Neue Rheinische Zeitung. Nr. 53. Köln, 23. Juli 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 53.Köln, Sonntag 23. Juli 1848Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht.
Deutschland. Köln (die Debatte über den Jakoby'schen Antrag. - Gerichtliche Verfolgung der Neuen Rheinischen Zeitung). Berlin (Kommission wegen Aenderung des Sitzungslokales der Vereinbarungsversammlung. - Gegenerklärung von 36 Bezirksvereinen in Betreff der Bürgerwehr.) Erfurt (Kirchmann und Temme.) Jena (ein "Korps"-Kongreß deutscher Studenten). Giessen (blutige Auftritte in Leihgestern). Frankfurt Nationalversammlung). Aus Rheinhessen (Volksrepräsentant Mohr in Anklagezustand versetzt). Darmstadt (Ministerwechsel. - Reaktion). Karlsruhe (das freie Associationsrecht). Prag (die Deutschen und Juden). Wien (Sitzung des konstitutionellen Reichstags u. d. v. Ausschusses. - Letzterer löst sich nicht auf. - Entgegnung auf die Erklärung des nordamerikanischen Geschäftsträgers). Lübeck (Abschluß des Waffenstillstandes). Ungarn. Pesth (Unterhausverhandlungen. - Gefecht mit den Raitzen.) Schweiz. Zürich (Nachgeben der hannover'schen Regierung). Französische Republik. Paris (Marrast Präsident der Nationalversammlung. - Verhaftungen. - Vermischtes. - Frankreich und England sollen Kriegsschiffe ins schwarze Meer schicken. - Nationalversammlung. - Verwandlung des Maires von Paris in einen Polizeipräfekten. - Cavaignac's Dekret über die Nationalgarde. - Die Mobilgarde. - Philantropische Hausdurchsuchungen. - Gesetzentwurf über die Gerichtsverfassung). Spanien. (Die Montemolistische Insurrektion). Portugal. Lissabon (die Ultra-Cabralisten). Italien. Turin (Säbelcensur in Neapel. - Wunsch der "Concordia." - Zwei Deputirte aus Venedig angelangt. - Volksdemonstrationen in Genua. - Kammerverhandlungen - Debatten und Beschlüsse der Deputirten über die Diäten der konst. Verf.). Venedig (Castello's Proklamation an die Venetianer. - Geschenk eines Engländers.) Mozzecane (das italienische Heer gegen Legnano. Großbritannien. London. (Die Times über Irland. - Die Times über den Belagerungszustand in Irland, über Deutschlands Reichsverwesung u. s. w. Nachrichten aus Waterford). Manchester (Handelsbericht). Dublin. (Verbotener Verkauf des "Irish Felon. " - Verhaftungen in Cork. Griechenland. Athen. (Ministerwechsel. - Kassendefekt im Staatsschatz. - Die Kammer). Deutschland ** Köln, 22. Juli. Die Debatte über den Jacoby'schen Antrag (Fortsetzung.) Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Aus dem Tagebuche eines Heulers. Kapitel II. Ein Brief. Nie werde ich den schrecklichen Abend vergessen, an dem zuerst die Nachricht der französischen Revolution bei uns eintraf. Wir saßen wie gewöhnlich bei .... auf der .... straße, im hintern Zimmer; es mochte 10 Uhr sein. Der Steuerkontrolleur Ehrlich hatte schon seinen dritten Schoppen getrunken und faltete eben die Hände, um für zehn Minuten in Morpheus Arme zu sinken - er nimmt sich prächtig in solchen Augenblicken aus: seine Nase verbirgt sich in der Hemdkrause; tiefe, grollende Töne entringen sich seinem Busen. Der Rentner Dürr saß wie immer steif an der Wand und trommelte den Sehnsuchtswalzer, - er hatte eben seine Portion Häringssalat gegessen. Maler Pinsel rauchte wie der Schlott eines holländischen Schleppschiffes und blickte ernst hinauf in seinen eigenen Dunst, um eine neue höchst interessante Wolkenstudie zu machen. Der Professor Fuchs war nicht weniger mit sich selbst beschäftigt. Auf seiner Stirn konnte ich lesen, daß da drinnen irgend ein erbärmliches Gedicht fabrizirt wurde. Der Quadratfüßler Geyer dachte über die Vergänglichkeit alles Irdischen nach und schaute bisweilen hinüber nach dem reichen Herrn von der Windmühle, der wie ein dünner Spazierstock in der Ecke des Zimmers