Neue Rheinische Zeitung. Nr. 55. Köln, 25. Juli 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 55. Köln, Dienstag 25. Juli 1848Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1.Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Deutschland
* Köln, 23. Juli. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. 19 Köln, 23. Juli.
Wir erhalten fortwährend neue Belege über den heldenmüthigen, " auch in seiner Uebertreibung so schönen und herzerwärmenden" Patriotismus, mit welchem das jüdisch-germanische Kamaschenritterthum den jüngsten polnischen Raub in's Werk gesetzt hat. Die glorreichen Pacifikations- und Reorganisations-Pläne, welche mit den zweideutigen Konzessionen des Berliner Revolutionsfiebers introduziert, von den deutschen Beamten und Juden in Posen aufgenommen und durch die Kartätschen des General Pfuel (von Höllenstein) zum erwünschten Durchbruch gebracht sind allmählig in ihrem wahren Charakter zu Tage gekommen. Niemand wird die merkwürdige Uebereinstimmung der Ereignisse in Posen, Krakau und Prag für einen bloßen Zufall halten. Wir kommen aber um so eher auf das preußische Liebeswerk zurück, als die freie deutsche Presse offenbaren Chorus darin macht in ihrer gewohnten bedientenhaften National-Livree trotzähnlich hinter den Chrapnell- und Höllenstein-Heroen einherzuziehen und auf dem Leichenfelde Polens den Gemordeten noch den Tritt des Thieres in der Fabel zu geben. Man kennt den " Freiheitssinn" der Deutschen. Die große Denkernation kämpft überall in Gedanken mit, wenn in Paris, Italien, Griechenland eine Erhebung statt findet, und "wenn hinten, weit in der Türkei die Völker aufeinander schlagen." Sie hat auch der polnischen Tragödie zeitweilig ihre tiefgefühlten Sympathien zu erkennen gegeben: während 1831 ihre Söhne an Ort und Stelle mit allem Heroismus der Stockdressur die Polen schlachteten, zupften die deutschen Weiber für die heimathlosen Flüchtlinge und Verbannten Charpie und die Männer betoasteten in zweckessendem Heldenmuth die Freiheit, die unter den Bajonetten ihrer eigenen Despoten fiel. Gegenwärtig, wo statt der sympathetischen Gefühle, die Loslassung des alten Raubes auf der Tagesordnung steht, versäumt jedoch der gesinnungswüthige Nationalismus kein Mittel, den Polen ihr eingestandenes "letztes Gut, die Achtung der freien Völker" zu rauben; die alten Judenmährchen von Vergiftung der Brunnen und Ermordung der Deutschen, tauchen wieder auf, und den Polen wird systematisch jeder Weg der Vertheidigung gegen die Verläumdungen ihrer Sieger abgeschnitten. Nicht allein den Polen, sondern ebensowohl auch dem General Willisen haben u. A., wie wir aus einer Broschüre Koscielski's ersehen, die Berliner Zeitungen, die Vossische, Spener'sche und Zeitungshalle die Aufnahme rechtfertigender Inserate verweigert. Und in der Frankfurter Nationalversammlung, die bisher über ihren Zweckessen in der Mainluft noch keine Zeit für die Lage des zertretenen Polens finden konnte, wird die Posener Frage an einem Tage, wo gerade die Bevollmächtigten der polnischen Nation zur Ueberreichung neuer Denkschriften die Debatte um 24 Stunden vertagt verlangen, plötzlich mit rührender Eilfertigkeit auf die Tagesordnung gesetzt, damit nach dem Antrag des Ritters Lychnowski und des verkindeten Arndt die Polen, die keine Vertreter in den deutschen Nationalausschüssen besitzen, nicht noch einmal vor dem Schluß Gehör erhalten. Das war bisher die Gerechtigkeit, welche die Polen bei ihren deutschen "Brüdern" gefunden haben. Kommen wir indeß wieder auf das preußische Reorganisationswerk zurück. Man weiß, wie die Mission des ersten Reorganisationskommissarius Willisen an der interessanten Säbeldiktatur der ihm untergebenen Generale scheiterte. Der kommandirende General Colomb, dessen glückliche strategische Combinationen die galizischen Mordscenen in Posen hauptsächlich hervorriefen und dem General Pfuel (von Höllenstein) den Weg bahnten, hat sich seitdem zweimal in einer öffentlichen Rechtfertigung versucht, zuerst in einer "offiziellen Nachweisung" und neuerdings in einer von seinem "Generalstabsmajor" unterzeichneten und von ihm wenigstens censirten und approbirten "aktenmäßigen Darlegung". Der Erfolg der ersten ist durch die Nothwendigkeit der zweiten Erklärung außer Zweifel gesetzt; wir würden uns auch auf die letztere nicht bezogen haben, hätte sie nicht eine Erwiederung erhalten, die in dem ordnungsmäßigen Deutschland von Gewicht ist, nämlich eine offene Entgegnung des ersten Kommissarius, General Willisen. Die Adjutanten der Generale Colomb, Hirschfeld (v. Shrapnells) und Pfuel (v. Höllenstein) mußten es natürlich sonderbar finden, daß man unter den Polen überall Sympathieen und Achtung für Herrn Willisen hegte, für die Liebesmaßregeln ihrer speziellen Herren aber wenig Dankbarkeit zeigte, und der "Generalstabsmajor" ist hieraus auf den Schluß gekommen, daß der Reorganisationskomissarius mehr mit den Polen, als mit den "Truppen" verkehrt habe. Sonderbares Benehmen, mit den zu "reorganisirenden" Polen zu verkehren! Was werden die Adjutanten jedoch sagen, wenn sie Herrn Willisen erst die "Pläne", welche er mit den Polen vorgehabt, offen darlegen sehen? "Ich habe mich nie von der Ansicht losmachen können," heißt es in der Broschüre desselben, "daß unsere Herrschaft in Posen auf nichts anderem beruhe, als auf der Gewalt, und mithin unermeßliche Pflichten auflege,.. vor allem aber die der Milde. Das ganze Geheimniß des unermeßlichen Vertrauens, welches ich bei den Polen genossen, liegt darin, daß ich während eines neunjährigen Aufenthalts unter ihnen diese Ansichten nicht verborgen, zu einer Zeit, wo sie unter den Meinigen für die höchste Ketzerei galt, zur Zeit des entschiedenen Germanisirens von 1832-1840. Ich bedauerte die falschen Wege der Regierung ... Die Adjutanten und Generalstäbe sämmtlicher Armeekorps werden bei diesen Worten in Entsetzen gerathen. Ein Offizier, ein "höherer" Offizier (" was des Beispiels wegen um so gefährlicher ist," - General Tietzen;) hat es gewagt, neun Jahre lang anderer "Ansicht" als