der Präsident verliest eine Anzeige des Ministerpräsidenten Fürst Leiningen,                         wonach sämmtliche vorliegenden Interpellationen von den betreffenden                         Ministern bis Freitag den 25. Aug. beantwortet werden sollen. &#x2012;</p>
          <p>Die Minister, deren gänzliche Abwesenheit aus der Versammlung bereits                         mehrfach mißliebig bemerkt war, sind diesmal fast alle gegenwärtig.</p>
          <p>Minister des Aeußeren <hi rendition="#g">Heckscher</hi> zeigt die von der                         provisor Centralgewalt bis dato ernannten Gesandten an. Siehe die gestrige                         Zeitung, Nachtrag.</p>
          <p>Nach Petersburg war <hi rendition="#g">Lychnowski in Vorschlag,</hi> aber                         Leiningen soll erklärt haben: in Petersburg dürfen wir uns nicht                         blamiren.</p>
          <p>Sämmtliche Gesandte sind gleichmäßig instruirt, die Ernennung des                         Reichsverwesers zu notifiziren, und die Verkünder einer gerechten,                         friedliebenden, aber <hi rendition="#g">festen</hi> Politik zu sein.</p>
          <p><hi rendition="#g">Italien</hi> betreffend, theilt der Herr Minister mit, man                         habe entsprechende Maßregeln getroffen, uns (Deutschland?) die nöthige                         Theilnahme an den Friedens-Unterhandlungen zu sichern. Dänemark betreffend;                         von Seiten der prov. Central-Gewalt ist der Unterstaatssekretär Max von                         Gagern nach Rendsburg gegangen, um Verhandlungen anzuknüpfen. &#x2012;</p>
          <p>Der Minister des Innern <hi rendition="#g">Schmerling.</hi> Von Hannover aus                         ist durch den an die provisorische Centralgewalt abgeschickten                         Bevollmächtigten von Bothmar, in Folge der bekannten Note, eine höchst                         befriedigende Erklärung abgegeben worden, wonach die provisorische                         Centralgewalt von Hannover unumwunden anerkannt wird. &#x2012; Herr Schmerling                         giebt ferner einen kurzen Bericht über die bisherigen Bestrebungen zur                         Gründung einer Kriegsmarine. &#x2012; Bis jetzt besteht sie aus 2 Segel-, 3                         Dampf-Schiffen und einem Kanonenboot Namens St. Paul, welches letztere durch                         die Mittel der Bewohner der Hamburger Vorstadt St. Paul gegründet                         worden.</p>
          <p>Nr. 3. Der Kriegsminister <hi rendition="#g">Peucker</hi> deklamirt in einer                         wohleinstudirten Rede von der Erhöhung der deutschen Streitkräfte. Es wird                         hier in Frankfurt ein Congreß deutscher Offiziere zusammen kommen, welche                         über die neue deutsche Heerverfassung berathen werden.</p>
          <p>Nr. 4. Der Finanz-Minister von <hi rendition="#g">Beckerath</hi> wird                         nächster Tage eine Vorlage über den Zustand und die zukünftige Einrichtung                         des deutschen Finanzwesens machen.</p>
          <p>Nach einer Interpellation Eisenmanns an den Minister des Inneren wegen der                         deutschen Farben und der Verhältnisse Oestreichs zu Deutschland, die später                         drankommen wird, und einigen Mittheilungen von Beiträgen zur deutschen                         Flotte geht man zur Tagesordnung über.</p>
          <p>Tagesordnung: Bericht des Verfassungsausschusses über die Anträge, die                         Berathung der Grundrechte betreffend.</p>
          <p>Es haben die Herren Eisenmann, Schoder, Vischer, Jacobi und Kuenza Anträge                         gestellt.</p>
          <p>Diese Anträge bezwecken theils: die Beschleunigung der Berathung und                         Abstimmung über den Entwurf der Grundrechte und über die zu diesem Entwurf                         übergebenen Veränderungs- und Unteranträge, theils: Abänderungen in der                         Reihenfolge der zur Berathung vorliegenden einzelnen Artikel der                         Grundrechte.</p>
          <p>Nach einer Debatte an der Vischer, Reinhardt aus Mecklenburg und Lychnowski                         sich betheiligt haben, wird der Ruf nach Schluß laut und die Versammlung                         geht zur Tagesordnung über.</p>
          <p>Jetzt geräth man in Verlegenheit. Man hat nämlich nicht geglaubt, mit dieser                         Berathung so schnell fertig zu werden, und auf der gedruckten Tagesordnung                         steht nichts weiter. Es ist aber noch sehr früh und man kann unmöglich jetzt                         die Sitzung schließen.</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Präsident</hi> will die Discussion über Artikel 3 und                         4 eröffnen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt.</hi> Auf der Tagesordnung steht kein Wort von der                         Discussion der Artikel 3 und 4 der Grundrechte. Ich protestire gegen                         dieselbe und gegen die Einschreibung der Redner, die man so eben vorgenommen                         hat.</p>
          <p><hi rendition="#g">N. N.</hi> Vogts Bedenken sei formell gegründet, um aber                         nicht den Tag zu verlieren, solle man eine halbe Stunde pausiren und dann                         die Verhandlung über die Grundrechte fortsetzen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Gagern.</hi> Die gedruckte Tagesordnung geht mich nichts                         an. Ich habe zum Schluß der letzten Sitzung verkündet, daß nach der                         Berathung über die Vischerschen Anträge in den Grundrechten fortgefahren                         wird und dabei bleibt es. (Punktum.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Bassermann.</hi> Es wird wohl heute noch nicht zur                         Abstimmung kommen. Man solle nur heute über Artikel 3 (das Declamatorium)                         beginnen.</p>
