Neue Rheinische Zeitung. Nr. 74. Köln, 13. August 1848.Abreise ihres schönen Wasserpolaken zu einer wahren Tragödie hinabgetrauert war. Man kann sich leicht denken, wie sehr der edle Ritter nach der Heimath verlangte, nach Berlin, wo man seiner so liebend gedachte, wo er so gut angeschrieben stand bei Zeus Kronion, bei den Offizieren der Garde, bei seinem Juwelier und bei seiner Tänzerin. Doch nicht unangefochten sollte er zu der letztern zurückkehren, denn sieh, die Enkelin Heinrich Heine's, die liebliche Tochter Atta Troll's, des Bären, verliebte sich in den göttergleichen Schnapphahnski, wie uns der Dichter selbst erzählt in seinem Werke, das bei Hoffmann und Campe erschienen, in Hamburg, im Jahre des Herrn 47. In der Höhle, bei seinen Jungen, liegt nämlich Atta Troll, der Bär, und er schläft: "Mit dem Schnarchen des Gerechten; Endlich wacht er gähnend auf; Neben ihm hockt Junker Einohr, Und er kratzt sich an dem Kopfe Wie ein Dichter, der den Reim sucht; Auch scandirt er an den Tatzen. Gleichfalls an des Vaters Seite, Liegen träumend auf dem Rücken, Unschuldrein, vierfüß'ge Liljen, Atta Troll's geliebte Töchter. - Ganz besonders scheint die Jüngste Tiefbewegt. In ihrem Herzen Fühlt sie schon ein sel'ges Jucken, Ahndet sie die Macht Cupido's. Ja, der Pfeil des kleinen Gottes Ist ihr durch den Pelz gedrungen, Als sie ihn erblickt - o Himmel, Den sie liebt, der ist ein Mensch! Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski." - Da haben wir's! Es geht nun einmal nicht anders; wir treffen den edlen Ritter immer bei der Liebe. Er verfolgt sie und sie verfolgt ihn. Von der Gräfin S. und der Gräfin O. gerieth er auf Carlotta; von Carlotta auf die Tänzerin; von der Tänzerin auf die Bärin! O, es ist kein Wunder, daß alle Berliner und Frankfurter Damen heut zu Tage in Herrn von Schnapphahnski vernarrt sind, da sogar einst eine Bärin vor dem prächtigen Barte des Ritters anbetend zusammensank. O, diese Bärin hatte einen scharfen Blick, eine gute Schnauze! Sie schnüffelte es schon vor Jahren, sie roch es schon zu Don Carlos Zeiten, daß unser Ritter einst ein gewaltiger Redner, ein großer Staatsmann werden würde und schwärmerische Blicke richtete sie nach dem herrlichen Manne - die zarte B[#]r[#]nl[#]ie. - - "Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski. Auf der großen Retirade Kam er ihr vorbeigelaufen Eines Morgens im Gebirge. Heldenunglück rührt die Weiber, Und im Antlitz unsres Helden Lag, wie immer, der Finanznoth Blasse Wehmuth, düstre Sorge Kann man sich wichtigere Aufschlüsse über die Rückkehr unseres Helden denken? Auf der Retirade sehen wir ihn laufend im Gebirge. Wunderbarer Anblick! Aecht spanischer Landstraßendreck spritzte ihm hinauf in den unsterblichen Bart, seine Augen funkeln verdächtig, seine Kniee schlottern. Der kühne Ritter gle[#]ht durchaus dem Manne, der einst in O. in Schlesien vor dem Grafen S. ausriß, nach verlorener Liebesschlacht. "Heldenunglück rührt die Weiber. - Die Bärin seufzt vor Liebe, daß ihr die Schnauze zittert. Die Tochter Atta Troll's ist außer sich vor brennender Zuneigung - doch nicht der landstraßendreckbespritzte Bart, nicht das funkelnde Auge, nicht das schlotternde Kniee ist es, was sie wimmern und schmachten läßt, nein, die Blässe des um bertroffenen Ritters rührt sie vor allen Dingen, ja, die Blässe, die interessante [#] - kann es etwas bezeichnenderes geben? Unsere Verwunderung erreicht indeß erst ihren Gipfel, als wir sogar die Natur dieser Blässe, den tiefern Grund dieser herzbethörenden Kouleure angegeben finden. Bisher glaubten wir, der Ritter sei nur blaß aus Liebe, aus Furcht, aus Aerger, der Mode wegen - aber wie irrten wir uns! es ist die Blässe der Finanznoth - ein neues Licht geht über dem Leben Schnapphahnski's auf; der Ritter ist blaß vor Schulden - armer Ritter! "Seine ganze Kriegeskasse, Zwei und zwanzig Silbergroschen, Die er mitgebracht nach Spanien, Ward die Beute Espartero's." So etwas ist hart - zwei und zwanzig Silbergroschen - das ist bitter! "Nicht einmal die Uhr gerettet! Blieb zurück zu Pampeluna In dem Leihhaus. War ein Erbstück Kostbar und von ächtem Silber." Das Schicksal unseres Helden wird immer lanzknechtartiger. Die Uhr der Familie Schnapphahnski im Leihhause von Pampeluna! das ist tragisch, das ist rührend. Das Nürenberger Ei, das vom Uhrgroßvater Schnapphahnski, von dem alten ehrwürdigen Wasserpolacken auf den galanten Sohn vererbt wurde: der galante, frivole Sohn hat dieses Erbstück versetzt im Leihhause von Pampeluna, vielleicht ohne einmal zu erröthen, ohne Herzklopfen, ohne schüchternes Hin- und Herschauen als er die Pforte des Lombard durchschritt und ohne verlegen zu stottern, als er dem Pfand-Kommissär sein Anliegen vortrug. "Wie viel Uhr haben Sie?" fragte bisweilen ein Mauleseltreiber des Gebirges und mit Pathos erwiederte dann Se. Hochgeboren: "Bemühe er sich in das Leihhaus von Pampeluna, werther Freund, dort wird er ein Erbstück finden, kostbar und von ächtem Silber, dort wird er das Nürenberger Ei der Familie Schnapphahnski antreffen, das ihm Zeit und Stunde so genau verkünden wird wie jene berühmte Uhr des morgenländischen Kalifen, die einst Charlemagne zum Geschenk erhielt, [Deutschland]
[Fortsetzung] giebt sich mit zwei Adjutanten, dem Dulder Jucho und dem ehemaligen konfiscirten Buchhändler Biedermann, als Konstabler auf eine Seite der Gallerien und führt die Anwesenden einzeln an dem Rockkragen zur Thür hinaus. Der sinnige Patriot Hiobus Venedey winkt von unten den übrigen Gallerien zu, sich friedfertig zu entfernen, und erhält frivoles Grimassen zur Antwort. Die Journalisten fordern vergebens, bleiben zu durfen, und der französische Bevollmächtigte, der sich in gleichem Verlangen an den Präsidenten wendet, erhält von dem gemüthlichen Statthalter Soiron den Bescheid, daß es "Wurst" sei, ob er Gesandter sei: Alles müsse hinaus. Als die Räume vollständig von Zuhörern geleert sind, wird die Paulskirche von Linientruppen und Bürgerwehr umstellt. Der §. 14 der Geschäftsordnung gesteht dem Präsidenten das Recht zu, "im Falle von Ordnungsstörungen die Sitzungen zu suspendiren, einzelne Ruhestörer zu entfernen und äußersten Falles die Gallerie räumen zu lassen." Eine vertrauliche Sitzung muß nach §. 17 im Antrag von 50 Mitgliedern unterstützt und von 2/3 der Versammlung angenommen werden. Das Ordnungsgeschäft der Majorität steht indeß höher als die Geschäftsordnung. Herr Robert Mohl deducirt, daß die Sitzung keine geheime sei, weil die "stenographischen Berichte" (die bekanntlich von jedem Redner und den Präsidenten nach Gutdünken korrigirt werden können, und im vorliegenden Falle auch bereits die erbaulichsten Entstellungen zu Gunsten der Rechten aufweisen) später "publizirt" würden. Der Präsident erklärt mit salbungsvoller Unparteilichkeit, daß er "gern den Willen der Mehrheit (Sokratesloge) erfüllen möge", und läßt darüber abstimmen, ob sich die bekannte "Mehrheit" an die Geschäftsordnung zu binden wünsche. Die geheime Sitzung geht unter dem Schutz der Bajonette fort. Die "Mehrheit" beschließt alle Diskussion abzubrechen und sofort zur Abstimmung zu schreiten; Hr. Soiron versucht mehre Anträge, wie den vermittelnden des Herrn Uhland zu unterschlagen, die Linke verläßt den Saal, und die Amnestie wird mit 317 gegen 90 Stimmen verworfen, wobei sich mehrere Mitglieder des rechten Centrums (darunter sogar die beiden Gagern) der Abstimmung enthalten, weil auch die Fragestellung im Sinn der äußersten Rechten eskamotirt worden ist. Gegen die Amnestie stimmen von Rheinländern und Westphalen u. A. die wohlbekannten Herren Adams aus Koblenz, Arndt, Beckerath, Blömer, Böcking aus Trarbach, Bresgen, Bürgers aus Köln, Clemens, Compes aus Köln, Dahlmann, Deiters, Dieringer, Leue, Bischof Müller, Pagenstecher, Reichensperger, Stedtmann aus Koblenz, Werner aus Koblenz, Wiedermann; von Andern noch Hr. Behr aus Bamberg, ferner der "grobe Bettler Vater Jahn", Herr Jakob Grimm, der als abgesetzter Professor von den Unterstützungen der "Liberalen" lebte, der Dulder Jucho aus Frankfurt und der ci-devant jungdeutsche Verfolgte und Hofnarr des Fürsten Pückler: Heinrich Laube. Dies war das Verfahren, mit welchem die Volksvertreter in Frankfurt die Anträge beseitigten, die politischen Verfolgungen der wiedererwachten Reaktion in allen deutschen Staaten von den Schultern des Volks zu nehmen. Welche erhabenen Wirkungen aus kleinen Ursachen! Ein Abgeordneter stellt die gesegneten Kartätschen des Prinzen von Preußen den unheilvollen Sensen und Mistgabeln der badischen Republikaner gegenüber, und die Versammlung, in welcher kürzlich ein Minister, der weimarische Thersites Wydenbrugk, den König von Hannover einen Rebellen genannt hat, geräth plötzlich in Veitstänze. Ritter Vincke und Graf Wartensleben fordern den Abgeordneten in der Sitzung auf Pistolen, und unterschreiben überdies noch den Antrag auf Ordnungsruf gegen ihn; Herr Plathner und Herr Kerst aus Posen gehen zu Thätlichkeiten über; Ex-Fürst Lychnowsky ermannt sich am andern Tage zu einer Forderung auf Säbel; Herr Soiron holt sich am Abend in einer Parteisitzung Instruktion, die er in der Sitzung abliest; eine geheime Sitzung mit Militärmacht wird vorbereitet und die unbequeme Amnestiefrage im Dunkel rasch über's Knie gebrochen. Wer kann noch sagen, daß der Prinz von Preußen nicht der Rettungsanker der aus Professoren, rheinischen Ultramontanen, verkommenen Liberalen und pauklustigen Junkern bestehenden Majorität des - deutschen Volkes sei? Herr Brentano erklärt in seiner Antwort gegen den Ordnungsruf von der Rednerbühne sogar, daß eine Partei in Potsdam den Prinzen von Preußen mit Beseitigung des Königs auf den Thron zu bringen suche, und wir können hinzufügen, daß diese Nachricht aus derselben Quelle kömmt, welche das geheime Lepel'sche Memoria in die Oeffentlichkeit brachte. Die Rechte hat ihr "Uebergewicht" gebraucht, um nach der Verabredung mit dem wackern Herrn Soiron der Linken eine demüthigende Züchtigung zu ertheilen; wir finden nichts Ueberraschendes darin. Die Linke hat allen Insolenzen ihrer Widersacher, allen Gewaltthätigkeiten des Herrn Soiron gegenüber keine andere Genugthuung erhalten, als daß die stenographischen Berichte verfälscht wurden; wir wundern uns eben so wenig darüber, wir kennen diese Linke, welche mit Ausnahme von Schlöffel, Schmidt aus Schlesien und zwei oder drei andern Männern, nur durch die Eitelkeit parlamentarischer Schwätzerei an diese Versammlung gefesselt wird und in einem demokratischen