Neue Rheinische Zeitung. Nr. 70. Köln, 9. August 1848.seine Hengste spornte er blutig, er prügelte Hunde und Bedienten und Alles nur wegen des verfluchten Schnapphahnski. Am aller Begreiflichsten ist es indeß, daß Graf G. zuletzt keinen andern Wunsch mehr auf Erden kannte, als unserm Ritter einmal auf den Zahn zu fühlen. Leider wollte sich hierzu aber nie eine Gelegenheit finden. Schnapphahnski war der liebenswürdigste Mensch von der Welt, bethörend bei den Weibern und schlau bei den Männern. Er war allmählig zu der Ueberzeugung gekommen, daß das Leben kostspielig ist, sehr kostenspielig. Trotz aller äußern Bravour glaubte er in der Tiefe seiner Seele an den 10. Vers des neunzigsten Psalms, wo da geschrieben steht, daß unser Leben siebenzig Jahre währt und wenn's hoch kommt, achtzig und daß es köstlich gewesen ist, wenn es Mühe und Arbeit gewesen und daß es schnell dahin fährt, als flögen wir davon. Dachte er aber gar an den Grafen G., so ging es ihm nicht anders wie mir: er hätte sich lieber mit dem Pferdefuß des Satans herumgeschlagen, als mit der Klinge jenes fürchterlichsten aller modernen Menschenfresser. Aber was hilft es, wenn die Unsterblichen nun einmal beschlossen haben, daß einem das Schicksal ein Bein stellen soll? Schnapphahnski hatte eines Abends die Unvorsichtigkeit begangen, seinem treuesten Freunde unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit mitzutheilen, daß die Schwester des Grafen G. - - meine Leser müssen entschuldigen, wenn ich ihnen eine der galantesten Lügen neuerer Zeit nicht zu wiederholen wage - genug unser Ritter ließ sich durch seine Phantasie zu einer Mittheilung verleiten, die, eben weil sie unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit geschah, auch schon am nächsten Morgen von dem treuesten aller Freunde dem Grafen in ihrer ganzen Frische wieder überbracht wurde. Graf G. fluchte wie ein Christ und wie ein Preuße. Er nahm seinen Säbel von der Wand und er nahm seine Pistolen - O, armer Schnapphahnski! Doch was soll ich weiter erzählen? Es versteht sich von selbst, daß Graf G. in der Wohnung unseres Ritters eher den Vater Abraham hätte antreffen können als den Hrn. von Schnapphahnski. Ja wahrhaftig, wie der edle Ritter einst dem ehrenwerthen schlesischen Menelaos die Landstraße geräumt und die liebenswürdigste Frau überlassen hatte, so ließ er diesmal dem kriegerischen Grafen G. die Ueberzeugung zurück, daß ein Mann wie Schnapphahnski eine viel zu feine Nase hat, um nicht das Pulver auf wenigstens tausend Schritt zu riechen - mit einem Worte: Mensen Ernst hätte nicht schneller davon laufen können, als der berühmte Ritter Schnapphahnski. Die böse Welt erzählt von einer großen, unerbittlichen Hetzjagd, die jetzt ihren Anfang nahm. Fabelhaft war die Wuth des Grafen G., aber noch unglaublicher war die Eile des Ritters Schnapphahnski. Wie die brennende Sonne den bleichen Mond verfolgt, so folgte der zornglühende Graf dem angstblassen Ritter. Da war kein Hotel, kein Salon zwischen Dresden, Berlin und Wien, da war kein Ort in dem ganzen östlichen Deutschland, der nicht untersucht wurde, in dem man sich nicht aufs Angelegentlichste nach Sr. Hochgeboren dem Ritter Schnapphahnski erkundigte. Doch die Distanz wurde immer kleiner; immer näher rückte der Graf auf des Ritters Pelz - in Troppau in Oestreich stehen unsere Helden endlich mit den krummen Säbeln in den Fäusten einander gegenüber. Der edle Ritter kann seinem Schicksal nicht mehr entrinnen. Graf G. versteht keinen Spaß. Der Kampf beginnt. Seit Sir John Falstaff auf der Ebene von Shrewsbury mit dem Schotten Douglas aneinander war, gab es kein so famoses Treffen mehr auf der Welt als das unserer Helden in Troppau. "So fiel ich aus und so führt ich meine Klinge!" hatte der edle Ritter manchmal renommirt, wenn er den Damen seine Abenteuer schilderte. Jetzt war die Stunde gekommen, wo er das in der That und in der Wahrheit durchmachen sollte, was er früher so oft im Geist und in der Lüge erlebte. Schnapphahnski empfahl sich dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden, er setzte den einen Fuß vor, er erhob den Säbel und die Paukerei ging los. Graf G. schlug drein wir der leibhaftige Teufel. So ein Eisenfresser hat kein Mitleid - armer Schnapphahnski! Der edle Ritter fühlt, daß er es mit dem Bruder einer schönen Schwester zu thun hat, aber er wehrt sich so gut er kann. Da fehlt er zum ersten Male und die Klinge seines Gegners fährt ihm über den Leib, so nachdrücklich, so impertinent unhöflich, daß Graf G. nicht anders meint, als daß der Ritter ins Gras beißen und das Zeitliche segnen müßte. Schnapphahnski denkt aber nicht daran; ein leises Frösteln rieselt ihm über den Nacken, er schüttelt sich und wiederum steht er da, in der alten Parade: "So fiel ich aus und so führt' ich meine Klinge!" Graf G. macht da den zweiten Ausfall; abermals klirren die Säbel und zum zweiten Male besieht unser Schnapphahnski einen Schmiß, der dem besten Chorburschen Heulen und Zähnklappen verursacht haben würde, vor dem unser Ritter aber nur leise stutzt und momentan zurückweicht, um sich sofort wieder zu sammeln und seine frühere Stellung einzunehmen. Graf G. ist über das zähe Leben seines Feindes nicht wenig erstaunt; er kennt doch die Force seines Säbels, er weiß, was in frühern Jahren seinen Hieben zu folgen pflegte und schäumend vor Wuth, daß seine besten Schläge ohne Erfolg bleiben, stürzt er zum dritten Male in den Kampf und wiederum rasseln die Klingen, daß die Lüfte schwirren, daß allen beiden Kämpfern Hören und Sehen vergeht. Da trifft der Säbel des Grafen zum letzten Male und Schnapphahnski taumelt todtenbleich zu Boden - o armer Mann! Die Klinge hat den Kopf nicht berührt, sie machte eine Reise über Schulter und Brust - die Kleider hängen in Fetzen herunter - o unglückseliger Ritter! Fallen in der Blüthe der Jugend, ein Mann so schön und so glücklich - es ist hart! Da kniet der Graf an seinem Opfer nieder - Sekundanten sind nicht zugegen, die Tollkühnen haben sich ohne weiteres geschlagen. - Graf G. reißt die Kleider seines Gegners auf; er erwartet nichts anders, als eine klaffende Wunde von ein bis zwei Zoll, es wundert ihn, daß nicht das Blut schon hervorspritzt. Da ist er mit dem Losknöpfen des Rockes fertig, zu seinem Entsetzen zieht er - ein nasses seidnes [Deutschland]
103 Berlin, 6. Aug. Der Kommissionsentwurf der Verfassungsurkunde wird gegenwärtig in den Abtheilungen sehr fleißig berathen. Sowohl die Linke als die Rechte suchen in denjenigen Abtheilungen, wo sie sich entschieden in der Mehrheit befinden, Abänderungsvorschläge in ihrem Sinne durchzubringen. Der Abgeordnete von Daniels, der sich als Mitchef der Rechten betrachtet und auch als Mitglied der Verfassungskommission an den Berathungen des Entwurfs Theil genommen, aber bei mehreren Abstimmungen in der Minderheit blieb, hat seine Verbesserungsversuche in der Form einer neuen Abfassung des zweiten Titels der Beurtheilung sämmtlicher Abtheilungen, mit allen seinen Gründen vorlegen lassen. Er tadelt mit Recht, daß die Kommission sich darauf beschränkt hat, den Regierungsentwurf im Einzelnen zu ändern und zu verkürzen oder durch Zusätze zu erweitern, und so die Folgerichtigkeit des Gedankenganges und die Gleichheit der Darstellungsform leiden mußten. Er überschreibt den neu entworfenen zweiten Titel: "Von den Grundrechten der Staatsgenossen", weil der Inhalt theilweise auch Fremde betrifft, welche des Schutzes der Staatsgewalt nur vorübergehend genießen. Der Ausdruck Staatsbürger, Staatseinwohner oder Volk würde daher zu enge sein. Er theilt diesen Titel in zwei Haupttheile. Artikel 1-33 behandeln die Rechte, Artikel 34-42 die Pflichten der Staatsgenossen. Wir wollen die vorzüglichsten Aenderungsvorschläge wörtlich mittheilen, damit sie mit dem Kommissionsentwurf verglichen werden können. Art. 2. Alle Inländer sind gleich vor dem Gesetz. Der Stand begründet keine persönlichen Rechtsvorzüge. Hier ist der Passus des Kommissionsentwurfs: "Der Adel ist abgeschafft," ganz ausgelassen. Es wird bei der Berathung in der Plenarversammlung hierüber einen harten Kampf kosten. Die adligen Mitglieder und die Rechte wollen wohl alle auf Standesunterschied beruhende persönliche Begünstigungen ausschließen, aber nach grundsätzlicher Ausschließung derselben die gesellschaftliche Geltung des Adels noch abschaffen zu wollen, das hält Hr. v. Daniels, eines seiner staatlichen Rechte sich bewußten Volkes für unwürdig. Art. 3. Die Freiheit der Person ist ein allgemeines und unveräußerliches Menschenrecht. Art. 4. Die Auswanderungsfreiheit kann von Staatswegen nicht beschränkt werden. Art. 5. Es kann keine Strafe verhängt werden, welche nicht zu der Zeit des Straffalles gesetzlich angedroht war. Die Strafe der Vermögenseinziehung ist unstatthaft. Art. 6. Die Entziehung der