          <p><hi rendition="#g">N. N.</hi> citirt einen Paragraphen der Geschäftsordnung,                         wonach fortgefahren werden muß.</p>
          <p><hi rendition="#g">Moritz Mohl</hi> (Schluß! Schluß!) für Vogt's Ansicht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wernher</hi> von Nierstein deklamirt unter muthwilliger                         Freude und fortwährendem Schlußgeschrei:, es muß fortgefahren werden.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> spricht auch noch einige empfehlende Worte,                         worauf, ohne daß die Versammlung entschieden hat, zur Berathung des Artikels                         III. übergegangen wird. Dieser lautet:</p>
          <p>§. 11. Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. §. 12. Jeder                         Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen                         Uebung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser                         Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen. §. 13. Durch                         das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und                         staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. &#x2012; Den                         staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun. § 14. Neue                         Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres                         Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. [<hi rendition="#g">Minoritäts-Erachten.</hi> Die bestehenden und die neu sich bildenden                         Religionsgesellschaften sind als solche unabhängig von der Staatsgewalt; sie                         ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig. (Lasaulx, Deiters,                         Lichnowsky, Jürgens, M. v. Gagern.) Die bestehenden und die neu sich                         bildenden Religionsgesellschaften sind als solche unabhängig von der                         Staatsgewalt; sie ordnen und verwalten ihre inneren Angelegenheiten                         selbstständig. (v. Beckerath, R. Mohl, Ahrens.) Jede Religionsgesellschaft                         ist berechtigt, ihre inneren Angelegenheiten unabhängig vom Staate selbst zu                         ordnen und zu verwalten. Die Bestellung von Kirchenbeamten bedarf keiner                         Bestätigung von Seiten des Staats. Das Kirchenpatronat ist aufgehoben.                         (Wigard, Blum, Simon, Schüler.) Keine Religionsgesellschaft genießt vor                         anderen Vorrechte durch den Staat. Es besteht fernerhin keine Staatskirche.                         (Wigard, Blum, Simon, Schüler.)] §. 15. Niemand soll zu einer kirchlichen                         Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. §. 16. Die bürgerliche                         Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilaktes abhängig; die                         kirchliche Trauung kann erst nach der Vollziehung des Civilaktes                         stattfinden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Weißenborn,</hi> Professor aus Weimar, eröffnet diese                         Debatte, deren Ende, da deutsche Schulmeister und Pastoren sie führen,                         unabsehlich ist. Nach einer langen Rede erklärt er an die Spitze des                         Artikels den Satz stellen zu wollen: &#x201E;Die Kirche ist unabhängig vom                         Staat.&#x201C;</p>
          <p>Nach einem andern Redner, der sich in demselben Sinne ausgesprochen hat,                         kommt</p>
          <p><hi rendition="#g">Biedermann</hi> aus Leipzig: Der Begriff des                         christlich-germanischen Staates hat in der neuen Zeit besonders Anlaß zu                         Mißbräuchen gegeben. Der einfache Begriff des Staates und der Kirche weist                         darauf hin, daß beide getrennt sein müssen. Für den Einfluß des Staats auf                         die Ernennung der Geistlichen liegt kein Grund vor. Dem Staate muß                         zurückgegeben werden, was unter seine Einrichtungen gehört z. B. die Ehe u.                         A. m. Der Kirche muß außer Glaubens- und Gewissensfreiheit die Bildung von                         Religionsgesellschaften und deren Verwaltung zustehen. Dem Staat wird die                         Schule, die er bis jetzt in sehr unklarer Verbindung mit der Kirche besaß,                         zurückgegeben werden müssen. Ich empfehle Ihnen, &#x201E;erkennen Sie das Prinzip                         einer vollkommenen Theilung an.&#x201C; (Bravo im Centrum und Rechts.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Pauer,</hi> Oberlehrer aus Neisse: Um aufs Kürzeste das                         Verhältniß zwischen Kirche und Staat zu ermitteln, ist es das Beste auf den                         Lauf der Jahrhunderte zurückzublicken. Der Redner blickt zurück. Nachdem er                         vom Lauf der Jahrhunderte bei uns wieder angekommen ist, sagt er: &#x201E;Wenn die                         Kirche sich feierlich nur für eine Gesellschaft der Gläubigen erklären und                         an ihrem innern Leben festhalten wollte, würde ich für unbedingte Trennung                         sein. Wo sie aber die Grenzen des innern religiösen Lebens überschreitet, da                         tritt die Berechtigung des Staates ein. Der Staat aber soll nie zur                         religiösen Ueberzeugung bestimmen, nie eine Konfession für die von ihm                         wesentlich anerkannte erklären, sonst wird er zu einem Institut des                         Unrechts. Und dagegen vorzüglich müssen wir auf der Hut sein.