die obersten Staatsbehörden zu sein! Wo ist die Zucht der inneren Fuchtel" hin? "Wenn ich bei solchen Ansichten, erzählt Hr. Willisen weiter, nur noch die Umstände erwog, unter welchen die gegenwärtige Erhebung der polnischen Nationalität stattgefunden hatte, wenn ich mir sagen mußte, sie seien durch unsere eignen Thaten, durch den Triumphzug des Volks mit den polnischen Gefangenen in Berlin, durch den von der ganzen civilisirten Welt erhobenen Ruf: Polen soll frei, die alte Sünde wieder gut gemacht werden! hervorgerufen worden,.... wie konnte es mir da einfallen, gleich, so wie ich ankam, mit Kartätschen zu reden?" Der Besitz Polens eine "alte Sünde"; die Berliner Revolution - "unsere - - des Volkes That"! Und es giebt kein "Ehrengericht" für einen General! "Ich war der Erste, der den Weg des Verständigens versuchte, und die Polen haben mir ihn möglich gemacht, sogar dann noch, als zuerst von Trennung des Landes die Rede war; nur wollten sie die Scheidungslinie nicht von der deutschen Beamtenwelt gezogen haben." Als später die "Scheidungslinie" immer enger gezogen wurde, je stärker die pommer'schen und schlesischen Truppen das "pacificirte" Land besetzten, war es diese deutsche Beamtenwelt, welche jeden neuen Raub durch falsche Berichte über die "vorwiegend deutsche" Bevölkerung unterstützte, und den ersten begründeten Verdacht der Polen rechtfertigte. Diese falschen Listen über das Verhältniß der Bevölkerung bilden auch heute den letzten Vorwand der deutschen Nationalfanatiker, welche in merkwürdiger Wahlverwandschaft auch die Juden, die weder deutscher Abkunft noch einen deutschen Jargon sprechen, zu den Ihrigen zählen. Herr Willisen bestätigt ebenfalls die Berichte des Erzbischofs von Gnesen und Posen, welche nicht die Hälfte, sondern höchstens den 6. Theil der Bevölkerung des Großherzogthums als deutsch erweisen. Die Art, in welcher aber diese Deutschen nach Polen gepfropft wurden, ist indeß durch die Kabinetsordre vom 13. März 1833 erklärt, wonach die subhastirten Polengüter in kleinen Parzellen an lediglich deutsche Erwerber veräußert werden mußten: der Fiskus, welcher die Taxen selbst machte, überließ den polnischen Boden den Deutschen, die aus andernProvinzen kamen, oft mit Erlaß der Kaufgeldzahlung, und schoß ihnen, in der sichern Aussicht, daß die Güter den Taxwerth überwogen, selbst das Betriebskapital vor; Spekulanten und Glücksritter, die ohne die geringsten Mittel nach Polen kamen, bildeten den Kern der stammverwandten deutsch-jüdischen Bevölkerung, welche die Sympathien der Krämer und Beutelschneider in Deutschland für sich in Bewegung setzt. "Durch den Weg der Verständigung, sagt Hr. Willisen, kam ich bald so weit, daß, wäre nicht Posen durch einen strategischen Fehler, gegen den ich von Anfang an mit aller Gewalt protestirt habe, statt des zehnfach wichtigeren Breslau zur Hauptfestung dieses Theils unserer Gränze erhoben worden, eine Ausgleichung der sich schneidend entgegengesetzten Interessen leicht zu Stande gekommen wäre. Erst durch den strategisch fehlerhaften und enormen Festungsbau und der damit zusammenhängenden heftigen, schnellen Germanisirung ist es dahin gekommen, daß für jetzt eine überwiegend deutsche und jüdische Bevölkerung in der Stadt Posen ihren Sitz hat." Der General Willisen hat nur von vornherein Einen Fehler begangen, indem er die verheißene nationale Reorganisation Polens ernsthaft nahm. Diese Verheißung war dem Schrecken und der Ohnmacht während der Märzrevolution entrissen worden, und seine eigne "Vermittlung" in Polen unter dem Uebergangsministerium Camphausen war selbst nur ein Uebergang zu dem "Pacificator der That" General Pfuel (von Höllenstein), der seine Triumphe gleich einem indianischen Häuptling nach den Scalps der Feinde zählt. In dieser Weise auch ist es zu erklären, daß Hr. Willisen, wie er selbst erzählt, stets mit den Ansichten "einiger Führerund namentlich des Stabes" zu kämpfen gehabt; daß die Konvention des Kommissarius, unmittelbar nach ihrer Erfüllung durch die Polen, von der preußischen Soldateska gebrochen wurde; und daß der General Colomb fünfmal die bestimmten Befehle, die Polen nicht anzugreifen, ohne alle Provokation überschreiten konnte. Hr. Willisen antwortet auf die Vorwürfe der deutsch-jüdischen Reaktion, daß er die, ursprünglich gegen die Russen gebildeten polnischen Cadres durch die Convention genehmigt habe: "neben einer freien Presse im Großherzogthum Posen würde wohl die Formation einiger Polen-Bataillone mit preußisch-polnischer Kokarde keinen größeren Einfluß auf das eingeübt haben, was Rußland überhaupt gegen die europäische Revolution im Sinne gehabt." Herr Willisen hat indeß diese von dem Ministerium bestätigte Konvention nicht mehr zu vertheidigen. Der "Generalstabsmajor" des General Colomb hat ihre Bedeutung und die ganze Bedeutung des preußischen Säbelterrorismus in Posen in den Ausspruch zusammengefaßt: daß die Konvention, welche nicht vom Könige unmittelbar,sondern bloß vom Ministerium bestätigt worden, gar nicht gültig gewesen sei. Dies ist der wahre Inhalt des polnischen Liebeswerkes. Die preußische Soldateska wüthete in Posen a l'honneur du roi; die Polen fielen unter den Bajonetten und Kartätschen ihrer Pacificatoren als ein Racheopfer für die Resultate der Revolution. Die Feuer der angezündeten Dörfer waren das Morgenroth, welches den neuerstandenen absoluten Königsthron verklärte; die durchwühlten Gräber, die geplünderten Kirchen, das große Todtenfeld einer mit systematischer Verrätherei hingeschlachteten Nation waren die Trophäen der "auch in ihrer Uebertreibung so schönen und herzerwärmenden" Herstellung der "Ordnung von Gottes Gnaden." Hony soit qui mal y pense! Möge Herr Hansemann immerhin die Berliner Vereinbarerversammlung, deren Reden wie "trübe Regentropfen aus bleiernen Dachrinnen" träufeln, mit der Kanzlei-Anerkennung der Revolution beruhigen; so lange die Helden des polnischen Reorganisationswerkes auf freien Füßen einherwandeln, wird die Revolution selbst sich nicht für beendigt erklären. ** Köln, 24. Juli.