Konvent die äußerste Rechte ausfüllen würde. Steht nicht die Linke durch das Faktum ihrer Wahl "über" dem Volk? Wir rathen dem "edlen Gagern" und seiner Rechten, eine Strafanstalt, ein Carcer u. dgl. zu votiren, um bei vorkommenden Fällen nach "Willen der Mehrheit" auch die Linke durch die Konstabler Jucho, Biedermann, Soiron abführen zu können. * Köln, 12. Aug. Die "demokratische Gesellschaft" von Köln hat folgenden Protest bei der Nationalversammlung eingelegt: Hohe Nationalversammlung! Die demokratische Gesellschaft zu Köln, in Erwägung: 1. daß das im Freiheitskampf begriffene Deutschland andere Nationalitäten nicht unterdrücken, sondern in ihrem Streben nach Freiheit und Selbstständigkeit fördern will; beschließt in ihrer heutigen Sitzung: gegen den von der deutschen Nationalversammlung am 27. Juli c., bezüglich des Großherzogthums Posen gefaßten Beschluß feierlich zu protestiren und vor Deutschland, Polen und ganz Europa gegen diese lediglich zum Vortheil der reaktionären Partei in Preußen, Rußland und Oestreich beliebte Einverleibung hiermit energische Verwahrung einzulegen. Die demokratische Gesellschaft. Im Auftrage: Das Comite. * Köln, 12. August. Die interessanten Beziehungen unserer Zeitung zu dem öffentlichen Ministerium nehmen noch immer ihren Fortgang. Gestern war wieder einer unserer Redakteure, Ernst Dronke, als Zeuge vor den Instruktionsrichter geladen. Eine eidliche Vernehmung fand nicht Statt, da eine Denunciation vorlag, daß Dronke am Abend nach der Verhaftung Anneke's bei dessen Frau gewesen und dort Notizen über die Verhaftung gesammelt habe. Auf die Frage des Zeugen, gegen wen die Anklage gerichtet sei, wurde die Bezeichnung "Marx und Genossen" dahin erläutert, daß man den verantwortlichen Geranten Korff nur eventuell, den Redakteur en chef, Karl Marx, dagegen als muthmaßlichen Verfasser des inkriminirten Artikels zur Verantwortung zu ziehen wünsche. - Dronke erklärte übrigens, daß er sich nicht verpflichtet halte, die Wahrheit zu sagen, da er als Redakteur möglicher Weise bei der Autorschaft des Artikels complizirt sein könne, und nicht gegen sich selbst Zeugniß ablege. X Krefeld, 9. August. Am vergangenen Sonntage, den 6. August, hat unsere, in beiden Parlamenten auf der äußersten Rechten vertretene Stadt den Beweis geliefert, daß die Reaktion noch lange nicht den Boden gewonnen, von dem sie wirklich träumt, wenn sie die Leistungen ihrer Abgeordneten nach Berlin und Frankfurt, wenn sie in dem hiesigen sogenannten konstitutionellen Klub die patriotischen Bestrebungen der weiland Fortschrittsmänner überblickt: am vergangenen Sonntage wurde es klar, daß das demokratische Element in einer imposanten Bedeutsamkeit auch hier vom Volke vertreten ist, und daß die Reaktionäre weiter keine Frucht ihrer lichtscheuen Bemühungen geärntet, als daß sie durch ein ihrer würdiges Organ im Stande waren, die Bürgerwehr-Parade bei der Festfeier zu unterdrücken. - Wenn wir unseres noch aus dem ancien regime herstammenden Stadtrathes nicht besonders erwähnen, so geschieht es deshalb, weil wir ihn nicht in der Eingangs aufgestellten Kategorie ausgeschlossen haben. - Das Fest war in jeder Beziehung für unser Crefeld von großer Bedeutung, denn 1) haben wir gesehen, daß die bisher allmächtige Geldaristokratie die Zügel der Herrschaft verloren, daß 2) die politische Repräsentation der Stadt nur deßwegen einen so reaktionären Charakter zeigt, weil sie im Hinblick auf frühere Zeiten sich entweder durch den Phrasenschwall ihres Deputirten, oder die so wohlfeil erkaufte Märtyrerkrone unserer jetzt so zahmen Demokraten hat täuschen lassen; daß 3) die Bürger sich von ihrer Bedeutsamkeit überzeugt, und daß 4) die Männer erkannt werden konnten, welche unter Allen zuerst die Sache des Volkes und der Freiheit aus reinen Beweggründen verfochten haben. - Unsere Aristokratie hat, irregeführt durch ihre erbärmliche Prozentenpolitik, dem Feste durch ihre Theilnahmlosigkeit einen rein konsessionellen Charakter gegeben, nicht ahnend daß sie dadurch für die Zukunft alle Bedeutung verloren haben muß, da der Census nicht mehr der Hebel geblieben, durch welchen unsere Bourgeois auf die Rathsbänke und ihre Kreaturen auf die Deputirtensitze gehoben wurden. Die Bürgerwehr konnte als willenloses Werkzeug der Bourgeoisie, und von einem ihrer würdigen Kommandanten, Herrn Schnarr vertreten, natürlich ein demokratisches Fest nicht mit feiern. Ihr Kommandant ein ehemals preuß. Lieutenant, dann (wie natürlich) Regierungssekretair, gegenwärtig Special-Direktor bei einer Privat-Eisenbahn, fand es bei diesen Qualitäten und bei seiner Stellung als Landwehrhauptmann nicht vereinbar durch Mitwirkung der Bürgerwehr ein Fest zu verherrlichen welches nach seiner patriotischen Gedankentiefe eine reine Demon, stration (!!?) gegen den preußischen Staat sei, und dann erst statt finden dürfte, wenn ihm nachgewiesen würde daß die Divergenzen zwischen der Vereinbarer-Versammlung und dem Parlamente glücklich beseitigt, und von oben her die allerhöchste Sanktion gekommen sei. - Herr Schnarr hat mit dieser Erklärung sich an die Spitze der hiesigen Krämerwelt, von welcher er seiner Stellung nach abhängig ist, gestellt, und diesen Leuten aus der Seele gesprochen, weil sie vorgeben, daß in der Trikolore die Quelle aller Handels- und Industrie-Noth zu suchen sei. Wie wir vernommen haben, soll Herr etc. Schnarr in einem Anfalle von Gewissensbissen beschlossen haben, sein Kommando niederzulegen; es wäre im Interesse der großen, der heiligen Sache zu wünschen daß dies sofort geschähe. !!! Frankfurt, 10. August. 58. Sitzung der National-Versammlung. Die Tagesordnung lautet: 1) Berathung des Ausschußberichts, (erstattet von Wiedenmann), über die Prüfung der in dem Wahlbezirke Thiengen in Baden stattgehabten Wahl zur deutschen Nationalversammlung. Soiron erklärt, er habe vorgestern erst dann die Räumung der Gallerien beordert, nachdem er von derselben herab verhöhnt worden wäre. Zimmermann aus Spandau hat von dieser Verhöhnung sowie die ganze Linke nichts bemerkt. Uebrigens sei im Protokoll nicht bemerkt worden, daß Brentano thätlich beleidigt und gefordert worden. (Rechts Gelächter, Links Geschrei.) Gagern: Die Beleidigungen seien nach der Sitzung gefallen und gehören nicht ins Protokoll. Fürst Leiningen (Ministerpräsident) hält eine sehr bescheidene Antrittsrede. Freiheit, Einheit, Ruhm und Ehre Deutschlands hat er sich (wie gewöhnlich) zum Ziele genommen. Er bittet um Nachsicht. Er sei kein Mitglied der Versammlung, gewissermaßen ein Fremder, unternehme also ein großes Wagstück, besäße auch wenig Talent, aber ein deutsches Herz (natürlich Bravo) Gagern bringt die Dombauangelegenheit abermals zur Sprache, da er neue Einladungsschreiben aus Köln bekommen hat. Nach kurzer Debatte wird beschlossen, daß das Bureau eine Kommission niedersetzt um über die Art und Weise der Theilnahme am Feste zu berathen. Aus Regensburg sind 2967 fl zur deutschen Flotte eingegangen. Puttlitz und Pfitzer zeigen ihren Austritt aus der Versammlung an. Jetzt läßt Gagern eine Anklageschrift verlesen, worin in circa 8 Punkten dem Herrn v. Soiron nachgewiesen wird, daß er in der letzten Brentano'schen Angelegenheit mehrfache Verstöße gegen die Geschäftsordnung, Unterschlagung von Anträgen, Parteilichkeiten, sich hat zu Schulden kommen lassen, weßhalb die Unterzeichner der Schrift (fast die ganze Linke) darauf antragen, daß 1) die Nationalversammlung dem v. Soiron ihre Mißbilligung ausspreche; daß 2) das Produkt seines ungesetzlichen Verfahrens als null und nichtig angesehen, und daß 3) über die unterschlagenen Anträge ordnungsmäßig entschieden werde. Gagern verlangt, daß diese Schrift an den Ausschuß der Geschäftsordnung verwiesen, jetzt augenblicklich nicht darüber diskutirt werde. Soiron verlangt augenblickliche Diskussion und zeigt Löwenkraft zu seiner Vertheidigung. Schaffrath ist für Verweisung an den Ausschuß, für Druck und gründliche Prüfung der Anklageschrift. Vinke will über seinen und der 170 Abgeordneten gegen Brentano eingebenen Antrag sprechen. Da dies nicht an der Zeit, wird er von der Tribün gewiesen und behält sich das Wort für später vor. Rödern für Verweisung an den Ausschuß und genaue Prüfung der Anklageschrift. Vogt ebenfalls. Die etwaigen Vertheidiger des Hrn. v. Soiron müßten ja die Schrift genau lesen Soiron vom Platz: Er hätte keine Vertheidigung nöthig. Vogt: Da eine Anklage da sei, so handele er sich natürlich auch um eine Vertheidigung. Wernher von Nierstein (pathetisch unter furchtbarem Gelächter): Ich appellire an Ihren Patriotismus (paukt auf die Tribüne). Was wird die Welt sagen, wenn sich die Nationalversammlung in Untersuchungen von Persönlichkeiten einläßt. Stimmt für den Mantel (der Vergessenheit. Links, nein! Gelächter, ab!) Minister Heckscher spricht nicht als Minister, sondern als Abgeordneter. Rührt seine alte Angelegenheit mit Blum, die Aehnlichkeit mit der heutigen habe, auf. Erklärt sich im Allgemeinen gegen Gagern's Antrag. Plathner (der Duellant) wünscht Untersuchung. Er wird auf's Bestimmteste (Gelächter) nachweisen, daß er Brentano nicht angepackt. Wesendonk: Auf die Anträge von rechts, worauf Soiron's Ord- Abreise ihres schönen Wasserpolaken zu einer wahren Tragödie hinabgetrauert war. Man kann sich leicht denken, wie sehr der edle Ritter nach der Heimath verlangte, nach Berlin, wo man seiner so liebend gedachte, wo er so gut angeschrieben stand bei Zeus Kronion, bei den Offizieren der Garde, bei seinem Juwelier und bei seiner Tänzerin. Doch nicht unangefochten sollte er zu der letztern zurückkehren, denn sieh, die Enkelin Heinrich Heine's, die liebliche Tochter Atta Troll's, des Bären, verliebte sich in den göttergleichen Schnapphahnski, wie uns der Dichter selbst erzählt in seinem Werke, das bei Hoffmann und Campe erschienen, in Hamburg, im Jahre des Herrn 47. In der Höhle, bei seinen Jungen, liegt nämlich Atta Troll, der Bär, und er schläft: „Mit dem Schnarchen des Gerechten; Endlich wacht er gähnend auf; Neben ihm hockt Junker Einohr, Und er kratzt sich an dem Kopfe Wie ein Dichter, der den Reim sucht; Auch scandirt er an den Tatzen. Gleichfalls an des Vaters Seite, Liegen träumend auf dem Rücken, Unschuldrein, vierfüß'ge Liljen, Atta Troll's geliebte Töchter. ‒ Ganz besonders scheint die Jüngste Tiefbewegt. In ihrem Herzen Fühlt sie schon ein sel'ges Jucken, Ahndet sie die Macht Cupido's. Ja, der Pfeil des kleinen Gottes Ist ihr durch den Pelz gedrungen, Als sie ihn erblickt ‒ o Himmel, Den sie liebt, der ist ein Mensch! Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski.“ ‒ Da haben wir's! Es geht nun einmal nicht anders; wir treffen den edlen Ritter immer bei der Liebe. Er verfolgt sie und sie verfolgt ihn. Von der Gräfin S. und der Gräfin O. gerieth er auf Carlotta; von Carlotta auf die Tänzerin; von der Tänzerin auf die Bärin! O, es ist kein Wunder, daß alle Berliner und Frankfurter Damen heut zu Tage in Herrn von Schnapphahnski vernarrt sind, da sogar einst eine Bärin vor dem prächtigen Barte des Ritters anbetend zusammensank. O, diese Bärin hatte einen scharfen Blick, eine gute Schnauze! Sie schnüffelte es schon vor Jahren, sie roch es schon zu Don Carlos Zeiten, daß unser Ritter einst ein gewaltiger Redner, ein großer Staatsmann werden würde und schwärmerische Blicke richtete sie nach dem herrlichen Manne ‒ die zarte B[#]r[#]nl[#]ie. ‒ ‒ „Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski. Auf der großen Retirade Kam er ihr vorbeigelaufen Eines Morgens im Gebirge. Heldenunglück rührt die Weiber, Und im Antlitz unsres Helden Lag, wie immer, der Finanznoth Blasse Wehmuth, düstre Sorge Kann man sich wichtigere Aufschlüsse über die Rückkehr unseres Helden denken? Auf der Retirade sehen wir ihn laufend im Gebirge. Wunderbarer Anblick! Aecht spanischer Landstraßendreck spritzte ihm hinauf in den unsterblichen Bart, seine Augen funkeln verdächtig, seine Kniee schlottern. Der kühne Ritter gle[#]ht durchaus dem Manne, der einst in O. in Schlesien vor dem Grafen S. ausriß, nach verlorener Liebesschlacht. „Heldenunglück rührt die Weiber. ‒ Die Bärin seufzt vor Liebe, daß ihr die Schnauze zittert. Die Tochter Atta Troll's ist außer sich vor brennender Zuneigung ‒ doch nicht der landstraßendreckbespritzte Bart, nicht das funkelnde Auge, nicht das schlotternde Kniee ist es, was sie wimmern und schmachten läßt, nein, die Blässe des um bertroffenen Ritters rührt sie vor allen Dingen, ja, die Blässe, die interessante [#] ‒ kann es etwas bezeichnenderes geben? Unsere Verwunderung erreicht indeß erst ihren Gipfel, als wir sogar die Natur dieser Blässe, den tiefern Grund dieser herzbethörenden Kouleure angegeben finden. Bisher glaubten wir, der Ritter sei nur blaß aus Liebe, aus Furcht, aus Aerger, der Mode wegen ‒ aber wie irrten wir uns! es ist die Blässe der Finanznoth ‒ ein neues Licht geht über dem Leben Schnapphahnski's auf; der Ritter ist blaß vor Schulden ‒ armer Ritter! „Seine ganze Kriegeskasse, Zwei und zwanzig Silbergroschen, Die er mitgebracht nach Spanien, Ward die Beute Espartero's.“ So etwas ist hart ‒ zwei und zwanzig Silbergroschen ‒ das ist bitter! „Nicht einmal die Uhr gerettet! Blieb zurück zu Pampeluna In dem Leihhaus. War ein Erbstück Kostbar und von ächtem Silber.“ Das Schicksal unseres Helden wird immer lanzknechtartiger. Die Uhr der Familie Schnapphahnski im Leihhause von Pampeluna! das ist tragisch, das ist rührend. Das Nürenberger Ei, das vom Uhrgroßvater Schnapphahnski, von dem alten ehrwürdigen Wasserpolacken auf den galanten Sohn vererbt wurde: der galante, frivole Sohn hat dieses Erbstück versetzt im Leihhause von Pampeluna, vielleicht ohne einmal zu erröthen, ohne Herzklopfen, ohne schüchternes Hin- und Herschauen als er die Pforte des Lombard durchschritt und ohne verlegen zu stottern, als er dem Pfand-Kommissär sein Anliegen vortrug. „Wie viel Uhr haben Sie?“ fragte bisweilen ein Mauleseltreiber des Gebirges und mit Pathos erwiederte dann Se. Hochgeboren: „Bemühe er sich in das Leihhaus von Pampeluna, werther Freund, dort wird er ein Erbstück finden, kostbar und von ächtem Silber, dort wird er das Nürenberger Ei der Familie Schnapphahnski antreffen, das ihm Zeit und Stunde so genau verkünden wird wie jene berühmte Uhr des morgenländischen Kalifen, die einst Charlemagne zum Geschenk erhielt, [Deutschland]
[Fortsetzung] giebt sich mit zwei Adjutanten, dem Dulder Jucho und dem ehemaligen konfiscirten Buchhändler Biedermann, als Konstabler auf eine Seite der Gallerien und führt die Anwesenden einzeln an dem Rockkragen zur Thür hinaus. Der sinnige Patriot Hiobus Venedey winkt von unten den übrigen Gallerien zu, sich friedfertig zu entfernen, und erhält frivoles Grimassen zur Antwort. Die Journalisten fordern vergebens, bleiben zu durfen, und der französische Bevollmächtigte, der sich in gleichem Verlangen an den Präsidenten wendet, erhält von dem gemüthlichen Statthalter Soiron den Bescheid, daß es „Wurst“ sei, ob er Gesandter sei: Alles müsse hinaus. Als die Räume vollständig von Zuhörern geleert sind, wird die Paulskirche von Linientruppen und Bürgerwehr umstellt. Der §. 14 der Geschäftsordnung gesteht dem Präsidenten das Recht zu, „im Falle von Ordnungsstörungen die Sitzungen zu suspendiren, einzelne Ruhestörer zu entfernen und äußersten Falles die Gallerie räumen zu lassen.“ Eine vertrauliche Sitzung muß nach §. 17 im Antrag von 50 Mitgliedern unterstützt und von 2/3 der Versammlung angenommen werden. Das Ordnungsgeschäft der Majorität steht indeß höher als die Geschäftsordnung. Herr Robert Mohl deducirt, daß die Sitzung keine geheime sei, weil die „stenographischen Berichte“ (die bekanntlich von jedem Redner und den Präsidenten nach Gutdünken korrigirt werden können, und im vorliegenden Falle auch bereits die erbaulichsten Entstellungen zu Gunsten der Rechten aufweisen) später „publizirt“ würden. Der Präsident erklärt mit salbungsvoller Unparteilichkeit, daß er „gern den Willen der Mehrheit (Sokratesloge) erfüllen möge“, und läßt darüber abstimmen, ob sich die bekannte „Mehrheit“ an die Geschäftsordnung zu binden wünsche. Die geheime Sitzung geht unter dem Schutz der Bajonette fort. Die „Mehrheit“ beschließt alle Diskussion abzubrechen und sofort zur Abstimmung zu schreiten; Hr. Soiron versucht mehre Anträge, wie den vermittelnden des Herrn Uhland zu unterschlagen, die Linke verläßt den Saal, und die Amnestie wird mit 317 gegen 90 Stimmen verworfen, wobei sich mehrere Mitglieder des rechten Centrums (darunter sogar die beiden Gagern) der Abstimmung enthalten, weil auch die Fragestellung im Sinn der äußersten Rechten eskamotirt worden ist. Gegen die Amnestie stimmen von Rheinländern und Westphalen u. A. die wohlbekannten Herren Adams aus Koblenz, Arndt, Beckerath, Blömer, Böcking aus Trarbach, Bresgen, Bürgers aus Köln, Clemens, Compes aus Köln, Dahlmann, Deiters, Dieringer, Leue, Bischof Müller, Pagenstecher, Reichensperger, Stedtmann aus Koblenz, Werner aus Koblenz, Wiedermann; von Andern noch Hr. Behr aus Bamberg, ferner der „grobe Bettler Vater Jahn“, Herr Jakob Grimm, der als abgesetzter Professor von den Unterstützungen der „Liberalen“ lebte, der Dulder Jucho aus Frankfurt und der ci-devant jungdeutsche Verfolgte und Hofnarr des Fürsten Pückler: Heinrich Laube. Dies war das Verfahren, mit welchem die Volksvertreter in Frankfurt die Anträge beseitigten, die politischen Verfolgungen der wiedererwachten Reaktion in allen deutschen Staaten von den Schultern des Volks zu nehmen. Welche erhabenen Wirkungen aus kleinen Ursachen! Ein Abgeordneter stellt die gesegneten Kartätschen des Prinzen von Preußen den unheilvollen Sensen und Mistgabeln der badischen Republikaner gegenüber, und die Versammlung, in welcher kürzlich ein Minister, der weimarische Thersites Wydenbrugk, den König von Hannover einen Rebellen genannt hat, geräth plötzlich in Veitstänze. Ritter Vincke und Graf Wartensleben fordern den Abgeordneten in der Sitzung auf Pistolen, und unterschreiben überdies noch den Antrag auf Ordnungsruf gegen ihn; Herr Plathner und Herr Kerst aus Posen gehen zu Thätlichkeiten über; Ex-Fürst Lychnowsky ermannt sich am andern Tage zu einer Forderung auf Säbel; Herr Soiron holt sich am Abend in einer Parteisitzung Instruktion, die er in der Sitzung abliest; eine geheime Sitzung mit Militärmacht wird vorbereitet und die unbequeme Amnestiefrage im Dunkel rasch über's Knie gebrochen. Wer kann noch sagen, daß der Prinz von Preußen nicht der Rettungsanker der aus Professoren, rheinischen Ultramontanen, verkommenen Liberalen und pauklustigen Junkern bestehenden Majorität des ‒ deutschen Volkes sei? Herr Brentano erklärt in seiner Antwort gegen den Ordnungsruf von der Rednerbühne sogar, daß eine Partei in Potsdam den Prinzen von Preußen mit Beseitigung des Königs auf den Thron zu bringen suche, und wir können hinzufügen, daß diese Nachricht aus derselben Quelle kömmt, welche das geheime Lepel'sche Memoria in die Oeffentlichkeit brachte. Die Rechte hat ihr „Uebergewicht“ gebraucht, um nach der Verabredung mit dem wackern Herrn Soiron der Linken eine demüthigende Züchtigung zu ertheilen; wir finden nichts Ueberraschendes darin. Die Linke hat allen Insolenzen ihrer Widersacher, allen Gewaltthätigkeiten des Herrn Soiron gegenüber keine andere Genugthuung erhalten, als daß die stenographischen Berichte verfälscht wurden; wir wundern uns eben so wenig darüber, wir kennen diese Linke, welche mit Ausnahme von Schlöffel, Schmidt aus Schlesien und zwei oder drei andern Männern, nur durch die Eitelkeit parlamentarischer Schwätzerei an diese Versammlung gefesselt wird und in einem demokratischen Konvent die äußerste Rechte ausfüllen würde. Steht nicht die Linke durch das Faktum ihrer Wahl „über“ dem Volk? Wir rathen dem „edlen Gagern“ und seiner Rechten, eine Strafanstalt, ein Carcer u. dgl. zu votiren, um bei vorkommenden Fällen nach „Willen der Mehrheit“ auch die Linke durch die Konstabler Jucho, Biedermann, Soiron abführen zu können. * Köln, 12. Aug. Die „demokratische Gesellschaft“ von Köln hat folgenden Protest bei der Nationalversammlung eingelegt: Hohe Nationalversammlung! Die demokratische Gesellschaft zu Köln, in Erwägung: 1. daß das im Freiheitskampf begriffene Deutschland andere Nationalitäten nicht unterdrücken, sondern in ihrem Streben nach Freiheit und Selbstständigkeit fördern will; beschließt in ihrer heutigen Sitzung: gegen den von der deutschen Nationalversammlung am 27. Juli c., bezüglich des Großherzogthums Posen gefaßten Beschluß feierlich zu protestiren und vor Deutschland, Polen und ganz Europa gegen diese lediglich zum Vortheil der reaktionären Partei in Preußen, Rußland und Oestreich beliebte Einverleibung hiermit energische Verwahrung einzulegen. Die demokratische Gesellschaft. Im Auftrage: Das Comité. * Köln, 12. August. Die interessanten Beziehungen unserer Zeitung zu dem öffentlichen Ministerium nehmen noch immer ihren Fortgang. Gestern war wieder einer unserer Redakteure, Ernst Dronke, als Zeuge vor den Instruktionsrichter