Neue Rheinische Zeitung. Nr. 71. Köln, 10. August 1848.Aber Ach, es war alles umsonst. Der edle Ritter seufzte seine besten Seufzer, er warf seine glühendsten Blicke, er erschöpfte "seine ganze Kriegeskasse" und doch sah Carlotta noch immer von der Bühne hinab in das Parquet, wo stets an derselben Stelle, rein aus Zufall, ein wahrer Adonis von einem Gardeoffizier stand und mit der lebendigen Künstlerin das Kreuzfeuer der verliebtesten Blicke führte. Da sammelte der edle Ritter seine Gedanken um sich, wie einen Kriegsrath und beschloß, die Belagerung aufzuheben. Man glaube indeß ja nicht, daß Herr von Schnapphahnski ein solcher Narr gewesen wäre, um rein als Geprellter von dannen zu ziehen. Gott bewahre! Der Mann, der die Gräfin S. auf der Landstraße aussetzte und die Hiebe seines Gegners mit nassen Sacktüchern parirte, er wußte auch jetzt seine Ehre zu retten. Tiefsinnig schritt er unter den Linden auf und ab und nachdem er einen Morgen und einen Nachmittag mit sich zu Rathe gegangen war, ließ er plötzlich am Abend anspannen und seinen leeren Wagen vor das Hotel Carlotten's fahren. Der Wagen stand dort den Abend, er stand die Nacht hindurch und er stand bis zum Morgen. Ruhige Bürger, die eben nicht ganz auf den Kopf gefallen waren, stießen einander an, wenn sie die Karosse sahen und blickten dann schmunzelnd hinauf zu dem Fenster der Künstlerin. Naseweise Literaten und spitzfindige Justizräthe schauten sogar auf das Wappen und die Livree des Kutschers, indem sie bedenklich die Köpfe schüttelten und dann mit allerlei kuriosen Gesprächen nach Hause schritten. Einige Offiziere stuzten aber erst vollends. - Zufällig war unter ihnen auch jener Adonis aus dem Parquet des Schauspielhauses! Es weiß nicht, was er sieht, er reibt sich die Augen, er fühlt an seinen Kopf, um sich davon zu überzeugen, ob ihn das Schicksal wirklich mit einem jugendlichen Hornschmuck geziert hat und den Säbel in der Faust, dringt er dann in Carlotten's Wohnung. - - Er findet die Künstlerin mutterselen allein in ihrem Zimmer - sie empfängt ihren Adonis, wie es einer Venus zukommt. Erst mit dem Morgenroth ist die Karosse Schnapphahnski's verschwunden. Berlin erwacht zu geschäftigem Treiben. Trödler und Eckensteher murren über das Pflaster, Karren und Droschken rasseln vorüber, Handwerker und Kaufleute eilen an ihre Arbeit und fast der einzige Mensch, der erst sehr spät und äußerst langsam in die Stadt hinunterflanirt, das ist wieder niemand anders, als unser berühmter Ritter Schnapphahnski. - - Er sieht etwas leidend und angegriffen aus; seine Augen glänzen feucht-melancholisch und der schöne Kopf mit dem feinen Hute hängt sinnend hinab auf die seufzerschwere Brust. Da schleicht der Ritter nachlässig scharwenzelnd in den nächsten Salon und wirft sich gähnend auf den Divan. "Theurer Ritter, auf Ehre, was fehlt Ihnen?" fragen einige Bekannte, als sie ihren Freund in so weicher, schmerzlicher Stimmung sehen. Keine Antwort. Die Lippen Schnapphahnski's umspielt ein mildes Lächeln. "Auf Seele, Ritter," fährt man fort, "es scheint Ihnen etwas Ungewöhnliches passirt zu sein!" Schnapphahnski reckt einmal alle Glieder. Eine halbe Stunde verstreicht so, da hat der Ritter die Aufmerksamkeit seiner liebenswürdigen Umgebung bis auf's Höchste gesteigert; auf's Neue bestürmt man ihn mit Fragen, er kann nicht mehr widerstehen und gleichgültig wirft er die Worte: "die vorige Nacht" - "bei Carlotta" hin - und rings entsteht das freudigste, interessanteste Erstaunen! Man sieht, die Aventüren unseres Ritters werden immer delikater. Zuerst eine wirkliche Liebschaft, die zwar mit der erbärmlichsten Pointe schließt, deren eine Liebschaft fähig ist, die aber wenigstens bis zum Augenblick der Pointe alle süßen, schauerlichen Phasen durchmacht und den Eindruck bei uns zurückläßt, daß es dem edlen Ritter wenigstens ein Mal in seinem Leben gelang, eine Frau zu erobern, und ein Herz zu besitzen. Schade, daß die Stöcke der Lakaien des Grafen S. sich an dieses erste Abentheuer reihen! Dann die zweite Aventüre. Sie drehte sich ebenfalls um das schöne Geschlecht. Der Ritter besitzt aber schon nicht mehr, nein, er intriguirt nur. Die Sache läßt sich aber trotz dem noch hören, weil ein Duell daraus entsteht, ein Duell mit einem Grafen G., einem wahren Eisenfresser, ein Duell mit krummen Säbeln, und wir sind schon auf dem Punkte uns mit der Geschichte zu versöhnen, als plötzlich jene erbauliche Wendung mit einem halben Dutzend nasser Sacktücher eintritt und wir nur zu sehr fühlen, daß der Ritter eine bedeutende Stufe gesunken ist. Doch ach, jetzt die dritte Affaire mit Carlotta! Zu dem Ekel, den uns das galante Malheur Sr. Hochgeboren verursacht, gesellt sich der bedauerliche Eindruck der gewöhnlichsten Lügen, der blaßesten Renommage. Wir sehen den Ritter auf dem Divan liegen, umringt von jungen Offizieren, den physischen Katzenjammer der Liebe heucheln - und es wird uns traurig zu Muthe! Aber so war es. Wer weiß, in wie weit es Herrn von Schnapphahnski gelungen wäre, seine Umgebung zu täuschen, und jenes selige Ermatten einer glücklichen Nacht täuschend nachzuahmen, wenn sich nicht plötzlich der süße Adonis Carlottens an der andern Seite des Salons emporgerichtet und den renommirenden Ritter, seiner erbärmlichen Lüge wegen, ohne weiteres auf Pistolen gefordert hätte. Was sollte Ritter thun? Er fühlte, daß er wieder einmal eine Stufe sinken müsse; er wußte aus eigener Erfahrung, daß er im Duell eben kein Heros war, und die Lust des Lebens und die Hoffnung einer besseren Zukunft in Erwägung ziehend, entschloß er sich daher, eine gute Miene zu dem bösen Spiel zu machen und in Gegenwart sämmtlicher Offiziere die schriftliche Erklärung abzugeben, daß er der gröbste Lügner sei und aufrichtig bedauere, die Reize der schönen Carlotta durch das Maneuvre mit dem leeren Wagen auf so unnöthige Weise verdächtigt zu haben. Diese Erklärung des berühmten Ritters Schnapphahnski befindet sich noch heutigen Tages in dem Archiv eines des Berliner Gardeoffizier-Corps. (Fortsetzung folgt.) [Deutschland] [Fortsetzung] Parade erklärt, allein der Oberbefehlshaber Rimpler fand es für gut, persönlich in Potsdam Instruktionen zu holen, in Folge deren die Parade auf morgen (Dienstag) verschoben werden soll. Der angebliche Grund war, weil es an einer vollkommenen Uebereinstimmung aller Kompagnien bis jetzt gefehlt habt. Indignirt über das Benehmen des höfischen Herrn Rimpler zog indeß gestern Morgen ein großer Theil der Bürgerwehr auf eigen Faust mit klingendem Spiel vor s Halle'sche Thor und brachte dort der deutschen Einheit ein dreimaliges Hurrah. Ein anderer Theil schloß sich dem Festzuge nach dem Kreuzberge an. Diese Alle wollen der Farce post festum am Dienstag nicht beiwohnen, so daß vielleicht der höfische Hr. Rimpler mit seinen konservatioservilen Hrn. Majors morgen allein sein durfte Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß schon seit längerer Zeit eine bedeutende Spaltung in der Bürgerwehr herrscht; die demokratisch Gesinnten ziehen sich allmählig zurück, weil sie den schnöden Dienst zum Schutz der Gewalthaber satt sind. Schloßgitter, festlicher Empfang der Soldaten etc. haben schon früher bei vielen Widerwillen erregt; jetzt kommt noch die Konstablergeschichte hinzu und vollendet die Scheidung Der gestrige Zug war sehr lang; es währte eine volle Stunde ihn vorbei passiren zu lassen. Man versammelte sich gegen 2 Uhr auf dem Opernplatze wo der Student Voswinkel eine Rede h elt. Gegen halb 3 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung und langte um 5 Uhr auf dem Kreuzberge an. (Die Teltower Bauern waren bald abgezogen, nachdem sie dreimal das Monument unter Absingung von "Heil unserm Könige" und "Ich bin ein Preuße" umwandelt hatten.) Hier sprach Held wenige Worte und seiner Aufforderung, der deutschen Einheit, nichts weiter, ein dreimaliges Lebehoch zu bringen, wurde einstimmig entsprochen. Ein kühner Kletterer befestigte dann an der Spitze des Monuments die dreifarbige Fahne, worauf der Zug sich gruppenweise in die Stadt zurückbegab, was um so schneller geschah, als es heftig regnete. Dem Zuge hatten sich angeschlossen von den Deputirten der Linken Graf Reichenbach, d'Ester u. A. Gegen 9 Uhr waren alle Theilnehmer des Zuges wieder in Berlin. Die heiterste Stimmung herrschte überall und das Volk war nichts weniger als bereit Unruhe zu machen. Dafür sorgten nun aber die Rimpler'schen Bürgerwehrmänner und unsere lieben Freunde, die Konstabler. Es wäre auch Schade gewesen, so viel Mühe umsonst gehabt zu haben: Militär consignirt, Landwehr mit Patronen versehen etc., Skandal mußte den 6. August beschließen. Wie natürlich war das Volk unter den Linden sehr zahlreich und lebhaft, aber ganz harmlos, so daß es sich nicht einmal den Witz erlaubte, wie am Samstag Abend, einen Gänsemarsch zu arrangiren. Plötzlich wird gegen halb 10 Uhr von der tapfern Bürgerwehr Generalmarsch geschlagen, und die Säuberung der Linden beginnt. Bei dieser Gelegenheit sollen nun die Schutzmänner kostbare Fänge gemacht und sich selbst übertroffen haben, unter Andern den Abgeordneten Stein von Breslau. Die Erbitterung gegen die Konstabler ist jetzt auf eine solche Höhe gestiegen, daß heute Abend wahrscheinlich Unruhen ausbrechen würden, wenn man nicht wüßte, daß die Sache in der morgenden Vereinbarungs-Versammlung zur Sprache kommen wird. Die Herren Rodbertus, v. Berg, Stein u. A. haben viel Material gesammelt; gelingt es aber trotzdem nicht auf friedlichem Wege die Konstabler (event. den Hrn. Kühlwetter, da sich derselbe mit ihnen identifizirt) zu Fall zu bringen, so wird eine gewaltsame Aufhebung dieser Schutzengel sehr wahrscheinlich. - Der "W.-Z." wird aus Berlin vom 2. August Folgendes geschrieben: Die Unthätigkeit in Schleswig-Holstein bekundet genugsam die Absichten Preußens, die Waffenruhe so bald als möglich wiederherzustellen, da der Ostseehandel bei einer längeren Störung des Friedens seinem völligen Ruin nicht mehr entgehen kann. Preußen hat bis jetzt über vier Millionen Kriegskosten gezahlt, und darf den Verlust seines Handels, wiewohl sich derselbe immer nur annähernd wird schätzen lassen, auf wenigstens 6 Mill. Thaler anschlagen. So großen Opfern gegenüber muß die Rücksichtnahme auf die formellen Bedenken und Schwierigkeiten, wie sie von Frankfurt aus erhoben worden sind, weichen, und, wir können diese Nachricht als aus guter Quelle kommend bezeichnen, die preußische Regierung hat daher den bestimmten Entschluß gefaßt, mit Dänemark sich wegen Abschluß eines Separatfriedens in Unterhandlungen einzulassen, falls es ihm noch länger verwehrt werden sollte, selbstständig diese Unterhandlungen Namens Deutschlands zum Abschluß zu bringen. Der General v. Below hat auch dieserhalb die entsprechenden Schritte in Wien beim Reichsverweser g than, und die nothwendigen Anweisungen nach Frankfurt hin mitgenommen; nur mit einer Stimme ist ferner eine Erklärung des preußischen Staatsministeriums bei der Berathung im Schooße desselben in der Minderheit geblieben, die vom Kriegsminister v. Schreckenstein entworfen war, und offen mit Zurückziehen der preußischen Bundestruppen aus Schleswig-Holstein bei einer längeren Weigerung der Frankfurter Versammlung zu drohen beabsichtigte. England hat hier durch seinen Gesandten von Neuem die energischsten Vorstellungen wegen Herstellung des Friedens machen lassen, Dänemark hat seine Bereitwilligkeit erklärt, falls es mit Preußen allein unterhandeln kann, und Schweden hat es geradezu in einer Note ausgesprochen, daß der Reichsverweser gar keine diplomatisch anerkannte Macht sei, mit demselben also auch gar nicht in Unterhandlung getreten werden könne, und es daher so lange die Sache Dänemarks als die seinige betrachtet werde, bis nicht ungerechtfertigte formelle Schwierigkeiten mehr dem einmüthigen Verlangen nach Herstellung des Friedens entgegengestellt würden. !!! Frankfurt, [#]. August. 