lehnte. Holzhändler Puff befand sich ausnehmend wohl. Dieser Chimborazzo von einem Mann hatte wie gewöhnlich den ganzen Abend hindurch eine unendliche Menge Neuigkeiten erzählt, da senkte sich die Müdigkeit auf ihn herab und sein Haupt fiel auf die Brust - nun ruhen alle Wälder. - Herr Kreuz und der Advokat Verdammlich waren die einzigen, welche die Konversation noch aufrecht erhielten. "Es ist herrlich" - bemerkte Hr. Kreuz - "in was für ruhigen und friedlichen Zeiten wir jetzt leben -" ""Leide!"" erwiederte der Advokat, ""viel zu wenig Prozesse -"" da schwiegen auch sie und während mehrerer Minuten lag nun über der ganzen Gruppe jene selige Stille, jene tiefe Sabbatfeier einer an- und festgetrunkenen antiken Wirthshausgesellschaft. Da öffnet sich plötzlich die Thür und herein tritt der Literat Warze. Sein Erscheinen ist beunruhigend. Man liest in seinen wirren Blicken, daß er nicht ohne Grund noch so spät durch die Wirthshäuser eilt. Seine Kniee schlottern. Dicke, schwere, Tropfen des kostlichsten Schweißes entrieseln seiner göttlichen Stirn; er nimmt den Hut ab - seine Haare stehen zu Berge. Die ganze Gesellschaft erwacht aus ihrer Lethargie. "Was fehlt Ihnen?" fragte der alte Ehrlich. "Sie haben gewiß etwas zu viel!" setzte der Rentner Dürr hinzu. "Hat man Sie irgendwo hinausgeschmissen?" erkundigte sich der Maler Pinsel. "Gewiß haben Sie ein Manuscript zurück bekommen!" bemerkt der Professor Fuchs aus Erfahrung und als Menschenkenner. "Oder ist Ihre Frau niedergekommen?" wirft der Quadratfüßler Geyer hin. "Sollten Sie im Landsknecht verloren haben?" lispelt der Herr von der Windmühle. "Sprechen Sie Herr Warze!" donnert da der Chimborazzo Puff. "Sprechen Sie!" wiederholt der Herr Kreuz. "Und in des drei Teufels Namen, sprechen Sie!" macht der Advokat Verdammlich den Schluß. Da ist der Literat Warze zu Athem gekommen. "Mitbürger!" beginnt er. "Es ist ein großes Unglück geschehen; eins der geachtetsten Handlungshäuser hat so eben auf außerordentlichem Umwege den folgenden Brief erhalten und mir zur Veröffentlichung übergeben. "Lesen Sie, lesen Sie Herr Warze!" tönt es von allen Seiten. Warze stellt sich auf den Stuhl. Ein Pariser Korrespondent schreibt: "Ew. Wohlgeboren hab' ich die Ehr' Einliegend zu remittiren: Zweitausend Thaler, vista, auf Köln; Die woll'n sie mir kreditiren." Nun, das ist eben kein großes Malheur, murmelt man von allen Seiten. - "Sie sehen hieraus, mein werther Freund: Ich habe Sie nicht vergessen. Mit meinem nächsten Briefe send' Ich anderweit'ge Rimessen." Das ist ja sehr erfreulich! brüllt der Herr Puff. Dieser Korrespondent ist ein Ehrenmann. "Es ist mir lieb, daß Sie bestellt Noch sechszehn Fässer Bourgogne. Dagegen wünsch' ich per chemin de fer Noch etwas Eau de Cologne." Aber Herr Warze - unterbricht ihn hier der Rentner Dürr - Sie verstehen das freilich nicht: es kann ja nichts besseres auf der Welt geben, als 2000 Thaler auf Köln, weitere Rimessen versprochen und eine neue Bestellung - ich begreife Sie nicht. - - "Ich bitt' um die beste Qualität, Sie ist für Export nach China. Man kauft sie gen'über dem Jülichsplatz Bei Johann Maria Farina." Allerdings! schreit die ganze Gesellschaft. Keine bessere Eau de Cologne als die Farina'sche! der Pariser hat ganz Recht. Aber wo bleibt das Unglück? "Im Uebrigen hab' ich leider nicht Viel Gutes zu melden heute: Paris litt sehr in der letzten Nacht An einer fatalen Emeute." Alles wird plötzlich still. Niemand unterbricht mehr. Dem Maler Pinsel entsinkt die Pfeife. "Schon frühe mußt' ich schließen die Thür, Verriegeln Fenster und Laden; Man baute in jeder Straße schier Ein halb Dutzend Barrikaden." Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 53.Köln, Sonntag 23. Juli 1848Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht.
