Neue Rheinische Zeitung. Nr. 68. Köln, 7. August 1848.rechtlichen Fällen? - Die namentliche Abstimmung ergibt zur Ehre Deutschlands ein "Ja" von 288 Stimmen gegen das "Nein" von 146 Stimmen, (langes Bravo der Gallerien). Folgt die Frage: Sind die Strafen des Prangers, der Brandmarkung, der körperlichen Züchtigung abgeschafft? - Mit großer Mehrheit "Ja." (Bravo! langer Beifall.) Endlich Nauwerks Amendement: Ist die Schuldhaft abgeschafft? Wird unter großem Gelächter verworfen. (Kaum 10 Mann von der Linken, von der doch dieser praktische Antrag ausgegangen, erheben sich dafür. (O weh!) Den Wortlaut des ganzen §. 7. gaben wir gestern schon. Schluß der Sitzung 31/2 Uhr. Sonnabend und Sonntag keine Sitzung. Auf der Tagesordnung für Montag kommt unter Anderm die "Hecker'sche Wahlangelegenheit;" Bericht des Gesetzgebungsausschusses, betreffend die Amnestirung politischer Verbrecher; Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, Betreffs Dänemark etc. X Düren, 4. August. Das Amendement Stupp, welches die 21. Nummer Ihrer Zeitung brachte und mit einigen Zuthaten kürzlich durch den Dürener Anzeiger zur weiteren Verbreitung in hiesigem Kreise gelangte, hat große Sensation erregt und dem Abg. Stupp wesentlich in der öffentlichen Meinung geschadet. Seine Freunde glaubten ihn daher gegen die "Ergüsse" oder nach Stupp "Tiraden" Ihres Blatts, "das sich die Aufgabe gestellt, durch perfide Schlüsse, Schimpfen und Verdächtigen die Republik herbeizuführen" in Schutz nehmen zu müssen, riefen aber dadurch von anderer Seite wieder neue Beschuldigungen in Bezug auf seine parlamentarische Haltung hervor, so daß er jetzt fast alle Sympathien hierselbst verloren hat. Diese Vorgänge sind wahrscheinlich die Veranlassung gewesen, daß Hr. Stupp plötzlich am 29. v. M. durch die hiesige Presse seine bevorstehende Ueberkunft ankündigen ließ und wirklich am 31. Morgen vorgeblich "zur Besprechung über die Verfassungsangelegenheit" im Wahllokal erschien. Gleichzeitig hatte er auch für die Städtischen eine Art Rechenschaftsbericht über seine bisherige Wirksamkeit ausgeben lassen, wodurch er sich zweifelsohne die ihm abgeneigten Gemüther wieder zu gewinnen dachte. Nichts desto weniger war sein Empfang sehr frostig und niederschlagend. Denn außer einigen Pastören und ein paar Freunden hatte sich zur Begrüßung nur der Vorstand des hiesigen konst. Landwehrvereins in der Person des Bürgermeisters Leers eingefunden, so daß die Zahl der Anwesenden höchstens ein volles Dutzend betrug. Man wartete eine geraumige Zeit auf Zuzug aus der Stadt oder von Außen; aber Niemand wollte mehr erscheinen. Endlich nach 11 Uhr sammelte Hr. Stupp das Häuflein seiner Getreuen an seinem Tische um sich und ging dann zur Besprechung einzelner Verfassungsparagraphen über, wobei besonders die Frage über die Trennung der Kirche vom Staat und das Kirchenvermögen, über die Trennung der Schule von der Kirche und die Lehrerbesoldung Gegenstand der Unterhaltung war und unter Andern Hr. Stupp auch bemerkte, daß er zwar bedaure, nicht zur Verfassungskommission zu gehören, da er bei der Wahl eine Stimme zu wenig gehabt (von 23 nur 22), aber doch in den Vorkonferenzen sein Scherflein wohl mit dazu beigetragen habe. Während dessen trat nun noch zum Erstaunen Aller der Bürgermeister Dr. Günther von Düren mit seinen beiden Beigeordneten in den Saal, um dem Hrn. Stupp den Dank der Stadt für seine Vertretung zu bringen, was natürlich um so lächerlicher war, als nur ein paar Bürger zugegen und namentlich der sehr zahlreiche städtische Klub, über die Repräsentation Stupp's äußerst ungehalten, absichtlich fern geblieben war. Gegen Mittag schon ging die Versammlung auseinander und am Abend verließ Hr. Stupp höchst unbefriedigt die Stadt. 103 Berlin, 4. Aug. [Sitzung der Vereinbarer-Versammlung]. Die Konstablergeschichte hat die Abgeordneten Rodbertus, Schulze (v. Delitzsch) und v. Berg veranlaßt folgenden dringlichen Antrag zu stellen: "Das Staatsministerium um sofortige nachträgliche Vorlegung eines Gesetzes über die Schutzmannschaften zu ersuchen." - Dr. Elsner stellte eine schleunige Interpellation an das Ministerium des Innern, dahin lautend: "ob dasselbe nicht geneigt ist, die militärische Stadt und Umgegend im höchsten Grade belästigende Besatzung aus Hirschberg zurückzuziehen." Sowohl Stadt als Umgegend befinden sich seit Monaten in der höchsten Ruhe und Ordnung. Die ohnedies schon sehr bedrängte Bevölkerung des Riesengebirges wird durch das Militär aufs Neue mit Ausgaben überbürdet und beunruhigt. - Der Abgeordnete der Stadt Schweidnitz, Teichmann wollte wegen der dortigen Vorfälle interpelliren, alles dieses ist nun bis zur nächsten Sitzung verschoben. Nach Eröffnung der heutigen Sitzung nimmt der Minister Präsident v. Auerswald das Wort: "Es haben sehr beklagenswerthe Vorfälle in Schweidnitz stattgefunden, die die öffentliche Theilnahme mit Recht in Anspruch nehmen. Nach eingegangenen amtlichen Nachrichten haben leider sechs Personen ihr Leben dabei eingebüßt und mehrere andere sind verwundet. Diese Umstände werden von einer Deputation, die ich vor der Sitzung empfing, bestätigt. Von Seiten der Regierung wird alles mögliche geschehen um den Thatbestand festzustellen. Ich enthalte mich jeder weitern Folgerung und füge hinzu, daß die Gesetze ihren vollen Lauf haben werden." Der Präsident Grabow zeigt an, daß mehrere dringende Anträge und Interpellationen eingegangen sind, daß man seiner Ansicht nach aber zuvor das Gesetz über Abschaffung der Todesstrafe, nach Beschluß in letzter Sitzung zu Ende berathe. - Justizminister Märker: Die Frage wegen Abschaffung der Todesstrafe ist im Ministerium zur Sprache gekommen, es konnte aber keine Einigung hierüber stattfinden zwischen seinen Mitgliedern und man beschloß die Frage als eine offene zu betrachten und der Versammlung ganz freien Willen zu lassen. Ich werde Ihnen also nur meine eigene Meinung in dieser Sache mittheilen. Ich halte die sofortige Abschaffung der Todesstrafe für ein dringendes Bedürfniß. Früher hielt man es für nothwendig, daß die Todesstrafe durchaus angewendet werden mußte, Blut mußte wieder mit Blut gesühnt werden. Das war zur Zeit einer niederen Stufe der allgemeinen menschlichen Bildung. Ob nun das Volk schon auf höherer Stufe stehet, werden die Abgeordneten durch ihre Abstimmung zu erkennen geben, da sie das Volk vertreten. - Die biblischn Gründe kann ich ebenfalls nicht gelten lassen, denn da es dort heißt; wer Blut vergießt dessen Blut soll wieder vergossen werden, so ist dieser Grundsatz, in jetziger Zeit wohl ebensowenig anzuwenden als der, welcher sagt: Auge um Auge; wie die Strafe bei diesen Verbrechen eine andere geworden ist, so können wir auch die Todesstrafe umwandeln. - Auch die Abschreckungstheorie wird gegen die Abschaffung vorgebracht. Jeder soll aber nur bestraft werden, für das was er gethan hat, nicht um Andere damit abzuschrecken. - Ich kann ferner nicht zugeben, daß im Volke durch Abschaffung der Todesstrafe das Ansehen der Gesetze leide. Meiner Ansicht nach, wird durch Abschaffung der Todesstrafe eben die Sicherheit der Person gesichert. Denn wie durch Abschaffung der Prügelstrafe, dieselbe gewiß im Volke weniger angewandt wird als früher, wo Jeder das Beispiel des Staats befolgte, so wird die Abschaffung der Todesstrafe dasselbe Resultat haben und der Mörder wird eine heilige Scheu vor dem Blutvergießen bekommen. - Ich weiß aus Erfahrung, welchen großen Widerwillen und große Gewissenunruhen der Richter beim Erkennen der Todesstrafe empfindet. Dagegen spricht er mit gutem Gewissen, gestützt auf das Gesetz, jede andere Strafe aus. - Auch findet man jetzt immer weniger Leute, die das Amt der Exekution übernehmen. - Geschworne, werden eher freisprechen als zum Tode verurthelen, um ihr Gewissen nicht zu beschweren und der große Verbrecher wird demnach freigesprochen. - Ein einziger Grund, der Justizmord, wäre schon hinreichend die Todesstrafe abzuschaffen. Wie ist das Gewissen des Richters oder des Geschwornen nicht belästigt, wenn es sich später herausstellt, daß ein falsches Urtheil gesprochen und unschuldiges Blut vergossen wurde. - Es fragt sich auch ob der jetzige Zeitpunkt geeignet ist, der Abschaffung der Todesstrafe sofort die Gesetzeskraft zu geben, wei eine gänzliche Umarbeitung des Strafgesetzes in Arbeit ist. Man hat ferner gesagt, daß dadurch eine Ungleichheit in der Strafbestimmung eintrete. Das ist aber nur illusorisch, denn wenn das neue mildere Strafgesetz in Kraft tritt, so wird dasselbe auch darin eine rückwirkende Kraft ausüben, daß die schon erkannten Strafbestimmungen, wieder nach dem neuen Gesetze gemildert werden können. - Schließlich erkläre ich mich noch, nach der Bestimmung des Kommissionsantrag, für Beibehaltung der Todesstrafe im Kriegs- und Belagerungszustande. Es sprachen noch viele Redner für und gegen die Abschaffung der Todesstrafe unter denen nur die Rede des Abgeordneten D'Ester für gänzliche Abschaffung hervorzuheben ist. Er sagte unter andern: Es sind die verschiedenartigsten Gründe herbeigebracht worden für die Beibehaltung der Todesstrafe. Sie sind hergeholt worden aus dem Rechtspunkte, aus der Bibel, aus Himmel und Hölle, und ich weiß nicht, wo sonst noch her. Lassen Sie mich aber meine Gründe für Abschaffung der Todesstrafe vom Standpunkte des reinen Menschenrechts entwickeln. Wollen Sie nicht den Menschen von Geburt an als Sünder betrachten, so muß man die Motive beurtheilen, die den Verbrecher dazu leitet. Durch mancherlei Verhältnisse kann der Mensch zu einer That gezwungen werden, die, wenn man die Motive genau erwägt, wohl zu billigen ist. Man verurtheilt Leute, welche die edelsten Motive zu irgend einem Mord gebracht und wir sehen Männer auf offenem Markte Menschen niederschießen lassen. Ein solcher Mann kann das Opfer eines Systems sein. Er kann persönlich gegen das mörderische Verfahren sein, das er anordnet, aber das System befiehlt es ihm. Es hat Zeiten gegeben, wo es der Staat für nothwendig gefunden hat, Tausende zu tödten. Schaffen wir daher die Todesstrafe ohne alle Ausnahme ab. Auch für den Hochverrath ist sie keinesfalls nothwendig. Nachdem die allgemeine Debatte geschlossen und das Amendement Schlink, eine motivirte Tagesordnung verworfen war, wurde zur Debatte über den § 1. geschritten. Unter Andern sprach der Abgeordnete Moritz gegen die Bestimmung, den Hochverrath auch ferner mit dem Tode zu bestrafen. Er sagt: "Hochverrath ist nur eine versuchte That, denn wenn er zur Ausführung gekommen und gelungen ist, so ist er kein Hochverrath mehr!" Jetzt beginnt eine unfruchtbare Stunden lange Debatte über die Fragestellung und über die Priorität des Jonas'schen Amendements oder des Gesetzentwurfs. Namentliche Abstimmung wurde verlangt und angenommen. Auch beschloß man zuerst über das Jonas'sche Amendement abzustimmen, aber einige eigenwillige Abgeordnete, denen sich auch der Justizminister ganz unbefugterweise anschloß, da er kein Abgeordneter ist und deshalb in solchen Angelegenheiten nicht das Wort nehmen darf, protestirten dagegen. Dadurch entstand eine fürchterliche Aufregung und der Streit ward immer größer. Die Ministeriellen wollen den Beschluß dem Justizminister zu Gefallen umstoßen, und durch ihre Majorität beantragen sie eine neue Ordnung der Fragen. Aber die Redner der Linken überzeugen endlich die Versammlung, daß man durchaus über das Jonas'sche Amendement zuerst abstimmen muß. Dies Amendement lautet: "Die Todesstrafe ist ohne alle Ausnahme abgeschafft," und wird mit 193 gegen 164 Stimmen verworfen. Endlich gelangt man zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Kommission. Der § 1 wird in zwei Theile getheilt. Der erste enthält die Worte: "die Todesstrafe ist abgeschafft," der zweite die Ausnahme. Der erste wird nach namentlicher Abstimmung mit 294 gegen 37 Stimmen angenommen. Da die Zeit schon weit vorgeschritten, so beschließt man die fernere Abstimmung bis zu nächster Sitzung, die ausnahmsweise wegen der vielen dringenden Anträge und wegen Berathung der Habeas-Corpus-Akte auf Dienstag Morgen 8 Uhr festgesetzt wird, auszusetzen. Mit Erwartung blickt Alles dem nächsten Sonntag entgegen. Die Bürgerwehr ist durch ihren permanenten Ausschuß zur Abstimmung darüber aufgefordert, ob sie sich Sonntag früh zu einer Parade versammeln und bei dieser Gelegenheit dem Reichsverweser "als freiwilliges Zeichen der freudigen Anerkennung und Huldigung, unbeschadet des Eides der Treue für König und Verfassung in Preußen, den diese Huldigung nicht stört, ein dreifaches Hoch bringen wolle." Von 102 Bezirkskompagnien haben sich 94 bis jetzt dafür erklärt. Die Armee wird dagegen von allen Huldigungsäußerungen absehen, da der Kriegsminister beschlossen hat, den Armeebefehl des Königs als genügenden Ausdruck der dem Reichsverweser schuldigen Ehrerbietung und Anerkennung zu betrachten. Hr. Griesheim, der Socius des Kriegsministers, soll in Folge seiner berüchtigten Schrift über die Centralgewalt, vom Staatsministerium aller seiner Funktionen, welche irgend eine politische Thätigkeit voraussetzen, enthoben werden. Seine Stelle im Kriegsministerium soll anderweit besetzt werden, welches dringend nothwendig ist, da der Kriegsminister durchaus nicht mehr in den Sitzungen der Vereinbarerversammlung erscheint, und ihn demnach ein Anderer vertreten muß. Heute war Hr. Griesheim in der Vereinbarersitzung noch anwesend. Das zweite Garderegiment, welches in Charlottenburg sich mehrfacher Insulten und Anfälle auf hiesige Studenten und Bürger hat zu Schulden kommen lassen, ist nach Nauen versetzt worden. Der Kriegsminister beabsichtigte Anfangs, diese Vorfälle ganz unberücksichtigt zu lassen; den Studenten, welche sich bei ihm beschwerten, sagte er: "es sei dunkel gewesen und es würde nicht möglich sein, die Schuldigen herauszufinden; sie möchten künftig Demonstrationen unterlassen, welche die Aufmerksamkeit des ohnehin gereizten Militärs auf sie lenken müßten." Nur den dringlichen Forderungen des Ministers des Innern, Kühlwetter soll es zuzuschreiben sein, daß dennoch eine Untersuchung gegen die Soldaten eingeleitet ist. Insbesondere soll ein Lieutenant schwer gravirt sein. Als bei demselben einige gemißhandelte Studenten beschwerdeführend Schutz gegen die Brutalität der Soldaten suchten, außerte er: "Ihr kommt vom Spandauer Berge, da kommt ja die deutsche Einheit her; der kann es nicht schaden, wenn sie in den Dreck geschleift wird." Die Soldaten haben nämlich die den Studenten entrissene deutsche Fahne in den Koth getreten. Im Ministerium des Innern ist jetzt ein Berichtigungsbureau eingerichtet, an dessen Spitze Hr. v. Hasenkamp aus Aachen gestellt ist. Das Gerücht bezeichnet diesen Herrn als den künftigen Schwiegersohn des Hrn. Hansemann, wobei jedoch zu bemerken ist, daß das hiesige Publikum mit der Vertheilung der Töchter des Finanzministers sehr freigebig ist, denn nicht nur Hr. v. Hasenkamp, auch der Polizeipräsident v. Bardeleben und der Minister Kühlwetter werden zu dessen Schwiegersöhnen designirt. Der Oberlandesgerichts-Auskultator Dortu aus Potsdam stand heute vor dem Kammergericht der Majestätsbeleidigung angeklagt wegen einer Rede, die er am 18. Mai im politischen Klub in Potsdam gehalten hat: Der in der Rede vorkommende Ausdruck "Rabenvater" wurde als sich nicht auf den König beziehend angenommen, dagegen der Ausdruck "Kartätschenprinz" auf den Prinzen von Preußen bezogen, und wurde der Angeklagte deshalb zu achtzehn Monat Festungsarrest und Verlust des künftigen Anspruchs an eine Stelle im Staatsdienst verurtheilt!!! Errungenschaft der Märzrevolution! Die Denunciation gegen den Verurtheilten wurde erst nach 8 Wochen, nachdem er die Rede gehalten, eingereicht, früher hielt man es nicht angemessen, damit hervorzutreten. Der frühere Staats-Anwalt, Hr. v. Kirchmann, hätte sie jedenfalls zurückgewiesen. Aber unsere Kammergerichtsräthe das sind die Reaktion selbst in höchsteigener Person und wenn die Vereinbarer sich nicht beeilen, die alten Landrechtsparagraphen aufzuheben, so werden danach noch halb Berlin in die Festungen geschickt werden. 119 Berlin, 4. Aug. Herr von Griesheim, Obristlieutenant, Direktor im Kriegsministerium wird endlich, wie bestimmt versichert wird, aus dem Kriegsministerium ausscheiden, und die Nationalversammlung wird auf diese Weise die Erholung verlieren, den edlen Kavalier zur Erquickung aller Patrioten von "Anno Toback" auf dem altpreußischen Korporalstock der Kommisbegeisterung ferner herumgalloppiren zu sehen. Das Ministerium soll überhaupt beabsichtigen den Staatsstall von dem festgetretenen Mist des reaktionären Beamtenthums durchgreifend zu reinigen - eine schöne, eine dankenswerthe Arbeit - aber auch eine Herkules-Arbeit, und die Herkulesse sind heuer sparsam gerathen. Gleichzeitig erfährt man, daß auch in Löbau in Westpreußen ähnliche Gräuel vorgekommen sein sollen wie in Schweidnitz. In der gestrigen Sitzung des hiesigen "Bürgerwehrausschusses" erregte der Bericht über die Schweidnitz'schen Ereignisse allgemeine Erbitterung. Man beschloß sogleich im Namen der Berliner Bürgerwehr eine Adresse an die Schweidnitzer Kameraden abzusenden, in welcher mit der Versicherung der lebendigsten Theilnahme die tiefste Entrüstung über das Vorgefallene ausgedrückt wird. Zugleich wurde eine Sammlung für die Verwundeten und Hinterbliebenen der Gefallenen beschlossen. 40 Berlin, 4. August. Von dem Abgeordneten Krackrügge ist bei der National-Versammlung ein Antrag, die bekannte Westphälische Staatsschuld betreffend, eingebracht, welcher für die Inhaber der Obligationen eine Anerkennung derselben, oder doch jedenfalls die Zulassung zum Rechtswege verlangt. Von der vormaligen Regierung wurden desfallsige Ansprüche, welche höchst gerecht erschienen, immer durch eine bloße Ministerial-Verfügung von der Hand gewiesen. In diesem Augenblick (1 Uhr Mittags) sind vor der Aula viele hundert Studenten versammelt, welche Berathung pflegen über die gestern und vorgestern vom 2. Garderegiment in Charlottenburg erlittenen Mißhandlungen. Berlin, 4. August. Der Staats-Anzeiger enthält allerlei offizielle und halboffizielle Mittheilungen: 1) ein langes Cholera-Reglement aus der 2. Abtheilung des Ministeriums des Innern, gezeichnet Puttkammer und das hauptsächlich Data über Entstehung dieses Reglements selbst enthält; 2) die Anzeige des Hrn. Hansemann an die Regierung, daß die freiwillige Anleihe nicht am 10. August geschlossen wird; 3) einige Ministerialverfügungen über Kirchensachen und Laudemien, ohne alle Bedeutung. 4) Aufhebung des Verbots des Wanderns der Handwerker nach der Schweiz für den Reg.-Bez. Potsdam. - Die Verwickelungen mit den Buchdruckergehülfen dauern noch immer fort. Die gestrige Zeitungshalle ist ganz ausgeblieben, eben so die neue preußische Zeitung; die "Reform" ist nur in einem halben Bogen erschienen. (Auch heute Abend ist keine Zeitungshalle erschienen. (Voss. Z.)- Der Oberst Willisen, ist nach erfolgter Ernennung zum Generalmajor mit einer außerordentlichen Sendung nach Paris betraut worden. Man glaubt, daß diese Sendung den Zweck habe, die französische Republik der friedlichen und freundschaftlichen Gesinnungen Preußens zu versichern. (Voss. Z.) * Erfurt, 2. August. Heute Mittag marschirten etwa 6 Kompagnien des 31. Regiments mit 3 Geschützen und ein Theil der Kurassiere nach Gera. Die Unruhrn daselbst müssen also sehr ernster Art sein. Schweidnitz, 1. Aug. Nachmittag 1 Uhr. Der Bürgermeister hat auf stürmisches Anfordern der Bürger, und auf die Vorstellungen der Stadtverordneten sein Amt niedergelegt und auf Verlangen diese Erklärung schriftlich von sich gegeben, jedoch mit dem Bemerken, daß er, da er eigenes Vermögen nicht besitze, auf die gesetzliche Pension Anspruch zu machen sich genöthigt sehe. Die Stadtverordneten und der Magistrat haben aus ihrer Mitte zwei Kommissionen ernannt, und die eine, bestehend aus den Herren Kaufmann Arnold, Schlossermeister Führich und Rathsherrn Feuerstack, nach Breslau entsendet, um die hiesigen Vorgänge dem Oberpräsidenten und dem kommandirenden General mitzutheilen, und da der Kommandant sich weigere, das Militär zurückzuziehen, Letzteren zu ersuchen, die Abberufung des Militärs, wie des Kommandanten, verfügen zu wollen; die andere aber, gebildet von den Herren Syndikus Pfitzner, Lederfabrikant Münch und Seifensieder Koch, zu dem bereits erwähnten Zwecke nach Berlin bestimmt, wohin sie heute Abend abreisen wird. - Die Stadt ist in Belagerungszustand, die Kanonen auf den Wällen sind nach der Stadt gekehrt, und jedes Geschütz mit Munition für 10 Schuß versehen. - Die Bürgerwehr ist nicht aufgelöst; - es war nur Gerücht. 2 Uhr Nachmittag. Die Aufregung dauert fort. Die Bürger hatten schon am Morgen die bei ihnen einquartierten Infanteristen ausgewiesen; jetzt rotten sich die Arbeiter auf dem Ringe zusammen. Einige Artillerie-Offiziere suchen eine Verständigung herbeizuführen, doch umsonst; man besteht auf Entfernung des betreffenden Füsilier-Bataillons, das jetzt ganz herangezogen und auf dem Ringe aufgestellt wird. 3 Uhr. Das Militär wird abziehen, heißt es: da fallen im Rathhause zwei Schüsse, wie man sagt, ein Signal des hier gefangen gehaltenen Füsilier-Majors v. Gersdorf, der gestern Abend den Befehl zum Schießen gegeben haben soll. Das Militär rückt gegen das Rathhaus und dringt ein, wird aber von den Bürgern wieder zurückgedrängt, ohne daß ein Schuß fällt, oder Jemand irgendwie verletzt wird. Das Militär zieht sich jetzt in der That zurück, nach einem Beschlusse der dasselbe kommandirenden Offiziere, so sagt man; die Kanonen werden abgefahren, das Bataillon rückt in die Kasernen, doch nicht ohne daß vorher noch einer Frau durch einen Musketenschuß, den ein Soldat, sei es aus Unvorsichtigkeit oder aus Bosheit, abfeuerte, ein Arm zerschmettert worden ist. Die Mannschaften auf der Hauptwache werden von den Bürgern mit Steinwürfen vertrieben, und sämmtliche Wachposten von der Bürgerwehr besetzt. Jetzt verbreitet sich die Kunde, der Kommandant, den man nur einen Mörder nennt, habe seinen Posten niedergelegt; die Kunde wird zur Gewißheit und erregt allgemeine Freude. Eine offene Erklärung des Offizierkorps, und die Vorstellungen des eben hier anwesenden Generals Fromm sollen den Kommandanten zu jenem Entschlusse bewogen haben. Doch sind die Räume des Kommandanturgebäudes noch voll bewaffneter Soldaten. Bis jetzt, Abends 6 Uhr, ist die Ruhe nicht weiter gestört worden. Die Bürgerwehr hat fast alle Wachen inne, nur die Artillerie, mit der die Bürgerschaft stets auf gutem Fuße gestanden rechtlichen Fällen? ‒ Die namentliche Abstimmung ergibt zur Ehre Deutschlands ein „Ja“ von 288 Stimmen gegen das „Nein“ von 146 Stimmen, (langes Bravo der Gallerien). Folgt die Frage: Sind die Strafen des Prangers, der Brandmarkung, der körperlichen Züchtigung abgeschafft? ‒ Mit großer Mehrheit „Ja.“ (Bravo! langer Beifall.) Endlich Nauwerks Amendement: Ist die Schuldhaft abgeschafft? Wird unter großem Gelächter verworfen. (Kaum 10 Mann von der Linken, von der doch dieser praktische Antrag ausgegangen, erheben sich dafür. (O weh!) Den Wortlaut des ganzen §. 