56. Sitzung der Nationalversammlung. In Folge der Tagesordnung, auf der [#] 1 die Debatte über die Amnestiefrage Heckers und seiner Genossen steht, ist die Kirche außergewöhnlich voll. Man scheint den großen Scandal, der sich später wirklich zutrug, erwartet zu haben. Die linken Gallerien sind stark vertreten, die [#] im unten Kreise vorhanden. Der Präsident hat eine neue Glocke, die aber wie sich später erweist, eben so wenig ausreicht, wie die am Sonnabend zerschlagene v. Soiron präsidirt. Der edle Gazern hat nach seinem alten Kniff, weil ein Eclat zu erwarten, sich zurückgezogen. Ich gehe zur Sache. Verlesung der Beiträge zur deutschen Flotte, deren Gesammtsumme bis zum 5. August über 36,000 Gulden. Fernere Mittheilung, daß von den Deutschen aus Siebenburgen eine Gesandtschaft, und zwar Friedrich Müller und der Professor Friedrich Gentsch, an die Nationalversammlung gekommen sei, um derselben im Namen ihrer deutschen Brüder in Siebenbürgen Schriften zu überreichen: 1) eine Adresse an das Muttervolk, 2) eine Denkschrift der sächsischen Bewohner in Siebenbürgen, worin eine Beleuchtung der siebenbürgischen staatsrechtlichen Verhältnisse und ihrer Verhältnisse zu Ungarn; dieselbe wird gedruckt werden. Man geht zur Tagesordnung über. Nachdem ein Amendement von Simon aus Trier, worin Amnestie für alle politischen Verbrecher beantragt wird, verlesen ist, spricht: Wiedemann, Berichterstatter des Petitionsausschusses; er bringt erst eine Legion von Petitionen, unter andern von vielen badischen Gemeinden, von den Frauen und Jungfrauen aus Konstanz, von den Frauen und Jungfrauen aus Hanau, von Willich (Köln) und vielen Flüchtlingen aus Besancon, in welcher letztere u. A. gesagt wird: daß sie von den Almosen Frankreichs leben. Sie hätten diese Petition an die Versammlung geschickt, weil der Ausschuß, als Grund auf die Amnestirung nicht einzugehen, gesagt habe: von den Betheiligten selbst hätte keiner petitionirt. Der Ausschuß beantragt über alle diese Petitionen Tagesordnung, da nur Baden das Recht habe zu untersuchen und zu bestrafen in dieser Sache, so habe auch nur Baden das Recht der Abolition. Es ist bei diesem Fall keine Veranlassung, in das Recht der einzelnen Staaten einzugreifen. Nur wenn die Einheit und Freiheit Deutschlands gefährdet, ist dies statthaft. Hier ist das Gegentheil. - Baden war die Haupttriebfeder der Freiheit, der erste Grundstein zur Nationalversammlung. Die Aufständischen nennt Herr von Wiedemann einige Unzufriedene!? Wer auf jeden Fall die Republik in ein Land, welches dieselbe nicht wollte, (von der Gallerie: "das ist nicht wahr" - Gelächter) bringen wollte, ist ein Vaterlandsverräther; auf den Zeitpunkt komme nichts an. Amnestie pflegt nach allen großen Bewegungen ertheilt zu werden, auch in der letzten Bewegung ist sie ertheilt worden. Jetzt sollen wir auf's Neue amnestiren? Die Ordnung ist noch nicht wieder hergestellt. Vor allen Dingen muß das Gesetz wieder zur Anwendung gebracht werden. Später können wir vielleicht amnestiren. Die Amnestie würde zu neuen Erschütterungen reizen. (Bravo rechts. Gallerie und Linke zischen.) Hr. Wiedemann hat, um die Versammlung recht zu erboßen, den Hecker'schen Volksfreund zur Hand, und liest Paragraphen vor, aus einem Plane Struve's, zur Revolutionirung und Republikanisirung per Gewalt. Hierdurch will er beweisen, daß die Gefangenen alle noch verbrecherische Absichten haben. Bei dem einen Paragraphen, in dem es heißt, alle Mittel zu einer gerechten Sache sind gerecht, giebt die Versammlung Zeichen des Schreckens zu erkennen. v. Soiron beruhigt sie. Weiter heißt es: die Konfiskation des Vermögens der Fürsten u. s. w. ist eine Nothwendigkeit. (Halloh in der Versammlung; Gallerien Bravo. Geschrei links: "das gehört nicht hieher".) Wiedemann liest ruhig weiter: "das gehöre hieher, man könne ja in der Debatte darauf antworten". (Bravo und Zischen.) Der edle Redner schließt mit dem bekannten Bellinischen Rührungsschluß: "Meine Herren, wir theilen gewiß alle das Mitleid für die unglücklichen Verirrten, selbst für die Anführer, aber des Vaterlandes Wohl über Alles. (Langes Bravo, längeres Zischen.) (Auch Herr Jucho, der selbst noch vor kurzem politischer Gefangener war, klatscht lebhaften Beifall.) Soiron unterbricht die Debatte durch Verlesung eines Antrags von Wiesner: alle politisch Angeschuldigten zu amnestiren. (Donnerndes Bravo der Gallerien, welches durch Soiron's Befehl zu schweigen nicht abgekürzt wird.) Ferner Antrag von Eisenmann und Zimmermann, man solle Amnestie erzeigen, wenn Reue gezeigt würde. In der Reihe der Redner v. Itzstein, den man mit Bravo empfängt. Man möchte, was Struve in seiner Uebertreibung geschrieben, nicht den Gefangenen zum Nachtheil gereichen lassen, wie es Herr Wiedemann zu wollen scheine; man solle beherzigen, was diese Leute leiden mußten, man solle berücksichtigen die Masse von Petitionen, worunter u. A. die rührenden Bitten von 772 Mannheimer Frauen und Jungfrauen, denen Ihre Gatten und Beschützer geraubt sind. Uebrigens theile er im Namen Heckers mit, daß derselbe für sich kein Amnestie wünsche. (Lautes Bravo auf den Gallerien.) Man möge die Gefangenen begnadigen und die armen Flüchtlinge. Das der Wunsch Heckers. Ein Wort der Begnadigung, meint Itzstein, wird Ruhe und Vertrauen zu den Regierungen ins Volk bringen, übrigens hat das ganze Volk, nicht bloß die Badener, sich empört. (Bravo der Gallerien; rechts wünscht Einer Räumung der Gallerien.) v. Soiron gebährdet sich wüthend, was auf den Gallerien einen komischen Eindruck macht. Hagen von Heidelberg. Indem er für die Amnestie der Badener spricht, weiß er sehr wohl, daß er dieser Versammlung gegenüber keine leichte Sache versicht; auch er beklagt, wie Alle, den Aufstand denn dieser konnte weder zur Freiheit noch zur Einheit führen. Man muß hier nicht auf dem Standpunkt des positiven Rechts, sonder auf dem [#] stehen, sonst wären wir Alle Hochverräther (Rechts Zeichen des Entsetzens.) Dies schützt die Macht der Revolutionen vor dem System der alten Regierungen und wir sollten die, die nur eine Linie [#] gingen wie wir, nicht amnestiren wollen? Man hat gesagt, es wäre damals schon Alles zur Freiheit angebahnt gewesen, als Hecker den Aufstand erregt; aber man möge bedenken daß die Bewegung in den Geistern derer, die den Aufstand erregt, eine ganz außerordentliche war. Man glaubte, Deutschland die beste Verfassung bringen zu müssen, dies entschuldige ich! Aber ist denn die Republik die beste Verfassung wird man fragen. Viele sind hier, die sie für das Idel einer Verfassung halten. (Rechts, Gott bewahre.) Unser Volk muß damit enden, daß es die Republik erlangt. Unsere Zeit strebt zur Einfachheit und zur Natur zurück. Mag an Deutschlands Spitze stehen, was da wolle, das deutsche Volk wird nicht eher ruhen bis die Dynastien verschwunden, bis die Demokratie siegt. Auch wir würden eine leichtere Aufgabe haben, hätten wir nicht die dynastischen Interessen zu berücksichtigen. (Bravo.) Aber etwas Anderes ist der Gedanke - etwas Anderes die Ausführung. Wenn der Versuch gerechtfertigt erscheint, Deutschland zu einer Republik zu machen, so muß man sich nicht wundern, daß in Baden, dem vorgebildetsten Lande, dieser Versuch zum eclat gekommen. Dieser Versuch ist mißglückt. Wäre er geglückt, dann wäre er gerechtfertigt. Hecker hat verlangt, man solle abstimmen lassen, ob Baden eine Republik wolle; dies hat der Staatsrath abgelehnt. Warum? Damals war Badens Stimmung für die Republik; man glaubte, der Rhein und Würtenberg würde sich anschließen; das war eine Täuschung, aber man bedenke, daß jene Männer von diesem Glauben überzeugt waren. Die 33 jährige Niederträchtigkeit in der Politik, womit hat man die bestraft? Und wir sollten die bestrafen, die im ersten Freiheitsrausche einmal geirrt. (Lautes Bravo links und der Gallerien.) Man bedenke die armen Gefangenen und die Masse der Petitionen. Ich selbst habe 6 Stück hier; der Redner will eine vorlesen. (Widerspruch rechts.) Er verliest eine Petition von 6000 Heidelbergern, worin es u. A. heißt: "Man glaube nicht, daß die Majorität der Nationalversammlung eine unversöhnliche politische Partei sein werde. Schoder aus Stuttgart durchaus gegen die Amnestirung, beklagt, daß der Redner vor ihm sich zu Gunsten der republikanischen Schilderhebung ausgesprochen; wirft einigen Koth auf Hecker. Wenn wir sie amnestiren, werden sie wieder rebelliren, das hieße, den Hochverrath sanktioniren. (Zischen.) Der große Theil des deutschen Volks würde damit unzufrieden sein. Nach der Untersuchung will Herr Schoder die Minderschuldigen begnadigen, und später vielleicht auch die Andern, wenn sie sich reuig gezeigt haben, daß sie den Willen des souveränen Volkes achten. (Bravo und Zischen.) v. Soiron macht beschwichtigende Handbewegungen. Simon aus Trier. Soll die politische Einigung Deutschlands immer nur zur Unterdrückung der Freiheit, zur Beförderung der Reaktion dienen? (Schallendes Bravo.) Wir sind der vollziehende Ausschuß des deutschen Volks, und trotz des Reichsverwesers muß die Competenz der Versammlung stehen bleiben in dieser Sache, da sich der Badensche Aufstand mittelbar auf ganz Deutschland bezieht. Der Bericht verwechselt vollständig Amnestie und Begnadigung. Wo hat man je eine juristische Instruktion angestellt, ehe man amnestirte. Wir in Trier haben auch unsere Barrikaden gehabt. (Rechts Gelächter.) Sie waren ein Akt politischer Verkennung, aber trotz des Hohngelächters des Hrn. v. Vincke war es doch einmal eine militärische Volksübung im Gegensatz zu den alten Parademärschen. Der Bericht sagt, die Herren Verbrecher wollen die Amnestie selbst nicht. Sollen sie etwa durch ihre Demüthigung dies ausdrücken? Die Metterniche und andere fürstliche politische Verbrecher sitzen in wollüstiger Ruhe auf ihren Landgütern. Die politischen Volksverbrecher modern im Kerker. (Furchtbares Bravo der Gallerien; da v. Soiron mit Räumung derselben droht, ruft die Linke, "dann wollen wir wenigstens noch einmal Bravo rufen." v. Soiron: "Sie geben ein schönes Beispirl.") In aller Welt amnestirt man und das Gesammt-Deutschland hätte kein Erbarmen? Ist denn das Verbrechen so groß? Hecker ist ein Republikaner und deren sind mehrere hier. (Tiefe Stille.) Hecker hat nur einen Rechnungsfehler gemacht. Simon demonstrirt den Begriff von Hochverräthern, nennt sie Märtyrer der Zukunft. Daß Hecker die Versammlung habe untergraben wollen, wie Hr. Schoder fürchtet, sei nicht wahr. Hecker sei übrigens viel zu stolz, einen Sitz in der Nationalversammlung haben zu wollen, die er desavouire. Daß Baden die Republik nicht gewollt, sei nicht wahr; Fickler und Struve haben bei dem Hrn. Bundestagsgesandten Welcker auf Abstimmung hierüber angetragen. Der Hr. Bundestagsgesandte Welcker habe dies versprochen aber diesem unbefangenen Verlangen folgte die Fickler'sche Verhaftung und so blieb es allerdings etwas dunkel, was Baden gewollt. Von den 20 badischen Deputirten, die hier sitzen, sind kaum sieben vom reinsten konstitutionellen Wasser. Einer von den sieben (Hr. v. Soiron fühlt sich bestürzt) hat sogar schon einmal auf das Wohl der Repuvlik getrunken. Mathy und Bassermann sind nicht in Baden gewählt. (rechts: Persönlichkeiten, links: Bravo.) Daß diese Herren in ihrem Vaterlande nicht gewählt, ist für Hellsehende ein schlimmes Zeichen. Baden ist allerdings jetzt ruhig, aber wie? Wenn der Großherzog von Baden trotz dem Wunsche seines Volks am Ruder bliebe, so geschähe dies vielleicht von Gottes Gnaden oder aus historicher Ureigenthümlichkeit. Wenn Sie die Amnestie nicht bewilligen, werden Aber Ach, es war alles umsonst. Der edle Ritter seufzte seine besten Seufzer, er warf seine glühendsten Blicke, er erschöpfte „seine ganze Kriegeskasse“ und doch sah Carlotta noch immer von der Bühne hinab in das Parquet, wo stets an derselben Stelle, rein aus Zufall, ein wahrer Adonis von einem Gardeoffizier stand und mit der lebendigen Künstlerin das Kreuzfeuer der verliebtesten Blicke führte. Da sammelte der edle Ritter seine