Deutschland. Köln (die Debatte über den Jakoby'schen Antrag. ‒ Gerichtliche Verfolgung der Neuen Rheinischen Zeitung). Berlin (Kommission wegen Aenderung des Sitzungslokales der Vereinbarungsversammlung. ‒ Gegenerklärung von 36 Bezirksvereinen in Betreff der Bürgerwehr.) Erfurt (Kirchmann und Temme.) Jena (ein „Korps“-Kongreß deutscher Studenten). Giessen (blutige Auftritte in Leihgestern). Frankfurt Nationalversammlung). Aus Rheinhessen (Volksrepräsentant Mohr in Anklagezustand versetzt). Darmstadt (Ministerwechsel. ‒ Reaktion). Karlsruhe (das freie Associationsrecht). Prag (die Deutschen und Juden). Wien (Sitzung des konstitutionellen Reichstags u. d. v. Ausschusses. ‒ Letzterer löst sich nicht auf. ‒ Entgegnung auf die Erklärung des nordamerikanischen Geschäftsträgers). Lübeck (Abschluß des Waffenstillstandes). Ungarn. Pesth (Unterhausverhandlungen. ‒ Gefecht mit den Raitzen.) Schweiz. Zürich (Nachgeben der hannover'schen Regierung). Französische Republik. Paris (Marrast Präsident der Nationalversammlung. ‒ Verhaftungen. ‒ Vermischtes. ‒ Frankreich und England sollen Kriegsschiffe ins schwarze Meer schicken. ‒ Nationalversammlung. ‒ Verwandlung des Maires von Paris in einen Polizeipräfekten. ‒ Cavaignac's Dekret über die Nationalgarde. ‒ Die Mobilgarde. ‒ Philantropische Hausdurchsuchungen. ‒ Gesetzentwurf über die Gerichtsverfassung). Spanien. (Die Montemolistische Insurrektion). Portugal. Lissabon (die Ultra-Cabralisten). Italien. Turin (Säbelcensur in Neapel. ‒ Wunsch der „Concordia.“ ‒ Zwei Deputirte aus Venedig angelangt. ‒ Volksdemonstrationen in Genua. ‒ Kammerverhandlungen ‒ Debatten und Beschlüsse der Deputirten über die Diäten der konst. Verf.). Venedig (Castello's Proklamation an die Venetianer. ‒ Geschenk eines Engländers.) Mozzecane (das italienische Heer gegen Legnano. Großbritannien. London. (Die Times über Irland. ‒ Die Times über den Belagerungszustand in Irland, über Deutschlands Reichsverwesung u. s. w. Nachrichten aus Waterford). Manchester (Handelsbericht). Dublin. (Verbotener Verkauf des „Irish Felon. “ ‒ Verhaftungen in Cork. Griechenland. Athen. (Ministerwechsel. ‒ Kassendefekt im Staatsschatz. ‒ Die Kammer). Deutschland ** Köln, 22. Juli. Die Debatte über den Jacoby'schen Antrag (Fortsetzung.) Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Aus dem Tagebuche eines Heulers. Kapitel II. Ein Brief. Nie werde ich den schrecklichen Abend vergessen, an dem zuerst die Nachricht der französischen Revolution bei uns eintraf. Wir saßen wie gewöhnlich bei .... auf der .... straße, im hintern Zimmer; es mochte 10 Uhr sein. Der Steuerkontrolleur Ehrlich hatte schon seinen dritten Schoppen getrunken und faltete eben die Hände, um für zehn Minuten in Morpheus Arme zu sinken ‒ er nimmt sich prächtig in solchen Augenblicken aus: seine Nase verbirgt sich in der Hemdkrause; tiefe, grollende Töne entringen sich seinem Busen. Der Rentner Dürr saß wie immer steif an der Wand und trommelte den Sehnsuchtswalzer, ‒ er hatte eben seine