Freiheit für Zwecke der Gerichtsbarkeit ist nur in den gesetzlichen Fällen und Formen zulässig. Die Artikel des Kommissionsentwurfs enthalten dagegen eine ganz bestimmte Feststellung der dem Staat zustehenden Befugnisse und werden sogar in nächster Sitzung, wahrscheinlich ohne Abänderung, als Habeas-Corpus-Akte, als ein besonderes Gesetz, angenommen werden. Die Rechte scheint sich dem mit aller Gewalt entgegen stellen zu wollen. Sie will der bisherigen Willkürherrschaft der Beamten und Richter noch länger Thür und Thor offen stehen lassen, das sieht man der verfänglichen Fassung obiger Artikel sehr wohl an. Ebenso ist es mit dem folgenden Artikel über Preßfreiheit. Die Kommission hat sich kurz und bündig ausgedrückt, nämlich: "Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden. Die Censur bleibt für immer aufgehoben." "Der Mißbrauch der Presse wird nach den allgemeinen Landesgesetzen bestraft." Dafür hat Hr. v. Daniels Folgendes: Art. 7. Jeder Inländer hat das persönliche Recht, seine Gedanken öffentlich bekannt zu machen. Anordnungen zur Vorbeugung des Mißbrauchs sind unzulässig. Die Gesetzgebung bestimmt die Mittel zu der Abstellung und Bestrafung des Unrechtes, welches durch öffentliche Reden oder Zeichen und durch Vervielfältigung von Schriften oder bildliche Darstellungen begangen wird Jeder Unbefangene wird leicht einsehen, was man in diesen Artikel hineinlegen kann. Die Wörter "Presse" und "Censur" sind gar nicht darin enthalten. Außerdem läßt er den Artikel ganz weg, welcher Drucker, Verleger und Vertheiler einer Schrift, sobald der Verfasser bekannt ist, der Verfolgung entziehen. Die reaktionäre Partei möchte gern die Gesetzesstelle des veralteten Landrechts in diesen Fällen noch in Anwendung bringen, und läßt es deshalb in der Verfassung unerwähnt. Der Art. 8 will, daß "Zusammenkünfte an öffentlichen Orten und auf freiem Felde der Erlaubniß der Behörde bedürfen, welcher an dem Versammlungsorte die Handhabung der öffentlichen Ordnung zustehet." So will Hr. v. Daniels das freie Versammlungsrecht zustutzen. (Schluß folgt morgen.) 2 Uhr Nachmittags. So eben beginnt der große Festzug zur Feier des freien vereinigten Deutschlands. 15 Berlin, 6. August. Ich bin kein Freund von Demonstrationen, Prunkzügen mit offizieller Begeisterung, hinter welcher sich die feige Heuchelei versteckt und mit schönen Worten und Redensarten groß thut. Eine große, lebenskräftige That wird aus solchen Paraden nie geboren werden. Ein anderer Berichterstatter mag Ihnen den Verlauf des heutigen Festes wohl erzählen; ich will nur einige Einzelnheiten mittheilen, über die ich aus persönlicher Anschauung und zum Theil Mitwirkung Ihnen am besten Auskunft geben zu können glaube. In dem die Vorbereitungen und Anordnungen des Zuges berathenden Comite hatte der Antrag des Vertreters des demokratischen Klubs, der Zug möge sich durch dieselben Straßen bewegen und an denselben Orten Halt machen, wo der König am 19. März vorübergezogen und so schön von dem "Aufgehen Preußens in Deutschland" gesprochen, die Majorität errungen. In einer Sonnabends abgehaltenen Versammlung der Studentenschaft, von welcher bekanntlich die ganze Idee ausgegangen war, zeigte sich mit Recht die tiefste Entrüstung gegen diese Nachäfferei des Königs, und sei sie auch noch so ironisch gehalten. Hr. Benary, Präsident des Volksklubs, konnte trotz seiner beredten Vertheidigung des Schramm'schen Antrages die Ansicht der Studirenden in diesem Punkt nicht ändern; vielmehr beschloß man, von dem Zuge unter solchen Verhältnissen lieber ganz abzustehen, ein Beschluß, über den natürlich aus andern Gründen der konstitutionelle Klub, welcher die Versammlung beschickt hatte, nicht wenig froh war. Schon war der Beschluß der Studirenden gefaßt, als ein Redner noch den Antrag stellte, dem Comite noch einmal durch eine Deputation die Gesinnung der Studentenschaft und die Erklärung auszudrücken, daß dieselbe nur dann sich an dem Zuge betheiligen werde, wenn dieser den nächsten Weg nach dem Kreuzberge ohne jede Nachäfferei und Beziehung auf den König unternehmen würde. Der Antrag ging durch und hatte die Folge, daß auch das Comie von seinen ursprünglichen Forderungen abging und eine Verständigung erzielt wurde, welche die Theilnahme aller Vereine außer dem patriotischen und konstitutionellen Klub bewirkte. Daß der König durch Armeebefehl die Parade sämmtlicher Truppen untersagte, ist Ihnen bekannt. Aber der Hof hat seine Minen noch weiter gestellt; er hat auch Hrn. Rimpler, den neuen Bürgergeneral mit seinen Netzen zu umgarnen gewußt. Bereits 89 Bezirke der Bürgerwehr hatten sich gegen ungefähr 30 entschieden, die Parade am Sonntag abzuhalten. Was geschieht? Gestern Abend erscheint ein Tagesbefehl von Hrn. Rimpler, worin die Parade unter dem Vorgeben, daß die nöthigen Vorbereitungen nicht so rasch getroffen werden könnten, auf den Dienstag verschoben wird. Zugleich war der Tagesbefehl in solchem Styl gehalten, daß darin weit mehr Preußens als Deutschlands gedacht wurde, und die Parade demnach weit mehr eine preußenthümliche als eine deutsche werden muß. Doch noch nicht genug. Hr. Rimpler nicht zufrieden, die gutmüthige Bürgerschaft bethört zu haben, wollte auch die Betheiligung der fliegenden Korps an der Parade hintertreiben. Und so ging der Schlaue zu dem fliegenden Korps der Künstler und sagte ihnen, sie möchten die Parade mit der Bürgerwehr am Dienstag mitmachen, die Studenten würden sie auch erst an diesem Tage im Verein mit der Bürgerwehr veranstalten. Die Künstler gingen in die Falle. Darauf machte sich Hr. Rimpler an die Studenten und erzählte ihnen das Gleiche von den übrigen fliegenden Korps, sie möchten nur ihrem Beispiele folgen. Das bewaffnete Studentenkorps aber beschloß, es lediglich bei der Sonntagsparade bewenden zu lassen, und Herr Rimpler mußte mit langer Nase abziehen. Die Parade fand denn auch heute Morgen in der Schlächterwiese bei der Hasenhaide wirklich statt; es betheiligten sich dabei ein Piket des fliegenden Korps der Kaufleute, das Handwerkerkorps, sowie mehrere Bezirke der Bürgerwehr, im Ganzen gegen 6000 Mann. Daß die preußische Camarilla über das Studentenkorps sehr wüthend ist, versteht sich von selbst. Der heutige Zug nach dem Kreuzberge mochte wohl von 60-80,000 Menschen in vollkommenster Ordnung begangen sein; er bewegte sich vom Opernplatze über den Schloßplatz durch die breite Leipziger- und Friedrichstraße dem Belle-Alliance-Platze zu. Die Straßen, vor denen man vorüberzog, waren von dichten Zuschauerreihen besät; an den Fenstern hingen, doch nicht allzuviel, deutsche, viel deutsch-preußische, einige preußische Fahnen heraus. Die Studentenschaft eröffnete den Zug; später folgte der demokratische Klub mit der rothen Fahne. Schweidnitz. Die "Allgemeine Oderzeitung" bringt eine Reihe Berichte aus Schweidnitz, woraus wir das Wesentlichste ausziehen. Schweidnitz, 3. August. Abends 9 Uhr. Starke Patrouillen von Jägern durchzogen die Straßen, aber um halb 9 Uhr war noch Alles ruhig. Man hörte zahlreiche Schüsse auf dem Bahnhofe abfeuern, die Besorgniß einflößen, da dies von den Breslauer Bürgerschützen zu Ehren der beerdigten Gefallenen geschah. Die Abfahrt dieser werthen Gäste sollte um 9 Uhr stattfinden. Es wurden auf dem Bahnhofe verschiedene Reden gehalten, und der Vorschlag gemacht, der auch großen Beifall fand, Schweidnitz nicht eher zu verlassen, bis man jene Füsiliere entfernt wisse. Mehrere Redner sprachen dagegen, und machten auf das Elend aufmerksam, das hieraus entstehen könnte. Der Kommandeur unserer Bürgerwehr sprach in demselben Sinne und man fügte sich. Da kommt die Botschaft aus der Stadt, die Bürger werden angegriffen, das Militär schieße auf sie aus den Fenstern der Kaserne und der Generalmarsch werde geschlagen. Alles will nun fort den Bürgern zu Hülfe, doch scheint eine Beruhigung von neuem gelungen zu sein, denn jedes Einschreiten von dieser Seite her ist unterblieben. - In der Stadt selbst ist Alles in Verwirrung. Auf dem Ringe soll geschossen worden sein, bei oder aus den Kasernen wird wirklich und sehr lebhaft geschossen; einzelne Kugeln pfeifen die Büttnergasse entlang bis in die Nonnengasse. Husaren, die gestern angekommen und in dem nahen Kroischwitz einquartirt sind, rücken in die Stadt; die Thore sind geschlossen, die Brücken, wo es geht, aufgezogen; die Kasernen werden durch Militär abgesperrt, Niemand darf passiren. Der Ring wird durch Husaren und Jäger besetzt; der neue (interimistische) Kommandant, General-Major von Burski, ist selbst auf dem Platze. seine Hengste spornte er blutig, er prügelte Hunde und Bedienten und Alles nur wegen des verfluchten Schnapphahnski. Am aller Begreiflichsten ist es indeß, daß Graf G. zuletzt keinen andern Wunsch mehr auf Erden kannte, als unserm Ritter einmal auf den Zahn zu fühlen. Leider