Gedanken um sich, wie einen Kriegsrath und beschloß, die Belagerung aufzuheben. Man glaube indeß ja nicht, daß Herr von Schnapphahnski ein solcher Narr gewesen wäre, um rein als Geprellter von dannen zu ziehen. Gott bewahre! Der Mann, der die Gräfin S. auf der Landstraße aussetzte und die Hiebe seines Gegners mit nassen Sacktüchern parirte, er wußte auch jetzt seine Ehre zu retten. Tiefsinnig schritt er unter den Linden auf und ab und nachdem er einen Morgen und einen Nachmittag mit sich zu Rathe gegangen war, ließ er plötzlich am Abend anspannen und seinen leeren Wagen vor das Hotel Carlotten's fahren. Der Wagen stand dort den Abend, er stand die Nacht hindurch und er stand bis zum Morgen. Ruhige Bürger, die eben nicht ganz auf den Kopf gefallen waren, stießen einander an, wenn sie die Karosse sahen und blickten dann schmunzelnd hinauf zu dem Fenster der Künstlerin. Naseweise Literaten und spitzfindige Justizräthe schauten sogar auf das Wappen und die Livrée des Kutschers, indem sie bedenklich die Köpfe schüttelten und dann mit allerlei kuriosen Gesprächen nach Hause schritten. Einige Offiziere stuzten aber erst vollends. ‒ Zufällig war unter ihnen auch jener Adonis aus dem Parquet des Schauspielhauses! Es weiß nicht, was er sieht, er reibt sich die Augen, er fühlt an seinen Kopf, um sich davon zu überzeugen, ob ihn das Schicksal wirklich mit einem jugendlichen Hornschmuck geziert hat und den Säbel in der Faust, dringt er dann in Carlotten's Wohnung. ‒ ‒ Er findet die Künstlerin mutterselen allein in ihrem Zimmer ‒ sie empfängt ihren Adonis, wie es einer Venus zukommt. Erst mit dem Morgenroth ist die Karosse Schnapphahnski's verschwunden. Berlin erwacht zu geschäftigem Treiben. Trödler und Eckensteher murren über das Pflaster, Karren und Droschken rasseln vorüber, Handwerker und Kaufleute eilen an ihre Arbeit und fast der einzige Mensch, der erst sehr spät und äußerst langsam in die Stadt hinunterflanirt, das ist wieder niemand anders, als unser berühmter Ritter Schnapphahnski. ‒ ‒ Er sieht etwas leidend und angegriffen aus; seine Augen glänzen feucht-melancholisch und der schöne Kopf mit dem feinen Hute hängt sinnend hinab auf die seufzerschwere Brust. Da schleicht der Ritter nachlässig scharwenzelnd in den nächsten Salon und wirft sich gähnend auf den Divan. „Theurer Ritter, auf Ehre, was fehlt Ihnen?“ fragen einige Bekannte, als sie ihren Freund in so weicher, schmerzlicher Stimmung sehen. Keine Antwort. Die Lippen Schnapphahnski's umspielt ein mildes Lächeln. „Auf Seele, Ritter,“ fährt man fort, „es scheint Ihnen etwas Ungewöhnliches passirt zu sein!“ Schnapphahnski reckt einmal alle Glieder. Eine halbe Stunde verstreicht so, da hat der Ritter die Aufmerksamkeit seiner liebenswürdigen Umgebung bis auf's Höchste gesteigert; auf's Neue bestürmt man ihn mit Fragen, er kann nicht mehr widerstehen und gleichgültig wirft er die Worte: „die vorige Nacht“ ‒ „bei Carlotta“ hin ‒ und rings entsteht das freudigste, interessanteste Erstaunen! Man sieht, die Aventüren unseres Ritters werden immer delikater. Zuerst eine wirkliche Liebschaft, die zwar mit der erbärmlichsten Pointe schließt, deren eine Liebschaft fähig ist, die aber wenigstens bis zum Augenblick der Pointe alle süßen, schauerlichen Phasen durchmacht und den Eindruck bei uns zurückläßt, daß es dem edlen Ritter wenigstens ein Mal in seinem Leben gelang, eine Frau zu erobern, und ein Herz zu besitzen. Schade, daß die Stöcke der Lakaien des Grafen S. sich an dieses erste Abentheuer reihen! Dann die zweite Aventüre. Sie drehte sich ebenfalls um das schöne Geschlecht. Der Ritter besitzt aber schon nicht mehr, nein, er intriguirt nur. Die Sache läßt sich aber trotz dem noch hören, weil ein Duell daraus entsteht, ein Duell mit einem Grafen G., einem wahren Eisenfresser, ein Duell mit krummen Säbeln, und wir sind schon auf dem Punkte uns mit der Geschichte zu versöhnen, als plötzlich jene erbauliche Wendung mit einem halben Dutzend nasser Sacktücher eintritt und wir nur zu sehr fühlen, daß der Ritter eine bedeutende Stufe gesunken ist. Doch ach, jetzt die dritte Affaire mit Carlotta! Zu dem Ekel, den uns das galante Malheur Sr. Hochgeboren verursacht, gesellt sich der bedauerliche Eindruck der gewöhnlichsten Lügen, der blaßesten Renommage. Wir sehen den Ritter auf dem Divan liegen, umringt von jungen Offizieren, den physischen Katzenjammer der Liebe heucheln ‒ und es wird uns traurig zu Muthe! Aber so war es. Wer weiß, in wie weit es Herrn von Schnapphahnski gelungen wäre, seine Umgebung zu täuschen, und jenes selige Ermatten einer glücklichen Nacht täuschend nachzuahmen, wenn sich nicht plötzlich der süße Adonis Carlottens an der andern Seite des Salons emporgerichtet und den renommirenden Ritter, seiner erbärmlichen Lüge wegen, ohne weiteres auf Pistolen gefordert hätte. Was sollte Ritter thun? Er fühlte, daß er wieder einmal eine Stufe sinken müsse; er wußte aus eigener Erfahrung, daß er im Duell eben kein Heros war, und die Lust des Lebens und die Hoffnung einer besseren Zukunft in Erwägung ziehend, entschloß er sich daher, eine gute Miene zu dem bösen Spiel zu machen und in Gegenwart sämmtlicher Offiziere die schriftliche Erklärung abzugeben, daß er der gröbste Lügner sei und aufrichtig bedauere, die Reize der schönen Carlotta durch das Maneuvre mit dem leeren Wagen auf so unnöthige Weise verdächtigt zu haben. Diese Erklärung des berühmten Ritters Schnapphahnski befindet sich noch heutigen Tages in dem Archiv eines des Berliner Gardeoffizier-Corps. (Fortsetzung folgt.) [Deutschland] [Fortsetzung] Parade erklärt, allein der Oberbefehlshaber Rimpler fand es für gut, persönlich in Potsdam Instruktionen zu holen, in Folge deren die Parade auf morgen (Dienstag) verschoben werden soll. Der angebliche Grund war, weil es an einer vollkommenen Uebereinstimmung aller Kompagnien bis jetzt gefehlt habt. Indignirt über das Benehmen des höfischen Herrn Rimpler zog indeß gestern Morgen ein großer Theil der Bürgerwehr auf eigen Faust mit klingendem Spiel vor s Halle'sche Thor und brachte dort der deutschen Einheit ein dreimaliges Hurrah. Ein anderer Theil schloß sich dem Festzuge nach dem Kreuzberge an. Diese Alle wollen der Farce post festum am Dienstag nicht beiwohnen, so daß vielleicht der höfische Hr. Rimpler mit seinen konservatioservilen Hrn. Majors morgen allein sein durfte Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß schon seit längerer Zeit eine bedeutende Spaltung in der Bürgerwehr herrscht; die demokratisch Gesinnten ziehen sich allmählig zurück, weil sie den schnöden Dienst zum Schutz der Gewalthaber satt sind. Schloßgitter, festlicher Empfang der Soldaten etc. haben schon früher bei vielen Widerwillen erregt; jetzt kommt noch die Konstablergeschichte hinzu und vollendet die Scheidung Der gestrige Zug war sehr lang; es währte eine volle Stunde ihn vorbei passiren zu lassen. Man versammelte sich gegen 2 Uhr auf dem Opernplatze wo der Student Voswinkel eine Rede h elt. Gegen halb 3 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung und langte um 5 Uhr auf dem Kreuzberge an. (Die Teltower Bauern waren bald abgezogen, nachdem sie dreimal das Monument unter Absingung von „Heil unserm Könige“ und „Ich bin ein Preuße“ umwandelt hatten.) Hier sprach Held wenige Worte und seiner Aufforderung, der deutschen Einheit, nichts weiter, ein dreimaliges Lebehoch zu bringen, wurde einstimmig entsprochen. Ein kühner Kletterer befestigte dann an der Spitze des Monuments die dreifarbige Fahne, worauf der Zug sich gruppenweise in die Stadt zurückbegab, was um so schneller geschah, als es heftig regnete. Dem Zuge hatten sich angeschlossen von den Deputirten der Linken Graf Reichenbach, d'Ester u. A. Gegen 9 Uhr waren alle Theilnehmer des Zuges wieder in Berlin. Die heiterste Stimmung herrschte überall und das Volk war nichts weniger als bereit Unruhe zu machen. Dafür sorgten nun aber die Rimpler'schen Bürgerwehrmänner und unsere lieben Freunde, die Konstabler. Es wäre auch Schade gewesen, so viel Mühe umsonst gehabt zu haben: Militär consignirt, Landwehr mit Patronen versehen etc., Skandal mußte den 6. August beschließen. Wie natürlich war das Volk unter den Linden sehr zahlreich und lebhaft, aber ganz harmlos, so daß es sich nicht einmal den Witz erlaubte, wie am Samstag Abend, einen Gänsemarsch zu arrangiren. Plötzlich wird gegen halb 10 Uhr von der tapfern Bürgerwehr Generalmarsch geschlagen, und die Säuberung der Linden beginnt. Bei dieser Gelegenheit sollen nun die Schutzmänner kostbare Fänge gemacht und sich selbst übertroffen haben, unter Andern den Abgeordneten Stein von Breslau. Die Erbitterung gegen die Konstabler ist jetzt auf eine solche Höhe gestiegen, daß heute Abend wahrscheinlich Unruhen ausbrechen würden, wenn man nicht wüßte, daß die Sache in der morgenden Vereinbarungs-Versammlung zur Sprache kommen wird. Die Herren Rodbertus, v. Berg, Stein u. A. haben viel Material gesammelt; gelingt es aber trotzdem nicht auf friedlichem Wege die Konstabler (event. den Hrn. Kühlwetter, da sich derselbe mit ihnen identifizirt) zu Fall zu bringen, so wird eine gewaltsame Aufhebung dieser Schutzengel sehr wahrscheinlich. ‒ Der „W.-Z.“ wird aus Berlin vom 2. August Folgendes geschrieben: Die Unthätigkeit in Schleswig-Holstein bekundet genugsam die Absichten Preußens, die Waffenruhe so bald als möglich wiederherzustellen, da der Ostseehandel bei einer längeren Störung des Friedens seinem völligen Ruin nicht mehr entgehen kann. Preußen hat bis jetzt über vier Millionen Kriegskosten gezahlt, und darf den Verlust seines Handels, wiewohl sich derselbe immer nur annähernd wird schätzen lassen, auf wenigstens 6 Mill. Thaler anschlagen. So großen Opfern gegenüber muß die Rücksichtnahme auf die formellen Bedenken und Schwierigkeiten, wie sie von Frankfurt aus erhoben worden sind, weichen, und, wir können diese Nachricht als aus guter Quelle kommend bezeichnen, die preußische Regierung hat daher den bestimmten Entschluß gefaßt, mit Dänemark sich wegen Abschluß eines Separatfriedens in Unterhandlungen einzulassen, falls es ihm noch länger verwehrt werden sollte, selbstständig diese Unterhandlungen Namens Deutschlands zum Abschluß zu bringen. Der General v. Below hat auch dieserhalb die entsprechenden Schritte in Wien beim Reichsverweser g than, und die nothwendigen Anweisungen nach Frankfurt hin mitgenommen; nur mit einer Stimme ist ferner eine Erklärung des preußischen Staatsministeriums bei der Berathung im Schooße desselben in der Minderheit geblieben, die vom Kriegsminister v. Schreckenstein entworfen war, und offen mit Zurückziehen der preußischen Bundestruppen aus Schleswig-Holstein bei einer längeren Weigerung der Frankfurter Versammlung zu drohen beabsichtigte. England hat hier durch seinen Gesandten von Neuem die energischsten Vorstellungen wegen Herstellung des Friedens machen lassen, Dänemark hat seine Bereitwilligkeit erklärt, falls es mit Preußen allein unterhandeln kann, und Schweden hat es geradezu in einer Note ausgesprochen, daß der Reichsverweser gar keine diplomatisch anerkannte Macht sei, mit demselben also auch gar nicht in Unterhandlung getreten werden könne, und es daher so lange die Sache Dänemarks als die seinige betrachtet werde, bis nicht ungerechtfertigte formelle Schwierigkeiten mehr dem einmüthigen Verlangen nach Herstellung des Friedens entgegengestellt würden. !!! Frankfurt, [#]. August. 