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jordan</hi> aus Marburg: Es handelt sich darum, zwei Köpfe                         von einander zu trennen, die bis jetzt im Konflikt mit einander waren. So                         lange zwei Gewalten im Staate neben oder unter einander bestehen, wird kein                         Friede sein. (Bravo links.) Unter Kirche, wie sie bisher, verstehe ich eine                         äußere Gewalt, die da wacht über die Reinheit des Glaubens, verstehe ich die                         Klerisei; die übrigen sind die Schaafe, das ist das Verhältniß. (Bravo.) Bei                         den Protestanten ist es ebenso Es gibt noch viele Eiferer, die gerne                         Scheiterhaufen errichten möchten, für die so andern Glaubens sind. Ich                         spreche mich aus, wie ich denke. Die einzig äußere Gewalt ist der Staat,                         neben ihr keine andern Götter weiter. Hier ist deßhalb von keiner Trennung                         die Rede. Der Staat hat nur seine Gewalt von der Kirche wieder zu erringen.                         Die Bischöfe pflegten zu sagen: sie stehen höher wie die Fürsten, weil sie                         Rechenschaft für das Wirken derselben dort Oben geben müßten. Gut, daß dies                         nur ein Wort ist, diese Rechenschaft würde etwas schwierig werden. (Heiteres                         Gelächter.) Die Kirche muß übergehen in die Religionsgenossenschaft. Man                         wird dies Indifferentismus nennen. Der Redner ergeht sich in einigen                         Lächerlichkeiten einiger Lehrer und Geistlichen. In der katholischen Kirche                         ist das Denken verpönt. Das Kirchengehen ist Gewohnheitssache; man geht hin                         um ein neues Kleid zu zeigen u. s. w. (einige heilige Männer im Centrum                         unterbrechen ihn; links, furchtbares Geschrei: Ruhe!) Die Kirchengewalt als                         solche, muß untergehen, muß in der Staatsgewalt aufgehen. (Furchtbares Bravo                         links, eines Theils der Centren und der Gallerien.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> aus Halberstadt (der Duellant): Niemand darf                         seiner religiösen Ueberzeugung wegen zur Verantwortung gezogen werden.                         Einigt sich zum Theil mit den Ausschußanträgen, zum Theil stellt er eigene                         Amendements, wovon später.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ein Unbekannter.</hi> Wir würden in die größten Konflikte                         gerathen, sollten wir den Staat auf demokratischen Grundsätzen basiren und                         die Kirche in ihrer alten Einrichtung bestehen lassen. Will für die                         protestantische Kirche auch eine Centralgewalt, (so eine Art                         protestantischen Pabst).</p>
          <p><hi rendition="#g">Welcker</hi> (der neue schwedische Gesandte) für die                         Ausschußanträge und gegen alle Amendements. Soll die Kirche etwa das Höchste                         auch in weltlicher Hinsicht sein? Soll das Mittelalter wiederkehren?                         (polternd und deklamirend) Wollen Sie durch die Grundrechte des deutschen                         Volks uns die Jesuiten zurückführen? Wollen Sie u. s. w. (woran kein Mensch                         denkt). Entweder nehmen Sie die einfachen Paragraphen des Ausschusses an,                         oder setzen Sie ein ganzes Staatskirchenrecht an dessen Stelle.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogel,</hi> Dekan aus Dillingen, donnert und wettert im                         höchsten Predigertone gegen (?) Sylvester Jordans frivole Ansichten von der                         katholischen Kirche. &#x201E;Nicht denken solle man,&#x201C; hätte Jordan gesagt. Wie kann                         man die Wahrheiten der christlichen Religion in sich aufnehmen ohne zu                         denken? &#x201E;Die Kirche sei die Klerisei&#x201C; hätte Jordan gesagt; damit meine er                         wohl die dicken geistlichen Herren? Das ist aber nicht die Kirche (vergnügte                         Aufregung). Auch ich bin für völlige Unabhängigkeit der Kirche ebenso wie                         des Staates. Auch ich will wie Hr. Welcker, eine schöne Wechselwirkung                         zwischen Kirche und Staat. Das Amalgamiren zwischen Kirche und Staat                         unterdrückt die religiöse und politische Freiheit. In allen bürgerlichen                         Verhältnissen muß die Kirche unter dem Staat stehen, aber wenn der Staat                         sich in die innern Angelegenheiten der Kirche mischen will, da muß man                         sagen: &#x201E;Nein, Gott ist höher zu achten als die Menschen.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Tafel</hi> (Zweibrücken) und <hi rendition="#g">Dieringer</hi> (aus Bonn) sprechen noch, letzterer zu häufiger                         Vergnüglichkeit der Horer, worauf die Debatte bis morgen vertagt wird. Am                         Schluß (halb 3 Uhr) vernichtet man man die Liste der heute eingeschriebenen                         Redner, und es schreiben sich unter großem Getümmel eine Masse neue Redner                         auf morgen ein. Erwarten Sie also morgen eine weitere lebhafte Debatte über                         Artikel 3.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar084_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 21. August.</head>
          <p>Die gestrigen Vorfälle in Charlottenburg haben die Gemüther sehr aufgeregt                         und selbst unsere Bourgeoisie um so mehr empört über solche brutale Gewalt,                         als sich herausstellt, daß die dortigen Beamten und Behörden den Pöbel zu                         den Gewaltmaßregeln aufgereizt und sogar dafür bezahl haben. &#x2012; Nachdem der                         demokratische Klub durch Lumpenproletarier, welche vom Superintendent und                         vom Gerichtsrath 10 Sgr. per Mann dafür bekommen hatten,                         auseinandergesprengt war, wurde der Pöbel, worunter sich übrigens viel                         Bürgerwehrmänner befanden, aufgemuntert, in die Häuser der Demokraten zu                         dringen, dieselben herauszuschleppen und Lynchjustitz an ihnen zu üben. Man                         drang in 8 verschiedene Häuser und schleppte unter Andern Bruno Bauer mit                         seinem Bruder Egbert aus des Letztern Haus, an den Haaren zur Treppe                         herunter auf die Straße, wo man sie förmlich Spießruthen laufen ließ. Der                         Polizei-Kommissar stand dabei und lächelte; der Bürgermeister sagte;                         &#x201E;schlagen könnt ihr so viel ihr wollt, schlagt nur keinen todt!