7. gaben wir gestern schon. Schluß der Sitzung 31/2 Uhr. Sonnabend und Sonntag keine Sitzung. Auf der Tagesordnung für Montag kommt unter Anderm die „Hecker'sche Wahlangelegenheit;“ Bericht des Gesetzgebungsausschusses, betreffend die Amnestirung politischer Verbrecher; Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, Betreffs Dänemark etc. X Düren, 4. August. Das Amendement Stupp, welches die 21. Nummer Ihrer Zeitung brachte und mit einigen Zuthaten kürzlich durch den Dürener Anzeiger zur weiteren Verbreitung in hiesigem Kreise gelangte, hat große Sensation erregt und dem Abg. Stupp wesentlich in der öffentlichen Meinung geschadet. Seine Freunde glaubten ihn daher gegen die „Ergüsse“ oder nach Stupp „Tiraden“ Ihres Blatts, „das sich die Aufgabe gestellt, durch perfide Schlüsse, Schimpfen und Verdächtigen die Republik herbeizuführen“ in Schutz nehmen zu müssen, riefen aber dadurch von anderer Seite wieder neue Beschuldigungen in Bezug auf seine parlamentarische Haltung hervor, so daß er jetzt fast alle Sympathien hierselbst verloren hat. Diese Vorgänge sind wahrscheinlich die Veranlassung gewesen, daß Hr. Stupp plötzlich am 29. v. M. durch die hiesige Presse seine bevorstehende Ueberkunft ankündigen ließ und wirklich am 31. Morgen vorgeblich „zur Besprechung über die Verfassungsangelegenheit“ im Wahllokal erschien. Gleichzeitig hatte er auch für die Städtischen eine Art Rechenschaftsbericht über seine bisherige Wirksamkeit ausgeben lassen, wodurch er sich zweifelsohne die ihm abgeneigten Gemüther wieder zu gewinnen dachte. Nichts desto weniger war sein Empfang sehr frostig und niederschlagend. Denn außer einigen Pastören und ein paar Freunden hatte sich zur Begrüßung nur der Vorstand des hiesigen konst. Landwehrvereins in der Person des Bürgermeisters Leers eingefunden, so daß die Zahl der Anwesenden höchstens ein volles Dutzend betrug. Man wartete eine geraumige Zeit auf Zuzug aus der Stadt oder von Außen; aber Niemand wollte mehr erscheinen. Endlich nach 11 Uhr sammelte Hr. Stupp das Häuflein seiner Getreuen an seinem Tische um sich und ging dann zur Besprechung einzelner Verfassungsparagraphen über, wobei besonders die Frage über die Trennung der Kirche vom Staat und das Kirchenvermögen, über die Trennung der Schule von der Kirche und die Lehrerbesoldung Gegenstand der Unterhaltung war und unter Andern Hr. Stupp auch bemerkte, daß er zwar bedaure, nicht zur Verfassungskommission zu gehören, da er bei der Wahl eine Stimme zu wenig gehabt (von 23 nur 22), aber doch in den Vorkonferenzen sein Scherflein wohl mit dazu beigetragen habe. Während dessen trat nun noch zum Erstaunen Aller der Bürgermeister Dr. Günther von Düren mit seinen beiden Beigeordneten in den Saal, um dem Hrn. Stupp den Dank der Stadt für seine Vertretung zu bringen, was natürlich um so lächerlicher war, als nur ein paar Bürger zugegen und namentlich der sehr zahlreiche städtische Klub, über die Repräsentation Stupp's äußerst ungehalten, absichtlich fern geblieben war. Gegen Mittag schon ging die Versammlung auseinander und am Abend verließ Hr. Stupp höchst unbefriedigt die Stadt. 103 Berlin, 4. Aug. [Sitzung der Vereinbarer-Versammlung]. Die Konstablergeschichte hat die Abgeordneten Rodbertus, Schulze (v. Delitzsch) und v. Berg veranlaßt folgenden dringlichen Antrag zu stellen: „Das Staatsministerium um sofortige nachträgliche Vorlegung eines Gesetzes über die Schutzmannschaften zu ersuchen.“ ‒ Dr. Elsner stellte eine schleunige Interpellation an das Ministerium des Innern, dahin lautend: „ob dasselbe nicht geneigt ist, die militärische Stadt und Umgegend im höchsten Grade belästigende Besatzung aus Hirschberg zurückzuziehen.“ Sowohl Stadt als Umgegend befinden sich seit Monaten in der höchsten Ruhe und Ordnung. Die ohnedies schon sehr bedrängte Bevölkerung des Riesengebirges wird durch das Militär aufs Neue mit Ausgaben überbürdet und beunruhigt. ‒ Der Abgeordnete der Stadt Schweidnitz, Teichmann wollte wegen der dortigen Vorfälle interpelliren, alles dieses ist nun bis zur nächsten Sitzung verschoben. Nach Eröffnung der heutigen Sitzung nimmt der Minister Präsident v. Auerswald das Wort: „Es haben sehr beklagenswerthe Vorfälle in Schweidnitz stattgefunden, die die öffentliche Theilnahme mit Recht in Anspruch nehmen. Nach eingegangenen amtlichen Nachrichten haben leider sechs Personen ihr Leben dabei eingebüßt und mehrere andere sind verwundet. Diese Umstände werden von einer Deputation, die ich vor der Sitzung empfing, bestätigt. Von Seiten der Regierung wird alles mögliche geschehen um den Thatbestand festzustellen. Ich enthalte mich jeder weitern Folgerung und füge hinzu, daß die Gesetze ihren vollen Lauf haben werden.“ Der Präsident Grabow zeigt an, daß mehrere dringende Anträge und Interpellationen eingegangen sind, daß man seiner Ansicht nach aber zuvor das Gesetz über Abschaffung der Todesstrafe, nach Beschluß in letzter Sitzung zu Ende berathe. ‒ Justizminister Märker: Die Frage wegen Abschaffung der Todesstrafe ist im Ministerium zur Sprache gekommen, es konnte aber keine Einigung hierüber stattfinden zwischen seinen Mitgliedern und man beschloß die Frage als eine offene zu betrachten und der Versammlung ganz freien Willen zu lassen. Ich werde Ihnen also nur meine eigene Meinung in dieser Sache mittheilen. Ich halte die sofortige Abschaffung der Todesstrafe für ein dringendes Bedürfniß. Früher hielt man es für nothwendig, daß die Todesstrafe durchaus angewendet werden mußte, Blut mußte wieder mit Blut gesühnt werden. Das war zur Zeit einer niederen Stufe der allgemeinen menschlichen Bildung. Ob nun das Volk schon auf höherer Stufe stehet, werden die Abgeordneten durch ihre Abstimmung zu erkennen geben, da sie das Volk vertreten. ‒ Die biblischn Gründe kann ich ebenfalls nicht gelten lassen, denn da es dort heißt; wer Blut vergießt dessen Blut soll wieder vergossen werden, so ist dieser Grundsatz, in jetziger Zeit wohl ebensowenig anzuwenden als der, welcher sagt: Auge um Auge; wie die Strafe bei diesen Verbrechen eine andere geworden ist, so können wir auch die Todesstrafe umwandeln. ‒ Auch die Abschreckungstheorie wird gegen die Abschaffung vorgebracht. Jeder soll aber nur bestraft werden, für das was er gethan hat, nicht um Andere damit abzuschrecken. ‒ Ich kann ferner nicht zugeben, daß im Volke durch Abschaffung der Todesstrafe das Ansehen der Gesetze leide. Meiner Ansicht nach, wird durch Abschaffung der Todesstrafe eben die Sicherheit der Person gesichert. Denn wie durch Abschaffung der Prügelstrafe, dieselbe gewiß im Volke weniger angewandt wird als früher, wo Jeder das Beispiel des Staats befolgte, so wird die Abschaffung der Todesstrafe dasselbe Resultat haben und der Mörder wird eine heilige Scheu vor dem Blutvergießen bekommen. ‒ Ich weiß aus Erfahrung, welchen großen Widerwillen und große Gewissenunruhen der Richter beim Erkennen der Todesstrafe empfindet. Dagegen spricht er mit gutem Gewissen, gestützt auf das Gesetz, jede andere Strafe aus. ‒ Auch findet man jetzt immer weniger Leute, die das Amt der Exekution übernehmen. ‒ Geschworne, werden eher freisprechen als zum Tode verurthelen, um ihr Gewissen nicht zu beschweren und der große Verbrecher wird demnach freigesprochen. ‒ Ein einziger Grund, der Justizmord, wäre schon hinreichend die Todesstrafe abzuschaffen. Wie ist das Gewissen des Richters oder des Geschwornen nicht belästigt, wenn es sich später herausstellt, daß ein falsches Urtheil gesprochen und unschuldiges Blut vergossen wurde. ‒ Es fragt sich auch ob der jetzige Zeitpunkt geeignet ist, der Abschaffung der Todesstrafe sofort die Gesetzeskraft zu geben, wei eine gänzliche Umarbeitung des Strafgesetzes in Arbeit ist. Man hat ferner gesagt, daß dadurch eine Ungleichheit in der Strafbestimmung eintrete. Das ist aber nur illusorisch, denn wenn das neue mildere Strafgesetz in Kraft tritt, so wird dasselbe auch darin eine rückwirkende Kraft ausüben, daß die schon erkannten Strafbestimmungen, wieder nach dem neuen Gesetze gemildert werden können. ‒ Schließlich erkläre ich mich noch, nach der Bestimmung des Kommissionsantrag, für Beibehaltung der Todesstrafe im Kriegs- und Belagerungszustande. Es sprachen noch viele Redner für und gegen die Abschaffung der Todesstrafe unter denen nur die Rede des Abgeordneten D'Ester für gänzliche Abschaffung hervorzuheben ist. Er sagte unter andern: Es sind die verschiedenartigsten Gründe herbeigebracht worden für die Beibehaltung der Todesstrafe. Sie sind hergeholt worden aus dem Rechtspunkte, aus der Bibel, aus Himmel und Hölle, und ich weiß nicht, wo sonst noch her. Lassen Sie mich aber meine Gründe für Abschaffung der Todesstrafe vom Standpunkte des reinen Menschenrechts entwickeln. Wollen Sie nicht den Menschen von Geburt an als Sünder betrachten, so muß man die Motive beurtheilen, die den Verbrecher dazu leitet. Durch mancherlei Verhältnisse kann der Mensch zu einer That gezwungen werden, die, wenn man die Motive genau erwägt, wohl zu billigen ist. Man verurtheilt Leute, welche die edelsten Motive zu irgend einem Mord gebracht und wir sehen Männer auf offenem Markte Menschen niederschießen lassen. Ein solcher Mann kann das Opfer eines Systems sein. Er kann persönlich gegen das mörderische Verfahren sein, das er anordnet, aber das System befiehlt es ihm. Es hat Zeiten gegeben, wo es der Staat für nothwendig gefunden hat, Tausende zu tödten. Schaffen wir daher die Todesstrafe ohne alle Ausnahme ab. Auch für den Hochverrath ist sie keinesfalls nothwendig. Nachdem die allgemeine Debatte geschlossen und das Amendement Schlink, eine motivirte Tagesordnung verworfen war, wurde zur Debatte über den § 1. geschritten. Unter Andern sprach der Abgeordnete Moritz gegen die Bestimmung, den Hochverrath auch ferner mit dem Tode zu bestrafen. Er sagt: „Hochverrath ist nur eine versuchte That, denn wenn er zur Ausführung gekommen und gelungen ist, so ist er kein Hochverrath mehr!“ Jetzt beginnt eine unfruchtbare Stunden lange Debatte über die Fragestellung und über die Priorität des Jonas'schen Amendements oder des Gesetzentwurfs. Namentliche Abstimmung wurde verlangt und angenommen. Auch beschloß man zuerst über das Jonas'sche Amendement abzustimmen, aber einige eigenwillige Abgeordnete, denen sich auch der Justizminister ganz unbefugterweise anschloß, da er kein Abgeordneter ist und deshalb in solchen Angelegenheiten nicht das Wort nehmen darf, protestirten dagegen. Dadurch entstand eine fürchterliche Aufregung und der Streit ward immer größer. Die Ministeriellen wollen den Beschluß dem Justizminister zu Gefallen umstoßen, und durch ihre Majorität beantragen sie eine neue Ordnung der Fragen. Aber die Redner der Linken überzeugen endlich die Versammlung, daß man durchaus über das Jonas'sche Amendement zuerst abstimmen muß. Dies Amendement lautet: „Die Todesstrafe ist ohne alle Ausnahme abgeschafft,“ und wird mit 193 gegen 164 Stimmen verworfen. Endlich gelangt man zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Kommission. Der § 1 wird in zwei Theile getheilt. Der erste enthält die Worte: „die Todesstrafe ist abgeschafft,“ der zweite die Ausnahme. Der erste wird nach namentlicher Abstimmung mit 294 gegen 37 Stimmen angenommen. Da die Zeit schon weit vorgeschritten, so beschließt man die fernere Abstimmung bis zu nächster Sitzung, die ausnahmsweise wegen der vielen dringenden Anträge und wegen Berathung der Habeas-Corpus-Akte auf Dienstag Morgen 8 Uhr festgesetzt wird, auszusetzen. Mit Erwartung blickt Alles dem nächsten Sonntag entgegen. Die Bürgerwehr ist durch ihren permanenten Ausschuß zur Abstimmung darüber aufgefordert, ob sie sich Sonntag früh zu einer Parade versammeln und bei dieser Gelegenheit dem Reichsverweser „als freiwilliges Zeichen der freudigen Anerkennung und Huldigung, unbeschadet des Eides der Treue für König und Verfassung in Preußen, den diese Huldigung nicht stört, ein dreifaches Hoch bringen wolle.