56. Sitzung der Nationalversammlung. In Folge der Tagesordnung, auf der [#] 1 die Debatte über die Amnestiefrage Heckers und seiner Genossen steht, ist die Kirche außergewöhnlich voll. Man scheint den großen Scandal, der sich später wirklich zutrug, erwartet zu haben. Die linken Gallerien sind stark vertreten, die [#] im unten Kreise vorhanden. Der Präsident hat eine neue Glocke, die aber wie sich später erweist, eben so wenig ausreicht, wie die am Sonnabend zerschlagene v. Soiron präsidirt. Der edle Gazern hat nach seinem alten Kniff, weil ein Eclat zu erwarten, sich zurückgezogen. Ich gehe zur Sache. Verlesung der Beiträge zur deutschen Flotte, deren Gesammtsumme bis zum 5. August über 36,000 Gulden. Fernere Mittheilung, daß von den Deutschen aus Siebenburgen eine Gesandtschaft, und zwar Friedrich Müller und der Professor Friedrich Gentsch, an die Nationalversammlung gekommen sei, um derselben im Namen ihrer deutschen Brüder in Siebenbürgen Schriften zu überreichen: 1) eine Adresse an das Muttervolk, 2) eine Denkschrift der sächsischen Bewohner in Siebenbürgen, worin eine Beleuchtung der siebenbürgischen staatsrechtlichen Verhältnisse und ihrer Verhältnisse zu Ungarn; dieselbe wird gedruckt werden. Man geht zur Tagesordnung über. Nachdem ein Amendement von Simon aus Trier, worin Amnestie für alle politischen Verbrecher beantragt wird, verlesen ist, spricht: Wiedemann, Berichterstatter des Petitionsausschusses; er bringt erst eine Legion von Petitionen, unter andern von vielen badischen Gemeinden, von den Frauen und Jungfrauen aus Konstanz, von den Frauen und Jungfrauen aus Hanau, von Willich (Köln) und vielen Flüchtlingen aus Besançon, in welcher letztere u. A. gesagt wird: daß sie von den Almosen Frankreichs leben. Sie hätten diese Petition an die Versammlung geschickt, weil der Ausschuß, als Grund auf die Amnestirung nicht einzugehen, gesagt habe: von den Betheiligten selbst hätte keiner petitionirt. Der Ausschuß beantragt über alle diese Petitionen Tagesordnung, da nur Baden das Recht habe zu untersuchen und zu bestrafen in dieser Sache, so habe auch nur Baden das Recht der Abolition. Es ist bei diesem Fall keine Veranlassung, in das Recht der einzelnen Staaten einzugreifen. Nur wenn die Einheit und Freiheit Deutschlands gefährdet, ist dies statthaft. Hier ist das Gegentheil. ‒ Baden war die Haupttriebfeder der Freiheit, der erste Grundstein zur Nationalversammlung. Die Aufständischen nennt Herr von Wiedemann einige Unzufriedene!? Wer auf jeden Fall die Republik in ein Land, welches dieselbe nicht wollte, (von der Gallerie: „das ist nicht wahr“ ‒ Gelächter) bringen wollte, ist ein Vaterlandsverräther; auf den Zeitpunkt komme nichts an. Amnestie pflegt nach allen großen Bewegungen ertheilt zu werden, auch in der letzten Bewegung ist sie ertheilt worden. Jetzt sollen wir auf's Neue amnestiren? Die Ordnung ist noch nicht wieder hergestellt. Vor allen Dingen muß das Gesetz wieder zur Anwendung gebracht werden. Später können wir vielleicht amnestiren. Die Amnestie würde zu neuen Erschütterungen reizen. (Bravo rechts. Gallerie und Linke zischen.) Hr. Wiedemann hat, um die Versammlung recht zu erboßen, den Hecker'schen Volksfreund zur Hand, und liest Paragraphen vor, aus einem Plane Struve's, zur Revolutionirung und Republikanisirung per Gewalt. Hierdurch will er beweisen, daß die Gefangenen alle noch verbrecherische Absichten haben. Bei dem einen Paragraphen, in dem es heißt, alle Mittel zu einer gerechten Sache sind gerecht, giebt die Versammlung Zeichen des Schreckens zu erkennen. v. Soiron beruhigt sie. Weiter heißt es: die Konfiskation des Vermögens der Fürsten u. s. w. ist eine Nothwendigkeit. (Halloh in der Versammlung; Gallerien Bravo. Geschrei links: „das gehört nicht hieher“.) Wiedemann liest ruhig weiter: „das gehöre hieher, man könne ja in der Debatte darauf antworten“. (Bravo und Zischen.) Der edle Redner schließt mit dem bekannten Bellinischen Rührungsschluß: „Meine Herren, wir theilen gewiß alle das Mitleid für die unglücklichen Verirrten, selbst für die Anführer, aber des Vaterlandes Wohl über Alles. (Langes Bravo, längeres Zischen.) (Auch Herr Jucho, der selbst noch vor kurzem politischer Gefangener war, klatscht lebhaften Beifall.) Soiron unterbricht die Debatte durch Verlesung eines Antrags von Wiesner: alle politisch Angeschuldigten zu amnestiren. (Donnerndes Bravo der Gallerien, welches durch Soiron's Befehl zu schweigen nicht abgekürzt wird.) Ferner Antrag von Eisenmann und Zimmermann, man solle Amnestie erzeigen, wenn Reue gezeigt würde. In der Reihe der Redner v. Itzstein, den man mit Bravo empfängt. Man möchte, was Struve in seiner Uebertreibung geschrieben, nicht den Gefangenen zum Nachtheil gereichen lassen, wie es Herr Wiedemann zu wollen scheine; man solle beherzigen, was diese Leute leiden mußten, man solle berücksichtigen die Masse von Petitionen, worunter u. A. die rührenden Bitten von 772 Mannheimer Frauen und Jungfrauen, denen Ihre Gatten und Beschützer geraubt sind. Uebrigens theile er im Namen Heckers mit, daß derselbe für sich kein Amnestie wünsche. (Lautes Bravo auf den Gallerien.) Man möge die Gefangenen begnadigen und die armen Flüchtlinge. Das der Wunsch Heckers. Ein Wort der Begnadigung, meint Itzstein, wird Ruhe und Vertrauen zu den Regierungen ins Volk bringen, übrigens hat das ganze Volk, nicht bloß die Badener, sich empört. (Bravo der Gallerien; rechts wünscht Einer Räumung der Gallerien.) v. Soiron gebährdet sich wüthend, was auf den Gallerien einen komischen Eindruck macht. Hagen von Heidelberg. Indem er für die Amnestie der Badener spricht, weiß er sehr wohl, daß er dieser Versammlung gegenüber keine leichte Sache versicht; auch er beklagt, wie Alle, den Aufstand denn dieser konnte weder zur Freiheit noch zur Einheit führen. Man muß hier nicht auf dem Standpunkt des positiven Rechts, sonder auf dem [#] stehen, sonst wären wir Alle Hochverräther (Rechts Zeichen des Entsetzens.) Dies schützt die Macht der Revolutionen vor dem System der alten Regierungen und wir sollten die, die nur eine Linie [#] gingen wie wir, nicht amnestiren wollen? Man hat gesagt, es wäre damals schon Alles zur Freiheit angebahnt gewesen, als Hecker den Aufstand erregt; aber man möge bedenken daß die Bewegung in den Geistern derer, die den Aufstand erregt, eine ganz außerordentliche war. Man glaubte, Deutschland die beste Verfassung bringen zu müssen, dies entschuldige ich! Aber ist denn die Republik die beste Verfassung wird man fragen. Viele sind hier, die sie für das Idel einer Verfassung halten. (Rechts, Gott bewahre.) Unser Volk muß damit enden, daß es die Republik erlangt. Unsere Zeit strebt zur Einfachheit und zur Natur zurück. Mag an Deutschlands Spitze stehen, was da wolle, das deutsche Volk wird nicht eher ruhen bis die Dynastien verschwunden, bis die Demokratie siegt. Auch wir würden eine leichtere Aufgabe haben, hätten wir nicht die dynastischen Interessen zu berücksichtigen. (Bravo.) Aber etwas Anderes ist der Gedanke ‒ etwas Anderes die Ausführung. Wenn der Versuch gerechtfertigt erscheint, Deutschland zu einer Republik zu machen, so muß man sich nicht wundern, daß in Baden, dem vorgebildetsten Lande, dieser Versuch zum éclat gekommen. Dieser Versuch ist mißglückt. Wäre er geglückt, dann wäre er gerechtfertigt. Hecker hat verlangt, man solle abstimmen lassen, ob Baden eine Republik wolle; dies hat der Staatsrath abgelehnt. Warum? Damals war Badens Stimmung für die Republik; man glaubte, der Rhein und Würtenberg würde sich anschließen; das war eine Täuschung, aber man bedenke, daß jene Männer von diesem Glauben überzeugt waren. Die 33 jährige Niederträchtigkeit in der Politik, womit hat man die bestraft? Und wir sollten die bestrafen, die im ersten Freiheitsrausche einmal geirrt. (Lautes Bravo links und der Gallerien.) Man bedenke die armen Gefangenen und die Masse der Petitionen. Ich selbst habe 6 Stück hier; der Redner will eine vorlesen. (Widerspruch rechts.) Er verliest eine Petition von 6000 Heidelbergern, worin es u. A. heißt: „Man glaube nicht, daß die Majorität der Nationalversammlung eine unversöhnliche politische Partei sein werde. Schoder aus Stuttgart durchaus gegen die Amnestirung, beklagt, daß der Redner vor ihm sich zu Gunsten der republikanischen Schilderhebung ausgesprochen; wirft einigen Koth auf Hecker. Wenn wir sie amnestiren, werden sie wieder rebelliren, das hieße, den Hochverrath sanktioniren. (Zischen.) Der große Theil des deutschen Volks würde damit unzufrieden sein. Nach der Untersuchung will Herr Schoder die Minderschuldigen begnadigen, und später vielleicht auch die Andern, wenn sie sich reuig gezeigt haben, daß sie den Willen des souveränen Volkes achten. (Bravo und Zischen.) v. Soiron macht beschwichtigende Handbewegungen. Simon aus Trier. Soll die politische Einigung Deutschlands immer nur zur Unterdrückung der Freiheit, zur Beförderung der Reaktion dienen? (Schallendes Bravo.) Wir sind der vollziehende Ausschuß des deutschen Volks, und trotz des Reichsverwesers muß die Competenz der Versammlung stehen bleiben in dieser Sache, da sich der Badensche Aufstand mittelbar auf ganz Deutschland bezieht. Der Bericht verwechselt vollständig Amnestie und Begnadigung. Wo hat man je eine juristische Instruktion angestellt, ehe man amnestirte. Wir in Trier haben auch unsere Barrikaden gehabt. (Rechts Gelächter.) Sie waren ein Akt politischer Verkennung, aber trotz des Hohngelächters des Hrn. v. Vincke war es doch einmal eine militärische Volksübung im Gegensatz zu den alten Parademärschen. Der Bericht sagt, die Herren Verbrecher wollen die Amnestie selbst nicht. Sollen sie etwa durch ihre Demüthigung dies ausdrücken? Die Metterniche und andere fürstliche politische Verbrecher sitzen in wollüstiger Ruhe auf ihren Landgütern. Die politischen Volksverbrecher modern im Kerker. (Furchtbares Bravo der Gallerien; da v. Soiron mit Räumung derselben droht, ruft die Linke, „dann wollen wir wenigstens noch einmal Bravo rufen.“ v. Soiron: „Sie geben ein schönes Beispirl.“) In aller Welt amnestirt man und das Gesammt-Deutschland hätte kein Erbarmen? Ist denn das Verbrechen so groß? Hecker ist ein Republikaner und deren sind mehrere hier. (Tiefe Stille.) Hecker hat nur einen Rechnungsfehler gemacht. Simon demonstrirt den Begriff von Hochverräthern, nennt sie Märtyrer der Zukunft. Daß Hecker die Versammlung habe untergraben wollen, wie Hr. Schoder fürchtet, sei nicht wahr. Hecker sei übrigens viel zu stolz, einen Sitz in der Nationalversammlung haben zu wollen, die er desavouire. Daß Baden die Republik nicht gewollt, sei nicht wahr; Fickler und Struve haben bei dem Hrn. Bundestagsgesandten Welcker auf Abstimmung hierüber angetragen. Der Hr. Bundestagsgesandte Welcker habe dies versprochen aber diesem unbefangenen Verlangen folgte die Fickler'sche Verhaftung und so blieb es allerdings etwas dunkel, was Baden gewollt. Von den 20 badischen Deputirten, die hier sitzen, sind kaum sieben vom reinsten konstitutionellen Wasser. Einer von den sieben (Hr. v. Soiron fühlt sich bestürzt) hat sogar schon einmal auf das Wohl der Repuvlik getrunken. Mathy und Bassermann sind nicht in Baden gewählt. (rechts: Persönlichkeiten, links: Bravo.) Daß diese Herren in ihrem Vaterlande nicht gewählt, ist für Hellsehende ein schlimmes Zeichen. Baden ist allerdings jetzt ruhig, aber wie? Wenn der Großherzog von Baden trotz dem Wunsche seines Volks am Ruder bliebe, so geschähe dies vielleicht von Gottes Gnaden oder aus historicher Ureigenthümlichkeit. Wenn Sie die Amnestie nicht bewilligen, werden <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar071_004" type="jArticle"> <pb facs="#f0002" n="0358"/> <p>Aber Ach, es war alles umsonst. Der edle Ritter seufzte seine besten Seufzer, er warf seine glühendsten Blicke, er erschöpfte „seine ganze Kriegeskasse“ und doch sah Carlotta noch immer von der Bühne hinab in das Parquet, wo stets an derselben Stelle, rein aus Zufall, ein wahrer Adonis von einem Gardeoffizier stand und mit der lebendigen Künstlerin das Kreuzfeuer der verliebtesten Blicke führte.</p> <p>Da sammelte der edle Ritter seine Gedanken um sich, wie einen Kriegsrath und beschloß, die Belagerung aufzuheben. Man glaube indeß ja nicht, daß Herr von Schnapphahnski ein solcher Narr gewesen wäre, um rein als Geprellter von dannen zu ziehen. Gott bewahre! Der Mann, der die Gräfin S. auf der Landstraße aussetzte und die Hiebe seines Gegners mit nassen Sacktüchern parirte, er wußte auch jetzt seine Ehre zu retten.