Portion Häringssalat gegessen. Maler Pinsel rauchte wie der Schlott eines holländischen Schleppschiffes und blickte ernst hinauf in seinen eigenen Dunst, um eine neue höchst interessante Wolkenstudie zu machen. Der Professor Fuchs war nicht weniger mit sich selbst beschäftigt. Auf seiner Stirn konnte ich lesen, daß da drinnen irgend ein erbärmliches Gedicht fabrizirt wurde. Der Quadratfüßler Geyer dachte über die Vergänglichkeit alles Irdischen nach und schaute bisweilen hinüber nach dem reichen Herrn von der Windmühle, der wie ein dünner Spazierstock in der Ecke des Zimmers lehnte. Holzhändler Puff befand sich ausnehmend wohl. Dieser Chimborazzo von einem Mann hatte wie gewöhnlich den ganzen Abend hindurch eine unendliche Menge Neuigkeiten erzählt, da senkte sich die Müdigkeit auf ihn herab und sein Haupt fiel auf die Brust ‒ nun ruhen alle Wälder. ‒ Herr Kreuz und der Advokat Verdammlich waren die einzigen, welche die Konversation noch aufrecht erhielten. „Es ist herrlich“ ‒ bemerkte Hr. Kreuz ‒ „in was für ruhigen und friedlichen Zeiten wir jetzt leben ‒“ „„Leide!““ erwiederte der Advokat, „„viel zu wenig Prozesse ‒““ da schwiegen auch sie und während mehrerer Minuten lag nun über der ganzen Gruppe jene selige Stille, jene tiefe Sabbatfeier einer an- und festgetrunkenen antiken Wirthshausgesellschaft. Da öffnet sich plötzlich die Thür und herein tritt der Literat Warze. Sein Erscheinen ist beunruhigend. Man liest in seinen wirren Blicken, daß er nicht ohne Grund noch so spät durch die Wirthshäuser eilt. Seine Kniee schlottern. Dicke, schwere, Tropfen des kostlichsten Schweißes entrieseln seiner göttlichen Stirn; er nimmt den Hut ab ‒ seine Haare stehen zu Berge. Die ganze Gesellschaft erwacht aus ihrer Lethargie. „Was fehlt Ihnen?“ fragte der alte Ehrlich. „Sie haben gewiß etwas zu viel!“ setzte der Rentner Dürr hinzu. „Hat man Sie irgendwo hinausgeschmissen?“ erkundigte sich der Maler Pinsel. „Gewiß haben Sie ein Manuscript zurück bekommen!“ bemerkt der Professor Fuchs aus Erfahrung und als Menschenkenner. „Oder ist Ihre Frau niedergekommen?“ wirft der Quadratfüßler Geyer hin. „Sollten Sie im Landsknecht verloren haben?“ lispelt der Herr von der Windmühle. „Sprechen Sie Herr Warze!“ donnert da der Chimborazzo Puff. „Sprechen Sie!“ wiederholt der Herr Kreuz. „Und in des drei Teufels Namen, sprechen Sie!“ macht der Advokat Verdammlich den Schluß. Da ist der Literat Warze zu Athem gekommen. „Mitbürger!“ beginnt er. „Es ist ein großes Unglück geschehen; eins der geachtetsten Handlungshäuser hat so eben auf außerordentlichem Umwege den folgenden Brief erhalten und mir zur Veröffentlichung übergeben. „Lesen Sie, lesen Sie Herr Warze!“ tönt es von allen Seiten. Warze stellt sich auf den Stuhl. Ein Pariser Korrespondent schreibt: „Ew. Wohlgeboren hab' ich die Ehr' Einliegend zu remittiren: Zweitausend Thaler, vista, auf Köln; Die woll'n sie mir kreditiren.