geladen. Eine eidliche Vernehmung fand nicht Statt, da eine Denunciation vorlag, daß Dronke am Abend nach der Verhaftung Anneke's bei dessen Frau gewesen und dort Notizen über die Verhaftung gesammelt habe. Auf die Frage des Zeugen, gegen wen die Anklage gerichtet sei, wurde die Bezeichnung „Marx und Genossen“ dahin erläutert, daß man den verantwortlichen Geranten Korff nur eventuell, den Redakteur en chef, Karl Marx, dagegen als muthmaßlichen Verfasser des inkriminirten Artikels zur Verantwortung zu ziehen wünsche. ‒ Dronke erklärte übrigens, daß er sich nicht verpflichtet halte, die Wahrheit zu sagen, da er als Redakteur möglicher Weise bei der Autorschaft des Artikels complizirt sein könne, und nicht gegen sich selbst Zeugniß ablege. X Krefeld, 9. August. Am vergangenen Sonntage, den 6. August, hat unsere, in beiden Parlamenten auf der äußersten Rechten vertretene Stadt den Beweis geliefert, daß die Reaktion noch lange nicht den Boden gewonnen, von dem sie wirklich träumt, wenn sie die Leistungen ihrer Abgeordneten nach Berlin und Frankfurt, wenn sie in dem hiesigen sogenannten konstitutionellen Klub die patriotischen Bestrebungen der weiland Fortschrittsmänner überblickt: am vergangenen Sonntage wurde es klar, daß das demokratische Element in einer imposanten Bedeutsamkeit auch hier vom Volke vertreten ist, und daß die Reaktionäre weiter keine Frucht ihrer lichtscheuen Bemühungen geärntet, als daß sie durch ein ihrer würdiges Organ im Stande waren, die Bürgerwehr-Parade bei der Festfeier zu unterdrücken. ‒ Wenn wir unseres noch aus dem ancien regime herstammenden Stadtrathes nicht besonders erwähnen, so geschieht es deshalb, weil wir ihn nicht in der Eingangs aufgestellten Kategorie ausgeschlossen haben. ‒ Das Fest war in jeder Beziehung für unser Crefeld von großer Bedeutung, denn 1) haben wir gesehen, daß die bisher allmächtige Geldaristokratie die Zügel der Herrschaft verloren, daß 2) die politische Repräsentation der Stadt nur deßwegen einen so reaktionären Charakter zeigt, weil sie im Hinblick auf frühere Zeiten sich entweder durch den Phrasenschwall ihres Deputirten, oder die so wohlfeil erkaufte Märtyrerkrone unserer jetzt so zahmen Demokraten hat täuschen lassen; daß 3) die Bürger sich von ihrer Bedeutsamkeit überzeugt, und daß 4) die Männer erkannt werden konnten, welche unter Allen zuerst die Sache des Volkes und der Freiheit aus reinen Beweggründen verfochten haben. ‒ Unsere Aristokratie hat, irregeführt durch ihre erbärmliche Prozentenpolitik, dem Feste durch ihre Theilnahmlosigkeit einen rein konsessionellen Charakter gegeben, nicht ahnend daß sie dadurch für die Zukunft alle Bedeutung verloren haben muß, da der Census nicht mehr der Hebel geblieben, durch welchen unsere Bourgeois auf die Rathsbänke und ihre Kreaturen auf die Deputirtensitze gehoben wurden. Die Bürgerwehr konnte als willenloses Werkzeug der Bourgeoisie, und von einem ihrer würdigen Kommandanten, Herrn Schnarr vertreten, natürlich ein demokratisches Fest nicht mit feiern. Ihr Kommandant ein ehemals preuß. Lieutenant, dann (wie natürlich) Regierungssekretair, gegenwärtig Special-Direktor bei einer Privat-Eisenbahn, fand es bei diesen Qualitäten und bei seiner Stellung als Landwehrhauptmann nicht vereinbar durch Mitwirkung der Bürgerwehr ein Fest zu verherrlichen welches nach seiner patriotischen Gedankentiefe eine reine Demon, stration (!!?) gegen den preußischen Staat sei, und dann erst statt finden dürfte, wenn ihm nachgewiesen würde daß die Divergenzen zwischen der Vereinbarer-Versammlung und dem Parlamente glücklich beseitigt, und von oben her die allerhöchste Sanktion gekommen sei. ‒ Herr Schnarr hat mit dieser Erklärung sich an die Spitze der hiesigen Krämerwelt, von welcher er seiner Stellung nach abhängig ist, gestellt, und diesen Leuten aus der Seele gesprochen, weil sie vorgeben, daß in der Trikolore die Quelle aller Handels- und Industrie-Noth zu suchen sei. Wie wir vernommen haben, soll Herr etc. Schnarr in einem Anfalle von Gewissensbissen beschlossen haben, sein Kommando niederzulegen; es wäre im Interesse der großen, der heiligen Sache zu wünschen daß dies sofort geschähe. !!! Frankfurt, 10. August. 58. Sitzung der National-Versammlung. Die Tagesordnung lautet: 1) Berathung des Ausschußberichts, (erstattet von Wiedenmann), über die Prüfung der in dem Wahlbezirke Thiengen in Baden stattgehabten Wahl zur deutschen Nationalversammlung. Soiron erklärt, er habe vorgestern erst dann die Räumung der Gallerien beordert, nachdem er von derselben herab verhöhnt worden wäre. Zimmermann aus Spandau hat von dieser Verhöhnung sowie die ganze Linke nichts bemerkt. Uebrigens sei im Protokoll nicht bemerkt worden, daß Brentano thätlich beleidigt und gefordert worden. (Rechts Gelächter, Links Geschrei.) Gagern: Die Beleidigungen seien nach der Sitzung gefallen und gehören nicht ins Protokoll. Fürst Leiningen (Ministerpräsident) hält eine sehr bescheidene Antrittsrede. Freiheit, Einheit, Ruhm und Ehre Deutschlands hat er sich (wie gewöhnlich) zum Ziele genommen. Er bittet um Nachsicht. Er sei kein Mitglied der Versammlung, gewissermaßen ein Fremder, unternehme also ein großes Wagstück, besäße auch wenig Talent, aber ein deutsches Herz (natürlich Bravo) Gagern bringt die Dombauangelegenheit abermals zur Sprache, da er neue Einladungsschreiben aus Köln bekommen hat. Nach kurzer Debatte wird beschlossen, daß das Bureau eine Kommission niedersetzt um über die Art und Weise der Theilnahme am Feste zu berathen. Aus Regensburg sind 2967 fl zur deutschen Flotte eingegangen. Puttlitz und Pfitzer zeigen ihren Austritt aus der Versammlung an. Jetzt läßt Gagern eine Anklageschrift verlesen, worin in circa 8 Punkten dem Herrn v. Soiron nachgewiesen wird, daß er in der letzten Brentano'schen Angelegenheit mehrfache Verstöße gegen die Geschäftsordnung, Unterschlagung von Anträgen, Parteilichkeiten, sich hat zu Schulden kommen lassen, weßhalb die Unterzeichner der Schrift (fast die ganze Linke) darauf antragen, daß 1) die Nationalversammlung dem v. Soiron ihre Mißbilligung ausspreche; daß 2) das Produkt seines ungesetzlichen Verfahrens als null und nichtig angesehen, und daß 3) über die unterschlagenen Anträge ordnungsmäßig entschieden werde. Gagern verlangt, daß diese Schrift an den Ausschuß der Geschäftsordnung verwiesen, jetzt augenblicklich nicht darüber diskutirt werde. Soiron verlangt augenblickliche Diskussion und zeigt Löwenkraft zu seiner Vertheidigung. Schaffrath ist für Verweisung an den Ausschuß, für Druck und gründliche Prüfung der Anklageschrift. Vinke will über seinen und der 170 Abgeordneten gegen Brentano eingebenen Antrag sprechen. Da dies nicht an der Zeit, wird er von der Tribün gewiesen und behält sich das Wort für später vor. Rödern für Verweisung an den Ausschuß und genaue Prüfung der Anklageschrift. Vogt ebenfalls. Die etwaigen Vertheidiger des Hrn. v. Soiron müßten ja die Schrift genau lesen Soiron vom Platz: Er hätte keine Vertheidigung nöthig. Vogt: Da eine Anklage da sei, so handele er sich natürlich auch um eine Vertheidigung. Wernher von Nierstein (pathetisch unter furchtbarem Gelächter): Ich appellire an Ihren Patriotismus (paukt auf die Tribüne). Was wird die Welt sagen, wenn sich die Nationalversammlung in Untersuchungen von Persönlichkeiten einläßt. Stimmt für den Mantel (der Vergessenheit. Links, nein! Gelächter, ab!) Minister Heckscher spricht nicht als Minister, sondern als Abgeordneter. Rührt seine alte Angelegenheit mit Blum, die Aehnlichkeit mit der heutigen habe, auf. Erklärt sich im Allgemeinen gegen Gagern's Antrag. Plathner (der Duellant) wünscht Untersuchung. Er wird auf's Bestimmteste (Gelächter) nachweisen, daß er Brentano nicht angepackt. Wesendonk: Auf die Anträge von rechts, worauf Soiron's Ord- <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar074_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0376"/> Abreise ihres schönen Wasserpolaken zu einer wahren Tragödie hinabgetrauert war.</p> <p>Man kann sich leicht denken, wie sehr der edle Ritter nach der Heimath verlangte, nach Berlin, wo man seiner so liebend gedachte, wo er so gut angeschrieben stand bei Zeus Kronion, bei den Offizieren der Garde, bei seinem Juwelier und bei seiner Tänzerin. Doch nicht unangefochten sollte er zu der letztern zurückkehren, denn sieh, die Enkelin Heinrich Heine's, die liebliche Tochter Atta Troll's, des Bären, verliebte sich in den göttergleichen Schnapphahnski, wie uns der Dichter selbst erzählt in seinem Werke, das bei Hoffmann und Campe erschienen, in Hamburg, im Jahre des Herrn 47.</p> <p>In der Höhle, bei seinen Jungen, liegt nämlich Atta Troll, der Bär, und er schläft:</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Mit dem Schnarchen des Gerechten;</l><lb/> <l>Endlich wacht er gähnend auf;</l><lb/> <l>Neben ihm hockt Junker Einohr,</l><lb/> <l>Und er kratzt sich an dem Kopfe</l><lb/> <l>Wie ein Dichter, der den Reim sucht;</l><lb/> <l>Auch scandirt er an den Tatzen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Gleichfalls an des Vaters Seite,</l><lb/> <l>Liegen träumend auf dem Rücken,</l><lb/> <l>Unschuldrein, vierfüß'ge Liljen,</l><lb/> <l>Atta Troll's geliebte Töchter. ‒</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Ganz besonders scheint die Jüngste</l><lb/> <l>Tiefbewegt. In ihrem Herzen</l><lb/> <l> Fühlt sie schon ein sel'ges Jucken,</l><lb/> <l>Ahndet sie die Macht Cupido's.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Ja, der Pfeil des kleinen Gottes</l><lb/> <l>Ist ihr durch den Pelz gedrungen,</l><lb/> <l>Als sie ihn erblickt ‒ o Himmel,</l><lb/> <l>Den sie liebt, der ist ein Mensch!</l><lb/> <l>Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski.“ ‒</l><lb/> </lg> </lg> <p>Da haben wir's! Es geht nun einmal nicht anders; wir treffen den edlen Ritter immer bei der Liebe. Er verfolgt sie und sie verfolgt ihn. Von der Gräfin S. und der Gräfin O. gerieth er auf Carlotta; von Carlotta auf die Tänzerin; von der Tänzerin auf die Bärin! O, es ist kein Wunder, daß alle Berliner und Frankfurter Damen heut zu Tage in Herrn von Schnapphahnski vernarrt sind, da sogar einst eine Bärin vor dem prächtigen Barte des Ritters anbetend zusammensank.</p> <p>O, diese Bärin hatte einen scharfen Blick, eine gute Schnauze! Sie schnüffelte es schon vor Jahren, sie roch es schon zu Don Carlos Zeiten, daß unser Ritter einst ein gewaltiger Redner, ein großer Staatsmann werden würde und schwärmerische Blicke richtete sie nach dem herrlichen Manne ‒ die zarte B[#]r[#]nl[#]ie. ‒ ‒</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski.</l><lb/> <l>Auf der großen Retirade</l><lb/> <l>Kam er ihr vorbeigelaufen</l><lb/> <l>Eines Morgens im Gebirge.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Heldenunglück rührt die Weiber,</l><lb/> <l>Und im Antlitz unsres Helden</l><lb/> <l> Lag, wie immer, der Finanznoth</l><lb/> <l>Blasse Wehmuth, düstre Sorge</l><lb/> </lg> </lg> <p>Kann man sich wichtigere Aufschlüsse über die Rückkehr unseres Helden denken?</p> <p>Auf der Retirade sehen wir ihn laufend im Gebirge. Wunderbarer Anblick! Aecht spanischer Landstraßendreck spritzte ihm hinauf in den unsterblichen Bart, seine Augen funkeln verdächtig, seine Kniee schlottern. Der kühne Ritter gle[#]ht durchaus dem Manne, der einst in O. in Schlesien vor dem Grafen S. ausriß, nach verlorener Liebesschlacht.</p> <p>„Heldenunglück rührt die Weiber. ‒ Die Bärin seufzt vor Liebe, daß ihr die Schnauze zittert. Die Tochter Atta Troll's ist außer sich vor brennender Zuneigung ‒ doch nicht der landstraßendreckbespritzte Bart, nicht das funkelnde Auge, nicht das schlotternde Kniee ist es, was sie wimmern und schmachten läßt, nein, die <hi rendition="#g">Blässe</hi> des um bertroffenen Ritters rührt sie vor allen Dingen, ja, die Blässe, die interessante [#] ‒ kann es etwas bezeichnenderes geben?</p> <p>Unsere Verwunderung erreicht indeß erst ihren Gipfel, als wir sogar die Natur dieser Blässe, den tiefern Grund dieser herzbethörenden Kouleure angegeben finden.</p> <p>Bisher glaubten wir, der Ritter sei nur blaß aus Liebe, aus Furcht, aus Aerger, der Mode wegen ‒ aber wie irrten wir uns! es ist die Blässe der Finanznoth ‒ ein neues Licht geht über dem Leben Schnapphahnski's auf; der Ritter ist blaß vor Schulden ‒ armer Ritter!</p> <lg type="poem"> <l>„Seine ganze Kriegeskasse,</l><lb/> <l>Zwei und zwanzig Silbergroschen,</l><lb/> <l>Die er mitgebracht nach Spanien,</l><lb/> <l>Ward die Beute Espartero's.“</l><lb/> </lg> <p>So etwas ist hart ‒ zwei und zwanzig Silbergroschen ‒ das ist bitter!</p> <lg type="poem"> <l>„Nicht einmal die Uhr gerettet!</l><lb/> <l>Blieb zurück zu Pampeluna</l><lb/> <l>In dem Leihhaus. War ein Erbstück</l><lb/> <l>Kostbar und von ächtem Silber.“</l><lb/> </lg> <p>Das Schicksal unseres Helden wird immer lanzknechtartiger. Die Uhr der Familie Schnapphahnski im Leihhause von Pampeluna! das ist tragisch, das ist rührend. Das Nürenberger Ei, das vom Uhrgroßvater Schnapphahnski, von dem alten ehrwürdigen Wasserpolacken auf den galanten Sohn vererbt wurde: der galante, frivole Sohn hat dieses Erbstück versetzt im Leihhause von Pampeluna, vielleicht ohne einmal zu erröthen, ohne Herzklopfen, ohne schüchternes Hin- und Herschauen als er die Pforte des Lombard durchschritt und ohne verlegen zu stottern, als er dem Pfand-Kommissär sein Anliegen vortrug. „Wie viel Uhr haben Sie?“ fragte bisweilen ein Mauleseltreiber des Gebirges und mit Pathos erwiederte dann Se. Hochgeboren: „Bemühe er sich in das Leihhaus von Pampeluna, werther Freund, dort wird er ein Erbstück finden, kostbar und von ächtem Silber, dort wird er das Nürenberger Ei der Familie Schnapphahnski antreffen, das ihm Zeit und Stunde so genau verkünden wird wie jene berühmte Uhr des morgenländischen Kalifen, die einst Charlemagne zum Geschenk erhielt,</p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar074_005" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> giebt sich mit zwei Adjutanten, dem Dulder Jucho und dem ehemaligen konfiscirten Buchhändler Biedermann, als Konstabler auf eine Seite der Gallerien und führt die Anwesenden einzeln an dem Rockkragen zur Thür hinaus. Der sinnige Patriot Hiobus Venedey winkt von unten den übrigen Gallerien zu, sich friedfertig zu entfernen, und erhält frivoles Grimassen zur Antwort. Die Journalisten fordern vergebens, bleiben zu durfen, und der französische Bevollmächtigte, der sich in gleichem Verlangen an den Präsidenten wendet, erhält von dem gemüthlichen Statthalter Soiron den Bescheid, daß es „Wurst“ sei, ob er Gesandter sei: Alles müsse hinaus. Als die Räume vollständig von Zuhörern geleert sind, wird die Paulskirche von Linientruppen und Bürgerwehr umstellt.</p> <p>Der §. 14 der Geschäftsordnung gesteht dem Präsidenten das Recht zu, „im Falle von Ordnungsstörungen die Sitzungen zu <hi rendition="#g">suspendiren,</hi> einzelne Ruhestörer zu entfernen und äußersten Falles die <hi rendition="#g">Gallerie</hi> räumen zu lassen.“ Eine vertrauliche Sitzung muß nach §. 17 im Antrag von 50 Mitgliedern unterstützt und von 2/3 der Versammlung angenommen werden.</p> <p>Das Ordnungsgeschäft der Majorität steht indeß höher als die Geschäftsordnung. Herr Robert Mohl deducirt, daß die Sitzung keine geheime sei, weil die „stenographischen Berichte“ (die bekanntlich von jedem Redner und den Präsidenten nach Gutdünken korrigirt werden können, und im vorliegenden Falle auch bereits die erbaulichsten Entstellungen zu Gunsten der Rechten aufweisen) später „publizirt“ würden. Der Präsident erklärt mit salbungsvoller Unparteilichkeit, daß er „gern den Willen der <hi rendition="#g">Mehrheit</hi> (Sokratesloge) erfüllen möge“, und läßt darüber abstimmen, ob sich die bekannte „Mehrheit“ an die Geschäftsordnung zu binden wünsche. Die geheime Sitzung geht unter dem Schutz der Bajonette fort. Die „Mehrheit“ beschließt alle Diskussion abzubrechen und sofort zur Abstimmung zu schreiten; Hr. Soiron versucht mehre Anträge, wie den vermittelnden des Herrn Uhland zu unterschlagen, die Linke verläßt den Saal, und die Amnestie wird mit 317 gegen 90 Stimmen verworfen, wobei sich mehrere Mitglieder des rechten Centrums (darunter sogar die beiden Gagern) der Abstimmung enthalten, weil auch die Fragestellung im Sinn der äußersten Rechten eskamotirt worden ist. Gegen die Amnestie stimmen von Rheinländern und Westphalen u. A. die wohlbekannten Herren Adams aus Koblenz, Arndt, Beckerath, Blömer, Böcking aus Trarbach, Bresgen, Bürgers aus Köln, Clemens, Compes aus Köln, Dahlmann, Deiters, Dieringer, Leue, Bischof Müller, Pagenstecher, Reichensperger, Stedtmann aus Koblenz, Werner aus Koblenz, Wiedermann; von Andern noch Hr. Behr aus Bamberg, ferner der „grobe Bettler Vater Jahn“, Herr Jakob Grimm, der als abgesetzter Professor von den Unterstützungen der „Liberalen“ lebte, der Dulder Jucho aus Frankfurt und der ci-devant jungdeutsche Verfolgte und Hofnarr des Fürsten Pückler: Heinrich Laube.</p> <p>Dies war das Verfahren, mit welchem die Volksvertreter in Frankfurt die Anträge beseitigten, die politischen Verfolgungen der wiedererwachten Reaktion in allen deutschen Staaten von den Schultern des Volks zu nehmen.</p> <p>Welche erhabenen Wirkungen aus kleinen Ursachen! Ein Abgeordneter stellt die gesegneten Kartätschen des Prinzen von Preußen den unheilvollen Sensen und Mistgabeln der badischen Republikaner gegenüber, und die Versammlung, in welcher kürzlich ein Minister, der weimarische Thersites Wydenbrugk, den König von Hannover einen Rebellen genannt hat, geräth plötzlich in Veitstänze. Ritter Vincke und Graf Wartensleben fordern den Abgeordneten in der Sitzung auf Pistolen, und unterschreiben überdies noch den Antrag auf Ordnungsruf gegen ihn; Herr Plathner und Herr Kerst aus Posen gehen zu Thätlichkeiten über; Ex-Fürst Lychnowsky ermannt sich am andern Tage zu einer Forderung auf Säbel; Herr Soiron holt sich am Abend in einer Parteisitzung Instruktion, die er in der Sitzung <hi rendition="#g">abliest;</hi> eine geheime Sitzung mit Militärmacht wird vorbereitet und die unbequeme Amnestiefrage im Dunkel rasch über's Knie gebrochen. Wer kann noch sagen, daß der Prinz von Preußen nicht der Rettungsanker der aus Professoren, rheinischen Ultramontanen, verkommenen Liberalen und pauklustigen Junkern bestehenden Majorität des ‒ deutschen Volkes sei? Herr Brentano erklärt in seiner Antwort gegen den Ordnungsruf von der Rednerbühne sogar, daß eine Partei in Potsdam den Prinzen von Preußen mit <hi rendition="#g">Beseitigung des Königs</hi> auf den Thron zu bringen suche, und wir können hinzufügen, daß diese Nachricht aus derselben Quelle kömmt, welche das geheime Lepel'sche Memoria in die Oeffentlichkeit brachte.</p> <p>Die Rechte hat ihr „Uebergewicht“ gebraucht, um nach der Verabredung mit dem wackern Herrn Soiron der Linken eine demüthigende Züchtigung zu ertheilen; wir finden nichts Ueberraschendes darin. Die Linke hat allen Insolenzen ihrer Widersacher, allen Gewaltthätigkeiten des Herrn Soiron gegenüber keine andere Genugthuung erhalten, als daß die stenographischen Berichte verfälscht wurden; wir wundern uns eben so wenig darüber, wir kennen diese Linke, welche mit Ausnahme von Schlöffel, Schmidt aus Schlesien und zwei oder drei andern Männern, nur durch die Eitelkeit parlamentarischer Schwätzerei an diese Versammlung gefesselt wird und in einem demokratischen Konvent die äußerste Rechte ausfüllen würde. Steht nicht die Linke durch das Faktum ihrer Wahl „über“ dem Volk?</p> <p>Wir rathen dem „edlen Gagern“ und seiner Rechten, eine Strafanstalt, ein Carcer u. dgl. zu votiren, um bei vorkommenden Fällen nach „Willen der Mehrheit“ auch die Linke durch die Konstabler Jucho, Biedermann, Soiron abführen zu können.</p> </div> <div xml:id="ar074_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 12. Aug.</head> <p>Die <hi rendition="#g">„demokratische Gesellschaft“</hi> von Köln hat folgenden Protest bei der Nationalversammlung eingelegt:</p> <p>Hohe Nationalversammlung!