</p> <p>Tiefsinnig schritt er unter den Linden auf und ab und nachdem er einen Morgen und einen Nachmittag mit sich zu Rathe gegangen war, ließ er plötzlich am Abend anspannen und seinen <hi rendition="#g">leeren</hi> Wagen vor das Hotel Carlotten's fahren.</p> <p>Der Wagen stand dort den Abend, er stand die Nacht hindurch und er stand bis zum Morgen. Ruhige Bürger, die eben nicht ganz auf den Kopf gefallen waren, stießen einander an, wenn sie die Karosse sahen und blickten dann schmunzelnd hinauf zu dem Fenster der Künstlerin.</p> <p>Naseweise Literaten und spitzfindige Justizräthe schauten sogar auf das Wappen und die Livrée des Kutschers, indem sie bedenklich die Köpfe schüttelten und dann mit allerlei kuriosen Gesprächen nach Hause schritten. Einige Offiziere stuzten aber erst vollends. ‒ Zufällig war unter ihnen auch jener Adonis aus dem Parquet des Schauspielhauses! Es weiß nicht, was er sieht, er reibt sich die Augen, er fühlt an seinen Kopf, um sich davon zu überzeugen, ob ihn das Schicksal wirklich mit einem jugendlichen Hornschmuck geziert hat und den Säbel in der Faust, dringt er dann in Carlotten's Wohnung. ‒ ‒</p> <p>Er findet die Künstlerin mutterselen allein in ihrem Zimmer ‒ sie empfängt ihren Adonis, wie es einer Venus zukommt.</p> <p>Erst mit dem Morgenroth ist die Karosse Schnapphahnski's verschwunden. Berlin erwacht zu geschäftigem Treiben. Trödler und Eckensteher murren über das Pflaster, Karren und Droschken rasseln vorüber, Handwerker und Kaufleute eilen an ihre Arbeit und fast der einzige Mensch, der erst sehr spät und äußerst langsam in die Stadt hinunterflanirt, das ist wieder niemand anders, als unser berühmter Ritter Schnapphahnski. ‒ ‒</p> <p>Er sieht etwas leidend und angegriffen aus; seine Augen glänzen feucht-melancholisch und der schöne Kopf mit dem feinen Hute hängt sinnend hinab auf die seufzerschwere Brust. Da schleicht der Ritter nachlässig scharwenzelnd in den nächsten Salon und wirft sich gähnend auf den Divan. „Theurer Ritter, auf Ehre, was fehlt Ihnen?“ fragen einige Bekannte, als sie ihren Freund in so weicher, schmerzlicher Stimmung sehen. Keine Antwort. Die Lippen Schnapphahnski's umspielt ein mildes Lächeln. „Auf Seele, Ritter,“ fährt man fort, „es scheint Ihnen etwas Ungewöhnliches passirt zu sein!“ Schnapphahnski reckt einmal alle Glieder. Eine halbe Stunde verstreicht so, da hat der Ritter die Aufmerksamkeit seiner liebenswürdigen Umgebung bis auf's Höchste gesteigert; auf's Neue bestürmt man ihn mit Fragen, er kann nicht mehr widerstehen und gleichgültig wirft er die Worte: „die vorige Nacht“ ‒ „bei Carlotta“ hin ‒ und rings entsteht das freudigste, interessanteste Erstaunen!</p> <p>Man sieht, die Aventüren unseres Ritters werden immer delikater. Zuerst eine wirkliche Liebschaft, die zwar mit der erbärmlichsten Pointe schließt, deren eine Liebschaft fähig ist, die aber wenigstens bis zum Augenblick der Pointe alle süßen, schauerlichen Phasen durchmacht und den Eindruck bei uns zurückläßt, daß es dem edlen Ritter wenigstens ein Mal in seinem Leben gelang, eine Frau zu erobern, und ein Herz zu besitzen. Schade, daß die Stöcke der Lakaien des Grafen S. sich an dieses erste Abentheuer reihen!</p> <p>Dann die zweite Aventüre. Sie drehte sich ebenfalls um das schöne Geschlecht. Der Ritter besitzt aber schon nicht mehr, nein, er intriguirt nur. Die Sache läßt sich aber trotz dem noch hören, weil ein Duell daraus entsteht, ein Duell mit einem Grafen G., einem wahren Eisenfresser, ein Duell mit krummen Säbeln, und wir sind schon auf dem Punkte uns mit der Geschichte zu versöhnen, als plötzlich jene erbauliche Wendung mit einem halben Dutzend nasser Sacktücher eintritt und wir nur zu sehr fühlen, daß der Ritter eine bedeutende Stufe gesunken ist.</p> <p>Doch ach, jetzt die dritte Affaire mit Carlotta! Zu dem Ekel, den uns das galante Malheur Sr. Hochgeboren verursacht, gesellt sich der bedauerliche Eindruck der gewöhnlichsten Lügen, der blaßesten Renommage. Wir sehen den Ritter auf dem Divan liegen, umringt von jungen Offizieren, den physischen Katzenjammer der Liebe heucheln ‒ und es wird uns traurig zu Muthe!</p> <p>Aber so war es. Wer weiß, in wie weit es Herrn von Schnapphahnski gelungen wäre, seine Umgebung zu täuschen, und jenes selige Ermatten einer glücklichen Nacht täuschend nachzuahmen, wenn sich nicht plötzlich der süße Adonis Carlottens an der andern Seite des Salons emporgerichtet und den renommirenden Ritter, seiner erbärmlichen Lüge wegen, ohne weiteres auf Pistolen gefordert hätte. Was sollte Ritter thun? Er fühlte, daß er wieder einmal eine Stufe sinken müsse; er wußte aus eigener Erfahrung, daß er im Duell eben kein Heros war, und die Lust des Lebens und die Hoffnung einer besseren Zukunft in Erwägung ziehend, entschloß er sich daher, eine gute Miene zu dem bösen Spiel zu machen und in Gegenwart sämmtlicher Offiziere die schriftliche Erklärung abzugeben, daß er der gröbste Lügner sei und aufrichtig bedauere, die Reize der schönen Carlotta durch das Maneuvre mit dem leeren Wagen auf so unnöthige Weise verdächtigt zu haben.</p> <p>Diese Erklärung des berühmten Ritters Schnapphahnski befindet sich noch heutigen Tages in dem Archiv eines des Berliner Gardeoffizier-Corps.</p> <p> <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref> </p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar071_005" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Parade erklärt, allein der Oberbefehlshaber Rimpler fand es für gut, persönlich in Potsdam Instruktionen zu holen, in Folge deren die Parade auf morgen (Dienstag) verschoben werden soll. Der <hi rendition="#g">angebliche</hi> Grund war, weil es an einer vollkommenen Uebereinstimmung aller Kompagnien bis jetzt gefehlt habt. Indignirt über das Benehmen des höfischen Herrn Rimpler zog indeß gestern Morgen ein großer Theil der Bürgerwehr auf eigen Faust mit klingendem Spiel vor s Halle'sche Thor und brachte dort der deutschen Einheit ein dreimaliges Hurrah. Ein anderer Theil schloß sich dem Festzuge nach dem Kreuzberge an. Diese Alle wollen der Farce post festum am Dienstag nicht beiwohnen, so daß vielleicht der höfische Hr. Rimpler mit seinen konservatioservilen Hrn. Majors morgen allein sein durfte Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß schon seit längerer Zeit eine bedeutende Spaltung in der Bürgerwehr herrscht; die demokratisch Gesinnten ziehen sich allmählig zurück, weil sie den schnöden Dienst zum Schutz der Gewalthaber satt sind. Schloßgitter, festlicher Empfang der Soldaten etc. haben schon früher bei vielen Widerwillen erregt; jetzt kommt noch die Konstablergeschichte hinzu und vollendet die Scheidung</p> <p>Der gestrige Zug war sehr lang; es währte eine volle Stunde ihn vorbei passiren zu lassen. Man versammelte sich gegen 2 Uhr auf dem Opernplatze wo der Student Voswinkel eine Rede h elt. Gegen halb 3 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung und langte um 5 Uhr auf dem Kreuzberge an. (Die Teltower Bauern waren bald abgezogen, nachdem sie dreimal das Monument unter Absingung von „Heil unserm Könige“ und „Ich bin ein Preuße“ umwandelt hatten.) Hier sprach Held wenige Worte und seiner Aufforderung, der deutschen Einheit, <hi rendition="#g">nichts weiter,</hi> ein dreimaliges Lebehoch zu bringen, wurde einstimmig entsprochen. Ein kühner Kletterer befestigte dann an der Spitze des Monuments die dreifarbige Fahne, worauf der Zug sich gruppenweise in die Stadt zurückbegab, was um so schneller geschah, als es heftig regnete. Dem Zuge hatten sich angeschlossen von den Deputirten der Linken Graf Reichenbach, d'Ester u. A.</p> <p>Gegen 9 Uhr waren alle Theilnehmer des Zuges wieder in Berlin. Die heiterste Stimmung herrschte überall und das Volk war nichts weniger als bereit Unruhe zu machen. Dafür sorgten nun aber die Rimpler'schen Bürgerwehrmänner und unsere lieben Freunde, die Konstabler. Es wäre auch Schade gewesen, so viel Mühe umsonst gehabt zu haben: Militär consignirt, Landwehr mit Patronen versehen etc., Skandal mußte den 6. August beschließen. Wie natürlich war das Volk unter den Linden sehr zahlreich und lebhaft, aber ganz harmlos, so daß es sich nicht einmal den Witz erlaubte, wie am Samstag Abend, einen Gänsemarsch zu arrangiren. Plötzlich wird gegen halb 10 Uhr von der tapfern Bürgerwehr Generalmarsch geschlagen, und die Säuberung der Linden beginnt. Bei dieser Gelegenheit sollen nun die Schutzmänner kostbare Fänge gemacht und sich selbst übertroffen haben, unter Andern den Abgeordneten Stein von Breslau. Die Erbitterung gegen die Konstabler ist jetzt auf eine solche Höhe gestiegen, daß heute Abend wahrscheinlich Unruhen ausbrechen würden, wenn man nicht wüßte, daß die Sache in der morgenden Vereinbarungs-Versammlung zur Sprache kommen wird. Die Herren Rodbertus, v. Berg, Stein u. A. haben viel Material gesammelt; gelingt es aber trotzdem nicht auf friedlichem Wege die Konstabler (event. den Hrn. Kühlwetter, da sich derselbe mit ihnen identifizirt) zu Fall zu bringen, so wird eine gewaltsame Aufhebung dieser Schutzengel <hi rendition="#g">sehr</hi> wahrscheinlich.</p> <p>‒ Der „W.-Z.“ wird aus Berlin vom 2. August Folgendes geschrieben: Die Unthätigkeit in Schleswig-Holstein bekundet genugsam die Absichten Preußens, die Waffenruhe so bald als möglich wiederherzustellen, da der Ostseehandel bei einer längeren Störung des Friedens seinem völligen Ruin nicht mehr entgehen kann. Preußen hat bis jetzt über vier Millionen Kriegskosten gezahlt, und darf den Verlust seines Handels, wiewohl sich derselbe immer nur annähernd wird schätzen lassen, auf wenigstens 6 Mill. Thaler anschlagen. So großen Opfern gegenüber muß die Rücksichtnahme auf die formellen Bedenken und Schwierigkeiten, wie sie von Frankfurt aus erhoben worden sind, weichen, und, wir können diese Nachricht als aus guter Quelle kommend bezeichnen, die preußische Regierung hat daher den bestimmten Entschluß gefaßt, mit <hi rendition="#g">Dänemark sich wegen Abschluß eines Separatfriedens in Unterhandlungen einzulassen,</hi> falls es ihm noch länger verwehrt werden sollte, selbstständig diese Unterhandlungen Namens Deutschlands zum Abschluß zu bringen. Der General v. Below hat auch dieserhalb die entsprechenden Schritte in Wien beim Reichsverweser g than, und die nothwendigen Anweisungen nach Frankfurt hin mitgenommen; nur mit <hi rendition="#g">einer</hi> Stimme ist ferner eine Erklärung des preußischen Staatsministeriums bei der Berathung im Schooße desselben in der Minderheit geblieben, die vom Kriegsminister v. Schreckenstein entworfen war, und offen mit Zurückziehen der preußischen Bundestruppen aus Schleswig-Holstein bei einer längeren Weigerung der Frankfurter Versammlung zu drohen beabsichtigte. England hat hier durch seinen Gesandten von Neuem die energischsten Vorstellungen wegen Herstellung des Friedens machen lassen, Dänemark hat seine Bereitwilligkeit erklärt, falls es mit Preußen allein unterhandeln kann, und Schweden hat es geradezu in einer Note ausgesprochen, daß der Reichsverweser gar keine diplomatisch anerkannte Macht sei, mit demselben also auch gar nicht in Unterhandlung getreten werden könne, und es daher so lange die Sache Dänemarks als die seinige betrachtet werde, bis nicht ungerechtfertigte formelle Schwierigkeiten mehr dem einmüthigen Verlangen nach Herstellung des Friedens entgegengestellt würden.</p> </div> <div xml:id="ar071_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, [#]. August.</head> <p>56. Sitzung der Nationalversammlung.