&#x201C; &#x2012; Der Major                         der Bürgerwehr, ein Freund Bauers, gab dem Hauptmann Befehl die Bürgerwehr                         zum Schutz der Mißhandelten zusammenzurufen, aber der Hauptmann ignorirte                         den Befehl und nur ein Bürgerwehrmann fand sich endlich ein, der Bauer in                         das Gemeinde-Schulhaus gefangen setzte, um ihn den Händen des Pöbels, unter                         denen er sich wohl über eine halbe Stunde befand, zu entreißen. Der Pöbel                         glaubte sich so im Rechte, daß er darauf bestand alle Mitglieder des                         demokratischen Klubs müßten arretirt werden und holte noch acht Personen mit                         Gewalt aus ihren Wohnungen, um sie in's Schulhaus zu bringen. Andere                         Demokraten entflohen nach Berlin, wo sie in den Sitzungssaal des eben                         versammelten demokratischen Kreis-Kongresses der Mark Brandenburg eilten, um                         über diese Schreckenherrschaft Bericht zu erstatten. Der Kongreß sandte                         sofort eine Deputation, an deren Spitze der Abgeordnete <hi rendition="#g">Schramm,</hi> Präsident des demokratischen Klubs, zu dem Minister <hi rendition="#g">Kühlwetter,</hi> den man jedoch nicht in seinem Hotel                         antraf, da es Sonntag Nachmittag war. Auch den Minister-Präsidenten                         Auerswald traf die Deputation nicht an, auf dem Rückweg aber begegnete sie                         zufällig dem Minister des Innern, Kühlwetter, an der Wilhelmsstraße und ging                         mit demselben in das in der Nähe liegende Hotel Auerswald hinein, um ihm von                         den Charlottenburger Exzessen Bericht zu geben und um sofortige Ergreifung                         von Maßregeln zum Schutze des Lebens und des Eigenthums der Charlottenburger                         Demokraten aufzufordern. Auch verlangte Herr Schramm die sofortige                         Verhaftung der Aufrührer und die Einleitung einer Untersuchung. Als der                         Minister nicht sogleich hierauf eingehen wollte, indem er meinte, die                         Charlottenburger Bürgerwehr und die Ortsobrigkeit werde schon für Alles                         sorgen, wurde ihm auseinandergesetzt, daß diese eben die am meisten                         Gravirten seien und daß man umsomehr auf sofortige Verhaftung der Schuldigen                         bestehen müsse, als bisher den Reaktionären alles zu thun freistand, während                         man die Demokraten bei der geringsten Kleinigkeit verhaftete. Als man auch                         noch andeutete, daß die Bevölkerung Berlins, im Falle nichts von Seiten des                         Ministers geschähe, selbst nach Charlottenburg ziehen würde, um Rache an den                         dortigen Einwohnern auch noch für die früheren Exzesse zu nehmen, gab Herr                         Kühlwetter nach und versprach sogleich einen Kommissar aus seinem                         Ministerium zur Untersuchung der Vorfälle abzusenden, und ihn von einem                         Kommissar aus dem Kriegs-Ministerium begleiten zu lassen, damit derselbe das                         dortige Militär zum Schutze der Ordnung requiriren könne. &#x2012; Da sich der                         Pöbel gegen Abend beruhigte, so hat man von der Thätigkeit dieser                         Kommissarien noch nichts erfahren, jedenfalls wird aber eine strenge                         Untersuchung vom Minister erwartet. &#x2012; Bruno und Egbert Bauer kamen gestern                         Abend noch hier an, da sie ihr Leben in Charlottenburg nicht für sicher                         hielten. Die Scenen, die dort im Laufe des gestrigen Tages vorgefallen                         waren, sind ganz des märkischen Pöbels würdig. Einem armen Manne wurden die                         Füße zerschlagen, so daß ihm der eine jedenfalls wird abgenommen werden                         müssen. Die Gebrüder Bauer selbst waren mit Wunden bedeckt und in ihrer                         Wohnung vieles zerstört. &#x2012; Man erzählt sich, daß viele Arbeiter sich heute                         Abend versammeln wollen, um nach Charlottenburg zu ziehen, um die                         Charlottenburger zu bestrafen. Berlin ist in der größten Gährung.</p>
          <p>Diese Aufregung wurde heute noch dadurch vermehrt, daß sich mehrere hundert                         Arbeiter, welche größtentheils vom Magistrat aus ihrer bisherigen Arbeit                         entlassen wurden, vor dem Hotel des Ministers für Arbeit, Herrn <hi rendition="#g">Milde,</hi> versammelten und Arbeit verlangten. Aber es                         wurde Niemand in's Ministerium eingelassen, vielmehr das feingesittete                         Institut der Schutzmannschaften zusammengerufen, welche diese unerlaubten                         Attroupements vor dem Hause des Ministers zerstreuen sollten. Die Arbeiter                         weigerten sich den Platz zu räumen und es kam, da die Konstabler Gewalt                         brauchten, an einzelnen Orten zu Thätlichkeiten. Mehrere Verhaftungen haben                         stattgefunden.</p>
          <p>Die Vereinbarer-Versammlung wird in Folge des guten Rathes, den sie bei                         Gelegenheit der Debatte über die Schutzmannschaften von dem Abgeordneten <hi rendition="#g">Rodbertus</hi> erhielt, dem vorjährigen vereinigten                         Landtag nachahmen und die Zwangsanleihe nicht eher bewilligen, bis die                         Verfassung mit dem Könige vereinbart und das Budget von der Versammlung                         genehmigt ist. So hat die Central-Abtheilung beschlossen.</p>
