Neue Rheinische Zeitung. Nr. 72. Köln, 11. August 1848.chen, und die Männer und die Frauen nahmen sich einander, wie es gerade kam, so und so. Als dann aber mit der Zeit die Zahlen und das Geld erfunden wurden und das Wechselrecht und die politische Oekonomie und als die Menschen immer klüger und gescheidter wurden und folglich immer eitler und wählerischer, da hörten sie auch allmählig auf, sich so ohne weiteres zu lieben und Jeder trachtete nur darnach, sich eine solche Frau zu verschaffen, wie sie gerade für seinen Beutel, für seine Wechsel oder für seine Oekonomie paßte. Mit einem Worte: Es stellte sich eine durch Interessen geregelte Nachfrage nach Menschen ein, der durch eine angemessene Zufuhr begegnet wurde. Der Weltmarkt der Heirath begann, die Männer und die Frauen fingen an sich gegenseitig zu kaufen! - Von diesem Augenblick an kann man alles Unglück datiren. Die Oekonomie war in die Liebe gefahren, der Mensch wurde ein Artikel, der nun hinfort von der Nachfrage und der Zufuhr abhing und alle Leiden der Ueberproduktion mit der Wolle, der Baumwolle, dem Flachs u. s. w. theilte. Wer nicht ein verheiratheter Gardemajor, ein Landgerichtsrath, ein Banquier, ein Bischof wurde, der sank zu einem Schneider, zu einem Steinklopfer, zu einem Tagelöhner oder dergleichen hinab und die lieblichen Weiber, die keine Gräfinnen, Hauptmänninnen, Kaufmannsfrauen oder sonst etwas wurden, die endeten als Gemüseweiber, Bajaderen und mitunter auch als Ballettänzerinnen. Eine solche, aus der Ueberproduktion hervorgegangene Ballettänzerin kaufte sich unser Schnapphahnski. Armes Kind! Wenn du getanzt hattest, so mußtest du lieben - weder aus Liebe tanzen, noch aus Liebe lieben, sondern tanzen und lieben des lieben Brodes wegen - den Brodtanz der Liebe! Doch unser Ritter hatte ein ritterliches Herz. Eines Tages, als er die Reize seiner Schönen genugsam bewundert, als er ihren Fuß geküßt, ihre Taille umfangen und ihre schwarzen Flechten um die weiße patrizische Hand gewickelt hatte, da schwur er bei allem, was ihm heilig war, bei den Lakaien in O., bei dem Duell in Troppau und bei dem Hohnlächeln Carlotten's, daß er ihr, seiner Tänzerin, einen Schmuck kaufen wolle, reich wie ihre Haarwellen, funkelnd wie ihre Augen und ihre schneidigen Zähne. Hat ein Schnapphahnski je sein Wort gebrochen? Zum nächsten Juwelier ging er und so wahr, wie er keine Friedrichsd'or in seiner Kriegskasse hatte, kaufte er einen Schmuck, der einer Gräfin S., einer Schwester des Grafen G. oder einer Carlotta würdig gewesen wäre. Schnapphahnski hatte Credit - gerade so viel Credit wie ein Ritter ohne Furcht und ohne Tadel haben kann, ein Ritter, der noch einmal Deputirter, Diplomat oder noch etwas schlimmeres werden konnte ... Ueberglücklich war die Tänzerin - bisher hatte sie sich nur das liebe Brod ertanzt, jetzt einen demantenen Schmuck erliebt! Der Name Schnapphahnski's stand leuchtend in ihrem Herzen angeschrieben. Doch überlassen wir die Tänzerin ihrer Freude an den blitzenden Steinen und den Juwelier seiner bangen Erwartung einer baaren Zahlung. Wir müssen nämlich darauf zurückkommen, daß der edle Ritter, während er auf der einen Seite alle Seligkeiten kostete, die ein Engel des Himmels nach dem Schluß der Oper zu bieten im Stande ist, sich auf der andern ernstlich damit beschäftigte: einen Posten im diplomatischen Corps zu erobern. Der edle Ritter sah ein, daß man nicht allein von der Liebe leben kann, sondern daß die Liebe sogar sehr kostspielig ist; selbst wenn man bei seinem Juwelier die billigsten Zahlungsbedingungen hat. Herr von Schnapphahnski besann sich daher, ob er außer seinen gesunden Lenden und außer seinem bewunderungswürdigen Schnurrbart, nicht auch noch einige andere vortheilhafte Eigenschaften und namentlich so viel Grütze besäße, als man im schlimmsten Falle einem diplomatischen Kandidaten zutrauen möchte. Nachdem er sich mehrere Tage lang den Kopf darüber zerbrochen hatte, fand er endlich, daß die heilige Wissenschaft leider keinen besondern Stapelplatz für ihre Schätze darin angelegt hatte. Sein Schädel war klar und durchsichtig wie eine Flasche Wasser und auf der kahlen Lüneburger Haide seines Gedächtnisses tummelte sich freilich manche galante Erinnerung herum, aber leider nichts von alle dem, was die Natur dem Menschen zu erobern überlassen hat. Mit jener liebenswürdigen Frechheit, die einem Mann von Adel eigenthümlich ist, griff unser Ritter daher in den großen Haufen der bürgerlichen Kanaillen, in die Reihen jener Lastthiere der Kunst und der Wissenschaft, die die imaginären Goldklumpen ihres Geistes hin und wieder in das preußische Kurant der Wirklichkeit zu verwechseln pflegen. Mit einem Worte, der Studiosus Pl-r war so gefällig, der unsterblichen Seele des Ritters mit einigen Probearbeiten zu Hülfe zu kommen, die sofort an den gehörigen Ort weiterbefördert wurden und natürlich für die ernormen Kenntnisse des Ritters den unzweideutigsten Beweis lieferten. Wer weiß, zu welchem Posten man den gelehrten Ritter sofort befördert hätte, wenn nicht plötzlich die früheren Aventüren Sr. Hochwohlgeboren auf eine sehr schauerliche Weise bekannt geworden wären! Schon ging man mit dem Gedanken um, den Ritter der Weltgeschichte zu übergeben, da ragten mit einem Male die Stöcke der Bedienten aus O. in Schlesien in die Scene hinein, da erklang der Hohn des Grafen G. und das glückliche Lachen Carlottens und ach, die schöne Arbeit des Studenten Pl-r hatte wieder allen Werth verloren und unser armer Ritter erhielt eine eben so zarte als demüthigend abgefaßte Zurückweisung. Unser Ritter war jetzt wirklich ein "armer Ritter;" wie eine Brodscheibe, geröstet, in verdrießlichen Runzeln aus der Pfanne kommt, so taumelte unser Schnapphahnski vom Unglück gebraten, höchst ärgerlichen Antlitzes zurück von dem Orte alles Heils, von dem Quell aller Aemter und Stellen. Finster schritt er nach Hause: er packte seinen Koffer und sieh', ehe die Morgenröthe kam, lag auch schon Berlin hinter ihm, mit seinen Kirchen und Palästen, mit seinen Geheimräthen und Eckenstehern, mit seinen Ballettänzerinnen und Juwelieren. Auf den Juwelier Schnapphahnski's machte die Abreise des Ritters vor allen Andern den bedauerlichsten Eindruck. Seine Leiden wurden stadtkundig; die Diamantengeschichte des [Deutschland] [Fortsetzung] Also spricht der Berichterstatter. Wie er zu sprechen beginnt, geht die Linke mit Geräusch aus dem Saal. Vogt höhnisch: Meine Herren, wir empfehlen uns (die Rechte lacht und freut sich, daß die Opposition fortgeht, und man nun ruhig das Henkeramt an den zu Amnestirenden vornehmen kann.) Der Berichterstatter wirft den gestrigen Koth noch einmal auf Hecker und seine Genossen, und meint gegen das Ende 279 Gefangene hätte Baden schon entlassen, (nämlich in ihre Heimath an die Behörden abgeliefert.) Auch gehe es den Gefangenen in Bruchsal ganz nach Wunsch, (d. h. nach Herrn Wiedemann's Wunsch). Roßmäsler trägt noch einmal auf Vertagung an. (Wird heruntergebrüllt) Schodler (Edler von Stuttgart): Wenn wir jetzt vertagen, nachdem die Linke fort ist, blamiren wir uns vor einer kleinen Minorität. (Bravo!) Ein Unbekannter von Links (halb heulend): Ein Theil von uns ist hier geblieben; wir wollen mit abstimmen. (Bravo!) Soiron verliest mit zerknirschter Stimme die Anträge über deren Reihenfolge bei der Abstimmung Wiedemann, Schwerin, Jordan, Uhland, u. A. debattiren. Endlich wird abgestimmt, und zwar namentlich über den Antrag des Ausschusses: "Will die Nationalversammlung über die Amnestiefrage zur motivirten Tagesordnung übergehen?" Diese Frage wird bejaht, und somit ist die Sache der armen Gefangenen und die Sache menschlicher Barmherzigkeit abgethan. Anwesend waren 416. Nicht mitgestimmt haben 9. Mit "ja" 317. Mit "nein" 90 Die Linke hatte, wie gesagt, den Saal verlassen. Schüler, Wedekind, Schaffrath erklärten nicht zu stimmen in geheimer Versammlung. Mit dem "ja" haben u. A. gestimmt: Saucken, Schmerling, Stenzel, Stedtmann, Wiedenbrugk, der alte v. Lindenau, Mittermayer, Arndt, Bassermann, Bekerrath(!), Bürgers und Kompes aus Köln, Dahlmann, Gieskra, Jahn (!), Jucho, Laube (ein unbekannter Schriftsteller), Lassaulx etc. Nach der Abstimmung werden einige Spezialerklärungen zu Protokoll gegeben. Hierauf berichtet Hormann einige Urlaube, welche genehmigt werden, und um 3 Uhr schließt Soiron die Sitzung. Morgen, Mittwoch, keine Sitzung. Tagesordnung für Donnerstag: die Hecker'sche Wahlangelegenheit u. s. w. Als wir die Kirche verließen, passirten wir ein langes Spalier von Bürgerwachen. Das Volk war in die Straßen zurückgedrängt. Der Paulsplatz geräumt. Lichnowsky wurde mit Hohngelächter empfangen, er sagte zu einem neben ihm gehenden Freund: "Das bin ich, das bin ich!" (Der edle Fürst koquettirt sogar mit der Verachtung des Volks.) 15 Frankfurt, 8 Aug. Aus guter Quelle folgen einige Spezialia der gestrigen denkwürdigen Tribünenschlacht. Vincke stürzte zuerst vom Platz auf Hrn. Brentano los, um ihn mit den Worten: "Herunter Du Hundsfott!" von der Tribüne zu reißen, wobei er ihn faktisch beim Arme faßte. Brentano blieb natürlich oben. Später stürzte v. Vincke noch einmal auf ihn los, um ihm eine Forderung zuzurufen, die Brentano mit folgenden Worten aufnahm: "Vor der Kirche mögen Sie mir sagen, was Sie Lust haben, hier lassen Sie mich sofort gehen, oder ich schlage ihnen in's Gesicht!" Als v. Vincke hierauf noch mit einigen Hundsföttern die Linke haranguirte, schrie ihm Reichhard zu: "v. Vincke, Sie sind ja ein Sch...kerl!" Mehrere Forderungen auch zwischen Bally und der Linken sollen ergangen sein. Viele von der Rechten wollen heute austreten, wenn Brentano nicht ausgestoßen wird. Brentano wird heute (um 9 Uhr ist Sitzung und Fortsetzung der Debatte) sogleich die Bühne wieder besteigen und seine Rede fortsetzen. Gestern brachte man Brentano ein Ständchen, wobei v. Itzstein, Simon (Trier) und Brentano zum Volk sprachen. Brentano sagte es selbst aus: "daß man Hand an ihn gelegt habe." Viele andere denkwürdige Anekdoten circuliren. Hr. Jahn (der Volksmann) war der erste, der gestern schrie, man solle die Gallerien räumen, als diese Theil zu nehmen begannen. 