Die Debatte über den Jacobyschen Antrag. (Schluß). Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 55. Köln, Dienstag 25. Juli 1848Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1.Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Deutschland
* Köln, 23. Juli. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. 19 Köln, 23. Juli.
Wir erhalten fortwährend neue Belege über den heldenmüthigen, „ auch in seiner Uebertreibung so schönen und herzerwärmenden“ Patriotismus, mit welchem das jüdisch-germanische Kamaschenritterthum den jüngsten polnischen Raub in's Werk gesetzt hat. Die glorreichen Pacifikations- und Reorganisations-Pläne, welche mit den zweideutigen Konzessionen des Berliner Revolutionsfiebers introduziert, von den deutschen Beamten und Juden in Posen aufgenommen und durch die Kartätschen des General Pfuel (von Höllenstein) zum erwünschten Durchbruch gebracht sind allmählig in ihrem wahren Charakter zu Tage gekommen. Niemand wird die merkwürdige Uebereinstimmung der Ereignisse in Posen, Krakau und Prag für einen bloßen Zufall halten. Wir kommen aber um so eher auf das preußische Liebeswerk zurück, als die freie deutsche Presse offenbaren Chorus darin macht in ihrer gewohnten bedientenhaften National-Livree trotzähnlich hinter den Chrapnell- und Höllenstein-Heroen einherzuziehen und auf dem Leichenfelde Polens den Gemordeten noch den Tritt des Thieres in der Fabel zu geben. Man kennt den „ Freiheitssinn“ der Deutschen. Die große Denkernation kämpft überall in Gedanken mit, wenn in Paris, Italien, Griechenland eine Erhebung statt findet, und „wenn hinten, weit in der Türkei die Völker aufeinander schlagen.“ Sie hat auch der polnischen Tragödie zeitweilig ihre tiefgefühlten Sympathien zu erkennen gegeben: während 1831 ihre Söhne an Ort und Stelle mit allem Heroismus der Stockdressur die Polen schlachteten, zupften die deutschen Weiber für die heimathlosen Flüchtlinge und Verbannten Charpie und die Männer betoasteten in zweckessendem Heldenmuth die Freiheit, die unter den Bajonetten ihrer eigenen Despoten fiel. Gegenwärtig, wo statt der sympathetischen Gefühle, die Loslassung des alten Raubes auf der Tagesordnung steht, versäumt jedoch der gesinnungswüthige Nationalismus kein Mittel, den Polen ihr eingestandenes „letztes Gut, die Achtung der freien Völker“ zu rauben; die alten Judenmährchen von Vergiftung der Brunnen und Ermordung der Deutschen, tauchen wieder auf, und den Polen wird systematisch jeder Weg der Vertheidigung gegen die Verläumdungen ihrer Sieger abgeschnitten. Nicht allein den Polen, sondern ebensowohl auch dem General Willisen haben u. A., wie wir aus einer Broschüre Koscielski's ersehen, die Berliner Zeitungen, die Vossische, Spener'sche und Zeitungshalle die Aufnahme rechtfertigender Inserate verweigert. Und in der Frankfurter Nationalversammlung, die bisher über ihren Zweckessen in der Mainluft noch keine Zeit für die Lage des zertretenen Polens finden konnte, wird die Posener Frage an einem Tage, wo gerade die Bevollmächtigten der polnischen Nation zur Ueberreichung neuer Denkschriften die Debatte um 24 Stunden vertagt verlangen, plötzlich mit rührender Eilfertigkeit auf die Tagesordnung gesetzt, damit nach dem Antrag des Ritters Lychnowski und des verkindeten Arndt die Polen, die keine Vertreter in den deutschen Nationalausschüssen besitzen, nicht noch einmal vor dem Schluß Gehör erhalten. Das war bisher die Gerechtigkeit, welche die Polen bei ihren deutschen „Brüdern“ gefunden haben. Kommen wir indeß wieder auf das preußische Reorganisationswerk zurück. Man weiß, wie die Mission des ersten Reorganisationskommissarius Willisen an der interessanten Säbeldiktatur der ihm untergebenen Generale scheiterte. Der kommandirende General Colomb, dessen glückliche strategische Combinationen die galizischen Mordscenen in Posen hauptsächlich hervorriefen und dem General Pfuel (von Höllenstein) den Weg bahnten, hat sich seitdem zweimal in einer öffentlichen Rechtfertigung versucht, zuerst in einer „offiziellen Nachweisung“ und neuerdings in einer von seinem „Generalstabsmajor“ unterzeichneten und von ihm wenigstens censirten und approbirten „aktenmäßigen Darlegung“. Der Erfolg der ersten ist durch die Nothwendigkeit der zweiten Erklärung außer Zweifel gesetzt; wir würden uns auch auf die letztere nicht bezogen haben, hätte sie nicht eine Erwiederung erhalten, die in dem ordnungsmäßigen Deutschland von Gewicht ist, nämlich eine offene Entgegnung des ersten Kommissarius, General Willisen. Die Adjutanten der Generale Colomb, Hirschfeld (v. Shrapnells) und Pfuel (v. Höllenstein) mußten es natürlich sonderbar finden, daß man unter den Polen überall Sympathieen und Achtung für Herrn Willisen hegte, für die Liebesmaßregeln ihrer speziellen Herren aber wenig Dankbarkeit zeigte, und der „Generalstabsmajor“ ist hieraus auf den Schluß gekommen, daß der Reorganisationskomissarius mehr mit den Polen, als mit den „Truppen“ verkehrt habe. Sonderbares Benehmen, mit den zu „reorganisirenden“ Polen zu verkehren! Was werden die Adjutanten jedoch sagen, wenn sie Herrn Willisen erst die „Pläne“, welche er mit den Polen vorgehabt, offen darlegen sehen? „Ich habe mich nie von der Ansicht losmachen können,“ heißt es in der Broschüre desselben, „daß unsere Herrschaft in Posen auf nichts anderem beruhe, als auf der Gewalt, und mithin unermeßliche Pflichten auflege,‥ vor allem aber die der Milde. Das ganze Geheimniß des unermeßlichen Vertrauens, welches ich bei den Polen genossen, liegt darin, daß ich während eines neunjährigen Aufenthalts unter ihnen diese Ansichten nicht verborgen, zu einer Zeit, wo sie unter den Meinigen für die höchste Ketzerei galt, zur Zeit des entschiedenen Germanisirens von 1832-1840. Ich bedauerte die falschen Wege der Regierung … Die Adjutanten und Generalstäbe sämmtlicher Armeekorps werden bei diesen Worten in Entsetzen gerathen. Ein Offizier, ein „höherer“ Offizier („ was des Beispiels wegen um so gefährlicher ist,“ ‒ General Tietzen;) hat es gewagt, neun Jahre lang anderer „Ansicht“ als die obersten Staatsbehörden zu sein! Wo ist die Zucht der inneren Fuchtel“ hin? „Wenn ich bei solchen Ansichten, erzählt Hr. Willisen weiter, nur noch die Umstände erwog, unter welchen die gegenwärtige Erhebung der polnischen Nationalität stattgefunden hatte, wenn ich mir sagen mußte, sie seien durch unsere eignen Thaten, durch den Triumphzug des Volks mit den polnischen Gefangenen in Berlin, durch den von der ganzen civilisirten Welt erhobenen Ruf: Polen soll frei, die alte Sünde wieder gut gemacht werden! hervorgerufen worden,.... wie konnte es mir da einfallen, gleich, so wie ich ankam, mit Kartätschen zu reden?