          <p>Herr <hi rendition="#g">Held</hi> veröffentlicht in der Lokomotive &#x201E;die                         enthüllte Instruktion der Berliner Schutzmannschaft&#x201C;. Man weiß wie viele                         nutzlose Mühe man sich gegeben hat, die Regierung zur Veröffentlichung der                         Instruktion der Schutzmannschaft zu vermögen. Jetzt, da es uns gelungen ist,                         dieser so geheim gehaltenen Instruktion habhaft zu werden, wird man leicht                         ersehen, aus welchen Gründen man sie so geheim hielt. Denn namentlich aus                         den §§. 19 und 26 wird man den Schluß ziehen können, daß es bei diesem                         gesegneten Institute darauf abgesehen ist, die Bevölkerung Berlins unter                         beständiger, der heiligen Hermandad würdiger Polizei-Aufsicht zu halten. &#x2012;                         Die Instruktion lautet folgendermaßen:</p>
          <p>§. 1. Die Schutzmänner sind ihren Vorgesetzten, den Wachtmeistern,                         Lieutenants, Hauptleuten, dem Obersten und dem königl. Polizei-Präsidio in                         Dienstsachen unbedingten Gehorsam schuldig.</p>
          <p>§. 2. Dieselben sollen ein anständiges, nüchternes Leben führen; Trunkenheit                         außer Dienst wird mit Ordnungsstrafen, Trunkenheit im Dienste mit sofortiger                         Entlassung geahndet.</p>
          <p>§. 3. Der Besuch von Wirthshäusern in den Freistunden ist möglichst zu                         beschränken; während den Dienststunden ist solcher unbedingt verboten, es                         sei denn, daß eine dienstliche Veranlassung dazu vorliegt; in diesem Falle                         darf der Schutzmann aber in dem Wirthshause nichts verzehren und muß                         dasselbe nach Beendigung seines Geschäfts sofort wieder verlassen.</p>
          <p>§. 9. Der Schutzmann muß Courage haben: wer sich feig zeigt, dem wird der                         Dienst gekündigt.</p>
          <p>§. 11. Jeder Schutzmann soll sich mit den hier gültigen Po
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[0427/0001] Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 84. Köln, Donnerstag 24. August 1848. Deutschland. * Köln, 22. August. Auf Veranlassung des Hrn. komm. Polizeidirektors Geiger (aus Koblenz) ist dem Hrn. Schapper der Befehl ertheilt worden, Köln zu verlassen, da er kein preußischer Unterthan, sondern ein Nassauer Bürger sei. Der Arbeiterverein, dessen thätiges Mitglied Herr Schapper ist, hat sich veranlaßt gefunden, die Sache zu der seinigen zu machen und gegen die willkürliche Ausweisung des Hrn. Schapper zu protestiren. Der Protest wurde verflossenen Freitag dem Herrn Dolleschall in Abwesenheit des Hrn. Geiger überreicht. Da Hr. Dolleschall erklärte, nichts von der Sache zu wissen, so wurde die zur Ueberreichung des Protestes bestimmte Kommission auf den kommenden Dienstag, 22. August, zurückbestellt, um mit Hrn. Geiger selbst sprechen zu können. Hr. Geiger empfing heute die Kommission mit der Erklärung, daß die Sache von ihm nicht mehr abhinge, sondern daß in Folge eines Artikels in der Neuen Rheinischen Zeitung, das Ministerium an ihn, Geiger, sich gewandt habe, um einen genauen Bericht über die Sache einzuholen. Der Bericht sei heute abgegangen; mithin hänge es nicht mehr von ihm ab, die Ausweisung des Hrn. Schapper zu vollstrecken oder zurückzunehmen. Ein Mitglied der Kommission glaubte Hrn. Geiger dahin verstanden zu haben, daß die Ausweisung des Hrn. Schapper vom Ministerium ausgegangen sei, worauf Hr. Geiger mit Extase der Kommission heiligst und theuer auf sein Ehrenwort versicherte, daß er es sei, welcher die Initiative dieser Maßregel ergriffen. Er berufe sich erstens auf seine speziellen Kenntnisse der Gesetze, da er früher Instruktionsrichter gewesen; das sei aber nicht der alleinige Grund; „ich glaube nicht allein als komm. Polizeidirektor, sondern auch der Vernunft gemäß gehandelt zu haben: ich habe als ich gehandelt.“ Er wisse recht wohl, setzte er hinzu, daß alle seine Worte von der Neuen Rheinischen Zeitung wiedergegeben und eigens aufgefaßt würden, aber das sei ihm einerlei: „ich habe als ich gehandelt.“ Ein anderes Mitglied der Kommission bemerkte ihm, daß wenn der Herr Geiger als ich gehandelt habe, sei dieses Ich doch kein anderes als das Ich des komm. Polizeidirektors, und dieses Ich könne allerdings der Vernunft gemäß sein. Aber der Arbeiterverein habe ebenfalls ein Ich, das sei das Ich von 6000 Arbeitern, und dieses Ich mag ebensoviel gelten als das Ich des Hrn. Geiger und ebenfalls der Vernunft gemäß sein. Der Arbeiterverein protestire gegen eine Maßregel, die allen bestehenden Gesetzen und der Frankfurter Nationalversammlung entgegen sei. Das erste Mitglied der Kommission verlangte, daß Hr. Geiger wenigstens die Maßregel desavouire; Hr. Geiger weigerte sich, und gab der Kommission die Versicherung, daß bis zur Antwort des Ministers von seiner Seite Hr. Schapper ruhig in Köln bleiben könne. In welchem Sinne der Bericht des Hrn. Geiger abgefaßt sei, darüber wurde ebenfalls alle Erklärung verweigert. Hat Herr Geiger andere Beschlüsse gefaßt als Herr Gagern, und ist ein Nassauer kein deutscher Bürger, dem es zusteht, sich in jedem der 34 deutschen Vaterländer niederzulassen? !!! Frankfurt, 21. Aug. 63. Sitzung der Nationalversammlung. Beginn um 9 1/2 Uhr. Präsident: v. Gagern. Der Präsident verliest eine Anzeige des Ministerpräsidenten Fürst Leiningen, wonach sämmtliche vorliegenden Interpellationen von den betreffenden Ministern bis Freitag den 25. Aug. beantwortet werden sollen. ‒ Die Minister, deren gänzliche Abwesenheit aus der Versammlung bereits mehrfach mißliebig bemerkt war, sind diesmal fast alle gegenwärtig. Minister des Aeußeren Heckscher zeigt die von der provisor Centralgewalt bis dato ernannten Gesandten an. Siehe die gestrige Zeitung, Nachtrag. Nach Petersburg war Lychnowski in Vorschlag, aber