wollte sich hierzu aber nie eine Gelegenheit finden. Schnapphahnski war der liebenswürdigste Mensch von der Welt, bethörend bei den Weibern und schlau bei den Männern. Er war allmählig zu der Ueberzeugung gekommen, daß das Leben kostspielig ist, sehr kostenspielig. Trotz aller äußern Bravour glaubte er in der Tiefe seiner Seele an den 10. Vers des neunzigsten Psalms, wo da geschrieben steht, daß unser Leben siebenzig Jahre währt und wenn's hoch kommt, achtzig und daß es köstlich gewesen ist, wenn es Mühe und Arbeit gewesen und daß es schnell dahin fährt, als flögen wir davon. Dachte er aber gar an den Grafen G., so ging es ihm nicht anders wie mir: er hätte sich lieber mit dem Pferdefuß des Satans herumgeschlagen, als mit der Klinge jenes fürchterlichsten aller modernen Menschenfresser. Aber was hilft es, wenn die Unsterblichen nun einmal beschlossen haben, daß einem das Schicksal ein Bein stellen soll? Schnapphahnski hatte eines Abends die Unvorsichtigkeit begangen, seinem treuesten Freunde unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit mitzutheilen, daß die Schwester des Grafen G. ‒ ‒ meine Leser müssen entschuldigen, wenn ich ihnen eine der galantesten Lügen neuerer Zeit nicht zu wiederholen wage ‒ genug unser Ritter ließ sich durch seine Phantasie zu einer Mittheilung verleiten, die, eben weil sie unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit geschah, auch schon am nächsten Morgen von dem treuesten aller Freunde dem Grafen in ihrer ganzen Frische wieder überbracht wurde. Graf G. fluchte wie ein Christ und wie ein Preuße. Er nahm seinen Säbel von der Wand und er nahm seine Pistolen ‒ O, armer Schnapphahnski! Doch was soll ich weiter erzählen? Es versteht sich von selbst, daß Graf G. in der Wohnung unseres Ritters eher den Vater Abraham hätte antreffen können als den Hrn. von Schnapphahnski. Ja wahrhaftig, wie der edle Ritter einst dem ehrenwerthen schlesischen Menelaos die Landstraße geräumt und die liebenswürdigste Frau überlassen hatte, so ließ er diesmal dem kriegerischen Grafen G. die Ueberzeugung zurück, daß ein Mann wie Schnapphahnski eine viel zu feine Nase hat, um nicht das Pulver auf wenigstens tausend Schritt zu riechen ‒ mit einem Worte: Mensen Ernst hätte nicht schneller davon laufen können, als der berühmte Ritter Schnapphahnski. Die böse Welt erzählt von einer großen, unerbittlichen Hetzjagd, die jetzt ihren Anfang nahm. Fabelhaft war die Wuth des Grafen G., aber noch unglaublicher war die Eile des Ritters Schnapphahnski. Wie die brennende Sonne den bleichen Mond verfolgt, so folgte der zornglühende Graf dem angstblassen Ritter. Da war kein Hotel, kein Salon zwischen Dresden, Berlin und Wien, da war kein Ort in dem ganzen östlichen Deutschland, der nicht untersucht wurde, in dem man sich nicht aufs Angelegentlichste nach Sr. Hochgeboren dem Ritter Schnapphahnski erkundigte. Doch die Distanz wurde immer kleiner; immer näher rückte der Graf auf des Ritters Pelz ‒ in Troppau in Oestreich stehen unsere Helden endlich mit den krummen Säbeln in den Fäusten einander gegenüber. Der edle Ritter kann seinem Schicksal nicht mehr entrinnen. Graf G. versteht keinen Spaß. Der Kampf beginnt. Seit Sir John Falstaff auf der Ebene von Shrewsbury mit dem Schotten Douglas aneinander war, gab es kein so famoses Treffen mehr auf der Welt als das unserer Helden in Troppau. „So fiel ich aus und so führt ich meine Klinge!“ hatte der edle Ritter manchmal renommirt, wenn er den Damen seine Abenteuer schilderte. Jetzt war die Stunde gekommen, wo er das in der That und in der Wahrheit durchmachen sollte, was er früher so oft im Geist und in der Lüge erlebte. Schnapphahnski empfahl sich dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden, er setzte den einen Fuß vor, er erhob den Säbel und die Paukerei ging los. Graf G. schlug drein wir der leibhaftige Teufel. So ein Eisenfresser hat kein Mitleid ‒ armer Schnapphahnski! Der edle Ritter fühlt, daß er es mit dem Bruder einer schönen Schwester zu thun hat, aber er wehrt sich so gut er kann. Da fehlt er zum ersten Male und die Klinge seines Gegners fährt ihm über den Leib, so nachdrücklich, so impertinent unhöflich, daß Graf G. nicht anders meint, als daß der Ritter ins Gras beißen und das Zeitliche segnen müßte. Schnapphahnski denkt aber nicht daran; ein leises Frösteln rieselt ihm über den Nacken, er schüttelt sich und wiederum steht er da, in der alten Parade: „So fiel ich aus und so führt' ich meine Klinge!“ Graf G. macht da den zweiten Ausfall; abermals klirren die Säbel und zum zweiten Male besieht unser Schnapphahnski einen Schmiß, der dem besten Chorburschen Heulen und Zähnklappen verursacht haben würde, vor dem unser Ritter aber nur leise stutzt und momentan zurückweicht, um sich sofort wieder zu sammeln und seine frühere Stellung einzunehmen. Graf G. ist über das zähe Leben seines Feindes nicht wenig erstaunt; er kennt doch die Force seines Säbels, er weiß, was in frühern Jahren seinen Hieben zu folgen pflegte und schäumend vor Wuth, daß seine besten Schläge ohne Erfolg bleiben, stürzt er zum dritten Male in den Kampf und wiederum rasseln die Klingen, daß die Lüfte schwirren, daß allen beiden Kämpfern Hören und Sehen vergeht. Da trifft der Säbel des Grafen zum letzten Male und Schnapphahnski taumelt todtenbleich zu Boden ‒ o armer Mann! Die Klinge hat den Kopf nicht berührt, sie machte eine Reise über Schulter und Brust ‒ die Kleider hängen in Fetzen herunter ‒ o unglückseliger Ritter! Fallen in der Blüthe der Jugend, ein Mann so schön und so glücklich ‒ es ist hart! Da kniet der Graf an seinem Opfer nieder ‒ Sekundanten sind nicht zugegen, die Tollkühnen haben sich ohne weiteres geschlagen. ‒ Graf G. reißt die Kleider seines Gegners auf; er erwartet nichts anders, als eine klaffende Wunde von ein bis zwei Zoll, es wundert ihn, daß nicht das Blut schon hervorspritzt. Da ist er mit dem Losknöpfen des Rockes fertig, zu seinem Entsetzen zieht er ‒ ein nasses seidnes [Deutschland]
103 Berlin, 6. Aug. Der Kommissionsentwurf der Verfassungsurkunde wird gegenwärtig in den Abtheilungen sehr fleißig berathen. Sowohl die Linke als die Rechte suchen in denjenigen Abtheilungen, wo sie sich entschieden in der Mehrheit befinden, Abänderungsvorschläge in ihrem Sinne durchzubringen. Der Abgeordnete von Daniels, der sich als Mitchef der Rechten betrachtet und auch als Mitglied der Verfassungskommission an den Berathungen des Entwurfs Theil genommen, aber bei mehreren Abstimmungen in der Minderheit blieb, hat seine Verbesserungsversuche in der Form einer neuen Abfassung des zweiten Titels der Beurtheilung sämmtlicher Abtheilungen, mit allen seinen Gründen vorlegen lassen. Er tadelt mit Recht, daß die Kommission sich darauf beschränkt hat, den Regierungsentwurf im Einzelnen zu ändern und zu verkürzen oder durch Zusätze zu erweitern, und so die Folgerichtigkeit des Gedankenganges und die Gleichheit der Darstellungsform leiden mußten. Er überschreibt den neu entworfenen zweiten Titel: „Von den Grundrechten der Staatsgenossen“, weil der Inhalt theilweise auch Fremde betrifft, welche des Schutzes der Staatsgewalt nur vorübergehend genießen. Der Ausdruck Staatsbürger, Staatseinwohner oder Volk würde daher zu enge sein. Er theilt diesen Titel in zwei Haupttheile. Artikel 1-33 behandeln die Rechte, Artikel 34-42 die Pflichten der Staatsgenossen. Wir wollen die vorzüglichsten Aenderungsvorschläge wörtlich mittheilen, damit sie mit dem Kommissionsentwurf verglichen werden können. Art. 2. Alle Inländer sind gleich vor dem Gesetz. Der Stand begründet keine persönlichen Rechtsvorzüge. Hier ist der Passus des Kommissionsentwurfs: „Der Adel ist abgeschafft,“ ganz ausgelassen. Es wird bei der Berathung in der Plenarversammlung hierüber einen harten Kampf kosten. Die adligen Mitglieder und die Rechte wollen wohl alle auf Standesunterschied beruhende persönliche Begünstigungen ausschließen, aber nach grundsätzlicher Ausschließung derselben die gesellschaftliche Geltung des Adels noch abschaffen zu wollen, das hält Hr. v. Daniels, eines seiner staatlichen Rechte sich bewußten Volkes für unwürdig. Art. 3. Die Freiheit der Person ist ein allgemeines und unveräußerliches Menschenrecht. Art. 4. Die Auswanderungsfreiheit kann von Staatswegen nicht beschränkt werden. Art. 5. Es kann keine Strafe verhängt werden, welche nicht zu der Zeit des Straffalles gesetzlich angedroht war. Die Strafe der Vermögenseinziehung ist unstatthaft. Art. 6. Die Entziehung der Freiheit für Zwecke der Gerichtsbarkeit ist nur in den gesetzlichen Fällen und Formen zulässig. Die Artikel des Kommissionsentwurfs enthalten dagegen eine ganz bestimmte Feststellung der dem Staat zustehenden Befugnisse und werden sogar in nächster Sitzung, wahrscheinlich ohne Abänderung, als Habeas-Corpus-Akte, als ein besonderes Gesetz, angenommen werden. Die Rechte scheint sich dem mit aller Gewalt entgegen stellen zu wollen. Sie will der bisherigen Willkürherrschaft der Beamten und Richter noch länger Thür und Thor offen stehen lassen, das sieht man der verfänglichen Fassung obiger Artikel sehr wohl an. Ebenso ist es mit dem folgenden Artikel über Preßfreiheit. Die Kommission hat sich kurz und bündig ausgedrückt, nämlich: „Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden. Die Censur bleibt für immer aufgehoben.