“ Nun, das ist eben kein großes Malheur, murmelt man von allen Seiten. ‒ „Sie sehen hieraus, mein werther Freund: Ich habe Sie nicht vergessen. Mit meinem nächsten Briefe send' Ich anderweit'ge Rimessen.“ Das ist ja sehr erfreulich! brüllt der Herr Puff. Dieser Korrespondent ist ein Ehrenmann. „Es ist mir lieb, daß Sie bestellt Noch sechszehn Fässer Bourgogne. Dagegen wünsch' ich per chemin de fer Noch etwas Eau de Cologne.“ Aber Herr Warze ‒ unterbricht ihn hier der Rentner Dürr ‒ Sie verstehen das freilich nicht: es kann ja nichts besseres auf der Welt geben, als 2000 Thaler auf Köln, weitere Rimessen versprochen und eine neue Bestellung ‒ ich begreife Sie nicht. ‒ ‒ „Ich bitt' um die beste Qualität, Sie ist für Export nach China. Man kauft sie gen'über dem Jülichsplatz Bei Johann Maria Farina.“ Allerdings! schreit die ganze Gesellschaft. Keine bessere Eau de Cologne als die Farina'sche! der Pariser hat ganz Recht. Aber wo bleibt das Unglück? „Im Uebrigen hab' ich leider nicht Viel Gutes zu melden heute: Paris litt sehr in der letzten Nacht An einer fatalen Emeute.“ Alles wird plötzlich still. Niemand unterbricht mehr. Dem Maler Pinsel entsinkt die Pfeife. „Schon frühe mußt' ich schließen die Thür, Verriegeln Fenster und Laden; Man baute in jeder Straße schier Ein halb Dutzend Barrikaden.“ <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0261"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 53.Köln, Sonntag 23. Juli 1848</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.</p> <p>Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln (die Debatte über den Jakoby'schen Antrag. ‒ Gerichtliche Verfolgung der Neuen Rheinischen Zeitung). Berlin (Kommission wegen Aenderung des Sitzungslokales der Vereinbarungsversammlung. ‒ Gegenerklärung von 36 Bezirksvereinen in Betreff der Bürgerwehr.) Erfurt (Kirchmann und Temme.) Jena (ein „Korps“-Kongreß deutscher Studenten). Giessen (blutige Auftritte in Leihgestern). Frankfurt Nationalversammlung). Aus Rheinhessen (Volksrepräsentant Mohr in Anklagezustand versetzt). 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Maler Pinsel rauchte wie der Schlott eines holländischen Schleppschiffes und blickte ernst hinauf in seinen eigenen Dunst, um eine neue höchst interessante Wolkenstudie zu machen. Der Professor Fuchs war nicht weniger mit sich selbst beschäftigt. Auf seiner Stirn konnte ich lesen, daß da drinnen irgend ein erbärmliches Gedicht fabrizirt wurde. Der Quadratfüßler Geyer dachte über die Vergänglichkeit alles Irdischen nach und schaute bisweilen hinüber nach dem reichen Herrn von der Windmühle, der wie ein dünner Spazierstock in der Ecke des Zimmers lehnte. Holzhändler Puff befand sich ausnehmend wohl. Dieser Chimborazzo von einem Mann hatte wie gewöhnlich den ganzen Abend hindurch eine unendliche Menge Neuigkeiten erzählt, da senkte sich die Müdigkeit auf ihn herab und sein Haupt fiel auf die Brust ‒ nun ruhen alle Wälder. ‒ Herr Kreuz und der Advokat Verdammlich waren die einzigen, welche die Konversation noch aufrecht erhielten.