Leiningen soll erklärt haben: in Petersburg dürfen wir uns nicht blamiren. Sämmtliche Gesandte sind gleichmäßig instruirt, die Ernennung des Reichsverwesers zu notifiziren, und die Verkünder einer gerechten, friedliebenden, aber festen Politik zu sein. Italien betreffend, theilt der Herr Minister mit, man habe entsprechende Maßregeln getroffen, uns (Deutschland?) die nöthige Theilnahme an den Friedens-Unterhandlungen zu sichern. Dänemark betreffend; von Seiten der prov. Central-Gewalt ist der Unterstaatssekretär Max von Gagern nach Rendsburg gegangen, um Verhandlungen anzuknüpfen. ‒ Der Minister des Innern Schmerling. Von Hannover aus ist durch den an die provisorische Centralgewalt abgeschickten Bevollmächtigten von Bothmar, in Folge der bekannten Note, eine höchst befriedigende Erklärung abgegeben worden, wonach die provisorische Centralgewalt von Hannover unumwunden anerkannt wird. ‒ Herr Schmerling giebt ferner einen kurzen Bericht über die bisherigen Bestrebungen zur Gründung einer Kriegsmarine. ‒ Bis jetzt besteht sie aus 2 Segel-, 3 Dampf-Schiffen und einem Kanonenboot Namens St. Paul, welches letztere durch die Mittel der Bewohner der Hamburger Vorstadt St. Paul gegründet worden. Nr. 3. Der Kriegsminister Peucker deklamirt in einer wohleinstudirten Rede von der Erhöhung der deutschen Streitkräfte. Es wird hier in Frankfurt ein Congreß deutscher Offiziere zusammen kommen, welche über die neue deutsche Heerverfassung berathen werden. Nr. 4. Der Finanz-Minister von Beckerath wird nächster Tage eine Vorlage über den Zustand und die zukünftige Einrichtung des deutschen Finanzwesens machen. Nach einer Interpellation Eisenmanns an den Minister des Inneren wegen der deutschen Farben und der Verhältnisse Oestreichs zu Deutschland, die später drankommen wird, und einigen Mittheilungen von Beiträgen zur deutschen Flotte geht man zur Tagesordnung über. Tagesordnung: Bericht des Verfassungsausschusses über die Anträge, die Berathung der Grundrechte betreffend. Es haben die Herren Eisenmann, Schoder, Vischer, Jacobi und Kuenza Anträge gestellt. Diese Anträge bezwecken theils: die Beschleunigung der Berathung und Abstimmung über den Entwurf der Grundrechte und über die zu diesem Entwurf übergebenen Veränderungs- und Unteranträge, theils: Abänderungen in der Reihenfolge der zur Berathung vorliegenden einzelnen Artikel der Grundrechte. Nach einer Debatte an der Vischer, Reinhardt aus Mecklenburg und Lychnowski sich betheiligt haben, wird der Ruf nach Schluß laut und die Versammlung geht zur Tagesordnung über. Jetzt geräth man in Verlegenheit. Man hat nämlich nicht geglaubt, mit dieser Berathung so schnell fertig zu werden, und auf der gedruckten Tagesordnung steht nichts weiter. Es ist aber noch sehr früh und man kann unmöglich jetzt die Sitzung schließen. Der Präsident will die Discussion über Artikel 3 und 4 eröffnen. Vogt. Auf der Tagesordnung steht kein Wort von der Discussion der Artikel 3 und 4 der Grundrechte. Ich protestire gegen dieselbe und gegen die Einschreibung der Redner, die man so eben vorgenommen hat. N. N. Vogts Bedenken sei formell gegründet, um aber nicht den Tag zu verlieren, solle man eine halbe Stunde pausiren und dann die Verhandlung über die Grundrechte fortsetzen. Gagern. Die gedruckte Tagesordnung geht mich nichts an. Ich habe zum Schluß der letzten Sitzung verkündet, daß nach der Berathung über die Vischerschen Anträge in den Grundrechten fortgefahren wird und dabei bleibt es. (Punktum.) Bassermann. Es wird wohl heute noch nicht zur Abstimmung kommen. Man solle nur heute über Artikel 3 (das Declamatorium) beginnen. N. N. citirt einen Paragraphen der Geschäftsordnung, wonach fortgefahren werden muß. Moritz Mohl (Schluß! Schluß!) für Vogt's Ansicht. Wernher von Nierstein deklamirt unter muthwilliger Freude und fortwährendem Schlußgeschrei:, es muß fortgefahren werden.“ Gagern spricht auch noch einige empfehlende Worte, worauf, ohne daß die Versammlung entschieden hat, zur Berathung des Artikels III. übergegangen wird. Dieser lautet: §. 11. Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. §. 12. Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Uebung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen. §. 13. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. ‒ Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinen Abbruch thun. § 14. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. [Minoritäts-Erachten. Die bestehenden und die neu sich bildenden Religionsgesellschaften sind als solche unabhängig von der Staatsgewalt; sie ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig. (Lasaulx, Deiters, Lichnowsky, Jürgens, M. v. Gagern.) Die bestehenden und die neu sich bildenden Religionsgesellschaften sind als solche unabhängig von der Staatsgewalt; sie ordnen und verwalten ihre inneren Angelegenheiten selbstständig. (v. Beckerath, R. Mohl, Ahrens.) Jede Religionsgesellschaft ist berechtigt, ihre inneren Angelegenheiten unabhängig vom Staate selbst zu ordnen und zu verwalten. Die Bestellung von Kirchenbeamten bedarf keiner Bestätigung von Seiten des Staats. Das Kirchenpatronat ist aufgehoben. (Wigard, Blum, Simon, Schüler.) Keine Religionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat. Es besteht fernerhin keine Staatskirche. (Wigard, Blum, Simon, Schüler.)] §. 15. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. §. 16. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilaktes abhängig; die kirchliche Trauung kann erst nach der Vollziehung des Civilaktes stattfinden. Weißenborn, Professor aus Weimar, eröffnet diese Debatte, deren Ende, da deutsche Schulmeister und Pastoren sie führen, unabsehlich ist. Nach einer langen Rede erklärt er an die Spitze des Artikels den Satz stellen zu wollen: „Die Kirche ist unabhängig vom Staat.