14 Berlin, 8. August. Die Aufregung wächst und erfahrene Leute sagen, es sei gerade so wie vor dem 18. März! Am gestrigen Abend wurden durch Bürgerwehr und Konstabler 62 Personen verhaftet. Es gab Kolbenstöße, gefällte Bajonnett-Attaken, Steinregen etc. Einem ehrsamen Bürger wurde von 5-6 Bürgerwehrmännern der Kopf mit dem Kuhfuß dermaßen zerschlagen, daß er wahrscheinlich sterben wird. Aus einigen Häusern soll man Steine auf Bürgerwehr und Konstabler geschleudert haben. Einige der ersteren wurden vom Volke entwaffnet. Wir waren Augenzeugen von dem brutalen Benehmen der Bürgerwehr des 30 Bezirks (Mittelstraße); da sollte man die Gensdarmen bitten, diese Helden abzulösen. Vor dem Hippelschen Lokal nahmen sie ohne allen Grund den beliebten Volksredner Müller gefangen, weil er allein da stand und nicht die Geschicklichkeit besaß auseinander zu gehen. Am heutigen Abend erwartet man noch größere Dinge. Kaiser, Oberst der Schutzmannschaften, entschuldigt sich öffentlich. "Es sei noch nicht möglich gewesen, die Schutzmänner, größtentheils hiesige Bürger und Handwerker, schon zu ganz gewandten und umsichtigen Beamten auszubilden." Wir bestreiten dies. Gewandt sind die Kerle schon, sie schleichen sich unter die Massen und überfallen plötzlich rücklings die ihnen Mißliebigen, schleppen sie bis ans Eisengitter unter den Linden, lassen sie dort überkollern und bringen sie so in Sicherheit. Auch umsichtig sind sie: Helfershelfer machen den Demokraten Kreidestriche auf den Rücken, damit sie von ihnen erkannt werden etc. Hr. Kaiser sagt ferner: "Vorläufig sind die Schutzmänner angewiesen, vorzugsweise für Ordnung und Ruhe auf den Straßen zu sorgen und gegen Bettler, Vagabonden und liederliche Dirnen einzuschreiten." Spät am gestrigen Nachmittage wurde das Publikum durch einen Maueranschlag von Hrn. Rimpler benachrichtigt, daß heute Morgen 10 Uhr feierliche Parade der Bürgerwehr unter den Linden stattfinden solle zu öffentlicher Anerkennung der Vereinigung Deutschlands. Der Herr Minister-Präsident werde die Parade abhalten. Obwohl die Verstimmung gegen Rimpler durch das Aufschieben der Parade groß war, so mochte doch die letztere Anzeige Viele bewogen haben zu erscheinen. Der Zug war bedeutend. Herr Rimpler brachte der Einheit Deutschlands und dem Reichsverweser ein dreimaliges Hoch, in welches die Minister, Deputirten, Bürgerwehr und Umstehende mit donnerndem Rufe einstimmten. Dem Könige wurde kein Hoch gebracht, doch rumorte die Musik beim Zuge am Schlosse vorüber. Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen von der gestrigen Anwesenheit Sr. Majestät nichts berichtet habe. Dieses Ereigniß war nicht zu meiner Kenntniß gekommen. Wie ich aus hiesigen Zeitungen erfahre, hat Se. Maj. bei der hiesigen Schützengilde (dem alten Institut) eine Parade abgenommen und in dem darauf stattfindenden Königsschießen den Schuß als zweiter Ritter gethan. Wer der erste Ritter war, ist tiefes Geheimniß. - Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen soll verstimmt aus Pommern zurückgekehrt sein. Aus Pommern sogar. Wehe denen, die im April oder Mai sich mißliebig über die Person Sr. Königl. Hoheit geäußert haben. Herr Held hat ein gutes Werk gethan. Seine neueste Lokomotive enthält die Liste aller Mitglieder des hiesigen Denunciantenklubs. Das Volk notirt sich fleißig die Hausnummern. Unter den Mitgliedern befinden sich auch einige Majore der Bürgerwehr und Hr. Dr. Hermes, früher Redakteur der Kölnischen Zeitung etc. Wie sehr gesetzlich unsre Zustände sind, will ich Ihnen durch ein Pröbchen zeigen. Vor einigen Tagen hatte der speichelleckerische Hr. Merlmene ein serviles Plakat an die Straßenecken kleben lassen, zu dessen Widerlegung sich ein Fremder, Hr. Bernhard aus Spremberg (Niederlausitz), veranlaßt fand. Er that dies, indem er Hrn. Malmene einen Brief schrieb. Dieser Herr aber trägt den Brief aufs Polizei-Präsidium und Hr. Bernhard erhält heute, ohne angeklagt oder vernommen zu sein, einen Zwangspaß in seine Heimath. Herr Bernhard will Rekurs beim Minister des Innern einlegen. 103 Berlin, 8. Aug. Morgensitzung der Vereinbarer-Versammlung; 81/2 Uhr. Nach Verlesung des Protokolls macht der Präsident Grabow die Anzeige, daß eine Einladung vom Kommando der Bürgerwehr an die Versammlung eingegangen, um an der Vormittags 10 Uhr stattfindenden Parade zur Feier der Vereinigung Deutschlands Theil zu nehmen. Die Herren Minister haben bereits dem Präsidium angezeigt, daß sie um 10 Uhr die Sitzung auf einige Stunden verlassen müßten, um die Parade abzunehmen. Er stellt nun der Versammlung anheim, welchen Beschluß sie fassen wolle. Abg. Baumstark ist der Ansicht, daß die Einladung eines Theils zu spät eingegangen, andern Theils hat die Versammlung bereits in der bekannten Sitzung vom 4. Juli dem einigen Deutschland ein Lebehoch ausgebracht und ihre Gesinnung damit bekundet. Da aber die Minister jedenfalls die Sitzung auf 1-2 Stunden verlassen müssen, möge die Versammlung ihre Sitzung einfach während der Dauer der Parade sistiren. Abg. Stein von der Linken erklärt sich auch der Ansicht des vorigen Redners, aber aus andern Gründen. Nach einigen sanften Klagen, daß die Erwartungen (!) von dem Ministerium durch den Peucker'schen Erlaß getäuscht worden, bemerkt er "mit Bedauern", daß heute endlich, gerade nicht an dem von der Centralgewalt offiziell anberaumten Tage, eine Parade abgehalten werde. Will gleichzeitig einen Antrag ankündigen, den er in den nächsten Tagen stellen werde, und welcher dahin geht:"Das Staats-Ministerium zu ersuchen, uns den Noten- und Schriftenwechsel zwischen ihm und der deutschen Centralgewalt offiziell mitzutheilen." Minister-Präsident Auerswald will, da der gemachte Antrag nicht angekündigt war, die weitere Diskussion durch ein Eingehen auf denselben nicht stören. Der Vorwurf, welcher dem Ministerium gemacht ist, als habe es in der deutschen Angelegenheit zurückhaltend verfahren, als habe es seine Verhandlungen umschleiert, sei jedoch nicht gerechtfertigt. Er berufe sich auf das Zeugniß der Versammlung. Die Majorität beschließt hierauf die Parade in Corpore beizuwohnen, nach Beendigung derselben, Nachmittags die Sitzung wieder aufzunehmen und außerdem auf morgen früh 10 Uhr ausnahmsweise noch eine Sitzung anzuberaumen. Der Präsident giebt Mittheilung über den Beschluß der Kommission zur Betheiligung an der Säkularfeier des Kölner Dombaues. Die Kommission schlägt vor eine Deputation aus drei Mitgliedern, bestehend aus den Abgeordneten: Philipps, v. Auerswald und Dr. Elsner zur Vertretung der Versammlung bei der Säkularfeier nach Köln zu senden, welches mit großer Majorität angenommen wird. - Der Präsident wird der Deputation ein Legitimationsschreiben mitgeben. - Vicepräsident v. Unruh macht noch den Vorschlag, daß es jedem Abgeordneten freistehen soll, sich der Deputation zur Dombaufeier anzuschließen, welcher ebenfalls angenommen wird. Vicepräsident Kosch, als Vorsitzender der Kommission zur Berathung der Habeas-Corpus-Akte, kündigt an, daß wegen den vielen hinzugetretenen Schwierigkeiten, es der Central-Abtheilung trotz aller Anstrengungen nicht gelungen sei, nach dem vor 8 Tagen von der Versammlung gefaßten Beschluß, den Gesetz Entwurf heute vorzulegen. Besonders sind die Schwierigkeiten hervorgehoben worden, die einer Ausführung dieses Gesetzes in den altländischen Provinzen entgegenstehn, in denen eine vollständige Reorganisation der Gerichte vorhergehen müsse. Die Central-Abtheilung hat nun erst eine Kommission von drei ihrer Mitglieder, die Abgeordneten Waldeck, Simons und Wachsmuth ernannt, um einen neuen Gesetz Entwurf vorzulegen. Diese haben ihre Arbeit beendet und der erste Theil, von der Unverletzlichkeit der Person, ist bereits in der Abtheilung berathen und angenommen. In 8 Tagen, wird der Versammlung der vollkommene Gesetz-Entwurf zugehen können. Esser II., als Vorsitzender der Fachkommission für Gemeinde-Verfassung macht auf Beschwerden, welche eingegangen sind aufmerksam; insbesondere auf eine, von der Stadtgemeinde zu Preußisch-Stargardt und vielen Landgemeinden dieses Kreises, wegen der am 6. April und 25. Juni stattgefundenen Neuwahl eines Landraths dieses Kreises. In Folge dieser Vorstellungen hat die Fach-Kommission beschlossen den Antrag zu stellen, das Ministerium zu ersuchen, die vorgenommene Wahl nicht zu bestätigen, und daß es überhaupt alle erledigten Landrathsstellen bis zur definitiven Erlassung der neuen Gemeindeordnung nur kommissarisch besetzen lasse. Minister Kühlwetter. Ich sehe mich genöthigt auf zwei Gegenstände, die heute hier berührt worden sind, eine Erklärung abzugeben. Das Ministerium ist unablässig beschäftigt gewesen die Gemeinde-Ordnung auf das Sorgfältigste vorzubereiten und Deputirte aus allen Provinzen sind zu Rathe gezogen worden. Ein Entwurf, der vielfach verbessert worden ist, liegt bereits im Ministerium vor. Der Fall in Preußisch-Stargardt gehört wie Sie aus den Daten ersehen, einer frühern Zeit an, ehe ich ins Ministerium eintrat. Bei meinem Eintritt ins Ministerium habe ich, wie schon früher mitgetheilt ist, die Besetzung aller erledigten Bürgermeister- und Landrathsstellen sistiren lassen, ganz so wie der Antrag der Kommission verlangt, deshalb ist er ganz unnöthig. Die Versammlung beschließt dennoch dem Antrag der Kommission beizustimmen. - Hierauf geht man in der Abstimmung über das Gesetz, die Aufhebung der Todesstrafe weiter. - Der Abgeordnete Reichensperger hat folgendes Amendement zum §. 1. gestellt: "Die Todesstrafe ist bei allen Verbrechen mit Ausnahme des Hochverraths und des Mordes mit Vorbedacht abgeschafft. - Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei derselben." Zuerst werden in Folge dieses Amendements, die Fragen zertheilt und die erste Frage: "Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Hochverraths aufgehoben werden?" nach namentlicher Abstimmung mit 315 gegen 28 Stimmen bejaht. - Der Minister-Präsident stimmte für Beibehaltung der Todesstrafe. - Die Vereinbarer begaben sich hierauf sämmtlich gegen 101/2 Uhr zur Parade. Nachmittags Sitzung. Nach Beendigung der Parade versammeln sich die Vereinbarer von Neuem und die Sitzung wird gegen 1 Uhr eröffnet. - Die zweite Frage lautet: "Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Mordes mit Vorbedacht aufgehoben werden?" Diese Frage wird ebenfalls, wie die erste in der Morgensitzung nach namentlichem Aufruf mit 248 gegen 80 Stimmen bejaht. Der Minister-Präsident und viele Mitglieder der Rechten mit Reichensperger, Baumstark, Riedel, v. Daniels und Professor Niemeyer an der Spitze stimmten für Beibehaltung der Todesstrafe in beiden Fragen. - Nun kommt die Abstimmung über das Amendement des Abgeordneten Ludwig: "Für den Fall eines Krieges oder Belagerungszustandes verbleibt es jedoch bei der in den Gesetzen angedrohten Todesstrafe" welches nach namentlicher Abstimmung mit 173 gegen 166 Stimmen verworfen wird. Hierauf wird über den letzten Theil des Reichensperger'schen Amendements, welches mit dem zweiten Theil des §. 1. des Gesetz-Entwurfs gleichlautend ist abgestimmt: "Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei denselben." Dieser Theil wird mit 166 gegen 160 Stimmen angenommen; demnach ist die Todesstrafe in Kriegszeiten beibehalten. - Alsdann kommt der Zusatz des Abg. Weichsel zu obigem Theil zur Abstimmung und wird mit großer Majorität angenommen; er lautet: "sie (die Todesstrafe) fällt aber weg, sobald als sie noch nicht vor Beendigung des Kriegs- oder Belagerungszustandes vollstreckt ist." Endlich wird auch der dritte Theil des §. 1. mit großer Majorität angenommen, welcher lautet: "Unter welchen Umständen, mit welchen Formen und Wirkungen ein Belagerungszustand ausgesprochen werden darf, bleibt einem besondern Gesetze vorbehalten." Alsdann kommt der §. 