“ Der Besitz Polens eine „alte Sünde“; die Berliner Revolution ‒ „unsere ‒ ‒ des Volkes That“! Und es giebt kein „Ehrengericht“ für einen General! „Ich war der Erste, der den Weg des Verständigens versuchte, und die Polen haben mir ihn möglich gemacht, sogar dann noch, als zuerst von Trennung des Landes die Rede war; nur wollten sie die Scheidungslinie nicht von der deutschen Beamtenwelt gezogen haben.“ Als später die „Scheidungslinie“ immer enger gezogen wurde, je stärker die pommer'schen und schlesischen Truppen das „pacificirte“ Land besetzten, war es diese deutsche Beamtenwelt, welche jeden neuen Raub durch falsche Berichte über die „vorwiegend deutsche“ Bevölkerung unterstützte, und den ersten begründeten Verdacht der Polen rechtfertigte. Diese falschen Listen über das Verhältniß der Bevölkerung bilden auch heute den letzten Vorwand der deutschen Nationalfanatiker, welche in merkwürdiger Wahlverwandschaft auch die Juden, die weder deutscher Abkunft noch einen deutschen Jargon sprechen, zu den Ihrigen zählen. Herr Willisen bestätigt ebenfalls die Berichte des Erzbischofs von Gnesen und Posen, welche nicht die Hälfte, sondern höchstens den 6. Theil der Bevölkerung des Großherzogthums als deutsch erweisen. Die Art, in welcher aber diese Deutschen nach Polen gepfropft wurden, ist indeß durch die Kabinetsordre vom 13. März 1833 erklärt, wonach die subhastirten Polengüter in kleinen Parzellen an lediglich deutsche Erwerber veräußert werden mußten: der Fiskus, welcher die Taxen selbst machte, überließ den polnischen Boden den Deutschen, die aus andernProvinzen kamen, oft mit Erlaß der Kaufgeldzahlung, und schoß ihnen, in der sichern Aussicht, daß die Güter den Taxwerth überwogen, selbst das Betriebskapital vor; Spekulanten und Glücksritter, die ohne die geringsten Mittel nach Polen kamen, bildeten den Kern der stammverwandten deutsch-jüdischen Bevölkerung, welche die Sympathien der Krämer und Beutelschneider in Deutschland für sich in Bewegung setzt. „Durch den Weg der Verständigung, sagt Hr. Willisen, kam ich bald so weit, daß, wäre nicht Posen durch einen strategischen Fehler, gegen den ich von Anfang an mit aller Gewalt protestirt habe, statt des zehnfach wichtigeren Breslau zur Hauptfestung dieses Theils unserer Gränze erhoben worden, eine Ausgleichung der sich schneidend entgegengesetzten Interessen leicht zu Stande gekommen wäre. Erst durch den strategisch fehlerhaften und enormen Festungsbau und der damit zusammenhängenden heftigen, schnellen Germanisirung ist es dahin gekommen, daß für jetzt eine überwiegend deutsche und jüdische Bevölkerung in der Stadt Posen ihren Sitz hat.“ Der General Willisen hat nur von vornherein Einen Fehler begangen, indem er die verheißene nationale Reorganisation Polens ernsthaft nahm. Diese Verheißung war dem Schrecken und der Ohnmacht während der Märzrevolution entrissen worden, und seine eigne „Vermittlung“ in Polen unter dem Uebergangsministerium Camphausen war selbst nur ein Uebergang zu dem „Pacificator der That“ General Pfuel (von Höllenstein), der seine Triumphe gleich einem indianischen Häuptling nach den Scalps der Feinde zählt. In dieser Weise auch ist es zu erklären, daß Hr. Willisen, wie er selbst erzählt, stets mit den Ansichten „einiger Führerund namentlich des Stabes“ zu kämpfen gehabt; daß die Konvention des Kommissarius, unmittelbar nach ihrer Erfüllung durch die Polen, von der preußischen Soldateska gebrochen wurde; und daß der General Colomb fünfmal die bestimmten Befehle, die Polen nicht anzugreifen, ohne alle Provokation überschreiten konnte. Hr. Willisen antwortet auf die Vorwürfe der deutsch-jüdischen Reaktion, daß er die, ursprünglich gegen die Russen gebildeten polnischen Cadres durch die Convention genehmigt habe: „neben einer freien Presse im Großherzogthum Posen würde wohl die Formation einiger Polen-Bataillone mit preußisch-polnischer Kokarde keinen größeren Einfluß auf das eingeübt haben, was Rußland überhaupt gegen die europäische Revolution im Sinne gehabt.“ Herr Willisen hat indeß diese von dem Ministerium bestätigte Konvention nicht mehr zu vertheidigen. Der „Generalstabsmajor“ des General Colomb hat ihre Bedeutung und die ganze Bedeutung des preußischen Säbelterrorismus in Posen in den Ausspruch zusammengefaßt: daß die Konvention, welche nicht vom Könige unmittelbar,sondern bloß vom Ministerium bestätigt worden, gar nicht gültig gewesen sei. Dies ist der wahre Inhalt des polnischen Liebeswerkes. Die preußische Soldateska wüthete in Posen à l'honneur du roi; die Polen fielen unter den Bajonetten und Kartätschen ihrer Pacificatoren als ein Racheopfer für die Resultate der Revolution. Die Feuer der angezündeten Dörfer waren das Morgenroth, welches den neuerstandenen absoluten Königsthron verklärte; die durchwühlten Gräber, die geplünderten Kirchen, das große Todtenfeld einer mit systematischer Verrätherei hingeschlachteten Nation waren die Trophäen der „auch in ihrer Uebertreibung so schönen und herzerwärmenden“ Herstellung der „Ordnung von Gottes Gnaden.“ Hony soit qui mal y pense! Möge Herr Hansemann immerhin die Berliner Vereinbarerversammlung, deren Reden wie „trübe Regentropfen aus bleiernen Dachrinnen“ träufeln, mit der Kanzlei-Anerkennung der Revolution beruhigen; so lange die Helden des polnischen Reorganisationswerkes auf freien Füßen einherwandeln, wird die Revolution selbst sich nicht für beendigt erklären. ** Köln, 24. Juli.