“ Von 102 Bezirkskompagnien haben sich 94 bis jetzt dafür erklärt. Die Armee wird dagegen von allen Huldigungsäußerungen absehen, da der Kriegsminister beschlossen hat, den Armeebefehl des Königs als genügenden Ausdruck der dem Reichsverweser schuldigen Ehrerbietung und Anerkennung zu betrachten. Hr. Griesheim, der Socius des Kriegsministers, soll in Folge seiner berüchtigten Schrift über die Centralgewalt, vom Staatsministerium aller seiner Funktionen, welche irgend eine politische Thätigkeit voraussetzen, enthoben werden. Seine Stelle im Kriegsministerium soll anderweit besetzt werden, welches dringend nothwendig ist, da der Kriegsminister durchaus nicht mehr in den Sitzungen der Vereinbarerversammlung erscheint, und ihn demnach ein Anderer vertreten muß. Heute war Hr. Griesheim in der Vereinbarersitzung noch anwesend. Das zweite Garderegiment, welches in Charlottenburg sich mehrfacher Insulten und Anfälle auf hiesige Studenten und Bürger hat zu Schulden kommen lassen, ist nach Nauen versetzt worden. Der Kriegsminister beabsichtigte Anfangs, diese Vorfälle ganz unberücksichtigt zu lassen; den Studenten, welche sich bei ihm beschwerten, sagte er: „es sei dunkel gewesen und es würde nicht möglich sein, die Schuldigen herauszufinden; sie möchten künftig Demonstrationen unterlassen, welche die Aufmerksamkeit des ohnehin gereizten Militärs auf sie lenken müßten.“ Nur den dringlichen Forderungen des Ministers des Innern, Kühlwetter soll es zuzuschreiben sein, daß dennoch eine Untersuchung gegen die Soldaten eingeleitet ist. Insbesondere soll ein Lieutenant schwer gravirt sein. Als bei demselben einige gemißhandelte Studenten beschwerdeführend Schutz gegen die Brutalität der Soldaten suchten, außerte er: „Ihr kommt vom Spandauer Berge, da kommt ja die deutsche Einheit her; der kann es nicht schaden, wenn sie in den Dreck geschleift wird.“ Die Soldaten haben nämlich die den Studenten entrissene deutsche Fahne in den Koth getreten. Im Ministerium des Innern ist jetzt ein Berichtigungsbureau eingerichtet, an dessen Spitze Hr. v. Hasenkamp aus Aachen gestellt ist. Das Gerücht bezeichnet diesen Herrn als den künftigen Schwiegersohn des Hrn. Hansemann, wobei jedoch zu bemerken ist, daß das hiesige Publikum mit der Vertheilung der Töchter des Finanzministers sehr freigebig ist, denn nicht nur Hr. v. Hasenkamp, auch der Polizeipräsident v. Bardeleben und der Minister Kühlwetter werden zu dessen Schwiegersöhnen designirt. Der Oberlandesgerichts-Auskultator Dortu aus Potsdam stand heute vor dem Kammergericht der Majestätsbeleidigung angeklagt wegen einer Rede, die er am 18. Mai im politischen Klub in Potsdam gehalten hat: Der in der Rede vorkommende Ausdruck „Rabenvater“ wurde als sich nicht auf den König beziehend angenommen, dagegen der Ausdruck „Kartätschenprinz“ auf den Prinzen von Preußen bezogen, und wurde der Angeklagte deshalb zu achtzehn Monat Festungsarrest und Verlust des künftigen Anspruchs an eine Stelle im Staatsdienst verurtheilt!!! Errungenschaft der Märzrevolution! Die Denunciation gegen den Verurtheilten wurde erst nach 8 Wochen, nachdem er die Rede gehalten, eingereicht, früher hielt man es nicht angemessen, damit hervorzutreten. Der frühere Staats-Anwalt, Hr. v. Kirchmann, hätte sie jedenfalls zurückgewiesen. Aber unsere Kammergerichtsräthe das sind die Reaktion selbst in höchsteigener Person und wenn die Vereinbarer sich nicht beeilen, die alten Landrechtsparagraphen aufzuheben, so werden danach noch halb Berlin in die Festungen geschickt werden. 119 Berlin, 4. Aug. Herr von Griesheim, Obristlieutenant, Direktor im Kriegsministerium wird endlich, wie bestimmt versichert wird, aus dem Kriegsministerium ausscheiden, und die Nationalversammlung wird auf diese Weise die Erholung verlieren, den edlen Kavalier zur Erquickung aller Patrioten von „Anno Toback“ auf dem altpreußischen Korporalstock der Kommisbegeisterung ferner herumgalloppiren zu sehen. Das Ministerium soll überhaupt beabsichtigen den Staatsstall von dem festgetretenen Mist des reaktionären Beamtenthums durchgreifend zu reinigen ‒ eine schöne, eine dankenswerthe Arbeit ‒ aber auch eine Herkules-Arbeit, und die Herkulesse sind heuer sparsam gerathen. Gleichzeitig erfährt man, daß auch in Löbau in Westpreußen ähnliche Gräuel vorgekommen sein sollen wie in Schweidnitz. In der gestrigen Sitzung des hiesigen „Bürgerwehrausschusses“ erregte der Bericht über die Schweidnitz'schen Ereignisse allgemeine Erbitterung. Man beschloß sogleich im Namen der Berliner Bürgerwehr eine Adresse an die Schweidnitzer Kameraden abzusenden, in welcher mit der Versicherung der lebendigsten Theilnahme die tiefste Entrüstung über das Vorgefallene ausgedrückt wird. Zugleich wurde eine Sammlung für die Verwundeten und Hinterbliebenen der Gefallenen beschlossen. 40 Berlin, 4. August. Von dem Abgeordneten Krackrügge ist bei der National-Versammlung ein Antrag, die bekannte Westphälische Staatsschuld betreffend, eingebracht, welcher für die Inhaber der Obligationen eine Anerkennung derselben, oder doch jedenfalls die Zulassung zum Rechtswege verlangt. Von der vormaligen Regierung wurden desfallsige Ansprüche, welche höchst gerecht erschienen, immer durch eine bloße Ministerial-Verfügung von der Hand gewiesen. In diesem Augenblick (1 Uhr Mittags) sind vor der Aula viele hundert Studenten versammelt, welche Berathung pflegen über die gestern und vorgestern vom 2. Garderegiment in Charlottenburg erlittenen Mißhandlungen. Berlin, 4. August. Der Staats-Anzeiger enthält allerlei offizielle und halboffizielle Mittheilungen: 1) ein langes Cholera-Reglement aus der 2. Abtheilung des Ministeriums des Innern, gezeichnet Puttkammer und das hauptsächlich Data über Entstehung dieses Reglements selbst enthält; 2) die Anzeige des Hrn. Hansemann an die Regierung, daß die freiwillige Anleihe nicht am 10. August geschlossen wird; 3) einige Ministerialverfügungen über Kirchensachen und Laudemien, ohne alle Bedeutung. 4) Aufhebung des Verbots des Wanderns der Handwerker nach der Schweiz für den Reg.-Bez. Potsdam. ‒ Die Verwickelungen mit den Buchdruckergehülfen dauern noch immer fort. Die gestrige Zeitungshalle ist ganz ausgeblieben, eben so die neue preußische Zeitung; die „Reform“ ist nur in einem halben Bogen erschienen. (Auch heute Abend ist keine Zeitungshalle erschienen. (Voss. Z.)‒ Der Oberst Willisen, ist nach erfolgter Ernennung zum Generalmajor mit einer außerordentlichen Sendung nach Paris betraut worden. Man glaubt, daß diese Sendung den Zweck habe, die französische Republik der friedlichen und freundschaftlichen Gesinnungen Preußens zu versichern. (Voss. Z.) * Erfurt, 2. August. Heute Mittag marschirten etwa 6 Kompagnien des 31. Regiments mit 3 Geschützen und ein Theil der Kurassiere nach Gera. Die Unruhrn daselbst müssen also sehr ernster Art sein. Schweidnitz, 1. Aug. Nachmittag 1 Uhr. Der Bürgermeister hat auf stürmisches Anfordern der Bürger, und auf die Vorstellungen der Stadtverordneten sein Amt niedergelegt und auf Verlangen diese Erklärung schriftlich von sich gegeben, jedoch mit dem Bemerken, daß er, da er eigenes Vermögen nicht besitze, auf die gesetzliche Pension Anspruch zu machen sich genöthigt sehe. Die Stadtverordneten und der Magistrat haben aus ihrer Mitte zwei Kommissionen ernannt, und die eine, bestehend aus den Herren Kaufmann Arnold, Schlossermeister Führich und Rathsherrn Feuerstack, nach Breslau entsendet, um die hiesigen Vorgänge dem Oberpräsidenten und dem kommandirenden General mitzutheilen, und da der Kommandant sich weigere, das Militär zurückzuziehen, Letzteren zu ersuchen, die Abberufung des Militärs, wie des Kommandanten, verfügen zu wollen; die andere aber, gebildet von den Herren Syndikus Pfitzner, Lederfabrikant Münch und Seifensieder Koch, zu dem bereits erwähnten Zwecke nach Berlin bestimmt, wohin sie heute Abend abreisen wird. ‒ Die Stadt ist in Belagerungszustand, die Kanonen auf den Wällen sind nach der Stadt gekehrt, und jedes Geschütz mit Munition für 10 Schuß versehen. ‒ Die Bürgerwehr ist nicht aufgelöst; ‒ es war nur Gerücht. 2 Uhr Nachmittag. Die Aufregung dauert fort. Die Bürger hatten schon am Morgen die bei ihnen einquartierten Infanteristen ausgewiesen; jetzt rotten sich die Arbeiter auf dem Ringe zusammen. Einige Artillerie-Offiziere suchen eine Verständigung herbeizuführen, doch umsonst; man besteht auf Entfernung des betreffenden Füsilier-Bataillons, das jetzt ganz herangezogen und auf dem Ringe aufgestellt wird. 3 Uhr. Das Militär wird abziehen, heißt es: da fallen im Rathhause zwei Schüsse, wie man sagt, ein Signal des hier gefangen gehaltenen Füsilier-Majors v. Gersdorf, der gestern Abend den Befehl zum Schießen gegeben haben soll. Das Militär rückt gegen das Rathhaus und dringt ein, wird aber von den Bürgern wieder zurückgedrängt, ohne daß ein Schuß fällt, oder Jemand irgendwie verletzt wird. Das Militär zieht sich jetzt in der That zurück, nach einem Beschlusse der dasselbe kommandirenden Offiziere, so sagt man; die Kanonen werden abgefahren, das Bataillon rückt in die Kasernen, doch nicht ohne daß vorher noch einer Frau durch einen Musketenschuß, den ein Soldat, sei es aus Unvorsichtigkeit oder aus Bosheit, abfeuerte, ein Arm zerschmettert worden ist. Die Mannschaften auf der Hauptwache werden von den Bürgern mit Steinwürfen vertrieben, und sämmtliche Wachposten von der Bürgerwehr besetzt. Jetzt verbreitet sich die Kunde, der Kommandant, den man nur einen Mörder nennt, habe seinen Posten niedergelegt; die Kunde wird zur Gewißheit und erregt allgemeine Freude. Eine offene Erklärung des Offizierkorps, und die Vorstellungen des eben hier anwesenden Generals Fromm sollen den Kommandanten zu jenem Entschlusse bewogen haben. Doch sind die Räume des Kommandanturgebäudes noch voll bewaffneter Soldaten. Bis jetzt, Abends 6 Uhr, ist die Ruhe nicht weiter gestört worden. Die Bürgerwehr hat fast alle Wachen inne, nur die Artillerie, mit der die Bürgerschaft stets auf gutem Fuße gestanden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar068_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0342"/> rechtlichen Fällen? ‒ Die namentliche Abstimmung ergibt zur Ehre Deutschlands ein „Ja“ von 288 Stimmen gegen das „Nein“ von 146 Stimmen, (langes Bravo der Gallerien).</p> <p>Folgt die Frage: Sind die Strafen des <hi rendition="#g">Prangers,</hi> der <hi rendition="#g">Brandmarkung,</hi> der <hi rendition="#g">körperlichen Züchtigung</hi> abgeschafft? ‒ Mit großer Mehrheit „Ja.“ (Bravo! langer Beifall.)</p> <p>Endlich <hi rendition="#g">Nauwerks</hi> Amendement: Ist die <hi rendition="#g">Schuldhaft</hi> abgeschafft? Wird unter großem Gelächter verworfen. (Kaum 10 Mann von der Linken, von der doch dieser praktische Antrag ausgegangen, erheben sich dafür. (O weh!)</p> <p>Den Wortlaut des ganzen §. 7. gaben wir gestern schon. Schluß der Sitzung 31/2 Uhr. Sonnabend und Sonntag keine Sitzung. Auf der Tagesordnung für Montag kommt unter Anderm die „Hecker'sche Wahlangelegenheit;“ Bericht des Gesetzgebungsausschusses, betreffend die Amnestirung politischer Verbrecher; Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, Betreffs Dänemark etc.</p> </div> <div xml:id="ar068_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Düren, 4. August.