</p> <p>„Es ist herrlich“ ‒ bemerkte Hr. Kreuz ‒ „in was für ruhigen und friedlichen Zeiten wir jetzt leben ‒“ „„Leide!““ erwiederte der Advokat, „„viel zu wenig Prozesse ‒““ da schwiegen auch sie und während mehrerer Minuten lag nun über der ganzen Gruppe jene selige Stille, jene tiefe Sabbatfeier einer an- und festgetrunkenen antiken Wirthshausgesellschaft.</p> <p>Da öffnet sich plötzlich die Thür und herein tritt der Literat Warze. Sein Erscheinen ist beunruhigend. Man liest in seinen wirren Blicken, daß er nicht ohne Grund noch so spät durch die Wirthshäuser eilt. Seine Kniee schlottern. Dicke, schwere, Tropfen des kostlichsten Schweißes entrieseln seiner göttlichen Stirn; er nimmt den Hut ab ‒ seine Haare stehen zu Berge. Die ganze Gesellschaft erwacht aus ihrer Lethargie.</p> <p>„Was fehlt Ihnen?“ fragte der alte Ehrlich.</p> <p>„Sie haben gewiß etwas zu viel!“ setzte der Rentner Dürr hinzu.</p> <p>„Hat man Sie irgendwo hinausgeschmissen?“ erkundigte sich der Maler Pinsel.</p> <p>„Gewiß haben Sie ein Manuscript zurück bekommen!“ bemerkt der Professor Fuchs aus Erfahrung und als Menschenkenner.</p> <p>„Oder ist Ihre Frau niedergekommen?“ wirft der Quadratfüßler Geyer hin.</p> <p>„Sollten Sie im Landsknecht verloren haben?“ lispelt der Herr von der Windmühle.</p> <p>„Sprechen Sie Herr Warze!“ donnert da der Chimborazzo Puff.</p> <p>„Sprechen Sie!“ wiederholt der Herr Kreuz.</p> <p>„Und in des drei Teufels Namen, sprechen Sie!“ macht der Advokat Verdammlich den Schluß.</p> <p>Da ist der Literat Warze zu Athem gekommen. „Mitbürger!“ beginnt er. „Es ist ein großes Unglück geschehen; eins der geachtetsten Handlungshäuser hat so eben auf außerordentlichem Umwege den folgenden Brief erhalten und mir zur Veröffentlichung übergeben.</p> <p>„Lesen Sie, lesen Sie Herr Warze!“ tönt es von allen Seiten. 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Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No 53.Köln, Sonntag 23. Juli 1848 Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.
Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.
Uebersicht.Deutschland. Köln (die Debatte über den Jakoby'schen Antrag. ‒ Gerichtliche Verfolgung der Neuen Rheinischen Zeitung). Berlin (Kommission wegen Aenderung des Sitzungslokales der Vereinbarungsversammlung. ‒ Gegenerklärung von 36 Bezirksvereinen in Betreff der Bürgerwehr.) Erfurt (Kirchmann und Temme.) Jena (ein „Korps“-Kongreß deutscher Studenten). Giessen (blutige Auftritte in Leihgestern). Frankfurt Nationalversammlung). Aus Rheinhessen (Volksrepräsentant Mohr in Anklagezustand versetzt). Darmstadt (Ministerwechsel. ‒ Reaktion). Karlsruhe (das freie Associationsrecht). Prag (die Deutschen und Juden). Wien (Sitzung des konstitutionellen Reichstags u. d. v. Ausschusses. ‒ Letzterer löst sich nicht auf. ‒ Entgegnung auf die Erklärung des nordamerikanischen Geschäftsträgers). Lübeck (Abschluß des Waffenstillstandes).
Ungarn. Pesth (Unterhausverhandlungen. ‒ Gefecht mit den Raitzen.)
Schweiz. Zürich (Nachgeben der hannover'schen Regierung).