</p> <p>Die demokratische Gesellschaft zu Köln, in Erwägung:</p> <p rendition="#et">1. daß das im Freiheitskampf begriffene Deutschland andere Nationalitäten nicht unterdrücken, sondern in ihrem Streben nach Freiheit und Selbstständigkeit fördern will;<lb/> 2. daß die Freiwerdung Polens eine Existenzfrage für Deutschland ist;<lb/> 3. daß den Polen ihre Freiheit und nationale Selbstständigkeit von drei Despoten allerdings wiederholt geraubt;<lb/> 4. daß seit 1792 alle Attentate gegen Polen und alle Theilungen desselben, von der Reaktion stets gegen die Freiheit von ganz Europa gerichtet und andererseits jedesmal, wenn eine Freimachung der Völker eintrat, auch auf Wiederherstellung Polens gedrungen worden;<lb/> 5. daß selbst der Fünfziger-Ausschuß jeden Antheil an dem wider Polen abgegangenen Frevel im Namen des deutschen Volkes mit Entrüstung zurückgewiesen und die Pflicht des letzteren zur Herstellung eines selbstständigen Polens mitzuwirken, klar ausgesprochen;<lb/> 6. daß sogar der König von Preußen nach der Märzrevolution, durch die öffentliche Meinung gezwungen, die Reorganisation Posens feierlich zugesagt;<lb/> 7. daß demungeachtet die, freilich aus indirekten Wahlen hervorgegangene National-Versammlung zu Frankfurt in der Sitzung vom 27. Juli c. die Einverleibung von 3/4 des Großherzogthums Posen in das noch gar nicht existirende deutsche Reich beschlossen und sich dadurch einer neuen Theilung Polens und der nämlichen Verhöhnung der Freiheit, wie der Wiener Kongreß und der deutsche Bundestag, schuldig gemacht;<lb/> 8. daß jedoch der gesunde Theil des deutschen Volkes an dem Zertreten der polnischen Nationalität zu Gunsten der Reaktion und im Interesse einer Anzahl preußischer Bureaukraten, Gutsbesitzer und Schacherseelen keinen Theil haben will und kann;</p> <p>beschließt in ihrer heutigen Sitzung:</p> <p rendition="#et">gegen den von der deutschen Nationalversammlung am 27. Juli c., bezüglich des Großherzogthums Posen gefaßten Beschluß feierlich zu protestiren und vor Deutschland, Polen und ganz Europa gegen diese lediglich zum Vortheil der reaktionären Partei in Preußen, Rußland und Oestreich beliebte Einverleibung hiermit energische Verwahrung einzulegen.</p> <p><hi rendition="#g">Die demokratische Gesellschaft.</hi> Im Auftrage:</p> <p> <hi rendition="#g">Das Comité.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar074_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 12. August.</head> <p>Die interessanten Beziehungen unserer Zeitung zu dem öffentlichen Ministerium nehmen noch immer ihren Fortgang. Gestern war wieder einer unserer Redakteure, Ernst Dronke, als Zeuge vor den Instruktionsrichter geladen. Eine eidliche Vernehmung fand nicht Statt, da eine Denunciation vorlag, daß Dronke am Abend nach der Verhaftung Anneke's bei dessen Frau gewesen und dort Notizen über die Verhaftung gesammelt habe. Auf die Frage des Zeugen, gegen wen die Anklage gerichtet sei, wurde die Bezeichnung „Marx und Genossen“ dahin erläutert, daß man den verantwortlichen Geranten Korff nur eventuell, den Redakteur en chef, Karl Marx, dagegen als muthmaßlichen Verfasser des inkriminirten Artikels zur Verantwortung zu ziehen wünsche. ‒ Dronke erklärte übrigens, daß er sich nicht verpflichtet halte, die Wahrheit zu sagen, da er als Redakteur möglicher Weise bei der Autorschaft des Artikels complizirt sein könne, und nicht gegen sich selbst Zeugniß ablege.</p> </div> <div xml:id="ar074_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Krefeld, 9. August.</head> <p>Am vergangenen Sonntage, den 6. August, hat unsere, in beiden Parlamenten auf der äußersten Rechten vertretene Stadt den Beweis geliefert, daß die Reaktion noch lange nicht den Boden gewonnen, von dem sie wirklich träumt, wenn sie die Leistungen ihrer Abgeordneten nach Berlin und Frankfurt, wenn sie in dem hiesigen sogenannten konstitutionellen Klub die patriotischen Bestrebungen der weiland Fortschrittsmänner überblickt: am vergangenen Sonntage wurde es klar, daß das demokratische Element in einer imposanten Bedeutsamkeit auch hier vom Volke vertreten ist, und daß die Reaktionäre weiter keine Frucht ihrer lichtscheuen Bemühungen geärntet, als daß sie durch ein ihrer würdiges Organ im Stande waren, die Bürgerwehr-Parade bei der Festfeier zu unterdrücken. ‒ Wenn wir unseres noch aus dem ancien regime herstammenden Stadtrathes nicht besonders erwähnen, so geschieht es deshalb, weil wir ihn nicht in der Eingangs aufgestellten Kategorie ausgeschlossen haben. ‒ Das Fest war in jeder Beziehung für unser Crefeld von großer Bedeutung, denn 1) haben wir gesehen, daß die bisher allmächtige Geldaristokratie die Zügel der Herrschaft verloren, daß 2) die politische Repräsentation der Stadt nur deßwegen einen so reaktionären Charakter zeigt, weil sie im Hinblick auf frühere Zeiten sich entweder durch den Phrasenschwall ihres Deputirten, oder die so wohlfeil erkaufte Märtyrerkrone unserer jetzt so zahmen Demokraten hat täuschen lassen; daß 3) die Bürger sich von ihrer Bedeutsamkeit überzeugt, und daß 4) die Männer erkannt werden konnten, welche unter Allen zuerst die Sache des Volkes und der Freiheit aus reinen Beweggründen verfochten haben. ‒ Unsere Aristokratie hat, irregeführt durch ihre erbärmliche Prozentenpolitik, dem Feste durch ihre Theilnahmlosigkeit einen rein konsessionellen Charakter gegeben, nicht ahnend daß sie dadurch für die Zukunft alle Bedeutung verloren haben muß, da der Census nicht mehr der Hebel geblieben, durch welchen unsere Bourgeois auf die Rathsbänke und ihre Kreaturen auf die Deputirtensitze gehoben wurden. Die Bürgerwehr konnte als willenloses Werkzeug der Bourgeoisie, und von einem ihrer würdigen Kommandanten, Herrn Schnarr vertreten, natürlich ein demokratisches Fest nicht mit feiern. Ihr Kommandant ein ehemals preuß. Lieutenant, dann (wie natürlich) Regierungssekretair, gegenwärtig Special-Direktor bei einer Privat-Eisenbahn, fand es bei diesen Qualitäten und bei seiner Stellung als Landwehrhauptmann nicht vereinbar durch Mitwirkung der Bürgerwehr ein Fest zu verherrlichen welches nach seiner patriotischen Gedankentiefe eine reine Demon, stration (!!?) gegen den preußischen Staat sei, und dann erst statt finden dürfte, wenn ihm nachgewiesen würde daß die Divergenzen zwischen der Vereinbarer-Versammlung und dem Parlamente glücklich beseitigt, und von oben her die allerhöchste Sanktion gekommen sei. ‒ Herr Schnarr hat mit dieser Erklärung sich an die Spitze der hiesigen Krämerwelt, von welcher er seiner Stellung nach abhängig ist, gestellt, und diesen Leuten aus der Seele gesprochen, weil sie vorgeben, daß in der Trikolore die Quelle aller Handels- und Industrie-Noth zu suchen sei.</p> <p>Wie wir vernommen haben, soll Herr etc. Schnarr in einem Anfalle von Gewissensbissen beschlossen haben, sein Kommando niederzulegen; es wäre im Interesse der großen, der heiligen Sache zu wünschen daß dies sofort geschähe.</p> </div> <div xml:id="ar074_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 10. 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Uebrigens sei im Protokoll nicht bemerkt worden, daß Brentano thätlich beleidigt und gefordert worden. (Rechts Gelächter, Links Geschrei.)</p> <p><hi rendition="#g">Gagern:</hi> Die Beleidigungen seien nach der Sitzung gefallen und gehören nicht ins Protokoll.</p> <p>Fürst <hi rendition="#g">Leiningen</hi> (Ministerpräsident) hält eine sehr bescheidene Antrittsrede. Freiheit, Einheit, Ruhm und Ehre Deutschlands hat er sich (wie gewöhnlich) zum Ziele genommen. Er bittet um Nachsicht. Er sei kein Mitglied der Versammlung, gewissermaßen ein Fremder, unternehme also ein großes Wagstück, besäße auch wenig Talent, aber ein deutsches Herz (natürlich Bravo)</p> <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> bringt die Dombauangelegenheit abermals zur Sprache, da er neue Einladungsschreiben aus Köln bekommen hat. Nach kurzer Debatte wird beschlossen, daß das Bureau eine Kommission niedersetzt um über die Art und Weise der Theilnahme am Feste zu berathen. Aus Regensburg sind 2967 fl zur deutschen Flotte eingegangen.</p> <p>Puttlitz und Pfitzer zeigen ihren Austritt aus der Versammlung an. Jetzt läßt Gagern eine Anklageschrift verlesen, worin in circa 8 Punkten dem Herrn v. Soiron nachgewiesen wird, daß er in der letzten Brentano'schen Angelegenheit mehrfache Verstöße gegen die Geschäftsordnung, Unterschlagung von Anträgen, Parteilichkeiten, sich hat zu Schulden kommen lassen, weßhalb die Unterzeichner der Schrift (fast die ganze Linke) darauf antragen, daß 1) die Nationalversammlung dem v. Soiron ihre Mißbilligung ausspreche; daß 2) das Produkt seines ungesetzlichen Verfahrens als null und nichtig angesehen, und daß 3) über die unterschlagenen Anträge ordnungsmäßig entschieden werde.</p> <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> verlangt, daß diese Schrift an den Ausschuß der Geschäftsordnung verwiesen, jetzt augenblicklich nicht darüber diskutirt werde.</p> <p><hi rendition="#g">Soiron</hi> verlangt augenblickliche Diskussion und zeigt Löwenkraft zu seiner Vertheidigung.</p> <p><hi rendition="#g">Schaffrath</hi> ist für Verweisung an den Ausschuß, für Druck und gründliche Prüfung der Anklageschrift.</p> <p><hi rendition="#g">Vinke</hi> will über seinen und der 170 Abgeordneten gegen Brentano eingebenen Antrag sprechen. Da dies nicht an der Zeit, wird er von der Tribün gewiesen und behält sich das Wort für später vor.</p> <p><hi rendition="#g">Rödern</hi> für Verweisung an den Ausschuß und genaue Prüfung der Anklageschrift.</p> <p><hi rendition="#g">Vogt</hi> ebenfalls. Die etwaigen Vertheidiger des Hrn. v. Soiron müßten ja die Schrift genau lesen</p> <p><hi rendition="#g">Soiron</hi> vom Platz: Er hätte keine Vertheidigung nöthig.</p> <p><hi rendition="#g">Vogt:</hi> Da eine Anklage da sei, so handele er sich natürlich auch um eine Vertheidigung.</p> <p><hi rendition="#g">Wernher</hi> von Nierstein (pathetisch unter furchtbarem Gelächter): Ich appellire an Ihren Patriotismus (paukt auf die Tribüne). Was wird die Welt sagen, wenn sich die Nationalversammlung in Untersuchungen von Persönlichkeiten einläßt. Stimmt für den Mantel (der Vergessenheit. Links, nein! Gelächter, ab!)</p> <p>Minister <hi rendition="#g">Heckscher</hi> spricht nicht als Minister, sondern als Abgeordneter. Rührt seine alte Angelegenheit mit Blum, die Aehnlichkeit mit der heutigen habe, auf. Erklärt sich im Allgemeinen gegen Gagern's Antrag.</p> <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> (der Duellant) wünscht Untersuchung. Er wird auf's Bestimmteste (Gelächter) nachweisen, daß er Brentano nicht angepackt.</p> <p><hi rendition="#g">Wesendonk:</hi> Auf die Anträge von rechts, worauf Soiron's Ord-</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376/0002]
Abreise ihres schönen Wasserpolaken zu einer wahren Tragödie hinabgetrauert war.
Man kann sich leicht denken, wie sehr der edle Ritter nach der Heimath verlangte, nach Berlin, wo man seiner so liebend gedachte, wo er so gut angeschrieben stand bei Zeus Kronion, bei den Offizieren der Garde, bei seinem Juwelier und bei seiner Tänzerin. Doch nicht unangefochten sollte er zu der letztern zurückkehren, denn sieh, die Enkelin Heinrich Heine's, die liebliche Tochter Atta Troll's, des Bären, verliebte sich in den göttergleichen Schnapphahnski, wie uns der Dichter selbst erzählt in seinem Werke, das bei Hoffmann und Campe erschienen, in Hamburg, im Jahre des Herrn 47.