2. zur Berathung, welcher lautet: "An die Stelle der Todesstrafe tritt im Bezirke des Rheinisches Appellations-Gerichtshofes die lebenswierige Zwangsarbeitsstrafe, in den übrigen Landestheilen lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe." Der Abg. Kühnemann hat dafür folgende Fassung vorge- chen, und die Männer und die Frauen nahmen sich einander, wie es gerade kam, so und so. Als dann aber mit der Zeit die Zahlen und das Geld erfunden wurden und das Wechselrecht und die politische Oekonomie und als die Menschen immer klüger und gescheidter wurden und folglich immer eitler und wählerischer, da hörten sie auch allmählig auf, sich so ohne weiteres zu lieben und Jeder trachtete nur darnach, sich eine solche Frau zu verschaffen, wie sie gerade für seinen Beutel, für seine Wechsel oder für seine Oekonomie paßte. Mit einem Worte: Es stellte sich eine durch Interessen geregelte Nachfrage nach Menschen ein, der durch eine angemessene Zufuhr begegnet wurde. Der Weltmarkt der Heirath begann, die Männer und die Frauen fingen an sich gegenseitig zu kaufen! ‒ Von diesem Augenblick an kann man alles Unglück datiren. Die Oekonomie war in die Liebe gefahren, der Mensch wurde ein Artikel, der nun hinfort von der Nachfrage und der Zufuhr abhing und alle Leiden der Ueberproduktion mit der Wolle, der Baumwolle, dem Flachs u. s. w. theilte. Wer nicht ein verheiratheter Gardemajor, ein Landgerichtsrath, ein Banquier, ein Bischof wurde, der sank zu einem Schneider, zu einem Steinklopfer, zu einem Tagelöhner oder dergleichen hinab und die lieblichen Weiber, die keine Gräfinnen, Hauptmänninnen, Kaufmannsfrauen oder sonst etwas wurden, die endeten als Gemüseweiber, Bajaderen und mitunter auch als Ballettänzerinnen. Eine solche, aus der Ueberproduktion hervorgegangene Ballettänzerin kaufte sich unser Schnapphahnski. Armes Kind! Wenn du getanzt hattest, so mußtest du lieben ‒ weder aus Liebe tanzen, noch aus Liebe lieben, sondern tanzen und lieben des lieben Brodes wegen ‒ den Brodtanz der Liebe! Doch unser Ritter hatte ein ritterliches Herz. Eines Tages, als er die Reize seiner Schönen genugsam bewundert, als er ihren Fuß geküßt, ihre Taille umfangen und ihre schwarzen Flechten um die weiße patrizische Hand gewickelt hatte, da schwur er bei allem, was ihm heilig war, bei den Lakaien in O., bei dem Duell in Troppau und bei dem Hohnlächeln Carlotten's, daß er ihr, seiner Tänzerin, einen Schmuck kaufen wolle, reich wie ihre Haarwellen, funkelnd wie ihre Augen und ihre schneidigen Zähne. Hat ein Schnapphahnski je sein Wort gebrochen? Zum nächsten Juwelier ging er und so wahr, wie er keine Friedrichsd'or in seiner Kriegskasse hatte, kaufte er einen Schmuck, der einer Gräfin S., einer Schwester des Grafen G. oder einer Carlotta würdig gewesen wäre. Schnapphahnski hatte Credit ‒ gerade so viel Credit wie ein Ritter ohne Furcht und ohne Tadel haben kann, ein Ritter, der noch einmal Deputirter, Diplomat oder noch etwas schlimmeres werden konnte … Ueberglücklich war die Tänzerin ‒ bisher hatte sie sich nur das liebe Brod ertanzt, jetzt einen demantenen Schmuck erliebt! Der Name Schnapphahnski's stand leuchtend in ihrem Herzen angeschrieben. Doch überlassen wir die Tänzerin ihrer Freude an den blitzenden Steinen und den Juwelier seiner bangen Erwartung einer baaren Zahlung. Wir müssen nämlich darauf zurückkommen, daß der edle Ritter, während er auf der einen Seite alle Seligkeiten kostete, die ein Engel des Himmels nach dem Schluß der Oper zu bieten im Stande ist, sich auf der andern ernstlich damit beschäftigte: einen Posten im diplomatischen Corps zu erobern. Der edle Ritter sah ein, daß man nicht allein von der Liebe leben kann, sondern daß die Liebe sogar sehr kostspielig ist; selbst wenn man bei seinem Juwelier die billigsten Zahlungsbedingungen hat. Herr von Schnapphahnski besann sich daher, ob er außer seinen gesunden Lenden und außer seinem bewunderungswürdigen Schnurrbart, nicht auch noch einige andere vortheilhafte Eigenschaften und namentlich so viel Grütze besäße, als man im schlimmsten Falle einem diplomatischen Kandidaten zutrauen möchte. Nachdem er sich mehrere Tage lang den Kopf darüber zerbrochen hatte, fand er endlich, daß die heilige Wissenschaft leider keinen besondern Stapelplatz für ihre Schätze darin angelegt hatte. Sein Schädel war klar und durchsichtig wie eine Flasche Wasser und auf der kahlen Lüneburger Haide seines Gedächtnisses tummelte sich freilich manche galante Erinnerung herum, aber leider nichts von alle dem, was die Natur dem Menschen zu erobern überlassen hat. Mit jener liebenswürdigen Frechheit, die einem Mann von Adel eigenthümlich ist, griff unser Ritter daher in den großen Haufen der bürgerlichen Kanaillen, in die Reihen jener Lastthiere der Kunst und der Wissenschaft, die die imaginären Goldklumpen ihres Geistes hin und wieder in das preußische Kurant der Wirklichkeit zu verwechseln pflegen. Mit einem Worte, der Studiosus Pl‒r war so gefällig, der unsterblichen Seele des Ritters mit einigen Probearbeiten zu Hülfe zu kommen, die sofort an den gehörigen Ort weiterbefördert wurden und natürlich für die ernormen Kenntnisse des Ritters den unzweideutigsten Beweis lieferten. Wer weiß, zu welchem Posten man den gelehrten Ritter sofort befördert hätte, wenn nicht plötzlich die früheren Aventüren Sr. Hochwohlgeboren auf eine sehr schauerliche Weise bekannt geworden wären! Schon ging man mit dem Gedanken um, den Ritter der Weltgeschichte zu übergeben, da ragten mit einem Male die Stöcke der Bedienten aus O. in Schlesien in die Scene hinein, da erklang der Hohn des Grafen G. und das glückliche Lachen Carlottens und ach, die schöne Arbeit des Studenten Pl‒r hatte wieder allen Werth verloren und unser armer Ritter erhielt eine eben so zarte als demüthigend abgefaßte Zurückweisung. Unser Ritter war jetzt wirklich ein „armer Ritter;“ wie eine Brodscheibe, geröstet, in verdrießlichen Runzeln aus der Pfanne kommt, so taumelte unser Schnapphahnski vom Unglück gebraten, höchst ärgerlichen Antlitzes zurück von dem Orte alles Heils, von dem Quell aller Aemter und Stellen. Finster schritt er nach Hause: er packte seinen Koffer und sieh', ehe die Morgenröthe kam, lag auch schon Berlin hinter ihm, mit seinen Kirchen und Palästen, mit seinen Geheimräthen und Eckenstehern, mit seinen Ballettänzerinnen und Juwelieren. Auf den Juwelier Schnapphahnski's machte die Abreise des Ritters vor allen Andern den bedauerlichsten Eindruck. Seine Leiden wurden stadtkundig; die Diamantengeschichte des [Deutschland] [Fortsetzung] Also spricht der Berichterstatter. Wie er zu sprechen beginnt, geht die Linke mit Geräusch aus dem Saal. Vogt höhnisch: Meine Herren, wir empfehlen uns (die Rechte lacht und freut sich, daß die Opposition fortgeht, und man nun ruhig das Henkeramt an den zu Amnestirenden vornehmen kann.) Der Berichterstatter wirft den gestrigen Koth noch einmal auf Hecker und seine Genossen, und meint gegen das Ende 279 Gefangene hätte Baden schon entlassen, (nämlich in ihre Heimath an die Behörden abgeliefert.) Auch gehe es den Gefangenen in Bruchsal ganz nach Wunsch, (d. h. nach Herrn Wiedemann's Wunsch). Roßmäsler trägt noch einmal auf Vertagung an. (Wird heruntergebrüllt) Schodler (Edler von Stuttgart): Wenn wir jetzt vertagen, nachdem die Linke fort ist, blamiren wir uns vor einer kleinen Minorität. (Bravo!) Ein Unbekannter von Links (halb heulend): Ein Theil von uns ist hier geblieben; wir wollen mit abstimmen. (Bravo!) Soiron verliest mit zerknirschter Stimme die Anträge über deren Reihenfolge bei der Abstimmung Wiedemann, Schwerin, Jordan, Uhland, u. A. debattiren. Endlich wird abgestimmt, und zwar namentlich über den Antrag des Ausschusses: „Will die Nationalversammlung über die Amnestiefrage zur motivirten Tagesordnung übergehen?“ Diese Frage wird bejaht, und somit ist die Sache der armen Gefangenen und die Sache menschlicher Barmherzigkeit abgethan. Anwesend waren 416. Nicht mitgestimmt haben 9. Mit „ja“ 317. Mit „nein“ 90 Die Linke hatte, wie gesagt, den Saal verlassen. Schüler, Wedekind, Schaffrath erklärten nicht zu stimmen in geheimer Versammlung. Mit dem „ja“ haben u. A. gestimmt: Saucken, Schmerling, Stenzel, Stedtmann, Wiedenbrugk, der alte v. Lindenau, Mittermayer, Arndt, Bassermann, Bekerrath(!), Bürgers und Kompes aus Köln, Dahlmann, Gieskra, Jahn (!), Jucho, Laube (ein unbekannter Schriftsteller), Lassaulx etc. Nach der Abstimmung werden einige Spezialerklärungen zu Protokoll gegeben. Hierauf berichtet Hormann einige Urlaube, welche genehmigt werden, und um 3 Uhr schließt Soiron die Sitzung. Morgen, Mittwoch, keine Sitzung. Tagesordnung für Donnerstag: die Hecker'sche Wahlangelegenheit u. s. w. Als wir die Kirche verließen, passirten wir ein langes Spalier von Bürgerwachen. Das Volk war in die Straßen zurückgedrängt. Der Paulsplatz geräumt. Lichnowsky wurde mit Hohngelächter empfangen, er sagte zu einem neben ihm gehenden Freund: „Das bin ich, das bin ich!“ (Der edle Fürst koquettirt sogar mit der Verachtung des Volks.) 15 Frankfurt, 8 Aug. Aus guter Quelle folgen einige Spezialia der gestrigen denkwürdigen Tribünenschlacht. Vincke stürzte zuerst vom Platz auf Hrn. Brentano los, um ihn mit den Worten: „Herunter Du Hundsfott!“ von der Tribüne zu reißen, wobei er ihn faktisch beim Arme faßte. Brentano blieb natürlich oben. Später stürzte v. Vincke noch einmal auf ihn los, um ihm eine Forderung zuzurufen, die Brentano mit folgenden Worten aufnahm: „Vor der Kirche mögen Sie mir sagen, was Sie Lust haben, hier lassen Sie mich sofort gehen, oder ich schlage ihnen in's Gesicht!“ Als v. Vincke hierauf noch mit einigen Hundsföttern die Linke haranguirte, schrie ihm Reichhard zu: „v. Vincke, Sie sind ja ein Sch…kerl!“ Mehrere Forderungen auch zwischen Bally und der Linken sollen ergangen sein. Viele von der Rechten wollen heute austreten, wenn Brentano nicht ausgestoßen wird. Brentano wird heute (um 9 Uhr ist Sitzung und Fortsetzung der Debatte) sogleich die Bühne wieder besteigen und seine Rede fortsetzen. Gestern brachte man Brentano ein Ständchen, wobei v. Itzstein, Simon (Trier) und Brentano zum Volk sprachen. Brentano sagte es selbst aus: „daß man Hand an ihn gelegt habe.“ Viele andere denkwürdige Anekdoten circuliren. Hr. Jahn (der Volksmann) war der erste, der gestern schrie, man solle die Gallerien räumen, als diese Theil zu nehmen begannen. 14 Berlin, 8. August. Die Aufregung wächst und erfahrene Leute sagen, es sei gerade so wie vor dem 18. März! Am gestrigen Abend wurden durch Bürgerwehr und Konstabler 62 Personen verhaftet. Es gab Kolbenstöße, gefällte Bajonnett-Attaken, Steinregen etc. Einem ehrsamen Bürger wurde von 5‒6 Bürgerwehrmännern der Kopf mit dem Kuhfuß dermaßen zerschlagen, daß er wahrscheinlich sterben wird. Aus einigen Häusern soll man Steine auf Bürgerwehr und Konstabler geschleudert haben. Einige der ersteren wurden vom Volke entwaffnet. Wir waren Augenzeugen von dem brutalen Benehmen der Bürgerwehr des 30 Bezirks (Mittelstraße); da sollte man die Gensdarmen bitten, diese Helden abzulösen. Vor dem Hippelschen Lokal nahmen sie ohne allen Grund den beliebten Volksredner Müller gefangen, weil er allein da stand und nicht die Geschicklichkeit besaß auseinander zu gehen. Am heutigen Abend erwartet man noch größere Dinge. Kaiser, Oberst der Schutzmannschaften, entschuldigt sich öffentlich. „Es sei noch nicht möglich gewesen, die Schutzmänner, größtentheils hiesige Bürger und Handwerker, schon zu ganz gewandten und umsichtigen Beamten auszubilden.“ Wir bestreiten dies. Gewandt sind die Kerle schon, sie schleichen sich unter die Massen und überfallen plötzlich rücklings die ihnen Mißliebigen, schleppen sie bis ans Eisengitter unter den Linden, lassen sie dort überkollern und bringen sie so in Sicherheit. Auch umsichtig sind sie: Helfershelfer machen den Demokraten Kreidestriche auf den Rücken, damit sie von ihnen erkannt werden etc. Hr. Kaiser sagt ferner: „Vorläufig sind die Schutzmänner angewiesen, vorzugsweise für Ordnung und Ruhe auf den Straßen zu sorgen und gegen Bettler, Vagabonden und liederliche Dirnen einzuschreiten.