Die Debatte über den Jacobyschen Antrag. (Schluß). Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0271"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 55. Köln, Dienstag 25. Juli 1848</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1.Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.</p> <p>Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr <hi rendition="#g">G. A. Alexander,</hi> Nr. 28, Brandgasse in <hi rendition="#g">Straßburg,</hi> und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die <hi rendition="#g">HH. J. J. Ewer</hi> & Comp. 72, Newgate Street in London. 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Wir kommen aber um so eher auf das preußische Liebeswerk zurück, als die freie deutsche Presse offenbaren Chorus darin macht in ihrer gewohnten bedientenhaften National-Livree trotzähnlich hinter den Chrapnell- und Höllenstein-Heroen einherzuziehen und auf dem Leichenfelde Polens den Gemordeten noch den Tritt des Thieres in der Fabel zu geben.</p> <p>Man kennt den „ Freiheitssinn“ der Deutschen. 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Gegenwärtig, wo statt der sympathetischen Gefühle, die Loslassung des alten Raubes auf der Tagesordnung steht, versäumt jedoch der gesinnungswüthige Nationalismus kein Mittel, den Polen ihr eingestandenes „letztes Gut, die Achtung der freien Völker“ zu rauben; die alten Judenmährchen von Vergiftung der Brunnen und Ermordung der Deutschen, tauchen wieder auf, und den Polen wird systematisch jeder Weg der Vertheidigung gegen die Verläumdungen ihrer Sieger abgeschnitten. Nicht allein den Polen, sondern ebensowohl auch dem General Willisen haben u. A., wie wir aus einer Broschüre Koscielski's ersehen, die Berliner Zeitungen, die Vossische, Spener'sche und Zeitungshalle die Aufnahme rechtfertigender <hi rendition="#g">Inserate</hi> verweigert. Und in der Frankfurter Nationalversammlung, die bisher über ihren Zweckessen in der Mainluft noch keine Zeit für die Lage des zertretenen Polens finden konnte, wird die Posener Frage an einem Tage, wo gerade die Bevollmächtigten der polnischen Nation zur Ueberreichung neuer Denkschriften die Debatte um 24 Stunden vertagt verlangen, plötzlich mit rührender Eilfertigkeit auf die Tagesordnung gesetzt, damit nach dem Antrag des Ritters Lychnowski und des verkindeten Arndt die Polen, die keine Vertreter in den deutschen Nationalausschüssen besitzen, nicht noch einmal vor dem Schluß Gehör erhalten. Das war bisher die Gerechtigkeit, welche die Polen bei ihren deutschen „Brüdern“ gefunden haben.</p> <p>Kommen wir indeß wieder auf das preußische Reorganisationswerk zurück. Man weiß, wie die Mission des ersten Reorganisationskommissarius Willisen an der interessanten Säbeldiktatur der ihm untergebenen Generale scheiterte. Der kommandirende General Colomb, dessen glückliche strategische Combinationen die galizischen Mordscenen in Posen hauptsächlich hervorriefen und dem General Pfuel (von Höllenstein) den Weg bahnten, hat sich seitdem zweimal in einer öffentlichen Rechtfertigung versucht, zuerst in einer „offiziellen Nachweisung“ und neuerdings in einer von seinem „Generalstabsmajor“ unterzeichneten und von ihm wenigstens censirten und approbirten „aktenmäßigen Darlegung“. Der Erfolg der ersten ist durch die Nothwendigkeit der zweiten Erklärung außer Zweifel gesetzt; wir würden uns auch auf die letztere nicht bezogen haben, hätte sie nicht eine Erwiederung erhalten, die in dem ordnungsmäßigen Deutschland von Gewicht ist, nämlich eine offene Entgegnung des ersten Kommissarius, <hi rendition="#g">General Willisen.</hi></p> <p>Die Adjutanten der Generale Colomb, Hirschfeld (v. Shrapnells) und Pfuel (v. Höllenstein) mußten es natürlich sonderbar finden, daß man unter den Polen überall Sympathieen und Achtung für Herrn Willisen hegte, für die Liebesmaßregeln ihrer speziellen Herren aber wenig Dankbarkeit zeigte, und der „Generalstabsmajor“ ist hieraus auf den Schluß gekommen, daß der Reorganisationskomissarius mehr mit den Polen, als mit den „Truppen“ verkehrt habe. Sonderbares Benehmen, mit den zu „reorganisirenden“ Polen zu verkehren! Was werden die Adjutanten jedoch sagen, wenn sie Herrn Willisen erst die „Pläne“, welche er mit den Polen vorgehabt, offen darlegen sehen?</p> <p>„Ich habe mich nie von der Ansicht losmachen können,“ heißt es in der Broschüre desselben, „daß unsere Herrschaft in Posen auf nichts anderem beruhe, als auf der <hi rendition="#g">Gewalt,</hi> und mithin unermeßliche Pflichten auflege,‥ vor allem aber die der Milde. Das ganze Geheimniß des unermeßlichen Vertrauens, welches ich bei den Polen genossen, liegt darin, daß ich während eines neunjährigen Aufenthalts unter ihnen diese Ansichten nicht verborgen, zu einer Zeit, wo sie unter den Meinigen für die <hi rendition="#g">höchste Ketzerei</hi> galt, zur Zeit des entschiedenen Germanisirens von 1832-1840. Ich bedauerte die falschen Wege der Regierung …</p> <p>Die Adjutanten und Generalstäbe sämmtlicher Armeekorps werden bei diesen Worten in Entsetzen gerathen. Ein Offizier, ein „höherer“ Offizier („ was des Beispiels wegen um so gefährlicher ist,“ ‒ General Tietzen;) hat es gewagt, neun Jahre lang anderer „Ansicht“ als die obersten Staatsbehörden zu sein! Wo ist die Zucht der inneren Fuchtel“ hin?</p> <p>„Wenn ich bei solchen Ansichten, erzählt Hr. Willisen weiter, nur noch die Umstände erwog, unter welchen die gegenwärtige Erhebung der polnischen Nationalität stattgefunden hatte, wenn ich mir sagen mußte, sie seien durch <hi rendition="#g">unsere eignen Thaten,</hi> durch den Triumphzug des <hi rendition="#g">Volks</hi> mit den polnischen Gefangenen in Berlin, durch den von der ganzen civilisirten Welt erhobenen Ruf: Polen soll frei, die <hi rendition="#g">alte Sünde</hi> wieder gut gemacht werden! hervorgerufen worden,.... wie konnte es mir da einfallen, gleich, so wie ich ankam, mit <hi rendition="#g">Kartätschen</hi> zu reden?“</p> <p>Der Besitz Polens eine „alte Sünde“; die Berliner Revolution ‒ „unsere ‒ ‒ des Volkes That“! Und es giebt kein „Ehrengericht“ für einen General!