“ „Der Mißbrauch der Presse wird nach den allgemeinen Landesgesetzen bestraft.“ Dafür hat Hr. v. Daniels Folgendes: Art. 7. Jeder Inländer hat das persönliche Recht, seine Gedanken öffentlich bekannt zu machen. Anordnungen zur Vorbeugung des Mißbrauchs sind unzulässig. Die Gesetzgebung bestimmt die Mittel zu der Abstellung und Bestrafung des Unrechtes, welches durch öffentliche Reden oder Zeichen und durch Vervielfältigung von Schriften oder bildliche Darstellungen begangen wird Jeder Unbefangene wird leicht einsehen, was man in diesen Artikel hineinlegen kann. Die Wörter „Presse“ und „Censur“ sind gar nicht darin enthalten. Außerdem läßt er den Artikel ganz weg, welcher Drucker, Verleger und Vertheiler einer Schrift, sobald der Verfasser bekannt ist, der Verfolgung entziehen. Die reaktionäre Partei möchte gern die Gesetzesstelle des veralteten Landrechts in diesen Fällen noch in Anwendung bringen, und läßt es deshalb in der Verfassung unerwähnt. Der Art. 8 will, daß „Zusammenkünfte an öffentlichen Orten und auf freiem Felde der Erlaubniß der Behörde bedürfen, welcher an dem Versammlungsorte die Handhabung der öffentlichen Ordnung zustehet.“ So will Hr. v. Daniels das freie Versammlungsrecht zustutzen. (Schluß folgt morgen.) 2 Uhr Nachmittags. So eben beginnt der große Festzug zur Feier des freien vereinigten Deutschlands. 15 Berlin, 6. August. Ich bin kein Freund von Demonstrationen, Prunkzügen mit offizieller Begeisterung, hinter welcher sich die feige Heuchelei versteckt und mit schönen Worten und Redensarten groß thut. Eine große, lebenskräftige That wird aus solchen Paraden nie geboren werden. Ein anderer Berichterstatter mag Ihnen den Verlauf des heutigen Festes wohl erzählen; ich will nur einige Einzelnheiten mittheilen, über die ich aus persönlicher Anschauung und zum Theil Mitwirkung Ihnen am besten Auskunft geben zu können glaube. In dem die Vorbereitungen und Anordnungen des Zuges berathenden Comité hatte der Antrag des Vertreters des demokratischen Klubs, der Zug möge sich durch dieselben Straßen bewegen und an denselben Orten Halt machen, wo der König am 19. März vorübergezogen und so schön von dem „Aufgehen Preußens in Deutschland“ gesprochen, die Majorität errungen. In einer Sonnabends abgehaltenen Versammlung der Studentenschaft, von welcher bekanntlich die ganze Idee ausgegangen war, zeigte sich mit Recht die tiefste Entrüstung gegen diese Nachäfferei des Königs, und sei sie auch noch so ironisch gehalten. Hr. Benary, Präsident des Volksklubs, konnte trotz seiner beredten Vertheidigung des Schramm'schen Antrages die Ansicht der Studirenden in diesem Punkt nicht ändern; vielmehr beschloß man, von dem Zuge unter solchen Verhältnissen lieber ganz abzustehen, ein Beschluß, über den natürlich aus andern Gründen der konstitutionelle Klub, welcher die Versammlung beschickt hatte, nicht wenig froh war. Schon war der Beschluß der Studirenden gefaßt, als ein Redner noch den Antrag stellte, dem Comité noch einmal durch eine Deputation die Gesinnung der Studentenschaft und die Erklärung auszudrücken, daß dieselbe nur dann sich an dem Zuge betheiligen werde, wenn dieser den nächsten Weg nach dem Kreuzberge ohne jede Nachäfferei und Beziehung auf den König unternehmen würde. Der Antrag ging durch und hatte die Folge, daß auch das Comié von seinen ursprünglichen Forderungen abging und eine Verständigung erzielt wurde, welche die Theilnahme aller Vereine außer dem patriotischen und konstitutionellen Klub bewirkte. Daß der König durch Armeebefehl die Parade sämmtlicher Truppen untersagte, ist Ihnen bekannt. Aber der Hof hat seine Minen noch weiter gestellt; er hat auch Hrn. Rimpler, den neuen Bürgergeneral mit seinen Netzen zu umgarnen gewußt. Bereits 89 Bezirke der Bürgerwehr hatten sich gegen ungefähr 30 entschieden, die Parade am Sonntag abzuhalten. Was geschieht? Gestern Abend erscheint ein Tagesbefehl von Hrn. Rimpler, worin die Parade unter dem Vorgeben, daß die nöthigen Vorbereitungen nicht so rasch getroffen werden könnten, auf den Dienstag verschoben wird. Zugleich war der Tagesbefehl in solchem Styl gehalten, daß darin weit mehr Preußens als Deutschlands gedacht wurde, und die Parade demnach weit mehr eine preußenthümliche als eine deutsche werden muß. Doch noch nicht genug. Hr. Rimpler nicht zufrieden, die gutmüthige Bürgerschaft bethört zu haben, wollte auch die Betheiligung der fliegenden Korps an der Parade hintertreiben. Und so ging der Schlaue zu dem fliegenden Korps der Künstler und sagte ihnen, sie möchten die Parade mit der Bürgerwehr am Dienstag mitmachen, die Studenten würden sie auch erst an diesem Tage im Verein mit der Bürgerwehr veranstalten. Die Künstler gingen in die Falle. Darauf machte sich Hr. Rimpler an die Studenten und erzählte ihnen das Gleiche von den übrigen fliegenden Korps, sie möchten nur ihrem Beispiele folgen. Das bewaffnete Studentenkorps aber beschloß, es lediglich bei der Sonntagsparade bewenden zu lassen, und Herr Rimpler mußte mit langer Nase abziehen. Die Parade fand denn auch heute Morgen in der Schlächterwiese bei der Hasenhaide wirklich statt; es betheiligten sich dabei ein Piket des fliegenden Korps der Kaufleute, das Handwerkerkorps, sowie mehrere Bezirke der Bürgerwehr, im Ganzen gegen 6000 Mann. Daß die preußische Camarilla über das Studentenkorps sehr wüthend ist, versteht sich von selbst. Der heutige Zug nach dem Kreuzberge mochte wohl von 60-80,000 Menschen in vollkommenster Ordnung begangen sein; er bewegte sich vom Opernplatze über den Schloßplatz durch die breite Leipziger- und Friedrichstraße dem Belle-Alliance-Platze zu. Die Straßen, vor denen man vorüberzog, waren von dichten Zuschauerreihen besät; an den Fenstern hingen, doch nicht allzuviel, deutsche, viel deutsch-preußische, einige preußische Fahnen heraus. Die Studentenschaft eröffnete den Zug; später folgte der demokratische Klub mit der rothen Fahne. Schweidnitz. Die „Allgemeine Oderzeitung“ bringt eine Reihe Berichte aus Schweidnitz, woraus wir das Wesentlichste ausziehen. Schweidnitz, 3. August. Abends 9 Uhr. Starke Patrouillen von Jägern durchzogen die Straßen, aber um halb 9 Uhr war noch Alles ruhig. Man hörte zahlreiche Schüsse auf dem Bahnhofe abfeuern, die Besorgniß einflößen, da dies von den Breslauer Bürgerschützen zu Ehren der beerdigten Gefallenen geschah. Die Abfahrt dieser werthen Gäste sollte um 9 Uhr stattfinden. Es wurden auf dem Bahnhofe verschiedene Reden gehalten, und der Vorschlag gemacht, der auch großen Beifall fand, Schweidnitz nicht eher zu verlassen, bis man jene Füsiliere entfernt wisse. Mehrere Redner sprachen dagegen, und machten auf das Elend aufmerksam, das hieraus entstehen könnte. Der Kommandeur unserer Bürgerwehr sprach in demselben Sinne und man fügte sich. Da kommt die Botschaft aus der Stadt, die Bürger werden angegriffen, das Militär schieße auf sie aus den Fenstern der Kaserne und der Generalmarsch werde geschlagen. Alles will nun fort den Bürgern zu Hülfe, doch scheint eine Beruhigung von neuem gelungen zu sein, denn jedes Einschreiten von dieser Seite her ist unterblieben. ‒ In der Stadt selbst ist Alles in Verwirrung. Auf dem Ringe soll geschossen worden sein, bei oder aus den Kasernen wird wirklich und sehr lebhaft geschossen; einzelne Kugeln pfeifen die Büttnergasse entlang bis in die Nonnengasse. Husaren, die gestern angekommen und in dem nahen Kroischwitz einquartirt sind, rücken in die Stadt; die Thore sind geschlossen, die Brücken, wo es geht, aufgezogen; die Kasernen werden durch Militär abgesperrt, Niemand darf passiren. Der Ring wird durch Husaren und Jäger besetzt; der neue (interimistische) Kommandant, General-Major von Burski, ist selbst auf dem Platze. <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar070_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0352"/> seine Hengste spornte er blutig, er prügelte Hunde und Bedienten und Alles nur wegen des verfluchten Schnapphahnski.</p> <p>Am aller Begreiflichsten ist es indeß, daß Graf G. zuletzt keinen andern Wunsch mehr auf Erden kannte, als unserm Ritter einmal auf den Zahn zu fühlen.