“ Spät am gestrigen Nachmittage wurde das Publikum durch einen Maueranschlag von Hrn. Rimpler benachrichtigt, daß heute Morgen 10 Uhr feierliche Parade der Bürgerwehr unter den Linden stattfinden solle zu öffentlicher Anerkennung der Vereinigung Deutschlands. Der Herr Minister-Präsident werde die Parade abhalten. Obwohl die Verstimmung gegen Rimpler durch das Aufschieben der Parade groß war, so mochte doch die letztere Anzeige Viele bewogen haben zu erscheinen. Der Zug war bedeutend. Herr Rimpler brachte der Einheit Deutschlands und dem Reichsverweser ein dreimaliges Hoch, in welches die Minister, Deputirten, Bürgerwehr und Umstehende mit donnerndem Rufe einstimmten. Dem Könige wurde kein Hoch gebracht, doch rumorte die Musik beim Zuge am Schlosse vorüber. Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen von der gestrigen Anwesenheit Sr. Majestät nichts berichtet habe. Dieses Ereigniß war nicht zu meiner Kenntniß gekommen. Wie ich aus hiesigen Zeitungen erfahre, hat Se. Maj. bei der hiesigen Schützengilde (dem alten Institut) eine Parade abgenommen und in dem darauf stattfindenden Königsschießen den Schuß als zweiter Ritter gethan. Wer der erste Ritter war, ist tiefes Geheimniß. ‒ Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen soll verstimmt aus Pommern zurückgekehrt sein. Aus Pommern sogar. Wehe denen, die im April oder Mai sich mißliebig über die Person Sr. Königl. Hoheit geäußert haben. Herr Held hat ein gutes Werk gethan. Seine neueste Lokomotive enthält die Liste aller Mitglieder des hiesigen Denunciantenklubs. Das Volk notirt sich fleißig die Hausnummern. Unter den Mitgliedern befinden sich auch einige Majore der Bürgerwehr und Hr. Dr. Hermes, früher Redakteur der Kölnischen Zeitung etc. Wie sehr gesetzlich unsre Zustände sind, will ich Ihnen durch ein Pröbchen zeigen. Vor einigen Tagen hatte der speichelleckerische Hr. Merlmene ein serviles Plakat an die Straßenecken kleben lassen, zu dessen Widerlegung sich ein Fremder, Hr. Bernhard aus Spremberg (Niederlausitz), veranlaßt fand. Er that dies, indem er Hrn. Malmene einen Brief schrieb. Dieser Herr aber trägt den Brief aufs Polizei-Präsidium und Hr. Bernhard erhält heute, ohne angeklagt oder vernommen zu sein, einen Zwangspaß in seine Heimath. Herr Bernhard will Rekurs beim Minister des Innern einlegen. 103 Berlin, 8. Aug. Morgensitzung der Vereinbarer-Versammlung; 81/2 Uhr. Nach Verlesung des Protokolls macht der Präsident Grabow die Anzeige, daß eine Einladung vom Kommando der Bürgerwehr an die Versammlung eingegangen, um an der Vormittags 10 Uhr stattfindenden Parade zur Feier der Vereinigung Deutschlands Theil zu nehmen. Die Herren Minister haben bereits dem Präsidium angezeigt, daß sie um 10 Uhr die Sitzung auf einige Stunden verlassen müßten, um die Parade abzunehmen. Er stellt nun der Versammlung anheim, welchen Beschluß sie fassen wolle. Abg. Baumstark ist der Ansicht, daß die Einladung eines Theils zu spät eingegangen, andern Theils hat die Versammlung bereits in der bekannten Sitzung vom 4. Juli dem einigen Deutschland ein Lebehoch ausgebracht und ihre Gesinnung damit bekundet. Da aber die Minister jedenfalls die Sitzung auf 1‒2 Stunden verlassen müssen, möge die Versammlung ihre Sitzung einfach während der Dauer der Parade sistiren. Abg. Stein von der Linken erklärt sich auch der Ansicht des vorigen Redners, aber aus andern Gründen. Nach einigen sanften Klagen, daß die Erwartungen (!) von dem Ministerium durch den Peucker'schen Erlaß getäuscht worden, bemerkt er „mit Bedauern“, daß heute endlich, gerade nicht an dem von der Centralgewalt offiziell anberaumten Tage, eine Parade abgehalten werde. Will gleichzeitig einen Antrag ankündigen, den er in den nächsten Tagen stellen werde, und welcher dahin geht:„Das Staats-Ministerium zu ersuchen, uns den Noten- und Schriftenwechsel zwischen ihm und der deutschen Centralgewalt offiziell mitzutheilen.“ Minister-Präsident Auerswald will, da der gemachte Antrag nicht angekündigt war, die weitere Diskussion durch ein Eingehen auf denselben nicht stören. Der Vorwurf, welcher dem Ministerium gemacht ist, als habe es in der deutschen Angelegenheit zurückhaltend verfahren, als habe es seine Verhandlungen umschleiert, sei jedoch nicht gerechtfertigt. Er berufe sich auf das Zeugniß der Versammlung. Die Majorität beschließt hierauf die Parade in Corpore beizuwohnen, nach Beendigung derselben, Nachmittags die Sitzung wieder aufzunehmen und außerdem auf morgen früh 10 Uhr ausnahmsweise noch eine Sitzung anzuberaumen. Der Präsident giebt Mittheilung über den Beschluß der Kommission zur Betheiligung an der Säkularfeier des Kölner Dombaues. Die Kommission schlägt vor eine Deputation aus drei Mitgliedern, bestehend aus den Abgeordneten: Philipps, v. Auerswald und Dr. Elsner zur Vertretung der Versammlung bei der Säkularfeier nach Köln zu senden, welches mit großer Majorität angenommen wird. ‒ Der Präsident wird der Deputation ein Legitimationsschreiben mitgeben. ‒ Vicepräsident v. Unruh macht noch den Vorschlag, daß es jedem Abgeordneten freistehen soll, sich der Deputation zur Dombaufeier anzuschließen, welcher ebenfalls angenommen wird. Vicepräsident Kosch, als Vorsitzender der Kommission zur Berathung der Habeas-Corpus-Akte, kündigt an, daß wegen den vielen hinzugetretenen Schwierigkeiten, es der Central-Abtheilung trotz aller Anstrengungen nicht gelungen sei, nach dem vor 8 Tagen von der Versammlung gefaßten Beschluß, den Gesetz Entwurf heute vorzulegen. Besonders sind die Schwierigkeiten hervorgehoben worden, die einer Ausführung dieses Gesetzes in den altländischen Provinzen entgegenstehn, in denen eine vollständige Reorganisation der Gerichte vorhergehen müsse. Die Central-Abtheilung hat nun erst eine Kommission von drei ihrer Mitglieder, die Abgeordneten Waldeck, Simons und Wachsmuth ernannt, um einen neuen Gesetz Entwurf vorzulegen. Diese haben ihre Arbeit beendet und der erste Theil, von der Unverletzlichkeit der Person, ist bereits in der Abtheilung berathen und angenommen. In 8 Tagen, wird der Versammlung der vollkommene Gesetz-Entwurf zugehen können. Esser II., als Vorsitzender der Fachkommission für Gemeinde-Verfassung macht auf Beschwerden, welche eingegangen sind aufmerksam; insbesondere auf eine, von der Stadtgemeinde zu Preußisch-Stargardt und vielen Landgemeinden dieses Kreises, wegen der am 6. April und 25. Juni stattgefundenen Neuwahl eines Landraths dieses Kreises. In Folge dieser Vorstellungen hat die Fach-Kommission beschlossen den Antrag zu stellen, das Ministerium zu ersuchen, die vorgenommene Wahl nicht zu bestätigen, und daß es überhaupt alle erledigten Landrathsstellen bis zur definitiven Erlassung der neuen Gemeindeordnung nur kommissarisch besetzen lasse. Minister Kühlwetter. Ich sehe mich genöthigt auf zwei Gegenstände, die heute hier berührt worden sind, eine Erklärung abzugeben. Das Ministerium ist unablässig beschäftigt gewesen die Gemeinde-Ordnung auf das Sorgfältigste vorzubereiten und Deputirte aus allen Provinzen sind zu Rathe gezogen worden. Ein Entwurf, der vielfach verbessert worden ist, liegt bereits im Ministerium vor. Der Fall in Preußisch-Stargardt gehört wie Sie aus den Daten ersehen, einer frühern Zeit an, ehe ich ins Ministerium eintrat. Bei meinem Eintritt ins Ministerium habe ich, wie schon früher mitgetheilt ist, die Besetzung aller erledigten Bürgermeister- und Landrathsstellen sistiren lassen, ganz so wie der Antrag der Kommission verlangt, deshalb ist er ganz unnöthig. Die Versammlung beschließt dennoch dem Antrag der Kommission beizustimmen. ‒ Hierauf geht man in der Abstimmung über das Gesetz, die Aufhebung der Todesstrafe weiter. ‒ Der Abgeordnete Reichensperger hat folgendes Amendement zum §. 1. gestellt: „Die Todesstrafe ist bei allen Verbrechen mit Ausnahme des Hochverraths und des Mordes mit Vorbedacht abgeschafft. ‒ Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei derselben.“ Zuerst werden in Folge dieses Amendements, die Fragen zertheilt und die erste Frage: „Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Hochverraths aufgehoben werden?“ nach namentlicher Abstimmung mit 315 gegen 28 Stimmen bejaht. ‒ Der Minister-Präsident stimmte für Beibehaltung der Todesstrafe. ‒ Die Vereinbarer begaben sich hierauf sämmtlich gegen 101/2 Uhr zur Parade. Nachmittags Sitzung. Nach Beendigung der Parade versammeln sich die Vereinbarer von Neuem und die Sitzung wird gegen 1 Uhr eröffnet. ‒ Die zweite Frage lautet: „Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Mordes mit Vorbedacht aufgehoben werden?“ Diese Frage wird ebenfalls, wie die erste in der Morgensitzung nach namentlichem Aufruf mit 248 gegen 80 Stimmen bejaht. Der Minister-Präsident und viele Mitglieder der Rechten mit Reichensperger, Baumstark, Riedel, v. Daniels und Professor Niemeyer an der Spitze stimmten für Beibehaltung der Todesstrafe in beiden Fragen. ‒ Nun kommt die Abstimmung über das Amendement des Abgeordneten Ludwig: „Für den Fall eines Krieges oder Belagerungszustandes verbleibt es jedoch bei der in den Gesetzen angedrohten Todesstrafe“ welches nach namentlicher Abstimmung mit 173 gegen 166 Stimmen verworfen wird. Hierauf wird über den letzten Theil des Reichensperger'schen Amendements, welches mit dem zweiten Theil des §. 1. des Gesetz-Entwurfs gleichlautend ist abgestimmt: „Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei denselben.“ Dieser Theil wird mit 166 gegen 160 Stimmen angenommen; demnach ist die Todesstrafe in Kriegszeiten beibehalten. ‒ Alsdann kommt der Zusatz des Abg. Weichsel zu obigem Theil zur Abstimmung und wird mit großer Majorität angenommen; er lautet: „sie (die Todesstrafe) fällt aber weg, sobald als sie noch nicht vor Beendigung des Kriegs- oder Belagerungszustandes vollstreckt ist.“ Endlich wird auch der dritte Theil des §. 1. mit großer Majorität angenommen, welcher lautet: „Unter welchen Umständen, mit welchen Formen und Wirkungen ein Belagerungszustand ausgesprochen werden darf, bleibt einem besondern Gesetze vorbehalten.“ Alsdann kommt der §. 2. zur Berathung, welcher lautet: „An die Stelle der Todesstrafe tritt im Bezirke des Rheinisches Appellations-Gerichtshofes die lebenswierige Zwangsarbeitsstrafe, in den übrigen Landestheilen lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe.“ Der Abg. Kühnemann hat dafür folgende Fassung vorge- <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar072_003" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0364"/> chen, und die Männer und die Frauen nahmen sich einander, wie es gerade kam, so und so.