</p> <p>„Ich war der Erste, der den Weg des Verständigens versuchte, und die Polen haben mir ihn möglich gemacht, <hi rendition="#g">sogar dann noch, als zuerst von Trennung des Landes </hi> die Rede war; nur wollten sie die Scheidungslinie nicht von der deutschen Beamtenwelt gezogen haben.“</p> <p>Als später die „Scheidungslinie“ immer enger gezogen wurde, je stärker die pommer'schen und schlesischen Truppen das „pacificirte“ Land besetzten, war es diese deutsche Beamtenwelt, welche jeden neuen Raub durch falsche Berichte über die „vorwiegend deutsche“ Bevölkerung unterstützte, und den ersten begründeten Verdacht der Polen rechtfertigte. Diese falschen Listen über das Verhältniß der Bevölkerung bilden auch heute den letzten Vorwand der deutschen Nationalfanatiker, welche in merkwürdiger Wahlverwandschaft auch die Juden, die weder deutscher Abkunft noch einen deutschen Jargon sprechen, zu den Ihrigen zählen. Herr Willisen bestätigt ebenfalls die Berichte des Erzbischofs von Gnesen und Posen, welche nicht die Hälfte, sondern höchstens den 6. Theil der Bevölkerung des Großherzogthums als deutsch erweisen. Die Art, in welcher aber diese Deutschen nach Polen gepfropft wurden, ist indeß durch die Kabinetsordre vom 13. März 1833 erklärt, wonach die subhastirten Polengüter in kleinen Parzellen an lediglich <hi rendition="#g">deutsche</hi> Erwerber veräußert werden mußten: der Fiskus, welcher die Taxen selbst machte, überließ den polnischen Boden den Deutschen, die aus <hi rendition="#g">andern</hi>Provinzen kamen, oft mit Erlaß der Kaufgeldzahlung, und schoß ihnen, in der sichern Aussicht, daß die Güter den Taxwerth überwogen, selbst das Betriebskapital vor; Spekulanten und Glücksritter, die ohne die geringsten Mittel nach Polen kamen, bildeten den Kern der stammverwandten deutsch-jüdischen Bevölkerung, welche die Sympathien der Krämer und Beutelschneider in Deutschland für sich in Bewegung setzt.</p> <p>„Durch den Weg der Verständigung, sagt Hr. Willisen, kam ich bald so weit, daß, wäre nicht Posen durch einen strategischen Fehler, gegen den ich von Anfang an mit aller Gewalt protestirt habe, statt des zehnfach wichtigeren Breslau zur Hauptfestung dieses Theils unserer Gränze erhoben worden, eine Ausgleichung der sich schneidend entgegengesetzten Interessen leicht zu Stande gekommen wäre. Erst durch den strategisch fehlerhaften und enormen Festungsbau und der damit zusammenhängenden heftigen, schnellen Germanisirung ist es dahin gekommen, daß für jetzt eine überwiegend deutsche und jüdische Bevölkerung in der Stadt Posen ihren Sitz hat.“</p> <p>Der General Willisen hat nur von vornherein Einen Fehler begangen, indem er die verheißene nationale Reorganisation Polens ernsthaft nahm. Diese Verheißung war dem Schrecken und der Ohnmacht während der Märzrevolution entrissen worden, und seine eigne „Vermittlung“ in Polen unter dem Uebergangsministerium Camphausen war selbst nur ein Uebergang zu dem „Pacificator der That“ General Pfuel (von Höllenstein), der seine Triumphe gleich einem indianischen Häuptling nach den Scalps der Feinde zählt.</p> <p>In dieser Weise auch ist es zu erklären, daß Hr. Willisen, wie er selbst erzählt, stets mit den Ansichten „einiger <hi rendition="#g">Führer</hi>und namentlich des Stabes“ zu kämpfen gehabt; daß die Konvention des Kommissarius, unmittelbar nach ihrer Erfüllung durch die Polen, von der preußischen Soldateska gebrochen wurde; und daß der General Colomb <hi rendition="#g">fünfmal</hi> die bestimmten Befehle, die Polen nicht anzugreifen, ohne alle Provokation überschreiten konnte.</p> <p>Hr. Willisen antwortet auf die Vorwürfe der deutsch-jüdischen Reaktion, daß er die, ursprünglich gegen die Russen gebildeten polnischen Cadres durch die Convention genehmigt habe: „neben einer <hi rendition="#g">freien Presse</hi> im Großherzogthum Posen würde wohl die Formation einiger Polen-Bataillone mit preußisch-polnischer Kokarde keinen größeren Einfluß auf das eingeübt haben, was Rußland überhaupt gegen die europäische <hi rendition="#g">Revolution</hi> im Sinne gehabt.“ Herr Willisen hat indeß diese von dem Ministerium bestätigte Konvention nicht mehr zu vertheidigen. Der „Generalstabsmajor“ des General Colomb hat ihre Bedeutung und die ganze Bedeutung des preußischen Säbelterrorismus in Posen in den Ausspruch zusammengefaßt: daß die Konvention, welche <hi rendition="#g">nicht vom Könige unmittelbar,</hi>sondern bloß vom Ministerium bestätigt worden,<hi rendition="#g"> gar nicht gültig gewesen sei.</hi></p> <p>Dies ist der wahre Inhalt des polnischen Liebeswerkes.</p> <p>Die preußische Soldateska wüthete in Posen à l'honneur du roi; die Polen fielen unter den Bajonetten und Kartätschen ihrer Pacificatoren als ein Racheopfer für die Resultate der Revolution. Die Feuer der angezündeten Dörfer waren das Morgenroth, welches den neuerstandenen absoluten Königsthron verklärte; die durchwühlten Gräber, die geplünderten Kirchen, das große Todtenfeld einer mit systematischer Verrätherei hingeschlachteten Nation waren die Trophäen der „auch in ihrer Uebertreibung so schönen und herzerwärmenden“ Herstellung der „Ordnung von Gottes Gnaden.“ Hony soit qui mal y pense!</p> <p>Möge Herr Hansemann immerhin die Berliner Vereinbarerversammlung, deren Reden wie „trübe Regentropfen aus bleiernen Dachrinnen“ träufeln, mit der <hi rendition="#g">Kanzlei-Anerkennung</hi> der Revolution beruhigen; so lange die Helden des polnischen Reorganisationswerkes auf freien Füßen einherwandeln, wird die Revolution selbst sich nicht für beendigt erklären.</p> </div> <div xml:id="ar055_003_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Debatte über den Jacobyschen Antrag. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 341.</bibl></note> <head><bibl><author>**</author></bibl><hi rendition="#b">Köln</hi>, 24. Juli.</head> <p><hi rendition="#g">Die Debatte über den Jacobyschen Antrag.</hi> (Schluß).</p> <gap reason="copyright"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No 55. Köln, Dienstag 25. Juli 1848 Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1.Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.