“ Nach einem andern Redner, der sich in demselben Sinne ausgesprochen hat, kommt Biedermann aus Leipzig: Der Begriff des christlich-germanischen Staates hat in der neuen Zeit besonders Anlaß zu Mißbräuchen gegeben. Der einfache Begriff des Staates und der Kirche weist darauf hin, daß beide getrennt sein müssen. Für den Einfluß des Staats auf die Ernennung der Geistlichen liegt kein Grund vor. Dem Staate muß zurückgegeben werden, was unter seine Einrichtungen gehört z. B. die Ehe u. A. m. Der Kirche muß außer Glaubens- und Gewissensfreiheit die Bildung von Religionsgesellschaften und deren Verwaltung zustehen. Dem Staat wird die Schule, die er bis jetzt in sehr unklarer Verbindung mit der Kirche besaß, zurückgegeben werden müssen. Ich empfehle Ihnen, „erkennen Sie das Prinzip einer vollkommenen Theilung an.“ (Bravo im Centrum und Rechts.) Pauer, Oberlehrer aus Neisse: Um aufs Kürzeste das Verhältniß zwischen Kirche und Staat zu ermitteln, ist es das Beste auf den Lauf der Jahrhunderte zurückzublicken. Der Redner blickt zurück. Nachdem er vom Lauf der Jahrhunderte bei uns wieder angekommen ist, sagt er: „Wenn die Kirche sich feierlich nur für eine Gesellschaft der Gläubigen erklären und an ihrem innern Leben festhalten wollte, würde ich für unbedingte Trennung sein. Wo sie aber die Grenzen des innern religiösen Lebens überschreitet, da tritt die Berechtigung des Staates ein. Der Staat aber soll nie zur religiösen Ueberzeugung bestimmen, nie eine Konfession für die von ihm wesentlich anerkannte erklären, sonst wird er zu einem Institut des Unrechts. Und dagegen vorzüglich müssen wir auf der Hut sein. Jordan aus Marburg: Es handelt sich darum, zwei Köpfe von einander zu trennen, die bis jetzt im Konflikt mit einander waren. So lange zwei Gewalten im Staate neben oder unter einander bestehen, wird kein Friede sein. (Bravo links.) Unter Kirche, wie sie bisher, verstehe ich eine äußere Gewalt, die da wacht über die Reinheit des Glaubens, verstehe ich die Klerisei; die übrigen sind die Schaafe, das ist das Verhältniß. (Bravo.) Bei den Protestanten ist es ebenso Es gibt noch viele Eiferer, die gerne Scheiterhaufen errichten möchten, für die so andern Glaubens sind. Ich spreche mich aus, wie ich denke. Die einzig äußere Gewalt ist der Staat, neben ihr keine andern Götter weiter. Hier ist deßhalb von keiner Trennung die Rede. Der Staat hat nur seine Gewalt von der Kirche wieder zu erringen. Die Bischöfe pflegten zu sagen: sie stehen höher wie die Fürsten, weil sie Rechenschaft für das Wirken derselben dort Oben geben müßten. Gut, daß dies nur ein Wort ist, diese Rechenschaft würde etwas schwierig werden. (Heiteres Gelächter.) Die Kirche muß übergehen in die Religionsgenossenschaft. Man wird dies Indifferentismus nennen. Der Redner ergeht sich in einigen Lächerlichkeiten einiger Lehrer und Geistlichen. In der katholischen Kirche ist das Denken verpönt. Das Kirchengehen ist Gewohnheitssache; man geht hin um ein neues Kleid zu zeigen u. s. w. (einige heilige Männer im Centrum unterbrechen ihn; links, furchtbares Geschrei: Ruhe!) Die Kirchengewalt als solche, muß untergehen, muß in der Staatsgewalt aufgehen. (Furchtbares Bravo links, eines Theils der Centren und der Gallerien.) Plathner aus Halberstadt (der Duellant): Niemand darf seiner religiösen Ueberzeugung wegen zur Verantwortung gezogen werden. Einigt sich zum Theil mit den Ausschußanträgen, zum Theil stellt er eigene Amendements, wovon später. Ein Unbekannter. Wir würden in die größten Konflikte gerathen, sollten wir den Staat auf demokratischen Grundsätzen basiren und die Kirche in ihrer alten Einrichtung bestehen lassen. Will für die protestantische Kirche auch eine Centralgewalt, (so eine Art protestantischen Pabst). Welcker (der neue schwedische Gesandte) für die Ausschußanträge und gegen alle Amendements. Soll die Kirche etwa das Höchste auch in weltlicher Hinsicht sein? Soll das Mittelalter wiederkehren? (polternd und deklamirend) Wollen Sie durch die Grundrechte des deutschen Volks uns die Jesuiten zurückführen? Wollen Sie u. s. w. (woran kein Mensch denkt). Entweder nehmen Sie die einfachen Paragraphen des Ausschusses an, oder setzen Sie ein ganzes Staatskirchenrecht an dessen Stelle. Vogel, Dekan aus Dillingen, donnert und wettert im höchsten Predigertone gegen (?) Sylvester Jordans frivole Ansichten von der katholischen Kirche. „Nicht denken solle man,“ hätte Jordan gesagt. Wie kann man die Wahrheiten der christlichen Religion in sich aufnehmen ohne zu denken? „Die Kirche sei die Klerisei“ hätte Jordan gesagt; damit meine er wohl die dicken geistlichen Herren? Das ist aber nicht die Kirche (vergnügte Aufregung). Auch ich bin für völlige Unabhängigkeit der Kirche ebenso wie des Staates. Auch ich will wie Hr. Welcker, eine schöne Wechselwirkung zwischen Kirche und Staat. Das Amalgamiren zwischen Kirche und Staat unterdrückt die religiöse und politische Freiheit. In allen bürgerlichen Verhältnissen muß die Kirche unter dem Staat stehen, aber wenn der Staat sich in die innern Angelegenheiten der Kirche mischen will, da muß man sagen: „Nein, Gott ist höher zu achten als die Menschen.“ Tafel (Zweibrücken) und Dieringer (aus Bonn) sprechen noch, letzterer zu häufiger Vergnüglichkeit der Horer, worauf die Debatte bis morgen vertagt wird. Am Schluß (halb 3 Uhr) vernichtet man man die Liste der heute eingeschriebenen Redner, und es schreiben sich unter großem Getümmel eine Masse neue Redner auf morgen ein. Erwarten Sie also morgen eine weitere lebhafte Debatte über Artikel 3. 103 Berlin, 21. August. Die gestrigen Vorfälle in Charlottenburg haben die Gemüther sehr aufgeregt und selbst unsere Bourgeoisie um so mehr empört über solche brutale Gewalt, als sich herausstellt, daß die dortigen Beamten und Behörden den Pöbel zu den Gewaltmaßregeln aufgereizt und sogar dafür bezahl haben. ‒ Nachdem der demokratische Klub durch Lumpenproletarier, welche vom Superintendent und vom Gerichtsrath 10 Sgr. per Mann dafür bekommen hatten, auseinandergesprengt war, wurde der Pöbel, worunter sich übrigens viel Bürgerwehrmänner befanden, aufgemuntert, in die Häuser der Demokraten zu dringen, dieselben herauszuschleppen und Lynchjustitz an ihnen zu üben. Man drang in 8 verschiedene Häuser und schleppte unter Andern Bruno Bauer mit seinem Bruder Egbert aus des Letztern Haus, an den Haaren zur Treppe herunter auf die Straße, wo man sie förmlich Spießruthen laufen ließ. Der Polizei-Kommissar stand dabei und lächelte; der Bürgermeister sagte; „schlagen könnt ihr so viel ihr wollt, schlagt nur keinen todt!