</p> <p>Leider wollte sich hierzu aber nie eine Gelegenheit finden. Schnapphahnski war der liebenswürdigste Mensch von der Welt, bethörend bei den Weibern und schlau bei den Männern. Er war allmählig zu der Ueberzeugung gekommen, daß das Leben kostspielig ist, sehr kostenspielig. Trotz aller äußern Bravour glaubte er in der Tiefe seiner Seele an den 10. Vers des neunzigsten Psalms, wo da geschrieben steht, daß unser Leben siebenzig Jahre währt und wenn's hoch kommt, achtzig und daß es köstlich gewesen ist, wenn es Mühe und Arbeit gewesen und daß es schnell dahin fährt, als flögen wir davon.</p> <p>Dachte er aber gar an den Grafen G., so ging es ihm nicht anders wie mir: er hätte sich lieber mit dem Pferdefuß des Satans herumgeschlagen, als mit der Klinge jenes fürchterlichsten aller modernen Menschenfresser.</p> <p>Aber was hilft es, wenn die Unsterblichen nun einmal beschlossen haben, daß einem das Schicksal ein Bein stellen soll?</p> <p>Schnapphahnski hatte eines Abends die Unvorsichtigkeit begangen, seinem treuesten Freunde unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit mitzutheilen, daß die Schwester des Grafen G. ‒ ‒ meine Leser müssen entschuldigen, wenn ich ihnen eine der galantesten Lügen neuerer Zeit nicht zu wiederholen wage ‒ genug unser Ritter ließ sich durch seine Phantasie zu einer Mittheilung verleiten, die, eben weil sie unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit geschah, auch schon am nächsten Morgen von dem treuesten aller Freunde dem Grafen in ihrer ganzen Frische wieder überbracht wurde.</p> <p>Graf G. fluchte wie ein Christ und wie ein Preuße. Er nahm seinen Säbel von der Wand und er nahm seine Pistolen ‒ O, armer Schnapphahnski! Doch was soll ich weiter erzählen? Es versteht sich von selbst, daß Graf G. in der Wohnung unseres Ritters eher den Vater Abraham hätte antreffen können als den Hrn. von Schnapphahnski.</p> <p>Ja wahrhaftig, wie der edle Ritter einst dem ehrenwerthen schlesischen Menelaos die Landstraße geräumt und die liebenswürdigste Frau überlassen hatte, so ließ er diesmal dem kriegerischen Grafen G. die Ueberzeugung zurück, daß ein Mann wie Schnapphahnski eine viel zu feine Nase hat, um nicht das Pulver auf wenigstens tausend Schritt zu riechen ‒ mit einem Worte: Mensen Ernst hätte nicht schneller davon laufen können, als der berühmte Ritter Schnapphahnski.</p> <p>Die böse Welt erzählt von einer großen, unerbittlichen Hetzjagd, die jetzt ihren Anfang nahm. Fabelhaft war die Wuth des Grafen G., aber noch unglaublicher war die Eile des Ritters Schnapphahnski. Wie die brennende Sonne den bleichen Mond verfolgt, so folgte der zornglühende Graf dem angstblassen Ritter. Da war kein Hotel, kein Salon zwischen Dresden, Berlin und Wien, da war kein Ort in dem ganzen östlichen Deutschland, der nicht untersucht wurde, in dem man sich nicht aufs Angelegentlichste nach Sr. Hochgeboren dem Ritter Schnapphahnski erkundigte. Doch die Distanz wurde immer kleiner; immer näher rückte der Graf auf des Ritters Pelz ‒ in Troppau in Oestreich stehen unsere Helden endlich mit den krummen Säbeln in den Fäusten einander gegenüber.</p> <p>Der edle Ritter kann seinem Schicksal nicht mehr entrinnen. Graf G. versteht keinen Spaß. Der Kampf beginnt. Seit Sir John Falstaff auf der Ebene von Shrewsbury mit dem Schotten Douglas aneinander war, gab es kein so famoses Treffen mehr auf der Welt als das unserer Helden in Troppau.</p> <p>„So fiel ich aus und so führt ich meine Klinge!“ hatte der edle Ritter manchmal renommirt, wenn er den Damen seine Abenteuer schilderte. Jetzt war die Stunde gekommen, wo er das in der That und in der Wahrheit durchmachen sollte, was er früher so oft im Geist und in der Lüge erlebte.</p> <p>Schnapphahnski empfahl sich dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden, er setzte den einen Fuß vor, er erhob den Säbel und die Paukerei ging los. Graf G. schlug drein wir der leibhaftige Teufel. So ein Eisenfresser hat kein Mitleid ‒ armer Schnapphahnski! Der edle Ritter fühlt, daß er es mit dem Bruder einer schönen Schwester zu thun hat, aber er wehrt sich so gut er kann. Da fehlt er zum ersten Male und die Klinge seines Gegners fährt ihm über den Leib, so nachdrücklich, so impertinent unhöflich, daß Graf G. nicht anders meint, als daß der Ritter ins Gras beißen und das Zeitliche segnen müßte. Schnapphahnski denkt aber nicht daran; ein leises Frösteln rieselt ihm über den Nacken, er schüttelt sich und wiederum steht er da, in der alten Parade: „So fiel ich aus und so führt' ich meine Klinge!“</p> <p>Graf G. macht da den zweiten Ausfall; abermals klirren die Säbel und zum zweiten Male besieht unser Schnapphahnski einen Schmiß, der dem besten Chorburschen Heulen und Zähnklappen verursacht haben würde, vor dem unser Ritter aber nur leise stutzt und momentan zurückweicht, um sich sofort wieder zu sammeln und seine frühere Stellung einzunehmen. Graf G. ist über das zähe Leben seines Feindes nicht wenig erstaunt; er kennt doch die Force seines Säbels, er weiß, was in frühern Jahren seinen Hieben zu folgen pflegte und schäumend vor Wuth, daß seine besten Schläge ohne Erfolg bleiben, stürzt er zum dritten Male in den Kampf und wiederum rasseln die Klingen, daß die Lüfte schwirren, daß allen beiden Kämpfern Hören und Sehen vergeht.</p> <p>Da trifft der Säbel des Grafen zum letzten Male und Schnapphahnski taumelt todtenbleich zu Boden ‒ o armer Mann! Die Klinge hat den Kopf nicht berührt, sie machte eine Reise über Schulter und Brust ‒ die Kleider hängen in Fetzen herunter ‒ o unglückseliger Ritter! Fallen in der Blüthe der Jugend, ein Mann so schön und so glücklich ‒ es ist hart! Da kniet der Graf an seinem Opfer nieder ‒ Sekundanten sind nicht zugegen, die Tollkühnen haben sich ohne weiteres geschlagen. ‒ Graf G. reißt die Kleider seines Gegners auf; er erwartet nichts anders, als eine klaffende Wunde von ein bis zwei Zoll, es wundert ihn, daß nicht das Blut schon hervorspritzt. Da ist er mit dem Losknöpfen des Rockes fertig, zu seinem Entsetzen zieht er ‒ ein nasses seidnes</p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar070_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 6. Aug.</head> <p>Der Kommissionsentwurf der Verfassungsurkunde wird gegenwärtig in den Abtheilungen sehr fleißig berathen. Sowohl die Linke als die Rechte suchen in denjenigen Abtheilungen, wo sie sich entschieden in der Mehrheit befinden, Abänderungsvorschläge in ihrem Sinne durchzubringen. Der Abgeordnete von Daniels, der sich als Mitchef der Rechten betrachtet und auch als Mitglied der Verfassungskommission an den Berathungen des Entwurfs Theil genommen, aber bei mehreren Abstimmungen in der Minderheit blieb, hat seine Verbesserungsversuche in der Form einer neuen Abfassung des zweiten Titels der Beurtheilung sämmtlicher Abtheilungen, mit allen seinen Gründen vorlegen lassen.</p> <p>Er tadelt mit Recht, daß die Kommission sich darauf beschränkt hat, den Regierungsentwurf im Einzelnen zu ändern und zu verkürzen oder durch Zusätze zu erweitern, und so die Folgerichtigkeit des Gedankenganges und die Gleichheit der Darstellungsform leiden mußten.</p> <p>Er überschreibt den neu entworfenen zweiten Titel: „Von den Grundrechten der Staatsgenossen“, weil der Inhalt theilweise auch Fremde betrifft, welche des Schutzes der Staatsgewalt nur vorübergehend genießen. Der Ausdruck Staatsbürger, Staatseinwohner oder Volk würde daher zu enge sein.</p> <p>Er theilt diesen Titel in zwei Haupttheile. Artikel 1-33 behandeln die Rechte, Artikel 34-42 die Pflichten der Staatsgenossen. Wir wollen die vorzüglichsten Aenderungsvorschläge wörtlich mittheilen, damit sie mit dem Kommissionsentwurf verglichen werden können.</p> <p>Art. 2. Alle Inländer sind gleich vor dem Gesetz. Der Stand begründet keine persönlichen Rechtsvorzüge.</p> <p>Hier ist der Passus des Kommissionsentwurfs: „Der Adel ist abgeschafft,“ ganz ausgelassen. Es wird bei der Berathung in der Plenarversammlung hierüber einen harten Kampf kosten. Die adligen Mitglieder und die Rechte wollen wohl alle auf Standesunterschied beruhende persönliche Begünstigungen ausschließen, aber nach grundsätzlicher Ausschließung derselben die <hi rendition="#g">gesellschaftliche Geltung des Adels</hi> noch abschaffen zu wollen, das hält Hr. v. Daniels, eines seiner staatlichen Rechte sich bewußten Volkes für unwürdig.</p> <p>Art. 3. Die Freiheit der Person ist ein allgemeines und unveräußerliches Menschenrecht.</p> <p>Art. 4. Die Auswanderungsfreiheit kann von Staatswegen nicht beschränkt werden.</p> <p>Art. 5. Es kann keine Strafe verhängt werden, welche nicht zu der Zeit des Straffalles gesetzlich angedroht war. Die Strafe der Vermögenseinziehung ist unstatthaft.</p> <p>Art. 6. Die Entziehung der Freiheit für Zwecke der Gerichtsbarkeit ist nur in den gesetzlichen Fällen und Formen zulässig.