In der Höhle, bei seinen Jungen, liegt nämlich Atta Troll, der Bär, und er schläft:
„Mit dem Schnarchen des Gerechten;
Endlich wacht er gähnend auf;
Neben ihm hockt Junker Einohr,
Und er kratzt sich an dem Kopfe
Wie ein Dichter, der den Reim sucht;
Auch scandirt er an den Tatzen.
Gleichfalls an des Vaters Seite,
Liegen träumend auf dem Rücken,
Unschuldrein, vierfüß'ge Liljen,
Atta Troll's geliebte Töchter. ‒
Ganz besonders scheint die Jüngste
Tiefbewegt. In ihrem Herzen
Fühlt sie schon ein sel'ges Jucken,
Ahndet sie die Macht Cupido's.
Ja, der Pfeil des kleinen Gottes
Ist ihr durch den Pelz gedrungen,
Als sie ihn erblickt ‒ o Himmel,
Den sie liebt, der ist ein Mensch!
Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski.“ ‒
Da haben wir's! Es geht nun einmal nicht anders; wir treffen den edlen Ritter immer bei der Liebe. Er verfolgt sie und sie verfolgt ihn. Von der Gräfin S. und der Gräfin O. gerieth er auf Carlotta; von Carlotta auf die Tänzerin; von der Tänzerin auf die Bärin! O, es ist kein Wunder, daß alle Berliner und Frankfurter Damen heut zu Tage in Herrn von Schnapphahnski vernarrt sind, da sogar einst eine Bärin vor dem prächtigen Barte des Ritters anbetend zusammensank.
O, diese Bärin hatte einen scharfen Blick, eine gute Schnauze! Sie schnüffelte es schon vor Jahren, sie roch es schon zu Don Carlos Zeiten, daß unser Ritter einst ein gewaltiger Redner, ein großer Staatsmann werden würde und schwärmerische Blicke richtete sie nach dem herrlichen Manne ‒ die zarte B[#]r[#]nl[#]ie. ‒ ‒
„Ist ein Mensch und heißt Schnapphahnski.
Auf der großen Retirade
Kam er ihr vorbeigelaufen
Eines Morgens im Gebirge.
Heldenunglück rührt die Weiber,
Und im Antlitz unsres Helden
Lag, wie immer, der Finanznoth
Blasse Wehmuth, düstre Sorge
Kann man sich wichtigere Aufschlüsse über die Rückkehr unseres Helden denken?
Auf der Retirade sehen wir ihn laufend im Gebirge. Wunderbarer Anblick! Aecht spanischer Landstraßendreck spritzte ihm hinauf in den unsterblichen Bart, seine Augen funkeln verdächtig, seine Kniee schlottern. Der kühne Ritter gle[#]ht durchaus dem Manne, der einst in O. in Schlesien vor dem Grafen S. ausriß, nach verlorener Liebesschlacht.
„Heldenunglück rührt die Weiber. ‒ Die Bärin seufzt vor Liebe, daß ihr die Schnauze zittert. Die Tochter Atta Troll's ist außer sich vor brennender Zuneigung ‒ doch nicht der landstraßendreckbespritzte Bart, nicht das funkelnde Auge, nicht das schlotternde Kniee ist es, was sie wimmern und schmachten läßt, nein, die Blässe des um bertroffenen Ritters rührt sie vor allen Dingen, ja, die Blässe, die interessante [#] ‒ kann es etwas bezeichnenderes geben?
Unsere Verwunderung erreicht indeß erst ihren Gipfel, als wir sogar die Natur dieser Blässe, den tiefern Grund dieser herzbethörenden Kouleure angegeben finden.
Bisher glaubten wir, der Ritter sei nur blaß aus Liebe, aus Furcht, aus Aerger, der Mode wegen ‒ aber wie irrten wir uns! es ist die Blässe der Finanznoth ‒ ein neues Licht geht über dem Leben Schnapphahnski's auf; der Ritter ist blaß vor Schulden ‒ armer Ritter!
„Seine ganze Kriegeskasse,
Zwei und zwanzig Silbergroschen,
Die er mitgebracht nach Spanien,
Ward die Beute Espartero's.“
So etwas ist hart ‒ zwei und zwanzig Silbergroschen ‒ das ist bitter!
„Nicht einmal die Uhr gerettet!
Blieb zurück zu Pampeluna
In dem Leihhaus. War ein Erbstück
Kostbar und von ächtem Silber.“
Das Schicksal unseres Helden wird immer lanzknechtartiger. Die Uhr der Familie Schnapphahnski im Leihhause von Pampeluna! das ist tragisch, das ist rührend. Das Nürenberger Ei, das vom Uhrgroßvater Schnapphahnski, von dem alten ehrwürdigen Wasserpolacken auf den galanten Sohn vererbt wurde: der galante, frivole Sohn hat dieses Erbstück versetzt im Leihhause von Pampeluna, vielleicht ohne einmal zu erröthen, ohne Herzklopfen, ohne schüchternes Hin- und Herschauen als er die Pforte des Lombard durchschritt und ohne verlegen zu stottern, als er dem Pfand-Kommissär sein Anliegen vortrug. „Wie viel Uhr haben Sie?“ fragte bisweilen ein Mauleseltreiber des Gebirges und mit Pathos erwiederte dann Se. Hochgeboren: „Bemühe er sich in das Leihhaus von Pampeluna, werther Freund, dort wird er ein Erbstück finden, kostbar und von ächtem Silber, dort wird er das Nürenberger Ei der Familie Schnapphahnski antreffen, das ihm Zeit und Stunde so genau verkünden wird wie jene berühmte Uhr des morgenländischen Kalifen, die einst Charlemagne zum Geschenk erhielt,
[Deutschland] [Fortsetzung] giebt sich mit zwei Adjutanten, dem Dulder Jucho und dem ehemaligen konfiscirten Buchhändler Biedermann, als Konstabler auf eine Seite der Gallerien und führt die Anwesenden einzeln an dem Rockkragen zur Thür hinaus. Der sinnige Patriot Hiobus Venedey winkt von unten den übrigen Gallerien zu, sich friedfertig zu entfernen, und erhält frivoles Grimassen zur Antwort. Die Journalisten fordern vergebens, bleiben zu durfen, und der französische Bevollmächtigte, der sich in gleichem Verlangen an den Präsidenten wendet, erhält von dem gemüthlichen Statthalter Soiron den Bescheid, daß es „Wurst“ sei, ob er Gesandter sei: Alles müsse hinaus. Als die Räume vollständig von Zuhörern geleert sind, wird die Paulskirche von Linientruppen und Bürgerwehr umstellt.
Der §. 14 der Geschäftsordnung gesteht dem Präsidenten das Recht zu, „im Falle von Ordnungsstörungen die Sitzungen zu suspendiren, einzelne Ruhestörer zu entfernen und äußersten Falles die Gallerie räumen zu lassen.“ Eine vertrauliche Sitzung muß nach §. 17 im Antrag von 50 Mitgliedern unterstützt und von 2/3 der Versammlung angenommen werden.
Das Ordnungsgeschäft der Majorität steht indeß höher als die Geschäftsordnung. Herr Robert Mohl deducirt, daß die Sitzung keine geheime sei, weil die „stenographischen Berichte“ (die bekanntlich von jedem Redner und den Präsidenten nach Gutdünken korrigirt werden können, und im vorliegenden Falle auch bereits die erbaulichsten Entstellungen zu Gunsten der Rechten aufweisen) später „publizirt“ würden. Der Präsident erklärt mit salbungsvoller Unparteilichkeit, daß er „gern den Willen der Mehrheit (Sokratesloge) erfüllen möge“, und läßt darüber abstimmen, ob sich die bekannte „Mehrheit“ an die Geschäftsordnung zu binden wünsche. Die geheime Sitzung geht unter dem Schutz der Bajonette fort. Die „Mehrheit“ beschließt alle Diskussion abzubrechen und sofort zur Abstimmung zu schreiten; Hr. Soiron versucht mehre Anträge, wie den vermittelnden des Herrn Uhland zu unterschlagen, die Linke verläßt den Saal, und die Amnestie wird mit 317 gegen 90 Stimmen verworfen, wobei sich mehrere Mitglieder des rechten Centrums (darunter sogar die beiden Gagern) der Abstimmung enthalten, weil auch die Fragestellung im Sinn der äußersten Rechten eskamotirt worden ist. Gegen die Amnestie stimmen von Rheinländern und Westphalen u. A. die wohlbekannten Herren Adams aus Koblenz, Arndt, Beckerath, Blömer, Böcking aus Trarbach, Bresgen, Bürgers aus Köln, Clemens, Compes aus Köln, Dahlmann, Deiters, Dieringer, Leue, Bischof Müller, Pagenstecher, Reichensperger, Stedtmann aus Koblenz, Werner aus Koblenz, Wiedermann; von Andern noch Hr. Behr aus Bamberg, ferner der „grobe Bettler Vater Jahn“, Herr Jakob Grimm, der als abgesetzter Professor von den Unterstützungen der „Liberalen“ lebte, der Dulder Jucho aus Frankfurt und der ci-devant jungdeutsche Verfolgte und Hofnarr des Fürsten Pückler: Heinrich Laube.
Dies war das Verfahren, mit welchem die Volksvertreter in Frankfurt die Anträge beseitigten, die politischen Verfolgungen der wiedererwachten Reaktion in allen deutschen Staaten von den Schultern des Volks zu nehmen.
Welche erhabenen Wirkungen aus kleinen Ursachen! Ein Abgeordneter stellt die gesegneten Kartätschen des Prinzen von Preußen den unheilvollen Sensen und Mistgabeln der badischen Republikaner gegenüber, und die Versammlung, in welcher kürzlich ein Minister, der weimarische Thersites Wydenbrugk, den König von Hannover einen Rebellen genannt hat, geräth plötzlich in Veitstänze. Ritter Vincke und Graf Wartensleben fordern den Abgeordneten in der Sitzung auf Pistolen, und unterschreiben überdies noch den Antrag auf Ordnungsruf gegen ihn; Herr Plathner und Herr Kerst aus Posen gehen zu Thätlichkeiten über; Ex-Fürst Lychnowsky ermannt sich am andern Tage zu einer Forderung auf Säbel; Herr Soiron holt sich am Abend in einer Parteisitzung Instruktion, die er in der Sitzung abliest; eine geheime Sitzung mit Militärmacht wird vorbereitet und die unbequeme Amnestiefrage im Dunkel rasch über's Knie gebrochen. Wer kann noch sagen, daß der Prinz von Preußen nicht der Rettungsanker der aus Professoren, rheinischen Ultramontanen, verkommenen Liberalen und pauklustigen Junkern bestehenden Majorität des ‒ deutschen Volkes sei? Herr Brentano erklärt in seiner Antwort gegen den Ordnungsruf von der Rednerbühne sogar, daß eine Partei in Potsdam den Prinzen von Preußen mit Beseitigung des Königs auf den Thron zu bringen suche, und wir können hinzufügen, daß diese Nachricht aus derselben Quelle kömmt, welche das geheime Lepel'sche Memoria in die Oeffentlichkeit brachte.
Die Rechte hat ihr „Uebergewicht“ gebraucht, um nach der Verabredung mit dem wackern Herrn Soiron der Linken eine demüthigende Züchtigung zu ertheilen; wir finden nichts Ueberraschendes darin. Die Linke hat allen Insolenzen ihrer Widersacher, allen Gewaltthätigkeiten des Herrn Soiron gegenüber keine andere Genugthuung erhalten, als daß die stenographischen Berichte verfälscht wurden; wir wundern uns eben so wenig darüber, wir kennen diese Linke, welche mit Ausnahme von Schlöffel, Schmidt aus Schlesien und zwei oder drei andern Männern, nur durch die Eitelkeit parlamentarischer Schwätzerei an diese Versammlung gefesselt wird und in einem demokratischen Konvent die äußerste Rechte ausfüllen würde. Steht nicht die Linke durch das Faktum ihrer Wahl „über“ dem Volk?
Wir rathen dem „edlen Gagern“ und seiner Rechten, eine Strafanstalt, ein Carcer u. dgl. zu votiren, um bei vorkommenden Fällen nach „Willen der Mehrheit“ auch die Linke durch die Konstabler Jucho, Biedermann, Soiron abführen zu können.