</p> <p>In Folge der Tagesordnung, auf der [#] 1 die Debatte über die Amnestiefrage Heckers und seiner Genossen steht, ist die Kirche außergewöhnlich voll. Man scheint den großen Scandal, der sich später wirklich zutrug, erwartet zu haben. Die linken Gallerien sind stark vertreten, die [#] im unten Kreise vorhanden. Der Präsident hat eine neue Glocke, die aber wie sich später erweist, eben so wenig ausreicht, wie die am Sonnabend zerschlagene v. Soiron präsidirt. Der edle Gazern hat nach seinem alten Kniff, weil ein Eclat zu erwarten, sich zurückgezogen. Ich gehe zur Sache. Verlesung der Beiträge zur deutschen Flotte, deren Gesammtsumme bis zum 5. August über 36,000 Gulden. Fernere Mittheilung, daß von den Deutschen aus Siebenburgen eine Gesandtschaft, und zwar Friedrich Müller und der Professor Friedrich Gentsch, an die Nationalversammlung gekommen sei, um derselben im Namen ihrer deutschen Brüder in Siebenbürgen Schriften zu überreichen: 1) eine Adresse an das Muttervolk, 2) eine Denkschrift der sächsischen Bewohner in Siebenbürgen, worin eine Beleuchtung der siebenbürgischen staatsrechtlichen Verhältnisse und ihrer Verhältnisse zu Ungarn; dieselbe wird gedruckt werden. Man geht zur Tagesordnung über.</p> <p>Nachdem ein Amendement von Simon aus Trier, worin Amnestie für alle politischen Verbrecher beantragt wird, verlesen ist, spricht:</p> <p><hi rendition="#g">Wiedemann,</hi> Berichterstatter des Petitionsausschusses; er bringt erst eine Legion von Petitionen, unter andern von vielen badischen Gemeinden, von den Frauen und Jungfrauen aus Konstanz, von den Frauen und Jungfrauen aus Hanau, von Willich (Köln) und vielen Flüchtlingen aus Besançon, in welcher letztere u. A. gesagt wird: daß sie von den Almosen Frankreichs leben. Sie hätten diese Petition an die Versammlung geschickt, weil der Ausschuß, als Grund auf die Amnestirung nicht einzugehen, gesagt habe: von den Betheiligten selbst hätte keiner petitionirt.</p> <p>Der Ausschuß beantragt über alle diese Petitionen Tagesordnung, da nur Baden das Recht habe zu untersuchen und zu bestrafen in dieser Sache, so habe auch nur Baden das Recht der Abolition. Es ist bei diesem Fall keine Veranlassung, in das Recht der einzelnen Staaten einzugreifen. Nur wenn die Einheit und Freiheit Deutschlands gefährdet, ist dies statthaft. Hier ist das Gegentheil. ‒ Baden war die Haupttriebfeder der Freiheit, der erste Grundstein zur Nationalversammlung. Die Aufständischen nennt Herr von Wiedemann einige Unzufriedene!? Wer auf jeden Fall die Republik in ein Land, welches dieselbe nicht wollte, (von der Gallerie: „das ist nicht wahr“ ‒ Gelächter) bringen wollte, ist ein Vaterlandsverräther; auf den Zeitpunkt komme nichts an. Amnestie pflegt nach allen großen Bewegungen ertheilt zu werden, auch in der letzten Bewegung ist sie ertheilt worden. Jetzt sollen wir auf's Neue amnestiren? Die Ordnung ist noch nicht wieder hergestellt. Vor allen Dingen muß das Gesetz wieder zur Anwendung gebracht werden. Später können wir vielleicht amnestiren. Die Amnestie würde zu neuen Erschütterungen reizen. (Bravo rechts. Gallerie und Linke zischen.) Hr. Wiedemann hat, um die Versammlung recht zu erboßen, den Hecker'schen Volksfreund zur Hand, und liest Paragraphen vor, aus einem Plane Struve's, zur Revolutionirung und Republikanisirung per Gewalt. Hierdurch will er beweisen, daß die Gefangenen alle noch verbrecherische Absichten haben. Bei dem einen Paragraphen, in dem es heißt, alle Mittel zu einer gerechten Sache sind gerecht, giebt die Versammlung Zeichen des Schreckens zu erkennen. v. Soiron beruhigt sie. Weiter heißt es: die Konfiskation des Vermögens der Fürsten u. s. w. ist eine Nothwendigkeit. (Halloh in der Versammlung; Gallerien Bravo. Geschrei links: „das gehört nicht hieher“.) Wiedemann liest ruhig weiter: „das gehöre hieher, man könne ja in der Debatte darauf antworten“. (Bravo und Zischen.) Der edle Redner schließt mit dem bekannten Bellinischen Rührungsschluß: „Meine Herren, wir theilen gewiß alle das Mitleid für die unglücklichen Verirrten, selbst für die Anführer, aber des Vaterlandes Wohl über Alles. (Langes Bravo, längeres Zischen.) (Auch Herr Jucho, der selbst noch vor kurzem politischer Gefangener war, klatscht lebhaften Beifall.)</p> <p>Soiron unterbricht die Debatte durch Verlesung eines Antrags von <hi rendition="#g">Wiesner:</hi> alle politisch Angeschuldigten zu amnestiren. (Donnerndes Bravo der Gallerien, welches durch Soiron's Befehl zu schweigen nicht abgekürzt wird.) Ferner Antrag von <hi rendition="#g">Eisenmann</hi> und <hi rendition="#g">Zimmermann,</hi> man solle Amnestie erzeigen, wenn Reue gezeigt würde. In der Reihe der Redner <hi rendition="#g">v. Itzstein,</hi> den man mit Bravo empfängt. Man möchte, was Struve in seiner Uebertreibung geschrieben, nicht den Gefangenen zum Nachtheil gereichen lassen, wie es Herr Wiedemann zu wollen scheine; man solle beherzigen, was diese Leute leiden mußten, man solle berücksichtigen die Masse von Petitionen, worunter u. A. die rührenden Bitten von 772 Mannheimer Frauen und Jungfrauen, denen Ihre Gatten und Beschützer geraubt sind.</p> <p>Uebrigens theile er im Namen Heckers mit, daß derselbe für sich kein Amnestie wünsche. (Lautes Bravo auf den Gallerien.) Man möge die Gefangenen begnadigen und die armen Flüchtlinge. Das der Wunsch Heckers. Ein Wort der Begnadigung, meint Itzstein, wird Ruhe und Vertrauen zu den Regierungen ins Volk bringen, übrigens hat das ganze Volk, nicht bloß die Badener, sich empört. (Bravo der Gallerien; rechts wünscht Einer Räumung der Gallerien.)</p> <p><hi rendition="#g">v. Soiron</hi> gebährdet sich wüthend, was auf den Gallerien einen komischen Eindruck macht.</p> <p><hi rendition="#g">Hagen</hi> von Heidelberg. Indem er für die Amnestie der Badener spricht, weiß er sehr wohl, daß er dieser Versammlung gegenüber keine leichte Sache versicht; auch er beklagt, wie Alle, den Aufstand denn dieser konnte weder zur Freiheit noch zur Einheit führen. Man muß hier nicht auf dem Standpunkt des positiven Rechts, sonder auf dem [#] stehen, sonst wären wir Alle Hochverräther (Rechts Zeichen des Entsetzens.) Dies schützt die Macht der Revolutionen vor dem System der alten Regierungen und wir sollten die, die nur eine Linie [#] gingen wie wir, nicht amnestiren wollen? Man hat gesagt, es wäre damals schon Alles zur Freiheit angebahnt gewesen, als Hecker den Aufstand erregt; aber man möge bedenken daß die Bewegung in den Geistern derer, die den Aufstand erregt, eine ganz außerordentliche war. Man glaubte, Deutschland die beste Verfassung bringen zu müssen, dies entschuldige ich! Aber ist denn die Republik die beste Verfassung wird man fragen. Viele sind hier, die sie für das Idel einer Verfassung halten. (Rechts, Gott bewahre.) Unser Volk muß damit enden, daß es die Republik erlangt. Unsere Zeit strebt zur Einfachheit und zur Natur zurück. Mag an Deutschlands Spitze stehen, was da wolle, das deutsche Volk wird nicht eher ruhen bis die Dynastien verschwunden, bis die Demokratie siegt. Auch wir würden eine leichtere Aufgabe haben, hätten wir nicht die dynastischen Interessen zu berücksichtigen. (Bravo.) Aber etwas Anderes ist der Gedanke ‒ etwas Anderes die Ausführung. Wenn der Versuch gerechtfertigt erscheint, Deutschland zu einer Republik zu machen, so muß man sich nicht wundern, daß in Baden, dem vorgebildetsten Lande, dieser Versuch zum éclat gekommen. Dieser Versuch ist mißglückt. Wäre er geglückt, dann wäre er gerechtfertigt. Hecker hat verlangt, man solle abstimmen lassen, ob Baden eine Republik wolle; dies hat der Staatsrath abgelehnt. Warum? Damals war Badens Stimmung für die Republik; man glaubte, der Rhein und Würtenberg würde sich anschließen; das war eine Täuschung, aber man bedenke, daß jene Männer von diesem Glauben überzeugt waren.</p> <p>Die 33 jährige Niederträchtigkeit in der Politik, womit hat man die bestraft? Und wir sollten die bestrafen, die im ersten Freiheitsrausche einmal geirrt. (Lautes Bravo links und der Gallerien.) Man bedenke die armen Gefangenen und die Masse der Petitionen. Ich selbst habe 6 Stück hier; der Redner will eine vorlesen. (Widerspruch rechts.) Er verliest eine Petition von 6000 Heidelbergern, worin es u. A. heißt: „Man glaube nicht, daß die Majorität der Nationalversammlung eine unversöhnliche politische Partei sein werde.</p> <p><hi rendition="#g">Schoder</hi> aus Stuttgart durchaus gegen die Amnestirung, beklagt, daß der Redner vor ihm sich zu Gunsten der republikanischen Schilderhebung ausgesprochen; wirft einigen Koth auf Hecker. Wenn wir sie amnestiren, werden sie wieder rebelliren, das hieße, den Hochverrath sanktioniren. (Zischen.) Der große Theil des deutschen Volks würde damit unzufrieden sein. Nach der Untersuchung will Herr Schoder die Minderschuldigen begnadigen, und später vielleicht auch die Andern, wenn sie sich reuig gezeigt haben, daß sie den Willen des souveränen Volkes achten. (Bravo und Zischen.)</p> <p>v. <hi rendition="#g">Soiron</hi> macht beschwichtigende Handbewegungen.</p> <p><hi rendition="#g">Simon</hi> aus Trier. Soll die politische Einigung Deutschlands immer nur zur Unterdrückung der Freiheit, zur Beförderung der Reaktion dienen? (Schallendes Bravo.) Wir sind der vollziehende Ausschuß des deutschen Volks, und trotz des Reichsverwesers muß die Competenz der Versammlung stehen bleiben in dieser Sache, da sich der Badensche Aufstand mittelbar auf ganz Deutschland bezieht. Der Bericht verwechselt vollständig Amnestie und Begnadigung. Wo hat man je eine juristische Instruktion angestellt, ehe man amnestirte.</p> <p>Wir in Trier haben auch unsere Barrikaden gehabt. (Rechts Gelächter.) Sie waren ein Akt politischer Verkennung, aber trotz des Hohngelächters des Hrn. v. Vincke war es doch einmal eine militärische Volksübung im Gegensatz zu den alten Parademärschen.</p> <p>Der Bericht sagt, die Herren Verbrecher wollen die Amnestie selbst nicht. Sollen sie etwa durch ihre Demüthigung dies ausdrücken? Die Metterniche und andere fürstliche politische Verbrecher sitzen in wollüstiger Ruhe auf ihren Landgütern. Die politischen Volksverbrecher modern im Kerker. (Furchtbares Bravo der Gallerien; da v. Soiron mit Räumung derselben droht, ruft die Linke, „dann wollen wir wenigstens noch einmal Bravo rufen.“ v. Soiron: „Sie geben ein schönes Beispirl.“)</p> <p>In aller Welt amnestirt man und das Gesammt-Deutschland hätte kein Erbarmen? Ist denn das Verbrechen so groß? Hecker ist ein Republikaner und deren sind mehrere hier. (Tiefe Stille.) Hecker hat nur einen Rechnungsfehler gemacht.</p> <p><hi rendition="#g">Simon</hi> demonstrirt den Begriff von Hochverräthern, nennt sie Märtyrer der Zukunft. Daß Hecker die Versammlung habe untergraben wollen, wie Hr. Schoder fürchtet, sei nicht wahr. Hecker sei übrigens viel zu stolz, einen Sitz in der Nationalversammlung haben zu wollen, die er desavouire. Daß Baden die Republik nicht gewollt, sei nicht wahr; Fickler und Struve haben bei dem Hrn. Bundestagsgesandten Welcker auf Abstimmung hierüber angetragen. Der Hr. Bundestagsgesandte Welcker habe dies versprochen aber diesem unbefangenen Verlangen folgte die Fickler'sche Verhaftung und so blieb es allerdings etwas dunkel, was Baden gewollt. Von den 20 badischen Deputirten, die hier sitzen, sind kaum sieben vom reinsten konstitutionellen Wasser. Einer von den sieben (Hr. v. Soiron fühlt sich bestürzt) hat sogar schon einmal auf das Wohl der Repuvlik getrunken. Mathy und Bassermann sind nicht in Baden gewählt. (rechts: Persönlichkeiten, links: Bravo.) Daß diese Herren in ihrem Vaterlande nicht gewählt, ist für Hellsehende ein schlimmes Zeichen. Baden ist allerdings jetzt ruhig, aber wie? Wenn der Großherzog von Baden trotz dem Wunsche seines Volks am Ruder bliebe, so geschähe dies vielleicht von Gottes Gnaden oder aus historicher Ureigenthümlichkeit. Wenn Sie die Amnestie nicht bewilligen, werden </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0358/0002]
Aber Ach, es war alles umsonst. Der edle Ritter seufzte seine besten Seufzer, er warf seine glühendsten Blicke, er erschöpfte „seine ganze Kriegeskasse“ und doch sah Carlotta noch immer von der Bühne hinab in das Parquet, wo stets an derselben Stelle, rein aus Zufall, ein wahrer Adonis von einem Gardeoffizier stand und mit der lebendigen Künstlerin das Kreuzfeuer der verliebtesten Blicke führte.