</head> <p>Das Amendement <hi rendition="#g">Stupp,</hi> welches die 21. Nummer Ihrer Zeitung brachte und mit einigen Zuthaten kürzlich durch den Dürener Anzeiger zur weiteren Verbreitung in hiesigem Kreise gelangte, hat große Sensation erregt und dem Abg. Stupp wesentlich in der öffentlichen Meinung geschadet. Seine Freunde glaubten ihn daher gegen die <hi rendition="#g">„Ergüsse“</hi> oder nach Stupp <hi rendition="#g">„Tiraden“</hi> Ihres Blatts, <hi rendition="#g">„das sich die Aufgabe gestellt, durch perfide Schlüsse, Schimpfen und Verdächtigen die Republik herbeizuführen“</hi> in Schutz nehmen zu müssen, riefen aber dadurch von anderer Seite wieder neue Beschuldigungen in Bezug auf seine parlamentarische Haltung hervor, so daß er jetzt fast alle Sympathien hierselbst verloren hat. Diese Vorgänge sind wahrscheinlich die Veranlassung gewesen, daß Hr. Stupp plötzlich am 29. v. M. durch die hiesige Presse seine bevorstehende Ueberkunft ankündigen ließ und wirklich am 31. Morgen vorgeblich „zur Besprechung über die Verfassungsangelegenheit“ im Wahllokal erschien. Gleichzeitig hatte er auch für die Städtischen eine Art Rechenschaftsbericht über seine bisherige Wirksamkeit ausgeben lassen, wodurch er sich zweifelsohne die ihm abgeneigten Gemüther wieder zu gewinnen dachte. Nichts desto weniger war sein Empfang sehr frostig und niederschlagend. Denn außer einigen Pastören und ein paar Freunden hatte sich zur Begrüßung nur der Vorstand des hiesigen konst. Landwehrvereins in der Person des Bürgermeisters Leers eingefunden, so daß die Zahl der Anwesenden höchstens ein volles Dutzend betrug. Man wartete eine geraumige Zeit auf Zuzug aus der Stadt oder von Außen; aber Niemand wollte mehr erscheinen. Endlich nach 11 Uhr sammelte Hr. Stupp das Häuflein seiner Getreuen an seinem Tische um sich und ging dann zur Besprechung einzelner Verfassungsparagraphen über, wobei besonders die Frage über die Trennung der Kirche vom Staat und das Kirchenvermögen, über die Trennung der Schule von der Kirche und die Lehrerbesoldung Gegenstand der Unterhaltung war und unter Andern Hr. Stupp auch bemerkte, daß er zwar bedaure, nicht zur Verfassungskommission zu gehören, da er bei der Wahl <hi rendition="#g">eine</hi> Stimme zu wenig gehabt (von 23 nur 22), aber doch in den Vorkonferenzen sein Scherflein wohl mit dazu beigetragen habe. Während dessen trat nun noch zum Erstaunen Aller der Bürgermeister Dr. Günther von Düren mit seinen beiden Beigeordneten in den Saal, um dem Hrn. Stupp den Dank der Stadt für seine Vertretung zu bringen, was natürlich um so lächerlicher war, als nur ein paar Bürger zugegen und namentlich der sehr zahlreiche städtische Klub, über die Repräsentation Stupp's äußerst ungehalten, absichtlich fern geblieben war. Gegen Mittag schon ging die Versammlung auseinander und am Abend verließ Hr. Stupp höchst unbefriedigt die Stadt.</p> </div> <div xml:id="ar068_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 4. Aug.</head> <p>[Sitzung der Vereinbarer-Versammlung]. Die Konstablergeschichte hat die Abgeordneten <hi rendition="#g">Rodbertus, Schulze</hi> (v. Delitzsch) und <hi rendition="#g">v. Berg</hi> veranlaßt folgenden dringlichen Antrag zu stellen: „Das Staatsministerium um sofortige nachträgliche Vorlegung eines Gesetzes über die Schutzmannschaften zu ersuchen.“ ‒ Dr. <hi rendition="#g">Elsner</hi> stellte eine schleunige Interpellation an das Ministerium des Innern, dahin lautend: „ob dasselbe nicht geneigt ist, die militärische Stadt und Umgegend im höchsten Grade belästigende Besatzung aus Hirschberg zurückzuziehen.“ Sowohl Stadt als Umgegend befinden sich seit Monaten in der höchsten Ruhe und Ordnung. Die ohnedies schon sehr bedrängte Bevölkerung des Riesengebirges wird durch das Militär aufs Neue mit Ausgaben überbürdet und beunruhigt. ‒ Der Abgeordnete der Stadt Schweidnitz, <hi rendition="#g">Teichmann</hi> wollte wegen der dortigen Vorfälle interpelliren, alles dieses ist nun bis zur nächsten Sitzung verschoben.</p> <p>Nach Eröffnung der heutigen Sitzung nimmt der <hi rendition="#g">Minister Präsident v. Auerswald</hi> das Wort: „Es haben sehr beklagenswerthe Vorfälle in Schweidnitz stattgefunden, die die öffentliche Theilnahme mit Recht in Anspruch nehmen. Nach eingegangenen amtlichen Nachrichten haben leider sechs Personen ihr Leben dabei eingebüßt und mehrere andere sind verwundet. Diese Umstände werden von einer Deputation, die ich vor der Sitzung empfing, bestätigt. Von Seiten der Regierung wird alles mögliche geschehen um den Thatbestand festzustellen. Ich enthalte mich jeder weitern Folgerung und füge hinzu, daß die Gesetze ihren vollen Lauf haben werden.“</p> <p>Der Präsident <hi rendition="#g">Grabow</hi> zeigt an, daß mehrere dringende Anträge und Interpellationen eingegangen sind, daß man seiner Ansicht nach aber zuvor das Gesetz über Abschaffung der Todesstrafe, nach Beschluß in letzter Sitzung zu Ende berathe. ‒ Justizminister <hi rendition="#g">Märker:</hi> Die Frage wegen Abschaffung der Todesstrafe ist im Ministerium zur Sprache gekommen, es konnte aber keine Einigung hierüber stattfinden zwischen seinen Mitgliedern und man beschloß die Frage als eine offene zu betrachten und der Versammlung ganz freien Willen zu lassen. Ich werde Ihnen also nur meine eigene Meinung in dieser Sache mittheilen. Ich halte die sofortige Abschaffung der Todesstrafe für ein dringendes Bedürfniß. Früher hielt man es für nothwendig, daß die Todesstrafe durchaus angewendet werden mußte, Blut mußte wieder mit Blut gesühnt werden. Das war zur Zeit einer niederen Stufe der allgemeinen menschlichen Bildung. Ob nun das Volk schon auf höherer Stufe stehet, werden die Abgeordneten durch ihre Abstimmung zu erkennen geben, da sie das Volk vertreten. ‒ Die biblischn Gründe kann ich ebenfalls nicht gelten lassen, denn da es dort heißt; wer Blut vergießt dessen Blut soll wieder vergossen werden, so ist dieser Grundsatz, in jetziger Zeit wohl ebensowenig anzuwenden als der, welcher sagt: Auge um Auge; wie die Strafe bei diesen Verbrechen eine andere geworden ist, so können wir auch die Todesstrafe umwandeln. ‒ Auch die Abschreckungstheorie wird gegen die Abschaffung vorgebracht. Jeder soll aber nur bestraft werden, für das was er gethan hat, nicht um Andere damit abzuschrecken. ‒ Ich kann ferner nicht zugeben, daß im Volke durch Abschaffung der Todesstrafe das Ansehen der Gesetze leide. Meiner Ansicht nach, wird durch Abschaffung der Todesstrafe eben die Sicherheit der Person gesichert. Denn wie durch Abschaffung der Prügelstrafe, dieselbe gewiß im Volke weniger angewandt wird als früher, wo Jeder das Beispiel des Staats befolgte, so wird die Abschaffung der Todesstrafe dasselbe Resultat haben und der Mörder wird eine heilige Scheu vor dem Blutvergießen bekommen. ‒ Ich weiß aus Erfahrung, welchen großen Widerwillen und große Gewissenunruhen der Richter beim Erkennen der Todesstrafe empfindet. Dagegen spricht er mit gutem Gewissen, gestützt auf das Gesetz, jede andere Strafe aus. ‒ Auch findet man jetzt immer weniger Leute, die das Amt der Exekution übernehmen. ‒ Geschworne, werden eher freisprechen als zum Tode verurthelen, um ihr Gewissen nicht zu beschweren und der <hi rendition="#g">große</hi> Verbrecher wird demnach freigesprochen. ‒ Ein einziger Grund, der <hi rendition="#g">Justizmord,</hi> wäre schon hinreichend die Todesstrafe abzuschaffen. Wie ist das Gewissen des Richters oder des Geschwornen nicht belästigt, wenn es sich später herausstellt, daß ein falsches Urtheil gesprochen und unschuldiges Blut vergossen wurde. ‒ Es fragt sich auch ob der jetzige Zeitpunkt geeignet ist, der Abschaffung der Todesstrafe sofort die Gesetzeskraft zu geben, wei eine gänzliche Umarbeitung des Strafgesetzes in Arbeit ist. Man hat ferner gesagt, daß dadurch eine Ungleichheit in der Strafbestimmung eintrete. Das ist aber nur illusorisch, denn wenn das neue mildere Strafgesetz in Kraft tritt, so wird dasselbe auch darin eine rückwirkende Kraft ausüben, daß die schon erkannten Strafbestimmungen, wieder nach dem neuen Gesetze gemildert werden können. ‒ Schließlich erkläre ich mich noch, nach der Bestimmung des Kommissionsantrag, für Beibehaltung der Todesstrafe im Kriegs- und Belagerungszustande.</p> <p>Es sprachen noch viele Redner für und gegen die Abschaffung der Todesstrafe unter denen nur die Rede des Abgeordneten D'Ester für gänzliche Abschaffung hervorzuheben ist. Er sagte unter andern: Es sind die verschiedenartigsten Gründe herbeigebracht worden für die Beibehaltung der Todesstrafe. Sie sind hergeholt worden aus dem Rechtspunkte, aus der Bibel, aus Himmel und Hölle, und ich weiß nicht, wo sonst noch her. Lassen Sie mich aber meine Gründe für Abschaffung der Todesstrafe vom Standpunkte des reinen Menschenrechts entwickeln. Wollen Sie nicht den Menschen von Geburt an als Sünder betrachten, so muß man die Motive beurtheilen, die den Verbrecher dazu leitet. Durch mancherlei Verhältnisse kann der Mensch zu einer That gezwungen werden, die, wenn man die Motive genau erwägt, wohl zu billigen ist. Man verurtheilt Leute, welche die edelsten Motive zu irgend einem Mord gebracht und wir sehen Männer auf offenem Markte Menschen niederschießen lassen. Ein solcher Mann kann das Opfer eines Systems sein. Er kann persönlich gegen das mörderische Verfahren sein, das er anordnet, aber das System befiehlt es ihm. Es hat Zeiten gegeben, wo es der Staat für nothwendig gefunden hat, Tausende zu tödten. Schaffen wir daher die Todesstrafe ohne alle Ausnahme ab. Auch für den Hochverrath ist sie keinesfalls nothwendig.</p> <p>Nachdem die allgemeine Debatte geschlossen und das Amendement Schlink, eine motivirte Tagesordnung verworfen war, wurde zur Debatte über den § 1. geschritten. Unter Andern sprach der Abgeordnete <hi rendition="#g">Moritz</hi> gegen die Bestimmung, den Hochverrath auch ferner mit dem Tode zu bestrafen. Er sagt: „Hochverrath ist nur eine versuchte That, denn wenn er zur Ausführung gekommen und gelungen ist, so ist er kein Hochverrath mehr!“</p> <p>Jetzt beginnt eine unfruchtbare Stunden lange Debatte über die Fragestellung und über die Priorität des Jonas'schen Amendements oder des Gesetzentwurfs. Namentliche Abstimmung wurde verlangt und angenommen. Auch beschloß man zuerst über das Jonas'sche Amendement abzustimmen, aber einige eigenwillige Abgeordnete, denen sich auch der Justizminister ganz unbefugterweise anschloß, da er kein Abgeordneter ist und deshalb in solchen Angelegenheiten nicht das Wort nehmen darf, protestirten dagegen. Dadurch entstand eine fürchterliche Aufregung und der Streit ward immer größer. Die Ministeriellen wollen den Beschluß dem Justizminister zu Gefallen umstoßen, und durch ihre Majorität beantragen sie eine neue Ordnung der Fragen. Aber die Redner der Linken überzeugen endlich die Versammlung, daß man durchaus über das Jonas'sche Amendement zuerst abstimmen muß. Dies Amendement lautet: „Die Todesstrafe ist ohne alle Ausnahme abgeschafft,“ und wird mit 193 gegen 164 Stimmen verworfen.</p> <p>Endlich gelangt man zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Kommission. Der § 1 wird in zwei Theile getheilt. Der erste enthält die Worte: „die Todesstrafe ist abgeschafft,“ der zweite die Ausnahme. Der erste wird nach namentlicher Abstimmung mit 294 gegen 37 Stimmen angenommen.</p> <p>Da die Zeit schon weit vorgeschritten, so beschließt man die fernere Abstimmung bis zu nächster Sitzung, die ausnahmsweise wegen der vielen dringenden Anträge und wegen Berathung der Habeas-Corpus-Akte auf Dienstag Morgen 8 Uhr festgesetzt wird, auszusetzen.