</p> <p>Die Artikel des Kommissionsentwurfs enthalten dagegen eine ganz bestimmte Feststellung der dem Staat zustehenden Befugnisse und werden sogar in nächster Sitzung, wahrscheinlich ohne Abänderung, als Habeas-Corpus-Akte, als ein besonderes Gesetz, angenommen werden. Die Rechte scheint sich dem mit aller Gewalt entgegen stellen zu wollen. Sie will der bisherigen Willkürherrschaft der Beamten und Richter noch länger Thür und Thor offen stehen lassen, das sieht man der verfänglichen Fassung obiger Artikel sehr wohl an. Ebenso ist es mit dem folgenden Artikel über Preßfreiheit. Die Kommission hat sich kurz und bündig ausgedrückt, nämlich: „Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden. Die Censur bleibt für immer aufgehoben.“ „Der Mißbrauch der Presse wird nach den allgemeinen Landesgesetzen bestraft.“</p> <p>Dafür hat Hr. v. Daniels Folgendes:</p> <p>Art. 7. Jeder Inländer hat das persönliche Recht, seine Gedanken öffentlich bekannt zu machen. Anordnungen zur Vorbeugung des Mißbrauchs sind unzulässig. Die Gesetzgebung bestimmt die Mittel zu der Abstellung und Bestrafung des Unrechtes, welches durch öffentliche Reden oder Zeichen und durch Vervielfältigung von Schriften oder bildliche Darstellungen begangen wird</p> <p>Jeder Unbefangene wird leicht einsehen, was man in diesen Artikel hineinlegen kann. Die Wörter „Presse“ und „Censur“ sind gar nicht darin enthalten. Außerdem läßt er den Artikel ganz weg, welcher Drucker, Verleger und Vertheiler einer Schrift, sobald der Verfasser bekannt ist, der Verfolgung entziehen. Die reaktionäre Partei möchte gern die Gesetzesstelle des veralteten Landrechts in diesen Fällen noch in Anwendung bringen, und läßt es deshalb in der Verfassung unerwähnt.</p> <p>Der Art. 8 will, daß „Zusammenkünfte an öffentlichen Orten und auf freiem Felde der Erlaubniß der Behörde bedürfen, welcher an dem Versammlungsorte die Handhabung der öffentlichen Ordnung zustehet.“ So will Hr. v. Daniels das freie Versammlungsrecht zustutzen.</p> <p> <ref type="link">(Schluß folgt morgen.)</ref> </p> <p>2 Uhr Nachmittags. So eben beginnt der große Festzug zur Feier des <hi rendition="#g">freien vereinigten Deutschlands.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar070_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin, 6. August.</head> <p>Ich bin kein Freund von Demonstrationen, Prunkzügen mit offizieller Begeisterung, hinter welcher sich die feige Heuchelei versteckt und mit schönen Worten und Redensarten groß thut. Eine große, lebenskräftige That wird aus solchen Paraden nie geboren werden. Ein anderer Berichterstatter mag Ihnen den Verlauf des heutigen Festes wohl erzählen; ich will nur einige Einzelnheiten mittheilen, über die ich aus persönlicher Anschauung und zum Theil Mitwirkung Ihnen am besten Auskunft geben zu können glaube. In dem die Vorbereitungen und Anordnungen des Zuges berathenden Comité hatte der Antrag des Vertreters des demokratischen Klubs, der Zug möge sich durch dieselben Straßen bewegen und an denselben Orten Halt machen, wo der König am 19. März vorübergezogen und so schön von dem „Aufgehen Preußens in Deutschland“ gesprochen, die Majorität errungen. In einer Sonnabends abgehaltenen Versammlung der Studentenschaft, von welcher bekanntlich die ganze Idee ausgegangen war, zeigte sich mit Recht die tiefste Entrüstung gegen diese Nachäfferei des Königs, und sei sie auch noch so ironisch gehalten. Hr. Benary, Präsident des Volksklubs, konnte trotz seiner beredten Vertheidigung des Schramm'schen Antrages die Ansicht der Studirenden in diesem Punkt nicht ändern; vielmehr beschloß man, von dem Zuge unter solchen Verhältnissen lieber ganz abzustehen, ein Beschluß, über den natürlich aus andern Gründen der konstitutionelle Klub, welcher die Versammlung beschickt hatte, nicht wenig froh war. Schon war der Beschluß der Studirenden gefaßt, als ein Redner noch den Antrag stellte, dem Comité noch einmal durch eine Deputation die Gesinnung der Studentenschaft und die Erklärung auszudrücken, daß dieselbe nur dann sich an dem Zuge betheiligen werde, wenn dieser den nächsten Weg nach dem Kreuzberge ohne jede Nachäfferei und Beziehung auf den König unternehmen würde. Der Antrag ging durch und hatte die Folge, daß auch das Comié von seinen ursprünglichen Forderungen abging und eine Verständigung erzielt wurde, welche die Theilnahme aller Vereine außer dem patriotischen und konstitutionellen Klub bewirkte. Daß der König durch Armeebefehl die Parade sämmtlicher Truppen untersagte, ist Ihnen bekannt. Aber der Hof hat seine Minen noch weiter gestellt; er hat auch Hrn. Rimpler, den neuen Bürgergeneral mit seinen Netzen zu umgarnen gewußt. Bereits 89 Bezirke der Bürgerwehr hatten sich gegen ungefähr 30 entschieden, die Parade am Sonntag abzuhalten. Was geschieht? Gestern Abend erscheint ein Tagesbefehl von Hrn. Rimpler, worin die Parade unter dem Vorgeben, daß die nöthigen Vorbereitungen nicht so rasch getroffen werden könnten, auf den Dienstag verschoben wird. Zugleich war der Tagesbefehl in solchem Styl gehalten, daß darin weit mehr Preußens als Deutschlands gedacht wurde, und die Parade demnach weit mehr eine preußenthümliche als eine deutsche werden muß. Doch noch nicht genug. Hr. Rimpler nicht zufrieden, die gutmüthige Bürgerschaft bethört zu haben, wollte auch die Betheiligung der fliegenden Korps an der Parade hintertreiben. Und so ging der Schlaue zu dem fliegenden Korps der Künstler und sagte ihnen, sie möchten die Parade mit der Bürgerwehr am Dienstag mitmachen, die Studenten würden sie auch erst an diesem Tage im Verein mit der Bürgerwehr veranstalten. Die Künstler gingen in die Falle. Darauf machte sich Hr. Rimpler an die Studenten und erzählte ihnen das Gleiche von den übrigen fliegenden Korps, sie möchten nur ihrem Beispiele folgen. Das bewaffnete Studentenkorps aber beschloß, es lediglich bei der Sonntagsparade bewenden zu lassen, und Herr Rimpler mußte mit langer Nase abziehen. Die Parade fand denn auch heute Morgen in der Schlächterwiese bei der Hasenhaide wirklich statt; es betheiligten sich dabei ein Piket des fliegenden Korps der Kaufleute, das Handwerkerkorps, sowie mehrere Bezirke der Bürgerwehr, im Ganzen gegen 6000 Mann. Daß die preußische Camarilla über das Studentenkorps sehr wüthend ist, versteht sich von selbst.</p> <p>Der heutige Zug nach dem Kreuzberge mochte wohl von 60-80,000 Menschen in vollkommenster Ordnung begangen sein; er bewegte sich vom Opernplatze über den Schloßplatz durch die breite Leipziger- und Friedrichstraße dem Belle-Alliance-Platze zu. Die Straßen, vor denen man vorüberzog, waren von dichten Zuschauerreihen besät; an den Fenstern hingen, doch nicht allzuviel, deutsche, viel deutsch-preußische, einige preußische Fahnen heraus. Die Studentenschaft eröffnete den Zug; später folgte der demokratische Klub mit der rothen Fahne.</p> </div> <div xml:id="ar070_006" type="jArticle"> <head>Schweidnitz.</head> <p>Die „Allgemeine Oderzeitung“ bringt eine Reihe Berichte aus Schweidnitz, woraus wir das Wesentlichste ausziehen.</p> </div> <div xml:id="ar070_007" type="jArticle"> <head>Schweidnitz, 3. August.</head> <p>Abends 9 Uhr. Starke Patrouillen von Jägern durchzogen die Straßen, aber um halb 9 Uhr war noch Alles ruhig. Man hörte zahlreiche Schüsse auf dem Bahnhofe abfeuern, die Besorgniß einflößen, da dies von den Breslauer Bürgerschützen zu Ehren der beerdigten Gefallenen geschah. Die Abfahrt dieser werthen Gäste sollte um 9 Uhr stattfinden. Es wurden auf dem Bahnhofe verschiedene Reden gehalten, und der Vorschlag gemacht, der auch großen Beifall fand, Schweidnitz nicht eher zu verlassen, bis man jene Füsiliere entfernt wisse. Mehrere Redner sprachen dagegen, und machten auf das Elend aufmerksam, das hieraus entstehen könnte. Der Kommandeur unserer Bürgerwehr sprach in demselben Sinne und man fügte sich. Da kommt die Botschaft aus der Stadt, die Bürger werden angegriffen, das Militär schieße auf sie aus den Fenstern der Kaserne und der Generalmarsch werde geschlagen. Alles will nun fort den Bürgern zu Hülfe, doch scheint eine Beruhigung von neuem gelungen zu sein, denn jedes Einschreiten von dieser Seite her ist unterblieben. ‒ In der Stadt selbst ist Alles in Verwirrung. Auf dem Ringe soll geschossen worden sein, bei oder aus den Kasernen wird wirklich und sehr lebhaft geschossen; einzelne Kugeln pfeifen die Büttnergasse entlang bis in die Nonnengasse. Husaren, die gestern angekommen und in dem nahen Kroischwitz einquartirt sind, rücken in die Stadt; die Thore sind geschlossen, die Brücken, wo es geht, aufgezogen; die Kasernen werden durch Militär abgesperrt, Niemand darf passiren. Der Ring wird durch Husaren und Jäger besetzt; der neue (interimistische) Kommandant, General-Major von Burski, ist selbst auf dem Platze.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352/0002]
seine Hengste spornte er blutig, er prügelte Hunde und Bedienten und Alles nur wegen des verfluchten Schnapphahnski.