Französische Republik. Paris (Marrast Präsident der Nationalversammlung. ‒ Verhaftungen. ‒ Vermischtes. ‒ Frankreich und England sollen Kriegsschiffe ins schwarze Meer schicken. ‒ Nationalversammlung. ‒ Verwandlung des Maires von Paris in einen Polizeipräfekten. ‒ Cavaignac's Dekret über die Nationalgarde. ‒ Die Mobilgarde. ‒ Philantropische Hausdurchsuchungen. ‒ Gesetzentwurf über die Gerichtsverfassung).
Spanien. (Die Montemolistische Insurrektion).
Portugal. Lissabon (die Ultra-Cabralisten).
Italien. Turin (Säbelcensur in Neapel. ‒ Wunsch der „Concordia.“ ‒ Zwei Deputirte aus Venedig angelangt. ‒ Volksdemonstrationen in Genua. ‒ Kammerverhandlungen ‒ Debatten und Beschlüsse der Deputirten über die Diäten der konst. Verf.). Venedig (Castello's Proklamation an die Venetianer. ‒ Geschenk eines Engländers.) Mozzecane (das italienische Heer gegen Legnano.
Großbritannien. London. (Die Times über Irland. ‒ Die Times über den Belagerungszustand in Irland, über Deutschlands Reichsverwesung u. s. w. Nachrichten aus Waterford). Manchester (Handelsbericht). Dublin. (Verbotener Verkauf des „Irish Felon. “ ‒ Verhaftungen in Cork.
Griechenland. Athen. (Ministerwechsel. ‒ Kassendefekt im Staatsschatz. ‒ Die Kammer).
Deutschland ** Köln, 22. Juli. Die Debatte über den Jacoby'schen Antrag
(Fortsetzung.)
_ Aus dem Tagebuche eines Heulers.
Kapitel II.
Ein Brief.Nie werde ich den schrecklichen Abend vergessen, an dem zuerst die Nachricht der französischen Revolution bei uns eintraf. Wir saßen wie gewöhnlich bei .... auf der .... straße, im hintern Zimmer; es mochte 10 Uhr sein. Der Steuerkontrolleur Ehrlich hatte schon seinen dritten Schoppen getrunken und faltete eben die Hände, um für zehn Minuten in Morpheus Arme zu sinken ‒ er nimmt sich prächtig in solchen Augenblicken aus: seine Nase verbirgt sich in der Hemdkrause; tiefe, grollende Töne entringen sich seinem Busen. Der Rentner Dürr saß wie immer steif an der Wand und trommelte den Sehnsuchtswalzer, ‒ er hatte eben seine Portion Häringssalat gegessen. Maler Pinsel rauchte wie der Schlott eines holländischen Schleppschiffes und blickte ernst hinauf in seinen eigenen Dunst, um eine neue höchst interessante Wolkenstudie zu machen. Der Professor Fuchs war nicht weniger mit sich selbst beschäftigt. Auf seiner Stirn konnte ich lesen, daß da drinnen irgend ein erbärmliches Gedicht fabrizirt wurde. Der Quadratfüßler Geyer dachte über die Vergänglichkeit alles Irdischen nach und schaute bisweilen hinüber nach dem reichen Herrn von der Windmühle, der wie ein dünner Spazierstock in der Ecke des Zimmers lehnte. Holzhändler Puff befand sich ausnehmend wohl. Dieser Chimborazzo von einem Mann hatte wie gewöhnlich den ganzen Abend hindurch eine unendliche Menge Neuigkeiten erzählt, da senkte sich die Müdigkeit auf ihn herab und sein Haupt fiel auf die Brust ‒ nun ruhen alle Wälder. ‒ Herr Kreuz und der Advokat Verdammlich waren die einzigen, welche die Konversation noch aufrecht erhielten.
„Es ist herrlich“ ‒ bemerkte Hr. Kreuz ‒ „in was für ruhigen und friedlichen Zeiten wir jetzt leben ‒“ „„Leide!““ erwiederte der Advokat, „„viel zu wenig Prozesse ‒““ da schwiegen auch sie und während mehrerer Minuten lag nun über der ganzen Gruppe jene selige Stille, jene tiefe Sabbatfeier einer an- und festgetrunkenen antiken Wirthshausgesellschaft.