</p> <p>Als dann aber mit der Zeit die Zahlen und das Geld erfunden wurden und das Wechselrecht und die politische Oekonomie und als die Menschen immer klüger und gescheidter wurden und folglich immer eitler und wählerischer, da hörten sie auch allmählig auf, sich so ohne weiteres zu lieben und Jeder trachtete nur darnach, sich eine solche Frau zu verschaffen, wie sie gerade für seinen Beutel, für seine Wechsel oder für seine Oekonomie paßte. Mit einem Worte: Es stellte sich eine durch Interessen geregelte Nachfrage nach Menschen ein, der durch eine angemessene Zufuhr begegnet wurde. Der Weltmarkt der Heirath begann, die Männer und die Frauen fingen an sich gegenseitig zu kaufen! ‒ Von diesem Augenblick an kann man alles Unglück datiren. Die Oekonomie war in die Liebe gefahren, der Mensch wurde ein Artikel, der nun hinfort von der Nachfrage und der Zufuhr abhing und alle Leiden der Ueberproduktion mit der Wolle, der Baumwolle, dem Flachs u. s. w. theilte. Wer nicht ein verheiratheter Gardemajor, ein Landgerichtsrath, ein Banquier, ein Bischof wurde, der sank zu einem Schneider, zu einem Steinklopfer, zu einem Tagelöhner oder dergleichen hinab und die lieblichen Weiber, die keine Gräfinnen, Hauptmänninnen, Kaufmannsfrauen oder sonst etwas wurden, die endeten als Gemüseweiber, Bajaderen und mitunter auch als Ballettänzerinnen.</p> <p>Eine solche, aus der Ueberproduktion hervorgegangene Ballettänzerin kaufte sich unser Schnapphahnski. Armes Kind! Wenn du getanzt hattest, so mußtest du lieben ‒ weder aus Liebe tanzen, noch aus Liebe lieben, sondern tanzen und lieben des lieben Brodes wegen ‒ den Brodtanz der Liebe!</p> <p>Doch unser Ritter hatte ein ritterliches Herz. Eines Tages, als er die Reize seiner Schönen genugsam bewundert, als er ihren Fuß geküßt, ihre Taille umfangen und ihre schwarzen Flechten um die weiße patrizische Hand gewickelt hatte, da schwur er bei allem, was ihm heilig war, bei den Lakaien in O., bei dem Duell in Troppau und bei dem Hohnlächeln Carlotten's, daß er ihr, seiner Tänzerin, einen Schmuck kaufen wolle, reich wie ihre Haarwellen, funkelnd wie ihre Augen und ihre schneidigen Zähne.</p> <p>Hat ein Schnapphahnski je sein Wort gebrochen? Zum nächsten Juwelier ging er und so wahr, wie er keine Friedrichsd'or in seiner Kriegskasse hatte, kaufte er einen Schmuck, der einer Gräfin S., einer Schwester des Grafen G. oder einer Carlotta würdig gewesen wäre. Schnapphahnski hatte Credit ‒ gerade so viel Credit wie ein Ritter ohne Furcht und ohne Tadel haben kann, ein Ritter, der noch einmal Deputirter, Diplomat oder noch etwas schlimmeres werden konnte …</p> <p>Ueberglücklich war die Tänzerin ‒ bisher hatte sie sich nur das liebe Brod ertanzt, jetzt einen demantenen Schmuck erliebt! Der Name Schnapphahnski's stand leuchtend in ihrem Herzen angeschrieben.</p> <p>Doch überlassen wir die Tänzerin ihrer Freude an den blitzenden Steinen und den Juwelier seiner bangen Erwartung einer baaren Zahlung. Wir müssen nämlich darauf zurückkommen, daß der edle Ritter, während er auf der einen Seite alle Seligkeiten kostete, die ein Engel des Himmels nach dem Schluß der Oper zu bieten im Stande ist, sich auf der andern ernstlich damit beschäftigte: einen Posten im diplomatischen Corps zu erobern. Der edle Ritter sah ein, daß man nicht allein von der Liebe leben kann, sondern daß die Liebe sogar sehr kostspielig ist; selbst wenn man bei seinem Juwelier die billigsten Zahlungsbedingungen hat. Herr von Schnapphahnski besann sich daher, ob er außer seinen gesunden Lenden und außer seinem bewunderungswürdigen Schnurrbart, nicht auch noch einige andere vortheilhafte Eigenschaften und namentlich so viel Grütze besäße, als man im schlimmsten Falle einem diplomatischen Kandidaten zutrauen möchte. Nachdem er sich mehrere Tage lang den Kopf darüber zerbrochen hatte, fand er endlich, daß die heilige Wissenschaft leider keinen besondern Stapelplatz für ihre Schätze darin angelegt hatte. Sein Schädel war klar und durchsichtig wie eine Flasche Wasser und auf der kahlen Lüneburger Haide seines Gedächtnisses tummelte sich freilich manche galante Erinnerung herum, aber leider nichts von alle dem, was die Natur dem Menschen zu erobern überlassen hat. Mit jener liebenswürdigen Frechheit, die einem Mann von Adel eigenthümlich ist, griff unser Ritter daher in den großen Haufen der bürgerlichen Kanaillen, in die Reihen jener Lastthiere der Kunst und der Wissenschaft, die die imaginären Goldklumpen ihres Geistes hin und wieder in das preußische Kurant der Wirklichkeit zu verwechseln pflegen. Mit einem Worte, der Studiosus Pl‒r war so gefällig, der unsterblichen Seele des Ritters mit einigen Probearbeiten zu Hülfe zu kommen, die sofort an den gehörigen Ort weiterbefördert wurden und natürlich für die ernormen Kenntnisse des Ritters den unzweideutigsten Beweis lieferten.</p> <p>Wer weiß, zu welchem Posten man den gelehrten Ritter sofort befördert hätte, wenn nicht plötzlich die früheren Aventüren Sr. Hochwohlgeboren auf eine sehr schauerliche Weise bekannt geworden wären! Schon ging man mit dem Gedanken um, den Ritter der Weltgeschichte zu übergeben, da ragten mit einem Male die Stöcke der Bedienten aus O. in Schlesien in die Scene hinein, da erklang der Hohn des Grafen G. und das glückliche Lachen Carlottens und ach, die schöne Arbeit des Studenten Pl‒r hatte wieder allen Werth verloren und unser armer Ritter erhielt eine eben so zarte als demüthigend abgefaßte Zurückweisung.</p> <p>Unser Ritter war jetzt wirklich ein „armer Ritter;“ wie eine Brodscheibe, geröstet, in verdrießlichen Runzeln aus der Pfanne kommt, so taumelte unser Schnapphahnski vom Unglück gebraten, höchst ärgerlichen Antlitzes zurück von dem Orte alles Heils, von dem Quell aller Aemter und Stellen. Finster schritt er nach Hause: er packte seinen Koffer und sieh', ehe die Morgenröthe kam, lag auch schon Berlin hinter ihm, mit seinen Kirchen und Palästen, mit seinen Geheimräthen und Eckenstehern, mit seinen Ballettänzerinnen und Juwelieren.</p> <p>Auf den Juwelier Schnapphahnski's machte die Abreise des Ritters vor allen Andern den bedauerlichsten Eindruck.</p> <p>Seine Leiden wurden stadtkundig; die Diamantengeschichte des</p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar072_005" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Also spricht der Berichterstatter. Wie er zu sprechen beginnt, geht die Linke mit Geräusch aus dem Saal. <hi rendition="#g">Vogt</hi> höhnisch: Meine Herren, wir empfehlen uns (die Rechte lacht und freut sich, daß die Opposition fortgeht, und man nun ruhig das Henkeramt an den zu Amnestirenden vornehmen kann.) Der Berichterstatter wirft den gestrigen Koth noch einmal auf Hecker und seine Genossen, und meint gegen das Ende 279 Gefangene hätte Baden schon entlassen, (nämlich in ihre Heimath an die Behörden abgeliefert.) Auch gehe es den Gefangenen in Bruchsal ganz nach Wunsch, (d. h. nach Herrn Wiedemann's Wunsch).</p> <p><hi rendition="#g">Roßmäsler</hi> trägt noch einmal auf Vertagung an. (Wird heruntergebrüllt)</p> <p><hi rendition="#g">Schodler</hi> (Edler von Stuttgart): Wenn wir jetzt vertagen, nachdem die Linke fort ist, blamiren wir uns vor einer kleinen Minorität. (Bravo!)</p> <p><hi rendition="#g">Ein Unbekannter von Links</hi> (halb heulend): Ein Theil von uns ist hier geblieben; wir wollen mit abstimmen. (Bravo!)</p> <p>Soiron verliest mit zerknirschter Stimme die Anträge über deren Reihenfolge bei der Abstimmung Wiedemann, Schwerin, Jordan, Uhland, u. A. debattiren. Endlich wird abgestimmt, und zwar namentlich über den Antrag des Ausschusses: „Will die Nationalversammlung über die Amnestiefrage zur motivirten Tagesordnung übergehen?“ Diese Frage wird bejaht, und somit ist die Sache der armen Gefangenen und die Sache menschlicher Barmherzigkeit abgethan. Anwesend waren 416. Nicht mitgestimmt haben 9. Mit <hi rendition="#g">„ja“</hi> 317. Mit <hi rendition="#g">„nein“</hi> 90 Die Linke hatte, wie gesagt, den Saal verlassen.</p> <p>Schüler, Wedekind, Schaffrath erklärten nicht zu stimmen in geheimer Versammlung. Mit dem „ja“ haben u. A. gestimmt: Saucken, Schmerling, Stenzel, Stedtmann, Wiedenbrugk, der alte v. Lindenau, Mittermayer, Arndt, Bassermann, Bekerrath(!), Bürgers und Kompes aus Köln, Dahlmann, Gieskra, Jahn (!), Jucho, Laube (ein unbekannter Schriftsteller), Lassaulx etc. Nach der Abstimmung werden einige Spezialerklärungen zu Protokoll gegeben. Hierauf berichtet Hormann einige Urlaube, welche genehmigt werden, und um 3 Uhr schließt Soiron die Sitzung. Morgen, Mittwoch, keine Sitzung. Tagesordnung für Donnerstag: die Hecker'sche Wahlangelegenheit u. s. w.</p> <p>Als wir die Kirche verließen, passirten wir ein langes Spalier von Bürgerwachen. Das Volk war in die Straßen zurückgedrängt. Der Paulsplatz geräumt. Lichnowsky wurde mit Hohngelächter empfangen, er sagte zu einem neben ihm gehenden Freund: „Das bin ich, das bin ich!“ (Der edle Fürst koquettirt sogar mit der Verachtung des Volks.)</p> </div> <div xml:id="ar072_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Frankfurt, 8 Aug.</head> <p>Aus guter Quelle folgen einige Spezialia der gestrigen denkwürdigen Tribünenschlacht. Vincke stürzte zuerst vom Platz auf Hrn. Brentano los, um ihn mit den Worten: „Herunter Du Hundsfott!“ von der Tribüne zu reißen, wobei er ihn faktisch beim Arme faßte. Brentano blieb natürlich oben. Später stürzte v. Vincke noch einmal auf ihn los, um ihm eine Forderung zuzurufen, die Brentano mit folgenden Worten aufnahm: „Vor der Kirche mögen Sie mir sagen, was Sie Lust haben, hier lassen Sie mich sofort gehen, oder ich schlage ihnen in's Gesicht!“ Als v. Vincke hierauf noch mit einigen Hundsföttern die Linke haranguirte, schrie ihm Reichhard zu: „v. Vincke, Sie sind ja ein Sch…kerl!“ Mehrere Forderungen auch zwischen Bally und der Linken sollen ergangen sein. Viele von der Rechten wollen heute austreten, wenn Brentano nicht ausgestoßen wird. Brentano wird heute (um 9 Uhr ist Sitzung und Fortsetzung der Debatte) sogleich die Bühne wieder besteigen und seine Rede fortsetzen. Gestern brachte man Brentano ein Ständchen, wobei v. Itzstein, Simon (Trier) und Brentano zum Volk sprachen. Brentano sagte es selbst aus: „daß man Hand an ihn gelegt habe.“ Viele andere denkwürdige Anekdoten circuliren. Hr. Jahn (der Volksmann) war der erste, der gestern schrie, man solle die Gallerien räumen, als diese Theil zu nehmen begannen.</p> </div> <div xml:id="ar072_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Berlin, 8. August.</head> <p>Die Aufregung wächst und erfahrene Leute sagen, es sei gerade so wie vor dem 18. März! Am gestrigen Abend wurden durch Bürgerwehr und Konstabler 62 Personen verhaftet. Es gab Kolbenstöße, gefällte Bajonnett-Attaken, Steinregen etc. Einem ehrsamen Bürger wurde von 5‒6 Bürgerwehrmännern der Kopf mit dem Kuhfuß dermaßen zerschlagen, daß er wahrscheinlich sterben wird. Aus einigen Häusern soll man Steine auf Bürgerwehr und Konstabler geschleudert haben. Einige der ersteren wurden vom Volke entwaffnet. Wir waren Augenzeugen von dem brutalen Benehmen der Bürgerwehr des 30 Bezirks (Mittelstraße); da sollte man die Gensdarmen bitten, diese Helden abzulösen. Vor dem Hippelschen Lokal nahmen sie <hi rendition="#g">ohne allen Grund</hi> den beliebten Volksredner Müller gefangen, weil er allein da stand und nicht die Geschicklichkeit besaß <hi rendition="#g">auseinander zu gehen.</hi> Am heutigen Abend erwartet man noch größere Dinge.</p> <p>Kaiser, Oberst der Schutzmannschaften, <hi rendition="#g">entschuldigt</hi> sich öffentlich. „Es sei noch nicht möglich gewesen, die Schutzmänner, <hi rendition="#g">größtentheils</hi> hiesige Bürger und Handwerker, schon zu ganz gewandten und umsichtigen Beamten auszubilden.