“ ‒ Der Major der Bürgerwehr, ein Freund Bauers, gab dem Hauptmann Befehl die Bürgerwehr zum Schutz der Mißhandelten zusammenzurufen, aber der Hauptmann ignorirte den Befehl und nur ein Bürgerwehrmann fand sich endlich ein, der Bauer in das Gemeinde-Schulhaus gefangen setzte, um ihn den Händen des Pöbels, unter denen er sich wohl über eine halbe Stunde befand, zu entreißen. Der Pöbel glaubte sich so im Rechte, daß er darauf bestand alle Mitglieder des demokratischen Klubs müßten arretirt werden und holte noch acht Personen mit Gewalt aus ihren Wohnungen, um sie in's Schulhaus zu bringen. Andere Demokraten entflohen nach Berlin, wo sie in den Sitzungssaal des eben versammelten demokratischen Kreis-Kongresses der Mark Brandenburg eilten, um über diese Schreckenherrschaft Bericht zu erstatten. Der Kongreß sandte sofort eine Deputation, an deren Spitze der Abgeordnete Schramm, Präsident des demokratischen Klubs, zu dem Minister Kühlwetter, den man jedoch nicht in seinem Hotel antraf, da es Sonntag Nachmittag war. Auch den Minister-Präsidenten Auerswald traf die Deputation nicht an, auf dem Rückweg aber begegnete sie zufällig dem Minister des Innern, Kühlwetter, an der Wilhelmsstraße und ging mit demselben in das in der Nähe liegende Hotel Auerswald hinein, um ihm von den Charlottenburger Exzessen Bericht zu geben und um sofortige Ergreifung von Maßregeln zum Schutze des Lebens und des Eigenthums der Charlottenburger Demokraten aufzufordern. Auch verlangte Herr Schramm die sofortige Verhaftung der Aufrührer und die Einleitung einer Untersuchung. Als der Minister nicht sogleich hierauf eingehen wollte, indem er meinte, die Charlottenburger Bürgerwehr und die Ortsobrigkeit werde schon für Alles sorgen, wurde ihm auseinandergesetzt, daß diese eben die am meisten Gravirten seien und daß man umsomehr auf sofortige Verhaftung der Schuldigen bestehen müsse, als bisher den Reaktionären alles zu thun freistand, während man die Demokraten bei der geringsten Kleinigkeit verhaftete. Als man auch noch andeutete, daß die Bevölkerung Berlins, im Falle nichts von Seiten des Ministers geschähe, selbst nach Charlottenburg ziehen würde, um Rache an den dortigen Einwohnern auch noch für die früheren Exzesse zu nehmen, gab Herr Kühlwetter nach und versprach sogleich einen Kommissar aus seinem Ministerium zur Untersuchung der Vorfälle abzusenden, und ihn von einem Kommissar aus dem Kriegs-Ministerium begleiten zu lassen, damit derselbe das dortige Militär zum Schutze der Ordnung requiriren könne. ‒ Da sich der Pöbel gegen Abend beruhigte, so hat man von der Thätigkeit dieser Kommissarien noch nichts erfahren, jedenfalls wird aber eine strenge Untersuchung vom Minister erwartet. ‒ Bruno und Egbert Bauer kamen gestern Abend noch hier an, da sie ihr Leben in Charlottenburg nicht für sicher hielten. Die Scenen, die dort im Laufe des gestrigen Tages vorgefallen waren, sind ganz des märkischen Pöbels würdig. Einem armen Manne wurden die Füße zerschlagen, so daß ihm der eine jedenfalls wird abgenommen werden müssen. Die Gebrüder Bauer selbst waren mit Wunden bedeckt und in ihrer Wohnung vieles zerstört. ‒ Man erzählt sich, daß viele Arbeiter sich heute Abend versammeln wollen, um nach Charlottenburg zu ziehen, um die Charlottenburger zu bestrafen. Berlin ist in der größten Gährung. Diese Aufregung wurde heute noch dadurch vermehrt, daß sich mehrere hundert Arbeiter, welche größtentheils vom Magistrat aus ihrer bisherigen Arbeit entlassen wurden, vor dem Hotel des Ministers für Arbeit, Herrn Milde, versammelten und Arbeit verlangten. Aber es wurde Niemand in's Ministerium eingelassen, vielmehr das feingesittete Institut der Schutzmannschaften zusammengerufen, welche diese unerlaubten Attroupements vor dem Hause des Ministers zerstreuen sollten. Die Arbeiter weigerten sich den Platz zu räumen und es kam, da die Konstabler Gewalt brauchten, an einzelnen Orten zu Thätlichkeiten. Mehrere Verhaftungen haben stattgefunden. Die Vereinbarer-Versammlung wird in Folge des guten Rathes, den sie bei Gelegenheit der Debatte über die Schutzmannschaften von dem Abgeordneten Rodbertus erhielt, dem vorjährigen vereinigten Landtag nachahmen und die Zwangsanleihe nicht eher bewilligen, bis die Verfassung mit dem Könige vereinbart und das Budget von der Versammlung genehmigt ist. So hat die Central-Abtheilung beschlossen. Herr Held veröffentlicht in der Lokomotive „die enthüllte Instruktion der Berliner Schutzmannschaft“. Man weiß wie viele nutzlose Mühe man sich gegeben hat, die Regierung zur Veröffentlichung der Instruktion der Schutzmannschaft zu vermögen. Jetzt, da es uns gelungen ist, dieser so geheim gehaltenen Instruktion habhaft zu werden, wird man leicht ersehen, aus welchen Gründen man sie so geheim hielt. Denn namentlich aus den §§. 19 und 26 wird man den Schluß ziehen können, daß es bei diesem gesegneten Institute darauf abgesehen ist, die Bevölkerung Berlins unter beständiger, der heiligen Hermandad würdiger Polizei-Aufsicht zu halten. ‒ Die Instruktion lautet folgendermaßen: §. 1. Die Schutzmänner sind ihren Vorgesetzten, den Wachtmeistern, Lieutenants, Hauptleuten, dem Obersten und dem königl. Polizei-Präsidio in Dienstsachen unbedingten Gehorsam schuldig. §. 2. Dieselben sollen ein anständiges, nüchternes Leben führen; Trunkenheit außer Dienst wird mit Ordnungsstrafen, Trunkenheit im Dienste mit sofortiger Entlassung geahndet. §. 3. Der Besuch von Wirthshäusern in den Freistunden ist möglichst zu beschränken; während den Dienststunden ist solcher unbedingt verboten, es sei denn, daß eine dienstliche Veranlassung dazu vorliegt; in diesem Falle darf der Schutzmann aber in dem Wirthshause nichts verzehren und muß dasselbe nach Beendigung seines Geschäfts sofort wieder verlassen. §. 9. Der Schutzmann muß Courage haben: wer sich feig zeigt, dem wird der Dienst gekündigt. §. 11. Jeder Schutzmann soll sich mit den hier gültigen Po

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 84. Köln, 24. August 1848, S. 0427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz084_1848/1>, abgerufen am 24.11.2024.