Da öffnet sich plötzlich die Thür und herein tritt der Literat Warze. Sein Erscheinen ist beunruhigend. Man liest in seinen wirren Blicken, daß er nicht ohne Grund noch so spät durch die Wirthshäuser eilt. Seine Kniee schlottern. Dicke, schwere, Tropfen des kostlichsten Schweißes entrieseln seiner göttlichen Stirn; er nimmt den Hut ab ‒ seine Haare stehen zu Berge. Die ganze Gesellschaft erwacht aus ihrer Lethargie.
„Was fehlt Ihnen?“ fragte der alte Ehrlich.
„Sie haben gewiß etwas zu viel!“ setzte der Rentner Dürr hinzu.
„Hat man Sie irgendwo hinausgeschmissen?“ erkundigte sich der Maler Pinsel.
„Gewiß haben Sie ein Manuscript zurück bekommen!“ bemerkt der Professor Fuchs aus Erfahrung und als Menschenkenner.
„Oder ist Ihre Frau niedergekommen?“ wirft der Quadratfüßler Geyer hin.
„Sollten Sie im Landsknecht verloren haben?“ lispelt der Herr von der Windmühle.
„Sprechen Sie Herr Warze!“ donnert da der Chimborazzo Puff.
„Sprechen Sie!“ wiederholt der Herr Kreuz.
„Und in des drei Teufels Namen, sprechen Sie!“ macht der Advokat Verdammlich den Schluß.
Da ist der Literat Warze zu Athem gekommen. „Mitbürger!“ beginnt er. „Es ist ein großes Unglück geschehen; eins der geachtetsten Handlungshäuser hat so eben auf außerordentlichem Umwege den folgenden Brief erhalten und mir zur Veröffentlichung übergeben.
„Lesen Sie, lesen Sie Herr Warze!“ tönt es von allen Seiten. Warze stellt sich auf den Stuhl. Ein Pariser Korrespondent schreibt:
„Ew. Wohlgeboren hab' ich die Ehr'
Einliegend zu remittiren:
Zweitausend Thaler, vista, auf Köln;
Die woll'n sie mir kreditiren.“
Nun, das ist eben kein großes Malheur, murmelt man von allen Seiten. ‒
„Sie sehen hieraus, mein werther Freund:
Ich habe Sie nicht vergessen.
Mit meinem nächsten Briefe send'
Ich anderweit'ge Rimessen.“
Das ist ja sehr erfreulich! brüllt der Herr Puff. Dieser Korrespondent ist ein Ehrenmann.
„Es ist mir lieb, daß Sie bestellt
Noch sechszehn Fässer Bourgogne.
Dagegen wünsch' ich per chemin de fer
Noch etwas Eau de Cologne.“
Aber Herr Warze ‒ unterbricht ihn hier der Rentner Dürr ‒ Sie verstehen das freilich nicht: es kann ja nichts besseres auf der Welt geben, als 2000 Thaler auf Köln, weitere Rimessen versprochen und eine neue Bestellung ‒ ich begreife Sie nicht. ‒ ‒
„Ich bitt' um die beste Qualität,
Sie ist für Export nach China.
Man kauft sie gen'über dem Jülichsplatz
Bei Johann Maria Farina.“
Allerdings! schreit die ganze Gesellschaft. Keine bessere Eau de Cologne als die Farina'sche! der Pariser hat ganz Recht. Aber wo bleibt das Unglück?
„Im Uebrigen hab' ich leider nicht
Viel Gutes zu melden heute:
Paris litt sehr in der letzten Nacht
An einer fatalen Emeute.“
Alles wird plötzlich still. Niemand unterbricht mehr. Dem Maler Pinsel entsinkt die Pfeife.
„Schon frühe mußt' ich schließen die Thür,
Verriegeln Fenster und Laden;
Man baute in jeder Straße schier
Ein halb Dutzend Barrikaden.“
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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