“ Wir bestreiten dies. <hi rendition="#g">Gewandt</hi> sind die Kerle schon, sie schleichen sich unter die Massen und überfallen plötzlich rücklings die ihnen Mißliebigen, schleppen sie bis ans Eisengitter unter den Linden, lassen sie dort überkollern und bringen sie so in Sicherheit. Auch <hi rendition="#g">umsichtig</hi> sind sie: Helfershelfer machen den Demokraten Kreidestriche auf den Rücken, damit sie von ihnen erkannt werden etc. Hr. Kaiser sagt ferner: „<hi rendition="#g">Vorläufig</hi> sind die Schutzmänner angewiesen, vorzugsweise für Ordnung und Ruhe auf den Straßen zu sorgen und gegen Bettler, Vagabonden und liederliche Dirnen einzuschreiten.“</p> <p>Spät am gestrigen Nachmittage wurde das Publikum durch einen Maueranschlag von Hrn. Rimpler benachrichtigt, daß heute Morgen 10 Uhr feierliche Parade der Bürgerwehr unter den Linden stattfinden solle zu öffentlicher Anerkennung der Vereinigung Deutschlands. Der Herr Minister-Präsident werde die Parade abhalten. Obwohl die Verstimmung gegen Rimpler durch das Aufschieben der Parade groß war, so mochte doch die letztere Anzeige Viele bewogen haben zu erscheinen. Der Zug war bedeutend. Herr Rimpler brachte der Einheit Deutschlands und dem Reichsverweser ein dreimaliges Hoch, in welches die Minister, Deputirten, Bürgerwehr und Umstehende mit donnerndem Rufe einstimmten. Dem Könige wurde kein Hoch gebracht, doch rumorte die Musik beim Zuge am Schlosse vorüber.</p> <p>Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen von der gestrigen Anwesenheit Sr. Majestät nichts berichtet habe. Dieses Ereigniß war nicht zu meiner Kenntniß gekommen. Wie ich aus hiesigen Zeitungen erfahre, hat Se. Maj. bei der hiesigen Schützengilde (dem alten Institut) eine Parade abgenommen und in dem darauf stattfindenden Königsschießen den Schuß als <hi rendition="#g">zweiter</hi> Ritter gethan. Wer der erste Ritter war, ist tiefes Geheimniß. ‒ Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen soll verstimmt aus Pommern zurückgekehrt sein. Aus Pommern sogar. Wehe denen, die im April oder Mai sich mißliebig über die Person Sr. Königl. Hoheit geäußert haben.</p> <p>Herr Held hat ein gutes Werk gethan. Seine neueste Lokomotive enthält die Liste aller Mitglieder des hiesigen Denunciantenklubs. Das Volk notirt sich fleißig die Hausnummern. Unter den Mitgliedern befinden sich auch einige <hi rendition="#g">Majore der Bürgerwehr</hi> und Hr. Dr. Hermes, früher Redakteur der Kölnischen Zeitung etc.</p> <p>Wie sehr gesetzlich unsre Zustände sind, will ich Ihnen durch ein Pröbchen zeigen. Vor einigen Tagen hatte der speichelleckerische Hr. Merlmene ein serviles Plakat an die Straßenecken kleben lassen, zu dessen Widerlegung sich ein Fremder, Hr. Bernhard aus Spremberg (Niederlausitz), veranlaßt fand. Er that dies, indem er Hrn. Malmene einen Brief schrieb. Dieser Herr aber trägt den Brief aufs Polizei-Präsidium und Hr. Bernhard erhält heute, ohne angeklagt oder vernommen zu sein, einen Zwangspaß in seine Heimath. Herr Bernhard will Rekurs beim Minister des Innern einlegen.</p> </div> <div xml:id="ar072_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 8. 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Da aber die Minister jedenfalls die Sitzung auf 1‒2 Stunden verlassen müssen, möge die Versammlung ihre Sitzung einfach während der Dauer der Parade sistiren.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Stein</hi> von der Linken erklärt sich auch der Ansicht des vorigen Redners, aber aus andern Gründen. Nach einigen sanften Klagen, daß die Erwartungen (!) von dem Ministerium durch den Peucker'schen Erlaß <hi rendition="#g">getäuscht</hi> worden, bemerkt er „mit Bedauern“, daß heute endlich, gerade <hi rendition="#g">nicht</hi> an dem von der Centralgewalt offiziell anberaumten Tage, eine Parade abgehalten werde. Will gleichzeitig einen Antrag ankündigen, den er in den nächsten Tagen stellen werde, und welcher dahin geht:<hi rendition="#et">„Das Staats-Ministerium zu ersuchen, uns den Noten- und Schriftenwechsel zwischen ihm und der deutschen Centralgewalt offiziell mitzutheilen.“</hi> </p> <p>Minister-Präsident <hi rendition="#g">Auerswald</hi> will, da der gemachte Antrag nicht angekündigt war, die weitere Diskussion durch ein Eingehen auf denselben nicht stören. Der Vorwurf, welcher dem Ministerium gemacht ist, als habe es in der deutschen Angelegenheit zurückhaltend verfahren, als habe es seine Verhandlungen umschleiert, sei jedoch nicht gerechtfertigt. Er berufe sich auf das Zeugniß der Versammlung.</p> <p>Die Majorität beschließt hierauf die Parade in Corpore beizuwohnen, nach Beendigung derselben, Nachmittags die Sitzung wieder aufzunehmen und außerdem auf morgen früh 10 Uhr ausnahmsweise noch eine Sitzung anzuberaumen.</p> <p>Der Präsident giebt Mittheilung über den Beschluß der Kommission zur Betheiligung an der Säkularfeier des Kölner Dombaues. Die Kommission schlägt vor eine Deputation aus drei Mitgliedern, bestehend aus den Abgeordneten: <hi rendition="#g">Philipps, v. Auerswald</hi> und <hi rendition="#g">Dr. Elsner</hi> zur Vertretung der Versammlung bei der Säkularfeier nach Köln zu senden, welches mit großer Majorität angenommen wird. ‒ Der Präsident wird der Deputation ein Legitimationsschreiben mitgeben. ‒ Vicepräsident <hi rendition="#g">v. Unruh</hi> macht noch den Vorschlag, daß es jedem Abgeordneten freistehen soll, sich der Deputation zur Dombaufeier anzuschließen, welcher ebenfalls angenommen wird.</p> <p>Vicepräsident <hi rendition="#g">Kosch,</hi> als Vorsitzender der Kommission zur Berathung der Habeas-Corpus-Akte, kündigt an, daß wegen den vielen hinzugetretenen Schwierigkeiten, es der Central-Abtheilung trotz aller Anstrengungen nicht gelungen sei, nach dem vor 8 Tagen von der Versammlung gefaßten Beschluß, den Gesetz Entwurf heute vorzulegen. Besonders sind die Schwierigkeiten hervorgehoben worden, die einer Ausführung dieses Gesetzes in den altländischen Provinzen entgegenstehn, in denen eine vollständige Reorganisation der Gerichte vorhergehen müsse. Die Central-Abtheilung hat nun erst eine Kommission von drei ihrer Mitglieder, die Abgeordneten Waldeck, Simons und Wachsmuth ernannt, um einen neuen Gesetz Entwurf vorzulegen. Diese haben ihre Arbeit beendet und der erste Theil, von der Unverletzlichkeit der Person, ist bereits in der Abtheilung berathen und angenommen. In 8 Tagen, wird der Versammlung der vollkommene Gesetz-Entwurf zugehen können.</p> <p><hi rendition="#g">Esser</hi><hi rendition="#b">II.,</hi> als Vorsitzender der Fachkommission für Gemeinde-Verfassung macht auf Beschwerden, welche eingegangen sind aufmerksam; insbesondere auf eine, von der Stadtgemeinde zu Preußisch-Stargardt und vielen Landgemeinden dieses Kreises, wegen der am 6. April und 25. Juni stattgefundenen Neuwahl eines Landraths dieses Kreises. In Folge dieser Vorstellungen hat die Fach-Kommission beschlossen den Antrag zu stellen, das Ministerium zu ersuchen, die vorgenommene Wahl nicht zu bestätigen, und daß es überhaupt alle erledigten Landrathsstellen bis zur definitiven Erlassung der neuen Gemeindeordnung nur kommissarisch besetzen lasse.</p> <p>Minister <hi rendition="#g">Kühlwetter.</hi> Ich sehe mich genöthigt auf zwei Gegenstände, die heute hier berührt worden sind, eine Erklärung abzugeben. Das Ministerium ist unablässig beschäftigt gewesen die Gemeinde-Ordnung auf das Sorgfältigste vorzubereiten und Deputirte aus allen Provinzen sind zu Rathe gezogen worden. Ein Entwurf, der vielfach verbessert worden ist, liegt bereits im Ministerium vor. Der Fall in Preußisch-Stargardt gehört wie Sie aus den Daten ersehen, einer frühern Zeit an, ehe ich ins Ministerium eintrat. Bei meinem Eintritt ins Ministerium habe ich, wie schon früher mitgetheilt ist, die Besetzung aller erledigten Bürgermeister- und Landrathsstellen sistiren lassen, ganz so wie der Antrag der Kommission verlangt, deshalb ist er ganz unnöthig.</p> <p>Die Versammlung beschließt dennoch dem Antrag der Kommission beizustimmen. ‒ Hierauf geht man in der Abstimmung über das Gesetz, die Aufhebung der Todesstrafe weiter. ‒ Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Reichensperger</hi> hat folgendes Amendement zum §. 1. gestellt: „Die Todesstrafe ist bei allen Verbrechen mit Ausnahme des <hi rendition="#g">Hochverraths</hi> und des <hi rendition="#g">Mordes</hi> mit Vorbedacht abgeschafft. ‒ Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei derselben.“</p> <p>Zuerst werden in Folge dieses Amendements, die Fragen zertheilt und die erste Frage: <hi rendition="#g">„Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Hochverraths aufgehoben werden?“</hi> nach namentlicher Abstimmung mit 315 gegen 28 Stimmen bejaht. ‒ Der Minister-Präsident stimmte für Beibehaltung der Todesstrafe. ‒ Die Vereinbarer begaben sich hierauf sämmtlich gegen 101/2 Uhr zur Parade.</p> <p> <hi rendition="#g">Nachmittags Sitzung.</hi> </p> <p>Nach Beendigung der Parade versammeln sich die Vereinbarer von Neuem und die Sitzung wird gegen 1 Uhr eröffnet. ‒ Die zweite Frage lautet:</p> <p>„Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Mordes mit Vorbedacht aufgehoben werden?“</p> <p>Diese Frage wird ebenfalls, wie die erste in der Morgensitzung nach namentlichem Aufruf mit 248 gegen 80 Stimmen bejaht. Der Minister-Präsident und viele Mitglieder der Rechten mit Reichensperger, Baumstark, Riedel, v. Daniels und Professor Niemeyer an der Spitze stimmten für Beibehaltung der Todesstrafe in beiden Fragen. ‒ Nun kommt die Abstimmung über das Amendement des Abgeordneten <hi rendition="#g">Ludwig:</hi> „Für den Fall eines Krieges oder Belagerungszustandes verbleibt es jedoch bei der in den Gesetzen angedrohten Todesstrafe“ welches nach namentlicher Abstimmung mit 173 gegen 166 Stimmen verworfen wird.</p> <p>Hierauf wird über den letzten Theil des Reichensperger'schen Amendements, welches mit dem zweiten Theil des §. 1. des Gesetz-Entwurfs gleichlautend ist abgestimmt:</p> <p>„Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei denselben.“</p> <p>Dieser Theil wird mit 166 gegen 160 Stimmen angenommen; demnach ist die Todesstrafe in Kriegszeiten beibehalten. ‒ Alsdann kommt der Zusatz des Abg. <hi rendition="#g">Weichsel</hi> zu obigem Theil zur Abstimmung und wird mit großer Majorität angenommen; er lautet: „sie (die Todesstrafe) fällt aber weg, sobald als sie noch nicht vor Beendigung des Kriegs- oder Belagerungszustandes vollstreckt ist.“</p> <p>Endlich wird auch der dritte Theil des §. 1. mit großer Majorität angenommen, welcher lautet: „Unter welchen Umständen, mit welchen Formen und Wirkungen ein Belagerungszustand ausgesprochen werden darf, bleibt einem besondern Gesetze vorbehalten.“</p> <p>Alsdann kommt der §. 2. zur Berathung, welcher lautet:</p> <p>„An die Stelle der Todesstrafe tritt im Bezirke des Rheinisches Appellations-Gerichtshofes die lebenswierige Zwangsarbeitsstrafe, in den übrigen Landestheilen lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe.“</p> <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Kühnemann</hi> hat dafür folgende Fassung vorge- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0364/0002]
chen, und die Männer und die Frauen nahmen sich einander, wie es gerade kam, so und so.