Am aller Begreiflichsten ist es indeß, daß Graf G. zuletzt keinen andern Wunsch mehr auf Erden kannte, als unserm Ritter einmal auf den Zahn zu fühlen.
Leider wollte sich hierzu aber nie eine Gelegenheit finden. Schnapphahnski war der liebenswürdigste Mensch von der Welt, bethörend bei den Weibern und schlau bei den Männern. Er war allmählig zu der Ueberzeugung gekommen, daß das Leben kostspielig ist, sehr kostenspielig. Trotz aller äußern Bravour glaubte er in der Tiefe seiner Seele an den 10. Vers des neunzigsten Psalms, wo da geschrieben steht, daß unser Leben siebenzig Jahre währt und wenn's hoch kommt, achtzig und daß es köstlich gewesen ist, wenn es Mühe und Arbeit gewesen und daß es schnell dahin fährt, als flögen wir davon.
Dachte er aber gar an den Grafen G., so ging es ihm nicht anders wie mir: er hätte sich lieber mit dem Pferdefuß des Satans herumgeschlagen, als mit der Klinge jenes fürchterlichsten aller modernen Menschenfresser.
Aber was hilft es, wenn die Unsterblichen nun einmal beschlossen haben, daß einem das Schicksal ein Bein stellen soll?
Schnapphahnski hatte eines Abends die Unvorsichtigkeit begangen, seinem treuesten Freunde unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit mitzutheilen, daß die Schwester des Grafen G. ‒ ‒ meine Leser müssen entschuldigen, wenn ich ihnen eine der galantesten Lügen neuerer Zeit nicht zu wiederholen wage ‒ genug unser Ritter ließ sich durch seine Phantasie zu einer Mittheilung verleiten, die, eben weil sie unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit geschah, auch schon am nächsten Morgen von dem treuesten aller Freunde dem Grafen in ihrer ganzen Frische wieder überbracht wurde.
Graf G. fluchte wie ein Christ und wie ein Preuße. Er nahm seinen Säbel von der Wand und er nahm seine Pistolen ‒ O, armer Schnapphahnski! Doch was soll ich weiter erzählen? Es versteht sich von selbst, daß Graf G. in der Wohnung unseres Ritters eher den Vater Abraham hätte antreffen können als den Hrn. von Schnapphahnski.
Ja wahrhaftig, wie der edle Ritter einst dem ehrenwerthen schlesischen Menelaos die Landstraße geräumt und die liebenswürdigste Frau überlassen hatte, so ließ er diesmal dem kriegerischen Grafen G. die Ueberzeugung zurück, daß ein Mann wie Schnapphahnski eine viel zu feine Nase hat, um nicht das Pulver auf wenigstens tausend Schritt zu riechen ‒ mit einem Worte: Mensen Ernst hätte nicht schneller davon laufen können, als der berühmte Ritter Schnapphahnski.
Die böse Welt erzählt von einer großen, unerbittlichen Hetzjagd, die jetzt ihren Anfang nahm. Fabelhaft war die Wuth des Grafen G., aber noch unglaublicher war die Eile des Ritters Schnapphahnski. Wie die brennende Sonne den bleichen Mond verfolgt, so folgte der zornglühende Graf dem angstblassen Ritter. Da war kein Hotel, kein Salon zwischen Dresden, Berlin und Wien, da war kein Ort in dem ganzen östlichen Deutschland, der nicht untersucht wurde, in dem man sich nicht aufs Angelegentlichste nach Sr. Hochgeboren dem Ritter Schnapphahnski erkundigte. Doch die Distanz wurde immer kleiner; immer näher rückte der Graf auf des Ritters Pelz ‒ in Troppau in Oestreich stehen unsere Helden endlich mit den krummen Säbeln in den Fäusten einander gegenüber.
Der edle Ritter kann seinem Schicksal nicht mehr entrinnen. Graf G. versteht keinen Spaß. Der Kampf beginnt. Seit Sir John Falstaff auf der Ebene von Shrewsbury mit dem Schotten Douglas aneinander war, gab es kein so famoses Treffen mehr auf der Welt als das unserer Helden in Troppau.
„So fiel ich aus und so führt ich meine Klinge!“ hatte der edle Ritter manchmal renommirt, wenn er den Damen seine Abenteuer schilderte. Jetzt war die Stunde gekommen, wo er das in der That und in der Wahrheit durchmachen sollte, was er früher so oft im Geist und in der Lüge erlebte.
Schnapphahnski empfahl sich dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden, er setzte den einen Fuß vor, er erhob den Säbel und die Paukerei ging los. Graf G. schlug drein wir der leibhaftige Teufel. So ein Eisenfresser hat kein Mitleid ‒ armer Schnapphahnski! Der edle Ritter fühlt, daß er es mit dem Bruder einer schönen Schwester zu thun hat, aber er wehrt sich so gut er kann. Da fehlt er zum ersten Male und die Klinge seines Gegners fährt ihm über den Leib, so nachdrücklich, so impertinent unhöflich, daß Graf G. nicht anders meint, als daß der Ritter ins Gras beißen und das Zeitliche segnen müßte. Schnapphahnski denkt aber nicht daran; ein leises Frösteln rieselt ihm über den Nacken, er schüttelt sich und wiederum steht er da, in der alten Parade: „So fiel ich aus und so führt' ich meine Klinge!“
Graf G. macht da den zweiten Ausfall; abermals klirren die Säbel und zum zweiten Male besieht unser Schnapphahnski einen Schmiß, der dem besten Chorburschen Heulen und Zähnklappen verursacht haben würde, vor dem unser Ritter aber nur leise stutzt und momentan zurückweicht, um sich sofort wieder zu sammeln und seine frühere Stellung einzunehmen. Graf G. ist über das zähe Leben seines Feindes nicht wenig erstaunt; er kennt doch die Force seines Säbels, er weiß, was in frühern Jahren seinen Hieben zu folgen pflegte und schäumend vor Wuth, daß seine besten Schläge ohne Erfolg bleiben, stürzt er zum dritten Male in den Kampf und wiederum rasseln die Klingen, daß die Lüfte schwirren, daß allen beiden Kämpfern Hören und Sehen vergeht.
Da trifft der Säbel des Grafen zum letzten Male und Schnapphahnski taumelt todtenbleich zu Boden ‒ o armer Mann! Die Klinge hat den Kopf nicht berührt, sie machte eine Reise über Schulter und Brust ‒ die Kleider hängen in Fetzen herunter ‒ o unglückseliger Ritter! Fallen in der Blüthe der Jugend, ein Mann so schön und so glücklich ‒ es ist hart! Da kniet der Graf an seinem Opfer nieder ‒ Sekundanten sind nicht zugegen, die Tollkühnen haben sich ohne weiteres geschlagen. ‒ Graf G. reißt die Kleider seines Gegners auf; er erwartet nichts anders, als eine klaffende Wunde von ein bis zwei Zoll, es wundert ihn, daß nicht das Blut schon hervorspritzt. Da ist er mit dem Losknöpfen des Rockes fertig, zu seinem Entsetzen zieht er ‒ ein nasses seidnes
[Deutschland] 103 Berlin, 6. Aug. Der Kommissionsentwurf der Verfassungsurkunde wird gegenwärtig in den Abtheilungen sehr fleißig berathen. Sowohl die Linke als die Rechte suchen in denjenigen Abtheilungen, wo sie sich entschieden in der Mehrheit befinden, Abänderungsvorschläge in ihrem Sinne durchzubringen. Der Abgeordnete von Daniels, der sich als Mitchef der Rechten betrachtet und auch als Mitglied der Verfassungskommission an den Berathungen des Entwurfs Theil genommen, aber bei mehreren Abstimmungen in der Minderheit blieb, hat seine Verbesserungsversuche in der Form einer neuen Abfassung des zweiten Titels der Beurtheilung sämmtlicher Abtheilungen, mit allen seinen Gründen vorlegen lassen.
Er tadelt mit Recht, daß die Kommission sich darauf beschränkt hat, den Regierungsentwurf im Einzelnen zu ändern und zu verkürzen oder durch Zusätze zu erweitern, und so die Folgerichtigkeit des Gedankenganges und die Gleichheit der Darstellungsform leiden mußten.
Er überschreibt den neu entworfenen zweiten Titel: „Von den Grundrechten der Staatsgenossen“, weil der Inhalt theilweise auch Fremde betrifft, welche des Schutzes der Staatsgewalt nur vorübergehend genießen. Der Ausdruck Staatsbürger, Staatseinwohner oder Volk würde daher zu enge sein.
Er theilt diesen Titel in zwei Haupttheile. Artikel 1-33 behandeln die Rechte, Artikel 34-42 die Pflichten der Staatsgenossen. Wir wollen die vorzüglichsten Aenderungsvorschläge wörtlich mittheilen, damit sie mit dem Kommissionsentwurf verglichen werden können.
Art. 2. Alle Inländer sind gleich vor dem Gesetz. Der Stand begründet keine persönlichen Rechtsvorzüge.
Hier ist der Passus des Kommissionsentwurfs: „Der Adel ist abgeschafft,“ ganz ausgelassen. Es wird bei der Berathung in der Plenarversammlung hierüber einen harten Kampf kosten. Die adligen Mitglieder und die Rechte wollen wohl alle auf Standesunterschied beruhende persönliche Begünstigungen ausschließen, aber nach grundsätzlicher Ausschließung derselben die gesellschaftliche Geltung des Adels noch abschaffen zu wollen, das hält Hr. v. Daniels, eines seiner staatlichen Rechte sich bewußten Volkes für unwürdig.
Art. 3. Die Freiheit der Person ist ein allgemeines und unveräußerliches Menschenrecht.
Art. 4. Die Auswanderungsfreiheit kann von Staatswegen nicht beschränkt werden.