Da sammelte der edle Ritter seine Gedanken um sich, wie einen Kriegsrath und beschloß, die Belagerung aufzuheben. Man glaube indeß ja nicht, daß Herr von Schnapphahnski ein solcher Narr gewesen wäre, um rein als Geprellter von dannen zu ziehen. Gott bewahre! Der Mann, der die Gräfin S. auf der Landstraße aussetzte und die Hiebe seines Gegners mit nassen Sacktüchern parirte, er wußte auch jetzt seine Ehre zu retten.
Tiefsinnig schritt er unter den Linden auf und ab und nachdem er einen Morgen und einen Nachmittag mit sich zu Rathe gegangen war, ließ er plötzlich am Abend anspannen und seinen leeren Wagen vor das Hotel Carlotten's fahren.
Der Wagen stand dort den Abend, er stand die Nacht hindurch und er stand bis zum Morgen. Ruhige Bürger, die eben nicht ganz auf den Kopf gefallen waren, stießen einander an, wenn sie die Karosse sahen und blickten dann schmunzelnd hinauf zu dem Fenster der Künstlerin.
Naseweise Literaten und spitzfindige Justizräthe schauten sogar auf das Wappen und die Livrée des Kutschers, indem sie bedenklich die Köpfe schüttelten und dann mit allerlei kuriosen Gesprächen nach Hause schritten. Einige Offiziere stuzten aber erst vollends. ‒ Zufällig war unter ihnen auch jener Adonis aus dem Parquet des Schauspielhauses! Es weiß nicht, was er sieht, er reibt sich die Augen, er fühlt an seinen Kopf, um sich davon zu überzeugen, ob ihn das Schicksal wirklich mit einem jugendlichen Hornschmuck geziert hat und den Säbel in der Faust, dringt er dann in Carlotten's Wohnung. ‒ ‒
Er findet die Künstlerin mutterselen allein in ihrem Zimmer ‒ sie empfängt ihren Adonis, wie es einer Venus zukommt.
Erst mit dem Morgenroth ist die Karosse Schnapphahnski's verschwunden. Berlin erwacht zu geschäftigem Treiben. Trödler und Eckensteher murren über das Pflaster, Karren und Droschken rasseln vorüber, Handwerker und Kaufleute eilen an ihre Arbeit und fast der einzige Mensch, der erst sehr spät und äußerst langsam in die Stadt hinunterflanirt, das ist wieder niemand anders, als unser berühmter Ritter Schnapphahnski. ‒ ‒
Er sieht etwas leidend und angegriffen aus; seine Augen glänzen feucht-melancholisch und der schöne Kopf mit dem feinen Hute hängt sinnend hinab auf die seufzerschwere Brust. Da schleicht der Ritter nachlässig scharwenzelnd in den nächsten Salon und wirft sich gähnend auf den Divan. „Theurer Ritter, auf Ehre, was fehlt Ihnen?“ fragen einige Bekannte, als sie ihren Freund in so weicher, schmerzlicher Stimmung sehen. Keine Antwort. Die Lippen Schnapphahnski's umspielt ein mildes Lächeln. „Auf Seele, Ritter,“ fährt man fort, „es scheint Ihnen etwas Ungewöhnliches passirt zu sein!“ Schnapphahnski reckt einmal alle Glieder. Eine halbe Stunde verstreicht so, da hat der Ritter die Aufmerksamkeit seiner liebenswürdigen Umgebung bis auf's Höchste gesteigert; auf's Neue bestürmt man ihn mit Fragen, er kann nicht mehr widerstehen und gleichgültig wirft er die Worte: „die vorige Nacht“ ‒ „bei Carlotta“ hin ‒ und rings entsteht das freudigste, interessanteste Erstaunen!
Man sieht, die Aventüren unseres Ritters werden immer delikater. Zuerst eine wirkliche Liebschaft, die zwar mit der erbärmlichsten Pointe schließt, deren eine Liebschaft fähig ist, die aber wenigstens bis zum Augenblick der Pointe alle süßen, schauerlichen Phasen durchmacht und den Eindruck bei uns zurückläßt, daß es dem edlen Ritter wenigstens ein Mal in seinem Leben gelang, eine Frau zu erobern, und ein Herz zu besitzen. Schade, daß die Stöcke der Lakaien des Grafen S. sich an dieses erste Abentheuer reihen!
Dann die zweite Aventüre. Sie drehte sich ebenfalls um das schöne Geschlecht. Der Ritter besitzt aber schon nicht mehr, nein, er intriguirt nur. Die Sache läßt sich aber trotz dem noch hören, weil ein Duell daraus entsteht, ein Duell mit einem Grafen G., einem wahren Eisenfresser, ein Duell mit krummen Säbeln, und wir sind schon auf dem Punkte uns mit der Geschichte zu versöhnen, als plötzlich jene erbauliche Wendung mit einem halben Dutzend nasser Sacktücher eintritt und wir nur zu sehr fühlen, daß der Ritter eine bedeutende Stufe gesunken ist.
Doch ach, jetzt die dritte Affaire mit Carlotta! Zu dem Ekel, den uns das galante Malheur Sr. Hochgeboren verursacht, gesellt sich der bedauerliche Eindruck der gewöhnlichsten Lügen, der blaßesten Renommage. Wir sehen den Ritter auf dem Divan liegen, umringt von jungen Offizieren, den physischen Katzenjammer der Liebe heucheln ‒ und es wird uns traurig zu Muthe!
Aber so war es. Wer weiß, in wie weit es Herrn von Schnapphahnski gelungen wäre, seine Umgebung zu täuschen, und jenes selige Ermatten einer glücklichen Nacht täuschend nachzuahmen, wenn sich nicht plötzlich der süße Adonis Carlottens an der andern Seite des Salons emporgerichtet und den renommirenden Ritter, seiner erbärmlichen Lüge wegen, ohne weiteres auf Pistolen gefordert hätte. Was sollte Ritter thun? Er fühlte, daß er wieder einmal eine Stufe sinken müsse; er wußte aus eigener Erfahrung, daß er im Duell eben kein Heros war, und die Lust des Lebens und die Hoffnung einer besseren Zukunft in Erwägung ziehend, entschloß er sich daher, eine gute Miene zu dem bösen Spiel zu machen und in Gegenwart sämmtlicher Offiziere die schriftliche Erklärung abzugeben, daß er der gröbste Lügner sei und aufrichtig bedauere, die Reize der schönen Carlotta durch das Maneuvre mit dem leeren Wagen auf so unnöthige Weise verdächtigt zu haben.
Diese Erklärung des berühmten Ritters Schnapphahnski befindet sich noch heutigen Tages in dem Archiv eines des Berliner Gardeoffizier-Corps.
(Fortsetzung folgt.)
[Deutschland] [Fortsetzung] Parade erklärt, allein der Oberbefehlshaber Rimpler fand es für gut, persönlich in Potsdam Instruktionen zu holen, in Folge deren die Parade auf morgen (Dienstag) verschoben werden soll. Der angebliche Grund war, weil es an einer vollkommenen Uebereinstimmung aller Kompagnien bis jetzt gefehlt habt. Indignirt über das Benehmen des höfischen Herrn Rimpler zog indeß gestern Morgen ein großer Theil der Bürgerwehr auf eigen Faust mit klingendem Spiel vor s Halle'sche Thor und brachte dort der deutschen Einheit ein dreimaliges Hurrah. Ein anderer Theil schloß sich dem Festzuge nach dem Kreuzberge an. Diese Alle wollen der Farce post festum am Dienstag nicht beiwohnen, so daß vielleicht der höfische Hr. Rimpler mit seinen konservatioservilen Hrn. Majors morgen allein sein durfte Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß schon seit längerer Zeit eine bedeutende Spaltung in der Bürgerwehr herrscht; die demokratisch Gesinnten ziehen sich allmählig zurück, weil sie den schnöden Dienst zum Schutz der Gewalthaber satt sind. Schloßgitter, festlicher Empfang der Soldaten etc. haben schon früher bei vielen Widerwillen erregt; jetzt kommt noch die Konstablergeschichte hinzu und vollendet die Scheidung
Der gestrige Zug war sehr lang; es währte eine volle Stunde ihn vorbei passiren zu lassen. Man versammelte sich gegen 2 Uhr auf dem Opernplatze wo der Student Voswinkel eine Rede h elt. Gegen halb 3 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung und langte um 5 Uhr auf dem Kreuzberge an. (Die Teltower Bauern waren bald abgezogen, nachdem sie dreimal das Monument unter Absingung von „Heil unserm Könige“ und „Ich bin ein Preuße“ umwandelt hatten.) Hier sprach Held wenige Worte und seiner Aufforderung, der deutschen Einheit, nichts weiter, ein dreimaliges Lebehoch zu bringen, wurde einstimmig entsprochen. Ein kühner Kletterer befestigte dann an der Spitze des Monuments die dreifarbige Fahne, worauf der Zug sich gruppenweise in die Stadt zurückbegab, was um so schneller geschah, als es heftig regnete. Dem Zuge hatten sich angeschlossen von den Deputirten der Linken Graf Reichenbach, d'Ester u. A.
Gegen 9 Uhr waren alle Theilnehmer des Zuges wieder in Berlin. Die heiterste Stimmung herrschte überall und das Volk war nichts weniger als bereit Unruhe zu machen. Dafür sorgten nun aber die Rimpler'schen Bürgerwehrmänner und unsere lieben Freunde, die Konstabler. Es wäre auch Schade gewesen, so viel Mühe umsonst gehabt zu haben: Militär consignirt, Landwehr mit Patronen versehen etc., Skandal mußte den 6. August beschließen. Wie natürlich war das Volk unter den Linden sehr zahlreich und lebhaft, aber ganz harmlos, so daß es sich nicht einmal den Witz erlaubte, wie am Samstag Abend, einen Gänsemarsch zu arrangiren. Plötzlich wird gegen halb 10 Uhr von der tapfern Bürgerwehr Generalmarsch geschlagen, und die Säuberung der Linden beginnt. Bei dieser Gelegenheit sollen nun die Schutzmänner kostbare Fänge gemacht und sich selbst übertroffen haben, unter Andern den Abgeordneten Stein von Breslau. Die Erbitterung gegen die Konstabler ist jetzt auf eine solche Höhe gestiegen, daß heute Abend wahrscheinlich Unruhen ausbrechen würden, wenn man nicht wüßte, daß die Sache in der morgenden Vereinbarungs-Versammlung zur Sprache kommen wird. Die Herren Rodbertus, v. Berg, Stein u. A. haben viel Material gesammelt; gelingt es aber trotzdem nicht auf friedlichem Wege die Konstabler (event. den Hrn. Kühlwetter, da sich derselbe mit ihnen identifizirt) zu Fall zu bringen, so wird eine gewaltsame Aufhebung dieser Schutzengel sehr wahrscheinlich.
‒ Der „W.-Z.“ wird aus Berlin vom 2. August Folgendes geschrieben: Die Unthätigkeit in Schleswig-Holstein bekundet genugsam die Absichten Preußens, die Waffenruhe so bald als möglich wiederherzustellen, da der Ostseehandel bei einer längeren Störung des Friedens seinem völligen Ruin nicht mehr entgehen kann. Preußen hat bis jetzt über vier Millionen Kriegskosten gezahlt, und darf den Verlust seines Handels, wiewohl sich derselbe immer nur annähernd wird schätzen lassen, auf wenigstens 6 Mill. Thaler anschlagen. So großen Opfern gegenüber muß die Rücksichtnahme auf die formellen Bedenken und Schwierigkeiten, wie sie von Frankfurt aus erhoben worden sind, weichen, und, wir können diese Nachricht als aus guter Quelle kommend bezeichnen, die preußische Regierung hat daher den bestimmten Entschluß gefaßt, mit Dänemark sich wegen Abschluß eines Separatfriedens in Unterhandlungen einzulassen, falls es ihm noch länger verwehrt werden sollte, selbstständig diese Unterhandlungen Namens Deutschlands zum Abschluß zu bringen. Der General v. Below hat auch dieserhalb die entsprechenden Schritte in Wien beim Reichsverweser g than, und die nothwendigen Anweisungen nach Frankfurt hin mitgenommen; nur mit einer Stimme ist ferner eine Erklärung des preußischen Staatsministeriums bei der Berathung im Schooße desselben in der Minderheit geblieben, die vom Kriegsminister v. Schreckenstein entworfen war, und offen mit Zurückziehen der preußischen Bundestruppen aus Schleswig-Holstein bei einer längeren Weigerung der Frankfurter Versammlung zu drohen beabsichtigte. England hat hier durch seinen Gesandten von Neuem die energischsten Vorstellungen wegen Herstellung des Friedens machen lassen, Dänemark hat seine Bereitwilligkeit erklärt, falls es mit Preußen allein unterhandeln kann, und Schweden hat es geradezu in einer Note ausgesprochen, daß der Reichsverweser gar keine diplomatisch anerkannte Macht sei, mit demselben also auch gar nicht in Unterhandlung getreten werden könne, und es daher so lange die Sache Dänemarks als die seinige betrachtet werde, bis nicht ungerechtfertigte formelle Schwierigkeiten mehr dem einmüthigen Verlangen nach Herstellung des Friedens entgegengestellt würden.