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Deutschland * Köln, 23. Juli. _ 19 Köln, 23. Juli.Wir erhalten fortwährend neue Belege über den heldenmüthigen, „ auch in seiner Uebertreibung so schönen und herzerwärmenden“ Patriotismus, mit welchem das jüdisch-germanische Kamaschenritterthum den jüngsten polnischen Raub in's Werk gesetzt hat. Die glorreichen Pacifikations- und Reorganisations-Pläne, welche mit den zweideutigen Konzessionen des Berliner Revolutionsfiebers introduziert, von den deutschen Beamten und Juden in Posen aufgenommen und durch die Kartätschen des General Pfuel (von Höllenstein) zum erwünschten Durchbruch gebracht sind allmählig in ihrem wahren Charakter zu Tage gekommen. Niemand wird die merkwürdige Uebereinstimmung der Ereignisse in Posen, Krakau und Prag für einen bloßen Zufall halten. Wir kommen aber um so eher auf das preußische Liebeswerk zurück, als die freie deutsche Presse offenbaren Chorus darin macht in ihrer gewohnten bedientenhaften National-Livree trotzähnlich hinter den Chrapnell- und Höllenstein-Heroen einherzuziehen und auf dem Leichenfelde Polens den Gemordeten noch den Tritt des Thieres in der Fabel zu geben.
Man kennt den „ Freiheitssinn“ der Deutschen. Die große Denkernation kämpft überall in Gedanken mit, wenn in Paris, Italien, Griechenland eine Erhebung statt findet, und „wenn hinten, weit in der Türkei die Völker aufeinander schlagen.“
Sie hat auch der polnischen Tragödie zeitweilig ihre tiefgefühlten Sympathien zu erkennen gegeben: während 1831 ihre Söhne an Ort und Stelle mit allem Heroismus der Stockdressur die Polen schlachteten, zupften die deutschen Weiber für die heimathlosen Flüchtlinge und Verbannten Charpie und die Männer betoasteten in zweckessendem Heldenmuth die Freiheit, die unter den Bajonetten ihrer eigenen Despoten fiel. Gegenwärtig, wo statt der sympathetischen Gefühle, die Loslassung des alten Raubes auf der Tagesordnung steht, versäumt jedoch der gesinnungswüthige Nationalismus kein Mittel, den Polen ihr eingestandenes „letztes Gut, die Achtung der freien Völker“ zu rauben; die alten Judenmährchen von Vergiftung der Brunnen und Ermordung der Deutschen, tauchen wieder auf, und den Polen wird systematisch jeder Weg der Vertheidigung gegen die Verläumdungen ihrer Sieger abgeschnitten. Nicht allein den Polen, sondern ebensowohl auch dem General Willisen haben u. A., wie wir aus einer Broschüre Koscielski's ersehen, die Berliner Zeitungen, die Vossische, Spener'sche und Zeitungshalle die Aufnahme rechtfertigender Inserate verweigert. Und in der Frankfurter Nationalversammlung, die bisher über ihren Zweckessen in der Mainluft noch keine Zeit für die Lage des zertretenen Polens finden konnte, wird die Posener Frage an einem Tage, wo gerade die Bevollmächtigten der polnischen Nation zur Ueberreichung neuer Denkschriften die Debatte um 24 Stunden vertagt verlangen, plötzlich mit rührender Eilfertigkeit auf die Tagesordnung gesetzt, damit nach dem Antrag des Ritters Lychnowski und des verkindeten Arndt die Polen, die keine Vertreter in den deutschen Nationalausschüssen besitzen, nicht noch einmal vor dem Schluß Gehör erhalten. Das war bisher die Gerechtigkeit, welche die Polen bei ihren deutschen „Brüdern“ gefunden haben.
Kommen wir indeß wieder auf das preußische Reorganisationswerk zurück. Man weiß, wie die Mission des ersten Reorganisationskommissarius Willisen an der interessanten Säbeldiktatur der ihm untergebenen Generale scheiterte. Der kommandirende General Colomb, dessen glückliche strategische Combinationen die galizischen Mordscenen in Posen hauptsächlich hervorriefen und dem General Pfuel (von Höllenstein) den Weg bahnten, hat sich seitdem zweimal in einer öffentlichen Rechtfertigung versucht, zuerst in einer „offiziellen Nachweisung“ und neuerdings in einer von seinem „Generalstabsmajor“ unterzeichneten und von ihm wenigstens censirten und approbirten „aktenmäßigen Darlegung“. Der Erfolg der ersten ist durch die Nothwendigkeit der zweiten Erklärung außer Zweifel gesetzt; wir würden uns auch auf die letztere nicht bezogen haben, hätte sie nicht eine Erwiederung erhalten, die in dem ordnungsmäßigen Deutschland von Gewicht ist, nämlich eine offene Entgegnung des ersten Kommissarius, General Willisen.
Die Adjutanten der Generale Colomb, Hirschfeld (v. Shrapnells) und Pfuel (v. Höllenstein) mußten es natürlich sonderbar finden, daß man unter den Polen überall Sympathieen und Achtung für Herrn Willisen hegte, für die Liebesmaßregeln ihrer speziellen Herren aber wenig Dankbarkeit zeigte, und der „Generalstabsmajor“ ist hieraus auf den Schluß gekommen, daß der Reorganisationskomissarius mehr mit den Polen, als mit den „Truppen“ verkehrt habe. Sonderbares Benehmen, mit den zu „reorganisirenden“ Polen zu verkehren! Was werden die Adjutanten jedoch sagen, wenn sie Herrn Willisen erst die „Pläne“, welche er mit den Polen vorgehabt, offen darlegen sehen?
„Ich habe mich nie von der Ansicht losmachen können,“ heißt es in der Broschüre desselben, „daß unsere Herrschaft in Posen auf nichts anderem beruhe, als auf der Gewalt, und mithin unermeßliche Pflichten auflege,‥ vor allem aber die der Milde. Das ganze Geheimniß des unermeßlichen Vertrauens, welches ich bei den Polen genossen, liegt darin, daß ich während eines neunjährigen Aufenthalts unter ihnen diese Ansichten nicht verborgen, zu einer Zeit, wo sie unter den Meinigen für die höchste Ketzerei galt, zur Zeit des entschiedenen Germanisirens von 1832-1840. Ich bedauerte die falschen Wege der Regierung …
Die Adjutanten und Generalstäbe sämmtlicher Armeekorps werden bei diesen Worten in Entsetzen gerathen. Ein Offizier, ein „höherer“ Offizier („ was des Beispiels wegen um so gefährlicher ist,“ ‒ General Tietzen;) hat es gewagt, neun Jahre lang anderer „Ansicht“ als die obersten Staatsbehörden zu sein! Wo ist die Zucht der inneren Fuchtel“ hin?