Art. 5. Es kann keine Strafe verhängt werden, welche nicht zu der Zeit des Straffalles gesetzlich angedroht war. Die Strafe der Vermögenseinziehung ist unstatthaft.
Art. 6. Die Entziehung der Freiheit für Zwecke der Gerichtsbarkeit ist nur in den gesetzlichen Fällen und Formen zulässig.
Die Artikel des Kommissionsentwurfs enthalten dagegen eine ganz bestimmte Feststellung der dem Staat zustehenden Befugnisse und werden sogar in nächster Sitzung, wahrscheinlich ohne Abänderung, als Habeas-Corpus-Akte, als ein besonderes Gesetz, angenommen werden. Die Rechte scheint sich dem mit aller Gewalt entgegen stellen zu wollen. Sie will der bisherigen Willkürherrschaft der Beamten und Richter noch länger Thür und Thor offen stehen lassen, das sieht man der verfänglichen Fassung obiger Artikel sehr wohl an. Ebenso ist es mit dem folgenden Artikel über Preßfreiheit. Die Kommission hat sich kurz und bündig ausgedrückt, nämlich: „Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden. Die Censur bleibt für immer aufgehoben.“ „Der Mißbrauch der Presse wird nach den allgemeinen Landesgesetzen bestraft.“
Dafür hat Hr. v. Daniels Folgendes:
Art. 7. Jeder Inländer hat das persönliche Recht, seine Gedanken öffentlich bekannt zu machen. Anordnungen zur Vorbeugung des Mißbrauchs sind unzulässig. Die Gesetzgebung bestimmt die Mittel zu der Abstellung und Bestrafung des Unrechtes, welches durch öffentliche Reden oder Zeichen und durch Vervielfältigung von Schriften oder bildliche Darstellungen begangen wird
Jeder Unbefangene wird leicht einsehen, was man in diesen Artikel hineinlegen kann. Die Wörter „Presse“ und „Censur“ sind gar nicht darin enthalten. Außerdem läßt er den Artikel ganz weg, welcher Drucker, Verleger und Vertheiler einer Schrift, sobald der Verfasser bekannt ist, der Verfolgung entziehen. Die reaktionäre Partei möchte gern die Gesetzesstelle des veralteten Landrechts in diesen Fällen noch in Anwendung bringen, und läßt es deshalb in der Verfassung unerwähnt.
Der Art. 8 will, daß „Zusammenkünfte an öffentlichen Orten und auf freiem Felde der Erlaubniß der Behörde bedürfen, welcher an dem Versammlungsorte die Handhabung der öffentlichen Ordnung zustehet.“ So will Hr. v. Daniels das freie Versammlungsrecht zustutzen.
(Schluß folgt morgen.)
2 Uhr Nachmittags. So eben beginnt der große Festzug zur Feier des freien vereinigten Deutschlands.
15 Berlin, 6. August. Ich bin kein Freund von Demonstrationen, Prunkzügen mit offizieller Begeisterung, hinter welcher sich die feige Heuchelei versteckt und mit schönen Worten und Redensarten groß thut. Eine große, lebenskräftige That wird aus solchen Paraden nie geboren werden. Ein anderer Berichterstatter mag Ihnen den Verlauf des heutigen Festes wohl erzählen; ich will nur einige Einzelnheiten mittheilen, über die ich aus persönlicher Anschauung und zum Theil Mitwirkung Ihnen am besten Auskunft geben zu können glaube. In dem die Vorbereitungen und Anordnungen des Zuges berathenden Comité hatte der Antrag des Vertreters des demokratischen Klubs, der Zug möge sich durch dieselben Straßen bewegen und an denselben Orten Halt machen, wo der König am 19. März vorübergezogen und so schön von dem „Aufgehen Preußens in Deutschland“ gesprochen, die Majorität errungen. In einer Sonnabends abgehaltenen Versammlung der Studentenschaft, von welcher bekanntlich die ganze Idee ausgegangen war, zeigte sich mit Recht die tiefste Entrüstung gegen diese Nachäfferei des Königs, und sei sie auch noch so ironisch gehalten. Hr. Benary, Präsident des Volksklubs, konnte trotz seiner beredten Vertheidigung des Schramm'schen Antrages die Ansicht der Studirenden in diesem Punkt nicht ändern; vielmehr beschloß man, von dem Zuge unter solchen Verhältnissen lieber ganz abzustehen, ein Beschluß, über den natürlich aus andern Gründen der konstitutionelle Klub, welcher die Versammlung beschickt hatte, nicht wenig froh war. Schon war der Beschluß der Studirenden gefaßt, als ein Redner noch den Antrag stellte, dem Comité noch einmal durch eine Deputation die Gesinnung der Studentenschaft und die Erklärung auszudrücken, daß dieselbe nur dann sich an dem Zuge betheiligen werde, wenn dieser den nächsten Weg nach dem Kreuzberge ohne jede Nachäfferei und Beziehung auf den König unternehmen würde. Der Antrag ging durch und hatte die Folge, daß auch das Comié von seinen ursprünglichen Forderungen abging und eine Verständigung erzielt wurde, welche die Theilnahme aller Vereine außer dem patriotischen und konstitutionellen Klub bewirkte. Daß der König durch Armeebefehl die Parade sämmtlicher Truppen untersagte, ist Ihnen bekannt. Aber der Hof hat seine Minen noch weiter gestellt; er hat auch Hrn. Rimpler, den neuen Bürgergeneral mit seinen Netzen zu umgarnen gewußt. Bereits 89 Bezirke der Bürgerwehr hatten sich gegen ungefähr 30 entschieden, die Parade am Sonntag abzuhalten. Was geschieht? Gestern Abend erscheint ein Tagesbefehl von Hrn. Rimpler, worin die Parade unter dem Vorgeben, daß die nöthigen Vorbereitungen nicht so rasch getroffen werden könnten, auf den Dienstag verschoben wird. Zugleich war der Tagesbefehl in solchem Styl gehalten, daß darin weit mehr Preußens als Deutschlands gedacht wurde, und die Parade demnach weit mehr eine preußenthümliche als eine deutsche werden muß. Doch noch nicht genug. Hr. Rimpler nicht zufrieden, die gutmüthige Bürgerschaft bethört zu haben, wollte auch die Betheiligung der fliegenden Korps an der Parade hintertreiben. Und so ging der Schlaue zu dem fliegenden Korps der Künstler und sagte ihnen, sie möchten die Parade mit der Bürgerwehr am Dienstag mitmachen, die Studenten würden sie auch erst an diesem Tage im Verein mit der Bürgerwehr veranstalten. Die Künstler gingen in die Falle. Darauf machte sich Hr. Rimpler an die Studenten und erzählte ihnen das Gleiche von den übrigen fliegenden Korps, sie möchten nur ihrem Beispiele folgen. Das bewaffnete Studentenkorps aber beschloß, es lediglich bei der Sonntagsparade bewenden zu lassen, und Herr Rimpler mußte mit langer Nase abziehen. Die Parade fand denn auch heute Morgen in der Schlächterwiese bei der Hasenhaide wirklich statt; es betheiligten sich dabei ein Piket des fliegenden Korps der Kaufleute, das Handwerkerkorps, sowie mehrere Bezirke der Bürgerwehr, im Ganzen gegen 6000 Mann. Daß die preußische Camarilla über das Studentenkorps sehr wüthend ist, versteht sich von selbst.
Der heutige Zug nach dem Kreuzberge mochte wohl von 60-80,000 Menschen in vollkommenster Ordnung begangen sein; er bewegte sich vom Opernplatze über den Schloßplatz durch die breite Leipziger- und Friedrichstraße dem Belle-Alliance-Platze zu. Die Straßen, vor denen man vorüberzog, waren von dichten Zuschauerreihen besät; an den Fenstern hingen, doch nicht allzuviel, deutsche, viel deutsch-preußische, einige preußische Fahnen heraus. Die Studentenschaft eröffnete den Zug; später folgte der demokratische Klub mit der rothen Fahne.
Schweidnitz. Die „Allgemeine Oderzeitung“ bringt eine Reihe Berichte aus Schweidnitz, woraus wir das Wesentlichste ausziehen.
Schweidnitz, 3. August. Abends 9 Uhr. Starke Patrouillen von Jägern durchzogen die Straßen, aber um halb 9 Uhr war noch Alles ruhig. Man hörte zahlreiche Schüsse auf dem Bahnhofe abfeuern, die Besorgniß einflößen, da dies von den Breslauer Bürgerschützen zu Ehren der beerdigten Gefallenen geschah. Die Abfahrt dieser werthen Gäste sollte um 9 Uhr stattfinden. Es wurden auf dem Bahnhofe verschiedene Reden gehalten, und der Vorschlag gemacht, der auch großen Beifall fand, Schweidnitz nicht eher zu verlassen, bis man jene Füsiliere entfernt wisse. Mehrere Redner sprachen dagegen, und machten auf das Elend aufmerksam, das hieraus entstehen könnte. Der Kommandeur unserer Bürgerwehr sprach in demselben Sinne und man fügte sich. Da kommt die Botschaft aus der Stadt, die Bürger werden angegriffen, das Militär schieße auf sie aus den Fenstern der Kaserne und der Generalmarsch werde geschlagen. Alles will nun fort den Bürgern zu Hülfe, doch scheint eine Beruhigung von neuem gelungen zu sein, denn jedes Einschreiten von dieser Seite her ist unterblieben. ‒ In der Stadt selbst ist Alles in Verwirrung. Auf dem Ringe soll geschossen worden sein, bei oder aus den Kasernen wird wirklich und sehr lebhaft geschossen; einzelne Kugeln pfeifen die Büttnergasse entlang bis in die Nonnengasse. Husaren, die gestern angekommen und in dem nahen Kroischwitz einquartirt sind, rücken in die Stadt; die Thore sind geschlossen, die Brücken, wo es geht, aufgezogen; die Kasernen werden durch Militär abgesperrt, Niemand darf passiren. Der Ring wird durch Husaren und Jäger besetzt; der neue (interimistische) Kommandant, General-Major von Burski, ist selbst auf dem Platze.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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