!!! Frankfurt, [#]. August. 56. Sitzung der Nationalversammlung.
In Folge der Tagesordnung, auf der [#] 1 die Debatte über die Amnestiefrage Heckers und seiner Genossen steht, ist die Kirche außergewöhnlich voll. Man scheint den großen Scandal, der sich später wirklich zutrug, erwartet zu haben. Die linken Gallerien sind stark vertreten, die [#] im unten Kreise vorhanden. Der Präsident hat eine neue Glocke, die aber wie sich später erweist, eben so wenig ausreicht, wie die am Sonnabend zerschlagene v. Soiron präsidirt. Der edle Gazern hat nach seinem alten Kniff, weil ein Eclat zu erwarten, sich zurückgezogen. Ich gehe zur Sache. Verlesung der Beiträge zur deutschen Flotte, deren Gesammtsumme bis zum 5. August über 36,000 Gulden. Fernere Mittheilung, daß von den Deutschen aus Siebenburgen eine Gesandtschaft, und zwar Friedrich Müller und der Professor Friedrich Gentsch, an die Nationalversammlung gekommen sei, um derselben im Namen ihrer deutschen Brüder in Siebenbürgen Schriften zu überreichen: 1) eine Adresse an das Muttervolk, 2) eine Denkschrift der sächsischen Bewohner in Siebenbürgen, worin eine Beleuchtung der siebenbürgischen staatsrechtlichen Verhältnisse und ihrer Verhältnisse zu Ungarn; dieselbe wird gedruckt werden. Man geht zur Tagesordnung über.
Nachdem ein Amendement von Simon aus Trier, worin Amnestie für alle politischen Verbrecher beantragt wird, verlesen ist, spricht:
Wiedemann, Berichterstatter des Petitionsausschusses; er bringt erst eine Legion von Petitionen, unter andern von vielen badischen Gemeinden, von den Frauen und Jungfrauen aus Konstanz, von den Frauen und Jungfrauen aus Hanau, von Willich (Köln) und vielen Flüchtlingen aus Besançon, in welcher letztere u. A. gesagt wird: daß sie von den Almosen Frankreichs leben. Sie hätten diese Petition an die Versammlung geschickt, weil der Ausschuß, als Grund auf die Amnestirung nicht einzugehen, gesagt habe: von den Betheiligten selbst hätte keiner petitionirt.
Der Ausschuß beantragt über alle diese Petitionen Tagesordnung, da nur Baden das Recht habe zu untersuchen und zu bestrafen in dieser Sache, so habe auch nur Baden das Recht der Abolition. Es ist bei diesem Fall keine Veranlassung, in das Recht der einzelnen Staaten einzugreifen. Nur wenn die Einheit und Freiheit Deutschlands gefährdet, ist dies statthaft. Hier ist das Gegentheil. ‒ Baden war die Haupttriebfeder der Freiheit, der erste Grundstein zur Nationalversammlung. Die Aufständischen nennt Herr von Wiedemann einige Unzufriedene!? Wer auf jeden Fall die Republik in ein Land, welches dieselbe nicht wollte, (von der Gallerie: „das ist nicht wahr“ ‒ Gelächter) bringen wollte, ist ein Vaterlandsverräther; auf den Zeitpunkt komme nichts an. Amnestie pflegt nach allen großen Bewegungen ertheilt zu werden, auch in der letzten Bewegung ist sie ertheilt worden. Jetzt sollen wir auf's Neue amnestiren? Die Ordnung ist noch nicht wieder hergestellt. Vor allen Dingen muß das Gesetz wieder zur Anwendung gebracht werden. Später können wir vielleicht amnestiren. Die Amnestie würde zu neuen Erschütterungen reizen. (Bravo rechts. Gallerie und Linke zischen.) Hr. Wiedemann hat, um die Versammlung recht zu erboßen, den Hecker'schen Volksfreund zur Hand, und liest Paragraphen vor, aus einem Plane Struve's, zur Revolutionirung und Republikanisirung per Gewalt. Hierdurch will er beweisen, daß die Gefangenen alle noch verbrecherische Absichten haben. Bei dem einen Paragraphen, in dem es heißt, alle Mittel zu einer gerechten Sache sind gerecht, giebt die Versammlung Zeichen des Schreckens zu erkennen. v. Soiron beruhigt sie. Weiter heißt es: die Konfiskation des Vermögens der Fürsten u. s. w. ist eine Nothwendigkeit. (Halloh in der Versammlung; Gallerien Bravo. Geschrei links: „das gehört nicht hieher“.) Wiedemann liest ruhig weiter: „das gehöre hieher, man könne ja in der Debatte darauf antworten“. (Bravo und Zischen.) Der edle Redner schließt mit dem bekannten Bellinischen Rührungsschluß: „Meine Herren, wir theilen gewiß alle das Mitleid für die unglücklichen Verirrten, selbst für die Anführer, aber des Vaterlandes Wohl über Alles. (Langes Bravo, längeres Zischen.) (Auch Herr Jucho, der selbst noch vor kurzem politischer Gefangener war, klatscht lebhaften Beifall.)
Soiron unterbricht die Debatte durch Verlesung eines Antrags von Wiesner: alle politisch Angeschuldigten zu amnestiren. (Donnerndes Bravo der Gallerien, welches durch Soiron's Befehl zu schweigen nicht abgekürzt wird.) Ferner Antrag von Eisenmann und Zimmermann, man solle Amnestie erzeigen, wenn Reue gezeigt würde. In der Reihe der Redner v. Itzstein, den man mit Bravo empfängt. Man möchte, was Struve in seiner Uebertreibung geschrieben, nicht den Gefangenen zum Nachtheil gereichen lassen, wie es Herr Wiedemann zu wollen scheine; man solle beherzigen, was diese Leute leiden mußten, man solle berücksichtigen die Masse von Petitionen, worunter u. A. die rührenden Bitten von 772 Mannheimer Frauen und Jungfrauen, denen Ihre Gatten und Beschützer geraubt sind.
Uebrigens theile er im Namen Heckers mit, daß derselbe für sich kein Amnestie wünsche. (Lautes Bravo auf den Gallerien.) Man möge die Gefangenen begnadigen und die armen Flüchtlinge. Das der Wunsch Heckers. Ein Wort der Begnadigung, meint Itzstein, wird Ruhe und Vertrauen zu den Regierungen ins Volk bringen, übrigens hat das ganze Volk, nicht bloß die Badener, sich empört. (Bravo der Gallerien; rechts wünscht Einer Räumung der Gallerien.)
v. Soiron gebährdet sich wüthend, was auf den Gallerien einen komischen Eindruck macht.
Hagen von Heidelberg. Indem er für die Amnestie der Badener spricht, weiß er sehr wohl, daß er dieser Versammlung gegenüber keine leichte Sache versicht; auch er beklagt, wie Alle, den Aufstand denn dieser konnte weder zur Freiheit noch zur Einheit führen. Man muß hier nicht auf dem Standpunkt des positiven Rechts, sonder auf dem [#] stehen, sonst wären wir Alle Hochverräther (Rechts Zeichen des Entsetzens.) Dies schützt die Macht der Revolutionen vor dem System der alten Regierungen und wir sollten die, die nur eine Linie [#] gingen wie wir, nicht amnestiren wollen? Man hat gesagt, es wäre damals schon Alles zur Freiheit angebahnt gewesen, als Hecker den Aufstand erregt; aber man möge bedenken daß die Bewegung in den Geistern derer, die den Aufstand erregt, eine ganz außerordentliche war. Man glaubte, Deutschland die beste Verfassung bringen zu müssen, dies entschuldige ich! Aber ist denn die Republik die beste Verfassung wird man fragen. Viele sind hier, die sie für das Idel einer Verfassung halten. (Rechts, Gott bewahre.) Unser Volk muß damit enden, daß es die Republik erlangt. Unsere Zeit strebt zur Einfachheit und zur Natur zurück. Mag an Deutschlands Spitze stehen, was da wolle, das deutsche Volk wird nicht eher ruhen bis die Dynastien verschwunden, bis die Demokratie siegt. Auch wir würden eine leichtere Aufgabe haben, hätten wir nicht die dynastischen Interessen zu berücksichtigen. (Bravo.) Aber etwas Anderes ist der Gedanke ‒ etwas Anderes die Ausführung. Wenn der Versuch gerechtfertigt erscheint, Deutschland zu einer Republik zu machen, so muß man sich nicht wundern, daß in Baden, dem vorgebildetsten Lande, dieser Versuch zum éclat gekommen. Dieser Versuch ist mißglückt. Wäre er geglückt, dann wäre er gerechtfertigt. Hecker hat verlangt, man solle abstimmen lassen, ob Baden eine Republik wolle; dies hat der Staatsrath abgelehnt. Warum? Damals war Badens Stimmung für die Republik; man glaubte, der Rhein und Würtenberg würde sich anschließen; das war eine Täuschung, aber man bedenke, daß jene Männer von diesem Glauben überzeugt waren.
Die 33 jährige Niederträchtigkeit in der Politik, womit hat man die bestraft? Und wir sollten die bestrafen, die im ersten Freiheitsrausche einmal geirrt. (Lautes Bravo links und der Gallerien.) Man bedenke die armen Gefangenen und die Masse der Petitionen. Ich selbst habe 6 Stück hier; der Redner will eine vorlesen. (Widerspruch rechts.) Er verliest eine Petition von 6000 Heidelbergern, worin es u. A. heißt: „Man glaube nicht, daß die Majorität der Nationalversammlung eine unversöhnliche politische Partei sein werde.
Schoder aus Stuttgart durchaus gegen die Amnestirung, beklagt, daß der Redner vor ihm sich zu Gunsten der republikanischen Schilderhebung ausgesprochen; wirft einigen Koth auf Hecker. Wenn wir sie amnestiren, werden sie wieder rebelliren, das hieße, den Hochverrath sanktioniren. (Zischen.) Der große Theil des deutschen Volks würde damit unzufrieden sein. Nach der Untersuchung will Herr Schoder die Minderschuldigen begnadigen, und später vielleicht auch die Andern, wenn sie sich reuig gezeigt haben, daß sie den Willen des souveränen Volkes achten. (Bravo und Zischen.)
v. Soiron macht beschwichtigende Handbewegungen.
Simon aus Trier. Soll die politische Einigung Deutschlands immer nur zur Unterdrückung der Freiheit, zur Beförderung der Reaktion dienen? (Schallendes Bravo.) Wir sind der vollziehende Ausschuß des deutschen Volks, und trotz des Reichsverwesers muß die Competenz der Versammlung stehen bleiben in dieser Sache, da sich der Badensche Aufstand mittelbar auf ganz Deutschland bezieht. Der Bericht verwechselt vollständig Amnestie und Begnadigung. Wo hat man je eine juristische Instruktion angestellt, ehe man amnestirte.
Wir in Trier haben auch unsere Barrikaden gehabt. (Rechts Gelächter.) Sie waren ein Akt politischer Verkennung, aber trotz des Hohngelächters des Hrn. v. Vincke war es doch einmal eine militärische Volksübung im Gegensatz zu den alten Parademärschen.
Der Bericht sagt, die Herren Verbrecher wollen die Amnestie selbst nicht. Sollen sie etwa durch ihre Demüthigung dies ausdrücken? Die Metterniche und andere fürstliche politische Verbrecher sitzen in wollüstiger Ruhe auf ihren Landgütern. Die politischen Volksverbrecher modern im Kerker. (Furchtbares Bravo der Gallerien; da v. Soiron mit Räumung derselben droht, ruft die Linke, „dann wollen wir wenigstens noch einmal Bravo rufen.“ v. Soiron: „Sie geben ein schönes Beispirl.“)
In aller Welt amnestirt man und das Gesammt-Deutschland hätte kein Erbarmen? Ist denn das Verbrechen so groß? Hecker ist ein Republikaner und deren sind mehrere hier. (Tiefe Stille.) Hecker hat nur einen Rechnungsfehler gemacht.
Simon demonstrirt den Begriff von Hochverräthern, nennt sie Märtyrer der Zukunft. Daß Hecker die Versammlung habe untergraben wollen, wie Hr. Schoder fürchtet, sei nicht wahr. Hecker sei übrigens viel zu stolz, einen Sitz in der Nationalversammlung haben zu wollen, die er desavouire. Daß Baden die Republik nicht gewollt, sei nicht wahr; Fickler und Struve haben bei dem Hrn. Bundestagsgesandten Welcker auf Abstimmung hierüber angetragen. Der Hr. Bundestagsgesandte Welcker habe dies versprochen aber diesem unbefangenen Verlangen folgte die Fickler'sche Verhaftung und so blieb es allerdings etwas dunkel, was Baden gewollt. Von den 20 badischen Deputirten, die hier sitzen, sind kaum sieben vom reinsten konstitutionellen Wasser. Einer von den sieben (Hr. v. Soiron fühlt sich bestürzt) hat sogar schon einmal auf das Wohl der Repuvlik getrunken. Mathy und Bassermann sind nicht in Baden gewählt. (rechts: Persönlichkeiten, links: Bravo.) Daß diese Herren in ihrem Vaterlande nicht gewählt, ist für Hellsehende ein schlimmes Zeichen. Baden ist allerdings jetzt ruhig, aber wie? Wenn der Großherzog von Baden trotz dem Wunsche seines Volks am Ruder bliebe, so geschähe dies vielleicht von Gottes Gnaden oder aus historicher Ureigenthümlichkeit. Wenn Sie die Amnestie nicht bewilligen, werden
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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