Als dann aber mit der Zeit die Zahlen und das Geld erfunden wurden und das Wechselrecht und die politische Oekonomie und als die Menschen immer klüger und gescheidter wurden und folglich immer eitler und wählerischer, da hörten sie auch allmählig auf, sich so ohne weiteres zu lieben und Jeder trachtete nur darnach, sich eine solche Frau zu verschaffen, wie sie gerade für seinen Beutel, für seine Wechsel oder für seine Oekonomie paßte. Mit einem Worte: Es stellte sich eine durch Interessen geregelte Nachfrage nach Menschen ein, der durch eine angemessene Zufuhr begegnet wurde. Der Weltmarkt der Heirath begann, die Männer und die Frauen fingen an sich gegenseitig zu kaufen! ‒ Von diesem Augenblick an kann man alles Unglück datiren. Die Oekonomie war in die Liebe gefahren, der Mensch wurde ein Artikel, der nun hinfort von der Nachfrage und der Zufuhr abhing und alle Leiden der Ueberproduktion mit der Wolle, der Baumwolle, dem Flachs u. s. w. theilte. Wer nicht ein verheiratheter Gardemajor, ein Landgerichtsrath, ein Banquier, ein Bischof wurde, der sank zu einem Schneider, zu einem Steinklopfer, zu einem Tagelöhner oder dergleichen hinab und die lieblichen Weiber, die keine Gräfinnen, Hauptmänninnen, Kaufmannsfrauen oder sonst etwas wurden, die endeten als Gemüseweiber, Bajaderen und mitunter auch als Ballettänzerinnen.
Eine solche, aus der Ueberproduktion hervorgegangene Ballettänzerin kaufte sich unser Schnapphahnski. Armes Kind! Wenn du getanzt hattest, so mußtest du lieben ‒ weder aus Liebe tanzen, noch aus Liebe lieben, sondern tanzen und lieben des lieben Brodes wegen ‒ den Brodtanz der Liebe!
Doch unser Ritter hatte ein ritterliches Herz. Eines Tages, als er die Reize seiner Schönen genugsam bewundert, als er ihren Fuß geküßt, ihre Taille umfangen und ihre schwarzen Flechten um die weiße patrizische Hand gewickelt hatte, da schwur er bei allem, was ihm heilig war, bei den Lakaien in O., bei dem Duell in Troppau und bei dem Hohnlächeln Carlotten's, daß er ihr, seiner Tänzerin, einen Schmuck kaufen wolle, reich wie ihre Haarwellen, funkelnd wie ihre Augen und ihre schneidigen Zähne.
Hat ein Schnapphahnski je sein Wort gebrochen? Zum nächsten Juwelier ging er und so wahr, wie er keine Friedrichsd'or in seiner Kriegskasse hatte, kaufte er einen Schmuck, der einer Gräfin S., einer Schwester des Grafen G. oder einer Carlotta würdig gewesen wäre. Schnapphahnski hatte Credit ‒ gerade so viel Credit wie ein Ritter ohne Furcht und ohne Tadel haben kann, ein Ritter, der noch einmal Deputirter, Diplomat oder noch etwas schlimmeres werden konnte …
Ueberglücklich war die Tänzerin ‒ bisher hatte sie sich nur das liebe Brod ertanzt, jetzt einen demantenen Schmuck erliebt! Der Name Schnapphahnski's stand leuchtend in ihrem Herzen angeschrieben.
Doch überlassen wir die Tänzerin ihrer Freude an den blitzenden Steinen und den Juwelier seiner bangen Erwartung einer baaren Zahlung. Wir müssen nämlich darauf zurückkommen, daß der edle Ritter, während er auf der einen Seite alle Seligkeiten kostete, die ein Engel des Himmels nach dem Schluß der Oper zu bieten im Stande ist, sich auf der andern ernstlich damit beschäftigte: einen Posten im diplomatischen Corps zu erobern. Der edle Ritter sah ein, daß man nicht allein von der Liebe leben kann, sondern daß die Liebe sogar sehr kostspielig ist; selbst wenn man bei seinem Juwelier die billigsten Zahlungsbedingungen hat. Herr von Schnapphahnski besann sich daher, ob er außer seinen gesunden Lenden und außer seinem bewunderungswürdigen Schnurrbart, nicht auch noch einige andere vortheilhafte Eigenschaften und namentlich so viel Grütze besäße, als man im schlimmsten Falle einem diplomatischen Kandidaten zutrauen möchte. Nachdem er sich mehrere Tage lang den Kopf darüber zerbrochen hatte, fand er endlich, daß die heilige Wissenschaft leider keinen besondern Stapelplatz für ihre Schätze darin angelegt hatte. Sein Schädel war klar und durchsichtig wie eine Flasche Wasser und auf der kahlen Lüneburger Haide seines Gedächtnisses tummelte sich freilich manche galante Erinnerung herum, aber leider nichts von alle dem, was die Natur dem Menschen zu erobern überlassen hat. Mit jener liebenswürdigen Frechheit, die einem Mann von Adel eigenthümlich ist, griff unser Ritter daher in den großen Haufen der bürgerlichen Kanaillen, in die Reihen jener Lastthiere der Kunst und der Wissenschaft, die die imaginären Goldklumpen ihres Geistes hin und wieder in das preußische Kurant der Wirklichkeit zu verwechseln pflegen. Mit einem Worte, der Studiosus Pl‒r war so gefällig, der unsterblichen Seele des Ritters mit einigen Probearbeiten zu Hülfe zu kommen, die sofort an den gehörigen Ort weiterbefördert wurden und natürlich für die ernormen Kenntnisse des Ritters den unzweideutigsten Beweis lieferten.
Wer weiß, zu welchem Posten man den gelehrten Ritter sofort befördert hätte, wenn nicht plötzlich die früheren Aventüren Sr. Hochwohlgeboren auf eine sehr schauerliche Weise bekannt geworden wären! Schon ging man mit dem Gedanken um, den Ritter der Weltgeschichte zu übergeben, da ragten mit einem Male die Stöcke der Bedienten aus O. in Schlesien in die Scene hinein, da erklang der Hohn des Grafen G. und das glückliche Lachen Carlottens und ach, die schöne Arbeit des Studenten Pl‒r hatte wieder allen Werth verloren und unser armer Ritter erhielt eine eben so zarte als demüthigend abgefaßte Zurückweisung.
Unser Ritter war jetzt wirklich ein „armer Ritter;“ wie eine Brodscheibe, geröstet, in verdrießlichen Runzeln aus der Pfanne kommt, so taumelte unser Schnapphahnski vom Unglück gebraten, höchst ärgerlichen Antlitzes zurück von dem Orte alles Heils, von dem Quell aller Aemter und Stellen. Finster schritt er nach Hause: er packte seinen Koffer und sieh', ehe die Morgenröthe kam, lag auch schon Berlin hinter ihm, mit seinen Kirchen und Palästen, mit seinen Geheimräthen und Eckenstehern, mit seinen Ballettänzerinnen und Juwelieren.
Auf den Juwelier Schnapphahnski's machte die Abreise des Ritters vor allen Andern den bedauerlichsten Eindruck.
Seine Leiden wurden stadtkundig; die Diamantengeschichte des
[Deutschland] [Fortsetzung] Also spricht der Berichterstatter. Wie er zu sprechen beginnt, geht die Linke mit Geräusch aus dem Saal. Vogt höhnisch: Meine Herren, wir empfehlen uns (die Rechte lacht und freut sich, daß die Opposition fortgeht, und man nun ruhig das Henkeramt an den zu Amnestirenden vornehmen kann.) Der Berichterstatter wirft den gestrigen Koth noch einmal auf Hecker und seine Genossen, und meint gegen das Ende 279 Gefangene hätte Baden schon entlassen, (nämlich in ihre Heimath an die Behörden abgeliefert.) Auch gehe es den Gefangenen in Bruchsal ganz nach Wunsch, (d. h. nach Herrn Wiedemann's Wunsch).
Roßmäsler trägt noch einmal auf Vertagung an. (Wird heruntergebrüllt)
Schodler (Edler von Stuttgart): Wenn wir jetzt vertagen, nachdem die Linke fort ist, blamiren wir uns vor einer kleinen Minorität. (Bravo!)
Ein Unbekannter von Links (halb heulend): Ein Theil von uns ist hier geblieben; wir wollen mit abstimmen. (Bravo!)
Soiron verliest mit zerknirschter Stimme die Anträge über deren Reihenfolge bei der Abstimmung Wiedemann, Schwerin, Jordan, Uhland, u. A. debattiren. Endlich wird abgestimmt, und zwar namentlich über den Antrag des Ausschusses: „Will die Nationalversammlung über die Amnestiefrage zur motivirten Tagesordnung übergehen?“ Diese Frage wird bejaht, und somit ist die Sache der armen Gefangenen und die Sache menschlicher Barmherzigkeit abgethan. Anwesend waren 416. Nicht mitgestimmt haben 9. Mit „ja“ 317. Mit „nein“ 90 Die Linke hatte, wie gesagt, den Saal verlassen.
Schüler, Wedekind, Schaffrath erklärten nicht zu stimmen in geheimer Versammlung. Mit dem „ja“ haben u. A. gestimmt: Saucken, Schmerling, Stenzel, Stedtmann, Wiedenbrugk, der alte v. Lindenau, Mittermayer, Arndt, Bassermann, Bekerrath(!), Bürgers und Kompes aus Köln, Dahlmann, Gieskra, Jahn (!), Jucho, Laube (ein unbekannter Schriftsteller), Lassaulx etc. Nach der Abstimmung werden einige Spezialerklärungen zu Protokoll gegeben. Hierauf berichtet Hormann einige Urlaube, welche genehmigt werden, und um 3 Uhr schließt Soiron die Sitzung. Morgen, Mittwoch, keine Sitzung. Tagesordnung für Donnerstag: die Hecker'sche Wahlangelegenheit u. s. w.
Als wir die Kirche verließen, passirten wir ein langes Spalier von Bürgerwachen. Das Volk war in die Straßen zurückgedrängt. Der Paulsplatz geräumt. Lichnowsky wurde mit Hohngelächter empfangen, er sagte zu einem neben ihm gehenden Freund: „Das bin ich, das bin ich!“ (Der edle Fürst koquettirt sogar mit der Verachtung des Volks.)
15 Frankfurt, 8 Aug. Aus guter Quelle folgen einige Spezialia der gestrigen denkwürdigen Tribünenschlacht. Vincke stürzte zuerst vom Platz auf Hrn. Brentano los, um ihn mit den Worten: „Herunter Du Hundsfott!“ von der Tribüne zu reißen, wobei er ihn faktisch beim Arme faßte. Brentano blieb natürlich oben. Später stürzte v. Vincke noch einmal auf ihn los, um ihm eine Forderung zuzurufen, die Brentano mit folgenden Worten aufnahm: „Vor der Kirche mögen Sie mir sagen, was Sie Lust haben, hier lassen Sie mich sofort gehen, oder ich schlage ihnen in's Gesicht!“ Als v. Vincke hierauf noch mit einigen Hundsföttern die Linke haranguirte, schrie ihm Reichhard zu: „v. Vincke, Sie sind ja ein Sch…kerl!“ Mehrere Forderungen auch zwischen Bally und der Linken sollen ergangen sein. Viele von der Rechten wollen heute austreten, wenn Brentano nicht ausgestoßen wird. Brentano wird heute (um 9 Uhr ist Sitzung und Fortsetzung der Debatte) sogleich die Bühne wieder besteigen und seine Rede fortsetzen. Gestern brachte man Brentano ein Ständchen, wobei v. Itzstein, Simon (Trier) und Brentano zum Volk sprachen. Brentano sagte es selbst aus: „daß man Hand an ihn gelegt habe.“ Viele andere denkwürdige Anekdoten circuliren. Hr. Jahn (der Volksmann) war der erste, der gestern schrie, man solle die Gallerien räumen, als diese Theil zu nehmen begannen.
14 Berlin, 8. August. Die Aufregung wächst und erfahrene Leute sagen, es sei gerade so wie vor dem 18. März! Am gestrigen Abend wurden durch Bürgerwehr und Konstabler 62 Personen verhaftet. Es gab Kolbenstöße, gefällte Bajonnett-Attaken, Steinregen etc. Einem ehrsamen Bürger wurde von 5‒6 Bürgerwehrmännern der Kopf mit dem Kuhfuß dermaßen zerschlagen, daß er wahrscheinlich sterben wird. Aus einigen Häusern soll man Steine auf Bürgerwehr und Konstabler geschleudert haben. Einige der ersteren wurden vom Volke entwaffnet. Wir waren Augenzeugen von dem brutalen Benehmen der Bürgerwehr des 30 Bezirks (Mittelstraße); da sollte man die Gensdarmen bitten, diese Helden abzulösen. Vor dem Hippelschen Lokal nahmen sie ohne allen Grund den beliebten Volksredner Müller gefangen, weil er allein da stand und nicht die Geschicklichkeit besaß auseinander zu gehen. Am heutigen Abend erwartet man noch größere Dinge.