</p> <p>Mit Erwartung blickt Alles dem nächsten Sonntag entgegen. Die Bürgerwehr ist durch ihren permanenten Ausschuß zur Abstimmung darüber aufgefordert, ob sie sich Sonntag früh zu einer Parade versammeln und bei dieser Gelegenheit dem Reichsverweser „als freiwilliges Zeichen der freudigen Anerkennung und Huldigung, unbeschadet des Eides der Treue für König und Verfassung in Preußen, den diese Huldigung nicht stört, ein dreifaches Hoch bringen wolle.“ Von 102 Bezirkskompagnien haben sich 94 bis jetzt <hi rendition="#g">dafür</hi> erklärt. Die Armee wird dagegen von allen Huldigungsäußerungen absehen, da der Kriegsminister beschlossen hat, den Armeebefehl des Königs als genügenden Ausdruck der dem Reichsverweser schuldigen Ehrerbietung und Anerkennung zu betrachten.</p> <p>Hr. <hi rendition="#g">Griesheim,</hi> der Socius des Kriegsministers, soll in Folge seiner berüchtigten Schrift über die Centralgewalt, vom Staatsministerium aller seiner Funktionen, welche irgend eine politische Thätigkeit voraussetzen, enthoben werden. Seine Stelle im Kriegsministerium soll anderweit besetzt werden, welches dringend nothwendig ist, da der Kriegsminister durchaus nicht mehr in den Sitzungen der Vereinbarerversammlung erscheint, und ihn demnach ein Anderer vertreten muß. Heute war Hr. Griesheim in der Vereinbarersitzung noch anwesend.</p> <p>Das zweite Garderegiment, welches in Charlottenburg sich mehrfacher Insulten und Anfälle auf hiesige Studenten und Bürger hat zu Schulden kommen lassen, ist nach Nauen versetzt worden. Der Kriegsminister beabsichtigte Anfangs, diese Vorfälle ganz unberücksichtigt zu lassen; den Studenten, welche sich bei ihm beschwerten, sagte er: „es sei dunkel gewesen und es würde nicht möglich sein, die Schuldigen herauszufinden; sie möchten künftig Demonstrationen unterlassen, welche die Aufmerksamkeit des ohnehin gereizten Militärs auf sie lenken müßten.“ Nur den dringlichen Forderungen des Ministers des Innern, <hi rendition="#g">Kühlwetter</hi> soll es zuzuschreiben sein, daß dennoch eine Untersuchung gegen die Soldaten eingeleitet ist. Insbesondere soll ein Lieutenant schwer gravirt sein. Als bei demselben einige gemißhandelte Studenten beschwerdeführend Schutz gegen die Brutalität der Soldaten suchten, außerte er: „Ihr kommt vom Spandauer Berge, da kommt ja die deutsche Einheit her; der kann es nicht schaden, wenn sie in den Dreck geschleift wird.“ Die Soldaten haben nämlich die den Studenten entrissene deutsche Fahne in den Koth getreten.</p> <p>Im Ministerium des Innern ist jetzt ein Berichtigungsbureau eingerichtet, an dessen Spitze Hr. <hi rendition="#g">v. Hasenkamp</hi> aus Aachen gestellt ist. Das Gerücht bezeichnet diesen Herrn als den künftigen Schwiegersohn des Hrn. Hansemann, wobei jedoch zu bemerken ist, daß das hiesige Publikum mit der Vertheilung der Töchter des Finanzministers sehr freigebig ist, denn nicht nur Hr. <hi rendition="#g">v. Hasenkamp,</hi> auch der Polizeipräsident <hi rendition="#g">v. Bardeleben</hi> und der Minister <hi rendition="#g">Kühlwetter</hi> werden zu dessen Schwiegersöhnen designirt.</p> <p>Der Oberlandesgerichts-Auskultator <hi rendition="#g">Dortu</hi> aus Potsdam stand heute vor dem Kammergericht der Majestätsbeleidigung angeklagt wegen einer Rede, die er am 18. Mai im politischen Klub in Potsdam gehalten hat: Der in der Rede vorkommende Ausdruck <hi rendition="#g">„Rabenvater“</hi> wurde als sich nicht auf den König beziehend angenommen, dagegen der Ausdruck <hi rendition="#g">„Kartätschenprinz“</hi> auf den Prinzen von Preußen bezogen, und wurde der <hi rendition="#g">Angeklagte deshalb zu achtzehn Monat Festungsarrest und Verlust des künftigen Anspruchs an eine Stelle im Staatsdienst</hi> verurtheilt!!! Errungenschaft der Märzrevolution! Die Denunciation gegen den Verurtheilten wurde erst nach 8 Wochen, nachdem er die Rede gehalten, eingereicht, früher hielt man es nicht angemessen, damit hervorzutreten. Der frühere Staats-Anwalt, Hr. v. Kirchmann, hätte sie jedenfalls zurückgewiesen. Aber unsere Kammergerichtsräthe das sind die Reaktion selbst in höchsteigener Person und wenn die Vereinbarer sich nicht beeilen, die alten Landrechtsparagraphen aufzuheben, so werden danach noch halb Berlin in die Festungen geschickt werden.</p> </div> <div xml:id="ar068_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>119</author></bibl> Berlin, 4. Aug.</head> <p>Herr von Griesheim, Obristlieutenant, Direktor im Kriegsministerium wird endlich, wie bestimmt versichert wird, aus dem Kriegsministerium ausscheiden, und die Nationalversammlung wird auf diese Weise die Erholung verlieren, den edlen Kavalier zur Erquickung aller Patrioten von „Anno Toback“ auf dem altpreußischen Korporalstock der Kommisbegeisterung ferner herumgalloppiren zu sehen. Das Ministerium soll überhaupt beabsichtigen den Staatsstall von dem festgetretenen Mist des reaktionären Beamtenthums durchgreifend zu reinigen ‒ eine schöne, eine dankenswerthe Arbeit ‒ aber auch eine Herkules-Arbeit, und die Herkulesse sind heuer sparsam gerathen. Gleichzeitig erfährt man, daß auch in Löbau in Westpreußen ähnliche Gräuel vorgekommen sein sollen wie in Schweidnitz.</p> <p>In der gestrigen Sitzung des hiesigen „Bürgerwehrausschusses“ erregte der Bericht über die Schweidnitz'schen Ereignisse allgemeine Erbitterung. Man beschloß sogleich im Namen der Berliner Bürgerwehr eine Adresse an die Schweidnitzer Kameraden abzusenden, in welcher mit der Versicherung der lebendigsten Theilnahme die tiefste Entrüstung über das Vorgefallene ausgedrückt wird. Zugleich wurde eine Sammlung für die Verwundeten und Hinterbliebenen der Gefallenen beschlossen.</p> </div> <div xml:id="ar068_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>40</author></bibl> Berlin, 4. August.</head> <p>Von dem Abgeordneten Krackrügge ist bei der National-Versammlung ein Antrag, die bekannte <hi rendition="#g">Westphälische</hi> Staatsschuld betreffend, eingebracht, welcher für die Inhaber der Obligationen eine Anerkennung derselben, oder doch jedenfalls die Zulassung zum Rechtswege verlangt. Von der vormaligen Regierung wurden desfallsige Ansprüche, welche höchst gerecht erschienen, immer durch eine bloße Ministerial-Verfügung von der Hand gewiesen.</p> <p>In diesem Augenblick (1 Uhr Mittags) sind vor der Aula viele hundert Studenten versammelt, welche Berathung pflegen über die gestern und vorgestern vom 2. Garderegiment in Charlottenburg erlittenen Mißhandlungen.</p> </div> <div xml:id="ar068_007" type="jArticle"> <head>Berlin, 4. August.</head> <p>Der Staats-Anzeiger enthält allerlei offizielle und halboffizielle Mittheilungen:</p> <p>1) ein langes Cholera-Reglement aus der 2. Abtheilung des Ministeriums des Innern, gezeichnet Puttkammer und das hauptsächlich Data über Entstehung dieses Reglements selbst enthält;</p> <p>2) die Anzeige des Hrn. Hansemann an die Regierung, daß die freiwillige Anleihe <hi rendition="#g">nicht</hi> am 10. August geschlossen wird;</p> <p>3) einige Ministerialverfügungen über Kirchensachen und Laudemien, ohne alle Bedeutung.</p> <p>4) Aufhebung des Verbots des Wanderns der Handwerker nach der Schweiz für den Reg.-Bez. Potsdam.</p> <p>‒ Die Verwickelungen mit den Buchdruckergehülfen dauern noch immer fort. Die gestrige Zeitungshalle ist ganz ausgeblieben, eben so die neue preußische Zeitung; die „Reform“ ist nur in einem halben Bogen erschienen. (Auch heute Abend ist keine Zeitungshalle erschienen.</p> <bibl>(Voss. Z.)</bibl> <p>‒ Der Oberst Willisen, ist nach erfolgter Ernennung zum Generalmajor mit einer außerordentlichen Sendung nach Paris betraut worden. Man glaubt, daß diese Sendung den Zweck habe, die französische Republik der friedlichen und freundschaftlichen Gesinnungen Preußens zu versichern.</p> <bibl>(Voss. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar068_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Erfurt, 2. August.</head> <p>Heute Mittag marschirten etwa 6 Kompagnien des 31. Regiments mit 3 Geschützen und ein Theil der Kurassiere nach Gera. Die Unruhrn daselbst müssen also sehr ernster Art sein.</p> </div> <div xml:id="ar068_009" type="jArticle"> <head>Schweidnitz, 1. Aug.</head> <p>Nachmittag 1 Uhr. Der Bürgermeister hat auf stürmisches Anfordern der Bürger, und auf die Vorstellungen der Stadtverordneten sein Amt niedergelegt und auf Verlangen diese Erklärung schriftlich von sich gegeben, jedoch mit dem Bemerken, daß er, da er eigenes Vermögen nicht besitze, auf die gesetzliche Pension Anspruch zu machen sich genöthigt sehe. Die Stadtverordneten und der Magistrat haben aus ihrer Mitte zwei Kommissionen ernannt, und die eine, bestehend aus den Herren Kaufmann Arnold, Schlossermeister Führich und Rathsherrn Feuerstack, nach Breslau entsendet, um die hiesigen Vorgänge dem Oberpräsidenten und dem kommandirenden General mitzutheilen, und da der Kommandant sich weigere, das Militär zurückzuziehen, Letzteren zu ersuchen, die Abberufung des Militärs, wie des Kommandanten, verfügen zu wollen; die andere aber, gebildet von den Herren Syndikus Pfitzner, Lederfabrikant Münch und Seifensieder Koch, zu dem bereits erwähnten Zwecke nach Berlin bestimmt, wohin sie heute Abend abreisen wird. ‒ Die Stadt ist in Belagerungszustand, die Kanonen auf den Wällen sind nach der Stadt gekehrt, und jedes Geschütz mit Munition für 10 Schuß versehen. ‒ Die Bürgerwehr ist nicht aufgelöst; ‒ es war nur Gerücht.</p> <p>2 Uhr Nachmittag. Die Aufregung dauert fort. Die Bürger hatten schon am Morgen die bei ihnen einquartierten Infanteristen ausgewiesen; jetzt rotten sich die Arbeiter auf dem Ringe zusammen. Einige Artillerie-Offiziere suchen eine Verständigung herbeizuführen, doch umsonst; man besteht auf Entfernung des betreffenden Füsilier-Bataillons, das jetzt ganz herangezogen und auf dem Ringe aufgestellt wird.</p> <p>3 Uhr. Das Militär wird abziehen, heißt es: da fallen im Rathhause zwei Schüsse, wie man sagt, ein Signal des hier gefangen gehaltenen Füsilier-Majors v. Gersdorf, der gestern Abend den Befehl zum Schießen gegeben haben soll. Das Militär rückt gegen das Rathhaus und dringt ein, wird aber von den Bürgern wieder zurückgedrängt, ohne daß ein Schuß fällt, oder Jemand irgendwie verletzt wird. Das Militär zieht sich jetzt in der That zurück, nach einem Beschlusse der dasselbe kommandirenden Offiziere, so sagt man; die Kanonen werden abgefahren, das Bataillon rückt in die Kasernen, doch nicht ohne daß vorher noch einer Frau durch einen Musketenschuß, den ein Soldat, sei es aus Unvorsichtigkeit oder aus Bosheit, abfeuerte, ein Arm zerschmettert worden ist. Die Mannschaften auf der Hauptwache werden von den Bürgern mit Steinwürfen vertrieben, und sämmtliche Wachposten von der Bürgerwehr besetzt. Jetzt verbreitet sich die Kunde, der Kommandant, den man nur einen Mörder nennt, habe seinen Posten niedergelegt; die Kunde wird zur Gewißheit und erregt allgemeine Freude. Eine offene Erklärung des Offizierkorps, und die Vorstellungen des eben hier anwesenden Generals Fromm sollen den Kommandanten zu jenem Entschlusse bewogen haben. Doch sind die Räume des Kommandanturgebäudes noch voll bewaffneter Soldaten.</p> <p>Bis jetzt, Abends 6 Uhr, ist die Ruhe nicht weiter gestört worden. Die Bürgerwehr hat fast alle Wachen inne, nur die Artillerie, mit der die Bürgerschaft stets auf gutem Fuße gestanden </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0342/0002]
rechtlichen Fällen? ‒ Die namentliche Abstimmung ergibt zur Ehre Deutschlands ein „Ja“ von 288 Stimmen gegen das „Nein“ von 146 Stimmen, (langes Bravo der Gallerien).