„Wenn ich bei solchen Ansichten, erzählt Hr. Willisen weiter, nur noch die Umstände erwog, unter welchen die gegenwärtige Erhebung der polnischen Nationalität stattgefunden hatte, wenn ich mir sagen mußte, sie seien durch unsere eignen Thaten, durch den Triumphzug des Volks mit den polnischen Gefangenen in Berlin, durch den von der ganzen civilisirten Welt erhobenen Ruf: Polen soll frei, die alte Sünde wieder gut gemacht werden! hervorgerufen worden,.... wie konnte es mir da einfallen, gleich, so wie ich ankam, mit Kartätschen zu reden?“
Der Besitz Polens eine „alte Sünde“; die Berliner Revolution ‒ „unsere ‒ ‒ des Volkes That“! Und es giebt kein „Ehrengericht“ für einen General!
„Ich war der Erste, der den Weg des Verständigens versuchte, und die Polen haben mir ihn möglich gemacht, sogar dann noch, als zuerst von Trennung des Landes die Rede war; nur wollten sie die Scheidungslinie nicht von der deutschen Beamtenwelt gezogen haben.“
Als später die „Scheidungslinie“ immer enger gezogen wurde, je stärker die pommer'schen und schlesischen Truppen das „pacificirte“ Land besetzten, war es diese deutsche Beamtenwelt, welche jeden neuen Raub durch falsche Berichte über die „vorwiegend deutsche“ Bevölkerung unterstützte, und den ersten begründeten Verdacht der Polen rechtfertigte. Diese falschen Listen über das Verhältniß der Bevölkerung bilden auch heute den letzten Vorwand der deutschen Nationalfanatiker, welche in merkwürdiger Wahlverwandschaft auch die Juden, die weder deutscher Abkunft noch einen deutschen Jargon sprechen, zu den Ihrigen zählen. Herr Willisen bestätigt ebenfalls die Berichte des Erzbischofs von Gnesen und Posen, welche nicht die Hälfte, sondern höchstens den 6. Theil der Bevölkerung des Großherzogthums als deutsch erweisen. Die Art, in welcher aber diese Deutschen nach Polen gepfropft wurden, ist indeß durch die Kabinetsordre vom 13. März 1833 erklärt, wonach die subhastirten Polengüter in kleinen Parzellen an lediglich deutsche Erwerber veräußert werden mußten: der Fiskus, welcher die Taxen selbst machte, überließ den polnischen Boden den Deutschen, die aus andernProvinzen kamen, oft mit Erlaß der Kaufgeldzahlung, und schoß ihnen, in der sichern Aussicht, daß die Güter den Taxwerth überwogen, selbst das Betriebskapital vor; Spekulanten und Glücksritter, die ohne die geringsten Mittel nach Polen kamen, bildeten den Kern der stammverwandten deutsch-jüdischen Bevölkerung, welche die Sympathien der Krämer und Beutelschneider in Deutschland für sich in Bewegung setzt.
„Durch den Weg der Verständigung, sagt Hr. Willisen, kam ich bald so weit, daß, wäre nicht Posen durch einen strategischen Fehler, gegen den ich von Anfang an mit aller Gewalt protestirt habe, statt des zehnfach wichtigeren Breslau zur Hauptfestung dieses Theils unserer Gränze erhoben worden, eine Ausgleichung der sich schneidend entgegengesetzten Interessen leicht zu Stande gekommen wäre. Erst durch den strategisch fehlerhaften und enormen Festungsbau und der damit zusammenhängenden heftigen, schnellen Germanisirung ist es dahin gekommen, daß für jetzt eine überwiegend deutsche und jüdische Bevölkerung in der Stadt Posen ihren Sitz hat.“
Der General Willisen hat nur von vornherein Einen Fehler begangen, indem er die verheißene nationale Reorganisation Polens ernsthaft nahm. Diese Verheißung war dem Schrecken und der Ohnmacht während der Märzrevolution entrissen worden, und seine eigne „Vermittlung“ in Polen unter dem Uebergangsministerium Camphausen war selbst nur ein Uebergang zu dem „Pacificator der That“ General Pfuel (von Höllenstein), der seine Triumphe gleich einem indianischen Häuptling nach den Scalps der Feinde zählt.
In dieser Weise auch ist es zu erklären, daß Hr. Willisen, wie er selbst erzählt, stets mit den Ansichten „einiger Führerund namentlich des Stabes“ zu kämpfen gehabt; daß die Konvention des Kommissarius, unmittelbar nach ihrer Erfüllung durch die Polen, von der preußischen Soldateska gebrochen wurde; und daß der General Colomb fünfmal die bestimmten Befehle, die Polen nicht anzugreifen, ohne alle Provokation überschreiten konnte.
Hr. Willisen antwortet auf die Vorwürfe der deutsch-jüdischen Reaktion, daß er die, ursprünglich gegen die Russen gebildeten polnischen Cadres durch die Convention genehmigt habe: „neben einer freien Presse im Großherzogthum Posen würde wohl die Formation einiger Polen-Bataillone mit preußisch-polnischer Kokarde keinen größeren Einfluß auf das eingeübt haben, was Rußland überhaupt gegen die europäische Revolution im Sinne gehabt.“ Herr Willisen hat indeß diese von dem Ministerium bestätigte Konvention nicht mehr zu vertheidigen. Der „Generalstabsmajor“ des General Colomb hat ihre Bedeutung und die ganze Bedeutung des preußischen Säbelterrorismus in Posen in den Ausspruch zusammengefaßt: daß die Konvention, welche nicht vom Könige unmittelbar,sondern bloß vom Ministerium bestätigt worden, gar nicht gültig gewesen sei.
Dies ist der wahre Inhalt des polnischen Liebeswerkes.
Die preußische Soldateska wüthete in Posen à l'honneur du roi; die Polen fielen unter den Bajonetten und Kartätschen ihrer Pacificatoren als ein Racheopfer für die Resultate der Revolution. Die Feuer der angezündeten Dörfer waren das Morgenroth, welches den neuerstandenen absoluten Königsthron verklärte; die durchwühlten Gräber, die geplünderten Kirchen, das große Todtenfeld einer mit systematischer Verrätherei hingeschlachteten Nation waren die Trophäen der „auch in ihrer Uebertreibung so schönen und herzerwärmenden“ Herstellung der „Ordnung von Gottes Gnaden.“ Hony soit qui mal y pense!
Möge Herr Hansemann immerhin die Berliner Vereinbarerversammlung, deren Reden wie „trübe Regentropfen aus bleiernen Dachrinnen“ träufeln, mit der Kanzlei-Anerkennung der Revolution beruhigen; so lange die Helden des polnischen Reorganisationswerkes auf freien Füßen einherwandeln, wird die Revolution selbst sich nicht für beendigt erklären.
** Köln, 24. Juli.Die Debatte über den Jacobyschen Antrag. (Schluß).
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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