Kaiser, Oberst der Schutzmannschaften, entschuldigt sich öffentlich. „Es sei noch nicht möglich gewesen, die Schutzmänner, größtentheils hiesige Bürger und Handwerker, schon zu ganz gewandten und umsichtigen Beamten auszubilden.“ Wir bestreiten dies. Gewandt sind die Kerle schon, sie schleichen sich unter die Massen und überfallen plötzlich rücklings die ihnen Mißliebigen, schleppen sie bis ans Eisengitter unter den Linden, lassen sie dort überkollern und bringen sie so in Sicherheit. Auch umsichtig sind sie: Helfershelfer machen den Demokraten Kreidestriche auf den Rücken, damit sie von ihnen erkannt werden etc. Hr. Kaiser sagt ferner: „Vorläufig sind die Schutzmänner angewiesen, vorzugsweise für Ordnung und Ruhe auf den Straßen zu sorgen und gegen Bettler, Vagabonden und liederliche Dirnen einzuschreiten.“
Spät am gestrigen Nachmittage wurde das Publikum durch einen Maueranschlag von Hrn. Rimpler benachrichtigt, daß heute Morgen 10 Uhr feierliche Parade der Bürgerwehr unter den Linden stattfinden solle zu öffentlicher Anerkennung der Vereinigung Deutschlands. Der Herr Minister-Präsident werde die Parade abhalten. Obwohl die Verstimmung gegen Rimpler durch das Aufschieben der Parade groß war, so mochte doch die letztere Anzeige Viele bewogen haben zu erscheinen. Der Zug war bedeutend. Herr Rimpler brachte der Einheit Deutschlands und dem Reichsverweser ein dreimaliges Hoch, in welches die Minister, Deputirten, Bürgerwehr und Umstehende mit donnerndem Rufe einstimmten. Dem Könige wurde kein Hoch gebracht, doch rumorte die Musik beim Zuge am Schlosse vorüber.
Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen von der gestrigen Anwesenheit Sr. Majestät nichts berichtet habe. Dieses Ereigniß war nicht zu meiner Kenntniß gekommen. Wie ich aus hiesigen Zeitungen erfahre, hat Se. Maj. bei der hiesigen Schützengilde (dem alten Institut) eine Parade abgenommen und in dem darauf stattfindenden Königsschießen den Schuß als zweiter Ritter gethan. Wer der erste Ritter war, ist tiefes Geheimniß. ‒ Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen soll verstimmt aus Pommern zurückgekehrt sein. Aus Pommern sogar. Wehe denen, die im April oder Mai sich mißliebig über die Person Sr. Königl. Hoheit geäußert haben.
Herr Held hat ein gutes Werk gethan. Seine neueste Lokomotive enthält die Liste aller Mitglieder des hiesigen Denunciantenklubs. Das Volk notirt sich fleißig die Hausnummern. Unter den Mitgliedern befinden sich auch einige Majore der Bürgerwehr und Hr. Dr. Hermes, früher Redakteur der Kölnischen Zeitung etc.
Wie sehr gesetzlich unsre Zustände sind, will ich Ihnen durch ein Pröbchen zeigen. Vor einigen Tagen hatte der speichelleckerische Hr. Merlmene ein serviles Plakat an die Straßenecken kleben lassen, zu dessen Widerlegung sich ein Fremder, Hr. Bernhard aus Spremberg (Niederlausitz), veranlaßt fand. Er that dies, indem er Hrn. Malmene einen Brief schrieb. Dieser Herr aber trägt den Brief aufs Polizei-Präsidium und Hr. Bernhard erhält heute, ohne angeklagt oder vernommen zu sein, einen Zwangspaß in seine Heimath. Herr Bernhard will Rekurs beim Minister des Innern einlegen.
103 Berlin, 8. Aug. Morgensitzung der Vereinbarer-Versammlung; 81/2 Uhr. Nach Verlesung des Protokolls macht der Präsident Grabow die Anzeige, daß eine Einladung vom Kommando der Bürgerwehr an die Versammlung eingegangen, um an der Vormittags 10 Uhr stattfindenden Parade zur Feier der Vereinigung Deutschlands Theil zu nehmen. Die Herren Minister haben bereits dem Präsidium angezeigt, daß sie um 10 Uhr die Sitzung auf einige Stunden verlassen müßten, um die Parade abzunehmen. Er stellt nun der Versammlung anheim, welchen Beschluß sie fassen wolle.
Abg. Baumstark ist der Ansicht, daß die Einladung eines Theils zu spät eingegangen, andern Theils hat die Versammlung bereits in der bekannten Sitzung vom 4. Juli dem einigen Deutschland ein Lebehoch ausgebracht und ihre Gesinnung damit bekundet. Da aber die Minister jedenfalls die Sitzung auf 1‒2 Stunden verlassen müssen, möge die Versammlung ihre Sitzung einfach während der Dauer der Parade sistiren.
Abg. Stein von der Linken erklärt sich auch der Ansicht des vorigen Redners, aber aus andern Gründen. Nach einigen sanften Klagen, daß die Erwartungen (!) von dem Ministerium durch den Peucker'schen Erlaß getäuscht worden, bemerkt er „mit Bedauern“, daß heute endlich, gerade nicht an dem von der Centralgewalt offiziell anberaumten Tage, eine Parade abgehalten werde. Will gleichzeitig einen Antrag ankündigen, den er in den nächsten Tagen stellen werde, und welcher dahin geht:„Das Staats-Ministerium zu ersuchen, uns den Noten- und Schriftenwechsel zwischen ihm und der deutschen Centralgewalt offiziell mitzutheilen.“
Minister-Präsident Auerswald will, da der gemachte Antrag nicht angekündigt war, die weitere Diskussion durch ein Eingehen auf denselben nicht stören. Der Vorwurf, welcher dem Ministerium gemacht ist, als habe es in der deutschen Angelegenheit zurückhaltend verfahren, als habe es seine Verhandlungen umschleiert, sei jedoch nicht gerechtfertigt. Er berufe sich auf das Zeugniß der Versammlung.
Die Majorität beschließt hierauf die Parade in Corpore beizuwohnen, nach Beendigung derselben, Nachmittags die Sitzung wieder aufzunehmen und außerdem auf morgen früh 10 Uhr ausnahmsweise noch eine Sitzung anzuberaumen.
Der Präsident giebt Mittheilung über den Beschluß der Kommission zur Betheiligung an der Säkularfeier des Kölner Dombaues. Die Kommission schlägt vor eine Deputation aus drei Mitgliedern, bestehend aus den Abgeordneten: Philipps, v. Auerswald und Dr. Elsner zur Vertretung der Versammlung bei der Säkularfeier nach Köln zu senden, welches mit großer Majorität angenommen wird. ‒ Der Präsident wird der Deputation ein Legitimationsschreiben mitgeben. ‒ Vicepräsident v. Unruh macht noch den Vorschlag, daß es jedem Abgeordneten freistehen soll, sich der Deputation zur Dombaufeier anzuschließen, welcher ebenfalls angenommen wird.
Vicepräsident Kosch, als Vorsitzender der Kommission zur Berathung der Habeas-Corpus-Akte, kündigt an, daß wegen den vielen hinzugetretenen Schwierigkeiten, es der Central-Abtheilung trotz aller Anstrengungen nicht gelungen sei, nach dem vor 8 Tagen von der Versammlung gefaßten Beschluß, den Gesetz Entwurf heute vorzulegen. Besonders sind die Schwierigkeiten hervorgehoben worden, die einer Ausführung dieses Gesetzes in den altländischen Provinzen entgegenstehn, in denen eine vollständige Reorganisation der Gerichte vorhergehen müsse. Die Central-Abtheilung hat nun erst eine Kommission von drei ihrer Mitglieder, die Abgeordneten Waldeck, Simons und Wachsmuth ernannt, um einen neuen Gesetz Entwurf vorzulegen. Diese haben ihre Arbeit beendet und der erste Theil, von der Unverletzlichkeit der Person, ist bereits in der Abtheilung berathen und angenommen. In 8 Tagen, wird der Versammlung der vollkommene Gesetz-Entwurf zugehen können.
Esser II., als Vorsitzender der Fachkommission für Gemeinde-Verfassung macht auf Beschwerden, welche eingegangen sind aufmerksam; insbesondere auf eine, von der Stadtgemeinde zu Preußisch-Stargardt und vielen Landgemeinden dieses Kreises, wegen der am 6. April und 25. Juni stattgefundenen Neuwahl eines Landraths dieses Kreises. In Folge dieser Vorstellungen hat die Fach-Kommission beschlossen den Antrag zu stellen, das Ministerium zu ersuchen, die vorgenommene Wahl nicht zu bestätigen, und daß es überhaupt alle erledigten Landrathsstellen bis zur definitiven Erlassung der neuen Gemeindeordnung nur kommissarisch besetzen lasse.
Minister Kühlwetter. Ich sehe mich genöthigt auf zwei Gegenstände, die heute hier berührt worden sind, eine Erklärung abzugeben. Das Ministerium ist unablässig beschäftigt gewesen die Gemeinde-Ordnung auf das Sorgfältigste vorzubereiten und Deputirte aus allen Provinzen sind zu Rathe gezogen worden. Ein Entwurf, der vielfach verbessert worden ist, liegt bereits im Ministerium vor. Der Fall in Preußisch-Stargardt gehört wie Sie aus den Daten ersehen, einer frühern Zeit an, ehe ich ins Ministerium eintrat. Bei meinem Eintritt ins Ministerium habe ich, wie schon früher mitgetheilt ist, die Besetzung aller erledigten Bürgermeister- und Landrathsstellen sistiren lassen, ganz so wie der Antrag der Kommission verlangt, deshalb ist er ganz unnöthig.
Die Versammlung beschließt dennoch dem Antrag der Kommission beizustimmen. ‒ Hierauf geht man in der Abstimmung über das Gesetz, die Aufhebung der Todesstrafe weiter. ‒ Der Abgeordnete Reichensperger hat folgendes Amendement zum §. 1. gestellt: „Die Todesstrafe ist bei allen Verbrechen mit Ausnahme des Hochverraths und des Mordes mit Vorbedacht abgeschafft. ‒ Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei derselben.“
Zuerst werden in Folge dieses Amendements, die Fragen zertheilt und die erste Frage: „Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Hochverraths aufgehoben werden?“ nach namentlicher Abstimmung mit 315 gegen 28 Stimmen bejaht. ‒ Der Minister-Präsident stimmte für Beibehaltung der Todesstrafe. ‒ Die Vereinbarer begaben sich hierauf sämmtlich gegen 101/2 Uhr zur Parade.
Nachmittags Sitzung.
Nach Beendigung der Parade versammeln sich die Vereinbarer von Neuem und die Sitzung wird gegen 1 Uhr eröffnet. ‒ Die zweite Frage lautet:
„Soll die Todesstrafe für das Verbrechen des Mordes mit Vorbedacht aufgehoben werden?“
Diese Frage wird ebenfalls, wie die erste in der Morgensitzung nach namentlichem Aufruf mit 248 gegen 80 Stimmen bejaht. Der Minister-Präsident und viele Mitglieder der Rechten mit Reichensperger, Baumstark, Riedel, v. Daniels und Professor Niemeyer an der Spitze stimmten für Beibehaltung der Todesstrafe in beiden Fragen. ‒ Nun kommt die Abstimmung über das Amendement des Abgeordneten Ludwig: „Für den Fall eines Krieges oder Belagerungszustandes verbleibt es jedoch bei der in den Gesetzen angedrohten Todesstrafe“ welches nach namentlicher Abstimmung mit 173 gegen 166 Stimmen verworfen wird.
Hierauf wird über den letzten Theil des Reichensperger'schen Amendements, welches mit dem zweiten Theil des §. 1. des Gesetz-Entwurfs gleichlautend ist abgestimmt:
„Für Verbrechen, rücksichtlich deren in den Gesetzen für den Fall eines Kriegs- oder Belagerungszustandes Todesstrafe vorgeschrieben ist, verbleibt es bei denselben.“
Dieser Theil wird mit 166 gegen 160 Stimmen angenommen; demnach ist die Todesstrafe in Kriegszeiten beibehalten. ‒ Alsdann kommt der Zusatz des Abg. Weichsel zu obigem Theil zur Abstimmung und wird mit großer Majorität angenommen; er lautet: „sie (die Todesstrafe) fällt aber weg, sobald als sie noch nicht vor Beendigung des Kriegs- oder Belagerungszustandes vollstreckt ist.“
Endlich wird auch der dritte Theil des §. 1. mit großer Majorität angenommen, welcher lautet: „Unter welchen Umständen, mit welchen Formen und Wirkungen ein Belagerungszustand ausgesprochen werden darf, bleibt einem besondern Gesetze vorbehalten.“
Alsdann kommt der §. 2. zur Berathung, welcher lautet:
„An die Stelle der Todesstrafe tritt im Bezirke des Rheinisches Appellations-Gerichtshofes die lebenswierige Zwangsarbeitsstrafe, in den übrigen Landestheilen lebenswierige Zuchthaus- oder Festungsstrafe.“
Der Abg. Kühnemann hat dafür folgende Fassung vorge-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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