Folgt die Frage: Sind die Strafen des Prangers, der Brandmarkung, der körperlichen Züchtigung abgeschafft? ‒ Mit großer Mehrheit „Ja.“ (Bravo! langer Beifall.)
Endlich Nauwerks Amendement: Ist die Schuldhaft abgeschafft? Wird unter großem Gelächter verworfen. (Kaum 10 Mann von der Linken, von der doch dieser praktische Antrag ausgegangen, erheben sich dafür. (O weh!)
Den Wortlaut des ganzen §. 7. gaben wir gestern schon. Schluß der Sitzung 31/2 Uhr. Sonnabend und Sonntag keine Sitzung. Auf der Tagesordnung für Montag kommt unter Anderm die „Hecker'sche Wahlangelegenheit;“ Bericht des Gesetzgebungsausschusses, betreffend die Amnestirung politischer Verbrecher; Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, Betreffs Dänemark etc.
X Düren, 4. August. Das Amendement Stupp, welches die 21. Nummer Ihrer Zeitung brachte und mit einigen Zuthaten kürzlich durch den Dürener Anzeiger zur weiteren Verbreitung in hiesigem Kreise gelangte, hat große Sensation erregt und dem Abg. Stupp wesentlich in der öffentlichen Meinung geschadet. Seine Freunde glaubten ihn daher gegen die „Ergüsse“ oder nach Stupp „Tiraden“ Ihres Blatts, „das sich die Aufgabe gestellt, durch perfide Schlüsse, Schimpfen und Verdächtigen die Republik herbeizuführen“ in Schutz nehmen zu müssen, riefen aber dadurch von anderer Seite wieder neue Beschuldigungen in Bezug auf seine parlamentarische Haltung hervor, so daß er jetzt fast alle Sympathien hierselbst verloren hat. Diese Vorgänge sind wahrscheinlich die Veranlassung gewesen, daß Hr. Stupp plötzlich am 29. v. M. durch die hiesige Presse seine bevorstehende Ueberkunft ankündigen ließ und wirklich am 31. Morgen vorgeblich „zur Besprechung über die Verfassungsangelegenheit“ im Wahllokal erschien. Gleichzeitig hatte er auch für die Städtischen eine Art Rechenschaftsbericht über seine bisherige Wirksamkeit ausgeben lassen, wodurch er sich zweifelsohne die ihm abgeneigten Gemüther wieder zu gewinnen dachte. Nichts desto weniger war sein Empfang sehr frostig und niederschlagend. Denn außer einigen Pastören und ein paar Freunden hatte sich zur Begrüßung nur der Vorstand des hiesigen konst. Landwehrvereins in der Person des Bürgermeisters Leers eingefunden, so daß die Zahl der Anwesenden höchstens ein volles Dutzend betrug. Man wartete eine geraumige Zeit auf Zuzug aus der Stadt oder von Außen; aber Niemand wollte mehr erscheinen. Endlich nach 11 Uhr sammelte Hr. Stupp das Häuflein seiner Getreuen an seinem Tische um sich und ging dann zur Besprechung einzelner Verfassungsparagraphen über, wobei besonders die Frage über die Trennung der Kirche vom Staat und das Kirchenvermögen, über die Trennung der Schule von der Kirche und die Lehrerbesoldung Gegenstand der Unterhaltung war und unter Andern Hr. Stupp auch bemerkte, daß er zwar bedaure, nicht zur Verfassungskommission zu gehören, da er bei der Wahl eine Stimme zu wenig gehabt (von 23 nur 22), aber doch in den Vorkonferenzen sein Scherflein wohl mit dazu beigetragen habe. Während dessen trat nun noch zum Erstaunen Aller der Bürgermeister Dr. Günther von Düren mit seinen beiden Beigeordneten in den Saal, um dem Hrn. Stupp den Dank der Stadt für seine Vertretung zu bringen, was natürlich um so lächerlicher war, als nur ein paar Bürger zugegen und namentlich der sehr zahlreiche städtische Klub, über die Repräsentation Stupp's äußerst ungehalten, absichtlich fern geblieben war. Gegen Mittag schon ging die Versammlung auseinander und am Abend verließ Hr. Stupp höchst unbefriedigt die Stadt.
103 Berlin, 4. Aug. [Sitzung der Vereinbarer-Versammlung]. Die Konstablergeschichte hat die Abgeordneten Rodbertus, Schulze (v. Delitzsch) und v. Berg veranlaßt folgenden dringlichen Antrag zu stellen: „Das Staatsministerium um sofortige nachträgliche Vorlegung eines Gesetzes über die Schutzmannschaften zu ersuchen.“ ‒ Dr. Elsner stellte eine schleunige Interpellation an das Ministerium des Innern, dahin lautend: „ob dasselbe nicht geneigt ist, die militärische Stadt und Umgegend im höchsten Grade belästigende Besatzung aus Hirschberg zurückzuziehen.“ Sowohl Stadt als Umgegend befinden sich seit Monaten in der höchsten Ruhe und Ordnung. Die ohnedies schon sehr bedrängte Bevölkerung des Riesengebirges wird durch das Militär aufs Neue mit Ausgaben überbürdet und beunruhigt. ‒ Der Abgeordnete der Stadt Schweidnitz, Teichmann wollte wegen der dortigen Vorfälle interpelliren, alles dieses ist nun bis zur nächsten Sitzung verschoben.
Nach Eröffnung der heutigen Sitzung nimmt der Minister Präsident v. Auerswald das Wort: „Es haben sehr beklagenswerthe Vorfälle in Schweidnitz stattgefunden, die die öffentliche Theilnahme mit Recht in Anspruch nehmen. Nach eingegangenen amtlichen Nachrichten haben leider sechs Personen ihr Leben dabei eingebüßt und mehrere andere sind verwundet. Diese Umstände werden von einer Deputation, die ich vor der Sitzung empfing, bestätigt. Von Seiten der Regierung wird alles mögliche geschehen um den Thatbestand festzustellen. Ich enthalte mich jeder weitern Folgerung und füge hinzu, daß die Gesetze ihren vollen Lauf haben werden.“
Der Präsident Grabow zeigt an, daß mehrere dringende Anträge und Interpellationen eingegangen sind, daß man seiner Ansicht nach aber zuvor das Gesetz über Abschaffung der Todesstrafe, nach Beschluß in letzter Sitzung zu Ende berathe. ‒ Justizminister Märker: Die Frage wegen Abschaffung der Todesstrafe ist im Ministerium zur Sprache gekommen, es konnte aber keine Einigung hierüber stattfinden zwischen seinen Mitgliedern und man beschloß die Frage als eine offene zu betrachten und der Versammlung ganz freien Willen zu lassen. Ich werde Ihnen also nur meine eigene Meinung in dieser Sache mittheilen. Ich halte die sofortige Abschaffung der Todesstrafe für ein dringendes Bedürfniß. Früher hielt man es für nothwendig, daß die Todesstrafe durchaus angewendet werden mußte, Blut mußte wieder mit Blut gesühnt werden. Das war zur Zeit einer niederen Stufe der allgemeinen menschlichen Bildung. Ob nun das Volk schon auf höherer Stufe stehet, werden die Abgeordneten durch ihre Abstimmung zu erkennen geben, da sie das Volk vertreten. ‒ Die biblischn Gründe kann ich ebenfalls nicht gelten lassen, denn da es dort heißt; wer Blut vergießt dessen Blut soll wieder vergossen werden, so ist dieser Grundsatz, in jetziger Zeit wohl ebensowenig anzuwenden als der, welcher sagt: Auge um Auge; wie die Strafe bei diesen Verbrechen eine andere geworden ist, so können wir auch die Todesstrafe umwandeln. ‒ Auch die Abschreckungstheorie wird gegen die Abschaffung vorgebracht. Jeder soll aber nur bestraft werden, für das was er gethan hat, nicht um Andere damit abzuschrecken. ‒ Ich kann ferner nicht zugeben, daß im Volke durch Abschaffung der Todesstrafe das Ansehen der Gesetze leide. Meiner Ansicht nach, wird durch Abschaffung der Todesstrafe eben die Sicherheit der Person gesichert. Denn wie durch Abschaffung der Prügelstrafe, dieselbe gewiß im Volke weniger angewandt wird als früher, wo Jeder das Beispiel des Staats befolgte, so wird die Abschaffung der Todesstrafe dasselbe Resultat haben und der Mörder wird eine heilige Scheu vor dem Blutvergießen bekommen. ‒ Ich weiß aus Erfahrung, welchen großen Widerwillen und große Gewissenunruhen der Richter beim Erkennen der Todesstrafe empfindet. Dagegen spricht er mit gutem Gewissen, gestützt auf das Gesetz, jede andere Strafe aus. ‒ Auch findet man jetzt immer weniger Leute, die das Amt der Exekution übernehmen. ‒ Geschworne, werden eher freisprechen als zum Tode verurthelen, um ihr Gewissen nicht zu beschweren und der große Verbrecher wird demnach freigesprochen. ‒ Ein einziger Grund, der Justizmord, wäre schon hinreichend die Todesstrafe abzuschaffen. Wie ist das Gewissen des Richters oder des Geschwornen nicht belästigt, wenn es sich später herausstellt, daß ein falsches Urtheil gesprochen und unschuldiges Blut vergossen wurde. ‒ Es fragt sich auch ob der jetzige Zeitpunkt geeignet ist, der Abschaffung der Todesstrafe sofort die Gesetzeskraft zu geben, wei eine gänzliche Umarbeitung des Strafgesetzes in Arbeit ist. Man hat ferner gesagt, daß dadurch eine Ungleichheit in der Strafbestimmung eintrete. Das ist aber nur illusorisch, denn wenn das neue mildere Strafgesetz in Kraft tritt, so wird dasselbe auch darin eine rückwirkende Kraft ausüben, daß die schon erkannten Strafbestimmungen, wieder nach dem neuen Gesetze gemildert werden können. ‒ Schließlich erkläre ich mich noch, nach der Bestimmung des Kommissionsantrag, für Beibehaltung der Todesstrafe im Kriegs- und Belagerungszustande.
Es sprachen noch viele Redner für und gegen die Abschaffung der Todesstrafe unter denen nur die Rede des Abgeordneten D'Ester für gänzliche Abschaffung hervorzuheben ist. Er sagte unter andern: Es sind die verschiedenartigsten Gründe herbeigebracht worden für die Beibehaltung der Todesstrafe. Sie sind hergeholt worden aus dem Rechtspunkte, aus der Bibel, aus Himmel und Hölle, und ich weiß nicht, wo sonst noch her. Lassen Sie mich aber meine Gründe für Abschaffung der Todesstrafe vom Standpunkte des reinen Menschenrechts entwickeln. Wollen Sie nicht den Menschen von Geburt an als Sünder betrachten, so muß man die Motive beurtheilen, die den Verbrecher dazu leitet. Durch mancherlei Verhältnisse kann der Mensch zu einer That gezwungen werden, die, wenn man die Motive genau erwägt, wohl zu billigen ist. Man verurtheilt Leute, welche die edelsten Motive zu irgend einem Mord gebracht und wir sehen Männer auf offenem Markte Menschen niederschießen lassen. Ein solcher Mann kann das Opfer eines Systems sein. Er kann persönlich gegen das mörderische Verfahren sein, das er anordnet, aber das System befiehlt es ihm. Es hat Zeiten gegeben, wo es der Staat für nothwendig gefunden hat, Tausende zu tödten. Schaffen wir daher die Todesstrafe ohne alle Ausnahme ab. Auch für den Hochverrath ist sie keinesfalls nothwendig.
Nachdem die allgemeine Debatte geschlossen und das Amendement Schlink, eine motivirte Tagesordnung verworfen war, wurde zur Debatte über den § 1. geschritten. Unter Andern sprach der Abgeordnete Moritz gegen die Bestimmung, den Hochverrath auch ferner mit dem Tode zu bestrafen. Er sagt: „Hochverrath ist nur eine versuchte That, denn wenn er zur Ausführung gekommen und gelungen ist, so ist er kein Hochverrath mehr!“
Jetzt beginnt eine unfruchtbare Stunden lange Debatte über die Fragestellung und über die Priorität des Jonas'schen Amendements oder des Gesetzentwurfs. Namentliche Abstimmung wurde verlangt und angenommen. Auch beschloß man zuerst über das Jonas'sche Amendement abzustimmen, aber einige eigenwillige Abgeordnete, denen sich auch der Justizminister ganz unbefugterweise anschloß, da er kein Abgeordneter ist und deshalb in solchen Angelegenheiten nicht das Wort nehmen darf, protestirten dagegen. Dadurch entstand eine fürchterliche Aufregung und der Streit ward immer größer. Die Ministeriellen wollen den Beschluß dem Justizminister zu Gefallen umstoßen, und durch ihre Majorität beantragen sie eine neue Ordnung der Fragen. Aber die Redner der Linken überzeugen endlich die Versammlung, daß man durchaus über das Jonas'sche Amendement zuerst abstimmen muß. Dies Amendement lautet: „Die Todesstrafe ist ohne alle Ausnahme abgeschafft,“ und wird mit 193 gegen 164 Stimmen verworfen.