* Köln, 12. Aug. Die „demokratische Gesellschaft“ von Köln hat folgenden Protest bei der Nationalversammlung eingelegt:
Hohe Nationalversammlung!
Die demokratische Gesellschaft zu Köln, in Erwägung:
1. daß das im Freiheitskampf begriffene Deutschland andere Nationalitäten nicht unterdrücken, sondern in ihrem Streben nach Freiheit und Selbstständigkeit fördern will;
2. daß die Freiwerdung Polens eine Existenzfrage für Deutschland ist;
3. daß den Polen ihre Freiheit und nationale Selbstständigkeit von drei Despoten allerdings wiederholt geraubt;
4. daß seit 1792 alle Attentate gegen Polen und alle Theilungen desselben, von der Reaktion stets gegen die Freiheit von ganz Europa gerichtet und andererseits jedesmal, wenn eine Freimachung der Völker eintrat, auch auf Wiederherstellung Polens gedrungen worden;
5. daß selbst der Fünfziger-Ausschuß jeden Antheil an dem wider Polen abgegangenen Frevel im Namen des deutschen Volkes mit Entrüstung zurückgewiesen und die Pflicht des letzteren zur Herstellung eines selbstständigen Polens mitzuwirken, klar ausgesprochen;
6. daß sogar der König von Preußen nach der Märzrevolution, durch die öffentliche Meinung gezwungen, die Reorganisation Posens feierlich zugesagt;
7. daß demungeachtet die, freilich aus indirekten Wahlen hervorgegangene National-Versammlung zu Frankfurt in der Sitzung vom 27. Juli c. die Einverleibung von 3/4 des Großherzogthums Posen in das noch gar nicht existirende deutsche Reich beschlossen und sich dadurch einer neuen Theilung Polens und der nämlichen Verhöhnung der Freiheit, wie der Wiener Kongreß und der deutsche Bundestag, schuldig gemacht;
8. daß jedoch der gesunde Theil des deutschen Volkes an dem Zertreten der polnischen Nationalität zu Gunsten der Reaktion und im Interesse einer Anzahl preußischer Bureaukraten, Gutsbesitzer und Schacherseelen keinen Theil haben will und kann;
beschließt in ihrer heutigen Sitzung:
gegen den von der deutschen Nationalversammlung am 27. Juli c., bezüglich des Großherzogthums Posen gefaßten Beschluß feierlich zu protestiren und vor Deutschland, Polen und ganz Europa gegen diese lediglich zum Vortheil der reaktionären Partei in Preußen, Rußland und Oestreich beliebte Einverleibung hiermit energische Verwahrung einzulegen.
Die demokratische Gesellschaft. Im Auftrage:
Das Comité.
* Köln, 12. August. Die interessanten Beziehungen unserer Zeitung zu dem öffentlichen Ministerium nehmen noch immer ihren Fortgang. Gestern war wieder einer unserer Redakteure, Ernst Dronke, als Zeuge vor den Instruktionsrichter geladen. Eine eidliche Vernehmung fand nicht Statt, da eine Denunciation vorlag, daß Dronke am Abend nach der Verhaftung Anneke's bei dessen Frau gewesen und dort Notizen über die Verhaftung gesammelt habe. Auf die Frage des Zeugen, gegen wen die Anklage gerichtet sei, wurde die Bezeichnung „Marx und Genossen“ dahin erläutert, daß man den verantwortlichen Geranten Korff nur eventuell, den Redakteur en chef, Karl Marx, dagegen als muthmaßlichen Verfasser des inkriminirten Artikels zur Verantwortung zu ziehen wünsche. ‒ Dronke erklärte übrigens, daß er sich nicht verpflichtet halte, die Wahrheit zu sagen, da er als Redakteur möglicher Weise bei der Autorschaft des Artikels complizirt sein könne, und nicht gegen sich selbst Zeugniß ablege.
X Krefeld, 9. August. Am vergangenen Sonntage, den 6. August, hat unsere, in beiden Parlamenten auf der äußersten Rechten vertretene Stadt den Beweis geliefert, daß die Reaktion noch lange nicht den Boden gewonnen, von dem sie wirklich träumt, wenn sie die Leistungen ihrer Abgeordneten nach Berlin und Frankfurt, wenn sie in dem hiesigen sogenannten konstitutionellen Klub die patriotischen Bestrebungen der weiland Fortschrittsmänner überblickt: am vergangenen Sonntage wurde es klar, daß das demokratische Element in einer imposanten Bedeutsamkeit auch hier vom Volke vertreten ist, und daß die Reaktionäre weiter keine Frucht ihrer lichtscheuen Bemühungen geärntet, als daß sie durch ein ihrer würdiges Organ im Stande waren, die Bürgerwehr-Parade bei der Festfeier zu unterdrücken. ‒ Wenn wir unseres noch aus dem ancien regime herstammenden Stadtrathes nicht besonders erwähnen, so geschieht es deshalb, weil wir ihn nicht in der Eingangs aufgestellten Kategorie ausgeschlossen haben. ‒ Das Fest war in jeder Beziehung für unser Crefeld von großer Bedeutung, denn 1) haben wir gesehen, daß die bisher allmächtige Geldaristokratie die Zügel der Herrschaft verloren, daß 2) die politische Repräsentation der Stadt nur deßwegen einen so reaktionären Charakter zeigt, weil sie im Hinblick auf frühere Zeiten sich entweder durch den Phrasenschwall ihres Deputirten, oder die so wohlfeil erkaufte Märtyrerkrone unserer jetzt so zahmen Demokraten hat täuschen lassen; daß 3) die Bürger sich von ihrer Bedeutsamkeit überzeugt, und daß 4) die Männer erkannt werden konnten, welche unter Allen zuerst die Sache des Volkes und der Freiheit aus reinen Beweggründen verfochten haben. ‒ Unsere Aristokratie hat, irregeführt durch ihre erbärmliche Prozentenpolitik, dem Feste durch ihre Theilnahmlosigkeit einen rein konsessionellen Charakter gegeben, nicht ahnend daß sie dadurch für die Zukunft alle Bedeutung verloren haben muß, da der Census nicht mehr der Hebel geblieben, durch welchen unsere Bourgeois auf die Rathsbänke und ihre Kreaturen auf die Deputirtensitze gehoben wurden. Die Bürgerwehr konnte als willenloses Werkzeug der Bourgeoisie, und von einem ihrer würdigen Kommandanten, Herrn Schnarr vertreten, natürlich ein demokratisches Fest nicht mit feiern. Ihr Kommandant ein ehemals preuß. Lieutenant, dann (wie natürlich) Regierungssekretair, gegenwärtig Special-Direktor bei einer Privat-Eisenbahn, fand es bei diesen Qualitäten und bei seiner Stellung als Landwehrhauptmann nicht vereinbar durch Mitwirkung der Bürgerwehr ein Fest zu verherrlichen welches nach seiner patriotischen Gedankentiefe eine reine Demon, stration (!!?) gegen den preußischen Staat sei, und dann erst statt finden dürfte, wenn ihm nachgewiesen würde daß die Divergenzen zwischen der Vereinbarer-Versammlung und dem Parlamente glücklich beseitigt, und von oben her die allerhöchste Sanktion gekommen sei. ‒ Herr Schnarr hat mit dieser Erklärung sich an die Spitze der hiesigen Krämerwelt, von welcher er seiner Stellung nach abhängig ist, gestellt, und diesen Leuten aus der Seele gesprochen, weil sie vorgeben, daß in der Trikolore die Quelle aller Handels- und Industrie-Noth zu suchen sei.
Wie wir vernommen haben, soll Herr etc. Schnarr in einem Anfalle von Gewissensbissen beschlossen haben, sein Kommando niederzulegen; es wäre im Interesse der großen, der heiligen Sache zu wünschen daß dies sofort geschähe.
!!! Frankfurt, 10. August. 58. Sitzung der National-Versammlung. Die Tagesordnung lautet:
1) Berathung des Ausschußberichts, (erstattet von Wiedenmann), über die Prüfung der in dem Wahlbezirke Thiengen in Baden stattgehabten Wahl zur deutschen Nationalversammlung.
2) Berathung des Ausschußberichts, (erstattet von Cucumus), Separatverhandlungen und Verträge deutscher Staaten mit Dänemark betreffend.
3) Berathung des Ausschußberichts, (erstattet von Mohl), die Störung der Dampfschifffahrt auf der Donau betreffend.
Soiron erklärt, er habe vorgestern erst dann die Räumung der Gallerien beordert, nachdem er von derselben herab verhöhnt worden wäre.
Zimmermann aus Spandau hat von dieser Verhöhnung sowie die ganze Linke nichts bemerkt. Uebrigens sei im Protokoll nicht bemerkt worden, daß Brentano thätlich beleidigt und gefordert worden. (Rechts Gelächter, Links Geschrei.)
Gagern: Die Beleidigungen seien nach der Sitzung gefallen und gehören nicht ins Protokoll.
Fürst Leiningen (Ministerpräsident) hält eine sehr bescheidene Antrittsrede. Freiheit, Einheit, Ruhm und Ehre Deutschlands hat er sich (wie gewöhnlich) zum Ziele genommen. Er bittet um Nachsicht. Er sei kein Mitglied der Versammlung, gewissermaßen ein Fremder, unternehme also ein großes Wagstück, besäße auch wenig Talent, aber ein deutsches Herz (natürlich Bravo)
Gagern bringt die Dombauangelegenheit abermals zur Sprache, da er neue Einladungsschreiben aus Köln bekommen hat. Nach kurzer Debatte wird beschlossen, daß das Bureau eine Kommission niedersetzt um über die Art und Weise der Theilnahme am Feste zu berathen. Aus Regensburg sind 2967 fl zur deutschen Flotte eingegangen.
Puttlitz und Pfitzer zeigen ihren Austritt aus der Versammlung an. Jetzt läßt Gagern eine Anklageschrift verlesen, worin in circa 8 Punkten dem Herrn v. Soiron nachgewiesen wird, daß er in der letzten Brentano'schen Angelegenheit mehrfache Verstöße gegen die Geschäftsordnung, Unterschlagung von Anträgen, Parteilichkeiten, sich hat zu Schulden kommen lassen, weßhalb die Unterzeichner der Schrift (fast die ganze Linke) darauf antragen, daß 1) die Nationalversammlung dem v. Soiron ihre Mißbilligung ausspreche; daß 2) das Produkt seines ungesetzlichen Verfahrens als null und nichtig angesehen, und daß 3) über die unterschlagenen Anträge ordnungsmäßig entschieden werde.
Gagern verlangt, daß diese Schrift an den Ausschuß der Geschäftsordnung verwiesen, jetzt augenblicklich nicht darüber diskutirt werde.
Soiron verlangt augenblickliche Diskussion und zeigt Löwenkraft zu seiner Vertheidigung.
Schaffrath ist für Verweisung an den Ausschuß, für Druck und gründliche Prüfung der Anklageschrift.
Vinke will über seinen und der 170 Abgeordneten gegen Brentano eingebenen Antrag sprechen. Da dies nicht an der Zeit, wird er von der Tribün gewiesen und behält sich das Wort für später vor.
Rödern für Verweisung an den Ausschuß und genaue Prüfung der Anklageschrift.
Vogt ebenfalls. Die etwaigen Vertheidiger des Hrn. v. Soiron müßten ja die Schrift genau lesen
Soiron vom Platz: Er hätte keine Vertheidigung nöthig.
Vogt: Da eine Anklage da sei, so handele er sich natürlich auch um eine Vertheidigung.
Wernher von Nierstein (pathetisch unter furchtbarem Gelächter): Ich appellire an Ihren Patriotismus (paukt auf die Tribüne). Was wird die Welt sagen, wenn sich die Nationalversammlung in Untersuchungen von Persönlichkeiten einläßt. Stimmt für den Mantel (der Vergessenheit. Links, nein! Gelächter, ab!)
Minister Heckscher spricht nicht als Minister, sondern als Abgeordneter. Rührt seine alte Angelegenheit mit Blum, die Aehnlichkeit mit der heutigen habe, auf. Erklärt sich im Allgemeinen gegen Gagern's Antrag.
Plathner (der Duellant) wünscht Untersuchung. Er wird auf's Bestimmteste (Gelächter) nachweisen, daß er Brentano nicht angepackt.
Wesendonk: Auf die Anträge von rechts, worauf Soiron's Ord-
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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