Endlich gelangt man zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Kommission. Der § 1 wird in zwei Theile getheilt. Der erste enthält die Worte: „die Todesstrafe ist abgeschafft,“ der zweite die Ausnahme. Der erste wird nach namentlicher Abstimmung mit 294 gegen 37 Stimmen angenommen.
Da die Zeit schon weit vorgeschritten, so beschließt man die fernere Abstimmung bis zu nächster Sitzung, die ausnahmsweise wegen der vielen dringenden Anträge und wegen Berathung der Habeas-Corpus-Akte auf Dienstag Morgen 8 Uhr festgesetzt wird, auszusetzen.
Mit Erwartung blickt Alles dem nächsten Sonntag entgegen. Die Bürgerwehr ist durch ihren permanenten Ausschuß zur Abstimmung darüber aufgefordert, ob sie sich Sonntag früh zu einer Parade versammeln und bei dieser Gelegenheit dem Reichsverweser „als freiwilliges Zeichen der freudigen Anerkennung und Huldigung, unbeschadet des Eides der Treue für König und Verfassung in Preußen, den diese Huldigung nicht stört, ein dreifaches Hoch bringen wolle.“ Von 102 Bezirkskompagnien haben sich 94 bis jetzt dafür erklärt. Die Armee wird dagegen von allen Huldigungsäußerungen absehen, da der Kriegsminister beschlossen hat, den Armeebefehl des Königs als genügenden Ausdruck der dem Reichsverweser schuldigen Ehrerbietung und Anerkennung zu betrachten.
Hr. Griesheim, der Socius des Kriegsministers, soll in Folge seiner berüchtigten Schrift über die Centralgewalt, vom Staatsministerium aller seiner Funktionen, welche irgend eine politische Thätigkeit voraussetzen, enthoben werden. Seine Stelle im Kriegsministerium soll anderweit besetzt werden, welches dringend nothwendig ist, da der Kriegsminister durchaus nicht mehr in den Sitzungen der Vereinbarerversammlung erscheint, und ihn demnach ein Anderer vertreten muß. Heute war Hr. Griesheim in der Vereinbarersitzung noch anwesend.
Das zweite Garderegiment, welches in Charlottenburg sich mehrfacher Insulten und Anfälle auf hiesige Studenten und Bürger hat zu Schulden kommen lassen, ist nach Nauen versetzt worden. Der Kriegsminister beabsichtigte Anfangs, diese Vorfälle ganz unberücksichtigt zu lassen; den Studenten, welche sich bei ihm beschwerten, sagte er: „es sei dunkel gewesen und es würde nicht möglich sein, die Schuldigen herauszufinden; sie möchten künftig Demonstrationen unterlassen, welche die Aufmerksamkeit des ohnehin gereizten Militärs auf sie lenken müßten.“ Nur den dringlichen Forderungen des Ministers des Innern, Kühlwetter soll es zuzuschreiben sein, daß dennoch eine Untersuchung gegen die Soldaten eingeleitet ist. Insbesondere soll ein Lieutenant schwer gravirt sein. Als bei demselben einige gemißhandelte Studenten beschwerdeführend Schutz gegen die Brutalität der Soldaten suchten, außerte er: „Ihr kommt vom Spandauer Berge, da kommt ja die deutsche Einheit her; der kann es nicht schaden, wenn sie in den Dreck geschleift wird.“ Die Soldaten haben nämlich die den Studenten entrissene deutsche Fahne in den Koth getreten.
Im Ministerium des Innern ist jetzt ein Berichtigungsbureau eingerichtet, an dessen Spitze Hr. v. Hasenkamp aus Aachen gestellt ist. Das Gerücht bezeichnet diesen Herrn als den künftigen Schwiegersohn des Hrn. Hansemann, wobei jedoch zu bemerken ist, daß das hiesige Publikum mit der Vertheilung der Töchter des Finanzministers sehr freigebig ist, denn nicht nur Hr. v. Hasenkamp, auch der Polizeipräsident v. Bardeleben und der Minister Kühlwetter werden zu dessen Schwiegersöhnen designirt.
Der Oberlandesgerichts-Auskultator Dortu aus Potsdam stand heute vor dem Kammergericht der Majestätsbeleidigung angeklagt wegen einer Rede, die er am 18. Mai im politischen Klub in Potsdam gehalten hat: Der in der Rede vorkommende Ausdruck „Rabenvater“ wurde als sich nicht auf den König beziehend angenommen, dagegen der Ausdruck „Kartätschenprinz“ auf den Prinzen von Preußen bezogen, und wurde der Angeklagte deshalb zu achtzehn Monat Festungsarrest und Verlust des künftigen Anspruchs an eine Stelle im Staatsdienst verurtheilt!!! Errungenschaft der Märzrevolution! Die Denunciation gegen den Verurtheilten wurde erst nach 8 Wochen, nachdem er die Rede gehalten, eingereicht, früher hielt man es nicht angemessen, damit hervorzutreten. Der frühere Staats-Anwalt, Hr. v. Kirchmann, hätte sie jedenfalls zurückgewiesen. Aber unsere Kammergerichtsräthe das sind die Reaktion selbst in höchsteigener Person und wenn die Vereinbarer sich nicht beeilen, die alten Landrechtsparagraphen aufzuheben, so werden danach noch halb Berlin in die Festungen geschickt werden.
119 Berlin, 4. Aug. Herr von Griesheim, Obristlieutenant, Direktor im Kriegsministerium wird endlich, wie bestimmt versichert wird, aus dem Kriegsministerium ausscheiden, und die Nationalversammlung wird auf diese Weise die Erholung verlieren, den edlen Kavalier zur Erquickung aller Patrioten von „Anno Toback“ auf dem altpreußischen Korporalstock der Kommisbegeisterung ferner herumgalloppiren zu sehen. Das Ministerium soll überhaupt beabsichtigen den Staatsstall von dem festgetretenen Mist des reaktionären Beamtenthums durchgreifend zu reinigen ‒ eine schöne, eine dankenswerthe Arbeit ‒ aber auch eine Herkules-Arbeit, und die Herkulesse sind heuer sparsam gerathen. Gleichzeitig erfährt man, daß auch in Löbau in Westpreußen ähnliche Gräuel vorgekommen sein sollen wie in Schweidnitz.
In der gestrigen Sitzung des hiesigen „Bürgerwehrausschusses“ erregte der Bericht über die Schweidnitz'schen Ereignisse allgemeine Erbitterung. Man beschloß sogleich im Namen der Berliner Bürgerwehr eine Adresse an die Schweidnitzer Kameraden abzusenden, in welcher mit der Versicherung der lebendigsten Theilnahme die tiefste Entrüstung über das Vorgefallene ausgedrückt wird. Zugleich wurde eine Sammlung für die Verwundeten und Hinterbliebenen der Gefallenen beschlossen.
40 Berlin, 4. August. Von dem Abgeordneten Krackrügge ist bei der National-Versammlung ein Antrag, die bekannte Westphälische Staatsschuld betreffend, eingebracht, welcher für die Inhaber der Obligationen eine Anerkennung derselben, oder doch jedenfalls die Zulassung zum Rechtswege verlangt. Von der vormaligen Regierung wurden desfallsige Ansprüche, welche höchst gerecht erschienen, immer durch eine bloße Ministerial-Verfügung von der Hand gewiesen.
In diesem Augenblick (1 Uhr Mittags) sind vor der Aula viele hundert Studenten versammelt, welche Berathung pflegen über die gestern und vorgestern vom 2. Garderegiment in Charlottenburg erlittenen Mißhandlungen.
Berlin, 4. August. Der Staats-Anzeiger enthält allerlei offizielle und halboffizielle Mittheilungen:
1) ein langes Cholera-Reglement aus der 2. Abtheilung des Ministeriums des Innern, gezeichnet Puttkammer und das hauptsächlich Data über Entstehung dieses Reglements selbst enthält;
2) die Anzeige des Hrn. Hansemann an die Regierung, daß die freiwillige Anleihe nicht am 10. August geschlossen wird;
3) einige Ministerialverfügungen über Kirchensachen und Laudemien, ohne alle Bedeutung.
4) Aufhebung des Verbots des Wanderns der Handwerker nach der Schweiz für den Reg.-Bez. Potsdam.
‒ Die Verwickelungen mit den Buchdruckergehülfen dauern noch immer fort. Die gestrige Zeitungshalle ist ganz ausgeblieben, eben so die neue preußische Zeitung; die „Reform“ ist nur in einem halben Bogen erschienen. (Auch heute Abend ist keine Zeitungshalle erschienen.
(Voss. Z.) ‒ Der Oberst Willisen, ist nach erfolgter Ernennung zum Generalmajor mit einer außerordentlichen Sendung nach Paris betraut worden. Man glaubt, daß diese Sendung den Zweck habe, die französische Republik der friedlichen und freundschaftlichen Gesinnungen Preußens zu versichern.
(Voss. Z.) * Erfurt, 2. August. Heute Mittag marschirten etwa 6 Kompagnien des 31. Regiments mit 3 Geschützen und ein Theil der Kurassiere nach Gera. Die Unruhrn daselbst müssen also sehr ernster Art sein.
Schweidnitz, 1. Aug. Nachmittag 1 Uhr. Der Bürgermeister hat auf stürmisches Anfordern der Bürger, und auf die Vorstellungen der Stadtverordneten sein Amt niedergelegt und auf Verlangen diese Erklärung schriftlich von sich gegeben, jedoch mit dem Bemerken, daß er, da er eigenes Vermögen nicht besitze, auf die gesetzliche Pension Anspruch zu machen sich genöthigt sehe. Die Stadtverordneten und der Magistrat haben aus ihrer Mitte zwei Kommissionen ernannt, und die eine, bestehend aus den Herren Kaufmann Arnold, Schlossermeister Führich und Rathsherrn Feuerstack, nach Breslau entsendet, um die hiesigen Vorgänge dem Oberpräsidenten und dem kommandirenden General mitzutheilen, und da der Kommandant sich weigere, das Militär zurückzuziehen, Letzteren zu ersuchen, die Abberufung des Militärs, wie des Kommandanten, verfügen zu wollen; die andere aber, gebildet von den Herren Syndikus Pfitzner, Lederfabrikant Münch und Seifensieder Koch, zu dem bereits erwähnten Zwecke nach Berlin bestimmt, wohin sie heute Abend abreisen wird. ‒ Die Stadt ist in Belagerungszustand, die Kanonen auf den Wällen sind nach der Stadt gekehrt, und jedes Geschütz mit Munition für 10 Schuß versehen. ‒ Die Bürgerwehr ist nicht aufgelöst; ‒ es war nur Gerücht.
2 Uhr Nachmittag. Die Aufregung dauert fort. Die Bürger hatten schon am Morgen die bei ihnen einquartierten Infanteristen ausgewiesen; jetzt rotten sich die Arbeiter auf dem Ringe zusammen. Einige Artillerie-Offiziere suchen eine Verständigung herbeizuführen, doch umsonst; man besteht auf Entfernung des betreffenden Füsilier-Bataillons, das jetzt ganz herangezogen und auf dem Ringe aufgestellt wird.
3 Uhr. Das Militär wird abziehen, heißt es: da fallen im Rathhause zwei Schüsse, wie man sagt, ein Signal des hier gefangen gehaltenen Füsilier-Majors v. Gersdorf, der gestern Abend den Befehl zum Schießen gegeben haben soll. Das Militär rückt gegen das Rathhaus und dringt ein, wird aber von den Bürgern wieder zurückgedrängt, ohne daß ein Schuß fällt, oder Jemand irgendwie verletzt wird. Das Militär zieht sich jetzt in der That zurück, nach einem Beschlusse der dasselbe kommandirenden Offiziere, so sagt man; die Kanonen werden abgefahren, das Bataillon rückt in die Kasernen, doch nicht ohne daß vorher noch einer Frau durch einen Musketenschuß, den ein Soldat, sei es aus Unvorsichtigkeit oder aus Bosheit, abfeuerte, ein Arm zerschmettert worden ist. Die Mannschaften auf der Hauptwache werden von den Bürgern mit Steinwürfen vertrieben, und sämmtliche Wachposten von der Bürgerwehr besetzt. Jetzt verbreitet sich die Kunde, der Kommandant, den man nur einen Mörder nennt, habe seinen Posten niedergelegt; die Kunde wird zur Gewißheit und erregt allgemeine Freude. Eine offene Erklärung des Offizierkorps, und die Vorstellungen des eben hier anwesenden Generals Fromm sollen den Kommandanten zu jenem Entschlusse bewogen haben. Doch sind die Räume des Kommandanturgebäudes noch voll bewaffneter Soldaten.
Bis jetzt, Abends 6 Uhr, ist die Ruhe nicht weiter gestört worden. Die Bürgerwehr hat fast alle Wachen inne, nur die Artillerie, mit der die Bürgerschaft stets auf gutem Fuße gestanden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |